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German Pages 532 Year 2015
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 88
Empty Voting und Hidden (Morphable) Ownership Die Entkopplung des Stimmrechts des Aktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft von der wirtschaftlichen Betroffenheit
Von
Marco Tautges
Duncker & Humblot · Berlin
MARCO TAUTGES
Empty Voting und Hidden (Morphable) Ownership
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 88
Empty Voting und Hidden (Morphable) Ownership Die Entkopplung des Stimmrechts des Aktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft von der wirtschaftlichen Betroffenheit
Von
Marco Tautges
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14563-8 (Print) ISBN 978-3-428-54563-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84563-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/14 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Zwar wurde das Manuskript bereits im Oktober 2010 abgeschlossen, jedoch hat der Verfasser Literatur und Rechtsprechung bis einschließlich September 2014 berücksichtigt. Außerdem hat er die wesentlichen Rechtsänderungen bis zu eben diesem Datum in einem Annexkapitel zusammengetragen und vor diesem Hintergrund das erste Kapitel teilweise überarbeitet. An erster Stelle gebührt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M., vormals Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, auf dessen Anregung hin ich mich mit diesem spannenden Thema befasste. Trotz seines Wechsels an das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg zum 01. April 2009 übernahm er auch weiterhin die Betreuung des Dissertationsprojektes. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Jens Koch, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Des Weiteren gebührt mein Dank den Herren Professoren Holger Fleischer, Hanno Merkt und Gerald Spindler für die Aufnahme der Arbeit in ihre Schriftenreihe. Schließlich danke ich Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marcus Lutter für zwei inspirierende Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft am Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn. Ein Promotionsstipendium der FAZIT-Stiftung ermöglichte es mir, die Arbeit zielorientiert und frei von finanziellen Sorgen abzuschließen. Dafür möchte ich stellvertretend den Geschäftsführern der FAZIT-Stiftung, Herrn Karl Dietrich Seikel und Herrn Michael Spankus sowie Frau Annette Martinez herzlich danken. Besondere Erwähnung verdienen auch meine Freunde Johanna Stenglein und Dr. Dominik Theisen, die für Diskussionen stets offen waren und den einen oder anderen wertvollen Hinweis oder Ratschlag beizusteuern vermochten. Abermals Dominik Theisen und meinem „alten Lerngruppenkollegen“ und Freund Pierre Becker habe ich für die mühe- und wertvolle Arbeit des Korrekturlesens herzlich zu danken. Zu Dank verpflichtet bin ich auch meiner Schwester und in ganz besonderem Maße meiner Mutter, die mir während meines gesamten Studiums jegliche Art von Unterstützung hat angedeihen lassen und mir stets das Gefühl gegeben hat, auf dem richtigen Weg zu sein.
6
Vorwort
Last but not least danke ich meiner Frau Dr. Christina Müller-Tautges für ihre Liebe, Zuneigung und Unterstützung in allen Lebenslagen. Mainz, im Februar 2015
Marco Tautges
Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einführung
29
A. Kursorische Beschreibung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Diskussionsstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2. Kapitel Genese des new vote buying
42
A. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
3. Kapitel Problemanalyse
138
A. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
4. Kapitel Rechtliche Bestandsaufnahme
211
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
8
Inhaltsübersicht 5. Kapitel Diskussion de lege ferenda
390
A. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 6. Kapitel Zusammenfassung
430
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 C. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 7. Kapitel Annex – jüngere Entwicklungen
445
A. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung
29
A. Kursorische Beschreibung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Diskussionsstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Beschränkung auf equity decoupling in Bezug auf das Stimmrecht . . . . . . . . . . 37 1. Das Rechte- und Pflichtenprogramm eines Aktionärs im Überblick . . . . . . . . 37 2. Equity decoupling vs. debt decoupling vs. hybrid decoupling . . . . . . . . . . . . 38 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2. Kapitel Genese des new vote buying
42
A. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Erwerb von Aktien der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Abgabe des wirtschaftlichen Risikos durch den Einsatz von Derivaten . . . 45 aa) Begriffsklärung Derivat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Legaldefinition (§ 2 Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (2) Gemeinsame Merkmale aller Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (a) Gegenseitiger Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (b) Basiswert als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (c) Hinausgeschobener Erfüllungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (d) Konträre Zukunftserwartungen der Vertragsparteien . . . . . . . . 48 bb) Systematisierung der Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Systematisierung nach Basiswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Systematisierung nach der Art des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
10
Inhaltsverzeichnis (3) Systematisierung nach dem Risikoprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (4) Systematisierung nach Produktgenerationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (5) Systematisierung nach der Art der Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 cc) Einsatzmöglichkeiten von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Risikoabsicherung (hedging) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen Kassa- und Terminmarkt (Arbitrage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (3) Spekulation (trading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 dd) Risiken des Einsatzes von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (1) Markt-/Preisänderungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (2) Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Systemrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (4) Rechtsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ee) Erscheinungsformen von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Festgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (b) Börsliche Festgeschäfte (futures) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (c) Außerbörsliche Festgeschäfte (forwards) . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Optionsgeschäfte (options) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (b) Kaufoptionen (call options) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (c) Verkaufsoptionen (put options) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (3) Austauschverträge (swaps) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (b) Wertpapierbezogene swaps (equity-linked swaps) . . . . . . . . . . 63 (aa) Index swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (bb) Equity swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (4) Verwendung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ff) Organisation des Derivatehandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (1) Außerbörsliche Derivatgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Terminbörsliche Derivatgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (b) Abwicklung (clearing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (aa) Clearing-Stelle als zentraler Vertragspartner . . . . . . . . . . . 70 (bb) Sicherheitsleistungen (margins) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Mylan Laboratories/King Pharmaceuticals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Axa/Mony . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Inhaltsverzeichnis
11
2. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Wertpapierleihe/-darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Begriffsklärung und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (3) Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (4) Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (a) Direktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (b) Geschäfte unter Einschaltung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (aa) Einschaltung von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (bb) Institutionalisierte Wertpapierdarlehenssysteme . . . . . . . . . 82 (cc) Wertpapierdarlehenssysteme großer Kreditinstitute . . . . . . 83 bb) Vertraglicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Rechtsposition des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Rechtsposition des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (a) Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (b) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (aa) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (a) Keine Ordnungswidrigkeit des Darlehensnehmers nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG durch die Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (b) Keine Zweckwidrigkeit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit der Stimmabgabe durch den Darlehensnehmer . . 88 (c) Keine vertragliche Nebenpflicht des Darlehensnehmers zur Nichtausübung des Stimmrechts . . . . . . . . . 90 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Wirtschaftliche Motive für den Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . 92 (1) Motive des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Motive des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (a) Erfüllung von Lieferverpflichtungen des Darlehensnehmers . . 93 (b) Risikoabsicherung (hedging) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (c) Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen Kassamarkt und Terminmarkt (Arbitrage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (d) Spekulation, v. a. Erleichterung des short selling . . . . . . . . . . . 94 (e) Strategischer Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (f) Beschaffung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
12
Inhaltsverzeichnis b) Insbesondere: Record date capture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Kurzsynopse zu den aktienrechtlichen Legitimationsregeln vor und nach dem UMAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Namensaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Inhaberaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Begriff des record date . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Record date capture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (1) Abschluss eines Wertpapierdarlehensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (2) Abschluss eines Kaufvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (3) Vorteile des Wertpapierdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Laxey Partners/British Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Henderson Land/Henderson Investment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Merger arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Fallstudie: Deutsche Börse/London Stock Exchange . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Vergleich der merger arbitrage mit dem empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
B. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Vermeidung einer Offenlegung nach §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Vermeidung der Veröffentlichung der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und der Abgabe eines Pflichtangebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . 115 a) Kontrollerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Kontrollerhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Optionen der Derivatvertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Faktischer Zugriff des Investors auf die Aktien der Banken . . . . . . . . . . . . 119 aa) Hedging-Maßnahmen der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Wirtschaftliche Anreize der Banken zur Andienung der Aktien . . . . . 121 cc) Vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Continental/Schaeffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Implenia/Laxey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) CSX/TCI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Inhaltsverzeichnis
13
3. Bewertung der Alternativen aus der Sicht des Anschleichers . . . . . . . . . . . . . 136 C. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
3. Kapitel Problemanalyse
138
A. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Bedeutung des Stimmrechts und seine Einordnung in die Corporate GovernanceDiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Anreizverzerrungen und Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Das Proportionalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Ökonomischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Aktionäre als residual claimants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Relative Homogenität der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Inhalt des Proportionalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Konsequenzen einer Abweichung vom Proportionalitätsprinzip durch empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Vergleich des empty voting mit Mehrstimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Ausnahmen vom Proportionalitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Schwindende Bedeutung der Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Höchststimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (2) Mehrstimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (3) Stimmrechtslose Vorzugsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
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Inhaltsverzeichnis dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Unterschiedliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Verstoß gegen die Satzungsdispositivität des Proportionalitätsprinzips . . . 161 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Ineffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Der Wert des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Implikationen der Verfolgung eigener Interessen durch den empty voter . . . . 167 a) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Die Studie von Brav und Mathews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Grundsätzliche Vorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Keine Übertragbarkeit auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Weitere Gefahren des empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Swing vote-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Erlangung des Stimmrechts unter Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Securities lending-Überraschung und overvoting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Problemstellung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Begrenzte Übertragbarkeit auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Girosammelverwahrung als Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Securities lending-Überraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Overvoting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 VI. Selbstheilungskräfte von Aktionärsabstimmungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Das Prinzipal-Agenten-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Trennung von Eigentum und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Kollektivhandlungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Übertragbarkeit auf deutsche Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
B. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Beeinträchtigung der Informationseffizienz des Kapitalmarkts als Vorbedingung der Bedenklichkeit des Anschleichens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Kursrelevanz der Sicherung des Zugriffs auf ein Aktienpaket . . . . . . . . . . . . 186 a) Informationen über die künftige Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Informationen über die bevorstehende größere Kapitalbewegung . . . . . . . 188 c) Informationen über die Höhe des free float . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Inhaltsverzeichnis
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d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Erschwerung der Informationsbeschaffung und -verbreitung . . . . . . . . . . . . . 189 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Beeinträchtigung der Allokationseffizienz des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Ermöglichung des Missbrauchs von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V. Beeinträchtigung des Marktes für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Interessenlage der von Unternehmensübernahmen Betroffenen . . . . . . . . . . . 194 a) Interesse des Erwerbers an später Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Interesse an frühzeitiger Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Aktionäre der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Management der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 cc) Anlegerpublikum und sonstige stakeholder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Nachteilige Implikationen des Anschleichens für den Unternehmenskontrollmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Vorteilhafte Implikationen des Anschleichens für den Unternehmenskontrollmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Verunmöglichung von Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Verbilligung der Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Ausschaltung konkurrierender Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 VI. Beeinträchtigung des institutionellen Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Volkswirtschaftliche Bedeutung eines Anlegerschutzes durch Transparenz . . 202 2. Verlust des Paketzuschlags bzw. der Kontrollprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Beteiligung an der Kontrollprämie als berechtigtes Interesse der Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Berechtigtes Interesse der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Kein berechtigtes Interesse der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 cc) Verteuerung der Übernahme durch free riding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Anerkennung durch den Gesetzgeber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 VII. Beeinträchtigung guter Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
4. Kapitel Rechtliche Bestandsaufnahme
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
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B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Rechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Grundsätzliche Zulässigkeit des Abstimmens bei positivem wirtschaftlichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Unzulässigkeit des Aufbaus einer empty voting-Position . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (§ 717 S. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Verstoß gegen das Verbot des Stimmenkaufs (§ 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG) . . 216 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . 220 aa) Absicht zum empty voting als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) 220 (1) Innere Tatsachen als Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (a) Absicht zum empty voting (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG) . . . . . . . 220 (b) Empty voting als zukünftiger Umstand (§ 13 Abs. 1 S. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (c) Konvergenz der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (2) Problem der selbst geschaffenen Information . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Verwendung der Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . 227 (1) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (a) Erwerb von Aktien der zu beeinflussenden Gesellschaft . . . . . 227 (aa) Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (bb) Einschränkung des Tatbestands des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (a) Ratio des § 14 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Subjektive Auslegung des Begriffs der „Verwendung“ 229 (c) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG 231 (b) Abgabe des wirtschaftlichen Risikos durch den Erwerb derivativer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (aa) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (bb) Neutrales oder negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . 233 (a) Keine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (b) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG 233 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (2) Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
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cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 ee) Caveat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Unzulässigkeit der Ausübung des Stimmrechts aus einer empty voting-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG) . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (1) Record date capture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (a) Weiterübertragung/Rückübereignung nach dem Hauptversammlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (b) Weiterübertragung/Rückübereignung vor dem Hauptversammlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (aa) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (2) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Record date capture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (a) Rückübereignung der Aktien nach dem Hauptversammlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (b) Rückübereignung der Aktien noch vor dem Hauptversammlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (aa) Aktien eines anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (bb) Besonderer Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 d) Stimmrechtsausschluss gemäß § 136 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Unmittelbare Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Gesamtanalogie zu anderen Stimmrechtsverboten (§ 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (3) (Einzel-)Analogie zu § 136 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
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Inhaltsverzeichnis e) Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG) . . . . . . . 251 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Stimmrechtsausübung durch einen Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Erlangung von Sondervorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre . . . . . . . . . . 253 (4) Eignung des Beschlusses zur Erlangung von Sondervorteilen . . . . 254 (5) Vorsatz bezüglich des Sondervorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . 255 (2) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (b) Vorsatzvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 g) Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Verhältnis des Instituts des Rechtsmissbrauchs zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 cc) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (1) Gewährleistung der Richtigkeit der Beschlussfassung durch Vermeidung von Interessenkonflikten als Sinn der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (2) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (3) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (4) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (6) Vereinbarkeit mit dem Lindner-Urteil des BGH? . . . . . . . . . . . . . . 264 dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (1) Versagung der Wirkungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (2) Verbot der Ausübung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (3) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . 266 (4) Vermutung des Stimmrechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 h) Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (1) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (2) Wirkungsrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (3) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (4) Erfordernis einer Einzelfallbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
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bb) Anwendung auf das empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (1) Realstruktur der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (2) Funktion des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (3) Anteilsbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (4) Abwägung der kollidierenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (a) Relevante Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (b) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (aa) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (cc) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (c) Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (aa) Positives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (cc) Negatives wirtschaftliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (1) Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (2) Vermutung der Treuepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (3) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . 281 (4) Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 i) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Beteiligungstransparenzvorschriften (§§ 21 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG beim Darlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (2) Offenlegung des Stimmrechtserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (3) Keine Offenlegung des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Offenlegungspflichten des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (2) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . 287 (a) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören . . . . . . . . 287 (b) Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten . . . . . . . . . . . . . . 289 (aa) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Darlehensgeber 289 (a) Darlehensgeber als Träger der wirtschaftlichen Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (b) Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
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Inhaltsverzeichnis (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (bb) Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (b) Widerlegliche Vermutung der Möglichkeit des Stimmrechtseinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (aa) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (c) Zuordnung des Stimmrechtseinflusses beim Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (aa) Kein Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (bb) Gegenansicht und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . 296 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (3) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . 299 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (b) Erlangung des Eigentums an der Aktie durch Willenserklärung 299 (c) Schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung . . . . . . . . . . . . . 299 (aa) Größtmögliche Transparenz als Auslegungsmaxime? . . . . 299 (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (cc) Anwendung auf das Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . 302 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (4) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (5) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) . . . 306 aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 bb) Gleichlauf von § 30 WpÜG und § 22 WpHG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (1) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (a) Sperre einer gespaltenen Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (b) Vorrang richtlinienkonformer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (c) Ratio der Regelungskomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (d) Rechtsfolgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (e) Präventivbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 cc) Berücksichtigung der Aktien als eigene beim Darlehensnehmer . . . . . 312 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (2) Angebots- und Veröffentlichungspflicht des Darlehensnehmers . . 313
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(3) Keine Offenlegung des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 dd) Veröffentlichungs- und Angebotspflichten des Darlehensgebers . . . . . 315 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (2) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . 316 (a) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören . . . . . . . . 316 (b) Für Rechnung des Bieters gehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (aa) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Darlehensgeber 316 (bb) Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (b) Kein Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (3) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG . . . . . . . . . . . . . 318 (a) Erlangung des Eigentums an der Aktie durch Willenserklärung des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (b) Schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung . . . . . . . . . . . . . 318 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (4) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Beteiligungstransparenzvorschriften (§§ 21 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 321 aa) Offenlegungspflichten des empty voter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Offenlegungspflichten der Gegenpartei des Derivatgeschäfts . . . . . . . 322 (1) Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (2) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . 322 (3) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . 322 (4) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (5) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 c) Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) . . . 323 aa) Überschreitung der Kontrollschwelle durch den empty voter . . . . . . . 323 bb) Veröffentlichungs- und Angebotspflicht der Gegenpartei . . . . . . . . . . 323 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
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C. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I. Beteiligungstransparenz (§§ 21 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Zum Anschleichen nicht geeignete Derivatgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 325 (1) Derivatgeschäfte mit physical settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (2) Derivatgeschäfte mit cash settlement ohne Absicherung des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Beschränkung der Untersuchung auf Derivatgeschäfte mit cash settlement bei Absicherung des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG beim Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 c) Offenlegungspflichten des Investors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 bb) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (1) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören . . . . . . . . . . . 330 (2) Für Rechnung des Investors gehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (a) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Investor . . . . . . . . 331 (aa) Unergiebigkeit der Rahmenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (bb) Festgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (a) Dividendenchance/-risiko und Bezugsrechtechance/ -risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (b) Bestandsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (aa) Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister als entscheidender Zeitpunkt für die rechtliche Möglichkeit zur Lieferung von Aktien 332 (bb) Auswirkungen auf die Risikoverteilung bei Festgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen . . . . . . 336 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (cc) Optionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (a) Dividendenchance-/risiko und Bezugsrechtechance/risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (b) Bestandsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen . . . . . . 338 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (dd) Swap-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (a) Dividendenchance/-risiko und Bezugsrechtechance/risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (b) Bestandsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen . . . . . . 339
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(d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (b) Einfluss des Investors auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (aa) Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch den Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (a) Faktischer Zugriff des Investors auf Aktien . . . . . . . . 341 (b) Stimmrechtseinfluss des Investors? . . . . . . . . . . . . . . . 343 (aa) Keine wirtschaftliche Zwangslage der Banken . . 344 (bb) Banken keine „willfährigen Befehlsempfänger“ . 345 (cc) Kein Stimmrechtseinfluss durch Ausschalten von Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (dd) Keine extensive Auslegung des § 22 WpHG . . . 347 (ee) Keine Orientierung am CSX/TCI-Urteil . . . . . . . 348 (ff) Vergleich mit Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . 349 (gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 (bb) Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Drittbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 cc) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 351 dd) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 (2) Abschluss des Derivatgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (3) Erwerb von Aktien zur Risikoabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (a) Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (aa) Aktienerwerb des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (bb) Aktienerwerb der Drittbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (b) Aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise . . . . . . . 355 (c) Verhalten in Bezug auf den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (4) Ausübung der Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 ee) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (2) Finanzinstrument (§ 2 Abs. 2b WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (3) Recht zum Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien . . 360 (4) Möglichkeit des einseitigen Aktienerwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 e) Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 aa) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 bb) Rechtsfolge: analoge Anwendung der umgangenen Norm . . . . . . . . . 365
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Inhaltsverzeichnis cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG bei den Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Offenlegungspflichten des Investors (§§ 22, 25 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . 368 II. Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . 369 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 a) Überschreitung der Kontrollschwelle durch eine der Banken . . . . . . . . . . . 369 b) Veröffentlichungs- und Angebotspflicht des Investors . . . . . . . . . . . . . . . . 369 3. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 a) Berücksichtigung der Aktien als eigene beim Darlehensnehmer . . . . . . . . 370 b) Veröffentlichungs- und Angebotspflichten des Darlehensgebers . . . . . . . . 370 III. Unverzügliche Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (§ 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Begriff der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Mehrstufiger Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 d) Nachweis des Vorliegens der Entscheidung durch Indizien . . . . . . . . . . . . 375 3. Anwendung auf das Anschleichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 a) Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 b) Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 IV. Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Absicht zur Übernahme als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) . . . . 378 b) Insiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 aa) Investor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (1) Erwerb von Derivaten auf Aktien der Zielgesellschaft (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (a) Verwendung der Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 (b) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG? . . . . . 381 (c) Verneinung des Tatbestands aus systematischen Erwägungen? 382 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 (2) Unbefugte Mitteilung oder unbefugtes Zugänglichmachen von Insiderinformationen durch den Investor (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). 383 bb) Erwerb von Aktien unter Verwendung von Insiderinformationen durch die Banken (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 (1) Erwerb von Aktien durch die Drittbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
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(2) Erwerb von Aktien durch den Vertragspartner des Investors . . . . . 385 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 a) Absicht zur Übernahme als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) . . . . 386 b) Insiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 aa) Investor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 (1) Sukzessiver Erwerb der Aktien (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . 387 (2) Unbefugte Mitteilung oder unbefugtes Zugänglichmachen von Insiderinformationen durch den Investor (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). 387 bb) Erwerb von Aktien unter Verwendung von Insiderinformationen durch die Banken (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
5. Kapitel Diskussion de lege ferenda
390
A. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 I. Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 II. Rechtsvergleichender Rundblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 1. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 2. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 4. Hong Kong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 III. Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Einführung einer neuen Meldepflicht beim Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten (§ 25a WpHG-RegE) . . . . . . . . . . . . 397 a) Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 b) Grundsätzliche Herangehensweise des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 aa) Fallgruppengeleitete vs. prinzipiengeleitete Regulierung . . . . . . . . . . . 398 bb) Kleine vs. große Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 c) Verhinderung eines unüberschaubaren Meldeaufkommens . . . . . . . . . . . . 400 aa) (Mögliche) Einschränkungen der und Ausnahmen von der Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (1) Möglichkeit des hedging durch Aktienerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (2) Emittentenprivileg (§ 25a Abs. 3 WpHG-RegE) . . . . . . . . . . . . . . 401 (3) Aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . 402 (4) Börslich gehandelte Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
26
Inhaltsverzeichnis (5) De minimis-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 bb) Eingangsmeldeschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 cc) Keine Zusammenrechnung mit anderen long-Positionen . . . . . . . . . . . 407 dd) Berechnung des Stimmrechtsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 (1) Berechnungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 (a) Nominalberechnung des Stimmrechtsanteils . . . . . . . . . . . . . . 410 (b) Delta-adjustierte Berechnung des Stimmrechtsanteils . . . . . . . 410 (aa) Equity swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (bb) Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (2) Haltung des Regierungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 (3) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 ee) Verordnungsermächtigung (§ 25a Abs. 4 WpHG-RegE) . . . . . . . . . . . 414 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 d) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . 415 aa) Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 bb) Alternative Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 (1) Erweiterung des Rechtsverlusts (§ 28 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . 416 (2) Untersagung eines Übernahmeangebots durch die BaFin . . . . . . . 418 e) Offenlegung von short-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 3. Ausdehnung des § 25 WpHG auf „sonstige Instrumente“ . . . . . . . . . . . . . . . . 419 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 II. Reichweite einer Regelung zur Offenlegung von short-Positionen . . . . . . . . . . . 422 1. Offenlegung von Brutto-short-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 2. Offenlegung von Netto-short-Positionen (§ 30i WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 4. Eigener Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 a) Akzessorietät der Offenlegung von short-Positionen zur Offenlegung von long-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 b) Schwellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 c) Rechtssystematische Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 d) Verhältnis zu § 30i WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Inhaltsverzeichnis
27
6. Kapitel Zusammenfassung
430
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 C. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
7. Kapitel Annex – jüngere Entwicklungen
445
A. Hidden (morphable) ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 I. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 1. § 25 n.F. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 a) Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 b) Derivative Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 2. § 25a n.F. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 a) Ermöglichung des Aktienerwerbs – Reichweite der Generalklausel . . . . . 448 aa) Regelbeispiele (§ 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . 448 bb) Konkretisierung der Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 (1) Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 (2) Auslegungshilfen der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 cc) Zweifelsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b) Änderungen des Gesetzestextes gegenüber dem Regierungsentwurf . . . . . 451 c) Umgehungsfestigkeit des § 25a Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 3. Rechtsfolgen: Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. f WpHG) . . . . . . . . 453 II. Änderungsrichtlinie 2013/50/EU zur Transparenzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 1. (Partielle) Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 a) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 2. Mitteilungspflicht für bisher nicht meldepflichtige Finanzinstrumente . . . . . 457 a) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 3. Meldesäulen und Aggregation von Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 a) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 4. Berechnung des Stimmrechtsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 a) Berechnungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 aa) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
28
Inhaltsverzeichnis bb) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 b) Aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 aa) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 bb) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5. Ausnahmen von der Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 a) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 6. Erweiterung der Sanktionsbefugnisse der nationalen Behörden . . . . . . . . . . . 468 a) Änderungen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 aa) Anwendungsbereich (Art. 28a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 bb) Öffentliche Bekanntgabe von Sanktionen (Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 cc) Finanzielle Sanktionen (Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) . . . . . . . . . . . . 470 dd) Stimmrechtsaussetzung (Art. 28b Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 aa) Öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen (§ 40b Abs. 1 WpHG) 472 bb) Ordnungswidrigkeitstatbestand (§ 39 Abs. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . 473 cc) Rechtsverlust (§ 28 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
B. Empty voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 I. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 1. Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 2. Derivative Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 II. Leerverkaufsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
1. Kapitel
Einführung A. Kursorische Beschreibung des Untersuchungsgegenstands Die Mitgliedschaft lässt sich als ein Paket von Rechten und Pflichten begreifen, aus dem einzelne Komponenten nicht herausgelöst werden können.1 Dieses sog. Abspaltungsverbot gilt als allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts auch im Aktienrecht und begegnet besonders häufig im Zusammenhang mit dem Stimmrecht2: Dieses kann nicht Gegenstand isolierter Übertragung sein und steht demzufolge ausnahmslos dem Aktionär, also demjenigen zu, der die wirtschaftlichen Risiken aus der Beteiligung trägt. Ohne die Übernahme des aktionärstypischen wirtschaftlichen Risikos kann es das Stimmrecht demnach nicht geben; Stimmrecht und wirtschaftliche Betroffenheit gehen Hand in Hand. Oder anders formuliert: Das Stimmrecht als die Möglichkeit der Partizipation an der Willensbildung der Gesellschaft soll dem Aktionär nur dann zustehen, wenn er wirtschaftlich die Risiken aus seiner Beteiligung trägt und somit vom Ergebnis eines Hauptversammlungsbeschlusses auch selbst betroffen wird. Ein potentieller Anleger, der vor der Frage steht, ob er einem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellt oder nicht, muss sich der Tatsache bewusst sein, dass der Erwerb einer Beteiligung ein Risikogeschäft darstellt, das schlimmstenfalls den Totalverlust der Investition nach sich ziehen kann. Der allgemein anerkannte Grundsatz, den Trägern der wirtschaftlichen Risiken auch das Stimmrecht zuzuweisen, ist in der jüngeren Vergangenheit indes durch findige Kapitalmarktteilnehmer aufgeweicht worden, die sich dabei derivative Finanzinstrumente, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufe zunutze machen. Fall 1 – Empty voting unter Einsatz derivativer Finanzinstrumente: Die Gesellschaft M möchte die börsennotierte Gesellschaft K übernehmen. Der Hedgefonds P ist Aktionär der Zielgesellschaft K. Nach Ankündigung der Übernahme stockt P sein Aktienpaket auf, um im Falle des Gelingens der Übernahme an allfälligen Kurssteigerungen verdienen zu können. Er erwirbt zusätzlich ein beträchtliches Akti1 Vgl. MünchKommAktG/Heider, § 8 Rn. 89; Hüffer/Koch, § 8 Rn. 26; Henssler/Strohn/ Lange, § 8 AktG Rn. 13; Ostler, S. 40; Spindler/Stilz/Vatter, § 8 Rn. 50; Windbichler, § 7 Rn. 9; Wilhelm, Rn. 614. 2 Zu anderen, im Rahmen dieser Arbeit nicht zu vertiefenden Konstellationen siehe unten 1. Kapitel C. II. 2.
30
1. Kap.: Einführung
enpaket an der Bietergesellschaft M, mithilfe dessen er auf deren Hauptversammlung für die Übernahme zu stimmen beabsichtigt. In einem letzten Schritt schließt P mit einer Bank ein Derivatgeschäft über M-Aktien ab, das es ihm ermöglicht, sich des wirtschaftlichen Risikos zu entledigen, welches er als M-Aktionär normalerweise zu tragen hat. Auf der Hauptversammlung von M stimmt P für die Übernahme, ohne von der Entscheidung – einem „normalen“ Aktionär vergleichbar – wirtschaftlich betroffen zu sein und streicht die sich aus seinen K-Aktien ergebenden Kursgewinne ein. Fall 2 – Empty voting unter Einsatz von Wertpapierdarlehen (record date capture): Die Gesellschaft M möchte die börsennotierte Gesellschaft K übernehmen. M möchte sich der Zustimmung seiner Aktionäre vergewissern und ruft aus diesem Grunde eine außerordentliche Hauptversammlung ein. Kurz vor dem für den Nachweis der Aktionärseigenschaft entscheidenden Stichtag (sog. record date) schließt P mit einer Bank ein Wertpapierdarlehen mit einer bestimmten Laufzeit ab, kraft dessen P gegen Entrichtung einer Gebühr Eigentümer von M-Aktien wird. Unmittelbar nach Verstreichen des record date verkauft P die darlehensweise erworbenen Aktien leer und spekuliert so auf einen fallenden Kurs der M-Aktien. Am Tage der Hauptversammlung ist P damit nicht mehr Aktionär. Kraft seiner Aktieninhaberschaft am record date steht ihm allerdings das Recht zu, auf der Hauptversammlung abzustimmen. Zur Realisierung von Gewinnen aus dem Leerverkauf der M-Aktien stimmt P für eine wertvernichtende bzw. gegen eine wertsteigernde Übernahme. Sobald sich das jeweilige Ereignis negativ im Aktienkurs niedergeschlagen hat, kauft P Aktien der M am Markt günstig zurück und erfüllt mit diesen seine Verpflichtung zur Rückgewähr von Aktien gleicher Art, Güte und Menge gegenüber dem Darlehensgeber. Fall 3 – Hidden (morphable) ownership: Die Gesellschaft S beabsichtigt, die börsennotierte Gesellschaft C zu übernehmen. Um die Chancen eines Übernahmeerfolgs zu erhöhen, möchte S das Vorhaben allerdings möglichst lange geheim halten. Der direkte Erwerb von Aktien der C und der damit einhergehenden Stimmrechte kommt nicht in Betracht, da dieser eine Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG zur Folge hätte. Durch den Abschluss mehrerer Derivatgeschäfte auf C-Aktien mit Banken erlangt S jedoch eine Position, die der eines Aktionärs ähnlich ist, insbesondere liegen sämtliche wirtschaftlichen Chancen und Risiken bei ihr. Stimmrechte erhält S zunächst nicht, da der Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien gerade nicht Gegenstand der Geschäfte ist. Somit unterliegt S trotz gegebener wirtschaftlicher Betroffenheit nicht den für Aktionäre geltenden Offenlegungspflichten. Allerdings sichert sich S durch geschickte Gestaltung des Derivatvertrags die faktische Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf die C-Aktien, welche die Banken zum Zwecke der Absicherung des Risikos aus den Derivatgeschäften halten. Nach Auflösung sämtlicher Derivatgeschäfte und dem Erwerb der von den Banken gehaltenen Aktien veröffentlicht S eine einmalige Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG über die Innehabung eines gewaltigen Stimmrechtspakets und überrascht so die Zielgesellschaft C, deren Aktionäre und den Kapitalmarkt gleichermaßen.
A. Kursorische Beschreibung des Untersuchungsgegenstands
31
Mit Fallkonstellationen dieser Art befasst sich die vorliegende Untersuchung. Die Fallbeispiele 1 und 2 beschreiben – vereinfacht – die Vorgehensweise beim sog. empty voting, also dem Abstimmen ohne korrespondierendes wirtschaftliches Risiko. Dass ein derartiges Verhalten eines einzelnen Aktionärs geeignet ist, Konflikte mit den Interessen anderer Aktionäre heraufzubeschwören, lassen die Fallbeispiele bereits erahnen. Die in Fallbeispiel 3 geschilderte Konstellation ist in der deutschen Literatur unter dem Schlagwort des „Anschleichens“ an börsennotierte Gesellschaften behandelt worden; international gebräuchlich ist der Terminus der hidden (morphable) ownership3. Er beschreibt gewissermaßen den Konterpart zum empty voting4, da der „Anschleicher“ zwar ein wirtschaftliches Risiko trägt, jedoch kein damit korrespondierendes Stimmrecht innehat. Dies vorausgeschickt wird auch deutlich, worin trotz der Unterschiede in der rechtlichen Bewertung dieser Phänomene das entscheidende verbindende Element liegt, welches ihre gemeinsame Behandlung im Rahmen dieser Arbeit rechtfertigt: in der Entkopplung des Stimmrechts des Aktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft von der wirtschaftlichen Betroffenheit; oder mit anderen Worten: im Auseinanderfallen von Stimmrechtsmacht und Übernahme wirtschaftlicher Risiken.5 Daneben bestehen Gemeinsamkeiten in der Art und Weise des Vorgehens: Empty voter und Anschleicher sind gleichermaßen bestrebt, ihr Handeln so lange wie möglich geheim zu halten, um aus dem Mangel an Transparenz persönliche Vorteile ziehen zu können. Zur Erreichung dieses Ziels machen sie sich die moderne Finanzalchimie in Form von Derivaten, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufen zunutze. Beide Strategien werden unter dem Begriff des new vote buying zusammengefasst.6 Die Einordnung des empty voting als neue Form des Stimmenkaufs leuchtet unmittelbar ein, ist doch der isolierte Erwerb des Stimmrechts letztlich das Ziel des
3 Die Begriffe des Anschleichens und der hidden (morphable) ownership sind allerdings nicht deckungsgleich, siehe unten 2. Kapitel B. II. 2. b). 4 Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 901 (2010) bezeichnen das Phänomen der hidden (morphable) ownership als „mirror image arrangement“ zum empty voting; siehe auch Barry/ Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1107, 1115 (2013); Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 453; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 310; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170: „Während in den Fällen des Anschleichens transparent gemacht werden soll, dass der Meldepflichtige ein wirtschaftliches Interesse an Aktien der börsennotierten Gesellschaft hat, auch wenn diese rechtlich jemand anderem zuzuordnen sind (hidden ownership), verhält es sich in den Konstellationen des Empty Voting spiegelbildlich. Hier wird ein (zusätzliches) Transparenzbedürfnis auf der Seite des Aktieneigentümers gesehen, wenn und soweit er das ökonomische Risiko aus diesen Aktien zum Zeitpunkt der Stimmrechtsausübung nicht (oder nur teilweise) trägt.“; Mittermeier, S. 13 unter der Überschrift „Das Komplementärproblem – hidden ownership“. 5 So auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1030 (2013), der von „negative decoupling“ einerseits und „positive decoupling“ andererseits spricht. 6 Vgl. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811 (2006) unter der Überschrift „The New Vote Buying: Empty Voting and Hidden (Morphable) Ownership“.
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1. Kap.: Einführung
empty voting.7 Weniger einleuchtend erscheint es, auch die hidden (morphable) ownership mit diesem Oberbegriff zu versehen, da der hidden owner ja zunächst kein Stimmrecht erwirbt. Gleichwohl ist diese Bezeichnung zutreffend, da Derivate und Wertpapierdarlehen dem hidden owner den jederzeitigen Zugriff auf die Stimmrechte ermöglichen.
B. Diskussionsstand und Ziel der Untersuchung Es ist das Verdienst der US-amerikanischen Wissenschaftler Henry T. C. Hu und Bernard Black, mit einer Aufsatzreihe aus den Jahren 2006 bis 20088 die vorbeschriebenen Phänomene in das Bewusstsein der Wissenschaft gerufen und damit den Anstoß zum wissenschaftlichen Diskurs gegeben zu haben.9 Während das Problembewusstsein in den USA insbesondere bezüglich des empty voting schon früh stark ausgeprägt zu sein schien10, entwickelte sich die Diskussion 7
Eine andere Frage ist, ob das empty voting auch tatsächlich vom Verbot des Stimmenkaufs in § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG erfasst wird, dazu siehe unten 4. Kapitel B. II. 2. b). 8 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811 (2006); dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343; dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625 (2008); dies., Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663. 9 Zwar hatten sich schon zuvor Shaun Martin und Frank Partnoy mit der Thematik befasst, vgl. Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775 (darauf hinweisend auch Ostler, S. 25, 304; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 157 (2009); siehe auch Langenbucher, § 8 Rn. 20, die aus der US-amerikanischen Literatur zur Lektüre ausschließlich den Aufsatz von Martin/ Partnoy empfiehlt; ESMA, Feedback Statement – Call for Evidence on Empty Voting, Annex 2, S. 18, die den Aufsatz von Martin/Partnoy in ihrem Literaturverzeichnis an erster Stelle auflistet), doch konnte sich der von ihnen verwendete Terminus „encumbered shares“ in der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht durchsetzen. Aufgrund dessen erscheint es gerechtfertigt, Hu und Black als new vote buying-Pioniere zu bezeichnen, zumal sie sich der Problematik umfassend genähert, eine Vielzahl von Beispielen gesammelt und detaillierte Lösungsvorschläge für das US-amerikanische Recht unterbreitet haben. 10 Zum empty voting siehe neben den in Fn. 8 und 9 genannten Aufsätzen Brav/Mathews, Working Paper; Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237 (2008); Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293 (2008); Dombalagian, 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1258 ff. (2009); Hayden/Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 484 ff. (2008); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1073 ff. (2007); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483 (2006); Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186 (2006); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 152 ff. (2009); Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4; aus jüngerer Zeit Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103 (2013); Black, M&A Lawyer 2012/9, 3; Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889 (2010); Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 940 ff., 949 ff. (2010); Karmel, 55 Vill. L. Rev. 93 (2010); Nied/Little, Corporate Governance Report 2012, 41; Rodrigues, 95 Minn. L. Rev. 1822, 1836 ff. (2011); Sarra, 36 Seattle U. L. Rev. 1117, 1124 ff. (2013); Spamann, Discussion Paper; Waddell/Nguyen/Epstein/Conti-Brown/Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 10 ff., 28 ff., 44 ff.; Yermack, Working Paper, S. 14 ff.; zur hidden ownership neben den in Fn. 8 genannten Aufsätzen Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103 (2013); Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267 (2009); Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889 (2010); Sullivan, 87 N. C. L. Rev. 1300 (2009).
B. Diskussionsstand und Ziel der Untersuchung
33
diesseits des Atlantiks anfangs nur langsam11. Auch in Deutschland schenkte man den Phänomenen und den damit einhergehenden Konsequenzen zunächst kaum Beachtung.12 Das änderte sich allerdings mit der Übernahme von Continental durch den fränkischen Automobilzulieferer Schaeffler im Jahre 2008, in deren Fahrwasser das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit und der Wissenschaft rückte und zu einem Lieblingsthema der wirtschaftsrechtlichen Zunft avancierte13 ; dabei wurden dem deutschen Gesetzgeber nicht selten konkrete Vorschläge zur Fortentwicklung der Beteiligungstransparenzvorschriften des WpHG unterbreitet14. Mangels rechtstatsächlicher Impulse wurde dem empty voting in Europa lange Zeit eine nur geringe Aufmerksamkeit der Wissenschaft zuteil15 ; inzwischen sind aber auch ihm einige – teils recht ausführliche – Beiträge16 sowie zwei Monographien17 gewidmet worden.
11
Zu einem ähnlichen Zwischenbefund gelangte 2009 für die EU-Gesetzgebungsebene Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 163, 171 (2009). 12 Siehe die eher knappen Ausführungen zum empty voting bei Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2120; Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 f.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 215 ff.; Leyens, JZ 2007, 1061, 1070 f.; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 303 f. 13 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454; Brandt, BKR 2008, 441; Cascante/Topf, AG 2009, 53; Christ, Barausgleichsderivate und das Anschleichen an Zielgesellschaften, 2011; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501; dies., NZG 2009, 401; Habersack, AG 2008, 817; Holfter, Öffentliche Übernahme durch Anschleichen unter besonderer Berücksichtigung der Meldepflichten nach dem WpHG, 2012; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569 ff.; Schanz, DB 2008, 1899; ders./Schalast, Working Paper; Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557; Seibt, ZGR 2010, 795; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022; Schiessl, Der Konzern 2009, 291; Wansleben, StudZR 2009, 465; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115; siehe für das schweizerische Recht Emmenegger, FS Hopt, S. 1763 ff.; Renn, Einsatz und Offenlegung von Derivaten bei Unternehmensübernahmen, 2010; ders., SZW 2010, 186; Ryser/R. H. Weber, SZW 2010, 112; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1 ff.; siehe zudem Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305; Kettunen/ Ringe, Research Paper; de Luca, RDS 2010, 311, 318 ff., 332 ff. 14 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 487 ff.; Brandt, BKR 2008, 441, 445 ff.; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 70 f.; Eichner, ZRP 2010, 5, 6 ff.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1509 ff.; dies., NZG 2009, 401, 406 ff.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 120 ff.; Ostler, S. 315 ff.; Wansleben, StudZR 2009, 465, 485 ff. 15 So auch der Zwischenbefund bei Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 97: „eher verhalten geführte[n] öffentliche[n] Diskussion zu entleerten Stimmrechten“; Theusinger/Möritz, Ad legendum 2010, 3: „das in Deutschland bislang nur wenig diskutierte Empty Voting“. 16 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 608 ff., 639 ff.; Clottens, ECFR 9 (2012) 446; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 310, 315, 317 f.; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404; de Luca, RDS 2010, 311, 321 ff., 331 ff.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35; Seibt, ZGR 2010, 795; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027 (2013); Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1 ff. 17 Mittermeier, Empty Voting – Risikoentleerte Stimmrechtsausübung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2014; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, der indes – anders, als der Titel seiner Arbeit glauben macht – auch die hidden (morphable) ownership behandelt, vgl. S. 26.
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1. Kap.: Einführung
Unterdessen wurden auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden weltweit auf die Phänomene des empty voting und der hidden (morphable) ownership aufmerksam. In vielen Staaten (u. a. in Frankreich, Großbritannien, Hong Kong, Österreich, den USA und der Schweiz) führte das vermehrte Auftreten von Fällen des Anschleichens zu Reformen des Rechts der Beteiligungstransparenz.18 Diesem internationalen Trend schloss sich der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2011 durch die Verabschiedung des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG)19 an, in dessen Rahmen u. a. der bisherige § 25 WpHG geändert und ein neuer § 25a WpHG eingefügt wurde20. In den USA veröffentlichte die Securities and Exchange Commission (SEC) im Juli 2010 ein umfangreiches Konzeptpapier zur beabsichtigten Regulierung des Systems der Stimmrechtsvertretung, in dessen Rahmen sie auch auf das empty voting einging.21 Diesbezüglich vertrat die SEC die Auffassung, es spreche viel für einen Ausbau der Transparenz22, bat jedoch zum Zwecke der näheren Evaluierung des Phänomens um die Übersendung von Kommentaren zu einem Fragenkatalog23. Bis zum heutigen Tage hat die Vielzahl der eingegangenen Kommentare24 nicht zu einer Regulierung des empty voting geführt. Auf europäischer Ebene setzte sich – im Anschluss an eine im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte Studie zur Verbreitung des Proportionalitätsgrundsatzes in der Europäischen Union25 – im Jahre 2007 erstmals das European Corporate Governance Forum (ECGF) mit dem Phänomen des empty voting auseinander26, das der Kommission in einer Stellungnahme vom Februar 2010 18 Für einen Überblick vgl. European Commission, SEC(2011) 1279 final/2, Annex 7, S. 94 ff.; siehe auch CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 28 ff.; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 850 f.; Krause, AG 2011, 469, 471 ff.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682 f.; näher dazu siehe unten 5. Kapitel A. II. 19 Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 5. April 2011, BGBl. I 2011, S. 538; dazu Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086; Heusel, WM 2012, 291; Krause, AG 2011, 469; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697; Renz/Rippel, BKR 2011, 235; Schneider, AG 2011, 645; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213; für Beiträge während des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Anzinger, WM 2011, 391; Brandt, BKR 2010, 270; Brouwer, AG 2010, 404, 405 ff.; DAI, NZG 2010, 778; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 848; Hirte, Der Konzern 2010, 599; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Seibt, CFL 2010, 502; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Voß, BB 2010, 3099; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527. 20 Ausführlich zum Regierungsentwurf des AnsFuG siehe unten 5. Kapitel A. III.; zu den Gesetz gewordenen Änderungen siehe unten 7. Kapitel A. I. 21 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, S. 137 ff. 22 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, S. 140 („[…] there is a strong argument for ensuring that there is transparency about the use of empty voting.“), S. 145. 23 SEC, Concept Release on the U.S. Proxy System, S. 146 ff. 24 Abrufbar unter http://www.sec.gov/comments/s7-14-10/s71410.shtml (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 25 Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle. 26 ECGF, Paper Proportionality, S. 10 f.
B. Diskussionsstand und Ziel der Untersuchung
35
schließlich empfahl, die Abgabe des wirtschaftlichen Risikos aus Aktien zum Gegenstand einer Offenlegungspflicht zu machen27. Dieser Empfehlung schien sich die Kommission zunächst anschließen zu wollen28, jedoch kam die im Jahre 2011 errichtete29 Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) nach Konsultation der betroffenen Kreise30 im Juni 2012 zum Ergebnis, dass Maßnahmen bezüglich des empty voting jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt seien31. Hinsichtlich des Phänomens der hidden (morphable) ownership sind die europäischen Institutionen im Rahmen der Überprüfung der Anwendung der Transparenzrichtlinie II32 dem oben beschriebenen internationalen Trend gefolgt und haben im Oktober 2013 den Anwendungsbereich der Vorschriften der Transparenzrichtlinie II zur Beteiligungstransparenz erweitert33, um den „heimlichen Erwerb von Aktienbeständen“ an börsennotierten Gesellschaften zu erschweren34. Den neuen Anforderungen müssen sämtliche Mitgliedstaaten bis zum 27. November 2015 nachkommen.35 Das große Interesse der Wissenschaft sowie der Elan, mit dem sich sowohl die nationalen Gesetzgeber bzw. Aufsichtsbehörden als auch die europäischen Institutionen den Phänomenen widmen, legen Zeugnis ab für die Aktualität und Brisanz des hier behandelten Themas. In einem Aufsatz aus dem Jahre 2008 haben Fleischer und 27
ECGF, Statement Empty Voting, Rn. 5. Europäische Kommission, KOM(2010) 243 endg., Rn. 13; siehe auch European Commission, SEC(2009) 611, Rn. 30 und Annex 10, S. 80 ff. 29 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331/84. 30 Vgl. ESMA, Call for Evidence – Empty Voting. 31 Vgl. ESMA, Feedback Statement – Call for Evidence on Empty Voting, Rn. 48, 53. 32 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390/38. 33 Vgl. Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl. EU Nr. L 294/13; siehe zuvor schon CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 38 ff.; ESME, Cash settled derivatives, S. 2; Europäische Kommission, KOM(2010) 243 endg., Rn. 13, 19; dies., KOM(2011) 683 endg., S. 8; European Commission, SEC(2009) 611, Rn. 30 und Annex 9, S. 68 ff.; dies., SEC (2011) 1279 final/2, S. 17 ff. und Annex 7, S. 94 ff.; ausführlich zu den Regelungen der Richtlinie 2013/50/EU unten 7. Kapitel A. II. 34 Vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2013/50/EU. 35 Vgl. Art. 6 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 2013/50/EU. 28
36
1. Kap.: Einführung
Schmolke eine gründlichere Sachverhaltsaufbereitung und Problemdurchdringung im Zusammenspiel von Juristen und Ökonomen angemahnt.36 Die vorliegende Abhandlung möchte dazu ihren Beitrag leisten.
C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Dabei widmet sie sich ausschließlich dem Problemkreis der Entkopplung des Stimmrechts des Aktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft von der wirtschaftlichen Betroffenheit.
I. Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften Nicht erörtert werden mithin zum einen Fragen, die sich bezüglich nicht börsennotierter Aktiengesellschaften stellen. Von den 11.938 in Deutschland als Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien organisierten Unternehmen sind 679 börsennotiert.37 Derivatgeschäfte und Wertpapierdarlehen können zwar auch in Bezug auf Aktien nicht börsennotierter Unternehmen abgeschlossen werden, so dass die hier im Fokus stehenden Phänomene des empty voting und der hidden (morphable) ownership theoretisch auch in solchen Aktiengesellschaften auftreten können. In der Praxis jedoch dürfte dies den absoluten Ausnahmefall darstellen38, denn mehrere miteinander verwobene rechtstatsächliche Faktoren erschweren den Erwerb größerer Anteilspakete an nicht börsennotierten Aktiengesellschaften: Zunächst einmal zeichnen sich nicht börsennotierte Aktiengesellschaften häufig durch einen überschaubaren Aktionärskreis aus.39 Darüber hinaus wird die aktuelle Anteilseignerstruktur nicht selten mittels vinkulierter Namensaktien (§ 68 Abs. 2 AktG) zusätzlich „zementiert“, um zum Schutz vor Überfremdung oder zum Schutz vor einer Übernahme auf den Kreis der Aktionäre Einfluss nehmen zu können.40 Schließlich kann ein Aktienerwerb nicht anonym über die Börse erfolgen; von einem geplanten Aktienerwerb erlangen die übrigen Aktionäre also zwangsläufig Kenntnis. 36
Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1511, 1512. Vgl. Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2013, Tabellen 01-1, 01-1-a und 02-3. 38 Siehe auch ECGF, Statement Empty Voting, Rn. 3: „Empty voting and hidden ownership techniques increasingly exercise significant influence on companies, mostly listed companies […].“; zum Zusammenhang zwischen der Entstehung von Informationskosten und Regulierungsobjekt vgl. Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1070 f. (2013). 39 Zur starken rechtstatsächlichen Überschneidung von „kleiner AG“ und nicht börsennotierter AG vgl. MünchKommAktG/Habersack, Einl. Rn. 4. 40 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 68 Rn. 36 f.; Spindler/Stilz/Cahn, § 68 Rn. 29; BeckHdbAG/Maul, § 3 Rn. 40; GroßkommAktG/Merkt, § 68 Rn. 204 ff.; Raiser/Veil, § 11 Rn. 82. 37
C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
37
Zwei weitere Gründe sprechen für die hier vorgenommene Beschränkung der Untersuchung auf börsennotierte Gesellschaften41: Zum ersten kann es bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften von vornherein zu einer record date capture42 nur dann kommen, wenn die Satzung ein record date bestimmt. Zwar haben auch nicht börsennotierte Aktiengesellschaften die Möglichkeit, zum Nachweis der Inhaberaktionärseigenschaft einen Nachweisstichtag zu bestimmen. § 123 Abs. 3 S. 3 AktG schreibt ein solches record date jedoch nur für börsennotierte Aktiengesellschaften zwingend vor. Zum zweiten ergeben sich einige rechtliche Konfliktfelder nur hinsichtlich börsennotierter Aktiengesellschaften, so zum Beispiel diejenigen eines Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 13 f. WpHG) oder gegen die kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG.
II. Beschränkung auf equity decoupling in Bezug auf das Stimmrecht Ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung sind andere Möglichkeiten des equity decoupling sowie das debt decoupling und das hybrid decoupling. 1. Das Rechte- und Pflichtenprogramm eines Aktionärs im Überblick Die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft verleiht dem Aktionär zahlreiche Rechte, erlegt ihm aber auch einige Pflichten auf.43 Hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Rechte unterscheidet man gewöhnlich zwischen Verwaltungsrechten und Vermögensrechten.44 Verwaltungsrechte geben dem Aktionär die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Willensbildung der Aktiengesellschaft und der Abwehr des unrechtmäßigen Einflusses anderer.45 Sie stehen grundsätzlich allen Aktionären gleichermaßen und gleichmäßig zu; allein das 41
Siehe auch Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 453. Siehe oben 1. Kapitel A.: Fallbeispiel 2; eingehend zu dieser Fallgruppe des empty voting unten 2. Kapitel A. II. 2. b). 43 Ausführlich dazu im hiesigen Kontext Ostler, S. 31 ff.; siehe auch Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 233 ff. 44 Vgl. KölnKommAktG/Dauner-Lieb, § 11 Rn. 9 ff.; Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 2 ff.; Hirte, Rn. 4.7 ff., 4.21 ff.; Jäger, § 25 Rn. 53; Langenbucher, § 7 Rn. 31 ff.; GroßkommAktG/Mülbert, Vor §§ 118-147 Rn. 204 ff.; Raiser/Veil, § 11 Rn. 22 ff.; K. Schmidt, § 28 I 1 a, S. 797; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 3; siehe auch Yermack, Working Paper, S. 12: „Equity ownership represents a bundle of two rights: the right to receive capital gains, dividends, and other distributions from the firm, and the right to participate in corporate governance by way of shareholder voting.“ 45 Raiser/Veil, § 11 Rn. 22; BeckHdbAG/Maul, § 4 Rn. 4; GroßkommAktG/Mülbert, Vor §§ 118-147 Rn. 208, 212. 42
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1. Kap.: Einführung
Stimmrecht richtet sich i. d. R. nach dem Umfang der Beteiligung am Grundkapital.46 Zu den Verwaltungsrechten gehören neben dem hier besonders relevanten Stimmrecht das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung, das Rederecht, das Recht, Gegenanträge zu Beschlussvorschlägen der Verwaltung zu stellen (Antragsrecht), das Auskunftsrecht, das (Anfechtungs-/Nichtigkeits-)Klagerecht sowie diverse Einsichtsrechte und Minderheitsrechte. Der Kapitalcharakter der Beteiligung des Aktionärs an der Gesellschaft kommt in den ihm zustehenden Vermögensrechten zum Ausdruck. Zu nennen sind der Anspruch auf seinen Anteil am Bilanzgewinn, das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen, der Rückzahlungsanspruch bei einer ordentlichen Kapitalherabsetzung, das Recht auf seinen Anteil am Liquidationserlös und Ausgleichs- und Abfindungsansprüche in zahlreichen aktien- und umwandlungsrechtlichen Fällen. Die bedeutsamsten mitgliedschaftlichen Pflichten sind die Einlagepflicht und die Treuepflicht. Daneben stehen als kapitalmarktrechtliche Sonderpflichten des Aktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft das Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG), das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), die Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG und die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots bei Erlangung der Kontrolle über eine börsennotierte Gesellschaft (§ 35 Abs. 2 WpÜG). 2. Equity decoupling vs. debt decoupling vs. hybrid decoupling All die vorgenannten Rechte und Pflichten sind Bestandteile eines großen Pakets aus Rechten und Pflichten, das – so die Theorie – nicht ohne Weiteres aufgeschnürt werden kann; es ist prinzipiell nicht zulässig, ein einzelnes Recht oder eine einzelne Pflicht aus diesem Paket herauszulösen (Abspaltungsverbot).47 Diese Untersuchung geht auf die sich Investoren bietende Möglichkeit ein, das Stimmrecht von der wirtschaftlichen Betroffenheit abzukoppeln, um entweder risikoentleert abzustimmen oder an die Innehabung des Stimmrechts anknüpfende Pflichten zu vermeiden. Nicht behandelt werden somit zunächst sämtliche sonstigen Ausprägungen des equity decoupling: Darunter verstehen Hu und Black allgemein das Entkoppeln eines Aktionärsrechts oder einer Aktionärspflicht von der wirtschaftlichen Betroffenheit.48 Der Einsatz von Derivaten oder Wertpapierdarlehen kann nicht nur Einfluss auf das Stimmrecht und die daran anknüpfenden Pflichten, sondern auch auf andere Rechte und Pflichten des Aktionärs haben: So besteht beispielsweise die Möglichkeit, zum Zwecke der Erlangung der Dividende, zum Zwecke der Erhebung einer Anfech-
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MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 3; Windbichler, § 29 Rn. 26. Näher zum Abspaltungsverbot und seiner ratio in Bezug auf das Stimmrecht siehe unten 3. Kapitel A. II. 1. a) aa). 48 Vgl. Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 721 ff. (2008); dies., Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 677 f. 47
C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
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tungsklage49 oder zum Zwecke der Erlangung von Quoren50 kurzfristig darlehensweise Aktien zu erwerben. Das gleiche Ergebnis könnte durch den Erwerb von Aktien und den Abschluss eines gegenläufigen hedging-Geschäfts in Derivaten erzielt werden. In gleicher Weise können Pflichten, die an das Erreichen oder Überschreiten gewisser Stimmrechtsschwellen anknüpfen, ausgehebelt werden. Die Fähigkeit, das Stimmrecht von der wirtschaftlichen Betroffenheit abzukoppeln, stellt also nur eines von vielen Beispielen dar, wie sich ein Aktionär trotz fehlender wirtschaftlicher Betroffenheit ein Recht sichern bzw. trotz wirtschaftlicher Betroffenheit eine Pflicht umgehen kann. Im Rahmen dieser Arbeit wird auch die gelegentlich auftretende Praxis der Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit durch die börsennotierte Gesellschaft selbst (sog. soft parking) nicht näher untersucht.51 Ebenfalls nicht behandelt wird das von Hu und Black so bezeichnete debt decoupling, das zum einen das empty crediting und zum anderen das hidden (morphable) crediting umfasst.52 Mit empty crediting wird – dem empty voting vergleichbar – dabei der Umstand beschrieben, dass ein Gläubiger (creditor) dank des Einsatzes von Kreditderivaten (z. B. credit default swaps) nicht das volle Risiko der Insolvenz des Schuldners trägt, ihm aber gleichwohl weiterhin sämtliche vertraglichen und gesetzlichen Rechte zustehen (v. a. Anspruchsinhaberschaft, Rechte in der Insolvenz des Schuldners). Die umgekehrte Konstellation des hidden crediting meint die wirtschaftliche Betroffenheit aus einem Vertrag ohne korrespondierende Innehabung sämtlicher Rechte. Von morphable crediting ist die Rede, wenn die vertraglichen und gesetzlichen Gläubigerrechte jederzeit wieder erworben werden können, so dass sich ab diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Betroffenheit und Rechtsinhaberschaft wieder entsprechen. Schließlich wird auch das sog. hybrid decoupling nicht vertieft. Von einem solchen kann gesprochen werden, wenn equity decoupling und debt decoupling miteinander kombiniert werden und auf diese Weise eine Hybridform des decoupling entsteht.53 Beispielsweise kann sich der Gläubiger eines Unternehmens gegen das 49 Nach § 245 Nr. 1 AktG ist zur Bejahung der Anfechtungsbefugnis lediglich erforderlich, dass der in der Hauptversammlung erschienene Aktionär die Aktien vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hat. 50 Dazu, insbesondere zur Erlangung des squeeze out-Quorums mittels Wertpapierdarlehens, siehe unten 2. Kapitel A. II. 2. a) cc) (2) (e). 51 Siehe dazu Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 225 f., 237 ff.; ECGF, Statement Empty Voting, Rn. 7; Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 630 f., 642 ff. (2008); allgemein zu eigenen Aktien und Derivaten Spindler/Stilz/Cahn, § 71 Rn. 185 ff.; Kniehase, Derivate auf eigene Aktien, 2005; Mick, DB 1999, 1201, 1202 ff.; MünchKommAktG/Oechsler, § 71 Rn. 81 ff. 52 Vgl. Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 728 ff. (2008); dies., Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 679 ff.; siehe dazu auch Lubben, 81 Am. Bank. L. J. 405 (2007); Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. 1019, 1034 f. (2007); Waddell/Nguyen/Epstein/Conti-Brown/Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 3, 24 ff., 39 ff.; Zachariadis/Olaru, Working Paper. 53 Dazu vgl. Hu/Black, Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 688 ff.
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1. Kap.: Einführung
Ausfallrisiko durch den Abschluss von Derivatgeschäften auf Aktien des Unternehmens, z. B. durch den Kauf von Verkaufsoptionen oder durch den Erwerb von short equity swaps, absichern. Realisiert sich das Insolvenzrisiko, werden die sich aus der Gläubigerstellung ergebenden Verluste (teilweise) durch die aus dem Derivatgeschäft resultierenden Gewinne ausgeglichen. Umgekehrt können sich Aktionäre gegen die Gefahr sinkender Kurse durch credit default swaps absichern.
D. Gang der Untersuchung Nachdem das erste Kapitel in die Thematik eingeführt, den Gegenstand der Untersuchung anhand von Fallbeispielen grob beleuchtet und ihn von verwandten Themenkomplexen abgegrenzt hat, stellt sich der weitere Gang der Untersuchung wie folgt dar: Das unmittelbar anschließende Kapitel beschäftigt sich mit der Genese, d. h. mit der Entstehung von empty voting und hidden (morphable) ownership. Beide Spielarten des new vote buying werden zunächst theoretisch aufbereitet. Da sich die Finanzmarktteilnehmer zur Herbeiführung des gewünschten Zustands entweder Derivate oder das Wertpapierdarlehen nutzbar machen, wird die Darstellung dieser Finanzinstrumente in diesem Kontext breiten Raum einnehmen. Anhand von Fallstudien aus der Praxis werden beide Phänomene veranschaulicht. Lange Zeit war mehr oder weniger stillschweigend davon ausgegangen worden, die Ausübung des Stimmrechts ohne korrespondierendes Beteiligungsinteresse und das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften seien problematisch und daher regelungsbedürftig. Eine gründliche Aufarbeitung der diesen Phänomenen spezifisch anhaftenden Probleme war jedenfalls in den ersten Jahren der Diskussion zu kurz gekommen. Auf eine eben solche Problemanalyse richtet das dritte Kapitel der vorliegenden Untersuchung den Fokus. Dabei wird es bezüglich des empty voting insbesondere um die zwischen dem empty voter und seinen Mitaktionären möglicherweise auftretenden Interessenkonflikte gehen, bezüglich der hidden (morphable) ownership in erster Linie um die Vermeidung einer Offenlegung nach den kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenzvorschriften und deren Konsequenzen. Die im Rahmen des dritten Kapitels gewonnenen Erkenntnisse sind bei der anschließenden de lege lata-Untersuchung von Nutzen: Das vierte Kapitel nimmt das empty voting und die hidden (morphable) ownership unter allen denkbaren Gesichtspunkten in den Blick und fertigt eine auf der lex lata basierende rechtliche Bestandsaufnahme an. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass hierbei die Rechtslage vor dem Inkrafttreten von Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz und Leerverkaufsverordnung54 zugrunde gelegt wird. Wie zu zeigen sein wird, war zum damaligen Zeitpunkt ein gesetzgeberisches Tätigwerden hinsichtlich beider Tech54 Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. EU Nr. L 86/1.
D. Gang der Untersuchung
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niken erforderlich: Das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten war zwar unter gewissen, näher zu definierenden Umständen verboten, es mangelte indes an Transparenz; diesen Mangel haben das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz und die Leerverkaufsverordnung nicht beseitigt. Auch hinsichtlich der hidden (morphable) ownership war vor dem Inkrafttreten der maßgeblichen neuen Regelungen (§§ 25, 25a WpHG) zum 01. Februar 201255 keine ausreichende Transparenz gewährleistet.56 Das fünfte Kapitel präsentiert den Regierungsentwurf des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes und unterzieht diesen einer ausführlichen Bewertung. Hinsichtlich des empty voting wird ein konkreter Vorschlag für eine Offenlegungsregelung entwickelt. Das sechste Kapitel fasst die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen. Angesichts der oben skizzierten57 jüngeren Entwicklungen im Recht der Stimmrechtsmitteilungen (Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes und der Änderungsrichtlinie 2013/50/EU zur Transparenzrichtlinie II) sowie in Anbetracht des Inkrafttretens der Leerverkaufsverordnung hat sich der Verfasser entschlossen, die Auswirkungen dieser legislativen Maßnahmen auf das empty voting und auf das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften in einem eigens für die Veröffentlichung der Arbeit angefertigten siebten Kapitel nachzutragen.
55
Vgl. Art. 9 Abs. 3 des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes. Zur Frage, ob der deutsche Gesetzgeber durch das genannte Gesetz das insofern bestehende Transparenzdefizit behoben hat, siehe 7. Kapitel A. I. 2. c). 57 Siehe 1. Kapitel B. 56
2. Kapitel
Genese des new vote buying Nachdem im ersten Kapitel zumindest eine rudimentäre Vorstellung dessen vermittelt wurde, was sich hinter den Termini „new vote buying“, „empty voting“ und „hidden (morphable) ownership“ verbirgt, untersucht das nun folgende Kapitel, wie diese Phänomene zur Entstehung gelangen.1 Es soll also die Frage beantwortet werden, wie es zu einem Auseinanderfallen von Stimmrecht und wirtschaftlicher Risikoexposition kommen kann. Dabei wird auf das empty voting (dazu A.) und die hidden (morphable) ownership (dazu B.) getrennt eingegangen.
A. Empty voting I. Begriffsklärung Beim empty voting geht es um die Ausübung des Stimmrechts aus Aktien, aus denen der Aktionär nicht das volle wirtschaftliche Risiko trägt. In der deutschen Literatur wird der Terminus entweder wörtlich mit „risikoentleertes Abstimmen“2 oder freier mit „Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse“3 übersetzt. Durch den geschickten Einsatz von Derivaten oder Wertpapierdarlehen entledigt sich der Aktionär des mit der Aktieninhaberschaft typischerweise einhergehenden wirtschaftlichen Risikos. Aufgrund dieser Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit verfügt der Aktionär über mehr Stimmrechtsmacht, als ihm unter
1 Die Marktteilnehmer bedienen sich der Mittel der modernen Finanzalchimie, insbesondere derivativer Finanzinstrumente und Wertpapierdarlehen, deren Struktur – zumindest im ersten Zugriff – recht kompliziert anmutet. Da hier nicht auf alle Einzelheiten dieser Instrumente eingegangen werden kann, sei diesbezüglich auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen: zu Derivaten vgl. Grunewald/Schlitt, § 7, S. 133 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/ Jahn, § 114; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55; Schwintowski/Köhler, § 21; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.1 ff.; Rudolph/K. Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente; Scharpf/Luz, Risikomanagement, Bilanzierung und Aufsicht von Finanzderivaten; Steiner/ Bruns, S. 443 ff.; zum Wertpapierdarlehen vgl. Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band 1; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.1 ff.; Schwintowski/Lange, § 20; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1148 ff. 2 Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 405. 3 So der Titel der Dissertation von Ostler.
A. Empty voting
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wirtschaftlichen Gesichtspunkten eigentlich zustünde.4 Übt er in dieser Situation das Stimmrecht aus seinen Aktien aus, können ihm das Ergebnis des Hauptversammlungsbeschlusses und dessen Auswirkungen auf die Lage der Gesellschaft und den Aktienkurs in dem Maße gleichgültig sein, in dem er das wirtschaftliche Risiko abgegeben hat. Mittels der Ausübung von Stimmrechten, denen kein entsprechendes wirtschaftliches Interesse gegenübersteht, versuchen Investoren, Unternehmensentscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen, ohne die Konsequenzen der Abstimmung mittragen zu müssen.5
II. Funktionsweise Dieser für viele Investoren ohne Zweifel verlockende Risikotransfer kann auf zweierlei Art und Weise herbeigeführt werden: entweder durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente (dazu 1.) oder durch den Einsatz von Wertpapierdarlehen (dazu 2.). 1. Einsatz von Derivaten Der Aufbau einer zu einem empty voting befähigenden Position durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente vollzieht sich in einem zweistufigen Prozess6: a) Erwerb von Aktien der Gesellschaft Zunächst muss der Investor Aktien der betreffenden Aktiengesellschaft erwerben, denn nur so kann er sich das Stimmrecht sichern. Dabei muss er jedoch darauf achten, dass er unterhalb der einschlägigen Meldeschwellen bleibt, da er anderenfalls zur Offenlegung des Aktienerwerbs verpflichtet wäre. Zumindest im Hinblick auf die Höhe der Eingangsmeldeschwelle7 freizügige rechtliche Regelungen finden Investoren in den USA vor8: Grundsätzlich ist gemäß 4 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1014, 1022 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 815, 825 (2006); dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 344, 348; siehe auch schon Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 787 ff. 5 Näher zum Zweck des empty voting siehe unten 2. Kapitel A. III. 6 Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 641 (2008); siehe auch Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 249 (2008) unter der Überschrift „A Recipe for Negative Voting“; Mittermeier, S. 129, der von „Risikoabwälzung“ spricht; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 14. 7 Im Übrigen jedoch sind die Regelungen des SEA in ihrer Interpretation durch die SEC strenger als die europäischen, vgl. beispielsweise § 13(d)(2) SEA, wonach über § 13(d)(1) SEA hinaus auch jeder „wesentliche“ (wird nach Rule 13d-2(a) bei 1 % oder mehr vermutet) Erwerb weiterer Anteile angezeigt werden muss, und § 13(d)(1)(A)-(E) SEA zu den Informationen, die der Anteilsinhaber mitzuteilen hat; so auch das Fazit von Heinrich, S. 259. 8 Zum Folgenden siehe Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 271 ff. (2009); Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 246 ff. (2008); Cox/Hillman/Langevoort, Ch. 16 B., S. 964 ff.; Hazen, § 11.2,
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2. Kap.: Genese des new vote buying
§ 13(d)(1) Securities Exchange Act 1934 (SEA) derjenige, der direkt oder indirekt das wirtschaftliche Eigentum9 an mehr als 5 % der Aktien einer public corporation erwirbt, innerhalb von zehn Tagen nach dem Erwerb zur Offenlegung gegenüber dem Unternehmen, den Börsen und der Securities and Exchange Commission (SEC) verpflichtet. Nach der auf der Grundlage von § 13(d)(1) SEA erlassenen SECRule 13d-1(a) kommt der Aktionär seiner Meldepflicht gegenüber der SEC durch das Ausfüllen eines Formblattes (Schedule 13D, siehe Rule 13d-101) nach. Der Aktionär kann demnach 5 % der stimmberechtigten Aktien erwerben, ohne einer Meldepflicht zu unterliegen. Sofern ein qualifizierter Investor die Aktien „in the ordinary course of his business“ und ohne die Absicht erwirbt, die Kontrollverhältnisse in der Gesellschaft zu beeinflussen, kann er anstelle des Schedule 13D ein short-form statement nach Schedule 13G abgeben (siehe Rule 13d-102) und sogar bis zu 10 % der stimmberechtigten Aktien erwerben (vgl. § 13(d)(5) SEA und Rule 13d-1(b) und (c)). Schedule 13G bringt auch insofern eine Erleichterung für die Adressaten der Vorschrift, als die Mitteilungspflicht innerhalb von 45 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres zu erfüllen ist. Ein nicht-qualifizierter Anleger kann nach Rule 13d-1(c) sogar bis zu 20 % der stimmberechtigten Aktien erwerben. Eine Einschränkung erfahren all diese Regelungen lediglich unter bestimmten Voraussetzungen durch das Erfordernis, das Schedule 13F auszufüllen, sollte der Gesamtwert der gehaltenen Aktien 100 Mio. US-$ übersteigen (vgl. § 13(f)(1) SEA und Rule 13 f-1(a)(1)). Im Ergebnis ist es in den USA somit ohne Weiteres möglich, auf der ersten Stufe des empty voting einen beträchtlichen Anteil stimmberechtigter Aktien zu erwerben, ohne offenlegungspflichtig zu werden. In Deutschland ist der Erwerber von stimmrechtsgewährenden Stammaktien einer börsennotierten Gesellschaft gemäß § 21 Abs. 1 WpHG bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Stimmrechtsschwellen zur Offenlegung verpflichtet. Da die Eingangsmeldeschwelle mit 3 % im internationalen Vergleich verhältnismäßig niedrig angesetzt ist10 und Ausnahmetatbestände für bestimmte Investorengruppen wie in den USA nicht vorgesehen sind11, wird es einem Investor nur in den seltensten S. 395 ff.; Heinrich, S. 236 ff.; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 867 (2006); Hutter/Kaulamo/ Plepelits, GS Gruson, S. 213, 229 ff.; Loss/Seligman/Paredes, Ch. 6 D 2 b, S. 826 ff.; Merkt, Rn. 1443 ff.; Wentrup, S. 255 ff. 9 Näher dazu die Fallstudie CSX/TCI, siehe unten 2. Kapitel B. III. 1. d) cc). 10 Italien 2 % (Art. 120 Abs. 2 Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria), Großbritannien 3 % als Eingangsmeldeschwelle, danach jedes weitere volle Prozent (DTR 5.1.2), Niederlande 3 % (Artikel 5:38 Abs. 4 Wet op het financieel toezicht), Österreich 4 % (§ 91 Abs. 1 BörseG), Schweiz 3 % (Art. 20 Abs. 1 BEHG), Frankreich 5 % (Art. L 233-7 Abs. 1 Code de Commerce); siehe auch KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 30 ff.; Veil/Veil, § 20 Rn. 24 ff.; für das österreichische Recht der Beteiligungstransparenz siehe auch Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139, 147 ff. 11 Selbstverständlich dürfen die Regelungen in § 23 WpHG zur Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nicht vergessen werden, doch können Stimmrechte aus derartigen Aktien gemäß § 23 Abs. 5 WpHG nicht ausgeübt werden. Ein empty voting ist somit von vornherein ausgeschlossen.
A. Empty voting
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Fällen möglich sein, heimlich Aktien in einer Höhe zu akkumulieren, die ihm einen signifikanten Stimmrechtseinfluss auf der Hauptversammlung der Gesellschaft verschaffen. Dies dürfte nur im Falle heiß umkämpfter Hauptversammlungsbeschlüsse vorkommen, wenn auch kleinere Aktienanteile den Ausgang der Entscheidung zu beeinflussen vermögen (sog. swing votes12). b) Abgabe des wirtschaftlichen Risikos durch den Einsatz von Derivaten Im Anschluss an den Aktienerwerb muss sich der Aktionär mittels des Einsatzes von Derivaten des mit den Aktien verknüpften wirtschaftlichen Interesses (vollständig oder partiell) wieder entledigen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Aktienkäufer zur Ausübung der Stimmrechte berechtigt ist, ohne wirtschaftlich in einem seinem Stimmrechtsanteil entsprechenden Maße vom Abstimmungsergebnis betroffen zu sein. aa) Begriffsklärung Derivat Wenngleich der Derivatbegriff auch dem deutschen Recht keineswegs unbekannt ist13, fristete er in der Wissenschaft lange Zeit doch eher ein Nischendasein. Das hat sich mit dem weltweit vermehrten Auftreten von empty voting- und hidden ownership-Fällen schlagartig geändert. (1) Legaldefinition (§ 2 Abs. 2 WpHG) Eine Legaldefinition des Derivatbegriffs findet sich – seit der umfangreichen Neufassung der Vorschrift im Jahre 2007 durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)14 in neuem Gewand – in § 2 Abs. 2 WpHG.15 Nach dessen Nr. 1 werden davon insbesondere die Termingeschäfte erfasst, worunter der Gesetzgeber „als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte“ versteht, die „zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet“. Völlig unabhängig von der Frage, ob mit dieser Neufassung der seit mehr als einem Jahrhundert mit großer Hingabe geführte Streit um den Begriff des Termingeschäfts16 12
Näher dazu siehe unten 3. Kapitel A. IV. 1. Siehe nur die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 WpHG, dazu sogleich 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (1). 14 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzmarktinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16. Juli 2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 15 Siehe auch den identischen Wortlaut des § 1 Abs. 11 S. 3 KWG. 16 Für eine exakte Definition Assmann, ZIP 2001, 2061, 2064 mit Fn. 33; Häuser, ZBB 1992, 249, 259 ff.; wohl auch Kind, S. 35 f.; Krämer, S. 245; Melzer, BKR 2003, 366, 370 lässt als einziges Definitionsmerkmal das des hinausgeschobenen Erfüllungszeitraums ausreichen; für ein typologisches Verständnis erstmals Koller, WM 1985, 593 f.; ebenso Begründung RegE 13
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2. Kap.: Genese des new vote buying
tatsächlich beendet ist17, spricht der Gesetzgeber in dieser Definition zwei Merkmale an, auf die im Rahmen des Derivatbegriffs nicht verzichtet werden kann: den hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt18 und die Bezugnahme auf einen Basiswert19. (2) Gemeinsame Merkmale aller Derivate Zu den Merkmalen der derivativen Finanzinstrumente nun im Einzelnen: (a) Gegenseitiger Vertrag Derivate stellen zunächst vollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge, d. h. gegenseitige Verträge i.S.d. §§ 320 ff. BGB dar20: Jeder Vertragspartner verspricht seine Leistung um der Gegenleistung willen („do ut des“); es besteht eine synallagmatische Verknüpfung der Leistungen.21 Dass dies so ist, geht schon aus der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG hervor, wo von „als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete[n] Festgeschäfte[n] oder Optionsgeschäfte[n]“ die Rede ist. Kauf und Tausch aber stellen Hauptbeispiele für gegenseitige Verträge dar.22
zum 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 85; MünchKommHGB/Ekkenga, 1. Aufl., Effektengeschäft Rn. 404; Derleder/Knops/Bamberger/Frisch, 1. Aufl., § 46 Rn. 13; Jaskulla, S. 115 ff., 123; Kümpel, Kapitalmarktrecht, Rn. 123 ff.; in diese Richtung auch Paus, S. 91 ff.; gute Darstellung des Streitstands bei Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 25 ff. 17 So Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 75; Jordans, WM 2007, 1827, 1830: „Rechtssicherheit über die Grenzen des Begriffs“; Lenenbach, Rn. 9.226 ff.: Finanztermingeschäft hat sich von einem Typus zu einem Rechtsbegriff gewandelt; Derleder/Knops/Bamberger/Müller, § 54 Rn. 19: „Mit dem Inkrafttreten des FRUG ist einer typologischen Gesamtbetrachtung der Boden entzogen […].“; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 78; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.15; ebenso, wenn auch kritisch, Ekkenga, BB 2007, Die erste Seite, Nr. 36, der die Absicht, Termingeschäfte bzw. Derivate abschließend zu definieren, als „einen Rückschritt in die Vorstellungswelt des vorletzten Jahrhunderts“ bezeichnet; siehe ferner Assmann/Schneider/ Schneider, § 25 Rn. 21; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 559, denen zufolge eine eindeutige Definition des Termingeschäfts bis heute nicht gelungen ist. All diesen Autoren könnte indes entgegengehalten werden, dass sich – erstens – der Gesetzgeber im Rahmen des FRUG mit der Diskussion in keiner Weise auseinandergesetzt hat und es zweitens doch sehr verwunderlich wäre, wenn der Gesetzgeber seine im Rahmen des 4. FMFG in Kenntnis des Streitstands noch bekundete Sympathie für die Typuslehre fünf Jahre später im Rahmen des FRUG wieder aufgegeben hätte; dagegen auch Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 36; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.42. 18 Dazu unten 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (c). 19 Dazu unten 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (b). 20 Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 58 f., 80, 132, 176; Reiner, S. 13, 146 f.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.19; von Westphalen, S. 32; vgl. auch Grunewald/ Schlitt, § 7 I 1 a, S. 134: Einordnung von Derivaten i. d. R. als Kaufverträge. 21 Vgl. MünchKommBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 3; Bamberger/Roth/Grothe, § 320 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, Einf v § 320 Rn. 5; Soergel/Gsell, Vor § 320 Rn. 3. 22 MünchKommBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, Einf v § 320 Rn. 9; Soergel/Gsell, Vor § 320 Rn. 19.
A. Empty voting
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Zudem muss die Verpflichtung mindestens einer Vertragspartei stochastisch bedingt, d. h. vom Zufall abhängig sein. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist die Höhe der übernommenen Verpflichtung noch unklar. Sie lässt sich erst bei Fälligkeit anhand der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Umstände ermitteln.23 Dieses Moment der Ungewissheit verleiht derivativen Geschäften einen aleatorischen Charakter, der sie in die Nähe des Spiels und der Wette rückt.24 (b) Basiswert als Grundlage Derivate werden nach allgemeinem Verständnis definiert als Finanzinstrumente, deren Wert sich aus dem Marktpreis anderer Finanzprodukte, den sog. Basiswerten oder underlyings, ableitet (derivare = ableiten).25 Es wird also nicht der Basiswert selbst gehandelt, sondern ein auf den Basiswert bezogenes Finanzinstrument. Dementsprechend zieht eine Veränderung des Marktpreises des Basiswertes zwangsläufig auch eine Veränderung des Wertes des Derivats nach sich. Als Basiswerte dienen v. a. Wertpapiere, Devisen, Zinssätze, Indizes und wiederum Derivate26 (Derivate zweiten Grades27), aber auch Warenpreise, Klimadaten, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen28. (c) Hinausgeschobener Erfüllungszeitpunkt Ein weiteres Charakteristikum von Derivaten29 ist der hinausgeschobene Erfüllungszeitpunkt, der sie als Termingeschäfte von Geschäften am Kassamarkt unterscheidet. Die Erfüllung derivativer Geschäfte erfolgt also nicht wie bei Kassageschäften bei oder kurz nach Vertragsschluss30, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. 23
Reiner, S. 12, 18 ff.; vgl. auch Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.19. Vgl. Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 87; MünchKommBGB/Habersack, § 762 Rn. 4; Paus, S. 200; Palandt/Sprau, § 762 Rn. 4. Der Einwand, ein Derivatgeschäft begründe gemäß § 762 Abs. 1 S. 1 BGB als Spiel oder Wette keine Verbindlichkeit (sog. Spieleinwand), ist jedoch in der Regel wegen § 37e S. 1 WpHG unbeachtlich. 25 Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 4; Assmann/Schneider/Assmann, § 2 Rn. 43; Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1112 (2013); Bertuch-Samuels/Störmann/Bertuch-Samuels, S. 9, 13; Buck-Heeb, Rn. 87; Clouth, S. 7; Grunewald/Schlitt, § 7 I 1, S. 133; Kniehase, S. 27; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 36; Lenenbach, Rn. 1.63, 9.100; Veil/Veil, § 8 Rn. 15; ausführlich zum Begriff des Derivats Reiner, S. 10 ff. 26 Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 681; Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 1; Lenenbach, Rn. 9.100; vgl. auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. 27 Reiner, S. 1; vgl. auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. e WpHG. 28 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG. 29 Hier liegen allerdings gewisse Überschneidungen mit dem Merkmal der stochastischen Bedingtheit der Leistung mindestens einer Vertragspartei vor; siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (a). 30 Nach den Usancen der deutschen Wertpapierbörsen sind Börsengeschäfte am zweiten Börsentag nach dem Tag des Geschäftsabschlusses zu erfüllen, vgl. z. B. § 4 Abs. 1 der Be24
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Dieses den Termingeschäften innewohnende Zeitelement und die nicht zuverlässig prognostizierbare Entwicklung des Preises des Basiswertes bedeuten für den Anleger, insbesondere für den geschäftsunerfahrenen, ein beträchtliches Verlustrisiko. Eine den eigenen Erwartungen widersprechende Entwicklung des Basiswertes kann das erworbene Finanzprodukt völlig entwerten.31 Anders liegt es hingegen bei Kassageschäften: Der Inhaber von Wertpapieren trägt hier lediglich das in der Regel vernachlässigbare Risiko der Insolvenz des Emittenten.32 Dieser Unterschied zwischen Kassa- und Terminmärkten soll nicht den Blick dafür verstellen, dass beide über die Möglichkeiten des hedging und der Arbitrage33 aufs Engste miteinander verknüpft sind. Eine derartige enge Verknüpfung ist für die Liquidität und damit für die Akzeptanz eines Kapitalmarkts elementare Voraussetzung.34 In wirtschaftlicher Hinsicht unterscheiden sich Terminmarkt und Kassamarkt v. a. darin, dass die Geschäfte am Kassamarkt regelmäßig echte Umsatzgeschäfte sind und damit der Anschaffung oder Veräußerung von Wertpapieren dienen, während bei Termingeschäften in der Regel die zugrunde liegenden Wertpapiere nicht auf den Vertragspartner übertragen werden, sondern nur der Marktpreis des Basiswertes und dessen weitere Entwicklung von Interesse sind.35 (d) Konträre Zukunftserwartungen der Vertragsparteien Gemeinsam ist den Derivaten schließlich, dass es zum Vertragsschluss nur deshalb kommt, weil die Parteien die zukünftige Entwicklung des Marktpreises des Basiswertes gegensätzlich einschätzen: Während eine Partei auf ein Ansteigen des Kurses des Basiswertes setzt, glaubt die andere Partei an sinkende Kurse.36 Da Kurse nicht gleichzeitig steigen und fallen können, stellen Derivatgeschäfte im Ergebnis ein Nullsummenspiel dar: Einem Gewinner steht immer auch ein Verlierer gegenüber.37 dingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 14. 04. 2014, abrufbar unter http://deutsche-boerse.com/dbg/dispatch/de/binary/gdb_navigation/info_center?object_ id=84XHQF782NSGDDE, zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014), § 15 Abs. 1 S. 1 der Bedingungen für die Geschäfte an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse (Stand: 01. 01. 2013, abrufbar unter https://www.boerse-stuttgart.de/files/bedingungen_fuer_geschaefte_01012 013.pdf, zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 31 Vgl. MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 41; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.46. 32 Begründung RegE zum 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 85. 33 Zu den Einsatzfeldern der Derivate siehe unten 2. Kapitel A. II. 1. b) cc). 34 Näher Lenenbach, Rn. 1.64 ff.; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 8.148 ff. 35 MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 40; Kümpel, Kapitalmarktrecht, Rn. 107; näher siehe unten 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (5). 36 Vgl. Allmendinger/Tilp, Rn. 111, 147; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 14.95, 14.101 ff.; Lenenbach, Rn. 1.66; Assmann/Schütze/Häuser/Welter, 2. Aufl., § 15 Rn. 24. 37 Hazen, 86 Nw. U. L. Rev. 987, 1006 (1992); von Westphalen, S. 64.
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Wie in der Finanzwissenschaft allgemein üblich, wird auch bei Derivatgeschäften die Käuferseite mit „long“, die Verkäuferseite mit „short“ bezeichnet.38 bb) Systematisierung der Derivate Eine Systematisierung der Derivate kann insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten erfolgen: nach Basiswerten, nach der Art des Handels, nach dem Risikoprofil, nach Produktgenerationen und nach der Art der Erfüllung. (1) Systematisierung nach Basiswerten Naheliegend ist zunächst eine rein formale Einteilung der derivativen Finanzinstrumente nach Basiswerten.39 Als Hauptgruppen sind hier Aktien-, Zins-, Währungs-, Waren- und Kreditderivate zu nennen.40 Für die vorliegende Arbeit von Interesse sind allein die Aktienderivate41, denn nur derartige Derivate stehen in einem Zusammenhang mit dem Recht des Aktionärs zur Abstimmung auf der Hauptversammlung. (2) Systematisierung nach der Art des Handels Im Schrifttum findet sich als weitere Möglichkeit einer produktübergreifenden Einteilung die Art des Handels der verschiedenen Produkte. Derivative Finanzinstrumente werden sowohl börslich als auch außerbörslich (over the counter – OTC) gehandelt.42 Gegenstand des börslichen Handels43 sind nach Kontraktgröße, Basiswert, Laufzeit und Preis sowie nach Ort des Vertragsschlusses und Geschäftsabwicklung streng standardisierte Produkte.44 Zwar hat dieser Umstand einerseits den 38 Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 10; Reiner, S. 19 mit Fn. 37; Scharpf/Luz, S. 343. 39 Clouth, S. 7 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 1; Derleder/Knops/Bamberger/Müller, § 54 Rn. 11; Renn, S. 14 f.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.23; Rudolph/ K. Schäfer, S. 17; von Westphalen, S. 32. 40 Dazu Clouth, S. 7; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 1; Kümpel/Wittig/ Rudolf, Rn. 19.23; siehe auch Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 40 ff.; anders Buck-Heeb, Rn. 87, die bzgl. des Basiswertes zwischen Kapitalmarktprodukten, Geldmarktprodukten und Devisen unterscheidet. 41 Siehe auch unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3) (b). 42 Buck-Heeb, Rn. 88; Clouth, S. 8 f.; Hull, S. 25 ff.; Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138; Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 7; Lenenbach, Rn. 9.105 f.; Derleder/Knops/Bamberger/ Müller, § 54 Rn. 7; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.24; Rudolph/K. Schäfer, S. 16 f., 29 ff.; von Westphalen, S. 33 ff. 43 Dieser erfolgt v. a. an der Terminbörse Eurex, vgl. Buck-Heeb, Rn. 89; Lenenbach, Rn. 9.106; Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.357 ff.; zum terminbörslichen Derivatehandel siehe auch unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2). 44 Buck-Heeb, Rn. 88; Clouth, S. 8 f.; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 731 f.; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 1, S. 150; Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 7; MünchVertragsHdb/Reiner,
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Vorteil der Handelbarkeit dieser Derivate, denn nur für hinreichend vergleichbare Produkte kann sich auch ein Markt bilden.45 Andererseits macht er diese weniger flexibel als die außerbörslich gehandelten Derivate, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre inhaltliche Ausgestaltung im Wesentlichen dem Parteiwillen überlassen bleibt, so dass sie auf die speziellen Bedürfnisse der Parteien abgestimmt werden können46. (3) Systematisierung nach dem Risikoprofil Als drittes Einteilungskriterium kann man das Risikoprofil heranziehen.47 Festgeschäfte weisen ein symmetrisches Risikoprofil auf: Die Lieferung des Basiswertes erfolgt zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu einem vorher festgelegten Preis, so dass die Gewinnchancen und Verlustrisiken der Vertragspartner einander entsprechen.48 Optionsgeschäfte hingegen zeichnen sich durch ein asymmetrisches Risikoprofil aus.49 Dieser Differenzierung nach dem Risikoprofil entspricht es, wenn Derivate in die Grundformen des Festgeschäfts und des Optionsgeschäfts eingeteilt werden.50 (4) Systematisierung nach Produktgenerationen Des Weiteren kann eine Differenzierung nach Produktgenerationen (erste bis dritte Generation) vorgenommen werden, wobei als Zuordnungskriterium zu den einzelnen Generationen die konstruktive Ausgestaltung des einzelnen Derivats dient, die sich in der Art der geschuldeten Leistung niederschlägt.51 Diese Einteilung dürfte mit der historischen Entwicklung der Derivatemärkte weitestgehend übereinstimmen.52 Band 4, S. 737; Renn, S. 22; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.25, 19.71; Rudolph/K. Schäfer, S. 29 ff.; von Westphalen, S. 35. 45 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 14.128; Lenenbach, Rn. 9.105; Mittermeier, S. 139; von Westphalen, S. 35; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 89 spricht insofern von „Ware von der Stange“. 46 Clouth, S. 9; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 89: „maßgeschneiderte Finanzprodukte“; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 734 f.; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 2, S. 151; Kümpel/Wittig/ Rudolf, Rn. 19.28, 19.102. 47 Grunewald/Schlitt, § 7 II 1 und 2, S. 138 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30; von Westphalen, S. 32. 48 Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 9; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30. 49 Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 10; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737; Scharpf/Luz, S. 366. 50 Bosch, WM 1995, 365, 370; Clouth, S. 9 f.; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82; Grunewald/ Schlitt, § 7 II, S. 138 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 1; Jaskulla, S. 4 ff.; Kleinschmitt, S. 20 ff.; Kniehase, S. 27; Lenenbach, Rn. 1.61; Derleder/Knops/Bamberger/ Müller, § 54 Rn. 8 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.17 f.; Rudolph/K. Schäfer, S. 16 f., 21 ff.; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 560; Steiner/Bruns, S. 443; Veil/Veil, § 8 Rn. 17. 51 So vor allem Clouth, S. 13 ff., zusammenfassend S. 96 ff. 52 Ähnlich Clouth, S. 12.
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(5) Systematisierung nach der Art der Erfüllung Denkbar ist darüber hinaus eine Systematisierung derivativer Finanzinstrumente nach der Art der vereinbarten Erfüllung.53 So können die Parteien des Derivatgeschäfts eine effektive Erfüllung im Sinne einer tatsächlichen Lieferung des Basiswertes im Erfüllungszeitpunkt vereinbaren; man spricht dann von einem physical settlement. Diese Form der Erfüllung stellt heute jedoch eher die Ausnahme als die Regel dar, denn häufig ist eine effektive Lieferung des Basiswertes entweder nicht erwünscht oder – wie z. B. beim Zinsfuture – schon faktisch nicht möglich. Die Parteien vereinbaren daher regelmäßig einen Barausgleich dergestalt, dass die Kursdifferenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Kurs und dem tatsächlichen Kurs im Erfüllungszeitpunkt ausgeglichen wird (cash settlement).54 Auf diese Weise werden die Vertragspartner zwar so gestellt, als ob der Basiswert geliefert und dann unverzüglich vom Käufer zum Marktpreis weiterveräußert worden wäre. Jedoch bietet dieses Vorgehen den Vorteil, dass Zeitverlust, Kosten und Risiken, die mit einem physical settlement und einer anschließenden Weiterveräußerung einhergehen können, vermieden werden.55 cc) Einsatzmöglichkeiten von Derivaten Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten können Derivate zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden: zur Risikoabsicherung, zur Arbitrage und zur Spekulation. (1) Risikoabsicherung (hedging) Das wohl konservativste Einsatzfeld derivativer Finanzinstrumente ist das sog. hedging56 (to hedge = eingrenzen, einzäunen), worunter man die Absicherung gegen zukünftige Preisveränderungen versteht57. Zu diesem Zweck wird mithilfe der ein53 Bertschinger, SZW 2008, 208, 209; Bosch, WM 1995, 365, 370; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 3 a und b, S. 152; Renn, S. 39 ff.; Rudolph/K. Schäfer, S. 16; Wansleben, StudZR 2009, 465, 468; siehe im Zusammenhang mit der Frage der Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG a.F. auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 559; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024. 54 Grunewald/Schlitt, § 7 IV 3 b, S. 152; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.21. Sofern mancherorts geschrieben wird, der Barausgleich sei Kennzeichen (Lenenbach, Rn. 9.102) bzw. grundlegende Eigenschaft (Bertuch-Samuels/Störmann/Bertuch-Samuels, S. 9, 13) der modernen Finanzderivate, geht dies zu weit, da eine Realerfüllung durchaus denkbar und möglich und der Barausgleich kein konstitutives Element des Derivatbegriffs ist. 55 Bosch, WM 1995, 365, 370. 56 Zum hedging aus betrieblicher Sicht Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 82 ff.; Clouth, S. 104 ff.; von Randow, ZGR 1996, 594, 598 ff. 57 Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 14; Buck-Heeb, Rn. 86; Casper, S. 12; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 48; Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1497 (2006); Lenenbach, Rn. 9.107; Derleder/Knops/Bam-
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gesetzten Derivate eine Gegenposition zu einem Grundgeschäft aufgebaut mit dem Ziel, aus dem Grundgeschäft evtl. entstehende Verluste ganz oder teilweise zu kompensieren.58 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Glattstellung des Grundgeschäfts durch Abschluss eines Gegengeschäfts.59 So kann der Aktionär einer börsennotierten AG das Risiko sinkender Kurse durch Abschluss eines Termingeschäfts minimieren, indem er z. B. die Wertpapiere per future-Kontrakt veräußert. Ein zwischenzeitlicher Kursverfall lässt ihn dann unberührt, weil er bei Ablauf der vereinbarten Laufzeit auf jeden Fall den zuvor vereinbarten Kaufpreis erhält.60 Dem Aktionär steht auch die Möglichkeit offen, eine put option über die Aktien zu erwerben. Er kann dann durch Ausübung des Optionsrechts zu einem vereinbarten Zeitpunkt den Verkäufer der put option verpflichten, die Aktien zu einem vereinbarten Preis abzunehmen. Auch in dieser Konstellation lässt ihn ein Kursverfall zwischen Abschluss des Geschäfts und Ausübung der Option unberührt.61 Das hedging ist in jüngerer Zeit verstärkt in der Absicht eingesetzt worden, sich des mit der Aktieninhaberschaft verbundenen wirtschaftlichen Risikos zu entledigen, um auf bevorstehenden Hauptversammlungen vom Stimmrecht Gebrauch machen zu können, ohne von den Folgen des Beschlusses wirtschaftlich betroffen zu sein (empty voting).62 (2) Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen Kassa- und Terminmarkt (Arbitrage) Des Weiteren können Derivate den wirtschaftlichen Zweck der Arbitrage verfolgen.63 Darunter versteht man die Ausnutzung von ungerechtfertigten Preisunterschieden zwischen verschiedenen, aber in Zusammenhang stehenden Märkten bzw. Marktsegmenten.64 Ungerechtfertigt sind die Preisunterschiede z. B. dann, berger/Müller, § 54 Rn. 1; Paus, S. 52; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.34; Steiner/Bruns, S. 481. 58 Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 717; Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 a, S. 135; Ostler, S. 73; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 a cc, S. 333; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.34 f.; Rudolph/K. Schäfer, S. 33; Scharpf/Luz, S. 295, 620; von Westphalen, S. 56 f.; nach Reiner, S. 21 ff., 58 ist die jederzeitige Glattstell- oder Hedgebarkeit sogar Definitionsmerkmal der Derivate. 59 Vgl. Allmendinger/Tilp, Rn. 78 ff.; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 79; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 3 c, S. 152; Kniehase, S. 219 ff.; Paus, S. 168; Reiner, S. 17, 345. 60 Vgl. Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 11; Kümpel, Kapitalmarktrecht, Rn. 114; Kümpel/ Wittig/Oulds, Rn. 14.47; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 (2013). 61 Vgl. Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 f. (2013). 62 Eingehend dazu unten 2. Kapitel A. III. 63 Allmendinger/Tilp, Rn. 98; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 449; Clouth, S. 100 ff.; Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 b, S. 136; Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 13; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.48; Rudolph/K. Schäfer, S. 34 f. 64 Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 b, S. 136; Hull, S. 40; Lenenbach, Rn. 9.107; Paus, S. 51; Rudolph/K. Schäfer, S. 34 f.
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wenn in einem der beiden Märkte oder Marktsegmente die Nachfrage das Angebot vorübergehend wesentlich übersteigt, da es sich lediglich um kurzfristige, markttechnisch bedingte Verzerrungen bei der Preisbildung handelt.65 Mittels eines Derivatgeschäfts auf dem Terminmarkt und eines entgegengesetzten Geschäfts auf dem Kassamarkt kann der Arbitrageur z. B. Differenzen zwischen Kassa- und Terminmarktpreisen zu seinen Gunsten nutzen.66 (3) Spekulation (trading)67 Der spekulative68 Einsatz von Derivaten69 bildet als gezielte Risikoübernahme gewissermaßen das Gegenstück zu ihrer risikoabsichernden Nutzung. Eine wirtschaftliche Transaktion wird in der Erwartung abgeschlossen, allein durch die Preisänderung des Wirtschaftsguts und nicht aus dessen Nutzung selbst einen Ertrag zu erzielen.70 Für Derivate ist typisch, dass sie auf der einen Seite zwar den Einsatz eines nur geringen Kapitals erfordern und hohe Gewinnchancen bieten, auf der anderen Seite aber auch hohe Verlustrisiken in sich bergen (Stichwort „Hebelwirkung“).71 Sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen72 versuchen, sich mithilfe des Einsatzes von Derivaten die Gewinnchancen zunutze zu machen. Zu diesem Zweck wird eine derivative Position eingegangen, ohne gleichzeitig ein glattstellendes Geschäft auf dem Kassamarkt abzuschließen.73
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Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 b, S. 136; Kümpel, Kapitalmarktrecht, Rn. 115. Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 16; Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 b, S. 136; Kleinschmitt, S. 21 f.; Lenenbach, Rn. 9.107; Ostler, S. 74; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 a cc, S. 333; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737; Scharpf/Luz, S. 619; von Westphalen, S. 60. 67 Dazu eingehend Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006. 68 Wegen des negativ behafteten Begriffs „Spekulation“ (vgl. dazu Casper, S. 14; Klöhn, S. 1 f.; Paus, S. 44 ff.) wird – neutraler – teilweise auch der Terminus „trading“ verwendet, siehe z. B. Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 15; Rudolph/K. Schäfer, S. 34; Steiner/Bruns, S. 495. 69 Vgl. Allmendinger/Tilp, Rn. 98; Buck-Heeb, Rn. 86; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 719; Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 c, S. 136; Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 12; Lenenbach, Rn. 9.107; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.50; von Westphalen, S. 59. 70 Casper, S. 14; Rudolph/K. Schäfer, S. 34. 71 Näher dazu unten 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (1). 72 Zur Spekulation aus betrieblicher Sicht Clouth, S. 122 ff.; von Randow, ZGR 1996, 594, 600 ff. 73 Clouth, S. 122; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 79; Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 c, S. 136; Eller/ Heinrich/Perrot/Reif/Hannemann, S. 256; Ostler, S. 73; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.50. 66
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dd) Risiken des Einsatzes von Derivaten (1) Markt-/Preisänderungsrisiko Das bedeutendste Risiko des Einsatzes von Derivaten ist das diesen Finanzinstrumenten spezifisch anhaftende74 Markt- oder Preisänderungsrisiko, das v. a. auf der Abhängigkeit des Derivatepreises von der Preisentwicklung des Basiswertes und auf der Verlagerung des Erfüllungszeitpunkts in die Zukunft beruht. Der Wert des Derivats hängt in erster Linie von der nicht verlässlich prognostizierbaren Entwicklung des zugrunde liegenden Marktpreises bis zum vereinbarten Termin ab. Während bei Kassageschäften im Rahmen eines echten Umsatzgeschäfts der Basiswert selbst erworben werden muss, was mit einem gewissen finanziellen Aufwand einhergeht, ist bei Terminmarktgeschäften ein nur geringer Kapitaleinsatz (Optionsprämie und/oder Sicherheitsleistung75) oder überhaupt kein Kapitaleinsatz (bei OTC-Festgeschäften fällt weder eine Optionsprämie noch eine Sicherheitsleistung an) erforderlich.76 Folglich kann bereits durch die Einzahlung eines bloßen Bruchteils des Kontraktwertes an den Kursveränderungen einer wesentlich größeren Vermögensposition partizipiert werden.77 Dieses Phänomen der überproportionalen Teilhabe an den Kursschwankungen des Basiswertes wird mit dem Begriff Hebelwirkung oder leverage effect bezeichnet und durch das bei Geschäften in börsengehandelten Derivaten bestehende Erfordernis der Bestellung von Sicherheiten78 nur geringfügig abgeschwächt.79 (2) Kreditrisiko Das Kredit- oder Adressenausfallrisiko bezeichnet allgemein das Risiko einer Vertragspartei, die Leistung nicht zu erhalten, obwohl die Gegenleistung bereits erbracht worden ist. Hierbei handelt es sich nicht um ein derivatespezifisches Risiko; wie praktisch bei jeder vertraglichen Vereinbarung müssen auch bei einem Deri74 Clouth, S. 130; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 8.144, 14.119; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 79; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.53; gegen die Spezifität der von Derivaten ausgehenden Marktrisiken Schwintowski/Köhler, § 21 Rn. 20; Reiner, S. 38 ff.; von Westphalen, S. 64 f. 75 Bei Geschäften in börsengehandelten Derivaten müssen die Marktteilnehmer der für die Abwicklung zuständigen Clearing-Stelle Sicherheitsleistungen (sog. margins) erbringen; näher dazu unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (bb). 76 Vgl. Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293 (2008); Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 c, S. 136; Jaskulla, S. 140; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 15.142; Lenenbach, Rn. 9.248. 77 Clouth, S. 131; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 40; Assmann/ Schütze/Häuser/Welter, 2. Aufl., § 16 Rn. 108; Jaskulla, S. 139; Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1502 (2006); Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 20; Lenenbach, Rn. 9.248; von Westphalen, S. 55; vgl. auch FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.3: Hinterlegung von nur 5 % bis 10 % des zugrunde liegenden Aktienwertes als Sicherheit. 78 Vgl. oben Fn. 75 und unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (bb). 79 Reiner, S. 39 f.
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vatgeschäft beide Parteien damit rechnen, dass der Vertragspartner seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachkommen kann oder will.80 Dem vertragstreuen Teil kann dabei ein Schaden in Höhe des hypothetischen Aufwands für die Wiedereindeckung durch ein Ersatzgeschäft entstehen.81 Das Kreditrisiko spielt im Zusammenhang mit börsengehandelten Derivaten nur eine untergeordnete Rolle, da bei diesen die Clearing-Stelle als Vertragspartner zwischen Käufer und Verkäufer tritt82; das Kreditrisiko wird also auf die Clearing-Stelle übertragen83. Bei OTCDerivaten hingegen wird der Vertrag unmittelbar zwischen den Parteien abgeschlossen, so dass hier dem Ausfallrisiko weiterhin große Bedeutung zukommt.84 In der Praxis wird dem durch standardisierte Rahmenverträge (z. B. Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte für Inlandsgeschäfte, ISDA Master Agreement für grenzüberschreitende Geschäfte) und besondere Sicherungsvereinbarungen (z. B. Besicherungsanhang zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte) Rechnung getragen.85 (3) Systemrisiko Der Ausfall einer Partei des Derivatgeschäfts kann nach manchen Autoren schwerwiegendere Konsequenzen haben als bei sonstigen Verträgen. So könne die Insolvenz eines Marktteilnehmers von gewisser Bedeutung, z. B. eines mit Derivaten handelnden Finanzinstituts, über eine verringerte Handlungs- und Risikobereitschaft anderer Marktteilnehmer hinaus diese entweder direkt (als Vertragspartner) oder indirekt (über massenpsychologische Effekte86) mitreißen. Ein derartiger DominoEffekt könne sich schließlich sogar zu einer umfassenden Finanzkrise ausweiten.87
80 Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 722 f.; Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 21; Krämer, S. 36; Rudolph/K. Schäfer, S. 388; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 17; Scharpf/Luz, S. 85. 81 Bosch, WM 1995, 365, 366; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.61. 82 Ausführlich siehe unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (aa). 83 Die Clearing-Stellen wirken dem allerdings durch das Erfordernis der Zahlung von Sicherheitsleistungen seitens der Clearing-Mitglieder entgegen, siehe oben Fn. 75 und unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (bb). 84 Grunewald/Schlitt, § 7 IV 2, S. 151; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 52; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737; von Westphalen, S. 65. 85 Vgl. zu alldem Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 36 ff., 70a; Derleder/ Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 36 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.62. 86 Solche waren im Rahmen der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2010 auch im Bankengewerbe aufgetreten: Die Nachricht von der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer Bank hatte die Kunden vieler Banken veranlasst, ihr Geld abzuziehen, was wiederum diese Banken in finanzielle Engpässe brachte, vgl. Benders, Handelsblatt v. 19. 08. 2008, S. 26. 87 Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 24; Reiner, S. 49 f.; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 17; von Westphalen, S. 64.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
(4) Rechtsrisiko Mit der Durchführung von Verträgen in Derivaten sind oft auch rechtliche Risiken verbunden.88 Diese können dergestalt auftreten, dass Forderungen aus Rechtsgründen nicht durchsetzbar sind oder bereits durchgeführte Transaktionen rückabgewickelt werden müssen.89 Sie resultieren aber auch daraus, dass zumindest manche Randfragen noch nicht abschließend geklärt sind.90 Zur Begrenzung dieser Rechtsrisiken bedienen sich die Marktteilnehmer in der Regel standardisierter Rahmenverträge.91 ee) Erscheinungsformen von Derivaten Derivate lassen sich grundsätzlich in zwei klassische Arten von Handelsformen einteilen: in Festgeschäfte und in Optionsgeschäfte.92 Obwohl sich auch die mannigfaltigen Erscheinungsformen der swaps den Festgeschäften zuordnen lassen, werden sie hier in einem gesonderten Abschnitt beschrieben.93 Die folgende Darstellung erhebt in keinster Weise Anspruch auf Vollständigkeit94, sondern bezweckt lediglich die Einführung derjenigen Aktienderivate, die im Rahmen des new vote buying eine Rolle spielen. (1) Festgeschäfte (a) Allgemeines Festgeschäfte begründen als Kaufverträge i.S.d. §§ 433 ff. BGB bzw. als Verträge sui generis95 für beide Vertragsparteien die „feste“ Verpflichtung, einen bestimmten 88
Clouth, S. 127 f.; Bertuch-Samuels/Störmann/Goebel, S. 33, 75; Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 140 f.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.62; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 16; von Westphalen, S. 67 f.; vgl. auch Krämer, S. 38. 89 Clouth, S. 128; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 728; Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 140; von Westphalen, S. 67. 90 Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 16. 91 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (2). 92 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (3) und die Nachweise in Fn. 50. Nach Jaskulla, S. 73 sind Optionen keine Derivate, sondern originäre Finanzinstrumente. Dem liegt allerdings eine kurios anmutende Kategorisierung zugrunde: Innovative Finanzinstrumente werden von Jaskulla, S. 76 in Derivate und originäre Finanzinstrumente eingeteilt. 93 Dazu unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3). 94 Insbesondere die im Zuge der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2010 in die Kritik geratenen Kreditderivate werden hier nicht erörtert; dazu siehe Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 706 ff.; Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Heinrich, S. 33 ff.; Hull, S. 679 ff.; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 24 ff.; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 30 ff.; Lubben, 81 Am. Bankr. L. J. 405, 409 ff. (2007); Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. 1019 (2007); Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.221 ff.; Steiner/Bruns, S. 569 ff. 95 Im Einzelnen str., vgl. Casper, S. 91; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 14.163 ff.; Lenenbach, Rn. 9.115 f., 9.120 ff., 9.127; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 25.
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Basiswert zu einem zuvor vereinbarten Kurs zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu kaufen bzw. zu verkaufen.96 Ermöglicht wird der Vertragsschluss wie bei allen Derivaten97 dadurch, dass bei den Kontrahenten unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Preises des Basiswertes bestehen: Der Käufer (long position) erwartet, dass der Preis des Basiswertes im Zeitraum bis zum vereinbarten Termin über den vereinbarten Kaufpreis hinaus steigt, damit er bei Fälligkeit den Basiswert vergleichsweise billig erwerben kann. Der Verkäufer (short position) hingegen hofft auf eine rückläufige Preisentwicklung, um den Basiswert im Fälligkeitszeitpunkt gegenüber dem Marktpreis teurer verkaufen zu können. Da die Erfüllung für beide Seiten eine bindende Rechtspflicht ist, sind Gewinnchancen und Verlustrisiken auf beide Vertragsteile gleichmäßig verteilt.98 Festgeschäfte zeichnen sich demnach durch ein symmetrisches Risikoprofil aus99, wobei das eingegangene Risiko auf beiden Seiten unkalkulierbar und betragsmäßig unbegrenzt ist100. Da die Lieferung des Basiswertes zu einem festgelegten Preis für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vereinbart wird, entspricht der Gewinn des einen Vertragspartners spiegelbildlich dem Verlust des anderen Teils.101 Zur terminologischen Abgrenzung werden die börslich gehandelten Festgeschäfte als futures, die over the counter gehandelten als forwards bezeichnet. (b) Börsliche Festgeschäfte (futures) Der future-Kontrakt beinhaltet die Abrede über den zukünftigen Kauf bzw. Verkauf einer bestimmten Menge eines Basiswertes zu einem bei Vertragsschluss vereinbarten Kurs.102 Die Standardisierung dieses Produkts reicht dabei oftmals so weit, dass allein der zu zahlende Preis zwischen den Parteien auszuhandeln bleibt.103 Wie bei allen Erscheinungsformen der Derivate104 wird auch die überwiegende Zahl der future-Geschäfte nicht durch Lieferung des Basiswertes erfüllt, sondern 96
Allmendinger/Tilp, Rn. 110; Casper, S. 90; Franken, S. 25; Hazen, 86 Nw. U. L. Rev. 987, 990 (1992); Kniehase, S. 31; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 33; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 37; Mittermeier, S. 139; Ostler, S. 94; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 82; Rudolph/K. Schäfer, S. 25; F. A. Schäfer/Hamann/ F. A. Schäfer, § 2 WpHG Rn. 22; von Westphalen, S. 37. 97 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (d). 98 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 699; Grunewald/ Schlitt, § 7 II 1, S. 138; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30; Rudolph/K. Schäfer, S. 27. 99 Dazu siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (3). 100 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30; siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 15.125 ff.; anders Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138. 101 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.30. 102 Bertuch-Samuels/Störmann/Goebel, S. 33, 40; Grunewald/Schlitt, § 7 II 1 a, S. 139; Hull, S. 30; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 (2013); Steiner/Bruns, S. 444. 103 Franken, S. 26; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.25, 19.71. 104 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (5).
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2. Kap.: Genese des new vote buying
entweder vor Fälligkeit durch ein Gegengeschäft glattgestellt (dann wird der Käufer des future den Basiswert auf denselben Termin wieder verkaufen und der Verkäufer des future den Basiswert auf denselben Termin kaufen) oder im Wege des Barausgleichs abgewickelt.105 Folgendes Beispiel mag die Funktionsweise eines future veranschaulichen: Schließen zwei Parteien einen future-Kontrakt mit cash settlement über 1.000 Aktien eines bestimmten Unternehmens zu einem festgelegten Preis von 100 E ab und beträgt der Kurs im Fälligkeitszeitpunkt 120 E, so muss der Verkäufer dem Käufer 1.000 x 20 E = 20.000 E zahlen. Im Falle des physical settlement hätte der Verkäufer dem Käufer 1.000 Aktien im Wert von insgesamt 120.000 E liefern müssen. Der Käufer hätte aber lediglich 1.000 x 100 E = 100.000 E zahlen müssen, so dass er bei sofortiger Weiterveräußerung einen Gewinn von 20.000 E hätte einstreichen können.106 (c) Außerbörsliche Festgeschäfte (forwards) Schließen die Kontrahenten ein Festgeschäft außerhalb der Terminbörse ab, so spricht man von einem forward. Im Gegensatz zu den futures werden die Kontraktcharakteristika eines forward individuell vereinbart, so dass es sich bei einem forward im Prinzip um einen nicht standardisierten future handelt.107 Von großer praktischer Relevanz – für diese Untersuchung allerdings belanglos – sind Zinstermingeschäfte, die sog. forward rate agreements (FRA), die der Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken dienen.108 (2) Optionsgeschäfte (options)109 (a) Allgemeines Während bei einem Festgeschäft die Abnahme bzw. Lieferung zu einem vorher bestimmten Termin fest vereinbart wird, hat bei einem Optionsgeschäft der Käufer 105 Nach Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138 enden nur 3 % aller future-Verträge mit der tatsächlichen Lieferung der Warengüter, was sich in etwa mit Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82 deckt, wonach es in 90 % bis 99 % aller Fälle nicht zu einem effektiven Leistungsaustausch kommt; vgl. auch Allmendinger/Tilp, Rn. 122; Kleinschmitt, S. 20 f.; von Westphalen, S. 37 mit Fn. 60. 106 Beispiel nach Lenenbach, Rn. 9.103; siehe auch die Beispiele bei Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1113 (2013); Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 82. 107 Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138 (futures als standardisierte forward-Kontrakte); Veil/Veil, § 8 Rn. 19 (future als „Unterart“ des forward); von Westphalen, S. 39; siehe auch Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 37; Kümpel, WM 1997, 49, 51; Kümpel/Wittig/ Rudolf, Rn. 19.73; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 2. 108 Dazu siehe Allmendinger/Tilp, Rn. 113 ff.; Clouth, S. 38 ff.; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 14; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 25; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1022; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.160 ff.; Scharpf/Luz, S. 507 f.; von Westphalen, S. 40 f. 109 Mongraphisch dazu Casper, Der Optionsvertrag, 2005.
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der Option das Wahlrecht, das vereinbarte Geschäft zu einem bestimmten Preis durchzuführen oder es verfallen zu lassen.110 Für dieses Wahlrecht hat er dem Optionsverkäufer eine Optionsprämie zu zahlen.111 Fest gebunden wird also zunächst nur der Verkäufer der Option, und auch diese Bindung tritt nicht ein, wenn der Käufer von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch macht. Da der Verkäufer keinen Einfluss auf das Zustandekommen des Hauptvertrags112 hat, wird er auch als Stillhalter bezeichnet.113 Ein Vergleich der Optionsgeschäfte mit den Festgeschäften unter dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung fördert signifikante Unterschiede zutage114 : Beim Festgeschäft tragen beide Seiten das gleiche unbegrenzte Verlustrisiko, haben aber auch dieselbe Gewinnchance.115 Das Optionsgeschäft hingegen bringt Vorteile v. a. für den Optionskäufer mit sich: Das ihm zustehende Wahlrecht, die Option auszuüben oder verfallen zu lassen, beschert ihm zwar eine theoretisch unbegrenzte Gewinnchance (Differenz zwischen dem Marktpreis im Ausübungszeitpunkt und dem vereinbarten Preis, abzüglich der an den Optionsverkäufer gezahlten Optionsprämie). Dieser steht aber kein entsprechendes unbegrenztes Verlustrisiko gegenüber, da er bei einer für ihn ungünstigen Kursentwicklung die Option nicht ziehen wird und damit seinen Verlust auf die Optionsprämie beschränken kann.116 Beim Stillhalter verhält es sich genau umgekehrt: Er kann bestenfalls (wenn sein Vertragspartner sein Wahlrecht nicht nutzt) die komplette Optionsprämie als Gewinn für sich verbuchen, trägt aber das zumindest theoretisch unbegrenzte Verlustrisiko, dass sich die Preise zugunsten des Optionskäufers entwickeln.117 Optionsgeschäfte weisen im Gegensatz zu Festgeschäften also ein asymmetrisches Risikoprofil auf. 110 Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 693; Kniehase, S. 28; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 37; Mittermeier, S. 130; Rudolph/K. Schäfer, S. 21; Assmann/Schütze/ F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 3. 111 Allmendinger/Tilp, Rn. 146; Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Bertsch/Kärcher, S. 569; Franken, S. 28; Kniehase, S. 28; Mittermeier, S. 130; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 84; Rudolph/K. Schäfer, S. 21; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 2 WpHG Rn. 22; Scharpf/ Luz, S. 340, 342. 112 Das Verhältnis zwischen Optionsvertrag und Hauptvertrag ist ebenso streitig (selbstständige Verträge oder einheitlicher Vertrag) wie die Frage nach der Rechtsnatur des Optionsvertrages (wenn man der Trennungstheorie folgt); eingehend dazu Casper, S. 42 ff., Ergebnis auf S. 73 f.; knapper Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 76 ff.; Ostler, S. 99 f. 113 Buck-Heeb, Rn. 87; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 85; Jaskulla, S. 73; Derleder/Knops/ Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 28; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 68; Lenenbach, Rn. 1.62; von Westphalen, S. 35 mit Fn. 41. 114 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (3). 115 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (1) (a). 116 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 83; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 693; Grunewald/ Schlitt, § 7 II 2, S. 140; Hull, S. 40; Lenenbach, Rn. 9.131; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 83; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.94; Scharpf/Luz, S. 342, 366. 117 Grunewald/Schlitt, § 7 II 2, S. 140; Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138; KölnKommWpHG/Roth, § 2 Rn. 83; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.94; Scharpf/Luz, S. 342.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Optionen werden sowohl börslich als auch außerbörslich gehandelt118, wobei sie sich insbesondere im Grad ihrer Standardisierung unterscheiden119. Dabei können sie jeweils entweder als Kaufoptionen (sog. call options) oder als Verkaufsoptionen (sog. put options) ausgestaltet sein.120 (b) Kaufoptionen (call options) Bei der Kaufoption erwirbt der Käufer (long position, auch long call genannt121) das Recht, eine bestimmte Menge eines Basiswertes zu einem vorher vereinbarten Preis zu beziehen.122 Den Verkäufer der call option (short position, auch short call genannt) trifft bei fristgemäßer Ausübung des Optionsrechts durch den Käufer die Verpflichtung, den Basiswert zum vereinbarten Preis zu liefern.123 Wie bei allen Derivaten124 stellen die Parteien auch bei der call option unterschiedliche Zukunftsprognosen hinsichtlich der Entwicklung des Basiswertkurses an. Der Käufer hofft darauf, dass dieser über den vereinbarten Preis ansteigt, um entweder bei einem physical settlement den Basiswert selbst im Zeitpunkt der Ausübung der Option verhältnismäßig billig erwerben und gewinnbringend weiterveräußern oder bei einem cash settlement einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen vereinbartem Preis und Marktpreis geltend machen zu können.125 Einen Nettogewinn wird er jedoch nur dann erzielen, wenn der Kurs des Basiswertes 118
Vgl. Casper, S. 245, 256; Franken, S. 30; Hull, S. 31; Renn, S. 60 f.; Kümpel/Wittig/ Rudolf, Rn. 19.91; Scharpf/Luz, S. 341; Steiner/Bruns, S. 444; von Westphalen, S. 36. 119 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (2). 120 Auf die Zinsbegrenzungsgeschäfte (caps, floors, collars und corridors; zu diesen vgl. Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 18 ff.; Lenenbach, Rn. 9.143 ff.; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1016 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.177 ff.; Rudolph/K. Schäfer, S. 117 ff.) und auf die unglaubliche Vielzahl exotischer und strukturierter, d. h. nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzter, Optionen (zu diesen eingehend Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.198 ff.; Rudolph/K. Schäfer, S. 351 ff.; ferner Allmendinger/Tilp, Rn. 242 ff.; Clouth, S. 62 ff.; Grunewald/Schlitt, § 7 II 5 a, S. 143 und § 7 II 5 e, S. 144) wird nicht eingegangen. Möglich sind allerdings auch Aktienkursbegrenzungsgeschäfte, d. h. caps, floors, collars und corridors, denen als Basiswert eine Aktie zugrunde liegt. Diese Instrumente ermöglichen die Absicherung gegen Aktienkursschwankungen, vgl. exemplarisch Bettis/Bizjak/Kalpathy, Working Paper, S. 38 ff. für den collar. 121 Zu den vier denkbaren Grundpositionen bei einer Option vgl. Casper, S. 12 f.; Claussen/ Ekkenga, § 7 Rn. 85; Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Gaebel, S. 628; Hull, S. 33, 256 ff.; Perridon/ Steiner/Rathgeber, C V 3 a, S. 346 f.; Renn, S. 64 f.; Rudolph/K. Schäfer, S. 21 ff.; Scharpf/ Luz, S. 368 ff. 122 Allmendinger/Tilp, Rn. 144; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Grunewald/Schlitt, § 7 II 2 a, S. 140; Hull, S. 31; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; Kleinschmitt, S. 22; Kniehase, S. 28; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 64; Mick, DB 1999, 1201; Renn, S. 60. 123 Bertuch-Samuels/Störmann/Goebel, S. 33, 41; Grunewald/Schlitt, § 7 II 2 a, S. 140; Lenenbach, Rn. 9.129; von Westphalen, S. 36. 124 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (d). 125 Allmendinger/Tilp, Rn. 147; Grunewald/Schlitt, § 7 II 2 a, S. 140; Kleinschmitt, S. 22.
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so stark steigt, dass er auch die bereits gezahlte Optionsprämie wettmacht. Steigt der Preis des Basiswertes zwar über den vereinbarten Preis hinaus an, reicht der Kursanstieg aber nicht aus, um auch die Optionsprämie abzudecken, so wird der Optionsberechtigte die Option dennoch ausüben, um wenigstens einen Teil der gezahlten Optionsprämie zurückzuerhalten.126 Umgekehrt setzt der Verkäufer der call option auf stabile oder fallende Kurse, denn nur in diesem Fall wird der Käufer sein Optionsrecht nicht ausüben, so dass der Verkäufer die an ihn gezahlte Optionsprämie komplett als Gewinn vereinnahmen kann.127 Auch hier ein Beispiel: B verkauft an A eine europäische128 call option mit einer Laufzeit von sechs Monaten über 100 Aktien eines Unternehmens zum vereinbarten Preis von 50 E je Aktie. Er erhält von A dafür eine Optionsprämie in Höhe von 300 E. Sinkt der Kurs bis zum Ausübungszeitpunkt auf 40 E ab, wird A von seinem Recht, die Aktien zu erwerben bzw. einen Differenzausgleich zu verlangen, keinen Gebrauch machen, um seinen Verlust auf die Optionsprämie in Höhe von 300 E zu beschränken. Steigt der Kurs der Aktie hingegen auf 60 E, so wird A die Option ziehen, denn er kann aus dem Geschäft einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen Marktpreis und vereinbartem Preis abzüglich Optionsprämie verzeichnen: 1.000 E (100 x 10 E) – 300 E = 700 E. Selbst wenn der Aktienkurs nur auf 52 E ansteigt, wird A sein Wahlrecht ausüben, um wenigstens einen Teil der gezahlten Optionsprämie zurückzuerhalten: 200 E (100 x 2 E) – 300 E = – 100 E. Sein Verlust beträgt nur 100 E statt 300 E. (c) Verkaufsoptionen (put options) Bei der Verkaufsoption erwirbt der Käufer (long position, auch long put genannt) das Recht, eine bestimmte Menge eines Basiswertes zu einem vorher vereinbarten Preis abzugeben.129 Übt der Käufer seine Option aus, ist der Stillhalter (short posi126
Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 83; siehe auch Franken, S. 28; Reiner, S. 20; insoweit nicht zutreffend Lenenbach, Rn. 9.129, der meint, der Optionsberechtigte werde die Option nur ausüben, wenn der Marktpreis im Ausübungszeitpunkt über der Summe aus dem im Optionsvertrag festgelegten Kurs und der Optionsprämie liegt. 127 Allmendinger/Tilp, Rn. 148; Casper, S. 12; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 85; Grunewald/ Schlitt, § 7 II 2 a, S. 140; Kleinschmitt, S. 22; Scharpf/Luz, S. 370. 128 Je nach Zeitpunkt der Ausübungsmöglichkeit unterscheidet man europäische Optionen, amerikanische Optionen und Bermuda-Optionen, vgl. Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 693 f.; Hull, S. 31, 254; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 17; KölnKommWpHG/ Roth, § 2 Rn. 83; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.90. Darf der Käufer der Option von seinem Wahlrecht nur am Ende der vereinbarten Laufzeit Gebrauch machen, spricht man von einer europäischen Option. Ist vereinbart, dass der Käufer das Wahlrecht auch zu jedem Zeitpunkt während des Zeitraums bis zum Verfallstag ausüben darf, so liegt eine Option amerikanischen Typs vor. Die ausschließlich außerbörslich gehandelten Bermuda-Optionen können nur an einem von mehreren zuvor festgelegten Terminen ausgeübt werden. 129 Buck-Heeb, Rn. 87 mit Fn. 29; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; Hull, S. 31; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 28; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 64; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 37; Mittermeier, S. 130.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
tion, auch short put genannt) verpflichtet, diesen Basiswert zum vereinbarten Preis abzunehmen.130 Der Käufer der Option bekleidet bei der put option also die Verkäuferposition und spekuliert deshalb auf fallende Kurse.131 Erfüllen sich seine Erwartungen, so kann er den Basiswert zu einem nicht mehr marktgerechten, weil zu hohen Preis veräußern.132 Einen Nettogewinn kann der Optionsberechtigte hier jedoch nur dann verbuchen, wenn der Kurs des Basiswertes so stark unter den vereinbarten Preis sinkt, dass er auch die Optionsprämie abdeckt.133 Spiegelbildlich zur call option wird der Optionskäufer auch dann von seinem Optionsrecht Gebrauch machen, wenn der Kursverlust nicht ausreicht, um auch die Optionsprämie abzudecken, denn nur dann kann er wenigstens einen Teil der gezahlten Optionsprämie zurückerhalten.134 Der Optionsverkäufer/Stillhalter hofft auf steigende oder stabile Kurse, so dass er mit der Ausübung der Option durch den Käufer nicht zu rechnen braucht und er die Optionsprämie vollumfänglich behalten kann.135 (3) Austauschverträge (swaps)136 Zwar werden die sog. swaps hier gesondert erörtert, doch handelt es sich bei ihnen im Grundsatz um Festgeschäfte mit symmetrischem Risikoprofil137. (a) Allgemeines Die swaps stellen die wohl erfolgreichste Finanzinnovation der 80-er und 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dar.138 Der Terminus „swap“ (engl. für tauschen) beschreibt dabei den zukünftigen, i. d. R. periodischen, wechselseitigen Austausch von Zahlungen auf der Basis eines bestimmten Nominalbetrags.139 130 Bertuch-Samuels/Störmann/Goebel, S. 33, 41; Allmendinger/Tilp, Rn. 149; Scharpf/ Luz, S. 341; von Westphalen, S. 36. 131 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 84; Grunewald/Schlitt, § 7 II 2 b, S. 140; Kleinschmitt, S. 22. 132 Allmendinger/Tilp, Rn. 149; Lenenbach, Rn. 9.132; Mittermeier, S. 130. 133 Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138; richtig insoweit auch Lenenbach, Rn. 9.132, weil nur auf die gewinnbringende Ausübung der Option abstellend. Die darüber hinausgehende Frage, wann der Optionsberechtigte von seinem Wahlrecht Gebrauch machen wird, beantwortet er hier nicht (siehe für die call option Lenenbach, Rn. 9.129 und oben Fn. 126). 134 Vgl. Reiner, S. 20. 135 Allmendinger/Tilp, Rn. 149; Grunewald/Schlitt, § 7 II 2 b, S. 140. 136 Monographisch dazu Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, 1999. 137 Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Hannemann, S. 251; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 38; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 14.81; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737; Veil/Veil, § 8 Rn. 18. 138 Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 3; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 109; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 14.286; BuB/Neuhaus, Rn. 7/ 1003. 139 Bosch, WM 1995, 365, 370; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 701 f.; Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Grunewald/Schlitt, § 7 II 3, S. 141; Eller/Heinrich/Perrot/
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Da swaps auf die individuellen Bedürfnisse der Vertragspartner zugeschnitten sein müssen, fehlt es an einer für den börslichen Handel erforderlichen Standardisierung. Swaps werden daher immer OTC gehandelt.140 Die gebräuchlichsten Erscheinungsformen der swaps sind der Zinssatzswap141, der Währungsswap142 und der Zinssatz- und Währungsswap143. Im Hinblick auf den Fortgang dieser Untersuchung sind jedoch alleine wertpapierbezogene swaps von Bedeutung. (b) Wertpapierbezogene swaps (equity-linked swaps) Hinsichtlich der wertpapierbezogenen swaps kann eine Unterscheidung zwischen den equity swaps und den index swaps vorgenommen werden. (aa) Index swaps Den index swaps liegt als Basiswert ein Aktienindex zugrunde. Bei ihnen kommt der Handel eines einzelnen Basiswertes schon aus der Natur der Sache nicht in Frage. Zwar wäre theoretisch die Realerfüllung durch tatsächliche Lieferung der im Index vertretenen Aktien möglich (physical settlement), doch werden in aller Regel Zinsbeträge gegen den sich aus der Entwicklung des betreffenden Indexes vom Beginn bis zum Abschluss des swap-Geschäfts ergebenden Differenzbetrag getauscht (cash settlement). (bb) Equity swaps Der Wert eines equity swap leitet sich vom Preis eines Einzelwertpapiers ab. Trotz der theoretisch bestehenden Möglichkeit der Realerfüllung durch Lieferung des Wertpapiers, ist – wie bei allen swaps – auch bei den equity swaps in der Praxis nur Reif/Hannemann, S. 251; Jander/Plecher, WiB 1995, 137, 138; Derleder/Knops/Bamberger/ Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 5; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 38. 140 Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 704; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 2; Lenenbach, Rn. 9.149; Ostler, S. 111; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.103, 19.123. 141 Zu diesem vgl. Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 84 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 3; Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 45; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 110 ff.; Lenenbach, Rn. 9.150 ff.; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1005 ff.; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 b cc, S. 339 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.132 ff.; Rudolph/K. Schäfer, S. 130 ff. 142 Zu diesem vgl. Bosch, WM 1995, 365, 371; Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/ Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 92 f.; Hull, S. 219 ff.; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 4; Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 51; Ebenroth/Boujong/Joost/ König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 117 ff.; Lenenbach, Rn. 9.156 ff.; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1004; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 b bb, S. 338 f.; Rudolph/K. Schäfer, S. 166 f.; Scharpf/Luz, S. 456 f. 143 Zu diesem vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 4; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 8; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 126; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1008; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.139 ff.; Scharpf/Luz, S. 458.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
der Austausch von Zahlungen Gegenstand des Vertrags.144 Man spricht dann von cash settled equity swaps. Im Unterschied zu den Zinssatzswaps, den Währungsswaps und den Zinssatz- und Währungsswaps basiert aber die Zahlung mindestens eines Vertragspartners nicht auf Zinsen, sondern auf der Entwicklung eines Wertpapiers.145 Bei den cash settled equity swaps wird demzufolge i. d. R. ein periodisch zu zahlender Betrag auf variabler oder fester Basis, bezogen auf den Kurswert einer Aktie am Referenztag, gegen die Erträge aus der Aktie (Dividendenzahlungen und Wertveränderung der Aktie) getauscht.146 Oder mit anderen Worten: Der swap-Verkäufer (short position) verpflichtet sich gegen Zahlung von Zinsen, dem swap-Käufer (long position) die Differenz zwischen den Werten eines Aktienpakets zu Beginn und zum Ende des swap-Geschäfts sowie die während der Vertragslaufzeit anfallenden Dividenden zu zahlen.147 Abweichend vom hiesigen Sprachgebrauch werden die cash settled equity swaps in Großbritannien daher als Contracts for Difference (CfDs) bezeichnet.148 Sie vermitteln keinen Anspruch auf die Lieferung der dem Geschäft zugrunde liegenden Aktien.149 Häufig werden equity swaps abgeschlossen, um den Aktionär in die Lage zu versetzen, unter Beibehaltung seiner mitgliedschaftlichen Rechte das Vermögensrecht aus der Aktie (Wertveränderungen inklusive Dividenden) gegen ein sichereres
144 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 104; Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 309; Eichner, ZRP 2010, 5; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 216; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 5; Krämer, S. 20; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Ostler, S. 108; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 13; Scharpf/Luz, S. 454; Schiessl, Der Konzern 2009, 291; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022; vgl. auch FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.2. 145 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 457; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 5; Mittermeier, S. 142; Scharpf/Luz, S. 454; Sullivan, 87 N. C. L. Rev. 1300, 1305 (2009); Wansleben, StudZR 2009, 465, 471. 146 Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 78; Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 275 (2009); Spindler/Stilz/Cahn, § 71 Rn. 213; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 3; Krämer, S. 20; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 13; Scharpf/Luz, S. 454; Sullivan, 87 N. C. L. Rev. 1300, 1305 (2009). 147 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 104; Christ, S. 47; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.2; Gower/Davies, Rn. 28-45; Hutter/Kaulamo/ Plepelits, GS Gruson, S. 213, 216; Parry, 21 Nw. J. Int’l L. & Bus. 703, 716 f. (2001); Kümpel/ Wittig/Rudolf, Rn. 19.156; Sarra, 36 Seattle U. L. Rev. 1117, 1125 f. (2013); Schanz, DB 2008, 1899, 1901; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; siehe auch die Darstellung im Urteil CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 520 f. (S.D.N.Y. 2008). 148 Vgl. FSA, CfD CP 07/20 mit dem Titel „Disclosure of Contracts for Difference“ und Rn. 2.2 ff. „What is a CfD?“; Panel on Takeovers and Mergers, Derivatives PCP 2005/1, Rn. 2.2; siehe auch Gower/Davies, Rn. 15-81, 28-45; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 2 f.; ferner § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG, wonach auch „finanzielle Differenzgeschäfte“ Derivate i.S.d. WpHG darstellen. 149 Siehe aber zur Vertragsgestaltung in der Praxis unten 2. Kapitel B. III. 1.
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festverzinsliches Instrument einzutauschen.150 Mithilfe des equity swap kann sich der Inhaber eines Wertpapiers also gegen das mit der Aktieninhaberschaft einhergehende Volatilitätsrisiko absichern (hedging).151 Zwingend erforderlich ist die tatsächliche Aktieninhaberschaft des swap-Verkäufers natürlich nicht, denn der vereinbarte finanzielle Ausgleich lässt sich auch unabhängig vom Besitz der Aktie leisten.152 Da der equity swap als schuldrechtliche Vereinbarung die rechtliche Stellung des Aktionärs unberührt lässt und lediglich das Wertentwicklungsrisiko vom Aktionär auf den swap-Partner verlagert wird, kann insofern von einem synthetischen Aktienerwerb des swap-Käufers gesprochen werden.153 Auf der Käuferseite des swap-Vertrags kann demzufolge derselbe Effekt erzielt werden wie bei einem Direktinvestment in die Wertpapiere154, verbunden allerdings mit dem positiven Nebeneffekt wesentlich geringerer Kosten155. Ziel ist dabei häufig die Umgehung gesetzlicher Offenlegungspflichten.156 Auf diesen Aspekt ist an späterer Stelle zurückzukommen.157
150 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 459; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Mittermeier, S. 142 f.; Scharpf/Luz, S. 454. 151 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 521 (S.D.N.Y. 2008); Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 79; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 215; Mittermeier, S. 143. Ebenso kann sich umgekehrt der Verkäufer des equity swap durch den Erwerb der Aktien absichern, dazu näher unten 2. Kapitel B. III. 1. b) aa). 152 Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1120 (2013); Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 459; Spindler/Stilz/Cahn, § 71 Rn. 213; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 (2013); Sarra, 36 Seattle U. L. Rev. 1117, 1125 (2013); Schanz/Schalast, Working Paper, S. 13 mit Fn. 32; siehe auch Schwintowski/Köhler, § 20 Rn. 4. 153 FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.2; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 127; Krämer, S. 20; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.159; Scharpf/Luz, S. 454 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; siehe auch Grunewald/ Schlitt, § 7 I 2 d, S. 137; Spamann, Discussion Paper, S. 8. 154 CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 521 (S.D.N.Y. 2008); Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 276 (2009); KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 104; Christ, S. 57; Eichner, ZRP 2010, 5; Holfter, S. 121, 168; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 215; Mick, DB 1999, 1201, 1202; Schanz, DB 2008, 1899, 1901; ders./Schalast, Working Paper, S. 13; Wansleben, StudZR 2009, 465, 471; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 155 CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 522 (S.D.N.Y. 2008); Christ, S. 53; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503 f.; FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.3; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 217; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 3, 8; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; zum leverage effect siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (1). 156 CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 522 f. (S.D.N.Y. 2008); FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.5; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 157 Siehe unten 2. Kapitel B. II. 1.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
(4) Verwendung in der Praxis Sofern zum Zwecke einer empty voting-Strategie Derivate eingesetzt werden, bedient man sich in der Praxis besonders häufig der equity swaps, woraus allerdings nicht der Schluss gezogen werden darf, futures, forwards oder options seien dafür weniger gut geeignet. Grundsätzlich können sämtliche oben beschriebenen Derivate eingesetzt werden158, sofern ihnen nur eine Aktie als Basiswert zugrunde liegt. Selbstverständlich kann der empty voter von vornherein nur auf solche Derivate zurückgreifen, die bei einem sinkenden Aktienkurs Gewinne abwerfen. Oder mit anderen Worten: Er muss im Rahmen des Derivatgeschäfts diejenige Position bekleiden, die ihm einen Gewinn im Falle eines sinkenden Aktienkurses garantiert. Der empty voter muss also eine die long position aus den Aktien glattstellende short position in Derivaten aufbauen. Insofern kommt insbesondere der Verkauf eines future oder der Verkauf eines forward, der Kauf einer put option oder der Verkauf einer call option und der Verkauf eines swap in Betracht. Aus der Sicht der Gegenpartei stellt sich das Geschäft dementsprechend als Kauf eines future oder Kauf eines forward, als Verkauf einer put option oder Kauf einer call option oder als Kauf eines swap dar.159 Mittels des Einsatzes von Derivaten kann das vom Aktionär zu tragende wirtschaftliche Risiko beliebig ausgestaltet werden160 : Sofern die Derivatposition die Aktienposition nicht übersteigt, hat der Aktionär ein positives Interesse an der Entwicklung des Unternehmens und wird von den Auswirkungen der Hauptversammlungsbeschlüsse so betroffen wie seine Mitaktionäre auch. Sind die Derivatund die Aktienposition gleich groß, wird der Aktionär von den Entscheidungen der Hauptversammlung überhaupt nicht berührt; er hat ein wirtschaftliches Interesse von null. Übersteigt die Derivatposition die Aktienposition, ist dem Aktionär aufgrund seines negativen Beteiligungsinteresses an wertvernichtenden Hauptversammlungsbeschlüssen gelegen. Das wirtschaftliche Interesse des Aktionärs lässt sich auch indirekt steuern durch den Erwerb von Aktien, deren Wertentwicklung mit der Wertentwicklung der Aktien, aus denen letztlich abgestimmt werden soll, negativ korreliert.161 Das ist insbesondere im Vorfeld einer Übernahme bei den Aktien der Bieter- und der Zielgesellschaft der Fall.162 158 So auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 299 f. (2008); Holfter, S. 120; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 194 f., 205 ff. (2006); Renn, S. 120; Waddell/Nguyen/ Epstein/Conti-Brown/Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 7; siehe auch die Aufzählung bei Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 249 (2008); Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 940 f. (2010); Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 640 (2008); Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 884, 902 f.; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 f. (2013); Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 15. 159 Vgl. auch die Tabelle bei Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1036 (2013). 160 Ähnlich Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 36: „[…] Befund, dass moderne Finanzinstrumente es den Finanzmarktteilnehmern inzwischen möglich machen, sich die von ihnen gewünschten Risiko- und Einflussnahmepositionen beliebig zurechtzuschneiden.“; siehe auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1035 f. (2013). 161 Vgl. Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1022 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 824 (2006); siehe auch Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 13 mit Fn. 33.
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ff) Organisation des Derivatehandels Nachdem somit der Derivatbegriff einer Klärung zugeführt worden ist und die vielfältigen Erscheinungsformen in ihren Grundzügen beschrieben worden sind, sollen auf den folgenden Seiten neben der vertraglichen Ausgestaltung der genannten Geschäfte die Rahmenbedingungen erörtert werden, unter denen sie abgeschlossen werden. Dabei wird zunächst auf die außerbörslichen Derivatgeschäfte eingegangen (dazu (1)), da hier die Besonderheiten weniger gravierend sind als bei den an den Terminbörsen abgeschlossenen Geschäften. Im Anschluss daran werden die v. a. an der Terminbörse Eurex abgewickelten börslichen Derivatgeschäfte beschrieben (dazu (2)), wobei hier ein besonderes Augenmerk auf das sog. clearing zu legen ist. (1) Außerbörsliche Derivatgeschäfte Außerbörslichen Derivatgeschäften ist ein Zuschnitt auf die speziellen Bedürfnisse der Vertragspartner eigen. Es fehlt ihnen mithin an einer für den Handel an einer Terminbörse erforderlichen Standardisierung.163 Während die ersten Geschäfte dieser Art noch jeweils einzeln in ihren Details vertraglich fixiert wurden, setzte sich schon ziemlich bald – v. a. aufgrund der rasant steigenden Transaktionszahlen – ein Trend zur Standardisierung auch der OTC-Derivatgeschäfte durch. Seit Anfang der 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts werden sie fast immer national oder international anerkannten Vertragsbedingungen oder Rahmenverträgen unterstellt. Dies hat für die Vertragsparteien zum einen den Vorteil vereinfachter Geschäftsabwicklung und bietet zum anderen ein höheres Maß an Rechtssicherheit.164 Für Inlandsgeschäfte verwenden die in Deutschland ansässigen Parteien i. d. R. den deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte.165 Dabei handelt es sich um einen in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes entwickelten Muster-Rahmenvertrag aus dem Jahre 1993, der davon ausgeht, dass die Parteien fortlaufend eine Vielzahl von Derivatvereinbarungen schließen.166 Da er sich jedoch hinsichtlich seiner Regelungstiefe nur auf das Nötigste beschränkt167, wird er in der Praxis durch zusätzliche Bedingungen für einzelne Geschäftsarten
162
Siehe dazu die Studie des Falls Mylan/King unten 2. Kapitel A. II. 1. c) aa). Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (2). 164 Näher vgl. MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 738. 165 Abgedruckt bei Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.S.1, S. 1831 ff.; zum materiellen Vertragsinhalt vgl. Habersack/Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 44 ff.; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.S.1, S. 1835 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 35 ff.; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 45 ff.; BuB/Neuhaus, Rn. 7/1098 ff. 166 Casper, S. 246; siehe auch Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, § 55 Rn. 40. 167 Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 36; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 739; siehe auch Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.122: „größere Regelungstiefe“ des ISDA Master Agreement. 163
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2. Kap.: Genese des new vote buying
erweitert168. Insbesondere kann mit der Zunahme des Volumens des Geschäfts ein Bedürfnis an der Stellung von Sicherheiten bestehen. Der Besicherungsanhang zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte169 sieht hierfür besondere Regelungen vor. Die wirtschaftlichen Details des jeweiligen Derivatgeschäfts bleiben einer Einzelvereinbarung vorbehalten. Allerdings bestimmt Nr. 1 Abs. 2 S. 2 des Rahmenvertrags, dass die Einzelgeschäfte untereinander und zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag bilden.170 Für internationale Geschäfte hat sich das ISDA (International Swaps and Derivatives Association) Master Agreement171 als Marktstandard durchgesetzt. Auch dieses sieht in Nr. 1 (c) vor, dass das Master Agreement zusammen mit den in den „Confirmations“ dokumentierten Einzelgeschäften einen einheitlichen Vertrag („single agreement“) bildet.172 Gleiches (Nr. 1 Abs. 4) gilt schließlich für den von der Bankenvereinigung der Europäischen Union im Jahre 2004 veröffentlichten Europäischen Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte (European Master Agreement – EMA).173 Ein Nachteil außerbörslicher Instrumente besteht darin, dass es bisher174 nur wenige Clearing-Stellen gibt, die vermittelnd jeden Vertrag als zentrale Gegenseite
168
Vgl. die zahlreichen Anhänge zum Rahmenvertrag, abrufbar unter http://www.banken verband.de/themen/fachinformationen/finanzmaerkte/rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaefte/ deutscher-rahmenvertrag-fuer-finanztermingeschaefte (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 169 Abgedruckt bei Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.S.5, S. 1861 f. 170 Zum Hintergrund dieser Vertragsgestaltung siehe Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.S.1, S. 1838 f. 171 Abgedruckt bei MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 709 ff. (1992 ISDA Master Agreement); MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 827 ff.; Hopt/Vollmuth, IV.S.13.1, S. 1909 ff. (2002 ISDA Master Agreement); zum materiellen Vertragsinhalt vgl. Habersack/ Mülbert/Schlitt/Apfelbacher/Kopp, Unternehmensfinanzierung, § 28 Rn. 52 ff.; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 61; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 736 ff.; Hopt/ Vollmuth, IV.S.13.3, S. 1925 ff.; zur Historie Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 737 ff. 172 Dazu Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 742 f.; MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 738, 746; Renn, S. 27 f. 173 Abgedruckt bei Hopt/Vollmuth, IV.S.12.1, S. 1882 ff.; zum materiellen Vertragsinhalt Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, § 114 Rn. 55; Hopt/Vollmuth, IV.S.12.8, S. 1906 ff. 174 Allerdings gibt es auf europäischer Ebene Bestrebungen, auch den außerbörslichen Handel über die Clearing-Stellen der Terminbörsen (zur Eurex Clearing AG siehe unten 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (aa)) abzuwickeln, vgl. Europäische Kommission, KOM(2009) 563 endg., S. 4 ff.; dazu siehe auch Nietsch/Graef, BB 2010, 1361, 1362 f.; Rudolph/ K. Schäfer, S. 388 ff. Diese Bestrebungen haben im Jahre 2012 in der Verabschiedung der EMIR (European Market Infrastructure Regulation) ihren Abschluss gefunden, vgl. Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. EU Nr. L 201/1; dazu Köhling/Adler, WM 2012, 2125; dies., WM 2012, 2173.
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übernehmen, für die Marktteilnehmer auf diese Weise das Kreditrisiko auffangen175 und einen multilateralen Ausgleich offener Positionen ermöglichen.176 (2) Terminbörsliche Derivatgeschäfte (a) Allgemeines Terminbörsliche Derivatgeschäfte zeichnen sich durch ein hohes Maß an Standardisierung aus und werden dadurch überhaupt erst börsenmäßig handelbar. Der börsliche Handel derivativer Finanzinstrumente findet in Deutschland insbesondere an der Terminbörse Eurex statt177, die im Jahre 1998 aus einer Fusion der Deutschen Terminbörse (DTB) und der schweizerischen Terminbörse SOFFEX hervorgegangen ist und heute zu den führenden Terminbörsen weltweit gehört. Bei der Eurex handelt es sich – wie schon bei der DTB178 – um eine vollelektronische Handelsplattform, die in- und ausländischen Teilnehmern einen dezentralen Zugang bietet.179 Diese Handelsplattform ist rechtlich nicht als Gesellschaft verselbstständigt, sondern wird von der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich veranstaltet.180 Träger der Terminbörse Eurex Deutschland ist die Eurex Frankfurt AG181, die eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Eurex Zürich AG ist. An letzterer sind die Deutsche Börse AG und die Eurex Global Derivatives AG zu jeweils 50 % beteiligt.182 (b) Abwicklung (clearing) Das clearing kann beschrieben werden als die Abwicklung, Besicherung und geld- bzw. stückemäßige Regulierung der an der Terminbörse abgeschlossenen Verträge.183 Hierzu zählen die Zahlung der Optionsprämie (bei Optionsgeschäften), 175
Dazu siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (2). MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 737 f.; siehe auch Ebenroth/Boujong/Joost/ König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 199; von Westphalen, S. 38. 177 Casper, S. 256, 260; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 1, S. 150. 178 Vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 9 f.; Assmann/Schütze/ F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 18. 179 Vgl. § 1 S. 2 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich (Stand: 01. 08. 2014, abrufbar unter https://www.eurexchange.com/blob/exchange-de/3752-3756/29424 6/14/data/exchange_de.pdf_ab_01_08_2014.pdf, zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014); siehe auch Casper, S. 259; Rudolph/K. Schäfer, S. 64 f.; Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.363. 180 Vgl. § 1 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich; siehe auch Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.358. 181 § 2 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich. 182 Vgl. zur Unternehmensstruktur http://www.eurexchange.com/exchange-de/ueber-uns/ das-unternehmen/organisationsstruktur/139888 (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014); siehe auch Hopt, FS Schimansky, S. 631, 639; Kieper, S. 10 f.; Rudolph/K. Schäfer, S. 64; Kümpel/Wittig/ Seiffert, Rn. 4.357. 183 Vgl. Casper, S. 261; Kieper, S. 12, 16 f. (Unterscheidung zwischen Clearing und Settlement); Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 11, 22; Scharpf/Luz, S. 589; Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.368. 176
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die Stellung der geforderten Sicherheiten (margins) und schließlich die Lieferung des Basiswertes und die Zahlung des Kaufpreises bei Realerfüllung bzw. die Zahlung des Differenzbetrags bei einem cash settlement. Maßgebliche Rechtsgrundlage für das clearing sind die Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG.184 (aa) Clearing-Stelle als zentraler Vertragspartner Unmittelbare Beteiligte des börslichen Terminhandels sind zum einen die Derivatgeschäftspartner und zum anderen die sog. Clearing-Stelle, die Eurex Clearing AG. Dabei schaltet sich die Clearing-Stelle als Vertragspartner zwischen Käufer und Verkäufer und ist damit die zentrale Vertragspartei für sämtliche an der Eurex abgeschlossenen Geschäfte.185 Derivatgeschäfte an der Eurex werden also nie unmittelbar zwischen den Börsenteilnehmern geschlossen, sondern immer zwischen einem Börsenteilnehmer und der Clearing-Stelle. Für die Börsenteilnehmer hat dies den positiven Nebeneffekt, dass das Kreditrisiko nicht bei ihnen, sondern bei der Clearing-Stelle liegt186, die bei einem Ausfall des Kontrahenten verpflichtet ist, ihrer Erfüllungsgarantie nachzukommen187. Zur Teilnahme am Clearing-Prozess sind nicht sämtliche Börsenteilnehmer berechtigt, sondern nur bestimmte, unter Bonitätsgesichtspunkten besonders qualifizierte Teilnehmer (v. a. Banken)188, denen eine Clearing-Lizenz durch die Eurex erteilt worden ist189. Börsenteilnehmer, die eine solche Clearing-Lizenz nicht besitzen, werden als Nicht-Clearing-Mitglieder bezeichnet. Börsenteilnehmer, die zum clearing zugelassen sind (Clearing-Mitglieder), können entweder Direkt-Clearing-
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Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG (Stand: 22. 09. 2014), abrufbar unter https://www.eurexchange.com/blob/exchange-de/3752-137078/238384/68/data/clearing_condi tions_de_ab_2014_09_01.pdf (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 185 Vgl. § 19 Abs. 1 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich; Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 1.2.2 Abs. 1 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe auch Casper, S. 261, 268; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 81; Feder, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 677, 732; Grunewald/Schlitt, § 7 IV 5, S. 153; Kieper, S. 12; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 36; Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.366, 4.369; Rudolph/K. Schäfer, S. 67; Scharpf/Luz, S. 589; von Westphalen, S. 33 f. 186 Grunewald/Schlitt, § 7 IV 5, S. 153; Kieper, S. 25; Renn, S. 30 f., 34 f.; Kümpel/Wittig/ Seiffert, Rn. 4.369; Schimansky/Bunte/Lwowski/Seiler/Kniehase, Vor § 104 Rn. 60; noch für den Derivatehandel an der DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 11; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 19, 23. 187 Casper, S. 268 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 36; noch zur DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 30; von Westphalen, S. 34. 188 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 2.1.2 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe auch Kieper, S. 19 ff.; Steiner/Bruns, S. 446. 189 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 2.1.1 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe auch Casper, S. 261; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 81; Kieper, S. 19; Kümpel/Wittig/ Seiffert, Rn. 4.365 f.; noch zur DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 22; Assmann/Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 19.
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Mitglieder oder General-Clearing-Mitglieder sein.190 Während die erstgenannten im Wesentlichen nur für ihre eigenen Geschäfte als Clearing-Mitglied auftreten können, sind die General-Clearing-Mitglieder darüber hinaus auch zum clearing für NichtClearing-Mitglieder berechtigt.191 Folglich kann ein Nicht-Clearing-Mitglied seine Transaktionen nur über ein General-Clearing-Mitglied abwickeln.192 Bei übereinstimmenden gegenläufigen Eingaben von nicht zum clearing berechtigten Börsenteilnehmern in das vollelektronische System der Eurex gelangen somit vier Vertragsbeziehungen zur Entstehung: Gleichzeitig mit den Vertragsschlüssen zwischen den General-Clearing-Mitgliedern und der Eurex Clearing AG als zentralem Vertragspartner werden zwei deckungsgleiche Parallelkontrakte zwischen den NichtClearing-Mitgliedern und ihren General-Clearing-Mitgliedern geschlossen.193 Handeln die Börsenteilnehmer im Auftrag eines Kunden, so kommen noch die Vertragsbeziehungen zwischen diesen Personen hinzu, wobei diese allerdings dem Regelungsbereich der Eurex nicht mehr unterfallen. (bb) Sicherheitsleistungen (margins) Da die Clearing-Stelle – sofern sich zwei Angebote ausführbar gegenüberstehen – als zentrale Vertragspartei einem Kontrahierungszwang unterliegt und damit das Kreditrisiko der Clearing-Mitglieder trägt194, stellt sich die Frage nach der Sicherstellung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Diesem Bedürfnis wird auf vielfältige Weise Rechnung getragen: Neben den hohen Anforderungen an den Erhalt einer Clearing-Lizenz195, der Festsetzung von Positionslimiten pro Börsenteilnehmer196 und der Einrichtung eines Clearing-Fonds197 müssen die ClearingMitglieder bei Geschäften in börsengehandelten Derivaten der Clearing-Stelle Sicherheitsleistungen (sog. margins) in Form von Geld oder Wertpapieren er190 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 2.1.1 Abs. 4 S. 1 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe auch Casper, S. 261; Kieper, S. 19; Renn, S. 32; Rudolph/K. Schäfer, S. 67; Steiner/Bruns, S. 446; noch zur DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 22. 191 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 2.1.1 Abs. 4 S. 2 und 3 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; Casper, S. 261; Kieper, S. 19; Rudolph/K. Schäfer, S. 67; Steiner/Bruns, S. 446 f.; noch zur DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 22; Assmann/ Schütze/F. A. Schäfer, 2. Aufl., § 17 Rn. 19. 192 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 1.2.2 Abs. 1 lit. b der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; Rudolph/K. Schäfer, S. 67; zu den in diesem Verhältnis bestehenden Rechtsbeziehungen vgl. Casper, S. 279 ff. 193 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 1.2.2 Abs. 1 lit. b der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe auch Casper, S. 264; Kieper, S. 24 f.; Kümpel/Wittig/Seiffert, Rn. 4.369; noch zur DTB vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 11, 19; Assmann/Schütze/ F. A. Schäfer, § 17 Rn. 20. 194 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (aa). 195 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 2.1.2 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; siehe zudem soeben 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (aa). 196 Vgl. § 14 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich; dazu Ostler, S. 97 f. 197 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 6 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
bringen198. Jedes Clearing-Mitglied ist verpflichtet, zu Vertragsbeginn eine Einschusszahlung (sog. initial margin) und bei ungünstiger Wertentwicklung seiner Position Nachschusszahlungen (variation margins) auf ein Verrechnungskonto (margin account) zu leisten, wobei ein gewisser Mindestkontostand (maintenance margin) nicht unterschritten werden darf.199 Die Höhe der Einschusszahlung ist insbesondere von der Volatilität des zugrunde liegenden Basiswertes abhängig, wird von der Eurex festgelegt200 und beträgt i. d. R. nur einen kleinen Prozentsatz des Kontraktwertes201; das Clearing-Mitglied hat einen Betrag zu leisten, welcher der maximal als möglich erscheinenden Wertveränderung des Kontrakts an einem Börsentag entspricht (sog. risk-based margining system)202. Die Eurex nimmt börsentäglich eine Neuberechnung des Wertes der Derivatpositionen vor: Im Falle einer günstigen Wertentwicklung werden die anfallenden Gewinne dem margin account gutgeschrieben; im Falle einer ungünstigen Wertentwicklung werden die eintretenden Verluste abgebucht.203 Führen Verluste zu einer Unterschreitung des Mindestkontostands, ist das Clearing-Mitglied zur Zahlung eines Nachschusses verpflichtet, und zwar über den Mindestkontostand hinaus bis zur initial margin.204 c) Fallstudien aa) Mylan Laboratories/King Pharmaceuticals Das „Paradebeispiel“205 zur Veranschaulichung der Funktionsweise des empty voting ist der Fall der letztlich gescheiterten Fusion von King Pharmaceuticals und
198 Vgl. § 34 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich; Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 3 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. 199 Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 a aa, S. 330 f.; Scharpf/Luz, S. 589; Steiner/Bruns, S. 448 f. 200 Vgl. Kapitel I Abschnitt 1 Nr. 3.1.1 und Nr. 3.1.9 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; näher zum Berechnungsverfahren siehe Rudolph/K. Schäfer, S. 68 ff. 201 Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 a aa, S. 330; von Westphalen, S. 34 mit Fn. 33. 202 Grunewald/Schlitt, § 7 IV 4, S. 152; Kieper, S. 30; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.63; Rudolph/K. Schäfer, S. 68; Scharpf/Luz, S. 589; Steiner/Bruns, S. 447; noch zur DTB Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 25. 203 Kieper, S. 30; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 38; Perridon/ Steiner/Rathgeber, C V 2 a aa, S. 330; Scharpf/Luz, S. 590; Steiner/Bruns, S. 448; noch zur DTB Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 25; von Westphalen, S. 35. 204 Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 2 a aa, S. 330 f.; Scharpf/Luz, S. 591. 205 So Fleischer, ZGR 2008, 185, 215 f.; nach Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 153 (2009) „the Mylan/King acquisition has become the most visible of these [decoupling] transactions […]“; Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 2 bezeichnet den Mylan/ King-merger als „template transaction“; siehe auch Mittermeier, S. 8: „Kein Beitrag zum empty voting kommt umhin, den Fall Perry-Mylan zu behandeln – dieser kann somit schon fast als ,klassisch‘ bezeichnet werden.“
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Mylan Laboratories.206 Im Juli 2004 kündigte Mylan, der größte US-amerikanische Hersteller von Nachahmermedikamenten (sog. Generika), an, das Konkurrenzunternehmen King im Rahmen eines stock-for-stock merger erwerben zu wollen.207 Dem Verschmelzungsvertrag (merger agreement) der boards beider Unternehmen zufolge sah das Angebot von Mylan einen stattlichen Preisaufschlag auf den aktuellen Kurs der King-Aktien vor.208 Zu diesem Zeitpunkt gehörte auch der Hedgefonds Perry Corporation zu den Aktionären von King. Nach Ankündigung der Fusion stockte Perry sein Aktienpaket auf ca. sieben Mio. King-Aktien auf, in der Erwartung eines durch den Preisaufschlag verursachten Gewinns in Höhe von 28 Mio. US-$, wenn die Transaktion gelingt.209 Die Bekanntgabe der Fusionsabsicht sorgte andererseits für einen deutlichen Kursverlust der Mylan-Aktie210, denn es herrschte die Ansicht vor, das Geschäft sei für Mylan nicht wertsteigernd und außerdem viel zu teuer211. Die Zustimmung der Mylan-Aktionäre212 (unter ihnen auch der legendäre US-Investor Carl Icahn213) zu 206
Vgl. High River Limited Partnership v. Mylan Laboratories, Inc., 353 F. Supp. 2d 487; High River Limited Partnership v. Mylan Laboratories, Inc., 383 F. Supp. 2d 660 (M. D. Pa. 2005); aus der US-amerikanischen Literatur siehe Bratton, 95 Geo. L. J. 1375, 1377 f. (2007); Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237 f. (2008); Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 295 ff. (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1015, 1024 f. (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 816, 828 f. (2006); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 ff. (2007); dies., 96 Geo. L. J. 1227, 1265 ff. (2008); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1502 ff. (2006); Kobayashi/ Ribstein, 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 38 ff. (2006); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 195 ff. (2006); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 20 ff. (2006); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 153 (2009); ferner Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 2 f. 207 Genauer gesagt war geplant, dass Mylan zunächst King für ca. vier Mrd. US-$ erwirbt und anschließend eine 100 %-ige Tochtergesellschaft auf King verschmilzt, vgl. High River Limited Partnership v. Mylan Laboratories, Inc., 353 F. Supp. 2d 487, 490. 208 Bratton, 95 Geo. L. J. 1375, 1377 (2007): 61,8 %; Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237 mit Fn. 5 (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1024 (2006); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 20 (2006); siehe auch FAZ v. 27. 07. 2004, S. 12; Sorkin, New York Times v. 02. 12. 2004, C1. 209 Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 296 (2008); Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 828 (2006); Mittermeier, S. 9; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 195 (2006); Sorkin, New York Times v. 02. 12. 2004, C1; ders., New York Times v. 13. 12. 2004, C1; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 154 (2009); Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 2. 210 Bratton, 95 Geo. L. J. 1375, 1377 (2007); Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 296 (2008); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1502 (2006): 17 %; siehe auch Hu/Black, J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 348; Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 (2007); Tschäni/ Watter/Hinsen, S. 1, 3. 211 Vgl. Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 (2007); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 195 (2006); siehe aber auch Kobayashi/Ribstein, 40 U. C. Davis. L. Rev. 21, 40 (2006), die aus dem knappen Abstimmungsergebnis auf der Mylan-Hauptversammlung folgern, dass auch die Frage nach den Vor- und Nachteilen des Deals wohl nicht eindeutig zu beantworten gewesen sei. 212 Zum Erfordernis der Zustimmung der Aktionäre beider Gesellschaften zu einem merger vgl. § 251(c) Delaware General Corporation Law (DGCL); § 903 New York Business Cor-
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2. Kap.: Genese des new vote buying
diesem Deal war also mehr als fraglich. Um diese sicherzustellen, kaufte Perry 9,9 %214 der Mylan-Aktien und wurde dadurch zum größten Mylan-Aktionär.215 Das mit der Mylan-Aktieninhaberschaft einhergehende wirtschaftliche Risiko egalisierte Perry jedoch durch eine hedging-Strategie; die long position in MylanAktien glich Perry vollständig durch den Erwerb von short equity swaps auf MylanAktien aus.216 Auf diese Weise konnte der Hedgefonds sich des wirtschaftlichen Risikos, welches er als Aktionär grundsätzlich zu tragen hatte, entledigen und dieses an die swap-Partner217 weiterreichen.218 Da die equity swaps die rechtliche Stellung des Perry-Hedgefonds als MylanAktionär unberührt ließen und lediglich das Wertentwicklungsrisiko auf die swapPartner verlagerten, war es Perry möglich, auf der noch ausstehenden MylanHauptversammlung abzustimmen, ohne von der Entscheidung wirtschaftlich betroffen zu sein. Die gleichzeitige Inhaberschaft von King-Aktien führte sogar ein negatives Interesse219 des Hedgefonds an Mylan herbei, denn aufgrund der – bei derartigen Transaktionen regelmäßig bestehenden – Interdependenz der Aktienkurse von Bieter- und Zielgesellschaft war ein steigender King-Kurs gleichbedeutend mit einem sinkenden Mylan-Kurs. Diese wechselseitige Abhängigkeit lässt sich beporation Law (N. Y. Bus. Corp. L.); siehe auch Klein/Coffee, S. 124; Merkt, Rn. 1258, 1261; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 139 ff. (2009). 213 Zu seiner Rolle im Mylan/King-merger siehe Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 20 f. (2006). 214 Auf diese Weise entging Perry einer Offenlegungspflicht nach Schedule 13G, siehe dazu oben 2. Kapitel A. II. 1. a). 215 Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 828 (2006); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1503 (2006); Mittermeier, S. 9; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 196 (2006); Sorkin, New York Times v. 02. 12. 2004, C1; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 3. 216 Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 296 f. (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1024 f. (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 828 (2006); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 (2007); Mittermeier, S. 9; Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 21 (2006); Seibt, ZGR 2010, 795, 803; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 154 (2009); siehe auch Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237 (2008), der auf S. 237 von forward-Vereinbarungen, auf S. 240 mit Fn. 23 von equity swaps spricht, was im Ergebnis allerdings ohnehin keinen Unterschied macht. 217 Es soll sich um die Investmentbanken Bear Stearns und Goldman Sachs gehandelt haben, siehe Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 240 mit Fn. 23 (2008); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 (2007); Sorkin, New York Times v. 02. 12. 2004, C1; ders., New York Times v. 13. 12. 2004, C1. 218 Diese wiederum dürften sich im Wege des short selling gegen das Risiko eines sinkenden Mylan-Kurses abgesichert haben (vgl. Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1025 (2006); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 21 (2006)): Sie verkauften Mylan-Aktien am Kassamarkt leer und erfüllten ihre Lieferverpflichtungen mit Aktien aus Wertpapierdarlehen mit längeren Laufzeiten. Die Verpflichtung zur Rückübereignung der Aktien an die Darlehensgeber erfüllten sie bei Fälligkeit, indem sie Mylan-Aktien zu einem günstigeren Preis zurückkauften. 219 Was Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237 (2008) dazu veranlasst, von „Negative Voting“ zu sprechen; siehe auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 297 (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1025 (2006): „[…] Perry […] had a negative overall economic interest in Mylan.“; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 3.
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sonders gut am Erwerbspreis verdeutlichen: Ist dieser zu hoch, steigen die Kurse der Zielgesellschaft, worüber sich dann deren Aktionäre freuen können. Gleichzeitig reagiert der Markt auf die Nachricht des zu teuren Erwerbspreises mit sinkenden Kursen der Bietergesellschaft. Aus seinem King-Aktienpaket konnte Perry nur dann Gewinne erwirtschaften, wenn die aus Sicht der übrigen Mylan-Aktionäre zu teure Fusion vollendet würde. Diese würde für die King-Aktionäre einschließlich Perry hingegen umso vorteilhafter, je höher der Erwerbspreis liegt. Somit war Perry letztlich an einer negativen Entwicklung des Mylan-Kurses interessiert, durfte aber gleichwohl auf der Mylan-Hauptversammlung das Stimmrecht ausüben.
Es leuchtet auf den ersten Blick ein, dass die Gewährung des Rechts zur Abstimmung auf der Hauptversammlung trotz eines dem Wohl der Gesellschaft und dem Wohl der übrigen Aktionäre entgegenstehenden Interesses erhebliches Konfliktpotential in sich birgt.220 Die rechtliche Zulässigkeit dieser komplexen Vorgehensweise wurde letztlich jedoch gerichtlich nicht geklärt, da die Verschmel-
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Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 238 (2008) spricht von einem „nightmare of corporate governance“; Fleischer, ZGR 2008, 185, 216 von „gewaltige[n] Herausforderungen für die Corporate Governance“; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 38 von einem „Störgefühl[s], das die Auflösung der Verbindung von wirtschaftlichem Risiko und Stimmrecht intuitiv verursacht“; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1058 (2013) von „a certain uneasiness from these strategies [which] is immediately conceivable“; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 171 (2009) von „a serious threat to the quality of the decisionmaking process in shareholder meetings of listed companies“. Eingehend unten 3. Kapitel A. II.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
zungsvereinbarung von Mylan aufgrund von Bilanzierungsproblemen bei King im Februar 2005 gekündigt wurde.221 bb) Axa/Mony Als weiteres Beispiel kann die Übernahme von Mony, einer US-amerikanischen Lebensversicherungs- und Finanzdienstleistungsgesellschaft, durch die amerikanische Tochtergesellschaft des französischen Finanz- und Versicherungsunternehmens Axa im Juli 2004 herangezogen werden.222 Am 17. September 2003 schlossen Mony und Axa eine Übernahmevereinbarung, aufgrund derer Axa 31 US-$ pro Mony-Aktie als Erwerbspreis zu zahlen verpflichtet war. Zum Zwecke der Finanzierung der Übernahme begab Axa an seine Aktionäre wandelbare Schuldanleihen (convertible debt securities) zu einem Emissionspreis, der 23 % unter dem aktuellen Axa-Kurs lag. Diese Schuldanleihen sollten im Falle der Vollendung der Übernahme bis zum 21. Dezember 2004 im Verhältnis eins zu eins in Axa-Aktien gewandelt werden. Anderenfalls sollten die Schuldanleihen zum Nennwert zuzüglich eines Zinsaufschlags von 2,4 % p.a. eingelöst werden.223 Für die Inhaber der Schuldanleihen stellte aufgrund dieser Kennziffern die Vollendung der Übernahme gegenüber deren Scheitern das vorzugswürdige Ereignis dar.224 Umgekehrt war die Situation für diejenigen, die eine short position in den Schuldanleihen aufgebaut hatten. Zur letztgenannten Gruppe gehörte auch der Hedgefonds und Mony-Aktionär Highfields, der die Transaktion mit allen Mitteln zu verhindern versuchte.225 Beide Lager hatten somit starke Anreize, Mony-Aktien zu erwerben, um auf der Hauptversammlung ihr jeweiliges Anliegen (Abstimmen für bzw. gegen die Übernahme) verfolgen zu können.226 221 Bratton, 95 Geo. L. J. 1375, 1433 (2007); Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 298 (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1025 (2006); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1076 (2007); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 22 (2006). 222 Zu den Fakten siehe FAZ v. 19. 09. 2003, S. 18; Handelsblatt v. 19. 09. 2003, S. 29. 223 Siehe dazu In Re The Mony Group Inc. Shareholder Litigation, 853 A.2d 661, 668 (Del. Ch. 2004); siehe auch Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1025 (2006); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1073 f. (2007); Norris, New York Times v. 19. 05. 2004, C4. 224 In einer Präsentation gegenüber dem Mony-Board am 22. Februar 2004 gab der Finanzberater die Information, „that as of the Board meeting, anyone long ORANs [Fachterminus für die beschriebenen convertible debt securities] would receive an approximate 46 % profit if the merger was consummated, compared to a 2.4 % profit if it was not.“, vgl. In Re The Mony Group Inc. Shareholder Litigation, 853 A.2d 661, 671 mit Fn. 29 (Del. Ch. 2004); siehe auch Handelsblatt v. 17.05. 2004, S. 23; Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1073 f. (2007); Norris, New York Times v. 19.05. 2004, C4. 225 Unter anderem schaltete Highfields eine ganzseitige Anzeige im Wall Street Journal „urging Mony shareholders to reject the sale“ und errichtete eine Webseite, die den MonyAktionären bei der Geltendmachung ihrer appraisal rights (Recht auf eine angemessene Gegenleistung) behilflich sein sollte, siehe Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1073 (2007). 226 So auch die dem Mony-Board gegebenen Informationen, vgl. In Re The Mony Group Inc. Shareholder Litigation, 853 A.2d 661, 671 mit Fn. 29 (Del. Ch. 2004): „[S]ince MONY’s disposition will determine the value of the ORANs, a portion of the trading activity in MONY’s shares probably is related to activity in the ORANs. Investors with long positions in the ORANs have incentives to acquire MONY shares in support of the AXA/MONY transaction. Investors
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Es liegt darüber hinaus die Vermutung nahe, dass zumindest einige Teilnehmer sowohl aus dem einen als auch aus dem anderen Lager ihr aus dem Engagement in Mony-Aktien folgendes wirtschaftliches Risiko über hedging-Vereinbarungen wieder abgegeben hatten.227 Das wirtschaftliche Interesse von Highfields und einigen Inhabern von Axa-Schuldanleihen an der Entwicklung von Mony dürfte somit wie im Mylan/King-Beispiel null oder allenfalls leicht positiv gewesen sein. Auf der MonyHauptversammlung waren sie gleichwohl stimmberechtigt und konnten für bzw. gegen die Transaktion stimmen. Eine für den 24. Februar 2004 angesetzte Hauptversammlung wurde vom die Übernahme favorisierenden Mony-Management zunächst abgesagt, weil sich das Scheitern des Deals abzeichnete. Auf der MonyHauptversammlung am 18. Mai 2004 fiel die Abstimmung schließlich mit 53,8 % denkbar knapp zugunsten der Übernahme aus.228
with short positions in the ORANs also have incentives to acquire MONY shares to impede the AXA/MONY transaction.“; siehe auch Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 677 (2008). 227 So auch Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1025 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 829 (2006). 228 Dabei spielte die Deutsche Bank mit ihrem Mony-Anteil in Höhe von 8,7 % das Zünglein an der Waage, siehe Handelsblatt v. 17. 05. 2004, S. 23; Handelsblatt v. 19. 05. 2004, S. 25; Norris, New York Times v. 19. 05. 2004, C4.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
d) Zusammenfassung Derivate sind börslich oder außerbörslich abgeschlossene gegenseitige Verträge, aus denen sich aufgrund des zeitlich hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts für die Vertragsparteien (u. U. immens hohe) Gewinne oder Verluste ergeben können. Ob das eine oder das andere der Fall ist, hängt von der Entwicklung des Preises des Basiswertes ab, welcher dem Geschäft zugrunde gelegt wird. Sofern die Aktie eines Unternehmens als Basiswert vereinbart wird, schafft dieses Aktienderivat eine wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem jeweiligen Derivatgeschäftspartner und dem Aktienkurs des Unternehmens: Der eine Vertragspartner profitiert von einem steigenden, der andere von einem sinkenden Aktienkurs. Aufgrund ihres derivativen Charakters ermöglichen es solche Finanzinstrumente dem Aktionär eines Unternehmens, sich des aus der Aktieninhaberschaft ergebenden Verlustrisikos zu entledigen. Da jedoch eine Übertragung des Stimmrechts mit dem Abschluss von Derivatgeschäften nicht einhergeht, bleibt der Aktionär Inhaber des Stimmrechts und kann somit trotz einer nicht seinem Anteil entsprechenden wirtschaftlichen Betroffenheit das Stimmrecht in der Hauptversammlung ausüben. 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen Neben derivativen Finanzinstrumenten eröffnet die Wertpapierleihe/das Wertpapierdarlehen einen zweiten Weg zur Ausübung des Stimmrechts aus risikoentleerten Aktien. a) Wertpapierleihe/-darlehen Die Wertpapierleihe ist schon grundsätzlich aus dem Repertoire moderner Bankgeschäfte nicht mehr wegzudenken229, hat aber in jüngerer Zeit als Instrument zur bewussten Beeinflussung von Unternehmensentscheidungen im Wege des empty voting abermals an Bedeutung gewonnen. aa) Allgemeines (1) Begriffsklärung und Rechtsnatur Der Begriff „Wertpapierleihe“ beschreibt einen Geschäftstyp, der die Verpflichtung zur zeitweiligen, entgeltlichen Überlassung von Wertpapieren, v. a. Aktien, zum Gegenstand hat.230 Er wurde der international gebräuchlichen Bezeichnung
229
Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 597; Ostler, S. 80; siehe zur Bedeutung der Wertpapierleihe auch unten 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (2). 230 Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, § 10 Rn. 30; Gesell, S. 1; Grimm, S. 1; Kleinschmitt, S. 51; Ostler, S. 79; Bamberger/Roth/Rohe, § 607 Rn. 5.
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„securities lending“ entlehnt231, ist aber unter rechtlichen Gesichtspunkten irreführend, denn es handelt sich bei der Wertpapierleihe nach der vertraglichen Ausgestaltung232 regelmäßig nicht um eine Leihe i.S.d. §§ 598 ff. BGB: Gemäß § 598 BGB hat der Verleiher den Gebrauch der Sache durch den Entleiher unentgeltlich zu gestatten; dabei bleibt er Eigentümer der Sache233. Bei der Wertpapierleihe hingegen geht das Eigentum an den Wertpapieren auf den Entleiher über234 ; der Verleiher erhält dafür ein Nutzungsentgelt235. Außerdem ist der Entleiher entgegen § 604 Abs. 1 BGB nicht zur Rückgabe derselben Wertpapiere verpflichtet, sondern hat lediglich Wertpapiere gleicher Art, Menge und Güte zurückzuliefern.236 Im Regelfall ist die Wertpapierleihe daher als Sachdarlehensvertrag i.S.d. §§ 607 ff. BGB (vgl. v. a. §§ 607 Abs. 1 S. 2, 609 BGB) einzuordnen.237 Auch im Folgenden soll vom Wertpapierdarlehen als Geschäftstyp und vom Darlehensgeber und Darlehensnehmer als den Geschäftspartnern gesprochen werden.238
231 MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 6; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1932; Franken, S. 140; Gillor, S. 28; Grimm, S. 34; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 1; Kort, WM 2006, 2149; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.6; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 1; Lenenbach, Rn. 7.4; Ostler, S. 79. 232 Diese für maßgeblich erachtend auch Dörge, AG 1997, 396, 397; Lenenbach, Rn. 7.3; siehe auch MünchKommBGB/Häublein, § 598 Rn. 13; näher zum vertraglichen Inhalt unten 2. Kapitel A. II. 2. a) bb). 233 Gesell, S. 20; Grimm, S. 2; Kümpel, WM 1990, 909, 910; Mittermeier, S. 99; Kümpel/ Wittig/Oulds, Rn. 14.104; Bamberger/Roth/Wagner, § 598 Rn. 7; Palandt/Weidenkaff, Einf v § 598 Rn. 5. 234 MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 6, 22; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 100; Burgard, BB 1995, 2069, 2073; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 222; Hüffer/Koch, § 118 Rn. 27; Mittermeier, S. 99; Ostler, S. 79; Renn, S. 336; Erman/von Westphalen, Vor § 598 Rn. 11. 235 MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 6; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 93; Franken, S. 140; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 33; Kümpel, WM 1990, 909; Lenenbach, Rn. 7.4. 236 Bertschinger, S. 20 f.; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 448; Derleder/Knops/Bamberger/ Derleder, § 10 Rn. 30; Dörge, S. 23 f.; Franken, S. 139 f.; Gesell, S. 20; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 31; Lenenbach, Rn. 7.4; Ostler, S. 79; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.104. 237 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 600; Bertschinger, S. 20 f.; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 100; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1932 f.; Gesell, S. 20; Grimm, S. 40 f.; Paus, S. 267; Reiner, S. 36; Erman/Saenger, § 607 Rn. 2; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 15; Mittermeier, S. 100; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 78; ders./Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1414; vgl. auch die Terminologie der §§ 200 ff. KAGB und des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen. 238 Anders unter bewusster Inkaufnahme juristischer Unschärfen Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 597; Gesell, S. 20 f.; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 16; wie hier Bertschinger, S. 25 f.; Dörge, AG 1997, 396 f.; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1148 – 7/1149.
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Ob die Termini der Wertpapierleihe und des Wertpapierdarlehens völlig deckungsgleich sind und synonym verwendet werden können239 und wie sich Wertpapierleihgeschäfte von anderen verwandten Geschäften unterscheiden240, soll hier nicht erörtert werden. (2) Bedeutung Das Wertpapierdarlehen ist keine Finanzinnovation des ausgehenden 20. Jahrhunderts. In seiner rechtlichen Struktur ist es bereits seit über 100 Jahren bekannt241, hat jedoch seit der Gründung der Deutschen Terminbörse (DTB) im Jahre 1990 in Deutschland einen immensen Bedeutungszuwachs erfahren242. Mittlerweile hat sich ein leistungsfähiger Markt für Wertpapier-Überlassungsgeschäfte gebildet, womit einem starken ökonomischen Bedürfnis entsprochen wird.243 Insbesondere ist ein effizienter Terminmarkt, wie er heute an der Eurex stattfindet, auf einen funktionsfähigen Wertpapier-Überlassungsmarkt angewiesen244 : Kommt es z. B. zur Ausübung einer call option, so muss sich der Stillhalter die zu liefernden Aktien erst beschaffen, wenn er sie noch nicht besitzt. Dies kann er entweder durch den Aktienerwerb am Kassamarkt oder durch Beschaffung der Aktien im Wege des Wertpapierdarlehens erreichen. Ohne einen effizienten Markt für Wertpapierdarlehen wäre ein professioneller Wertpapierhandel heute schlechterdings nicht mehr möglich.245 (3) Marktteilnehmer Als Darlehensgeber treten insbesondere institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensions- und Investmentfonds, vereinzelt aber auch vermögende Privatpersonen, mit ihren eigenen Wertpapierbeständen auf.246 Darüber hinaus führen Kreditinstitute – entweder im eigenen Namen unmittelbar oder im Auftrag ihrer 239
Dazu Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 1; Dörge, AG 1997, 396, 397. Dazu Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 12 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.3 ff., 13.14 ff.; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 17 ff. 241 Gillor, S. 45; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 1; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1151; noch weiter zurückblickend Dörge, S. 56 ff.; ders., AG 1997, 396; zu short sales siehe Bris/Goetzmann/Zhu, J. Fin. 62 (2007) 1029 f. 242 Dörge, AG 1997, 396; Gillor, S. 45; Grimm, S. 6; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.1; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1151; Ostler, S. 80. 243 Vgl. Gesell, S. 12 ff. 244 Dörge, S. 31; Grimm, S. 6; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.2; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1151; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.102. 245 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.2; siehe auch Ostler, S. 81: „Ihr [Wertpapierdarlehen, Anm. d. Verf.] volkswirtschaftlicher Nutzen für den Finanzstandort Deutschland kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.“ 246 Bertschinger, S. 13; Gillor, S. 46 f.; Lenenbach, Rn. 7.15; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 10, 12; Schmies, S. 50; zur wirtschaftlichen Motivation siehe unten 2. Kapitel A. II. 2. a) cc) (1). 240
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Kunden – Wertpapierdarlehensgeschäfte durch.247 Als Darlehensnehmer kommen ebenfalls Banken – wiederum entweder im eigenen Namen oder im Auftrag ihrer Kunden –, aber auch Hedgefonds in Betracht.248 Bei der börsenmäßigen Geschäftsabwicklung tritt die Clearstream Banking AG als unverzichtbarer Marktteilnehmer vermittelnd in Erscheinung.249 (4) Erscheinungsformen (a) Direktgeschäfte Der größte Umfang des Wertpapierdarlehensmarktes entfällt auf die sog. Direktgeschäfte.250 Bei diesen werden die Geschäfte ohne Einbeziehung einer Drittpartei251 unmittelbar zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer abgeschlossen; beide Vertragsparteien handeln im eigenen Namen und für eigene Rechnung.252 Da Kleinanlegern die erforderliche Expertise fehlt, werden Direktgeschäfte gewöhnlich unter professionellen Marktteilnehmern, v. a. Banken, abgeschlossen.253 Die Konditionen des Wertpapierdarlehens werden zwischen den Parteien individuell ausgehandelt. Zur Vereinfachung des Vertragsschlusses hat sich jedoch sowohl für innerdeutsche254 als auch für internationale Geschäfte255 die Verwendung von Rahmenverträgen durchgesetzt. 247
Siehe auch D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 277 zur Rolle der Depotbanken. D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 277; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 11, 42. 249 Näher zu alldem sogleich 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (4). 250 BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1153; so auch Dörge, S. 90; Grimm, S. 22, was allerdings aufgrund ihres weiteren Verständnisses des Begriffs des Direktgeschäfts (vgl. Fn. 251) nicht verwundert. 251 Der Begriff der Drittpartei ist hier untechnisch im Sinne irgendeiner von Darlehensgeber und Darlehensnehmer verschiedenen Person zu verstehen und nicht rechtlich im Sinne einer Person, die sich als Vertragspartner, Stellvertreter oder Geschäftsbesorger in die Beziehungen zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer einschaltet. Entgegen der Darstellungen von Dörge, S. 91 und Grimm, S. 20 ff. wird daher z. B. das Pool-System der Kreditinstitute hier nicht als Direktgeschäft, sondern als Geschäft unter Einschaltung eines Dritten behandelt. Die überwiegende Literatur unterscheidet zwischen Direktgeschäften, dem Wertpapierdarlehenssystem der Clearstream Banking AG und den Wertpapierdarlehenssystemen der Kreditinstitute, so Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1932; Gesell, S. 17 f.; Gillor, S. 46 f.; Schwintowski/ Lange, § 20 Rn. 12 ff. 252 MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 7; Gesell, S. 19; Grimm, S. 22; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 4; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.28; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1153. 253 Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Gesell, S. 19; Gillor, S. 46 f.; Schwintowski/ Lange, § 20 Rn. 12. 254 Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen, abgedruckt bei Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1928 ff. 255 Produktanhang für Wertpapierdarlehen des Rahmenvertrags für Finanzgeschäfte (European Master Agreement – EMA), abgedruckt bei Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.2, S. 1936 ff.; Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA), abrufbar unter http://www.isla.co.uk/ 248
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2. Kap.: Genese des new vote buying
(b) Geschäfte unter Einschaltung Dritter Wertpapierdarlehensgeschäfte können auch unter Einschaltung Dritter zustandekommen. (aa) Einschaltung von Kreditinstituten Wollen Kreditinstitute Kundenbestände im Wege des Wertpapierdarlehens übereignen, können sie als Drittpartei entweder selbst als Vertragspartner fungieren (Prinzipal-Methode) oder lediglich eine vermittelnde Position einnehmen (AgentMethode).256 Im ersten Fall schließt das Kreditinstitut mit jedem Beteiligten einen eigenen (Wertpapierdarlehens-)Vertrag ab, so dass in der Sache zwei Direktgeschäfte vorliegen.257 Im zweiten Fall wird ein einziger, direkter Wertpapierdarlehensvertrag zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer vermittelt258, wobei die vom Depotkunden beauftragte Bank im eigenen Namen, aber für Rechnung des Kunden handelt259. Es liegt ein der echten Kommission ähnliches Geschäft gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 HGB vor (uneigentliche Kommission), auf das die Regelungen der §§ 383 ff. HGB Anwendung finden.260 (bb) Institutionalisierte Wertpapierdarlehenssysteme In Deutschland ist im Jahre 1990 von der Deutscher Kassenverein AG als VorVorgängerin der Clearstream Banking AG ein umfassendes Wertpapierdarlehenssystem aufgebaut worden.261 Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind heute in den Sonderbedingungen für Wertpapierdarlehen der Clearstream Banking AG262 festgehalten. An diesem System können alle der Clearstream Banking AG als Kontoinhaber angeschlossenen Kreditinstitute teilnehmen.263 Die Clearstream Banking AG images/PDF/MasterAgreements/GMSLA_2010_amendments_July_2012.pdf (zuletzt aufgeru fen am 01. 10. 2014). 256 Gesell, S. 85; Gillor, S. 47 f.; Grimm, S. 81; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 6; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.26 ff.; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1154. 257 Gesell, S. 100; Grimm, S. 82; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1154; Ostler, S. 84; siehe auch Bertschinger, S. 273 ff. 258 Gesell, S. 100; Grimm, S. 83; siehe auch Bertschinger, S. 14 ff., 153 ff. 259 Gesell, S. 85; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 6; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1154; Ostler, S. 84. 260 MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 7; Dörge, S. 92 mit Fn. 338; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 95; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.26 f., 13.35, 13.88 ff.; Ostler, S. 84; näher Gesell, S. 85 ff.; zum recht weiten Anwendungsbereich der §§ 383 ff. HGB vgl. MünchKommHGB/Häuser, § 406 Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, § 383 Rn. 2. 261 Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.3, S. 1946; Franken, S. 140; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 31; Ostler, S. 84 f. 262 Abgedruckt bei Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.3, S. 1942 ff. 263 Vgl. Nr. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapierdarlehen der Clearstream Banking AG; siehe auch Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.3, S. 1946; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht,
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tritt im Rahmen des von ihr veranstalteten Wertpapierdarlehenssystems als Geschäftsbesorger (§ 675 Abs. 1 BGB)264 mit dem Ziel der Vermittlung und Abwicklung von Wertpapierdarlehen auf. Im Gegensatz zum clearing an der Terminbörse Eurex265 schaltet sie sich gerade nicht als zentraler Vertragspartner zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber, sondern nimmt lediglich eine Vermittlerrolle ein.266 (cc) Wertpapierdarlehenssysteme großer Kreditinstitute Eine Stellung zwischen den soeben beschriebenen Möglichkeiten nehmen die institutseigenen, oftmals als Pool-Modelle ausgestalteten Wertpapierdarlehenssysteme ein. Sie sind zwar nicht börsenmäßig organisiert, doch bilden sie in gewisser Weise das System der Clearstream Banking AG nach.267 Bei diesen werden die Wertpapiere vieler potentieller Darlehensgeber in einem Sammeldepot der Depotbank eingestellt/gepoolt und stehen somit für Wertpapierdarlehen zur Verfügung.268 Die Depotbank erwirbt i. d. R. treuhänderisches Eigentum an den Wertpapieren269 und kann die von ihr abgeschlossenen Wertpapierdarlehensverträge mit den im Pool befindlichen Wertpapieren beliefern. Für den Darlehensgeber hat dieses System zwei gewichtige Vorteile: Erstens trägt er aufgrund des Eigentumserwerbs der den Pool organisierenden Bank nur das Risiko deren Insolvenz, nicht aber das Risiko der Insolvenz weiterer Darlehensnehmer, das von der diesen gegenüber als Darlehensgeber auftretenden Bank getragen wird.270 Zweitens erhält der verleihwillige Depotkunde für die Bereitstellung seiner Wertpapiere eine Grundgebühr (base fee) und für die tatsächlich in Anspruch genommenen Wertpapiere eine weitere Nutzungsgebühr (usage fee).271 Auf diese Weise vermag er den Ertrag aus seinen Wertpapieren 3. Aufl., Rn. 13.110; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 32; Ostler, S. 85; noch zum Wertpapierdarlehenssystem der Deutscher Kassenverein AG (DKV AG) Dörge, S. 93; Gesell, S. 52; Grimm, S. 43 f. 264 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 602; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.3, S. 1946; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.111; noch zur DKV AG Dörge, S. 94; Gesell, S. 53; Grimm, S. 43; Kümpel, WM 1990, 909, 911. 265 Dazu siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2) (b) (aa). 266 Vgl. Nr. 1 und 12.1 der Sonderbedingungen für Wertpapierdarlehen der Clearstream Banking AG; siehe auch Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.3, S. 1946; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.110; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 32; noch zur DKV AG Gesell, S. 57; Grimm, S. 44 f. 267 Grimm, S. 82; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 43. 268 Gesell, S. 100; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 10; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.123; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1156; Ostler, S. 84. 269 Dörge, S. 91; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 10; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.123; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 43; BuB/Neuhaus/ Böhm, Rn. 7/1156. 270 Dörge, S. 91; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 10; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 43. 271 Gesell, S. 100; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 9; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.122; Ostler, S. 84.
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zu steigern.272 Depotkunden können aber auch als Darlehensnehmer ein Interesse an einer Teilnahme an solchen Pool-Systemen haben, denn sie können ihrer Depotbank vorab den Auftrag erteilen, ihnen immer dann Wertpapiere aus dem Pool darlehensweise zu überlassen, wenn sie ihrerseits Wertpapiere an Kontrahenten liefern müssen (z. B. im Rahmen eines Termingeschäfts), über die sie am Fälligkeitstag in ihren Depots nicht verfügen.273 bb) Vertraglicher Inhalt Zwar besteht im Hinblick auf die vertragliche Ausgestaltung von Wertpapierdarlehensverträgen grundsätzlich große Gestaltungsfreiheit für die Parteien, doch hat sich – insbesondere aufgrund der verbreiteten Verwendung von Rahmenverträgen – eine gewisse Standardisierung herausgebildet. (1) Rechtsposition des Darlehensgebers So wird in der Praxis regelmäßig vereinbart, dass der Darlehensgeber zur Übereignung der Wertpapiere verpflichtet ist.274 Er hat dann einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge am vereinbarten Fälligkeitstag.275 Der Darlehensgeber erhält vom Darlehensnehmer ein Entgelt.276 Zur Absicherung der Rückgewähr- und Entgeltansprüche des Darlehensgebers wird in aller Regel die Stellung von Sicherheiten durch den Darlehensnehmer in Form von Geldguthaben, Wertpapieren oder Garantien Dritter vereinbart.277 272 Zu den wirtschaftlichen Motiven des Darlehensgebers siehe auch unten 2. Kapitel A. II. 2. a) cc) (1). 273 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.124; siehe auch BuB/Neuhaus/ Böhm, Rn. 7/1157. 274 Vgl. Nr. 3 Abs. 2 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 1 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 4.1 des International Securities Leding Association Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA); siehe auch Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 222; Gesell, S. 25 ff.; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 15; Lenenbach, Rn. 7.4, 7.25; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1164; Schwark/Zimmer/ Schwark, § 22 WpHG Rn. 5. 275 Vgl. Nr. 1 Abs. 1 S. 4 und Nr. 7 Abs. 4 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 2 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 8.3 des GMSLA; siehe auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 3, 31; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.12; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1166; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1371. 276 Vgl. Nr. 5 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 4 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 7 des GMSLA; siehe auch Bertschinger, S. 35 ff.; Gesell, S. 27 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 33; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 16, 28; Lenenbach, Rn. 7.4, 7.17; Mittermeier, S. 99, 101; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1167. 277 Vgl. Nr. 4 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 5 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 5 des GMSLA; siehe auch Bertschinger, S. 58 ff.; Hopt/Clouth/ Vollmuth, IV.T.1, S. 1934; Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Gaebel, S. 648; Gesell, S. 28; Kümpel,
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Während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte sind vom Darlehensnehmer regelmäßig in Form von Kompensationszahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten (sog. manufactured payments bzw. substitute payments).278 Der Darlehensgeber verliert daher zwar zivilrechtlich gesehen sein Eigentum, doch betrachten die Parteien des Wertpapierdarlehens den Darlehensgeber weiterhin als wirtschaftlichen Eigentümer der darlehensweise überlassenen Wertpapiere, weil dieser aufgrund der genannten vertraglichen Regelung im Innenverhältnis zum Darlehensnehmer (nicht im Außenverhältnis zum Emittenten) weiterhin die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Wertpapieren trägt.279 Die Situation ist insofern mit derjenigen bei einer Leihe i.S.d. §§ 598 ff. BGB vergleichbar, denn auch bei dieser scheidet der Gegenstand nicht aus dem Vermögen des Verleihers aus. Der Darlehensnehmer hat den Darlehensgeber also so zu stellen, als hätte dieser die Wertpapiere tatsächlich nur verliehen statt übereignet.280 (2) Rechtsposition des Darlehensnehmers (a) Eigentum Für den Darlehensnehmer stellt die Verschaffung des Eigentums an den Wertpapieren das bedeutendste Charakteristikum des Wertpapierdarlehens dar. Er erhält damit als Vollrechtsinhaber281 für dessen Dauer die freie Verfügungsbefugnis über
Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.12; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 29; aus dem US-amerikanischen Schrifttum D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 275 f.; Geczy/Musto/ Reed, J. Fin. Econ. 66 (2002) 241, 243 f. 278 Vgl. Nr. 6 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 3 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 6.2 des GMSLA; siehe auch Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 9; Bertschinger, S. 41 ff.; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 222 f.; Dörge, S. 38 f.; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 94; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; Kümpel, WM 1990, 909, 910; Mittermeier, S. 101; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1371; so auch die Fallkonstellation in LG Landshut Der Konzern 2006, 633; OLG München ZIP 2006, 2370; und BGHZ 180, 154 – Lindner. 279 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 21; MünchKommBGB/Berger, § 607 Rn. 7; Bertschinger, S. 42; Burgard, BB 1995, 2069, 2073; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1935 und IV.T.2, S. 1941; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 34; Kümpel/Peters, AG 1994, 525, 530; Lenenbach, Rn. 7.17; Mittermeier, S. 103 f.; Assmann/ Schütze/Roth, § 10 Rn. 28; Schmid/Mühlhäuser, BB 2001, 2609, 2611, 2613; aus der USamerikanischen Literatur ebenso Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2901 („synthetic ownership“); Hu/Black, J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 350 („economic ownership“); a.A. Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Gaebel, S. 648; Kort, WM 2006, 2149, 2151, 2152; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1373 ff., die den Darlehensnehmer auch bei dieser Vertragsgestaltung als wirtschaftlichen Eigentümer ansehen. 280 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 94; Franken, S. 140; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.11; Ostler, S. 79; siehe auch Gower/Davies, Rn. 15-81. 281 BGHZ 180, 154 Rn. 8; OLG München ZIP 2006, 2370, 2373; Bertschinger, S. 21; Baumbach/Hopt/Hopt, (7) Bankgeschäfte Rn. T/1; Hüffer/Koch, § 327a Rn. 15; Kahan/Rock,
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2. Kap.: Genese des new vote buying
die Wertpapiere, insbesondere kann er die Wertpapiere im Rahmen eines Aktienkaufs oder eines Wertpapierdarlehens weiter übertragen.282 (b) Stimmrecht (aa) Streitstand Keine absolute Einigkeit konnte bis dato über die Frage erzielt werden, ob dem Darlehensnehmer auch das Stimmrecht aus den Aktien zusteht. Im hiesigen Kontext ist diese Frage natürlich von grundsätzlicher Bedeutung, da ein empty voting nur dann in Frage kommt, wenn der potentielle empty voter auch das Stimmrecht besitzt. Nach weit überwiegender Ansicht kann der Darlehensnehmer als formaler Eigentümer der Wertpapiere die sich aus ihnen ergebenden Aktionärsrechte und folglich auch das Stimmrecht ausüben.283 Eine andere Ansicht spricht dem Darlehensnehmer zwar die rechtliche Möglichkeit der Stimmrechtsausübung zu, postuliert jedoch im nächsten Schritt eine vertragliche Nebenpflicht gegenüber dem Darlehensgeber zur Nichtausübung der Stimmrechte, die sich insbesondere daraus ergeben soll, dass anderenfalls das wirtschaftliche Eigentum des Darlehensgebers beeinträchtigt werde, der Darlehensnehmer jedoch alles zu unterlassen habe, was den Vertragszweck oder den Leistungserfolg gefährden könnte. Folglich sei die Ausübung des Stimmrechts aus den darlehensweise überlassenen Wertpapieren als vertragswidrig und daher unzulässig anzusehen, sofern nicht der Darlehensgeber den Darlehensnehmer ausdrücklich dazu ermächtige.284 Die vertragliche Nebenpflicht des Darlehensnehmers, die Ausübung des Stimmrechts zu unterlassen, folge zudem daraus, dass dieser anderenfalls das Instrument des Wertpapierdarlehens zweckwidrig einsetzte. Das Wertpapierdarlehen solle den Darlehensnehmer nur in die Lage versetzen, eigene Lieferverbindlichkeiten zu erfüllen. Dieser wirtschaftliche Zweck des Wertpapierdarlehens bestimme den Inhalt der Auslegung des über die Wertpapiere
96 Geo. L. J. 1227, 1256 (2008); Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 28; Kort, WM 2006, 2149; Mittermeier, S. 104. 282 Bertschinger, S. 21; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 37; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 2, 28; Mittermeier, S. 101; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 47; Schmid/Mühlhäuser, BB 2001, 2609; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 13. 283 BGHZ 180, 154 Rn. 34; OLG München ZIP 2006, 2370, 2373; MünchKommAktG/ Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 21; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 100; Burgard, BB 1995, 2069, 2073; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 240; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1935; Gillor, S. 125; Gower/Davies, Rn. 15-81; Kort, DB 2006, 1546; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 56; Lenenbach, Rn. 7.25; Mittermeier, S. 104, 108 ff.; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1169; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 13; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; Ostler, S. 90 ff.; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1416 f.; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1371. 284 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.52 ff.; ders./Peters, AG 1994, 525, 529 f.; auch nach Claussen, 3. Aufl., § 9 Rn. 209; Franken, S. 140 bleibt der „Verleiher“ zur Ausübung des Stimmrechts befugt (allerdings beide ohne Begründung).
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geschlossenen Darlehensvertrags.285 Und schließlich – so wird vorgetragen – stelle die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG dar und sei somit wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB nichtig.286 (bb) Stellungnahme (a) Keine Ordnungswidrigkeit des Darlehensnehmers nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG durch die Stimmrechtsausübung Die auf § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG gestützte Argumentation verfängt in dieser Pauschalität nicht. Zwar mag es Fälle geben, in denen die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer aufgrund der besonderen Umstände des Falles einen Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG darstellt287, doch geht die Annahme fehl, der Darlehensnehmer handele stets ordnungswidrig, wenn er das Stimmrecht aus den darlehensweise erlangten Aktien ausübt. Ausweislich des Wortlauts der Vorschrift ist die Benutzung von Aktien „eines anderen“ Tatbestandsmerkmal. Für die Beantwortung der Frage, ob es sich um Aktien „eines anderen“ handelt, ist die Rechtslage nach dem bürgerlichen Recht maßgebend.288 Es kommt demnach allein auf die formale Eigentümerstellung an; unerheblich ist, wer wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist.289 Eine derartige, allein an den sachenrechtlichen Gegebenheiten ausgerichtete enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist insbesondere deswegen geboten, weil es sich bei § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG um eine Ordnungswidrigkeitsvorschrift handelt, für die sich wegen Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG290 eine extensive Auslegung grundsätzlich verbietet.291 Insofern überzeugt es nicht, wenn die Mindermeinung für die Anwendung des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG anführt, diese Vorschrift setze voraus, dass „der Täter Eigentum an den Wertpapieren erwirbt, wie dies auf die Wertpapierleihe als
285
530.
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.58; ders./Peters, AG 1994, 525,
286 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.53 f.; ders./Peters, AG 1994, 525, 529 f.; so auch Gesell, S. 129; Lenenbach, 1. Aufl., Rn. 5.90; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483. 287 Ausführlich dazu siehe unten 4. Kapitel B. II. 3. c). 288 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 44, 36; Lenenbach, Rn. 7.26; Bürgers/Körber/ Pelz, § 405 Rn. 10; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 77, 64; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 94, 78; siehe auch Schwintowski/ Lange, § 20 Rn. 56. 289 Dörge, AG 1997, 396, 400; Kort, DB 2006, 1546; ebenso Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1417. 290 Das OWiG gilt nach seinem § 2 für Ordnungswidrigkeiten nach Bundesrecht und nach Landesrecht und findet daher auch auf § 405 AktG Anwendung. 291 So auch KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 44; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 408; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 56; Lenenbach, Rn. 7.26; Mittermeier, S. 111.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Wertpapierdarlehen im rechtlichen Sinne zutrifft“292. Voraussetzung des Ordnungswidrigkeitstatbestands ist es gerade, dass der Täter das Eigentum an den Wertpapieren nicht erwirbt, da es sich anderenfalls nicht um Aktien „eines anderen“ handelt.293 Die Gegenansicht verkennt die zwingend erforderliche Differenzierung zwischen der die Eigentumsverhältnisse unberührt lassenden „echten Aktienleihe“, wie sie § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG im Blick hat, und der mit einem Eigentumsübergang verbundenen „Aktienleihe“ i.S.d. Wertpapierdarlehensvertrags.294 Auch scheint sie als Abgrenzungskriterium zwischen den Tatbeständen von § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG und § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG das Merkmal „Aktien eines anderen“ heranziehen zu wollen.295 Dabei wird freilich übersehen, dass dies Voraussetzung beider Tatbestände ist296 und als maßgebliches Abgrenzungskriterium vielmehr das Handeln ohne (dann § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG) oder mit (dann § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG) Einwilligung des Eigentümers herangezogen werden sollte. Gegen diese Ansicht spricht darüber hinaus aber auch eine historische Auslegung, denn schon Artt. 249 f. ADHGB als Vorgängernormen zu § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG erfassten nur die entgeltliche Überlassung von Aktien ohne Eigentumsübergang. Eine tatbestandsmäßige Aktienleihe i.S.d. Artt. 249 f. ADHGB lag daher nur dann vor, wenn der Entleiher im Zeitpunkt der Stimmrechtsausübung nicht Eigentümer der entliehenen Aktien war.297 (b) Keine Zweckwidrigkeit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit der Stimmabgabe durch den Darlehensnehmer Sofern die Unzulässigkeit der Stimmabgabe des Darlehensnehmers auf dessen Zweckwidrigkeit gestützt wird, werden Erinnerungen an die Argumentationslinie des OLG München im Lindner-Verfahren wach.298 Gegenstand des Verfahrens war zwar nicht die Ausübung des Stimmrechts aus darlehensweise erlangten Aktien, sondern die Erlangung der für einen squeeze out erforderlichen Kapitalmehrheit von 95 %299, doch argumentierte das Berufungsgericht ähnlich: Die Möglichkeit der 292
529.
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.53; ders./Peters, AG 1994, 525,
293 Ebenso Dörge, AG 1997, 396, 400; Gillor, S. 128; Kort, DB 2006, 1546; F. A. Schäfer/ Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1417. 294 Vgl. Dörge, AG 1997, 396, 400; Kort, DB 2006, 1546; siehe auch KölnKommAktG/ Altenhain, § 405 Rn. 42. 295 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.53 mit Fn. 3; ders./Peters, AG 1994, 525, 529 mit Fn. 26, jeweils unter unzutreffender Berufung auf KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl., § 405 Rn. 81. 296 So insbesondere auch KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl., § 405 Rn. 97; vgl. auch Mittermeier, S. 110. 297 Vgl. Dörge, AG 1997, 396, 400 m.w.N.; gegen dieses historische Argument Kumpan/ Mittermeier, ZIP 2009, 404, 407 mit der Begründung, die Gefahreneinschätzung des historischen Gesetzgebers sei angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklungen nicht mehr tragfähig. 298 So auch Ostler, S. 91. 299 Dazu siehe noch unten 2. Kapitel A. II. 2. a) cc) (2) (e).
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Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer auf Dritte habe im konkreten Fall keine Rolle gespielt; Zweck der darlehensweisen Überlassung der Aktien sei es alleine gewesen, die Aktien beim Darlehensnehmer zu bündeln. Jedenfalls wenn der wesentliche wirtschaftliche Wert der Aktien beim Darlehensgeber verbleibt und das Wertpapierdarlehen nicht vorrangig dem Zweck dient, die Aktien weiter zu veräußern, um einen eigenen Gewinn zu erwirtschaften, sondern vielmehr der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers – vergleichbar einer treuhänderischen Übertragung – sichergestellt werden soll, sei das Übertragungsverlangen des Darlehensnehmers, der sich zum Zwecke der Erlangung des squeeze out-Quorums auf seine formale Stellung als Eigentümer beruft, rechtsmissbräuchlich.300 Zunächst ist anzumerken, dass der BGH dieser Argumentation zu Recht nicht gefolgt ist und das Erreichen der 95 %-Kapitalmehrheit im Wege des Wertpapierdarlehens mit überzeugenden Gründen für rechtmäßig erklärt hat.301 Zudem ist fraglich, ob sich die Ausführungen des OLG München zur Erlangung des squeeze out-Quorums überhaupt auf die Ausübung des Stimmrechts übertragen ließen.302 Jedenfalls stellt sich die Frage, warum die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer generell vertragswidrig sein soll, wenn der Darlehensgeber bereits durch die Kündigungsregelungen der Rahmenverträge vor einer ungewollten Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer geschützt ist303 : Nr. 7 Abs. 1 lit. a des deutschen Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen berechtigt den Darlehensgeber zur jederzeitigen Kündigung mit einer Kündigungsfrist von nur drei Bankarbeitstagen; Nr. 2 Abs. 6 (ii) des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen, und Nr. 16 des GMSLA sehen vergleichbare Regelungen vor. Der Darlehensgeber kann sich also ohne Weiteres die Aktien so rechtzeitig wieder verschaffen, dass er das Stimmrecht aus diesen ausüben kann. Ihn trifft noch nicht einmal eine Obliegenheit zur vertraglichen Vorsorge. Kündigt er das Wertpapierdarlehen jedoch nicht rechtzeitig, ist die Ausübung des Stimmrechts durch seinen Vertragspartner nicht vertragswidrig. Ob die Ausübung des Stimmrechts aus darlehensweise erlangten Aktien 300 OLG München ZIP 2006, 2370, 2374 f.; ebenso zuvor schon LG Landshut Der Konzern 2006, 633, 635; mit unterschiedlichen dogmatischen Anknüpfungspunkten, aber im Ergebnis zustimmend Bolte, DB 2001, 2587, 2589 f. (Gesetzesumgehung); Fleischer, ZGR 2002, 757, 778 (teleologische Reduktion); GroßkommAktG/ders., § 327a Rn. 76 f., 80 (Rechtsmissbrauch); MünchKommAktG/Grunewald, § 327a Rn. 21; dies., EWiR 2009, 327, 328 (Rechtsmissbrauch); Maslo, NZG 2004, 163, 164 f.; wohl auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 623 f.; noch strikter Heidel/Heidel/Lochner, § 327a Rn. 8, nach denen schon die Stellung als Hauptaktionär im Wege des Wertpapierdarlehens nicht begründet werden kann. 301 BGHZ 180, 154 Rn. 9 ff.; ebenso MünchHdbAG/Austmann, § 74 Rn. 126; Emmerich/ Habersack/Habersack, § 327a AktG Rn. 28; Fröde, NZG 2007, 729, 731 ff.; Goslar/von der Linden, BB 2009, 1986, 1987 ff.; Geibel/Süßmann/Grzimek, § 327a AktG Rn. 58; Kort, AG 2006, 557, 559 f.; ders., ZIP 2006, 1519, 1521; Krieger, BB 2002, 53, 62; Lenenbach, Rn. 7.37 ff.; Markwardt, BB 2004, 277, 285 f.; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1173b; OsterlohKonrad, ZGR 2012, 35, 79 f.; Petersen/Wille, NZG 2009, 856, 857 f.; Pluskat, NZG 2007, 725, 728 f.; Rieder, ZGR 2009, 981, 990 ff.; C. Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 5. 302 Siehe dazu auch unten 4. Kapitel B. II. 3. g) cc) (6). 303 Ähnlich Ostler, S. 93.
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nicht unter gewissen Umständen gegenüber der Gesellschaft oder den Mitaktionären treuepflichtwidrig oder rechtsmissbräuchlich ist, wird noch zu klären sein304. (c) Keine vertragliche Nebenpflicht des Darlehensnehmers zur Nichtausübung des Stimmrechts Ebenfalls nicht überzeugen kann die Postulierung einer vertraglichen Nebenpflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber, die Stimmrechte aus den Aktien nicht auszuüben, wenn nicht ausnahmsweise eine entsprechende Ermächtigung des Darlehensgebers vorliegt.305 Zum ersten steht diese Sichtweise mit den einschlägigen Regelungen der Rahmenverträge in Widerspruch: So findet sich in Nr. 6.6 des GMSLA unter der Überschrift „Exercise of voting rights“ die Regelung, dass weder der Darlehensnehmer (in Bezug auf die darlehensweise überlassenen Wertpapiere) noch der Darlehensgeber (in Bezug auf evtl. als Sicherheit überlassene Wertpapiere) verpflichtet ist, das Stimmrecht nach den Weisungen der anderen Vertragspartei auszuüben, sofern keine gegenteilige Vereinbarung getroffen wird. Trotz Fehlens einer expliziten Regelung wird man angesichts seiner Entstehungsgeschichte306 Entsprechendes auch dem EMA entnehmen können.307 Gegen eine vertragliche Nebenpflicht zur Nichtausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer spricht zum zweiten die Tatsache, dass eine derartige Bindung gegenüber dem Darlehensgeber wirkungslos würde, sobald der Darlehensnehmer die Wertpapiere weiterveräußert, da der Erwerber keinerlei vertraglichen Bindungen gegenüber dem Darlehensgeber unterliegt308, sofern nicht der äußerst seltene Fall einer weitergeleiteten Stimmrechtsbindung vorliegt309. An der Berechtigung des Darlehensnehmers zur Weiterveräußerung der darlehensweise erhaltenen Aktien kann aufgrund seiner ihm als Eigentümer zustehenden freien Verfügungsbefugnis kein Zweifel bestehen. Zum dritten geht auch § 55 Nr. 2 InvG310 von der grundsätzlichen Berechtigung des Darlehensnehmers zur Ausübung des Stimmrechts aus den Aktien aus, wenn darin die darlehensgewährende Kapitalanlagegesellschaft verpflichtet wird, vertragliche Vorsorge gegen den Verlust des Stimmrechts zu treffen. Und zum vierten kann ein flüchtiger Seitenblick in andere Rechtsordnungen die hier vertretene 304
Siehe unten 4. Kapitel B. II. 3. g) und B. II. 3. h). So wohl auch Gesell, S. 130 f. (Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung durch den Verleiher), obwohl er in Bezug auf § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG die hier abgelehnte Auffassung vertritt. 306 Vgl. Gillor, S. 125 f. 307 Ebenso Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 606; auch Schwintowksi/Lange, § 20 Rn. 56 verweist darauf, dass die Rahmenverträge hinsichtlich der Stimmrechtsausübung keinerlei Einschränkungen vorsehen. 308 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 36; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1169; Ostler, S. 93; in diese Richtung auch OLG München ZIP 2006, 2370, 2373; KölnKommWpHG/ von Bülow, § 22 Rn. 102; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48. 309 Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1371. 310 Vgl. nunmehr § 201 Nr. 2 KAGB. 305
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Ansicht zusätzlich untermauern. So geht zum Beispiel auch die US-amerikanische311 und die schweizerische312 Fachliteratur davon aus, dass der Darlehensnehmer das Stimmrecht aus den Aktien erhält. Das von der Mindermeinung propagierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten einer Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer ist daher umzukehren: Sofern nicht ausnahmsweise eine explizite dahingehende vertragliche Regelung getroffen worden ist, besteht keine Verpflichtung des Darlehensnehmers, das Stimmrecht gar nicht oder nur in bestimmter Weise auszuüben.313 Möchte also der Darlehensgeber auf die Stimmrechtsausübung Einfluss nehmen, muss er entweder den Darlehensvertrag kündigen314 und das Stimmrecht selbst ausüben oder sich mittels vertraglicher Regelung ein Weisungsrecht gegenüber dem Darlehensnehmer vorbehalten. Dabei kann dem professionellen Darlehensgeber angesonnen werden, sich durch die ausdrückliche Vereinbarung einer Stimmbindungsregelung selbst zu schützen. Handelt es sich bei dem Darlehensgeber um eine Kapitalanlagegesellschaft i.S.d. § 6 InvG315, ist diese nach § 55 Nr. 2 InvG316 sogar in gewissem Maße zum Selbstschutz verpflichtet: In dem Darlehensvertrag mit dem Darlehensnehmer ist festzulegen, dass die Aktien so rechtzeitig zurückerstattet werden müssen, dass die Kapitalanlagegesellschaft die verbrieften Rechte ausüben kann. Alternativ kann die Kapitalanlagegesellschaft sich vom Darlehensnehmer zur Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen lassen. Vom in der Regel unerfahrenen Kleinanleger, der seine Aktien von einer Depotbank verwahren lässt, wird man Ähnliches zwar nicht erwarten können.317 Ob jedoch über den durch §§ 13, 15 DepotG gewährten Schutz hinaus eine Aufklärungspflicht der Depotbank bezüglich des mit dem Wertpapierdarlehen einhergehenden vorübergehenden Verlusts der Verwaltungsrechte erforderlich ist und ob sich eine solche Aufklärungspflicht schon de lege lata aus § 31 Abs. 3 WpHG ableiten lässt318, erscheint fraglich. Für eine derartige Pflicht besteht kein Bedarf: Die Erklärung des Hinterlegers muss nämlich nicht nur für das einzelne 311 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2901; D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 277; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 832 f. (2006); dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 350; Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1256 (2008). 312 Bertschinger, S. 47 f.; ders., SZW 2008, 208, 215; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 14; siehe auch Art. 14 Abs. 1 und 2 BEHV-FINMA, wonach bei Leihgeschäften der Borger die in Art. 20 Abs. 1 BEHG genannten Stimmrechtsschwellen erreichen, über- oder unterschreiten kann. 313 So auch KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 102; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1935; Gillor, S. 127; Kort, DB 2006, 1546; Mittermeier, S. 112 f.; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1169; Ostler, S. 92; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 5. 314 Vgl. D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 276 f.; Ostler, S. 92; siehe auch Nr. 7 Abs. 1 (a) des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 6 (ii) des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 8.1 des GMSLA. 315 Nun OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 15 KAGB. 316 Nun § 201 Nr. 2 KAGB. 317 Insoweit übereinstimmend mit Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 607. 318 So Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 607 f.
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Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden (§§ 13 Abs. 1 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1 DepotG), sondern es muss in ihr auch zum Ausdruck kommen, dass mit der Ausübung der Ermächtigung das Eigentum auf einen Dritten übergeht und für den Hinterleger daher nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere besteht (§§ 13 Abs. 1 S. 2, 15 Abs. 2 S. 2 DepotG). Wem jedoch sein Eigentumsverlust bekannt ist, dem dürfte sich – selbst wenn ihm größere Geschäftserfahrung fehlt – nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre aufdrängen, dass mit dem Eigentumsverlust ein Stimmrechtsverlust einhergeht.319 (cc) Ergebnis Als Ergebnis ist somit festzuhalten: Der Darlehensnehmer ist – gleich, ob der Darlehensgeber professionell tätig oder unerfahren ist – grundsätzlich zur Ausübung des Stimmrechts aus den ihm überlassenen Aktien berechtigt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Darlehensgeber entweder die Stimmrechtsausübung per se oder ein Weisungsrecht hinsichtlich der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer vertraglich vorbehalten hat. cc) Wirtschaftliche Motive für den Einsatz von Wertpapierdarlehen Während die Motive für den Abschluss eines Wertpapierdarlehensvertrags auf Seiten des Darlehensgebers stets dieselben sind, können sie auf Seiten des Darlehensnehmers umso stärker variieren. (1) Motive des Darlehensgebers Der Darlehensgeber verfolgt mit dem Abschluss des Wertpapierdarlehens zumeist zwei Ziele: Zum einen kann er durch die Vereinnahmung eines Darlehensentgelts die Rendite aus seinen ansonsten ruhenden Wertpapieren risikolos optimieren.320 Daneben kann er durch häufigeres Ausleihen von Teilen seines Wertpapierportfolios den durchschnittlichen Bestand seines Wertpapierdepots verringern und auf diese Weise Depotkosten sparen.321 Aus diesen Gründen ist das Instrument des Wertpapierdarlehens insbesondere für solche Marktteilnehmer interessant, die
319 Für die uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 13 DepotG auf das Wertpapierdarlehen auch Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 46 f.; Lenenbach, Rn. 7.24; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/ 1177. 320 Bertschinger, S. 12; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 223; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Eller/Heinrich/Perrot/Reif/Gaebel, S. 647 mit Fn. 108; Gesell, S. 11; Grimm, S. 7; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 572; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 20; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.34; Schmies, S. 50; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1415. 321 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 598; Dörge, S. 31; Gillor, S. 33; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 20; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 9; Lenenbach, Rn. 7.8; Mittermeier, S. 100; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1161; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370.
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über umfangreiche Eigenbestände verfügen, z. B. Pensionskassen, Versicherungen und Fondsgesellschaften.322 (2) Motive des Darlehensnehmers (a) Erfüllung von Lieferverpflichtungen des Darlehensnehmers Für den Darlehensnehmer steht klassischerweise die Befugnis, über die Wertpapiere verfügen zu können, im Vordergrund. Häufig benötigt der Darlehensnehmer die ihm im Wege des Wertpapierdarlehens überlassenen Wertpapiere beispielsweise zur Erfüllung einer eigenen Lieferverpflichtung.323 Ist er zur Lieferung von Wertpapieren zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet und besitzt er diese, z. B. aufgrund einer Lieferverzögerung seines Vertragspartners (sog. settlement fails) oder aufgrund unterschiedlich langer Erfüllungsfristen an den beteiligten Börsenplätzen bei grenzüberschreitenden Geschäften, noch nicht, so kann er mittels der darlehensweise erworbenen Wertpapiere seiner Lieferverpflichtung dennoch fristgerecht nachkommen.324 Die zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Kaufgeschäft erhaltenen Wertpapiere dienen dann der Rückführung des Wertpapierdarlehens.325 (b) Risikoabsicherung (hedging) Mithilfe des Wertpapierdarlehens können auch die typischen Risiken der Termingeschäfte begrenzt werden. Hat z. B. der Käufer eines future oder der Verkäufer einer put option zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft Wertpapiere zu einem bestimmten Preis abzunehmen und erwartet er, dass der Börsenkurs der Wertpapiere – entgegen seiner ursprünglichen Annahme bei Abschluss des Termingeschäfts – bis zur Fälligkeit unter den vereinbarten Preis fällt, kann er die Wertpapiere noch vor Fälligkeit bzw. noch vor Ausübung der Option durch den Käufer der put option im Kassamarkt verkaufen, um das Risiko weiterer Verluste durch weiter fallende Kurse einzudämmen. Die zur Erfüllung des Kassaverkaufs erforderlichen Wertpapiere können im Wege des Wertpapierdarlehens beschafft werden.326 Schließlich kann der
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Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Gillor, S. 33. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 598; Bertschinger, S. 5 ff.; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 223; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 448; Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, § 10 Rn. 30; Gillor, S. 30; Grimm, S. 8; Baumbach/Hopt/Hopt, (7) Bankgeschäfte Rn. T/3; Jutzi/ Schären, ST 2009, 570, 571; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 21; Mittermeier, S. 99. 324 Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Dörge, S. 33; Gesell, S. 6 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.30; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 7; Lenenbach, Rn. 7.8; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.103; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370. 325 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 21. 326 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 598; Bertschinger, S. 8 f.; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Dörge, S. 32 mit Fn. 60; Gesell, S. 9 f.; Gillor, S. 31; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.31; ders./Peters, AG 1994, 525, 527; Kümpel/Wittig/ Oulds, Rn. 14.102. 323
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Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers mithilfe der bei Fälligkeit des future oder bei Optionsausübung angedienten Wertpapiere erfüllt werden.327 (c) Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen Kassamarkt und Terminmarkt (Arbitrage) Nicht unbedeutend ist auch die Möglichkeit der Arbitrage durch Einsatz von Wertpapierdarlehen. Wie oben328 erörtert, beschreibt der Begriff der Arbitrage das Ausnutzen ungerechtfertigter Preisunterschiede insbesondere zwischen Kassa- und Terminmarkt. Ist der Kurs eines bestimmten Wertpapiers z. B. am Kassamarkt höher als am Terminmarkt, kann der Arbitrageur dieses Wertpapier auf Termin (z. B. mittels eines future) billig kaufen und noch am selben Tag im Kassamarkt teurer wieder verkaufen. Die zur sofortigen Erfüllung des Kassaverkaufs benötigten Wertpapiere kann er sich im Wege des Wertpapierdarlehens verschaffen.329 Die zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Termingeschäft erhaltenen Wertpapiere dienen auch hier der Schließung des Wertpapierdarlehens. Der Arbitrageur kann auf diese Weise die Differenz zwischen dem höheren Kassa- und dem niedrigeren Terminkurs, abzüglich des Darlehensentgelts, als Gewinn vereinnahmen.330 (d) Spekulation, v. a. Erleichterung des short selling Wertpapierdarlehen ermöglichen außerdem Leerverkäufe (sog. short sales) im Kassamarkt. Dabei spekuliert der Leerverkäufer auf fallende Kurse.331 Er verkauft Wertpapiere, über die er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht verfügt332, zum aktuellen Kurs am Kassamarkt und besorgt sich die zur Erfüllung des Geschäfts erforderlichen Wertpapiere im Wege des Wertpapierdarlehens. Sinken die Kurse tatsächlich, kauft der Leerverkäufer/Darlehensnehmer Wertpapiere gleicher Art und Menge billiger 327 Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Dörge, S. 32 mit Fn. 60; Franken, S. 139; Gesell, S. 9 f.; Gillor, S. 31; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.31; ders., WM 1990, 909; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 3; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.102. 328 Vgl. 2. Kapitel A. II. 1. b) cc) (2). 329 Bertschinger, S. 11; Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1933; Gesell, S. 8 f.; Gillor, S. 31; Grimm, S. 10; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.32; ders., WM 1990, 909; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 4. 330 Hopt/Clouth/Vollmuth, IV.T.1, S. 1414; Gesell, S. 9; Grimm, S. 10; BuB/Neuhaus/ Böhm, Rn. 7/1160. 331 Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 223; Dörge, S. 32; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 93; Franken, S. 139; Gillor, S. 31; Grimm, S. 9; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 6; Lenenbach, Rn. 9.177; Ostler, S. 78; Schmies, S. 50; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419; Zimmer/Beisken, WM 2010, 485, 486. 332 Zur zeitlichen Abfolge der verschiedenen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfte vgl. FSA, Short selling DP 09/1, Rn. 2.3; Laurer, ZfgKW 2008, 980, 982 f., siehe aber auch Laurer, ZfgKW 2008, 980, 982; Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419; Veranneman, GWR 2010, 337, die den Begriff des Leerverkaufs unabhängig von der Stellung als Eigentümer oder Besitzer definieren und einen Leerverkauf dann annehmen, wenn dem Verkäufer nach dem Verkauf eine offene wertvariable Verbindlichkeit in Aktien verbleibt.
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am Kassamarkt zurück, um damit seine Rückerstattungspflicht aus dem Darlehensvertrag zu erfüllen.333 Eine etwaige Preisdifferenz, abzüglich der Kosten des Wertpapierdarlehens, kann der Leerverkäufer als Gewinn vereinnahmen.334 Allerdings bergen short sales auch das Risiko hoher Verluste für den Fall, dass die Börsenpreise entgegen der Erwartung des Leerverkäufers steigen.335 Leerverkäufe stellen eine nicht seltene Begleiterscheinung von empty voting-Fällen dar, wie schon das einleitende Beispiel Nr. 2 gezeigt hat. (e) Strategischer Einsatz Der Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Verfolgung strategischer Ziele336 ist im Zuge des bereits angesprochenen Lindner-Verfahrens stärker in den Fokus gerückt: Der darlehensweise Erwerb von Aktien ermöglicht dem Darlehensnehmer die Erlangung von Quoren, z. B. die Erlangung gewisser Minderheitsquoren (§§ 122 Abs. 1 und 2, 142 Abs. 2, 148 Abs. 1 AktG) oder die Erlangung der für einen squeeze out erforderlichen Kapitalmehrheit (§ 327a AktG). Letzteres hielten die Instanzgerichte des Lindner-Verfahrens im Falle prototypischer Wertpapierdarlehensverträge337 für rechtsmissbräuchlich, weil das wirtschaftliche Eigentum bei den Darlehensgebern verblieben sei. Es liege daher ein rechtsmissbräuchliches Umgehungsgeschäft vor.338 Dem ist der BGH nicht gefolgt und hat das Erreichen der 95 %-Kapitalmehrheit im Wege des Wertpapierdarlehens für rechtmäßig erklärt.339 Bedauerlicherweise hat sich der BGH in seinem Lindner-Urteil mit dem Aspekt der fehlenden Risikotragung des Darlehensnehmers nicht befasst. Und das, obwohl das OLG München zur Begründung seines Urteils darauf hingewiesen hatte, dass der 333
Allmendinger/Tilp, Rn. 293; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 66; Franken, S. 139; Gesell, S. 8; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 183; Lenenbach, Rn. 9.177; Derleder/Knops/Bamberger/Müller, § 54 Rn. 27; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1160; Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419; Veranneman, GWR 2010, 337; aus der US-amerikanischen Literatur Hu/Black, J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 350; Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1255 f. (2008); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 15, 23 mit Fn. 151 (2006). 334 Allmendinger/Tilp, Rn. 293; Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 8 f.; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 223; Gesell, S. 8; Grimm, S. 9; Ebenroth/Boujong/Joost/König, 1. Aufl., BankR VIII Rn. 183; Ostler, S. 78; Paus, S. 267; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1415; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419 f.; Wentrup, S. 38 f.; Zimmer/Beisken, WM 2010, 485, 486. 335 Gillor, S. 32; Kümpel/Peters, AG 1994, 525, 527; Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Tyrolt/ Bingel, BB 2010, 1419, 1420; Wentrup, S. 39; Zimmer/Beisken, WM 2010, 485, 486 f. 336 Dazu siehe auch Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 5; KölnKommAktG/Noack/Zetzsche, § 123 Rn. 256. 337 Das LG Landshut war offensichtlich der Auffassung, es hier mit einer Sonderkonstellation des Wertpapierdarlehens zu tun zu haben, was selbstverständlich nicht zutraf. Dies betonend auch Kort, WM 2006, 2149, 2150 f.; Pluskat, NZG 2007, 725, 728. 338 LG Landshut Der Konzern 2006, 633, 635; OLG München ZIP 2006, 2370, 2373 ff.; für Nachweise aus der Literatur siehe oben Fn. 300. 339 BGHZ 180, 154 Rn. 9 ff.; für Nachweise aus der Literatur siehe oben Fn. 301.
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Aktienerwerb aufgrund eines Wertpapierdarlehens u. a. deshalb mit einem uneingeschränkten Vollrechtserwerb nicht völlig deckungsgleich sei, weil der Darlehensnehmer gerade nicht bereit sei, die Wertpapiere zu erwerben und das Wertänderungsrisiko der Aktien endgültig zu übernehmen.340 Ausführungen auch des BGH hierzu wären gerade für die vorliegende Untersuchung überaus interessant gewesen, denn obschon es sich bei der Erlangung des squeeze out-Quorums nicht um einen Fall des empty voting handelt, da es nicht um die Frage der Benutzung von Stimmrechten auf der Hauptversammlung geht341, besteht gleichwohl insofern eine Parallele zum empty voting, als der Großaktionär von einem ihm zustehenden Recht – dem des Verlangens eines Ausschlusses der Minderheitsaktionäre – Gebrauch macht, ohne die wirtschaftlichen Folgen seines Verhaltens in Gänze zu tragen. Es handelt sich mithin um einen anderen Fall des equity decoupling, der in der vorliegenden Untersuchung nicht näher beleuchtet wird.342 (f) Beschaffung des Stimmrechts Damit ist der Bogen geschlagen zu einem letzten Einsatzfeld des Wertpapierdarlehens, das jüngst gerade im anglo-amerikanischen Rechtskreis rasant an Bedeutung gewinnt: Das Wertpapierdarlehen kann zur vorübergehenden Beschaffung des Stimmrechts343 eingesetzt werden.344 Im Vorfeld einer Hauptversammlung – genauer gesagt vor dem record date345 – kann sich der Darlehensnehmer mittels eines Wertpapierdarlehens die zur Herbeiführung der erwünschten Hauptversammlungsbeschlüsse erforderlichen Stimmrechte beschaffen. Da somit die Erlangung der Kontrolle über ein Unternehmen mit geringerem Mitteleinsatz möglich wäre, wird dies teilweise als ordnungspolitisch unerwünscht angesehen.346 Ob dies zutrifft und falls ja, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, wird an späterer Stelle geklärt.347 Jedenfalls geht es nicht an, dem Darlehensnehmer per se – d. h. unabhängig von einer individualvertraglichen Vereinbarung – die Ausübung des Stimmrechts aus den darlehensweise überlassenen Aktien zu versagen.348 340
OLG München ZIP 2006, 2370, 2374. Näher dazu unten 4. Kapitel B. II. 3. g) cc) (6). 342 Vgl. oben 1. Kapitel C. II. 2. 343 Zur Berechtigung des Darlehensnehmers zur Ausübung des Stimmrechts siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b). 344 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2901; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 448; Grimm, S. 11; Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 899 (2010); Baumbach/ Hopt/Hopt, (7) Bankgeschäfte Rn. T/3; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1039 f., 1053 ff. (2013); Yermack, Working Paper, S. 14 f.; siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 599, der dies als die strategische Komponente des Wertpapierdarlehens bezeichnet. 345 Dazu sogleich 2. Kapitel A. II. 2. b). 346 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51; ders./Peters, AG 1994, 525, 529. 347 Ausführlich 3. Kapitel A. und 4. Kapitel B. 348 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b). 341
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dd) Zwischenergebnis Wertpapierdarlehensverträge sehen üblicherweise einen Eigentumsübergang auf den Darlehensnehmer vor, mit dem nach der weit überwiegenden und auch hier vertretenen Ansicht die Stimmrechtsübertragung einhergeht. Aufgrund der Pflicht des Darlehensnehmers, die von der Gesellschaft auf die Aktien geleisteten Zahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten, bleibt letzerer wirtschaftlich gesehen Eigentümer der Papiere und übernimmt damit auch das aus ihnen resultierende wirtschaftliche Risiko. Der Darlehensnehmer erhält demnach das Stimmrecht, ohne die Risiken aus der Beteiligung tragen zu müssen. b) Insbesondere: Record date capture Eine besondere Spielart des empty voting stellt die sog. record date capture dar. Bei dieser macht sich ein Investor das Bestehen eines Stichtags zum Nachweis der Aktionärseigenschaft zunutze. aa) Kurzsynopse zu den aktienrechtlichen Legitimationsregeln vor und nach dem UMAG Die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts ist vom Aktionär gegenüber der Aktiengesellschaft nachzuweisen.349 Wie dies zu geschehen hat, war schon vor der Reform der aktienrechtlichen Legitimationsregeln durch das UMAG350 davon abhängig, ob es sich um Namensoder Inhaberaktien handelte. An dieser Differenzierung hat sich nichts geändert. In Bezug auf Inhaberaktionäre börsennotierter Aktiengesellschaften hat der Reformgesetzgeber allerdings eine wesentliche Neuerung in das AktG aufgenommen. (1) Namensaktien Da die Regelung des § 123 Abs. 3 AktG ausweislich ihres Wortlauts nur für Inhaberaktien gilt, verbleibt es auch nach Inkrafttreten des UMAG für Namensaktien bei der Regelung des § 67 Abs. 2 AktG351, wonach im Verhältnis zur Gesellschaft als 349 K. Schmidt/Lutter/T. Bezzenberger, § 67 Rn. 2; Noack, NZG 2006, 321, 322; KölnKommAktG/ders./Zetzsche, § 123 Rn. 4; MünchHdbAG/Semler, § 36 Rn. 8; K. Schmidt/ Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 22. 350 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BGBl. I 2005, S. 2802. 351 Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 13; Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 747; Göz/Holzborn, WM 2006, 157, 162 f.; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275; Hüffer/Koch, § 123 Rn. 9; MünchKommAktG/Kubis, § 123 Rn. 16; Ostler, S. 45; Pluskat, WM 2007, 2135, 2136; MünchHdbAG/Semler, § 36 Rn. 8; Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 373; Wilhelm, Rn. 1163. In diesem Punkt hat auch die Aktionärsrechte-RL (Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184/17) keine Änderung herbeigeführt, vgl. Art. 7 Abs. 2 UAbs. 2, dazu Zetzsche, NZG 2007, 686 f.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Aktionär nur gilt, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist. Diese unwiderlegliche Vermutung der Aktionärsstellung352 hat zur Folge, dass nur derjenige, der im Aktienregister als Aktionär eingetragen ist, die mitgliedschaftlichen Rechte ausüben kann, und zwar selbst dann, wenn er dinglich nicht Eigentümer der Aktien ist.353 Ob die Registerlage der materiellen Rechtslage entspricht, ist für den Eintritt der unwiderleglichen Vermutung also irrelevant. Umgekehrt ist aber die Eintragung des Erwerbers im Aktienregister auch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsübergangs.354 Der Erwerb der Mitgliedschaft vollzieht sich demnach außerhalb des Registers; gegenüber der Gesellschaft legitimiert ist aber nur der als Aktionär Eingetragene. (2) Inhaberaktien Um das Stimmrecht aus Inhaberaktien ausüben zu können, verlangten die Satzungen nahezu aller größeren Aktiengesellschaften bis vor wenigen Jahren die Hinterlegung der Aktien. Sie machten damit von der ihnen durch § 123 Abs. 2 und 3 AktG a.F. verliehenen Befugnis Gebrauch, von der gesetzlichen Rechtslage355 abzuweichen. In der Hauptversammlungspraxis war die Hinterlegung die gebräuchlichste und zweckmäßigste Art der Nachweisführung für das Teilnahmerecht und das Stimmrecht der Aktionäre.356 Nach dem Inkrafttreten des UMAG ist hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis der Aktionärsstellung aus Inhaberaktien zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften zu unterscheiden: Hat eine nicht börsennotierte Gesellschaft Inhaberaktien ausgegeben, kann weiterhin die Satzung frei bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist (§ 123 Abs. 3 S. 1 AktG). Der Satzungsgeber kann jeden geeigneten und zumutbaren Nachweis verlangen. So kann er beispielsweise die Hinterlegung der Aktien vorschreiben oder einen besonderen 352 In diesem Sinne die heute ganz h.M., vgl. OLG Hamburg AG 2003, 694; OLG Jena AG 2004, 268, 269; MünchKommAktG/Bayer, § 67 Rn. 39; Spindler/Stilz/Cahn, § 67 Rn. 32; Drygala/Staake/Szalai, § 22 Rn. 17; Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, § 67 Rn. 18; Hüffer/Koch, § 67 Rn. 13; BeckHdbAG/Maul, § 3 Rn. 21, 28; Bürgers/Körber/Wieneke, § 67 Rn. 12. 353 OLG Hamburg AG 2003, 694; MünchKommAktG/Bayer, § 67 Rn. 43; K. Schmidt/ Lutter/T. Bezzenberger, § 67 Rn. 13; Heidel/Heinrich, § 67 Rn. 17 f.; KölnKommAktG/Lutter/ Drygala, § 67 Rn. 44, 63 f., 69. 354 Spindler/Stilz/Cahn, § 67 Rn. 32; Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, § 67 Rn. 17; Heidel/ Heinrich, § 67 Rn. 17; BeckHdbAG/Maul, § 3 Rn. 28 f.; Wachter/Servatius, § 67 Rn. 8; Bürgers/Körber/Wieneke, § 67 Rn. 12; Windbichler, § 30 Rn. 3. 355 Zu den Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Stimmrechtsausübung bei Schweigen der Satzung vgl. MünchKommAktG/Kubis, § 123 Rn. 8 ff.; KölnKommAktG/Noack/Zetzsche, § 123 Rn. 148 ff.; GroßkommAktG/Werner, § 123 Rn. 24 ff. 356 Vgl. Butzke, WM 2005, 1981, 1983; Kiefner/Zetzsche, ZIP 2006, 551, 552: „ubiquitäre[s] Hinterlegungserfordernis“; MünchHdbAG/Semler, § 36 Rn. 9; GroßkommAktG/Werner, § 123 Rn. 34 f.; KölnKommAktG/Zöllner, 1. Aufl., § 123 Rn. 15 f.
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Nachweis des Anteilsbesitzes i.S.d. § 123 Abs. 3 S. 2 und 3 AktG357 verlangen.358 Ist die Aktiengesellschaft börsennotiert, ist die auch hier grundsätzlich gegebene Freiheit zur Satzungsregelung in Bezug auf den Legitimationsnachweis durch den nicht satzungsdispositiven359 § 123 Abs. 3 S. 2 und 3 AktG eingeschränkt: Die Satzung muss einen besonderen, auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung bezogenen Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut genügen lassen.360 bb) Begriff des record date Für Inhaberaktionäre börsennotierter Gesellschaften bestimmt § 123 Abs. 3 S. 3 AktG, dass sich der Nachweis des Anteilsbesitzes auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung zu beziehen hat. Damit hat der Reformgesetzgeber im Jahre 2005 auch in Deutschland das international übliche361 sog. record date eingeführt und 357
Dazu sogleich 2. Kapitel A. II. 2. b) bb). Butzke, WM 2005, 1981, 1983; Hölters/Drinhausen, § 123 Rn. 12; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2277; Grigoleit/Herrler, § 123 Rn. 15; Wachter/Mayrhofer, § 123 Rn. 23; Bürgers/ Körber/Reger, § 123 Rn. 7; BeckHdbAG/Reichert, § 5 Rn. 87; MünchHdbAG/Semler, § 36 Rn. 9; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 27; siehe auch Göz/Holzborn, WM 2006, 157, 163: „völlige Satzungsautonomie“. 359 Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 13: „nicht abdingbare[s] Grundmodell der Legitimation“; KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 107; Heidel/Müller, § 123 Rn. 20; KölnKommAktG/Noack/Zetzsche, § 123 Rn. 128; Bürgers/Körber/Reger, § 123 Rn. 8; Spindler, NZG 2005, 825, 827. 360 Zu den Einzelanforderungen an diesen Nachweis vgl. K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 31 ff. 361 Was den Zeitraum zwischen dem Nachweisstichtag und dem Hauptversammlungstermin anbelangt, sind die Unterschiede jedoch beträchtlich: Art. 7 Abs. 3 S. 3 der Aktionärsrechte-Richtlinie enthält für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vorgabe, dass der Nachweisstichtag nicht mehr als 30 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung liegen darf, auf die er sich bezieht. In Großbritannien wird die Festsetzung des genauen Zeitpunkts des record date dem Emittenten überlassen. Er darf allerdings nicht mehr als 48 Stunden vor dem Beginn der Hauptversammlung liegen und ist vom Emittenten in der Einberufung der Hauptversammlung bekanntzumachen (Regulation 41 of the Uncertificated Securities Regulations 2001; vgl. auch Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2900; Gower/Davies, Rn. 15-77; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1051 (2013); Zetzsche, Der Konzern 2007, 180, 185). In Spanien liegt das record date fünf Tage vor dem Hauptversammlungstermin. Darüber hinaus gilt dieser Nachweisstichtag für Namens- und Inhaberaktien gleichermaßen (Artículo 104 Ley Sociedades Anónimas; vgl. auch Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1273 ff. (2008); Baums/Wymeersch/Tapia Hermida, S. 257, 264 f.). § 213(a) des Delaware General Corporation Law (DGCL) betraut den board of directors mit der Festsetzung eines record date und schreibt lediglich vor, dass dieses nicht mehr als 60 Tage und nicht weniger als zehn Tage vor der Hauptversammlung liegen soll. Bestimmt der board kein record date, gilt als record date der Tag, der der Bekanntgabe der Einberufung der Hauptversammlung vorausgeht. Zwei neuere Studien haben für die USA eine durchschnittliche Zeitspanne von 53 bzw. 54 (!) Kalendertagen zwischen record date und Hauptversammlung ermittelt, vgl. Aggarwal/Saffi/Sturgess, Working Paper, S. 18; Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2900. Das kanadische Recht regelt die Legitimation der Aktionäre ähnlich: Die Direktoren der Gesellschaft können gemäß section 134 (1) (d) des Canada Business Corporations Act (R.S., 1985, c. C-44) zum 358
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2. Kap.: Genese des new vote buying
die den Mitgliedstaaten erst im Jahre 2007 durch Art. 7 Abs. 2 der AktionärsrechteRichtlinie auferlegte Pflicht zur Einführung eines solchen record date in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften362 bis zum 03. August 2009363 in „vorauseilendem Gehorsam“364 schon vorzeitig erfüllt.365 Unter einem record date versteht man den Stichtag – besser gesagt: den Stichzeitpunkt366 –, auf den sich der Nachweis der Aktionärseigenschaft zu beziehen hat.367 Maßgeblich für den „Erwerb“ des Rechts zur Teilnahme an der Hauptversammlung und des Stimmrechts ist also ein bestimmter Zeitpunkt im Vorfeld der Hauptversammlung. Die Festlegung eines record date hat zur Folge, dass derjenige, der zu diesem Zeitpunkt Aktionär war und sich durch einen Bestandsnachweis seines depotführenden Instituts (vgl. § 123 Abs. 3 S. 2 AktG) legitimieren kann, im Verhältnis zur Gesellschaft (vgl. § 123 Abs. 3 S. 6 AktG) zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Wahrnehmung sämtlicher versammlungsbezogener Rechte selbst dann befugt ist, wenn er seine Aktien zwischenzeitlich veräußert hat.368 Hingegen wird derjenige, der zwischen record date und Hauptversammlung die Aktien erwirbt, zwar Aktionär, ist jedoch gleichwohl nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts befugt.369 Im Hinblick auf die versammlungsbezogenen Rechte inklusive des Stimmrechts wird der Aktionärsbestand also auf den Zeitpunkt des record date eingefroren370, was zu einem Zwecke der Ermittlung der stimmberechtigten Aktionäre ein record date bestimmen. Dieses darf allerdings nicht weniger als 21 und nicht mehr als 60 Tage vor dem Hauptversammlungstermin liegen (section 43 (2) der Canada Business Corporations Regulations, 2001; vgl. auch Zetzsche, Der Konzern 2007, 180, 185 mit Fn. 52). 362 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Aktionärsrechte-Richtlinie. 363 Vgl. Art. 15 der Aktionärsrechte-Richtlinie. 364 J. Schmidt, BB 2006, 1641, 1643. 365 Vgl. auch Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1425; Pluskat, WM 2007, 2135, 2136; Ratschow, DStR 2007, 1402, 1405; Zetzsche, NZG 2007, 686. 366 So auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/5693, S. 30; dazu siehe sogleich Text zu Fn. 376 bis 379. 367 Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2277; Hüffer/Koch, § 123 Rn. 12; Wachter/Mayrhofer, § 123 Rn. 15; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1050 (2013); J. Schmidt, BB 2006, 1641, 1642. 368 KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 107; Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 749 f.; Gower/Davies, Rn. 15-77; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2277; Hüffer/Koch, § 123 Rn. 12; Baums/Wymeersch/Klausner/Elfenbein, S. 353, 356; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170; Merkt, Rn. 741; Mittermeier, S. 92, 118 f.; Ostler, S. 44; BeckHdbAG/Reichert, § 5 Rn. 87; Spindler, NZG 2005, 825, 827; Windbichler, § 29 Rn. 17. 369 Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 14; Hölters/Drinhausen, § 123 Rn. 13; Grigoleit/Herrler, § 123 Rn. 18; Heidel/Müller, § 123 Rn. 28; Bürgers/Körber/Reger, § 123 Rn. 8; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 36; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1086. 370 Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2277; Noack/Zetzsche, AG 2002, 651, 656; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1052 (2013); siehe auch AMF, Mansion Report, S. 19, der das record date-Prinzip als „a ,snapshot‘ of the shareholder base at a given date before the general meeting“ beschreibt.
A. Empty voting
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Auseinanderfallen von tatsächlicher Rechtsinhaberschaft und Stimmberechtigung führen kann. Der Gesetzgeber glaubt, dies „im Interesse der Klarheit, Eindeutigkeit und Einfachheit der Verfahrensabläufe vor der Hauptversammlung“ hinnehmen zu müssen.371 Einer Lösung dieses Problems durch die Beschränkung der Handelbarkeit der Aktien zwischen record date und Hauptversammlung steht Art. 7 Abs. 1 lit. b der Aktionärsrechte-Richtlinie im Wege.372 Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass das Recht eines Aktionärs, seine Aktien zu veräußern oder anderweitig zu übertragen, in dem Zeitraum zwischen dem Nachweisstichtag und der Hauptversammlung, auf die sich der Stichtag bezieht, keiner Beschränkung unterliegt. Die freie Handelbarkeit der Aktien in diesem Zeitraum ist also zwingend. Da die aus § 123 Abs. 3 S. 6 AktG folgende Berechtigung zur Ausübung des Stimmrechts nur das Verhältnis zur Gesellschaft betrifft, könnte man jedoch in Erwägung ziehen, dem Veräußerer der Aktien im Verhältnis zum Erwerber die Stimmberechtigung abzusprechen373 bzw. ihm die Pflicht aufzuerlegen, das Stimmrecht im Interesse des Erwerbers auszuüben374. Angesichts des anderenfalls vorliegenden empty voting erscheinen diese Gedanken zunächst durchaus naheliegend.375 Nach dem Regierungsentwurf zum UMAG hatte sich der Legitimationsnachweis noch auf den 14. Tag vor der Hauptversammlung zu beziehen.376 Diese Regelung hatte in zweierlei Hinsicht Anlass zu Kritik gegeben: Zum einen hätte diese Regelung nicht zu einem Legitimationszeitpunkt, sondern zu einem Legitimationszeitraum (record period) von mindestens einem Bankarbeitstag geführt.377 Zum anderen wurde die Ansicht vertreten, eine Frist von 14 Tagen sei für Inhaberaktiengesellschaften zu knapp bemessen, insbesondere im Hinblick auf die Ansprache ausländischer Aktionäre.378 Der Rechtsausschuss trug beiden Kritikpunkten in seiner Beschlussempfehlung Rechnung und schlug die Festsetzung des record date auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung vor.379 Dem sind Bundestag und 371 Vgl. Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 14; ebenso Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1050 (2013); Seibert, WM 2005, 157 f.; Spindler, NZG 2005, 825, 827; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1086; siehe auch Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 370 f. zur Entbehrlichkeit der aufwendigen sog. reconciliation. 372 Vgl. Gower/Davies, Rn. 15-77; Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 317 (2008). 373 So Grigoleit/Herrler, § 123 Rn. 18; Langenbucher, § 6 Rn. 125; K. Schmidt/Lutter/ Ziemons, § 123 Rn. 37. 374 Dazu siehe Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 14; Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 749 ff.; Seibert, WM 2005, 157, 158; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 37. 375 Ausführlich zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Stimmrechtsausübung aus risikoentleerten Stimmrechten siehe unten 4. Kapitel B. II. 376 Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 5, 14. 377 Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 372. 378 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5092, S. 33; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/5693, S. 30. 379 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/5693, S. 7, 30.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Bundesrat bei der Beschlussfassung schließlich gefolgt. Allerdings kann gemäß § 123 Abs. 3 S. 4 AktG in der Satzung eine kürzere Frist vorgesehen werden. cc) Record date capture Bei der zweiten Spielart des empty voting, der record date capture, macht sich ein Investor eben diesen Nachweisstichtag zunutze. Hierbei können zwei Varianten unterschieden werden. (1) Abschluss eines Wertpapierdarlehensvertrags In einer ersten Variante schließen zwei Parteien vor dem für den Nachweis der Aktionärseigenschaft entscheidenden Zeitpunkt einen Wertpapierdarlehensvertrag mit kurzer Laufzeit ab. Im Rahmen des Erfüllungsgeschäfts erwirbt der Darlehensnehmer Aktien zu Eigentum und ist vermittels seiner Aktionärsstellung am record date als record owner zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt. Noch vor dem Hauptversammlungstermin überträgt er die Aktien wieder an den Darlehensgeber zurück.380 Da der Darlehensnehmer dann am Tag der Hauptversammlung nicht mehr Eigentümer der Aktien ist, geht die Stimmberechtigung nicht mit einer entsprechenden wirtschaftlichen Betroffenheit einher; er kann auf der Hauptversammlung als empty voter auftreten.381 Doch selbst wenn er die Aktien nicht unmittelbar nach Verstreichen des record date, sondern erst nach dem Hauptversammlungstermin zurücküberträgt und damit auch noch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Aktionär ist, treffen die wirtschaftlichen Folgen der Entscheidungen der Hauptversammlungen nicht ihn, sondern den Darlehensgeber382 : Zum einen hat der Darlehensnehmer während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte aufgrund der vertraglichen Gestaltung des Wertpapierdarlehens regelmäßig in Form von Kompensationszahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten. Zum anderen besteht für den Darlehensnehmer lediglich die Pflicht zur Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art und Güte, so dass ihn zwischenzeitliche Kursverluste unberührt lassen. Während der empty voter in diesen Fällen ein wirtschaftliches Interesse von null aufweist, ist dieses sogar negativ, wenn zum Abschluss des Wertpapierdarlehens ein short selling hinzutritt: Der Darlehensnehmer kann die vor dem record date darle380 Theoretisch bestünde nach deutschem Recht die Möglichkeit, sich um 23:59 Uhr des 22. Tages vor der Hauptversammlung Aktien darlehensweise zu verschaffen und diese um 0:01 Uhr des 21. Tages vor der Hauptversammlung wieder zurückzuübertragen. Damit wäre die Voraussetzung des § 123 Abs. 3 S. 3 AktG („Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Versammlung“) für die Ausübung des Stimmrechts erfüllt. 381 Vgl. dazu Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 832 f. (2006); dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 641 (2008). 382 Vgl. oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1).
A. Empty voting
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hensweise überlassenen Aktien nach dessen Verstreichen leer verkaufen und somit auf fallende Kurse setzen.383 Vermittels des ihm als record owner zustehenden Stimmrechts kann er die auf der Hauptversammlung zu treffende Entscheidung in seinem Sinne beeinflussen, die Aktien im Markt wieder billiger zurückkaufen und an den Darlehensgeber zurückgeben und die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Rückkaufpreis abzüglich der Darlehensgebühren als seinen Gewinn einstreichen. Sofern der Darlehensnehmer hingegen keine Leerverkäufe tätigt und neben den darlehensweise erlangten Aktien auch eigene Aktien hält, trägt er aus diesen das komplette wirtschaftliche Risiko, so dass unter dem Strich ein positives wirtschaftliches Interesse zu Buche steht. Wie schon beim Einsatz von Derivaten384 kann der empty voter also auch bei der record date capture sein wirtschaftliches Risiko beliebig ausgestalten. (2) Abschluss eines Kaufvertrags Auf den ersten Blick erscheint der Erwerb von Aktien im Wege eines Kaufvertrags kurz vor dem record date und die Wiederveräußerung des Aktienpakets noch vor dem Hauptversammlungstermin385 naheliegender als der Einsatz eines Wertpapierdarlehens.386 Der Investor nimmt in diesem Falle nur für einen kurzen Zeitraum das volle wirtschaftliche Risiko auf sich. Am Tage der Hauptversammlung ist er nicht mehr Aktionär und daher vom Hauptversammlungsbeschluss wirtschaftlich nicht betroffen. Dennoch ist er aufgrund seines Aktienbesitzes am record date zur Ausübung des Stimmrechts befugt. (3) Vorteile des Wertpapierdarlehens Es gibt mehrere Gründe, warum Investoren, die ein record date zum Zwecke eines empty voting ausnutzen wollen, den Abschluss eines Wertpapierdarlehens dem Abschluss eines Kaufvertrags vorziehen dürften.387 Zunächst einmal können die Aktien fast aller börsennotierten Gesellschaften „geliehen“ werden. Wären auf dem Wertpapierleihemarkt nicht zu jeder Zeit Aktien 383
Hierzu siehe auch Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 450. Vgl. oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (4). 385 Entgegen der Situation beim Wertpapierdarlehen ist es beim Aktienkauf nicht sinnvoll, die Aktien vor dem record date zu erwerben und erst nach dem Hauptversammlungstermin wieder zu veräußern. In diesem Fall wird das Ergebnis der Hauptversammlung noch vor der Wiederveräußerung der Aktien in den Aktienkurs eingepreist, so dass der Aktionär die Folgen seines Abstimmungsverhaltens selbst trägt, so dass ein empty voting gar nicht möglich ist, vgl. auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 620; Ostler, S. 88. 386 Zur record date capture im Wege des Kaufs von Aktien siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 620; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 450; Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1029 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 835 (2006); Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170 f.; Mittermeier, S. 118 ff.; Ostler, S. 87 f.; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1054 (2013). 387 Zum Folgenden und darüber hinaus siehe auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1043 ff. (2013). 384
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2. Kap.: Genese des new vote buying
aller Gesellschaften verfügbar, spräche allein dieser Umstand aus Investorensicht für den Kauf der benötigten Aktien. Aber eine US-amerikanische Studie aus dem Jahre 2002 hat ergeben, dass von den bei einem der weltweit führenden Wertpapierverleiher verfügbaren Aktien nur ein geringer Prozentsatz grundsätzlich nicht „ausgeliehen“ werden kann und diese nicht ausleihbaren Aktien lediglich 0,6 % des Marktwertes ausmachen.388 Selbstverständlich steht nochmals auf einem anderen Papier, welcher Anteil der prinzipiell ausleihbaren Aktien einer Gesellschaft tatsächlich verfügbar ist, sollte z. B. ein short seller beträchtlichen Bedarf an Aktien haben. In der US-amerikanischen Literatur werden Zahlen von bis zu 20 % genannt.389 Daten für das Vereinigte Königreich (UK) weisen darauf hin, dass sogar ca. 50 % der im FTSE 100-Index gelisteten Aktien grundsätzlich für Wertpapierdarlehen zur Verfügung stehen.390 Wertpapierdarlehen erscheinen zudem insofern attraktiv, als die darlehensweise Verschaffung billiger ist als der Erwerb im Wege des Kaufs.391 Während der Käufer den vollen Kaufpreis aufzubringen hat, muss der Darlehensnehmer lediglich eine Gebühr für die zeitweise Überlassung der Wertpapiere entrichten. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf die regelmäßig bestehende vertragliche Pflicht des Darlehensnehmers zur Stellung von Sicherheiten hinzuweisen392, die mit 102 % des Marktpreises der darlehensweise überlassenen Aktien den Kaufpreis sogar übersteigen393. Der Darlehensnehmer muss also im Ergebnis über eine ähnliche Finanzkraft verfügen wie ein Käufer. Stärker fällt demgegenüber zugunsten des Wertpapierdarlehens ins Gewicht, dass der darlehensweise Erwerb von Wertpapieren im Gegensatz zu deren Kauf ohne Inanspruchnahme des Marktes und somit ohne Beeinflussung der Marktpreise erfolgen kann. Der Kauf eines beträchtlichen Aktienpakets hätte einen deutlichen Anstieg des Aktienkurses der betreffenden Gesellschaft zur Folge; der Abschluss eines Wertpapierdarlehens hingegen kann diskret zwischen den Vertragspartnern erfolgen.394 388
D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 283. Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1028 (2006); dies., Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 673 unter Berufung auf den Leiter der Securities Lending-Abteilung der SIFMA (Securities Industry and Financial Market Association); Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 25 f. (2006); Aggarwal/Saffi/Sturgess, Working Paper, S. 18, sprechen sogar von 24,05 % (15 Tage vor dem record date) bis 22,09 % (am record date). 390 Vgl. Hu/Black, Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 673. 391 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1028 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 833 (2006); Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170; Oechsler, Rn. 474; siehe zu diesem Aspekt auch noch unten 3. Kapitel A. IV. 2. 392 Dazu siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1). 393 D’Avolio, J. Fin. Econ. 66 (2002) 271, 275; Geczy/Musto/Reed, J. Fin. Econ. 66 (2002) 241, 243 f.; siehe auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1044 (2013). 394 Vgl. dazu Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 620; Hu/Black, Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 673. 389
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Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Falle des Kaufs von Aktien der Erwerber vorübergehend auch das Kursrisiko aus den erworbenen Aktien zu tragen hätte, wohingegen dieses Risiko im Rahmen eines Wertpapierdarlehensvertrags beim Darlehensgeber als wirtschaftlichem Eigentümer der Aktien verbleibt395.396 c) Fallstudien aa) Laxey Partners/British Land Der erste öffentlich bekannt gewordene Fall einer record date capture-Strategie ereignete sich in Großbritannien. Der Hedgefonds Laxey Partners hielt im Jahre 2002 ca. 1 % der Aktien von British Land, einem an der London Stock Exchange gelisteten, im Immobilieninvestment tätigen Unternehmen.397 Nur wenige Tage vor dem record date zur ordentlichen Hauptversammlung verschaffte sich Laxey Partners im Wege eines Wertpapierdarlehens weitere knapp 42 Mio. British Land-Aktien, was einem Anteil von ca. 8 % entsprach,398 und war als record owner zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien berechtigt. Auf der Hauptversammlung unterstützte Laxey Partners Vorschläge, die eine Aufspaltung von British Land und die Absetzung des damaligen Chairman John Ritblat vorsahen.399 Zwar konnte sich Laxey nicht durchsetzen, dennoch schlugen die Wellen nach der Hauptversammlung hoch: Ritblat kritisierte die „rent-a-vote“-Strategie des Hedgefonds in der Financial Times als schlechte Corporate Governance.400 Die drei Institutionen, die Laxey Partners darlehensweise Aktien überlassen hatten, entschuldigten sich dafür bei British Land. bb) Henderson Land/Henderson Investment Ein anderes Beispiel stammt aus Hong Kong. Im Jahre 2006 wollte Henderson Land die ihr noch nicht gehörenden Aktien ihrer 75 %-igen Tochtergesellschaft Henderson Investment erwerben, um sie anschließend von der Börse nehmen zu können. Einem namentlich nicht genannten Hedgefonds gelang es jedoch trotz des hochattraktiven Erwerbspreises – und damit gegen den Willen nicht nur des Großaktionärs, sondern auch aller sonstigen Minderheitsaktionäre –, den Deal zu ver-
395
Vgl. oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1). Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170 f. 397 Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 817 (2006); Mittermeier, S. 7; Scannell, The Wall Street Journal v. 26. 01. 2007, A1; Seibt, ZGR 2010, 795, 799. 398 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1016 (2006); Mittermeier, S. 7 mit Fn. 33; Scannell, The Wall Street Journal v. 26. 01. 2007, A1; Seibt, ZGR 2010, 795, 799. 399 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1028 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 834 (2006); Scannell, The Wall Street Journal v. 26. 01. 2007, A1. 400 Ritblat, Letter to the Editor, Financial Times v. 13. 01. 2003, S. 18. 396
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2. Kap.: Genese des new vote buying
hindern.401 Dies war einer Eigentümlichkeit des Rechts von Hong Kong geschuldet, nach dem lediglich 10 % der im free float befindlichen Aktien, d. h. in diesem Fall 2,5 % aller Aktien, zur Ablehnung des buyouts erforderlich waren.402 Der Hedgefonds ging dabei wie folgt vor: Kurz vor dem record date erwarb er im Wege des Wertpapierdarlehens Henderson Investment-Akien und stimmte als record owner auf der Hauptversammlung gegen die Transaktion. Unmittelbar nach dem Verstreichen des record date verkaufte er die Aktien überteuert leer, ausgestattet mit dem Sonderwissen, dass es nicht zum buyout kommen würde. Als der Kurs der Henderson Investment-Aktie nach der Hauptversammlung, auf der 2,7 % der Aktien gegen den buyout stimmten403, einbrach404, deckte sich der Hedgefonds billiger wieder mit Aktien ein und erfüllte mit diesen seine Verpflichtung zur Rückgewähr aus dem Darlehensvertrag. Die Parallele zum oben geschilderten405 Fall Mylan/King ist schnell ausgemacht: Beide Male stimmte ein Hedgefonds zu Lasten der anderen Aktionäre ab; er nutzte die Finanzalchimie zu seinem persönlichen Profit, aber zum Nachteil aller anderen Beteiligten aus. d) Zusammenfassung Der Zwischenbefund in Bezug auf das empty voting unter Zuhilfenahme von Wertpapierdarlehen liest sich wie eine Replik der Ausführungen zum empty voting mittels des Einsatzes derivativer Finanzinstrumente406. Der Darlehensnehmer erlangt neben dem Aktieneigentum nach herrschender Ansicht auch das mit den übereigneten Aktien einhergehende Stimmrecht. Da jedoch der Darlehensgeber weiterhin die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den überlassenen Aktien trägt, besteht für den Darlehensnehmer die Möglichkeit, sich zu einem geringen Preis (Zahlung des Darlehensentgelts) Einfluss auf die Unternehmensgeschicke zu verschaffen, ohne von den auf den Hauptversammlungen gefassten Beschlüssen wirtschaftlich betroffen zu sein. Dazu genügt es, dass er sich die Aktien kurz vor dem record date darlehensweise verschafft und somit als sog. record owner zur Teilnahme an und zur Ausübung des Stimmrechts auf der Hauptversammlung berechtigt ist. Diese Rechte behält er selbst dann, wenn er nach dem record date die erworbenen Aktien teilweise
401
Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 243 (2008); Scannell, The Wall Street Journal v. 26. 01. 2007, A1. 402 Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 243 (2008); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1029 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 834 (2006); Seibt, ZGR 2010, 795, 800. 403 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1029 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 834 (2006); Seibt, ZGR 2010, 795, 800. 404 Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 243 (2008); Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 834 (2006) sprechen von einem Rückgang des Kurses um 17 % nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses; Scannell, The Wall Street Journal v. 26. 01. 2007, A1 von 18 %. 405 Siehe 2. Kapitel A. II. 1. c) aa). 406 Siehe dazu oben 2. Kapitel A. II. 1. d).
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oder vollständig leer verkauft und somit auf fallende Kurse der Gesellschaft setzt, auf deren Hauptversammlung er stimmberechtigt ist. 3. Merger arbitrage Auch die sog. merger arbitrage oder risk arbitrage wird vereinzelt als Konstellation des empty voting bezeichnet.407 Diese Einschätzung kann nicht geteilt werden, da die Strategien neben Gemeinsamkeiten auch erhebliche Unterschiede aufweisen. a) Allgemeines Die merger arbitrage stellt in anlagestrategischer Hinsicht einen Unterfall der sog. event-driven-Strategie dar.408 Darunter versteht man eine solche Investmentstrategie, mithilfe derer ein Hedgefonds die aufgrund eines außergewöhnlichen Unternehmensereignisses auftretenden erheblichen Kursschwankungen auszunutzen versucht.409 Erfolg versprechend ist diese Form des Investments nur bei solchen Aktien, bei denen die Kursentwicklung nicht so sehr von den allgemeinen Marktumständen, sondern v. a. vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses im Lebenszyklus eines Unternehmens abhängt.410 Besteht dieses außergewöhnliche Unternehmensereignis in einer Übernahme, so spricht man von merger arbitrage. Ziel ist es dabei, aus der im Rahmen von Übernahmen bestehenden gegenseitigen Abhängigkeit der Aktienkurse von Zielgesellschaft und Bietergesellschaft Profit zu schlagen411: Empirischen Beobachtungen zufolge steigt der Kurs der Zielgesellschaft nach dem Aufkommen von Gerüchten über eine bevorstehende Übernahme bzw. nach der offiziellen Ankündigung einer Übernahme regelmäßig an, wohingegen der Kurs der Bietergesellschaft sinkt.412 Umgekehrt verhält es sich, sollte sich der angekündigte Zusammenschluss 407 So Wenninger, S. 64 in Bezug auf den Fall Deutsche Börse/London Stock Exchange; auch Seibt, ZGR 2010, 795, 805, der allerdings den Begriff der merger arbitrage anders versteht und auch den Fall Mylan/King hierunter fasst. 408 Näher zu den Anlagestrategien der Hedgefonds vgl. Eling, S. 29 ff.; Hornberg, S. 77 ff.; Kaiser, S. 77 ff.; Signer, S. 5 ff.; für einen knapperen Überblick Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479, 480 f.; Mittermeier, S. 273 f.; Ricke, BKR 2004, 60, 61 f.; Schmies, S. 44 ff.; de Sousa, S. 10 ff.; Wentrup, S. 73 ff. 409 Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1495 (2006); Signer, S. 15; de Sousa, S. 15 f.; Stulz, Working Paper, S. 13. 410 Kaiser, S. 90; von Livonius, WM 2004, 60, 61; Ostler, S. 75; Schmies, S. 47; Signer, S. 15; de Sousa, S. 16. 411 Eling, S. 47; Geczy/Musto/Reed, J. Fin. Econ. 66 (2002) 241, 261 f.; Hornberg, S. 88; von Livonius, WM 2004, 60, 61; Schmies, S. 47. 412 Vgl. Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983) 5, 9 ff.; Pound/Zeckhauser, J. Bus. 63 (1990) 291; siehe auch Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139, 147; Merkt, Rn. 1429; für das vergleichbare Phänomen des Kursanstiegs nach Bekanntwerden einer signifikanten Beteiligung eines Investors siehe Brav/Jiang/Thomas/Partnoy, J. Fin. 63 (2008) 1729, 1755 ff.; Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119; Klein/Zur, J. Fin. 64 (2009) 187, 207 ff.; Mikkelson/Ruback, J. Fin. Econ. 14 (1985) 523, 532 ff.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
doch nicht realisieren; dann wird der Kurs der Zielgesellschaft wieder fallen, der Kurs der Bietergesellschaft wieder steigen. Dem merger arbitrageur stehen grundsätzlich zwei alternative Strategien zur Verfügung: Er kann auf das Zustandekommen der angekündigten Übernahme hoffen und versuchen, aus dem damit verbundenen Anstieg des Aktienkurses der Zielgesellschaft und dem gleichzeitigen Absinken des Aktienkurses der Bietergesellschaft Profit zu schlagen, indem er Aktien der Zielgesellschaft kauft (long position) und Aktien der Bietergesellschaft leer verkauft (short position). Er kann aber auch auf das Nichtzustandekommen der Übernahme wetten und versuchen, den damit einhergehenden Anstieg des Aktienkurses der Bietergesellschaft und das gleichzeitige Absinken des Aktienkurses der Zielgesellschaft auszunutzen, indem er Aktien der Bietergesellschaft kauft und Aktien der Zielgesellschaft leer verkauft. In beiden Fällen besteht für den merger arbitrageur die Möglichkeit, den Eintritt des relevanten Ereignisses durch die ihm aus den Aktien zustehenden Stimmrechte auf einer evtl. einberufenen Hauptversammlung in seinem Sinne zu beeinflussen. In der Praxis wird die erstgenannte Strategie (Wetten auf das Zustandekommen der Übernahme) der zweiten häufig vorgezogen.413 b) Fallstudie: Deutsche Börse/London Stock Exchange Anschauungsmaterial für die zweite Strategie einer merger arbitrage (Wetten auf das Nichtzustandekommen der Übernahme) bietet der Fall Deutsche Börse/London Stock Exchange (LSE)414, der in den Jahren 2004/05 für beträchtliches Aufsehen sorgte. Eine Gruppe von Hedgefonds (darunter TCI und Atticus Capital) lehnte die Pläne des Vorstands der Deutschen Börse ab, die LSE zu übernehmen415. Nach außen wurden für diese ablehnende Haltung v. a. betriebswirtschaftliche Bedenken ins Feld geführt: Die Übernahme zu 530 Pence je LSE-Aktie sei zu teuer416, und überhaupt sei ein Zusammenschluss beider Börsen nicht wertsteigernd417. Die für die Übernahme angehäuften finanziellen Mittel sollten ihrer Ansicht nach über Aktienrückkäufe an 413 Bratton, 95 Geo. L. J. 1375, 1377 (2007); Eling, S. 47; Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1034 (2006); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 198 mit Fn. 65 (2006); Partnoy/Thomas, Working Paper, S. 39; Signer, S. 15; siehe auch Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479, 481; Ostler, S. 75 f., die nur den erstgenannten Fall schildern. 414 Dazu eingehend aus der – sehr subjektiven – Sicht eines Beteiligten Seifert/Voth, Invasion der Heuschrecken, 2006; siehe auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 f.; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 843 f. (2006); Mittermeier, S. 10 ff.; Ostler, S. 28, 76. 415 Zu derartigen Plänen des Deutsche Börse-Management FAZ v. 14. 12. 2004, S. 9; Handelsblatt v. 14. 12. 2004, S. 1, 2; siehe auch Seifert/Voth, S. 99 ff. 416 Dieses Argument war nicht tragfähig, wie ex post das Übernahmeangebot der – skurrilerweise von Seifert beratenen – australischen Macquarie-Bank vom 10. Januar 2006 über 580 Pence (dazu FAZ v. 11. 01. 2006, S. 19; FAZ v. 12. 01. 2006, S. 21; Seifert/Voth, S. 205 ff.) und der LSE-Kurs von 1429 Pence am 29. Mai 2007 (Voth, Studie, S. 62) belegten. 417 Siehe aber zu den Vorteilen eines Zusammenschlusses Seifert/Voth, S. 61 ff., 89 ff.
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die Aktionäre ausgekehrt werden. Zur Durchsetzung ihrer Ziele nutzten die Hedgefonds und ihre Verbündeten sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Der Widerstand gegen die Pläne des Vorstands der Deutsche Börse AG dürfte indes nicht nur wegen betriebswirtschaftlicher Bedenken derart vehement gewesen sein, sondern auch wegen der Stellung der Hedgefonds TCI und Atticus als merger arbitrageure418. Bis Anfang März 2005 hatten die Hedgefonds ihre Bestände an Aktien der Deutschen Börse bis auf 13 % ausgeweitet, gingen also long und setzten somit auf einen Kursanstieg. Dieser würde insbesondere im Falle der Aufgabe der Übernahmepläne eintreten. Kurz nach Ankündigung des Widerstands gegen die Übernahme im Januar 2005 verkauften die Hedgefonds Aktien der LSE zu Höchstpreisen leer419, gingen also short und hofften somit auf fallende Kurse. Auch hier würde ein Scheitern der Übernahme zu den erwünschten fallenden LSE-Kursen führen. Mithilfe ihrer signifikanten Aktienpakete und im Zusammenwirken mit anderen gleichgesinnten Aktionären konnten TCI und Atticus derart massiven Druck auf das Management der Deutschen Börse ausüben, dass dieses am 06. März 2005 tatsächlich von seinen Übernahmeplänen Abstand nahm420. Diese Nachricht ließ den Kurs der LSE-Aktie deutlich unter den vorgeschlagenen Übernahmepreis von 530 Pence einbrechen.421 In eben diesem Zeitpunkt dürften die Hedgefonds LSEAktien verhältnismäßig billig wieder zurückgekauft, mit diesen ihre Verpflichtung zur Rückübertragung an die Darlehensgeber erfüllt und die Differenz zwischen hohem Verkaufspreis und niedrigem Rückkaufspreis – abzüglich der an den Darlehensgeber zu zahlenden Gebühr – als Gewinn vereinnahmt haben.422 Nimmt man die Positionen in Deutsche Börse-Aktien und LSE-Aktien zusammen, so erkennt man, dass das wirtschaftliche Interesse von TCI und Atticus an einer Verhinderung der Übernahme aufgrund des Leerverkaufs der LSE-Aktien wesentlich größer war als das evtl. vorhandene gleichgerichtete Interesse der übrigen Deutsche Börse-Aktionäre. Zusätzlich verstärkt wurde dieses Interesse der Hedgefonds dadurch, dass sie auch Aktien von Euronext hielten.423 Im Falle einer Übernahme der LSE durch die Deutsche Börse hätte die Aktie der Vierländer-Börse natürlich stark an Wert eingebüßt. Mithilfe ihrer Deutsche Börse-Beteiligungen sorgten die Hedgefonds dafür, dass dies nicht geschehen konnte. Angesichts dieser Ausgestaltung ihrer Portfolios liegt die Vermutung nahe, dass die Hedgefonds selbst dann nicht von einer 418
Siehe dazu Engert, ZIP 2006, 2105, 2107; FAZ v. 11. 05. 2005, S. 22; FAZ v. 28. 09. 2005, S. 23; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 843 (2006); Mittermeier, S. 11. 419 Engert, ZIP 2006, 2105, 2107; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 843 (2006); Mittermeier, S. 11. 420 FAZ v. 07. 03. 2005, S. 1; FAZ v. 08. 03. 2005, S. 1, 23; Handelsblatt v. 08. 03. 2005, S. 2; Seifert/Voth, S. 35 ff. 421 FAZ v. 08. 03. 2005, S. 23 mit Charts zu den Kursentwicklungen der Deutschen Börse, der LSE und der Euronext. 422 Dies vermutend auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 mit Fn. 25; zur Funktionsweise des short selling siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 2. a) cc) (2) (d). 423 Vgl. FAZ v. 11. 05. 2005, S. 22; Mittermeier, S. 11; Seifert/Voth, S. 130 ff.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Übernahme hätten überzeugt werden können, wenn diese einen beträchtlichen Mehrwert für die Anteilseigner der Deutschen Börse bedeutet hätte. c) Vergleich der merger arbitrage mit dem empty voting Die Fälle Mylan/King424 und Deutsche Börse/LSE zeigen anschaulich, warum man den Aufbau einer empty voting-Position mithilfe von Derivaten auch als eine weiterentwickelte Form der merger arbitrage bezeichnen kann.425 Bei der merger arbitrage – wie sie im Fall Deutsche Börse/LSE zu Tage trat – findet eine Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit durch den Abschluss eines Gegengeschäfts nicht statt, so dass der Investor das komplette Risiko aus der long position übernimmt. Da er zusätzlich eine gleichgerichtete Risikoposition an dem zweiten beteiligten Unternehmen aufbaut, trägt er sogar ein doppeltes Risiko. Durch die ihm zustehenden Stimmrechte vermag der merger arbitrageur die Geschehnisse zwar in die für ihn vorteilhafte Richtung zu beeinflussen – sei es auf einer Hauptversammlung durch Ausübung des Stimmrechts oder außerhalb der Hauptversammlung durch Ausübung von Druck auf das Management –, so dass das Risiko eines Verlustes damit faktisch gemildert wird. Nichtsdestotrotz besteht weiterhin das mehr als bloß theoretische Risiko eines Verlustes aus beiden Positionen (aus der long position bzw. short position an der Zielgesellschaft und aus der short position bzw. long position an der Bietergesellschaft), sollte das prophezeite Ereignis „Übernahme“ bzw. „Scheitern der Übernahme“ – aus welchem Grunde auch immer426 – nicht eintreten. Die merger arbitrage stellt im Ergebnis nichts anderes als eine Wette auf das Gelingen bzw. Nichtgelingen der Übernahme dar.427 Um dieses Risiko eines doppelten Verlustes einzudämmen, gehen Hedgefonds wie Perry jedoch mehr und mehr dazu über, die long position durch Derivate zu hedgen, um auf der Hauptversammlung ohne Risiko zum eigenen Vorteil abstimmen zu können. Der Aufbau einer empty voting-Position zeichnet sich gerade durch dieses decoupling aus, das bei der merger arbitrage nicht gegeben ist. Ließe man den Erwerb von Mylan-Aktien durch Perry außer Betracht, erhielte man einen typischen Fall der merger arbitrage mit einer long position in Bezug auf die Zielgesellschaft und einer short position in Bezug auf die Bietergesellschaft. 424
Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel A. II. 1. c) aa). In diese Richtung wohl auch Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1496 (2006); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 198 (2006); Schmolke, ZGR 2007, 701, 711, der im Anschluss an das Beispiel der Deutsche Börse AG die empty voting-Problematik anspricht: „Weitergehend [Hervorhebung durch den Verfasser] sind Fallgestaltungen denkbar, […].“. 426 Neben der Versagung einer evtl. erforderlichen Zustimmung durch die Hauptversammlung oder einem widerspenstigen Management können insbesondere regulatorische Hürden z. B. kartellrechtlicher Art oder politische Vorbehalte dem Zustandekommen einer Übernahme entgegenstehen; siehe auch Eling, S. 48 f.; Hornberg, S. 89; Signer, S. 16. 427 Vgl. Signer, S. 15: „Spekulationsgeschäft mit ungewissem Ausgang“. 425
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III. Zweck Auch wenn diese Frage im Rahmen der bisherigen Ausführungen inzident bereits beantwortet worden ist, soll hier noch einmal ausdrücklich auf den Zweck eines Abstimmens aus risikoentleerten Aktien eingegangen werden. Durch die Ausübung von Stimmrechten, denen kein entsprechendes wirtschaftliches Interesse gegenübersteht, versuchen Investoren, risikolos Unternehmensentscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen.428 Im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist das empty voting insbesondere im Zusammenhang mit Fusionen und Übernahmen zu Tage getreten. Derartige vom Vorstand ins Auge gefasste Maßnahmen sind aufgrund ihrer Seltenheit im Lebenszyklus eines Unternehmens und aufgrund ihrer Bedeutung oftmals Anlass heftiger Auseinandersetzungen über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit.429 Der Kapitalmarkt indes bewertet Fusionen und Übernahmen zumeist recht eindeutig: Während der Aktienkurs der Zielgesellschaft mit dem Aufkeimen von Übernahmegerüchten in aller Regel steigt, sinkt der Aktienkurs der Bietergesellschaft. Gleiches gilt im Falle des tatsächlichen Gelingens der Fusion oder Übernahme. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, die Potentiale der Zielgesellschaft würden unter der neuen Führung besser ausgeschöpft.430 Diese Vorhersehbarkeit der Kursentwicklung und die u. U. bestehende Spaltung des Aktionariats in zwei Lager kann sich ein Kapitalmarktteilnehmer zunutze machen: Ein Aktionär der Zielgesellschaft, der auf das Zustandekommen der Fusion oder Übernahme hofft, kann beispielsweise einen Anteil an der Bietergesellschaft erwerben und sein Stimmrecht auf der Hauptversammlung der Bietergesellschaft in seinem Sinne ausüben. Entledigt er sich des Risikos aus den Aktien der Bietergesellschaft mittels derivativer Finanzinstrumente, kann er je nach Größe seines Anteils maßgeblichen Einfluss auf das Gelingen oder Scheitern der Übernahme nehmen, ohne von der Hauptversammlungsentscheidung wirtschaftlich betroffen zu sein. Die Risikoentleerung seiner Stimmrechte muss er zudem nicht offen legen, d. h. niemand erfährt, dass er zwar wie ein Aktionär stimmberechtigt ist, aber eigentlich gar kein wirtschaftliches Risiko trägt.431 Über den ökonomischen Nutzen der Übernahme für
428 Ein passiver Aktionär ohne wirtschaftliches Beteiligungsinteresse, der nicht durch die Ausübung seines Stimmrechts an der Willensbildung der Gesellschaft teilnimmt, stellt das Gesellschaftsrecht nicht vor Probleme. Hält der Aktionär die Aktien lediglich als finanzielles Investment und setzt Derivate ein, verfolgt er eine klassische micro-hedge-Strategie: Er versucht, durch den Erwerb von short-Derivaten das aktionärstypische Risiko zu minimieren. Risikoreduzierung ist aber nicht per se verwerflich, vgl. Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609. Auch das Wertpapierdarlehen begegnet als Bankgeschäft in Form eines Hedging-, Arbitrage- oder Spekulationsgeschäfts zumindest keinen gesellschaftsrechtlichen Bedenken, vgl. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 597 ff. 429 Das gilt umso mehr, wenn – wie im Fall Deutsche Börse/London Stock Exchange (dazu siehe oben 2. Kapitel A. II. 3. b)) – aktive Investoren beteiligt sind. 430 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 412. 431 Im Einzelnen dazu siehe unten 4. Kapitel B. III.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
die Bietergesellschaft muss er somit nicht nachdenken; er kann schlicht in einem den Wert seiner Beteiligung an der Zielgesellschaft maximierenden Sinne abstimmen. In solchen Fällen, in denen ein Aktionär seine Aktienposition im Vorfeld der Hauptversammlung bewusst durch den Aufbau einer gegenläufigen Derivatposition hedgt, sind Friktionen mit dem Gesellschaftsrecht vorprogrammiert, denn über die bloße Risikoabsicherung hinaus verfolgt ein solcher Aktionär in aller Regel weitergehende Ziele. Wenn er sich des wirtschaftlichen Risikos, das den Aktien anhaftet, teilweise oder vollständig entledigt, bedeutet das zwangsläufig, dass er auch an positiven Unternehmens- und Aktienkursentwicklungen nicht mehr in einem seinem Aktienanteil entsprechenden Ausmaß partizipiert. Auf diese Gewinnchancen wird ein aktiver Aktionär aber nur dann verzichten, wenn ihm dafür aus seiner Stimmrechtsausübung oder aus anderen Kanälen finanzielle Vorteile zufließen. Dies deutet bereits darauf hin, dass in der Person des Aktionärs, der aus risikoentleerten Stimmrechten abstimmt, Anreize gegeben sind, die denen der Mitaktionäre nicht entsprechen. Aufgrund dessen könnte er geneigt sein, sein Stimmrecht allein in den Dienst der Erlangung persönlicher Vorteile zu stellen und weniger am Wohl der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre auszurichten.432 Ähnliches gilt für den Einsatz des Wertpapierdarlehens: Verschafft sich ein Darlehensnehmer kurz vor dem record date über ein Wertpapierdarlehen mit kurzer Laufzeit Aktien, kommt ausschließlich die strategische Komponente des Wertpapierdarlehens zum Tragen, denn es dient allein der Beschaffung des Stimmrechts ohne aktionärstypisches wirtschaftliches Risiko. Da der Darlehensgeber gängiger Vertragsgestaltung zufolge wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien bleibt, verzichtet der Darlehensnehmer beim Aktienerwerb via Wertpapierdarlehen auf die sich aus den Aktien ergebenden Gewinnchancen. Sofern der Darlehensnehmer neben den darlehensweise erlangten Aktien weitere eigene Aktien hält, kann das Wertpapierdarlehen der Erhöhung der Stimmrechtsmacht dienen, um den Gewinn aus den originär eigenen Aktien zu maximieren. Hält er allerdings keine weiteren Aktien, wird sich der Darlehensnehmer für seinen Gewinnverzicht anderweitig Kompensation verschaffen wollen und dieses Ziel vermittels des ihm zustehenden Stimmrechts durchzusetzen suchen.433
B. Hidden (morphable) ownership I. Begriffsklärung Mit dem Begriff „hidden ownership“ bezeichnen Hu und Black das Pendant zum empty voting: Während im Falle des empty voting ein Aktionär mehr Stimmrechtsmacht als wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung der Gesellschaft hat, 432 433
Ausführlich dazu siehe unten 3. Kapitel A. II. 2. b). Ausführlich dazu siehe unten 3. Kapitel A. II. 2. c).
B. Hidden (morphable) ownership
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besitzt der hidden owner umgekehrt mehr wirtschaftliches Interesse als Stimmrechtsmacht.434 Derivate und Wertpapierdarlehen sind wie schon beim empty voting gleichermaßen geeignet, diesen Zustand herbeizuführen. Bedient sich der Investor derivativer Finanzinstrumente, bekleidet er im Rahmen dieser Verträge jedoch nicht wie der auf Derivate vertrauende empty voter die short position, sondern die long position, so dass er wie ein Aktionär von einem steigenden Aktienkurs profitiert. Beim Einsatz von Wertpapierdarlehen tritt der hidden owner als Darlehensgeber von Wertpapieren auf, die er sich zuvor im Wege des Kaufs verschafft hat.435 In beiden Fällen ist der hidden owner zwar bei formaler Betrachtung nicht Aktionär, aber wie ein solcher an der Entwicklung der Gesellschaft interessiert. „Hidden“, d. h. verborgen, ist seine Quasi-Eigentümerstellung, weil die Finanzinstrumente – so wie er sie einsetzt – von den Anteilspublizitätsregeln der §§ 21 ff. WpHG, die auf das Stimmrecht und nicht auf die wirtschaftliche Betroffenheit abstellen, vermeintlich nicht erfasst werden. Aufgrund dessen unterbleibt eine Offenlegung seiner QuasiEigentümerstellung.436 Allerdings sind die Derivat- bzw. Wertpapierdarlehensverträge in der Praxis so ausgestaltet, dass der Investor leicht auch das Eigentum an den Aktien inklusive des Stimmrechts erlangen kann. Daraus erklärt sich der obige Klammerzusatz „morphable“: Die aus rechtlicher Sicht fehlende Stimmrechtsmacht bleibt nur so lange verborgen, bis sie gebraucht wird; sie kann sich zu formaler Stimmrechtsmacht wandeln, falls der Investor dies wünscht.437
II. Zweck Zunächst sei jedoch noch die Frage nach dem Zweck eines solchen Vorgehens aufgeworfen, ohne dessen Einbeziehung eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise der hidden ownership nicht möglich ist. 1. Vermeidung einer Offenlegung nach §§ 21 ff. WpHG Wie bereits angedeutet, hofft der hidden owner, mithilfe der modernen Finanzalchimie „unter dem Radar der kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten hin434 Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1014 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 815 f. (2006); dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 629 (2008); siehe auch schon Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 804 ff. 435 Zu den Einzelheiten beider Spielarten siehe unten 2. Kapitel B. III. 436 Ob dies einer rechtlichen Überprüfung standhält, wird im 4. Kapitel C. I. eingehend erörtert. 437 Vgl. Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 10: „Der Investor parkiert seine Aktien in einem Parkhaus (Bank) und kann diese mittels seines Parkingtickets (CfDs) jederzeit zurückholen.“; siehe auch De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 2: „[…] this hidden ownership scheme allows the undisclosed retention of de facto voting rights exercisable at the investor’s discretion.“; Ferrarini, FS Hopt, S. 1803, 1804; Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 901 (2010); eingehend dazu unten 2. Kapitel B. III.
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durchzufliegen“438. Das kann für ihn insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn er beabsichtigt, sich zwecks Vorbereitung eines Übernahmeangebots heimlich den Zugriff auf einen beträchtlichen Anteil der Stimmrechte einer börsennotierten Zielgesellschaft zu sichern439 : Steigt nach der Bekanntgabe der Übernahmeabsicht der Aktienkurs der Zielgesellschaft wie gewöhnlich an, profitiert der Bieter als Inhaber der long position davon im Rahmen des Derivatgeschäfts. Den erzielten Gewinn kann er später zum Erwerb von Aktien einsetzen und somit faktisch den Übernahmepreis verringern. Durch sein Vorgehen sichert er sich also Aktien der Zielgesellschaft zu einem verhältnismäßig günstigen Kurs.440 Im Falle eines direkten Zukaufs von Aktien am Markt mit anschließendem Pflichtangebot wäre der Bieter hingegen zur Offenlegung des Überschreitens der in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Meldeschwellen verpflichtet, wodurch er die Übernahmephantasie des Marktes anregen und den Kurs in die Höhe treiben würde. Ein ähnlicher Effekt tritt auf, wenn der Anschleicher sukzessive Aktienpakete unter der 3 %-Schwelle des § 21 Abs. 1 WpHG kauft und diese bei verschiedenen Banken im Wege des Wertpapierdarlehens „parkt“. Da der Markt von seinen Übernahmeplänen nichts weiß, kann er die Aktienpakete zu einem Preis erwerben, der diese Information nicht berücksichtigt, und so eine beträchtliche Position zu einem verhältnismäßig billigen Preis aufbauen. Des Weiteren verhindert das heimliche stakebuilding, dass das Management der Zielgesellschaft auf die bevorstehende Übernahme aufmerksam wird und Maßnahmen zur Abwehr des „Angreifers“ einleitet. Und schließlich haben andere potentielle Erwerbsinteressenten nicht die Möglichkeit, sich in einen Bieterwettstreit einzuschalten. Im Zuge der Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler KG hat sich in Deutschland für dieses Vorgehen des späteren Bieters die Wendung „Anschleichen an börsennotierte Unternehmen“ eingebürgert.441
438
So das schöne Bild von Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501. Zum Folgenden siehe auch unten 3. Kapitel B. V. 1. a) und b). 440 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 460; Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 307, 314 ff.; Holfter, S. 77 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 98; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 10 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 441 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401; Holfter, S. 75 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022; siehe auch Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 26, 28, 34; Begründung RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 13. 439
B. Hidden (morphable) ownership
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2. Vermeidung der Veröffentlichung der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und der Abgabe eines Pflichtangebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) a) Kontrollerwerb Sofern sich ein Investor in der vorbeschriebenen Art und Weise an eine börsennotierte Zielgesellschaft anschleicht, bedeutet das bei entsprechender Größe des Derivat- bzw. Darlehensgeschäfts eine vorübergehende Umschiffung auch der Veröffentlichungspflicht des § 35 Abs. 1 WpÜG und der mandatory bid rule des § 35 Abs. 2 WpÜG: Verschafft sich der Investor über den Einsatz von Derivaten oder Wertpapierdarlehen den faktischen Zugriff auf mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft, hält er selbst jedoch diese Stimmrechte (noch) nicht, so werden eine Veröffentlichungspflicht nach § 35 Abs. 1 WpÜG und eine Angebotspflicht nach § 35 Abs. 2 WpÜG (zunächst) nicht ausgelöst442 ; die Veröffentlichung des Erreichens der Kontrollschwelle und die Vorlage des Angebots erfolgen daher erst nach dem tatsächlichen Erwerb der vertragsgegenständlichen Aktien von den Vertragspartnern. In der Praxis ist es aber durchaus üblich, die Möglichkeit des faktischen Zugriffs auf ein die Kontrolle vermittelndes Stimmrechtspaket – gewissermaßen freiwillig443 – schon im Rahmen der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots444 oder im Rahmen eines freiwilligen Übernahmeangebots mitzuteilen. Um sein Übernahmevorhaben in die Tat umsetzen und tatsächlich Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben zu können, muss der Investor irgendwann die sprichwörtliche „Katze aus dem Sack“ lassen und allen Aktionären ein Angebot für ihre Aktien unterbreiten (entweder als Pflichtangebot nach dem Erwerb der Aktien von den Vertragspartnern oder als freiwilliges Übernahmeangebot, in das die Vertragspartner die Aktien einreichen können); insofern handelt es sich nicht um eine endgültige Vermeidung der Pflichten aus § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG, sondern nur um eine vorübergehende. Es gereicht dem Investor allerdings zum Vorteil, dass er mithilfe derivativer Finanzinstrumente bzw. mithilfe der Wertpapierdarlehensverträge den Zeitpunkt für die Abgabe des Angebots frei bestimmen kann. Indes kommt der so verstandenen, temporären Umschiffung des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG neben der Vermeidung der Beteiligungstransparenzvorschriften keine eigenständige Bedeutung zu; letztlich handelt es sich nur um die logische Folge einer Vermeidung der §§ 21 ff. WpHG. Primäres Ziel der Strategie des Investors ist der 442
Siehe unten 4. Kapitel C. II. Selbstverständlich aber erst nach dem vollständigen Aufbau der Derivatposition. 444 So geschehen im Fall Continental/Schaeffler am 15. Juli 2008 (vgl. Habersack, AG 2008, 817; Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 1.3, S. 5), wobei die Presse allerdings schon vor der Veröffentlichung der Entscheidung Schaefflers zur Abgabe eines Angebots über die swap-Geschäfte berichtete, vgl. FAZ v. 15. 07. 2008, S. 9; Schneider/Nagl/Rinke, Handelsblatt v. 15. 07. 2008, S. 1. 443
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unbemerkte und daher billigere Aufbau eines beträchtlichen Aktienpakets, dessen schlussendliche Veröffentlichung zur „Überrumpelung“ des Emittenten geeignet ist. Zur Erreichung dieses Ziels muss der Investor jedoch jede Art von Publizität meiden, auch die durch § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG verursachte. b) Kontrollerhalt Davon zu sondern ist eine Konstellation, in welcher der Investor nicht den Erwerb, sondern den Erhalt der Kontrolle beabsichtigt; sie hat mit dem Anschleichen an eine börsennotierte Gesellschaft nichts zu tun, wenngleich auch hier geheimes Vorgehen eine Rolle spielt. Hält ein Aktionär bereits über 30 % der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft, droht jedoch eine bevorstehende Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss seinen Anteil auf unter 30 % zu verwässern, könnte er – um seinen Kontrollanteil zu halten – nach Vollendung der Kapitalerhöhung Aktien am Markt erwerben. Dies führte indes zum abermaligen Erreichen oder Überschreiten der Kontrollschwelle und somit zum neuerlichen Entstehen der Pflicht zur Abgabe eines Angebots an alle Aktionäre. Ein Erwerb von Aktien vor der Durchführung der Kapitalerhöhung könnte – obwohl eine Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG nicht besteht, weil keine weitere Meldeschwelle überschritten wird – ungewolltes Aufsehen erregen. Aus diesem Grund hilft auch die darlehensweise Weitergabe von zuvor erworbenen Aktien in diesem Falle nicht wirklich weiter. Indes bieten auch hier derivative Finanzinstrumente eine vermeintlich geschmeidige Lösung: Der betroffene Aktionär kann sich durch das Eingehen der long position im Rahmen des Derivatgeschäfts frühzeitig – also noch vor Durchführung der Kapitalerhöhung – und im kollusiven Zusammenwirken mit einer oder mehreren Banken den Zugriff auf Aktien sichern, die ihm den Verbleib jenseits der Kontrollschwelle garantieren. Löst er das Derivatgeschäft im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung auf und erwirbt die von seinem Derivatvertragspartner zur Absicherung gehaltenen Aktien, sichert ihm das den Kontrollerhalt auch nach der Kapitalerhöhung. Da er die Kontrollschwelle zu keinem Zeitpunkt unterschritten hat, entgeht er auf diese Weise der abermaligen Erfüllung der in § 35 WpÜG statuierten Pflichten. Anschauungsmaterial für diese Konstellation bietet der Fall Fiat/Agnelli445. Sie soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht vertieft werden. Allerdings verdeutlicht sie, dass der englische Terminus der hidden (morphable) ownership und der deutsche Begriff des Anschleichens nicht deckungsgleich sind. Die hidden (morphable) ownership bezeichnet den Fall, dass das wirtschaftliche Risiko die Stimmrechtsmacht übersteigt. Sie erfasst damit wie gesehen neben dem verdeckten Kontrollerwerb, dem sog. Anschleichen, aber auch den verdeckten 445 Vgl. dazu European Commission, SEC(2008) 3033 final, Rn. 20 mit Fn. 43; Ferrarini, FS Hopt, S. 1803, 1816 ff.; Grant/Kirchmaier/Kirshner, Discussion Paper, S. 12 ff.; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 839 f. (2006); Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 129 f.
B. Hidden (morphable) ownership
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Kontrollerhalt. Demzufolge stellt das Anschleichen nur einen Aspekt der hidden (morphable) ownership dar.
III. Funktionsweise Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich Investoren in der Praxis an börsennotierte Gesellschaften anschleichen. Wie gesagt kann der Anschleicher – wie der empty voter auch – entweder auf Derivate (dazu 1.) oder auf Wertpapierdarlehen (dazu 2.) zurückgreifen. 1. Einsatz von Derivaten Exzellentes Anschauungsmaterial zum Anschleichen mithilfe derivativer Finanzinstrumente enthalten die relevanten Passagen der Angebotsunterlage zum freiwilligen Übernahmeangebot der Schaeffler KG an die Aktionäre der Continental AG446 sowie das Urteil des US District Court for the Southern District of New York im Fall CSX/TCI447. a) Optionen der Derivatvertragsgestaltung Wie bereits oben erwähnt448, werden Derivatgeschäfte überwiegend auf der Grundlage von Rahmenverträgen abgewickelt. Bei internationalen Geschäften sind die von der ISDA entwickelten Dokumente Standard. Die Besonderheiten des jeweiligen Kontrakts werden in einem separaten term sheet vereinbart.449 Im Zusammenhang mit der hidden ownership erfreuen sich call options450 und equity swaps besonderer Beliebtheit. Derartige Geschäfte werden zumeist zwischen einer Bank als Verkäufer und einem Investor, beispielsweise einem Übernahmeinteressenten, als Käufer abgeschlossen.451 Obwohl letzterer eine Quasi-Eigentümerstellung auch durch den Abschluss von Derivatgeschäften mit physical settlement erwerben kann, wird der heimliche Aufbau einer Beteiligung an der Zielgesellschaft
446
Vgl. Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 15 f. Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511 (S.D.N.Y. 2008); näher zu diesem Urteil unten 2. Kapitel B. III. 1. d) cc). 448 Siehe 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (1). 449 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 457; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292; siehe auch CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 519 mit Fn. 11 (S.D.N.Y. 2008). 450 Put options hingegen eignen sich nur bedingt zum Aufbau einer wesentlichen Beteiligung, vgl. Cascante/Topf, AG 2009, 53, 64. 451 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.4; Holfter, S. 121; Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 638 (2008); McCarthy, FSR April 2007, 77, 82; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 7; Panel on Takeovers and Mergers, Derivatives PCP 2005/1, Rn. 2.2; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 563. 447
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in der Regel452 über den Abschluss von Derivaten mit cash settlement vollzogen, um Konflikte mit § 25 Abs. 1 WpHG zu vermeiden, wonach Derivate mit Realerfüllungsanspruch offenlegungspflichtig sind, sobald sie ein Volumen von 5 % erreichen. Als Erwerber einer call option mit cash settlement453 wird der Investor dann von seinem Optionsrecht Gebrauch machen, wenn der Aktienkurs zum Ausübungszeitpunkt den vorher vereinbarten Preis überschreitet. Er hat dann gegen die Bank einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags, der mit der Ausübung des Optionsrechts fällig wird454. Sinkt der Börsenkurs unter den vereinbarten Ausübungspreis, wird er von seinem Optionsrecht keinen Gebrauch machen. In diesem Fall kann die Bank die für die Bereitstellung der Option gezahlte Gebühr komplett als Gewinn vereinnahmen. Eine Gebührenzahlungspflicht trifft den Investor auch beim Abschluss eines cash settled equity swap-Vertrags455. Während der Vertragslaufzeit anfallende Dividenden hat die Bank in Form von Ausgleichszahlungen an den Vertragspartner weiterzuleiten. Welcher Vertragspartner darüber hinaus weitere Zahlungen erhält, hängt davon ab, wie sich der Aktienkurs bis zur Beendigung des Vertrags entwickelt: Steigt der Aktienkurs, kann der Investor die Differenz zwischen dem Wert des Aktienpakets zu Beginn und zum Ende des Geschäfts in Form einer Barzahlung verlangen, im Falle sinkender Aktienkurse hingegen ist er zur Zahlung des Differenzbetrags an die Bank verpflichtet. Die jeweiligen Zahlungspflichten werden mit der Beendigung des swapGeschäfts fällig, die im Normalfall durch Zeitablauf eintritt; in Übernahmekonstellationen ist jedoch nicht selten ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Investors vorgesehen456. Selbstverständlich bleibt es den Vertragspartnern unbenommen, die Vereinbarung jederzeit einvernehmlich aufzuheben.457
452 Siehe aber auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1765 f. zum Einsatz von Optionen mit Realerfüllungspflicht. 453 Zur call option im hiesigen Zusammenhang Bertschinger, SZW 2008, 208, 209; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Christ, S. 49 f.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; siehe auch schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (2) (b). 454 Grunewald/Schlitt, § 7 II 2, S. 139; Reiner, S. 13; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.31; Rudolph/K. Schäfer, S. 21. 455 Zum equity swap im hiesigen Zusammenhang CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511 (S.D.N.Y. 2008); Cascante/ Topf, AG 2009, 53, 60; De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 2; Kümpel/Wittig/ Rudolf, Rn. 19.155 ff.; Schanz, DB 2008, 1899, 1901; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 120 f.; siehe auch schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3) (b) (bb). 456 So im Fall Schaeffler/Continental, siehe Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16; siehe auch FSA, CfD CP 07/20, Rn. 2.2; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292; Wansleben, StudZR 2009, 465, 471; zu den Auswirkungen eines solchen Kündigungsrechts näher unten 2. Kapitel B. III. 1. b) cc). 457 Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503.
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Gebräuchlich – weil keine Offenlegungspflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG auslösend458 – ist in der Praxis auch eine Vertragsgestaltung derart, dass der Bank als Stillhalter der Option bzw. als swap-Verkäufer ein Wahlrecht eingeräumt wird, ob sie im Fälligkeitszeitpunkt ihrer Leistungspflicht durch die Zahlung eines Barausgleichs oder durch die Lieferung der Aktien nachkommt.459 b) Faktischer Zugriff des Investors auf die Aktien der Banken Sehen die zwischen dem Anschleicher und der Bank abgeschlossenen Derivatverträge nur eine Barerfüllung und keine Realerfüllung in Aktien vor, stellt sich die Frage, auf welchem Weg erstgenannter letztlich doch das Eigentum der Aktien erlangen kann. aa) Hedging-Maßnahmen der Bank In allen vorgenannten Konstellationen profitiert die Bank als Inhaber der short position von einem sinkenden Kurs der dem Geschäft als Basiswert zugrunde liegenden Aktien und muss Verluste bei einem steigenden Kurs hinnehmen. Im eigenen Interesse wird die Bank Maßnahmen zur Begrenzung ihres Verlustrisikos ergreifen. Das gilt erst recht beim geplanten Aufbau einer wesentlichen Beteiligung oder im Vorfeld einer Übernahme, weil in diesen Fällen der Aktienkurs der Zielgesellschaft in aller Regel steigt.460 Eine erste Möglichkeit besteht darin, zeitnah Aktien des betreffenden Unternehmens zu erwerben (long position im Basiswert als Gegengeschäft zur short position aus dem Derivatgeschäft, sog. natural hedge) und bis zur Beendigung des Derivatgeschäfts zu halten461: Bei steigenden Kursen wird der Verlust der Bank aus den Derivatgeschäften durch einen äquivalenten Gewinn aus den gehaltenen Ak458
Siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (1) und C. I. 1. c) ee) (4). Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461 (Ersetzungsbefugnis des Erstellers); Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1090; Christ, S. 49; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 562 f. 460 Siehe dazu oben 2. Kapitel A. II. 3. a) und die Nachweise dort in Fn. 412; vgl. auch CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 521 f. (S.D.N.Y. 2008); FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 16, Question 19, wonach alle Teilnehmer der Umfrage auf die Frage, ob sie ihre CfD-Positionen hedgen, mit „Ja“ geantwortet haben; Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16. 461 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 458, 460; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Christ, S. 47; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Gower/Davies, Rn. 15-81, 28-45; Habersack, AG 2008, 817, 818; Herbet/Bordeleau, I.B.L.J. 2009, 80, 81 f.; Holfter, S. 121; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 837 (2006); Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 217; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 98; De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 2; Renn, S. 297; ders., SZW 2010, 186, 187 f.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.158; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 160 (2009); Wansleben, StudZR 2009, 465, 471; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; vgl. auch KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 105; FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 16, Question 19, 20; Takeovers Panel, Equity Derivatives, Rn. 28. 459
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tien kompensiert. Bei sinkenden Kursen wird der Gewinn aus den Derivatgeschäften durch einen entsprechenden Verlust aus den Aktien eliminiert.462 Als Inhaber von Stimmrechten ohne einhergehendes wirtschaftliches Risiko ist die Bank in diesem Fall ein empty voter.463 Die Bank kann sich auch dadurch absichern, dass sie weitere Derivatgeschäfte mit anderen Banken abschließt, in deren Rahmen sie eine die short position ausgleichende long position einnimmt464, jedoch ist diese Art des hedging einer Umfrage der FSA465 zufolge im Allgemeinen weniger gebräuchlich als der direkte Erwerb des Basiswertes466. Dies mag daran liegen, dass es hierzu stets einer Gegenpartei bedarf, welche die zukünftige Entwicklung des Marktpreises des Basiswertes gegenläufig einschätzt und sich aufgrund dessen zur Übernahme des Risikos bereit erklärt.467 Sollte anhand der konkreten Umstände erkennbar sein, dass eine Übernahme im Raum steht, werden potentielle Vertragspartner erst recht nicht bereit sein, das Risiko einer Kurssteigerung infolge des Bekanntwerdens der Übernahmepläne zu tragen.468 Allerdings bestünde für den Vertragspartner wiederum die Möglichkeit, das übernommene Risiko durch den Erwerb der als Basiswert dienenden Aktien zu hedgen.469 Sichert sich die Bank vollständig auf die eine oder andere Weise ab, übernimmt sie letztlich die Funktion eines bloßen Dienstleisters470 : Sie ermöglicht dem Investor den 462 Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 277 (2009); Christ, S. 47 f.; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 463 Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1119 (2013); Christ, S. 48; Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 900 (2010); Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 98; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. Sollte die Bank das Stimmrecht aus diesen Aktien ausnahmsweise tatsächlich im Interesse des Investors ausüben, ist dies nicht derart problematisch wie die üblichen Fälle des empty voting, da die Stimmrechtsausübung gerade die Interessen des wirtschaftlichen Eigentümers berücksichtigt, vgl. Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609; siehe aber auch Renn, S. 296. 464 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 460; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1089; Christ, S. 53; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 217 f.; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 8; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 108; Renn, S. 300 ff.; ders., SZW 2010, 186, 187; Kümpel/Wittig/Rudolf, Rn. 19.158; Schanz, DB 2008, 1899, 1903; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 121. 465 Durch den Financial Services Act 2012 (c. 21) wurde die FSA mit Wirkung zum 01. April 2013 durch die Financial Conduct Authority (FCA) ersetzt. 466 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 16, Question 20. 467 Zu den konträren Zukunftserwartungen der Parteien eines Derivatgeschäfts siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) aa) (2) (d). 468 So auch C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023 mit Fn. 25; siehe auch Christ, S. 53. 469 So wird in den hier einschlägigen Konstellationen denn auch verfahren, siehe dazu sogleich. 470 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 458; siehe auch CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 521 f. (S.D.N.Y. 2008): „The defendants’ counterparties in this case are major financial service institutions that are in
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Abschluss des gewünschten Derivatgeschäfts und erhält im Gegenzug von ihm eine Gebühr. Ein wirtschaftliches Risiko trägt sie nicht. Sofern der Investor mittels derivativer Finanzinstrumente den Aufbau einer wesentlichen Beteiligung oder ein Übernahmeangebot vorbereitet, wird die Bank angesichts der Größe der short-Position aus dem Derivatgeschäft mit dem Bieter eine Kombination beider hedging-Varianten einsetzen müssen471, will sie nicht das frühzeitige Bekanntwerden der Pläne ihres Vertragspartners riskieren: Sie wird – soweit dies nach den Vorschriften des WpHG ohne die Auslösung einer Meldepflicht möglich ist472 – selbst Aktien der Zielgesellschaft erwerben und im Übrigen Derivatgeschäfte mit anderen Finanzdienstleistungsinstituten abschließen, die dann ihrerseits zur Absicherung den Basiswert erwerben oder weitere Derivatgeschäfte abschließen. bb) Wirtschaftliche Anreize der Banken zur Andienung der Aktien Ob sich die Bank gegen das Risiko eines Kursanstiegs absichert und wie sie dies ggf. tut (durch den Erwerb der zugrunde liegenden Aktien oder durch den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte mit Drittbanken), steht in ihrem alleinigen Ermessen; darauf hat der Investor keinen Einfluss.473 Somit ist die Bank zur Beschaffung der Aktien der Zielgesellschaft zwar vertraglich nicht verpflichtet, und ein Anspruch des Investors auf Realerfüllung besteht erst recht nicht. Gleichwohl werden in der Realität – entweder nach der cash-Abwicklung des Geschäfts474 oder anstelle des the business, among others, of offering TRSs [total return swaps, Anm. d. Verf.] as a product or service and seeking economic return […].“; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1769; Noack/ Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 570 unter der Zwischenüberschrift „Servicemodell“. 471 Siehe auch FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 16, Question 20, wonach einige Befragte sich auf mehr als eine Weise gegen das aus dem CfD entspringende Risiko absicherten. 472 Bis zu 2,99 % der Aktien der Zielgesellschaft kann die Bank erwerben, ohne nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig zu werden. Unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 WpHG (Halten von Aktien im Handelsbestand) kann die Bank bis zu 5 % der Aktien der Zielgesellschaft erwerben, vgl. im hiesigen Kontext Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 462 f.; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 65; Holfter, S. 162, 166; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 347; allgemein Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 23 Rn. 7 ff.; Assmann/Schneider/ Schneider, § 23 Rn. 7 ff. 473 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461 f.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Holfter, S. 161 f.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 215; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293; siehe auch Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16: „In welchem Umfang hier das Finanzdienstleistungsinstitut selbst zur Absicherung Continental-Aktien erworben oder derivative Finanzinstrumente mit Dritten vereinbart hat, ist der Bieterin nicht bekannt.“ 474 Vgl. Fehr, FAZ v. 17. 07. 2008, S. 12: „Nach dem Abschluss des swap-Geschäfts durch Barausgleich mit Schaeffler muss die Bank zur Begrenzung ihrer Risiken die Conti-Aktien wieder am Markt verkaufen. In diesem Moment könnte dann auch Schaeffler für diese Pakete bieten.“; Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 245; Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16: „Dieses Swap-Geschäft […] wird dann durch Zahlung einer Geldleistung abgewickelt.“
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vertraglich vereinbarten Barausgleichs475 –476 nicht selten auch die Aktien geliefert477, denn letztlich ist es ja gerade der Wunsch des Investors, zum Zwecke des Aufbaus eines signifikanten Aktienpakets die Aktien zu erhalten478. Die beteiligten Banken – sowohl die mit dem Investor unmittelbar in Verbindung stehende Bank als auch die Banken aus der „zweiten Reihe“ – werden ihrerseits aus zweierlei Gründen kaum veranlasst sein, diesem Wunsch nicht nachzukommen479: Zum ersten müssen sie die zu hedging-Zwecken erworbenen Aktien bei Beendigung des Derivatgeschäfts verkaufen, wollen sie nicht fortan das aus ihnen resultierende Kursentwicklungsrisiko tragen.480 Schlimmstenfalls gefährden sie durch das Halten der Aktien den Aufbau der Beteiligung bzw. die Übernahme und gehen somit das Risiko ein, dass der Aktienkurs der Zielgesellschaft wieder auf das Niveau 475 Zur kautelarjuristischen Option eines Wahlrechts für die Bank siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. a). 476 Ob die Aktien erst nach dem cash settlement gegen Zahlung eines dann vereinbarten Kaufpreises geliefert werden oder als cash-Ersatz gegen Zahlung des vereinbarten Einstandskurses, kann dann von Bedeutung sein, wenn die Bank in der ersten Variante einen Kaufpreis aushandeln kann, der über dem von ihr gezahlten Kaufpreis liegt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Marktpreis nach Vorlage des Übernahmeangebots über den Übernahmepreis steigt, vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461 mit Fn. 26. Dann wird sie nicht nur Zinszahlungen und Gebühren vereinnahmen können, sondern auch einen Gewinn aus dem Handel mit den Aktien. Dieser ist ihr bei einer Realerfüllung gegen Zahlung des zu Beginn des swap-Geschäfts vereinbarten Einstandskurses definitiv verwehrt. 477 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 523 (S.D.N.Y. 2008); Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Gower/Davies, Rn. 28-45; McCarthy, FSR April 2007, 77, 83; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 13; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 563; siehe auch Fehr/Jahn, FAZ v. 09. 08. 2008, S. 13, nach denen „eine gewisse Wahrscheinlichkeit [besteht], dass die Partner des swap-Geschäfts das Übernahmeangebot von Schaeffler wahrnehmen und Conti-Aktien andienen werden.“; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 839 (2006), die von einer „market expectation that a dealer will unwind a swap“ sprechen; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571: „[…] stellen Cash-Settlement-Optionen bei gleichgelagerten Interessen von Optionskäufer und -verkäufer nichts anderes als getarnte Physical-Settlement-Optionen dar.“; Panel on Takeovers and Mergers, Derivatives PCP 2005/1, Rn. 3.3: „[…] it is frequently the expectation of a holder of a long CFD that the counterparty will ensure that the shares to which the CFD is referenced are available to be voted by the counterparty and/or sold to the holder of the CFD on closing out the contract.“ 478 So auch von der Crone/Bilek/Hirschle, SZW 2008, 1, 10; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; siehe auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1769, die davon ausgeht, dass die Bankinstitute in den meisten Fällen realisierten, dass mit den Derivatstrategien ein heimlicher Positionsaufbau intendiert wurde; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 139, dem zufolge die Investmentbank in der Regel über die Absichten des Vertragspartners informiert ist. 479 Von einem „zumindest faktischen Zwang zur Veräußerung“ der Aktien sprechen C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 480 CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 542 (S.D.N.Y. 2008); Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 218; Schanz, DB 2008, 1899, 1901; ders./Schalast, Working Paper, S. 13; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 160 (2009); Wansleben, StudZR 2009, 465, 471; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023.
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vor Bekanntwerden der Beteiligungs- bzw. Übernahmepläne zurückfällt.481 Zwar steht es den Finanzdienstleistungsinstituten grundsätzlich frei, an wen und zu welchem Preis sie verkaufen, doch dürfte es sich für sie schwierig gestalten, größere Aktienpakete kursschonend am Markt zu veräußern482, so dass es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll erscheint, die Wertpapiere dem Anschleicher anzudienen483. Das gilt umso mehr, als dieser sicherlich bereit sein wird, einen anständigen Preis für die Aktien zu zahlen, denn zum einen haben die Aktien für sein Vorhaben eine immense Bedeutung, und zum anderen unterliegt er grundsätzlich keinen preislichen Restriktionen484 : Selbst wenn die Banken für die von ihnen gehaltenen Aktien einen hohen Preis fordern (können), beispielsweise weil der aktuelle Aktienkurs bei Beendigung des swap-Geschäfts über dem gebotenen Übernahmepreis liegt, bereitet die Finanzierung des Kaufpreises für den Bieter keine Schwierigkeiten, da dann auch seine Erträge aus den swap-Geschäften entsprechend hoch sein werden.485 Der somit für alle Banken gegebene finanzielle Anreiz, bei Beendigung des jeweiligen Geschäfts den Wünschen des Anschleichers zu entsprechen, wird für die mit dem Investor direkt in Kontakt stehende Bank durch die mit dem Abschluss der Derivatgeschäfte lockenden, nicht unerheblichen Gebühren noch verstärkt. Zum zweiten steht der gute Ruf der Banken als verlässlicher Vertragspartner auf dem Spiel.486 Dieser Aspekt wiegt umso schwerer, je stärker die Institute für ihre Hilfe beim Aufbau „heimlicher“ Beteiligungen in der Kritik stehen.487 481
C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. Sofern nicht der Verkauf an einen „white knight“ möglich ist, vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461 mit Fn. 25; Habersack, AG 2008, 817, 818; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 294; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023 f.; siehe auch Christ, S. 55; Ferrarini, FS Hopt, S. 1803, 1822. 483 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461; von der Crone/Bilek/Hirschle, SZW 2008, 1, 10; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 571; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 10; McCarthy, FSR April 2007, 77, 83; Merkner/ Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Renn/Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 441; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 294; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 160 f. (2009); Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 130 f. 484 Vgl. Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505; McCarthy, FSR April 2007, 77, 83; Takeovers Panel, Equity Derivatives, Rn. 30: „Further, if settlement is based on the price of the physical in the market on the day the equity derivative is unwound, the holder may have a reduced price restraint in acquiring the hedge shares (especially if the size of the equity derivative is large compared to the normal market volume of the security) – the more it pays in the market to buy the shares on the unwind date, the higher is the pay-off on the swap. Noone else in the market has that reduced price restraint.“ 485 Allerdings muss der Bieter berücksichtigen, dass der Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft nach Veröffentlichung des Angebots zu einer höheren als der im Angebot genannten Gegenleistung das gesamte Übernahmeangebot verteuert (vgl. § 31 Abs. 4 WpÜG). 486 Dies betonend auch Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1030 (2006); Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 98; De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 2; bezüglich der Ausübung des Stimmrechts aus den Aktien Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 577; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 138. 482
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2. Kap.: Genese des new vote buying
cc) Vertragliche Absicherung Das erwünschte Verhalten der Banken – und damit der faktische Zugriff des Investors auf die Aktien – lässt sich auf simple Weise kautelarjuristisch zusätzlich absichern: Obwohl swaps in der Regel auf eine bestimmte Zeit vereinbart werden, sehen die Verträge häufig ein Recht des Investors zur vorzeitigen Kündigung vor. In diesem Fall hat die Bank ihre Sicherungspositionen in wirtschaftlich vernünftiger Weise („commercially reasonable manner“) aufzulösen.488 Sofern die Bank zum Zwecke des hedging nicht selbst Aktien erwirbt, sondern mit weiteren Instituten Derivatgeschäfte abschließt, wird auch sie sich ein jederzeitiges Kündigungsrecht vorbehalten, um auf die Kündigung des swap-Geschäfts durch den Investor unverzüglich mit der Kündigung des Sicherungsderivatgeschäfts reagieren zu können. So kann die Bank verhindern, dass sie nach der Kündigung des Investors dem derivatespezifischen Preisänderungsrisiko489 ausgesetzt ist. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass auch die Bank ihre Vertragspartner verpflichtet, die zur Absicherung erworbenen Positionen in Aktien der Zielgesellschaft in „wirtschaftlich sinnvoller Weise“ aufzulösen. Sämtliche zur Absicherung erworbenen Aktien der Zielgesellschaft könnten also an der Börse oder außerbörslich an einen Dritten verkauft oder aber dem Investor angedient, z. B. in das Übernahmeangebot eingereicht werden. Welche dieser Alternativen „wirtschaftlich vernünftig“ ist, können die Bank bzw. deren Derivatvertragsparteien zwar nach eigenem Ermessen entscheiden; angesichts der beschriebenen Anreize liegt die Veräußerung an den Anschleicher jedoch nahe.490 Sofern der Anschleicher von der Bank eine call option erwirbt, lässt sich das gleiche Ergebnis erzielen, indem eine call-Option amerikanischen Typs, d. h. eine Option mit einem jederzeitigen Ausübungsrecht des Bieters, vereinbart wird. Hat die Bank zum Zwecke des hedging weitere Derivatgeschäfte abgeschlossen, sollte sie sich ebenfalls eine amerikanische call option bzw. bei Abschluss eines swap ein jederzeitiges Kündigungsrecht in der zuvor beschriebenen Weise einräumen lassen. 487 Vgl. Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1769 f.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1507; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 564 jeweils zum Reputationsverlust der Banken, welche mittels cash settled equity swaps die Übernahme des schweizerischen Traditionsunternehmens Sulzer durch eine österreichisch-russische Investorengruppe ermöglichten. 488 Für ein Beispiel siehe Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16; dazu auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 461; Christ, S. 49; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292, 294. 489 Zu diesem siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (1). 490 Siehe auch Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16: „Welche dieser Alternativen wirtschaftlich sinnvoll ist, muss die jeweilige Gegenpartei selbst entscheiden, wobei sie ihre Entscheidung vermutlich am Börsenkurs der Continental-Aktie bei Auflösung des SwapGeschäfts und der dann bestehenden Aufnahmefähigkeit des Marktes ausrichten wird. Weil der Angebotspreis feststeht und – anders als ein Börsenpreis – nicht durch börsliches Angebot und börsliche Nachfrage nach Continental-Aktien beeinflusst wird, könnte es insbesondere dann, wenn sich mehrere Parteien gleichzeitig von Continental-Aktien trennen wollen, wirtschaftlich sinnvoll sein, das Angebot anzunehmen.“; dazu auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 294; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 130 f.
B. Hidden (morphable) ownership
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c) Ergebnis Trotz des Abschlusses von lediglich auf ein cash settlement gerichteten Derivatverträgen kann der Investor relativ sicher davon ausgehen, nach Beendigung der Geschäfte nicht nur einen Barausgleich, sondern auch die dem Derivatkontrakt als Basiswert zugrunde liegenden Aktien zu erhalten und somit rechtlicher Eigentümer der Aktien zu werden. So kann er seinem Beteiligungs- bzw. Übernahmevorhaben zum Erfolg verhelfen. Gerade diese faktische Möglichkeit des Zugriffs auf die Aktien ist es, was der Terminus „morphable ownership“ beschreibt.491 Doch selbst wenn die Banken die von ihnen gehaltenen Aktien nicht dem Investor andienen, sondern sie beispielsweise in das höhere Angebot eines konkurrierenden Bieters annehmen, und sich damit die Erwartungen des Investors nicht erfüllen, ist der von ihm betriebene Aufwand keineswegs vergebens, denn auch in diesem Fall wird er die Transaktion mit einem kräftigen Gewinn abschließen können: Soweit er bereits selbst Aktien hält, kann er diese in das höhere Angebot einreichen. Der durch das höhere Angebot verursachte Kursanstieg gereicht ihm aber auch bei der Beendigung der Derivatgeschäfte zum Vorteil, da der von den Banken zu leistende Barausgleich höher ausfällt als erwartet. Im Ergebnis geht der Investor mit dem Anschleichen an die Zielgesellschaft also kein finanzielles Risiko ein, ein Aspekt, der für seine Gesamtstrategie eine nicht unbedeutende Rolle spielen dürfte.492 d) Fallstudien Anschauungsmaterial zu dieser Spielart der hidden (morphable) ownership ist derart zahlreich vorhanden, dass schon aus diesem Grunde hier nicht auf alle bekannt gewordenen Fälle eingegangen werden kann. Dies wäre im Übrigen auch nicht sonderlich gewinnbringend, da sich die Vorgehensweise der Investoren kaum voneinander unterscheidet. Der Fokus richtet sich im Folgenden auf die Fälle Continental/Schaeffler, Implenia/Laxey und CSX/TCI.493 An diesen Beispielen wird auch die internationale Verbreitung dieses Phänomens deutlich.
491
Siehe auch das schöne Bild von Hayden/Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 448 (2008): „[…] shareholders may retain ,hidden‘ ownership of their shares, such that immense voting power in the corporation can be pulled out from seemingly thin air when this voting power would be instrumental.“ 492 Vgl. dazu auch Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 104; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 131. 493 Für weitere Beispiele vgl. die tabellarische Darstellung bei Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 661 ff. (2008) m.w.N. Als Fälle mit deutscher Beteiligung seien genannt Volkswagen/ Porsche (2005 – 2009), MLP/Swiss Life (2007/2008), Arques/Aurelius (2008) und SGL Carbon/SKion (2009).
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2. Kap.: Genese des new vote buying
aa) Continental/Schaeffler Der bereits eingangs494 erwähnte Übernahmefall Continental/Schaeffler hat hierzulande eine zuweilen emotional geführte Diskussion unter dem Stichwort des „Anschleichens“ an börsennotierte Unternehmen ausgelöst.495 Der fränkische Automobilzulieferer Schaeffler war im Frühjahr 2008 bestrebt, zwecks Vorbereitung eines freiwilligen Übernahmeangebots möglichst geräuschlos, d. h. ohne Offenlegung seines Vorgehens, eine beträchtliche Position in ContinentalAktien aufzubauen. Neben dem Direktinvestment in Continental-Aktien in Höhe von 2,97 %, das nach damaliger Gesetzeslage ebenso wenig offenlegungspflichtig war wie der Erwerb von Kaufoptionen über 4,95 %496, baute Schaeffler auf der Grundlage einer swap-Vereinbarung vom 17. März 2008 mit der Investmentbank Merrill Lynch497 im Zeitraum zwischen dem 25. März 2008 und dem 23. Mai 2008 eine cash settled equity swap-Position über weitere 28 % der Continental-Aktien auf498. Zur Vermeidung einer eigenen Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG und zum Zwecke des hedging der short position aus dem Geschäft mit Schaeffler erwarb Merrill Lynch Continental-Aktien knapp unterhalb der Meldeschwelle von 3 % und schloss im Übrigen entsprechende swap-Verträge mit anderen Kreditinstituten499 ab. Diese 494
Siehe oben 1. Kapitel A.: Fallbeispiel 3. Mehrere Vorstandsmitglieder namhafter DAX-Unternehmen empfanden das Verhalten der Schaeffler-Gruppe als derart ungehörig, dass sie sich veranlasst sahen, den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück in einem gemeinsamen Brief auf vermeintlich bestehende Gesetzeslücken hinzuweisen, vgl. Handelsblatt v. 28. 08. 2008, S. 1 und S. 15. Allerdings erfuhr dieser Vorstoß keineswegs einhellige Unterstützung in Unternehmenskreisen, vgl. Handelsblatt v. 29. 08. 2008, S. 16 unter der Überschrift „Nicht alle Dax-Manager geißeln das Anschleichen“. Selbstverständlich schalteten sich auch Politiker jeder Couleur in diese Diskussion ein und sprangen entweder dem einen oder dem anderen Lager bei. Die anfangs aufgeheizte Stimmung verleitete die Bundesregierung erfreulicherweise nicht zur panikartigen Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs, vgl. Handelsblatt v. 11. 11. 2008, S. 4. 496 Die in § 25 Abs. 1 S. 3 WpHG vorgesehene Zusammenrechnung von Finanzinstrumenten nach § 25 WpHG mit den Beteiligungen nach §§ 21, 22 WpHG trat erst am 01. März 2009 im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes in Kraft, vgl. auch Cascante/Topf, AG 2009, 53, 64; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506 f.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 107; Schiessl, ZIP 2009, 689, 695; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 119 f. 497 Entgegen ersten Presseberichten (vgl. Ritter/Preuß, FAZ v. 16. 07. 2008, S. 16) schloss Schaeffler nicht mehrere swap-Geschäfte mit einer Vielzahl von Kreditinstituten ab, sondern lediglich ein swap-Geschäft mit Merrill Lynch, vgl. Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 15 f. Siehe dazu auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293: „Der Investor kann die Swap-Geschäfte mit einer oder mehreren Banken abschließen. Aus Geheimhaltungsgründen ist es aber empfehlenswert, dass der Investor nur mit einer Bank spricht und arbeitet.“; Seibt, ZGR 2010, 795, 811. 498 Vgl. Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16; zum sukzessive und schrittweise erfolgenden Aufbau einer swap-Position siehe Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293. 499 Beteiligt waren u. a. folgende Institute: Commerzbank, Credit Suisse, Dresdner Bank, Landesbank Baden-Württemberg, Royal Bank of Scotland, UBS, UniCredit/HypoVereinsbank, siehe Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 121 f. 495
B. Hidden (morphable) ownership
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wiederum dürften zur Absicherung ihrer short positions Continental-Aktien in Höhe von ebenfalls 2,99 % erworben haben.500 Zwar beteuerte Schaeffler in der Angebotsunterlage, es sei nicht bekannt, in welchem Umfang Merrill Lynch Continental-Aktien erworben oder derivative Finanzinstrumente mit Dritten vereinbart habe.501 Allerdings ließ die Angebotsunterlage mehr als deutlich erkennen, dass man mit einer dieser Varianten und einer Andienung von Continental-Aktien im Rahmen des Übernahmeangebots rechnete502 : Die swap-Vereinbarung mit Merrill Lynch sah ein jederzeitiges Kündigungsrecht Schaefflers vor. Nach der Kündigung war Merril Lynch vertraglich verpflichtet, eine evtl. aufgebaute Position in Continental-Aktien in „wirtschaftlich sinnvoller Weise“ aufzulösen.503 Für den Fall, dass Merrill Lynch zum Zwecke des Risikomanagements seinerseits mit weiteren Gegenparteien Derivatgeschäfte vereinbart haben sollte, rechnete Schaeffler damit, dass diese ebenfalls ein jederzeitiges Kündigungsrecht zugunsten von Merrill Lynch und die Verpflichtung der Gegenparteien zur Auflösung ihrer Positionen in wirtschaftlich sinnvoller Weise vorsahen. Eine Möglichkeit, die Positionen in wirtschaftlich sinnvoller Weise aufzulösen, war nach Ansicht Schaefflers die Annahme des Übernahmeangebots. Das Unternehmen betonte zwar, man habe keinen Anspruch darauf, dass Merrill Lynch oder die Gegenparteien das Angebot annehmen. Außerdem habe man keine sonstigen schuldrechtlichen oder dinglichen Zugriffsmöglichkeiten auf die dem swap-Geschäft zugrunde liegenden Continental-Aktien, und es gebe auch keine diesbezüglichen Nebenabreden.504 Angesichts der Interessenlage der beteiligten Investmentbanken505 durfte der Automobilzulieferer jedoch damit rechnen, dass Merril Lynch nach der Kündigung der swap-Geschäfte die selbst gehaltenen Continental-Aktien an ihn abgibt und auf ein gleichartiges Verhalten der anderen Banken hinwirkt. Damit wäre Schaeffler die Möglichkeit eingeräumt worden, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich Eigentümer der als Basiswert dienenden Continental-Aktien zu werden und auf diese Weise das Übernahmevorhaben in die Wege zu leiten. Wie komplex und aufwendig das Vorgehen Schaefflers war, kann auch die nachfolgende Abbildung verdeutlichen. Nur mit Hilfe von insgesamt neun Banken konnte Schaeffler sein Manöver ausführen.
500 Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 572; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 121. Zur Möglichkeit der Banken, einen Aktienanteil von bis zu 5 % im Handelsbestand zu halten, siehe schon oben 2. Kapitel B. III. 1. b) aa) mit Fn. 472. 501 Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16. 502 Siehe dazu auch Renn, S. 183, nach dem diese Passagen der Angebotsunterlage ein deutliches „G’schmäckle“ haben und äußerst gekünstelt wirken. 503 Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16. 504 Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 16. 505 Allgemein dazu siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. b) bb).
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Als Inhaber der long position des swap-Geschäfts mit Merrill Lynch konnte Schaeffler nur bei einem Kursanstieg der Continental-Aktie Gewinne erwarten. Merrill Lynch hingegen sicherte sich gegen das aus diesem Geschäft entspringende Risiko eines Kursanstiegs durch den Erwerb von Continental-Aktien sowie durch weitere swap-Geschäfte mit den anderen Banken ab, in denen Merrill Lynch die long position einnahm. Die Geschäftspartner als Inhaber der short position wiederum erwarben Continental-Aktien, um das Risiko eines Kursanstiegs auszugleichen. Die Banken aus der „zweiten Reihe“ waren damit zwar formal-rechtlich ContinentalAktionäre, doch wurde die wirtschaftliche Aktionärsstellung über eine zweigliedrige swap-Kette auf Schaeffler übertragen. Schaeffler wurde durch die Merrill Lynch obliegende Verpflichtung zur Weiterleitung der Dividenden und einer evtl. Wertsteigerung der Aktie so gestellt, als halte es selbst die Anteile und war damit ein „hidden owner“. Trotz seiner Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer eines 28 %-Pakets an Continental-Aktien bestand für Schaeffler zu keinem Zeitpunkt das Risiko eines finanziellen Verlusts: Aufgrund der im Markt bestehenden Übernahmephantasie durfte mit steigenden Kursen der Continental-Aktie gerechnet werden, die Schaeffler einen stattlichen Gewinn bescheren würden. Tatsächlich explodierte der Preis von
B. Hidden (morphable) ownership
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53,96 E am 11. Juli 2008 auf 73,93 E am Tag nach der Veröffentlichung des Übernahmeangebots (16. Juli 2008)506. bb) Implenia/Laxey Stellvertretend für eine Vielzahl von Übernahmeangriffen auf schweizerische Traditionsunternehmen in den Jahren 2005 bis 2007 sei der Einstieg des britischen Hedgefonds Laxey Partners beim Baukonzern Implenia genannt507.508 Zunächst einige Sätze zum regulatorischen Umfeld: In der Schweiz ist die Offenlegung von Beteiligungen in den Artt. 20 f. des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) geregelt, wobei die Konkretisierung der Regelung gemäß Art. 20 Abs. 5 BEHG der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) als Aufsichtsbehörde überlassen war bzw. heute der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA)509 überlassen ist. Die entsprechenden Detailregelungen enthielt bis Ende 2008 die Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission über die Börsen und den Effektenhandel (BEHV-EBK) und enthält seither die Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Börsen und den Effektenhandel (BEHV-FINMA). Die Eingangsmeldeschwelle lag in dem für diesen Fall relevanten Zeitraum bei 5 % der Stimmrechte, wobei gemäß Art. 13 Abs. 1 BEHV-EBK auch
506
Vgl. Habersack, AG 2008, 817; Handelsblatt v. 16. 07. 2008, S. 1; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 8; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023 mit Fn. 29. 507 Siehe dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 18. 12. 2008 – B-2775/2008, abrufbar unter http://www.bvger.ch/publiws/pub/cache.jsf (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014); Bundesgericht, Urteil v. 11. 03. 2010 – 2C_77/2009, 2C_78/2009, abrufbar unter http://jumpcgi. bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=11.03.2010_2C_77/2009 (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014); Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1768 f.; Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 657 f. (2008); Peter/ Blaas/Roos, SZW 2010, 173, 178 f.; Renn, S. 272 ff.; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 3 f. 508 Zu nennen sind darüber hinaus die Übernahmekämpfe um Unaxis/Oerlikon (2005), Saurer (2006), Ascom (2007), Sulzer (2007) und Converium (2007). Für eine knappe Beschreibung dieser Fälle siehe Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 655 ff. (2008); ferner Dunsch, FAZ v. 11. 05. 2007, S. 15: Firmenjagd am Alpenrand; Stock, Handelsblatt v. 24. 04. 2007, S. 15: Die Schweiz im Abwehrkampf; zu Unaxis/Oerlikon siehe auch Stock, Handelsblatt v. 24. 05. 2005, S. 17; zu Saurer siehe auch FAZ v. 08. 09. 2006, S. 16; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1765 f., 1776 f.; Peter/Blaas/Roos, SZW 2010, 173, 176 f.; Renn, S. 259 ff.; Stock, Handelsblatt v. 22. – 24. 09. 2006, S. 12; zu Sulzer siehe auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1767, 1777 f.; FAZ v. 26. 04. 2007, S. 18; Handelsblatt v. 08. 05. 2007, S. 23; Renn, S. 291 f.; Stock, Handelsblatt v. 24. 04. 2007, S. 15; ders., Handelsblatt v. 29. 05. 2007, S. 23. 509 Mit dem Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG) wurden zum 01. Januar 2009 die drei Behörden Bundesamt für Privatversicherungen (BPV), Eidgenössische Bankenkommission (EBK) und Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) in der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) zusammengeführt, vgl. Art. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG), BBl. 2007, 4625.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
Optionen mit Realerfüllungsanspruch, nicht aber solche mit cash settlement oder andere derivative Finanzinstrumente einbezogen wurden510. Diese (vermeintliche) Lücke im Offenlegungsrecht wollte sich der Hedgefonds Laxey zunutze machen511: Seit Ende 2006 schloss dieser mit der Bank Credit Suisse CfDs über knapp 20 % der Implenia-Aktien ab. Diese CfDs sahen ein jederzeitiges Kündigungsrecht zugunsten von Laxey vor. Credit Suisse ihrerseits sicherte sich durch den Abschluss weiterer CfDs mit den Finanzintermediären Keijser, Instinet und KBC gegen das Risiko eines Kursanstiegs ab. Im Rahmen der umfangreichen Untersuchungen der EBK stellte sich heraus, dass zumindest Keijser und Instinet in direktem Kontakt mit Laxey standen und ihr Risiko aus den CfDs mit Credit Suisse durch den Erwerb von Implenia-Aktien absicherten. Auch Bear Stearns, Cantor Fitzgerald, Man Financial und City Index gaben an, mit Laxey CfDs abgeschlossen zu haben. Selbstverständlich achteten die in dieses komplizierte Geflecht eingebundenen Bankhäuser darauf, beim Aktienerwerb den Schwellenwert von damals 5 % in Art. 20 Abs. 1 BEHG nicht zu überschreiten, um nicht ihrerseits meldepflichtig zu werden. Zwischen dem 03. April und dem 16. April 2007 löste Laxey die mit Credit Suisse abgeschlossenen CfDs sukzessive auf und erhielt die von den Banken erworbenen Implenia-Aktien. So gab Laxey am 11. April die Überschreitung der 10 %-Schwelle bekannt und überraschte am 18. April mit der Meldung, man halte nun 22,89 % der Aktien des Bauunternehmens. Die EBK stellte mit Verfügung vom 07. März 2008 eine Verletzung der Offenlegungspflichten durch Laxey fest: Laxey habe de facto Implenia-Aktien bei Gegenparteien ausgelagert und sich deren jederzeitigen Abruf mittels CfD gesichert. Da sich Laxey auf diese Weise die potentielle Kontrolle über die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte eingeräumt habe, habe ein indirekter Erwerb i.S.d. Art. 20 Abs. 1 BEHG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 BEHV-EBK vorgelegen, weshalb die Aktien Laxey zuzurechnen gewesen seien.512 In seinem ausführlichen Urteil vom 18. Dezember 2008 bestätigte das schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Rechtsauffassung der EBK in vollem Umfang.513 Und auch das Bundesgericht schloss sich am 11. März 2010 dieser Ansicht an.514 510 Vgl. Böckli, 3. Aufl., § 7 Rn. 83 ff.; von der Crone/Bilek/Hirschle, SZW 2008, 1, 3 f.; Jutzi/Schären, ST 2009, 570; Derleder/Knops/Bamberger/R. H. Weber, 1. Aufl., § 64-21 Rn. 34. 511 Zum Folgenden siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 18. 12. 2008 – B-2775/2008, S. 4 f.; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1768 f.; Peter/Blaas/Roos, SZW 2010, 173, 178; Renn, S. 272 ff.; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 3 f. 512 Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 18. 12. 2008 – B-2775/2008, S. 7 ff.; EBK, Medienmitteilung v. 10. 03. 2008, abrufbar unter http://www.finma.ch/archiv/ebk/d/aktuell/2 0080310/20080310_d.pdf (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014); zur Frage des indirekten Erwerbs siehe auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1777; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 572 f.; Renn, S. 238 ff.; ders., SZW 2010, 186, 192 f.; Ryser/R. H. Weber, SZW 2010, 112, 118 f. 513 Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 18. 12. 2008 – B-2775/2008, S. 38 ff. 514 Bundesgericht, Urteile v. 11. 03. 2010 – 2C-77/2009 und 2C-78/2009.
B. Hidden (morphable) ownership
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Obwohl der Implenia-Fall Glauben machte, dass das geltende Recht bereits eine hinreichende Handhabe gegen Anschleicher bietet, reagierte die EBK auf diesen und die anderen oben genannten Fälle515 noch im Mai 2007 mit einer dringlichen Teilrevision der BEHV-EBK und unterstellte mit Wirkung zum 01. Juli 2007 in Art. 13 Abs. 1 BEHV-EBK auch cash settlement options – nicht jedoch andere Derivate – einer Meldepflicht. Zudem wurde die 5 %-Freigrenze für Wandel-, Erwerbs- und Veräußerungsrechte in Art. 13 Abs. 3 BEHV-EBK aufgehoben, so dass von nun an Aktien und Optionen zusammengerechnet werden mussten.516 Im Juni 2007 beschloss das Parlament sodann eine Änderung auch des Art. 20 BEHG, die insbesondere die Eingangsmeldeschwelle auf 3 % der Stimmrechte absenkte und die Meldepflicht auf sämtliche Derivate ausweitete, soweit diese es wirtschaftlich ermöglichen, Beteiligungspapiere im Hinblick auf ein öffentliches Kaufangebot zu erwerben (Art. 20 Abs. 2bis BEHG). Diese Neuregelung trat gemeinsam mit einer weiteren Teilrevision der BEHV-EBK am 01. Dezember 2007 in Kraft.517 Die Beschränkung der Meldepflicht für andere Derivate als Optionen auf den Übernahmekontext518 wurde schließlich zum 01. Januar 2009 teilweise wieder zurückgenommen: Seither sind nach Art. 20 Abs. 1 und 2bis BEHG in der maßgeblichen Präzisierung durch die FINMA sowohl call options und put options, die eine Realerfüllung vorsehen oder zulassen (Art. 15 Abs. 1 lit. a und b BEHV-FINMA), als auch sämtliche Finanzinstrumente, die einen Barausgleich vorsehen oder zulassen, sowie weitere Differenzgeschäfte wie CfDs (Art. 15 Abs. 1 lit. c BEHVFINMA) meldepflichtig. Andere als die genannten Finanzinstrumente unterliegen nur dann der Offenlegungspflicht, wenn sie der berechtigten Person aufgrund ihrer Struktur den Aktienerwerb ermöglichen und im Hinblick auf ein öffentliches Angebot abgeschlossen werden (Art. 15 Abs. 2 S. 1 BEHV-FINMA). Für diesen Zusammenhang mit einer beabsichtigten Übernahme besteht eine Vermutung, wenn die eingegangene Position in Zusammenrechnung mit anderen meldepflichtigen Positionen einen Stimmrechtsanteil von 15 % übersteigt (Art. 15 Abs. 2 S. 2 BEHVFINMA).519
515
Siehe 2. Kapitel B. III. 1. d) bb) mit Fn. 508. Vgl. EBK, Teilrevision BEHV-EBK Dezember 2007, S. 7; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1781 f.; Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 239; Renn, S. 215 ff.; Tschäni/Watter/ Hinsen, S. 1, 19. 517 Ausführlich zu beidem von der Crone/Bilek/Hirschle, SZW 2008, 1, 2 ff.; siehe auch Böckli, § 7 Rn. 51 ff.; Christ, S. 143; EBK, Teilrevision BEHV-EBK Dezember 2007, S. 7, 14; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1782 ff.; Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 239 ff.; Nobel, SZW 2008, 175, 188 f.; Renn, S. 217 ff.; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 20 f. 518 Vgl. von der Crone/Bilek/Hirschle, SZW 2008, 1, 4 f.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1508; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 21 f. 519 Eingehend zur Neuregelung vgl. Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1784 f.; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 572 ff.; Renn, S. 220 ff.; ders., SZW 2010, 186, 191 f., 193 f.; Ryser/ R. H. Weber, SZW 2010, 112, 117 ff.; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 22 ff.; die aktuellen Entwicklungen nicht berücksichtigend Derleder/Knops/Bamberger/R. H. Weber, § 78-23 Rn. 57. 516
132
2. Kap.: Genese des new vote buying
cc) CSX/TCI Gemäß § 13(d)(1) Securities Exchange Act 1934 (SEA) ist derjenige, der direkt oder indirekt das wirtschaftliche Eigentum („beneficial ownership“) an mehr als 5 % der Aktien einer public corporation erwirbt, innerhalb von zehn Tagen nach dem Erwerb zur Offenlegung gegenüber dem Unternehmen, den Börsen und der SEC verpflichtet.520 Damit soll im Vorfeld von Übernahmen ein „early warning system“521 eingerichtet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt eine Zurechnung von Aktienbeständen mehrerer Aktionäre, insbesondere wenn sie zum Zwecke des Erwerbs, des Haltens oder der Veräußerung von Aktien als Gruppe zusammenwirken (§ 13(d)(3) SEA).522 Für passive institutionelle Investoren gilt gemäß § 13(g) SEA, präzisiert durch Rule 13d-1(b) und (c), eine erleichterte Meldepflicht. Ob eine Pflicht zur Offenlegung nach § 13(d) SEA bzw. § 13(g) SEA besteht, richtet sich maßgeblich nach der „beneficial ownership“, d. h. dem wirtschaftlichen Eigentum.523 Rule 13d-3(a) definiert den Begriff des „beneficial owner“ als „any person who, directly or indirectly, through any contract, arrangement, understanding, relationship, or otherwise has or shares: 1. Voting power which includes the power to vote, or to direct the voting of, such security; and/or, 2. Investment power which includes the power to dispose, or to direct the disposition of, such security.“ Als wirtschaftliche Eigentümer werden auch solche Personen angesehen, die entweder das Recht haben, das wirtschaftliche Eigentum innerhalb von 60 Tagen zu erwerben (Rule 13d-3(d)(1)(i)), oder in der Absicht, die Mitteilungspflichten nach § 13(d) SEA bzw. § 13(g) SEA zu umgehen, eine rechtliche Konstruktion wählen, die eine anderenfalls erfolgende Anteilszurechnung verhindert (Rule 13d-3(b)). Schließlich werden gemäß Rule 13d-3(c) sämtliche Anteile einer Person ungeachtet der Form des wirtschaftlichen Eigentums bei der Berechnung des Aktienanteils zusammengerechnet. Ein dem Fall Continental/Schaeffler ähnlich gelagerter Fall war im Jahre 2008 Gegenstand eines Urteils des US District Court for the Southern District of New York.524 Das Gericht musste sich mit der Problematik auseinandersetzen, ob wirt520
Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. a) und die Nachweise in Fn. 8. Cox/Hillman/Langevoort, Ch. 16 B., S. 964; siehe auch Hazen, § 11.2[1], S. 395: „early warning disclosures“. 522 Dazu Cox/Hillman/Langevoort, Ch. 16 B., S. 970 f.; Hazen, § 11.2[2], S. 396 f.; Heinrich, S. 245 ff.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 238 ff.; Loss/Seligman/ Paredes, Ch. 6 D 2 b (i), S. 828 ff. 523 Näher dazu siehe Cox/Hillman/Langevoort, Ch. 16 B., S. 971; Loss/Seligman/Paredes, Ch. 6 D 2 b (ii), S. 830 ff.; ferner Christ, S. 129 f.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 232 f. 524 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511 (S.D.N.Y. 2008); eingehend dazu Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 279 ff. (2009); Renn, S. 198 ff.; Sullivan, 87 N. C. L. Rev. 1300, 1305 ff. (2009); ferner Brandt, BKR 2008, 441, 446; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 69 f.; Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 323 ff.; Christ, S. 136 ff.; Ferrarini, FS Hopt, S. 1803, 1810 ff.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 521
B. Hidden (morphable) ownership
133
schaftliches Eigentum eines Investors im soeben beschriebenen Sinne auch an solchen Aktien besteht, welche von Banken im Rahmen von equity swap-Geschäften zum Zwecke des hedging angeschafft werden. Im Verlaufe des Jahres 2006 hatte der Hedgefonds TCI ein Auge auf das nordamerikanische Eisenbahnunternehmen CSX geworfen und dort erhebliches Potential für eine Steigerung des shareholder value ausgemacht. Um die gewünschten Veränderungen in der Unternehmensführung veranlassen zu können, begann TCI im Oktober 2006, mit diversen Banken525 total return equity swaps abzuschließen; bis zum Ende des Jahres hatte TCI eine Position von 8,8 % in equity swaps auf CSXAktien aufgebaut.526 Die Banken als Inhaber der short position sicherten sich durch den Erwerb von CSX-Aktien ab, wobei selbstverständlich keine der Banken Anteile in einer Größenordnung erwarb, die eine Offenlegung nach § 13(d)(1) SEA zur Folge gehabt hätte.527 Als das CSX-Management auf den TCI-Vorschlag eines delisting im Rahmen eines leveraged buy-out (LBO) abweisend reagierte und zusätzlich die Absicht zu einem Aktienrückkauf in erheblichem Umfang verkündete528, kontaktierte TCI andere Hedgefonds, um diese zum Kauf von CSX-Aktien zu animieren und damit Unterstützung für die eigenen Pläne zu gewinnen529. Im April 2007 löste TCI einige swap-Geschäfte auf und erwarb die von den Banken zu hedging-Zwecken gehaltenen CSX-Aktien, da man einen proxy contest530 im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung für wahrscheinlich hielt und dort das Stimmrecht aus den Aktien möglichst selbst ausüben und nicht den swap-Vertragsparteien überlassen wollte. TCI hatte zu diesem Zeitpunkt ein wirtschaftliches Interesse – teils direkt über CSX-Aktien, teils indirekt über equity swaps – von 15,1 %.531 Als die Wahrscheinlichkeit eines proxy contest immer größer wurde, kündigte TCI Ende Oktober 1501, 1509; Herbet/Bordeleau, I.B.L.J. 2009, 80, 81 ff.; Hu/Black, Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 669; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 233 ff.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 99 ff.; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 14 f.; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 161 f. (2009); Seibt, ZGR 2010, 795, 810 f.; Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 6 f.; Waddell/Nguyen/Epstein/Conti-Brown/Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 45 ff.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2027 f. 525 Es handelte sich um Credit Suisse, Goldman Sachs, J.P. Morgan, Merrill Lynch, Morgan Stanley, UBS, Deutsche Bank und Citigroup, vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 529 (S.D.N.Y. 2008). 526 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 523 f. (S.D.N.Y. 2008). 527 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 529 (S.D.N.Y. 2008). 528 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 525 (S.D.N.Y. 2008). 529 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 525 (S.D.N.Y. 2008). 530 Zum US-amerikanischen System des proxy voting und zum proxy contest im Speziellen siehe Merkt, Rn. 855 ff., 887 ff. 531 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 527 (S.D.N.Y. 2008).
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2. Kap.: Genese des new vote buying
2007 die swap-Geschäfte mit sechs Banken und schloss neue swap-Verträge mit der Deutschen Bank und der Citigroup ab.532 Im Frühjahr 2008 kam es schließlich zwischen dem Management von CSX und den Hedgefonds TCI und 3G zum erwarteten proxy fight, in dessen Rahmen letztere u. a. fünf der zwölf Sitze im board of directors beanspruchten und einer Minderheit von 15 % im Wege der Satzungsänderung das Recht zur jederzeitigen Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung einräumen wollten; CSX beantragte vor Gericht, TCI die Ausübung des Stimmrechts auf der anstehenden Hauptversammlung zu untersagen, weil die swap-Geschäfte entgegen § 13(d) SEA nicht gemeldet worden seien.533 Das Gericht ließ zwar die Frage nach dem Vorliegen einer „beneficial ownership“ letzten Endes offen, weil es jedenfalls einen Verstoß gegen den Umgehungstatbestand in Rule 13d-3(b) als gegeben ansah.534 Nichtsdestotrotz ließ es in einem obiter dictum erkennen, dass es die wirtschaftliche Eigentümerstellung bejaht hätte, wäre es darauf angekommen: Einleitend machte das Gericht deutlich, dass eine weite Auslegung der Rule 13d-3(a) angezeigt ist.535 Hinsichtlich der Verfügungsmacht (investment power) führte Judge Kaplan aus, dass ein hedging der Banken im Wege des Einsatzes anderer Derivate wirtschaftlich nicht in Frage kam und daher der – von TCI beabsichtigte – Erwerb von CSX-Aktien unvermeidlich war.536 Auch sei es für TCI ein Leichtes gewesen, mit den Banken statt des cash settlement die physische Lieferung der CSX-Aktien zu vereinbaren.537 Obwohl bereits das Vorliegen von investment power ausreichend gewesen wäre, um die wirtschaftliche Eigentümerstellung von TCI zu bejahen538, hielt das Gericht auch einen Stimmrechtseinfluss (voting power) für gegeben. Dafür spreche insbesondere die Tatsache, dass TCI die swap-Geschäfte im Oktober 2007 auf die Deutsche Bank und Citigroup konzen532 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 529 (S.D.N.Y. 2008). 533 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 518 (S.D.N.Y. 2008). 534 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 548 (S.D.N.Y. 2008): „In this case, it is not essential to decide the beneficial ownership question under Rule 13d-3(a). […] Under Rule 13d-3(b), TCI, if it is not a beneficial owner under Rule 13d-3(a), therefore is deemed – on the facts of this case – to beneficially own those shares.“ 535 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 540, 545 f. (S.D.N.Y. 2008). 536 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 542, 546 (S.D.N.Y. 2008). 537 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 542 (S.D.N.Y. 2008): „[…] the hedge positions of the counterparties hang like a sword of Damocles over the neck of CSX. […] nothing more was required to move the legal ownership of the hedge shares from the banks to TCI than the stroke of a pen or the transmission of an email.“ 538 Vgl. den Wortlaut von Rule 13d-3(a); dies offensichtlich verkennend Schanz/Schalast, Working Paper, S. 14: „[…] die für eine „beneficial ownership“ erforderlichen Stimmrechte (!) und die ebenfalls notwendige Verfügungsgewalt […].“
B. Hidden (morphable) ownership
135
trierte, weil man sich von diesen eine Stimmrechtsausübung zum eigenen Vorteil erhoffte.539 Dennoch sah sich das Gericht im Ergebnis daran gehindert, den Hedgefonds die Ausübung des Stimmrechts zu untersagen.540 Das Urteil ist im Berufungsverfahren vom US Court of Appeals for the Second Circuit bestätigt worden541, in der USamerikanischen Literatur aber auch auf Kritik gestoßen542.
2. Einsatz von Wertpapierdarlehen Potentiellen Bietern steht daneben ein zweiter Weg des versteckten Beteiligungsaufbaus offen, der allerdings in der Praxis – soweit ersichtlich – noch nicht beschritten worden ist543, in der Literatur aber durchaus Erwähnung findet544: In einem ersten Schritt erwirbt der Anschleicher Wertpapiere im Wege des Kaufs. Selbstverständlich muss er darauf achten, nicht nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig zu werden. Das erworbene Aktienpaket darf dementsprechend eine Größe von 2,99 % der Stimmrechte der Gesellschaft nicht überschreiten. In einem zweiten Schritt gibt er dieses Aktienpaket im Wege des Wertpapierdarlehens an einen Darlehensnehmer, z. B. eine Bank, ab. Da er im Zuge der Erfüllung des Wertpa539 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 543 (S.D.N.Y. 2008): „Second, he [Hohn, Anm. d. Verf.] conceded that he picked Deutsche Bank and Citigroup […] because he thought that would be ,beneficial in terms of a potential vote of any hedge shares in a potential proxy fight‘.“ Bemerkenswerterweise gab es um das von CSX für die ordentliche Hauptversammlung angesetzte record date am 27. Februar 2008 herum ein auffallend hohes Handelsvolumen in CSX-Aktien mit der Deutschen Bank als Vertragspartner, was ein Indiz dafür gewesen sein könnte, dass die Deutsche Bank die zur Risikoabsicherung gehaltenen CSX-Aktien im Rahmen von Wertpapierdarlehen weitergegeben hatte, um die Erträge zu maximieren, kurz vor dem record date zurückforderte, um als record owner auf der Hauptversammlung stimmberechtigt zu sein, und sie kurz danach wieder an den Darlehensnehmer abgab, vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 544 (S.D.N.Y. 2008). Die Erwartungen von TCI schienen demnach nicht unbegründet gewesen zu sein. 540 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 574 (S.D.N.Y. 2008). 541 Vgl. CSX Corporation, Michael Ward v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 292 Fed. Appx. 133, 134 (U.S. App. 2008). 542 Vgl. Sullivan, 87 N. C. L. Rev. 1300, 1308 ff. (2009), der die Ausführungen des Gerichts sowohl zu Rule 13d-3(a) als auch zu Rule 13d-3(b) für falsch hält; konzilianter Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 282 ff. (2009), der die Ausführungen von Judge Kaplan zu Rule 13d-3(b) für plausibel hält, allerdings eine Lösung über Rule 13d-3(a) bevorzugt und in deren Rahmen die beneficial ownership der long party (widerleglich) vermutet; kritisch auch Christ, S. 140 f. 543 Vgl. die tabellarische Zusammenstellung von new vote buying-Fällen bei Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 661 ff. (2008), die keinen derartigen Fall ausweist. 544 Vgl. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 635; Brouwer, AG 2010, 404, 406; Cascante/ Bingel, NZG 2011, 1086, 1091; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 65 f.; Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 574; Renn, S. 127, 338; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 560 f.; dies., FS K. Schmidt, S. 1411, 1425; siehe auch BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 6.
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2. Kap.: Genese des new vote buying
pierdarlehensvertrags das Eigentum an den Aktien und das Stimmrecht aus diesen verliert und der Rückübertragungsanspruch von den §§ 21 ff. WpHG mutmaßlich nicht erfasst wird545, kann er nun die genannten Schritte theoretisch beliebig oft wiederholen, ohne jemals offenlegungspflichtig zu werden. Dem Kapitalmarkt bleibt das wirtschaftliche Eigentum des Darlehensgebers also verborgen (hidden ownership). Aufgrund seiner Rückübertragungsansprüche behält der Darlehensnehmer zudem den sicheren Zugriff auf die Aktien und die damit verbundenen Stimmrechte (morphable ownership). Die Aktien sind bei den Banken bis zur Rückübertragung gewissermaßen nur „geparkt“. Hat der Darlehensgeber auf diese Weise bei den Banken ein hinreichend großes Aktienpaket geschnürt, kann er – sobald ihm dies opportun erscheint – durch die Ausübung seiner vertraglichen Kündigungsrechte546 die Beendigung der Verträge zu einem einheitlichen Zeitpunkt herbeiführen und die Aktien zurückerwerben. Anschließend wird er die Zielgesellschaft, deren Aktionäre und den Kapitalmarkt durch die Abgabe einer Paketmitteilung überraschen. 3. Bewertung der Alternativen aus der Sicht des Anschleichers Während der Anschleicher beim Einsatz von Derivaten auf die Überzeugungskraft der wirtschaftlichen Anreize setzt und letztlich nur hoffen kann, dass die Banken trotz der vereinbarten Barerfüllung tatsächlich Aktien liefern, kann er bei der darlehensweisen Abgabe von zuvor erworbenen Aktien deren Rückerlangung sicher einplanen, denn die Banken sind als Darlehensnehmer zur Rückübertragung von Aktien gleicher Art und Güte vertraglich verpflichtet. Diesem Vorteil stehen indes zwei Nachteile gegenüber: Zum ersten muss der Anschleicher bei der Darlehensvariante schon in einem sehr frühen Stadium – nämlich beim sukzessiven Kauf von Aktienpaketen – die vollen Finanzmittel aufwenden. Beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente muss er zunächst einmal nur eine Gebühr an die Banken zahlen, die mit ihm die Derivatverträge abschließen. Den vollen Kaufpreis für die Aktien muss er erst beim Erwerb der Aktien aufbringen, welche die Banken zur Absicherung ihres Risikos aus den Derivatgeschäften gehalten haben. Zum zweiten muss sich der Anschleicher mit mehreren Banken in Verbindung setzen, damit diese ihm die Aktien abnehmen. Je mehr Banken jedoch in die Strategie des Investors eingebunden sind, desto größer ist die Gefahr, dass die Pläne des Anschleichers früher als gewünscht bekannt werden.
545
Näher dazu siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3). Vgl. Nr. 7 Abs. 1 lit. a des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 6 (ii) des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 8.1 und 16 des GMSLA. 546
C. Zwischenfazit
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C. Zwischenfazit Dieses Kapitel hat gezeigt, auf welche Art und Weise die Phänomene des empty voting und der hidden (morphable) ownership zur Entstehung gelangen. Der empty voter kann sich des aus seinen Aktien entspringenden wirtschaftlichen Risikos durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente entledigen oder das Eingehen eines wirtschaftlichen Risikos durch den darlehensweisen Erwerb von Aktien vermeiden. Die Finanzalchimie lässt auch eine beliebige Abstufung des Beteiligungsinteresses zu; sogar ein negatives wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung kann konstruiert werden. Der empty voter ist als Aktionär zur Abstimmung auf der Hauptversammlung berechtigt, obwohl er ein seiner Stimmkraft entsprechendes wirtschaftliches Risiko nicht trägt. Derivative Finanzinstrumente und Wertpapierdarlehen geben Investoren darüber hinaus die Möglichkeit, sich unter Umgehung der wertpapierhandelsrechtlichen Beteiligungstransparenzvorschriften an börsennotierte Gesellschaften anzuschleichen. Durch den Abschluss von Derivatgeschäften mit Banken bzw. durch die Abgabe zuvor gekaufter Aktien im Wege des Wertpapierdarlehens sind sie in der Lage, sich den Zugriff auf ein beträchtliches Aktienpaket zu sichern, das bei unmittelbarem Erwerb der Aktien offenlegungspflichtig wäre.
3. Kapitel
Problemanalyse Nachdem somit ein genaues Bild von den Phänomenen „emtpy voting“ und „hidden (morphable) ownership“ gezeichnet worden ist, stellt sich die Frage nach den Implikationen derartiger Strategien. Wirken sie sich positiv oder negativ auf die betroffenen Unternehmen und deren Aktionäre aus? Welche Vor- und Nachteile bringen sie für die Aktionärsdemokratie mit sich? Wie sind die Phänomene aus ökonomischer Sicht zu bewerten? Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich das nachfolgende Kapitel.
A. Empty voting Hinsichtlich des Abstimmens aus risikoentleerten Stimmrechten (empty voting) wird die Analyse dadurch erschwert, dass der rechtstatsächliche Hintergrund dieses Vorgehens bis dato nur unzureichend erforscht ist.1 Die Häufigkeit seines Auftretens lässt sich nur erahnen2, und auch die Umstände seines Auftretens (eher Zufall oder missbräuchliches Kalkül3) sind noch nicht geklärt. Dementsprechend ist auch unklar, ob ein risikoentleertes Abstimmen generell schädlich oder im Gegenteil unter Ef1 Vgl. Fleischer, ZGR 2008, 185, 217; Langenbucher, § 6 Rn. 181; Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 898 f.; Mittermeier, S. 5 f.; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1087 (2013); siehe auch ECGF, Paper Proportionality, S. 30: „[…] we believe that our current information and understanding are simply insufficient to justify further or more general substantive regulatory intervention. […] Such assessment and further data collection should be directed at determining: (i) whether and to what extent particular mechanisms which deviate from the proportionality principle should be judged negatively on balance, including corporate institutional mechanisms but also market instruments enabling ,empty voting‘ or mechanisms otherwise affecting the voting system, […].“; ESMA, Feedback Statement – Call for Evidence on Empty Voting, Rn. 48 („[…] ESMA believes that the feedback has not been sufficiently decisive to justify any regulatory action at European level.“), 53 („This does not prejudge any possibility that the topic might be taken into consideration again and subject to further analysis if empty voting would turn to be a critical issue in the future, especially if clearer evidence of the significance of the phenomenon emerges from the markets.“). 2 Vgl. Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 659 (2008): „How much decoupling activity is there? Without effective disclosure, we don’t know. We can, however, collect examples – the visible tip of the potential iceberg.“; siehe auch die Tabelle ebenda, S. 661 ff.; Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1076 f. (2007); siehe aber auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 301 f. (2008), nach dem es starke Anzeichen für eine weite Verbreitung des empty voting gibt. 3 Vgl. Fleischer, ZGR 2008, 185, 217.
A. Empty voting
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fizienzgesichtspunkten sogar erwünscht ist.4 Nichtsdestotrotz können die folgenden Ausführungen bei der Bewertung des empty voting Orientierung geben. Nach einer kurzen Einführung (I.) wird dieses Phänomen unter den Aspekten der Anreizverzerrung und der Interessenkonflikte (II.) und der Effizienz (III.) untersucht. Abschließend werden einige in der Literatur nur gelegentlich angesprochenen Aspekte des empty voting betrachtet (IV.).
I. Bedeutung des Stimmrechts und seine Einordnung in die Corporate Governance-Diskussion Die Aktieninhaberschaft bringt eine Vielzahl von Rechten und Pflichten mit sich.5 Von besonderer Bedeutung ist das Stimmrecht des Aktionärs, das als „eine[s] der wichtigsten Mitgliedschaftsrechte“6 den Hauptrechten zugeordnet wird7. Es verschafft dem Aktionär die Möglichkeit, an der Willensbildung der Gesellschaft teilzuhaben und die Geschicke der Gesellschaft in gewissem Maße mitzubestimmen.8 Die Hauptversammlung als dasjenige Organ, welches die Interessen der Aktionäre bündelt, beschließt insbesondere über so wichtige Gegenstände wie die Bestellung der Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat, Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, die Auflösung der Gesellschaft, die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens und Maßnahmen nach dem UmwG. Selbstverständlich ist für Kleinaktionäre das Stimmrecht von eher untergeordneter Bedeutung. Mit steigendem Anteilsbesitz jedoch wächst auch der Einfluss des Aktionärs, der seinen Interessen im Wege der Stimmrechtsausübung verstärkt Geltung verschaffen kann.9 Neben dieser rechtlichen Bedeutung hat das Stimmrecht auch einen ökonomischen Wert.10 Dieser kommt beispielsweise in dem beträchtlichen Kursabschlag zum Ausdruck, mit dem stimmrechtslose Vorzugsaktien gegenüber Stammaktien auf den Kapitalmärkten regelmäßig gehandelt werden11, aber auch in der Kontrollprämie, die 4 Vgl. Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1108 (2013); Brav/Mathews, Working Paper, S. 2 f., 27; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 820 f. (2006); Kobayashi/Ribstein, 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 39 f. (2006); Schouten, Working Paper, S. 50. 5 Siehe dazu oben 1. Kapitel C. II. 1. 6 GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 1; siehe auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293 (2008): „fundamental importance of the vote in corporate governance“; Mittermeier, S. 26; Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 556 f. (2012). 7 Vgl. GroßkommAktG/Brändel, § 11 Rn. 10; MünchKommAktG/Heider, § 11 Rn. 18; MünchHdbAG/Semler, § 38 Rn. 1. 8 KölnKommAktG/Dauner-Lieb, § 12 Rn. 5; Hüffer/Koch, § 12 Rn. 2; K. Schmidt, § 21 II 1 a, S. 604; näher zu den Einflussmöglichkeiten Ostler, S. 46 ff.: siehe auch Mittermeier, S. 33 ff. 9 Vgl. dazu KölnKommAktG/Dauner-Lieb, § 12 Rn. 5; Spindler/Stilz/Vatter, § 12 Rn. 1. 10 Näher dazu noch unten 3. Kapitel A. III. 2. 11 Nach Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 58 liegt der durchschnittliche Kursabschlag der Vorzugsaktien gegenüber Stammaktien in Deutschland bei 26 %. Siehe auch Christians, AG 1990, 47, 49: 10 – 35 %; Jung/Wachtler, AG 2001, 513, 515, 520: 9,56 %; Ringleb/Kremer/ Lutter/v. Werder/Kremer, Rn. 211.
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3. Kap.: Problemanalyse
ein Übernahmeinteressent den Aktionären der Zielgesellschaft auf den Börsenkurs der Aktien zahlen muss. Nach überkommener Ansicht stellt das Aktieneigentum ein Paket von Rechten und Pflichten dar, das nicht ohne Weiteres aufgeschnürt werden kann. Eine Ausprägung dieser Annahme ist der Grundsatz, dass es kein Stimmrecht ohne Aktie geben kann, dass also das Stimmrecht nur ausüben kann, wer auch wirtschaftlich die Risiken der Investition trägt.12 Damit einhergehend wurde das Proportionalitätsprinzip („one share, one vote“) als optimale Stimmrechtsstruktur angesehen.13 Dieser Grundsatz lässt sich auch dem deutschen Aktienrecht und dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) entnehmen. Marktpraktiken, die das mitgliedschaftliche Paket aus Rechten und Pflichten aufzuschüren und damit den Gleichlauf von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse zu beeinträchtigen vermögen, stellen Abweichungen vom „one share, one vote“-Grundsatz dar.14 Wer z. B. sein im Anteilsbesitz wurzelndes wirtschaftliches Interesse durch ein entgegengesetztes Derivatgeschäft schmälert, erhält ein überproportionales, weil seinem Beteiligungsinteresse nicht mehr entsprechendes Stimmrecht (empty voting).
II. Anreizverzerrungen und Interessenkonflikte Es lohnt sich daher, das Proportionalitätsprinzip, das teilweise auch als Kapitalprinzip bezeichnet wird15, näher unter die Lupe zu nehmen, seine ökonomische ratio aufzuzeigen (dazu 1.) und zu untersuchen, inwiefern sich ein Verstoß gegen dieses Prinzip durch die risikoentleerte Ausübung von Stimmrechten nachteilig auf die Corporate Governance auswirken könnte (dazu 2.).
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Plastisch Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 410 (1983); dies., Economic Structure, S. 74: „It is not possible to separate the voting right from the equity interest. Someone who wants to buy a vote must buy the stock too.“; siehe auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293 (2008). 13 Vgl. Black/Kraakman, 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 (1996); Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 408 f. (1983); Grossman/Hart, J. Fin. Econ. 20 (1988) 175, 178 ff.; Hu/Black, 156 U. Pa. L. Rev. 625, 632 (2008); Bürgers/Körber/Westermann, § 12 Rn. 1; kritisch allerdings Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775; für einen knappen Überblick über die Diskussion Fairfax, 3 Va. L. & Bus. Rev. 1, 16 f. (2008). 14 Vgl. ECGF, Paper Proportionality, S. 11; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 405; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 58; Sarra, 36 Seattle U. L. Rev. 1117, 1126 (2013); Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 12 mit Fn. 26. 15 GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 4; Wachter/Franz, § 12 Rn. 5; Henssler/Strohn/ Lange, § 12 AktG Rn. 1; Spindler/Stilz/Vatter, § 12 Rn. 1.
A. Empty voting
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1. Das Proportionalitätsprinzip a) Ökonomischer Ausgangspunkt Grundsätzlich – d. h. lässt man zunächst stimmrechtslose Vorzugsaktien (§§ 12 Abs. 1 S. 2, 139 ff. AktG) außer Betracht16 – gewährt jede Aktie das Stimmrecht (§ 12 Abs. 1 S. 1 AktG); es gibt also grundsätzlich keine Aktie ohne Stimmrecht, was umgekehrt bedeutet, dass es kein Stimmrecht ohne Aktie geben kann17. Die Stimmberechtigung ist also eine aus der Mitgliedschaft fließende, zwingend mit dieser verbundene und von dieser nicht abspaltbare Befugnis; nach dem Rechtsgedanken des § 717 S. 1 BGB ist es nicht möglich, Stimmrechte zu schaffen, die von der Mitgliedschaft losgelöst sind, oder das Stimmrecht losgelöst von der Mitgliedschaft zu übertragen (Abspaltungsverbot).18 Allein der Aktionär ist zur Stimmabgabe auf der Hauptversammlung berechtigt. Dem liegen als theoretisches Fundament im Wesentlichen zwei Gedanken zugrunde: aa) Aktionäre als residual claimants Einer neueren Theorie der Unternehmung zufolge kann die Kapitalgesellschaft als ein Geflecht von Verträgen (nexus of contracts) beschrieben werden.19 Da die bei Beginn der Unternehmung geschlossenen Verträge nicht bereits sämtliche im Leben einer Gesellschaft auftretenden Eventualitäten berücksichtigen können, erfüllt das Stimmrecht die Funktion, Lücken des unvollständigen Gesellschaftsvertrags bei Bedarf zu füllen.20 Wer zur Füllung dieser Lücken berechtigt sein soll21, hat die
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Zu diesen später 3. Kapitel A. II. 3. b) aa) (3). KölnKommAktG/Dauner-Lieb, § 12 Rn. 6; GroßkommAktG/Grundmann, § 134 Rn. 33; Hüffer/Koch, § 12 Rn. 3; Henssler/Strohn/Lange, § 12 AktG Rn. 2; Mittermeier, S. 56 f.; Spindler/Stilz/Vatter, § 12 Rn. 4; Grigoleit/Vedder, § 12 Rn. 2; Bürgers/Körber/Westermann, § 12 Rn. 1; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 12 Rn. 4. 18 BGH NJW 1987, 780; MünchKommAktG/Heider, § 12 Rn. 6; Langenbucher, § 6 Rn. 181; Raiser/Veil, § 11 Rn. 25; Reichert/Harbarth, AG 2001, 447, 448; K. Schmidt, § 28 IV 4 b aa, S. 849; Hölters/Solveen, § 12 Rn. 4; Spindler/Stilz/Vatter, § 8 Rn. 50, § 12 Rn. 5; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 9; Wilhelm, Rn. 1188 f. 19 Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305, 310: „[…] most organizations are simply legal fictions which serve as a nexus for a set of contracting relationships among individuals.“; Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 302 (1983); siehe auch GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 86: „[…] weil es sich bei jeder Unternehmung in Form einer Aktiengesellschaft um ein relationales, dh für die Zukunft offenes Beziehungsgeflecht handelt.“; Mittermeier, S. 27 f.; näher zu den verschiedenen Theorien der Unternehmung siehe B. Gaede, S. 33 ff.; Hart, S. 15 ff.; Buckley/Michie/Hart, S. 199, 200 ff.; Ostler, S. 63 ff.; Ruffner, § 5 II, S. 129 ff. 20 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 66 unter der Überschrift „Voting as an aspect of contracting“: „The right to vote is the right to make all decisions not otherwise provided by contract […].“; siehe auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 303 (2008); Mittermeier, S. 27; Ruffner, § 6 I 1, S. 162 ff., 173. 17
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3. Kap.: Problemanalyse
property rights-Theorie untersucht22. Zu den property rights gehören das Recht des Gebrauchs, Koordinationsrechte, das Recht auf Gewinne und die korrespondierende Pflicht zur Verlusttragung sowie das Recht der Veräußerung aller oder einzelner Rechte und des daraus folgenden Liquidationserlöses.23 Der Inhaber der Koordinationsrechte kann über die Verwendung der Ressourcen bestimmen. Der Inhaber des Gewinnaneignungs- und des Liquidationsrechts hat einen Anspruch auf das Residualeinkommen (residual earnings), d. h. auf dasjenige, was nach Befriedigung sämtlicher gegen das Unternehmen gerichteten Ansprüche verbleibt24; er ist der sog. residual claimant. In der Aktiengesellschaft sind die Aktionäre Inhaber des Anspruchs auf das Residualeinkommen; ihnen steht der Bilanzgewinn anteilig zu (§ 58 Abs. 4 AktG). Sie partizipieren somit zwar an den erwirtschafteten Gewinnen, übernehmen dadurch aber auch das Risiko, mit dem eingesetzten Kapital keine Gewinne erzielen zu können.25 Insofern ist die Übertragung der Koordinations- und Kontrollrechte an die Aktionäre unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll: Sie haben zum ersten ein natürliches Interesse an einer möglichst sparsamen Verwendung der Ressourcen, denn dadurch erhöht sich ihr Residualeinkommen.26 Eine zurückhaltende Ressourcenverwendung kommt darüber hinaus dem Aktienwert zugute, und dies wiederum liegt auch im gesellschaftlichen Interesse.27 Zum zweiten sind die Aktionäre als Träger des Verlustrisikos am Erfolg des Unternehmens interessiert, da sich nur so eine Wertsteigerung ihrer Anlage erreichen lässt. Sie haben also einen Anreiz, ihr Stimmrecht im Sinne einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben28, und sind am besten geeignet, über die Angelegenheiten der 21 Zum Zusammenhang zwischen der Theorie der Firma als nexus of contracts und der property rights-Theorie sehr deutlich Ruffner, § 5 II 4, S. 135; siehe auch Buckley/Michie/Hart, S. 199, 205 f.; Ostler, S. 65. 22 Siehe zu dieser Demsetz, 57 Am. Econ. Rev. 347 (1967); B. Gaede, S. 37 f.; Hart, S. 29 ff.; Ruffner, § 5 II 4, S. 135 ff.; im hiesigen Zusammenhang auch Waddell/Nguyen/Epstein/Conti-Brown/Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 8: „The emergence of decoupling transactions, however, raises the counter-intuitive prospect of being able to control property as to which the shareholder […] is not fully exposed, and thus does not, in the traditional sense, ,own‘. Empty voting thus pressures the traditional intuition by blurring the lines of what truly represents ,ownership‘, and even ,property‘.“ 23 Vgl. Richter/Furubotn, S. 90; siehe auch B. Gaede, S. 37. 24 Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1112 (2013); Clark, § 9.5, S. 389; Klein/ Coffee, S. 122 f.; Ostler, S. 66 f.; H.-B. Schäfer/Ott, S. 699; siehe auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 67: „[…] shareholders, whose claims stand last in line“; Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 950 (2010): „Shareholders are always the last to get paid. They are paid after the Internal Revenue Service, the employees, the managers, the creditors and other claimants.“ 25 Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 403 (1983); dies., Economic Structure, S. 68; Klein/Coffee, S. 123; Mittermeier, S. 54, 97; Ostler, S. 67; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1072 (2013). 26 H.-B. Schäfer/Ott, S. 699. 27 H.-B. Schäfer/Ott, S. 700. 28 Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1112 (2013); Clark, § 9.5, S. 389; Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 68; Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 135 (1987);
A. Empty voting
143
Gesellschaft zu entscheiden, da die Auswirkungen ihrer Entscheidungen letztlich von ihnen getragen werden29. Üblicherweise gehen aus diesem Grund der Anspruch auf das Residualeinkommen und das Stimmrecht Hand in Hand: Nur Aktionäre sind stimmberechtigt.30 Bei einer großen Anzahl von residual claimants würde eine Beteiligung aller an der Koordination hohe Transaktionskosten verursachen. Daher ist die Übertragung der Koordinationsrechte auf Dritte empfehlenswert. Neben einer Senkung der Transaktionskosten können so Entscheidungsprozesse beschleunigt und durch Anstellung qualifizierter Führungskräfte Spezialisierungsvorteile genutzt werden.31 bb) Relative Homogenität der Aktionäre Der zweite Grund für eine ausschließliche Zuordnung des Stimmrechts an die Aktionäre liegt in ihrer relativen Homogenität: Die Aktionäre stellen eine vergleichsweise homogene Gruppe dar, deren einigendes Band grundsätzlich das Ziel einer positiven Entwicklung der Gesellschaft und daraus resultierend einer Gewinnmaximierung ihrer Anlage ist.32 Dieser auf der Theorie von der Vorherrschaft GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 87; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 814; dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 344; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 190 f., 208 (2006); Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 97; Ostler, S. 71; Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 556 (2012); Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609. 29 High Level Group, Übernahmeangebote, S. 4; Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 793; Mittermeier, S. 54; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1073 (2013). 30 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 67 f.; GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 87, § 134 Rn. 33; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1072 (2013); Ruffner, § 6 I 1, S. 174; H.-B. Schäfer/Ott, S. 645; Wymeersch, Working Paper, S. 6; siehe auch Ostler, S. 72, nach dem die Verknüpfung von Stimmrecht und Vermögensinteresse an der Beteiligung unabdingbar erscheint; zum Ausnahmefall der Überschuldung der Aktiengesellschaft siehe Easterbrook/ Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 404 f. (1983); dies., Economic Structure, S. 69; Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321 (2007); Ruffner, § 6 I 1, S. 174. 31 Demsetz, 57 Am. Econ. Rev. 347, 358 (1967); Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 308, 322 (1983); Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 133 (1987); Heuser, Der Konzern 2012, 308, 310; Lohrer, S. 38; Stout, 93 Va. L. Rev. 789, 792 f. (2007); siehe auch S. Lenz, S. 76; Rudolph, S. 181; Wackerbarth, ZGR 2005, 686 f. 32 Vgl. Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 70: „The preferences of one class of participants are likely to be similar if not identical. This is true of shareholders especially […].“; B. Gaede, S. 46; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409; Mittermeier, S. 55; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 209 (2006); Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 51; Ostler, S. 72; Ruffner, § 6 I 1, S. 174; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 149 (2009): „Shareholders are the appropriate group to monitor the board and correct errors because they are uniquely sensitive to the principal signal indicating a deviation of the board from its duty to the corporation: the market price of the corporation’s stock.“; siehe auch Waddell/Nguyen/Epstein/Conti-Brown/ Siciliano/Grundfest, Working Paper, S. 6, die die Stellung als Aktionär mit der des Bürgers in politischen Wahlen vergleichen: „If you live in the disctrict then you presumably have an interest in promoting the local district’s best interests: you will care about the quality of schools, the effectiveness of local police and fire protection, the costs of providing those services, and myriad other considerations that affect your life and the lives of your neighbors. If you don’t live
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3. Kap.: Problemanalyse
der Aktionäre33 fußenden Annahme wird zwar nicht selten widersprochen34, und in der Tat können Aktionäre im Einzelfall stark divergierende und von zahlreichen Variablen abhängige Sonderinteressen verfolgen, doch findet sich in der Aktiengesellschaft grundsätzlich keine andere Gruppe von Akteuren mit derart gleichgerichteten Interessen35. Wären mehrere Gruppen mit ungleichen Präferenzen (z. B. Gläubiger, Arbeiter und Angestellte und sonstige langfristig Betroffene) stimmberechtigt, ließe dies die Wahrscheinlichkeit inkonsistenter und wenig tragfähiger Entscheidungen stark ansteigen.36 Die ausschließliche Zuordnung des Stimmrechts an die Aktionäre hingegen kann diese Problematik trotz evtl. bestehender Sonderpräferenzen umgehen; der Grundsatz „kein Stimmrecht ohne Aktie“ dient damit letztlich der Vermeidung von Interessenkonflikten, die auftreten, wenn außenstehende Akteure am gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess teilnehmen. b) Inhalt des Proportionalitätsprinzips Je mehr (Stamm-)Aktien ein Aktionär besitzt, desto größer ist einerseits sein Anreiz zum effizienten Einsatz der Ressourcen und einer darauf hinwirkenden Kontrolle des Vorstands und andererseits das von ihm übernommene Risiko. Daher liegt es nahe, ihm – seinem Anteil entsprechend – auch eine größere Anzahl an Stimmen zuzubilligen und somit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen risikotra-
in the disctrict, then you won’t have the same incentives, and won’t be allowed to vote in the disctrict’s elections.“; die These von der relativen Homogenität der Aktionäre unterstützend, aber den Gleichlauf zwischen dem Wohl des Unternehmens und dem Wohl der Aktionäre in Abrede stellend Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1360 ff. (2007). 33 Zu dieser die Verfolgung der Aktionärsinteressen als vorrangig ansehenden shareholder primacy theory siehe Bebchuk, 59 Bus. Law. 43 (2003); ders., 118 Harv. L. Rev. 833 (2005); ders., 93 Va. L. Rev. 675 (2007); Black, 89 Mich. L. Rev. 520 (1990); Dent, 1989 Wis. L. Rev. 881; zur Gegenbewegung der director primacy siehe Anabtawi, 53 UCLA L. Rev. 561 (2006); Bainbridge, 97 Nw. U. L. Rev. 547 (2003); ders., 119 Harv. L. Rev. 1735 (2006); Stout, 93 Va. L. Rev. 789 (2007); gute Zusammenfassung des Streitstands bei Dombalagian, 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1237 ff. (2009); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 144 ff. (2009); siehe auch Alces, 33 Seattle U. L. Rev. 787, 791 ff. (2010). 34 Vgl. exemplarisch Anabtawi, 53 UCLA L. Rev. 561, 577 ff. (2006); Edelman/Thomas, 58 Vand. L. Rev. 453, 455, 464 (2005); Hayden/Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 449, 477 ff. (2008), deren Aufsatz die Überschrift „One Share, One Vote and the False Promise of Shareholder Homogeneity“ trägt; Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 788 ff. 35 Mittermeier, S. 78 f.; Ruffner, § 6 I 1, S. 174; siehe auch Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1349 ff. (2007) zu unterschiedlichen Interessen der stakeholder in Bezug auf die Übernahme von Risiken; ferner Alces, 33 Seattle U. L. Rev. 787, 796 f. (2010): „[…] we have no better proxy for corporate wealth maximization than the equity position. The value of the residual claim best represents the interests of the goal of long-term corporate wealth maximization […]“; Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 951 (2010). 36 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 69 f.; GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 87; Mittermeier, S. 55, 79 f.; Ruffner, § 6 I 1, S. 174.
A. Empty voting
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gendem Kapital und Kontrolle herzustellen.37 Dieses mit der Wendung „one share, one vote“ umschriebene Proportionalitätsprinzip wohnt auch dem deutschen Aktienrecht inne: § 12 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt, dass jede Aktie das Stimmrecht gewährt. Über das Stimmgewicht ist damit noch nichts gesagt. An vorgenannte Norm anknüpfend regelt § 134 Abs. 1 S. 1 AktG jedoch, dass sich die Stimmkraft bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 1 und 2 AktG) nach den Nennbeträgen, bei Stückaktien (§ 8 Abs. 1 und 3 AktG) nach deren Zahl bemisst. Ist somit für die Stimmkraft die Beteiligung am Grundkapital (siehe auch § 8 Abs. 4 AktG) maßgeblich, bedeutet dies, dass jede Aktie gleiches Stimmgewicht gewährt.38 Dies lässt sich ebenso aus § 12 Abs. 2 AktG herleiten, wonach Mehrstimmrechte unzulässig sind.39 c) Zwischenergebnis An dieser Stelle ist als Zwischenfazit zunächst dreierlei festzuhalten: 1. Es gibt kein Stimmrecht ohne Aktie, d. h. nur der Aktionär als residual claimant hat das Recht, durch Stimmabgabe am Zustandekommen von Hauptversammlungsbeschlüssen mitzuwirken. Das in § 717 S. 1 BGB zum Ausdruck kommende Abspaltungsverbot verhindert die Separierung des Stimmrechts von der Mitgliedschaft und den anderen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten. Mit anderen Worten könnte man auch sagen, dass das Stimmrecht gemeinsam mit den übrigen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten ein Paket bildet, welches man nicht ohne Weiteres aufschnüren kann. Ein sog. decoupling, d. h. ein Entkoppeln des Stimmrechts von den anderen mitgliedschaftlichen Rechten, kann es daher nicht geben. Die ausschließliche Zuweisung des Stimmrechts an die Aktionäre wurzelt in der Annahme, dass die Aktionäre als Inhaber des Anspruchs auf das Residualeinkommen ein Interesse an einer Steigerung des Unternehmenswertes haben und folglich im Sinne dieses Interesses und damit zum Wohl des Unternehmens abstimmen werden. Wirtschaftliches Interesse und Stimmrecht sind daher untrennbar miteinander verbunden. 37 Black/Kraakman, 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 f. (1996); GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 4; Burkart/Lee, Rev. Fin. 12 (2008) 1; Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 304 (2008); Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 897 (2010); Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 814 (2006); Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 51; Ruffner, § 13 I 1, S. 537; Seibt, ZGR 2010, 795, 817; siehe auch Klein/Coffee, S. 124: „Since the mid-19th century, shareholder democracy has traditionally meant ,one share, one vote‘.“; Bürgers/Körber/Westermann, § 12 Rn. 1: „Die grds gleichmäßige Beteiligung aller Aktionäre am Stimmrecht nach Maßgabe ihres Kapitaleinsatzes gehört zur marktwirtschaftlichen Ordnung der auf Fungibilität des Anteilsbesitzes angelegten Kapitalgesellschaft.“ 38 Baums, AG 1990, 221; GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 4; GroßkommAktG/ Grundmann, § 134 Rn. 36; MünchKommAktG/Heider, § 12 Rn. 5, 8; Langenbucher, § 6 Rn. 173 f.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Marsch-Barner, § 34 Rn. 95; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 10.870. 39 KölnKommAktG/Dauner-Lieb, § 12 Rn. 3; Jäger, § 24 Rn. 116; Hüffer/Koch, § 12 Rn. 1; Henssler/Strohn/Lange, § 12 AktG Rn. 1; Spindler/Stilz/Vatter, § 12 Rn. 6. Schließlich bekennt sich auch Ziffer 2.1.2 DCGK ausdrücklich zum Proportionalitätsprinzip.
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3. Kap.: Problemanalyse
2. Grundsätzlich gewährt jede Aktie eine Stimme. Dieser mit „one share, one vote“ umschriebene Grundsatz stellt eine Ausprägung des obigen „kein Stimmrecht ohne Aktie“-Prinzips dar, denn wäre eine isolierte Übertragung des Stimmrechts möglich, bliebe auf Seiten des Verkäufers eine Aktie ohne Stimmrecht zurück. Dem Käufer hingegen stünde ein Stimmrecht zu, ohne Aktionär zu sein; von der Entscheidung, auf die er kraft seines Stimmrechts Einfluss nehmen könnte, wäre er wirtschaftlich in keinster Weise betroffen, da der Verkäufer des Anspruchs auf das Residualeinkommen nicht verlustig gegangen wäre. 3. Die Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit in der Gestaltung des empty voting stellt eine Abweichung vom Grundsatz „one share, one vote“ dar. Der empty voter hat eine überproportionale Stimmkraft, d. h. eine Stimmrechtsmacht, die ihm wirtschaftlich eigentlich nicht zusteht.
2. Konsequenzen einer Abweichung vom Proportionalitätsprinzip durch empty voting a) Allgemeines Der Grundsatz „one share, one vote“ bringt die Stimmrechtsmacht eines Aktionärs mit seinen wirtschaftlichen Anreizen in Einklang; seine Stimmrechtsmacht richtet sich proportional nach seinem Kapitalanteil. Der Aktionär als Inhaber des Anspruchs auf das Residualeinkommen und als Träger des Verlustrisikos hat einen Anreiz, sein Stimmrecht im Sinne einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben. Proportional mit einer steigenden Kapitalbeteiligung steigt das vom Aktionär übernommene Risiko und damit auch sein Anreiz zur Steigerung des Unternehmenswertes. Dieser Anreizgleichlauf stellt gewissermaßen das „einigende Band aller Aktionäre“40 dar. Dieses Band wird jedoch zerschnitten, wenn sich ein Aktionär mithilfe derivativer Finanzinstrumente oder mithilfe eines Wertpapierdarlehens die Möglichkeit verschafft, auf der Hauptversammlung der Gesellschaft abzustimmen, ohne in einem seinem Kapitalanteil entsprechenden Ausmaß wirtschaftlich von der Entscheidung betroffen zu sein.41 40
Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409. Vgl. Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409; Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 788 ff.; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 174 (2009): „[…] the incentives of the shareholder who has less economic exposure than voting rights are distorted […]“; Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 10 ff. unter der Überschrift „Setting the Stage: Incentives Distortion“; sehr anschaulich auch In Re IXC Communications, Inc. Shareholders Litigation v. Cincinnati Bell, Inc., 1999 Del. Ch. LEXIS 210, 21 (Del. Ch. 1999): „Generally speaking, courts closely scrutinize vote-buying because a shareholder who divorces property interest from voting interest, fails to serve the ,community of interest‘ among all shareholders, since the ,bought‘ shareholder votes may not reflect rational, economic self-interest arguably common to all shareholders.“; Crown Emak Partners, LLC v. Kurz, 992 A.2d 377, 388 (Del. 2010); aus Corporate Finance-Perspektive Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1072 f. 41
A. Empty voting
147
Die Verzerrung der Anreize des empty voters kann weitergehend in einen Interessenkonflikt zwischen ihm und den Mitaktionären münden.42 Doch nicht jede Anreizverzerrung bringt zwangsläufig einen Interessenkonflikt mit sich: Ein Konflikt liegt nur dann vor, wenn Zielsetzungen oder Wertvorstellungen von Personen oder Personengruppen unvereinbar sind43, wohingegen von einer Verzerrung bereits bei jeder – u. U. auch nur leichten – unerwünschten Abweichung von einem angestrebten Zustand gesprochen werden kann44. Nachfolgend soll für beide Varianten des empty voting jeweils dargestellt werden, in welcher Weise die Anreize des empty voters verzerrt sind und ob daraus ein Interessenkonflikt resultiert. Dabei kann man drei Konstellationen unterscheiden45, die auch für die rechtliche Bestandsaufnahme von Bedeutung sind: Mithilfe der modernen Finanzalchimie kann der Aktionär sein wirtschaftliches Interesse positiv, neutral oder negativ ausgestalten. An diesen Konstellationen orientiert sich die folgende Darstellung. (2013): „Risk-decoupled shareholders can be described as shareholders who reduce the inherent risk of the equity financing and, ideally, eliminate it completely. They want the best of both worlds. On the one hand, they want to be equity investors with ownership of the company’s shares and control rights; on the other hand, they want the risk profile of an external debt investor without giving up their control rights […].“ 42 Ähnlich GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 89 zum Mehrstimmrecht: „Zwar fehlt das Interesse an der Mehrung des Gesellschaftswertes hier nicht gänzlich, dennoch ist die Anreizstruktur verzerrt.“; Hayden/Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 485 (2008), die anmerken, dass der Aktionär nur dann bestrebt sein wird, den Interessen des Unternehmens zuwiderzuhandeln, „[i]f the short position is strong enough“, aber gleichzeitig auf weniger extreme Konstellationen hinweisen; ohne nähere Spezifizierung eine Unterscheidung vornehmend Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 3: „However, on the ground of incentives distortion, inefficiency and conflict of interest concerns arising from empty voting, […].“; siehe ferner Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 451 f.; Langenbucher, § 8 Rn. 16: „Je höher die Position ist, mit welcher sich der Aktionär in diesem Finanzmarktgeschäft engagiert hat, desto größer ist sein Interesse an negativer Kursentwicklung.“; anders wohl Engert, ZIP 2006, 2105, 2108, der auch in Fällen des (noch) positiven wirtschaftlichen Interesses einen Interessenkonflikt annimmt, zumindest aber die vollständige Neutralisierung der Betroffenheit aus den Aktien oder das negative wirtschaftliche Interesse als „Extremfall“ bezeichnet; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409, die unter der Überschrift „Der Interessenkonflikt des Darlehensnehmers“ die Begriffe „Anreiz“ und „Interessenkonflikt“ synonym verwenden; Ostler, S. 164, der unter der Überschrift „Interessenkonflikt“ Fälle des positiven, neutralen und negativen Interesses gleichermaßen zusammenfasst. 43 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Konflikt; Goldmann Lexikon, Konflikt; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Konflikt. 44 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Verzerrung; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Verzerrung, jeweils zum Begriff der Verzerrung in der Übertragungstechnik. 45 Siehe auch Mittermeier, S. 181 ff.; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 42 f., 73 ff.; Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 12; ferner Ford/Liao, 33 Seattle U. L. Rev. 889, 900 (2010); Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1065 (2013): „[…] risk-decoupling structures may not only be used to reduce or eliminate risk, but can even serve to create a situation where the negative interest exceeds the positive interest entirely.“; Wymeersch, Working Paper, S. 6.
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3. Kap.: Problemanalyse
b) Einsatz von Derivaten Erwirbt ein Investor Aktien der betreffenden Aktiengesellschaft und entledigt sich mittels des Einsatzes von Derivaten anschließend entweder vollständig oder teilweise des mit den Aktien verknüpften wirtschaftlichen Risikos, so wird er von den auf der Hauptversammlung getroffenen Entscheidungen nicht in der gleichen Weise berührt wie die übrigen Aktionäre. aa) Positives wirtschaftliches Interesse Gleicht die Derivatposition die Aktienposition nur teilweise aus, so hat der Investor – wie seine Mitaktionäre auch – zwar einen Anreiz, sein Stimmrecht in den Dienst einer Steigerung des Unternehmenswertes zu stellen. Dieser Anreiz ist allerdings schwächer ausgeprägt als bei den übrigen Aktionären. Insofern ist es zulässig, von einer Anreizverzerrung zu sprechen. Ein Interessenkonflikt resultiert daraus aber in der Regel nicht: Auch der empty voter hat ein positives wirtschaftliches Interesse, also ein Interesse an einem den Unternehmenswert steigernden Hauptversammlungsbeschluss, so dass seine Interessen nicht mit denen der übrigen Aktionäre konfligieren. Je stärker der Aktionär jedoch seine Aktienposition durch den Abschluss von Derivaten ausgleicht, desto größer wird der Anreiz des Aktionärs, nach evtl. erzielbaren Sondervorteilen Ausschau zu halten46, also solchen monetären oder nicht monetären Vorteile, die nicht der Aktionärsstellung entspringen und somit allen Beteiligten Nutzen bringen, sondern allein ihm zugute kommen und nicht der Gesellschaft und den übrigen Aktionären. Die durch einen steigenden Aktienkurs erzielbaren Kursgewinne fallen mit steigendem Derivateeinsatz immer geringer aus, und Sondervorteile können den Verzicht auf diese Kursgewinne und die Übernahme der Kosten der Stimmabgabe attraktiv erscheinen lassen. Ein Aktionär, der formal zwar ein positives wirtschaftliches Interesse hat, wird also dann nicht mehr zum Wohle des Unternehmens abstimmen, wenn die für ihn durch die Ausübung des Stimmrechts erzielbaren Sondervorteile die Kosten der Teilnahme an der Abstimmung und die Gewinne aus einer Abstimmung zum Wohle des Unternehmens übersteigen. Wann das der Fall ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt neben der Höhe der erwarteten Kursveränderung und der Höhe der Kosten der Stimmrechtsausübung insbesondere von der Höhe der erzielbaren Sondervorteile ab. Wenngleich somit das Interessenkonfliktpotential mit steigendem Einsatz derivativer Finanzinstrumente zunimmt, ändert das nichts an dem Grundsatz, dass ein sol46 So auch Mittermeier, S. 334; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 51 f.; zum gleichlaufenden Argument gegen Mehrfachstimmrechte siehe ECGF, Paper Proportionality, S. 14 f.; Ruffner, § 13 III 1, S. 553; siehe auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 74 zum vote buying: „The holder of the votes will invest too little. And he will also have an incentive to consume excessive leisure and perquisites and to engage in other behavior that does not maximize profits […].“; ferner Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1120 (2013); Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1062 f. (2013).
A. Empty voting
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cher Interessenkonflikt regelmäßig nicht gegeben sein wird. Schließlich ließe sich selbst bei vollständiger Proportionalität von Stimmrecht und wirtschaftlichem Risiko nicht gänzlich ausschließen, dass der Aktionär private Sondervorteile verfolgt, die ihn für die entgangenen Kursgewinne überkompensieren.47 Ebenso mag es umgekehrt Situationen geben, in denen sich das Abstimmen im Unternehmensinteresse für den Aktionär trotz einer negativen wirtschaftlichen Betroffenheit lohnt. bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse Neutralisiert der Investor seine Aktienposition durch den Erwerb einer gleich großen Derivatposition, sind ihm das Ergebnis eines Hauptversammlungsbeschlusses und die Entwicklung des Aktienkurses gleichgültig. Sofern der Beschluss die Zustimmung zu einer Übernahme oder einer Verschmelzung betrifft, kann ihm als Aktionär der Bietergesellschaft/des übernehmenden Rechtsträgers ein zu teurer Erwerbspreis bzw. als Aktionär der Zielgesellschaft/des übertragenden Rechtsträgers ein zu niedriger Erwerbspreis egal sein. Gleiches gilt für die Frage, ob die Übernahme bzw. die Verschmelzung insgesamt für die Bieter- bzw. für die Zielgesellschaft/den übernehmenden oder den übertragenden Rechtsträger wertsteigernd oder wertvernichtend ist. Wenn der Investor von den Ergebnissen der Abstimmung aber nicht betroffen wird, widerspricht die Teilnahme an ihr sogar seinen Interessen, weil sie Kosten verursacht, für die er nicht – z. B. durch eine positive Aktienkursentwicklung aufgrund positiver Hauptversammlungsbeschlüsse – entschädigt wird. Hat er somit eigentlich keinen Anreiz, das Stimmrecht auszuüben, überrascht es, warum er es dennoch tut. Der einzig denkbare Anreiz zur Abstimmung auf der Hauptversammlung besteht darin, Maßnahmen zu unterstützen, von denen er sich private Vorteile verspricht und deren Höhe die Höhe seiner Aufwendungen für die Stimmrechtsausübung übersteigen.48 Diese Vorteile resultieren per definitionem nicht aus der Entwicklung des Aktienkurses, die ja sämtliche Aktionäre tangierte. Wenngleich es also dem empty voter nicht darauf ankommt, durch sein Stimmverhalten möglichst große Kursverluste herbeizuführen49, wird der Gesellschaft durch die Maßnahme doch Vermögen entzogen oder ein sonstiger Nachteil zugefügt. Sofern es um einen vermögenswerten Nachteil geht, steht das entzogene Vermögen 47 So auch Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 72; ähnlich GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 89: „Während nun bei einem Aktionärsstimmrecht zwar ebenfalls zu befürchten ist, dass der Aktionär neben dem Interesse an der Entwicklung des Gesellschaftswertes, an dem er partizipiert, im konkreten Entscheidungsgegenstand fremde Interessen hat, die stärker wirken, fehlt es bei Dritten schon im Ausgangspunkt an einem eigenen Anreiz, eine Mehrung des Gesellschaftswertes anzustreben.“ 48 So auch Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409 für das empty voting im Wege des Abschlusses eines Wertpapierdarlehensvertrags; Mittermeier, S. 182 f.; siehe ferner OsterlohKonrad, ZGR 2012, 35, 43, 74, der zufolge in dieser Konstellation zwar der Verdacht nahe liegt, dass der Aktionär mit der Stimmabgabe unternehmensfremde Interessen verfolgt, jedoch nicht hinreichend sicher feststeht, dass er gegen die Interessen seiner Mitaktionäre abstimmen wird. 49 Zu dieser Konstellation sogleich 3. Kapitel A. II. 2. b) cc).
150
3. Kap.: Problemanalyse
nicht mehr zur Ausschüttung von Dividenden zur Verfügung, so dass indirekt auch die übrigen Aktionäre geschädigt werden. Daher kann als Zwischenergebnis festgehalten werden: Hat der empty voter ein wirtschaftliches Interesse von null und tritt ein Interesse an der Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile hinzu, liegt somit im Ergebnis ein Interessenkonflikt zwischen dem empty voter und seinen Mitaktionären vor. cc) Negatives wirtschaftliches Interesse Übersteigt die Derivatposition des Investors seine Aktienposition, besteht der Anreiz des empty voter zur Generierung privater Sondervorteile unverändert fort. Hinzu tritt der Anreiz, sein Stimmrecht entgegen den Interessen der übrigen Aktionäre zulasten einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben, um von einem Kursverlust profitieren zu können.50 Der empty voter verfolgt zum Zwecke der Maximierung des eigenen Gewinns das Ziel sinkender Aktienkurse. Ihm ist ausschließlich daran gelegen, auf Kosten der Gesellschaft und seiner Mitaktionäre persönliche Gewinne zu realisieren. In schärferer Form kann ein Interessenkonflikt nicht auftreten.51 Einer Übernahme bzw. Verschmelzung wird der empty voter dementsprechend nur dann zustimmen, wenn diese für die betreffende Gesellschaft entweder aufgrund der Höhe der Gegenleistung oder aus anderen Gründen nachteilig ist. Gleichzeitig wird er versuchen, das Zustandekommen wirtschaftlich vorteilhafter Übernahmen oder Verschmelzungen zu verhindern. Die anderen Aktionäre hingegen haben ein Interesse an einem zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führenden Hauptversammlungsbeschluss, da aus ihren Aktienpositionen ein positives wirtschaftliches Interesse entspringt. Einer Übernahme oder Verschmelzung werden sie dementsprechend als Aktionäre der Bietergesellschaft/des übernehmenden Rechtsträgers nur dann zustimmen, wenn die Gegenleistung für die Aktionäre der Zielgesellschaft/des übertragenden Rechtsträgers nicht unangemessen hoch ist und die Übernahme bzw. Verschmelzung insgesamt den Wert der Bietergesellschaft/des übernehmenden Rechtsträgers steigert. Sind sie Aktionäre der Zielgesellschaft/des übertragenden Rechtsträgers, werden sie eine beträchtliche Prämie auf den aktuellen Aktienkurs verlangen.
50
Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 452; Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 239 (2008); Hayden/Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 485 (2008); Mittermeier, S. 155, 184; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 208 (2006); Schouten, Working Paper, S. 48 f.; Wansleben, StudZR 2009, 465, 481; Yermack, Working Paper, S. 16 f. 51 Siehe Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 240 (2008) („[…] a negative voter’s efforts to find ways to bankrupt the firm.“), 242 („[…] negative voters have the financial incentive to harm third party shareholders to the greatest degree possible.“); Rodrigues, 95 Minn. L. Rev. 1822, 1837 (2011): „the clearest imaginable case of horizontal conflict“; siehe zu dieser Konstellation auch Heuser, Der Konzern 2012, 308, 315; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 208 (2006); Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 74 f.; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 304; Tschäni/Watter/ Hinsen, S. 1, 16.
A. Empty voting
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Eine identische Anreizstruktur des empty voter ist anzutreffen, wenn er Aktienpositionen sowohl an der Bietergesellschaft als auch an der Zielgesellschaft hält und sich des mit seiner Beteiligung an der Bietergesellschaft einhergehenden wirtschaftlichen Risikos vollständig entledigt.52 In Bezug auf die Bietergesellschaft ist ihm die Kursentwicklung gleichgültig, so dass er auch der Höhe des an die Aktionäre der Zielgesellschaft gezahlten Preises und der Frage nach der mit der Übernahme verbundenen Wertsteigerung indifferent gegenüber steht. Aufgrund seiner gleichzeitigen Beteiligung an der Zielgesellschaft wird er jedoch an einer möglichst hohen Übernahmeprämie für die Aktionäre der Zielgesellschaft interessiert sein. Dementsprechend besteht für ihn ein Anreiz, auf der Hauptversammlung der Bietergesellschaft für diese zu teure Übernahme zu stimmen. Allein auf eine Wertsteigerung seiner Position an der Zielgesellschaft bedacht, wird er auch einer Übernahme zustimmen, die für die Bietergesellschaft Wert vernichtet. Genau so lag es im Fall Mylan/King53: Da der Hedgefonds Perry sich des wirtschaftlichen Risikos aus seinen Mylan-Aktien durch den Abschluss von equity swap-Verträgen vollständig entledigt hatte, konnte es ihm gleichgültig sein, ob die Fusion für Mylan wertsteigernd oder wertvernichtend war. Eventuelle Verluste aus den Mylan-Aktien wurden durch korrespondierende Gewinne aus den equity swaps ausgeglichen. Perry hatte also null wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung des Unternehmens, aber dennoch ein Stimmgewicht in Höhe von 9,9 % des Grundkapitals. Berücksichtigt man zudem das Perry-Engagement in King-Aktien, so war sein wirtschaftliches Interesse in Bezug auf Mylan sogar negativ. c) Einsatz von Wertpapierdarlehen aa) Neutrales wirtschaftliches Interesse Der Grundfall der record date capture sieht folgendermaßen aus: Der Darlehensnehmer ist aufgrund seiner Aktieninhaberschaft am record date zur Ausübung des Stimmrechts auf der Hauptversammlung berechtigt. Er hat jedoch kein besonderes Interesse an einer Steigerung des Unternehmenswertes. Am Tag der Hauptversammlung ist er in der Regel nicht mehr Eigentümer der Aktien und schon insofern nicht von den dort gefällten Entscheidungen betroffen. Doch selbst wenn der Darlehensnehmer die Aktien über den Hauptversammlungstermin hinaus hält, treffen die wirtschaftlichen Folgen der Entscheidungen der Hauptversammlungen aufgrund der Gestaltung des Wertpapierdarlehens regelmäßig nicht ihn, sondern den Darlehensgeber.54 Ist aber das wirtschaftliche Interesse des Darlehensnehmers gleich 52 Zum Folgenden siehe auch Mittermeier, S. 151 ff., der diese Situation als „indirekte Absicherung“ bezeichnet; Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 13 f. unter „HF on the offensive side“; knapper Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 304; insofern a.A. OsterlohKonrad, ZGR 2012, 35, 74 f. 53 Zu diesem siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. c) aa). 54 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1) und A. II. 2. b) cc) (1).
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3. Kap.: Problemanalyse
null, wird er an der Abstimmung nur dann teilnehmen, wenn er daraus private Sondervorteile ziehen kann. Unter diesem Gesichtspunkt besteht ein Interessenkonflikt zwischen dem Darlehensnehmer/empty voter und den übrigen Aktionären in der gleichen Weise, wie er bereits für das vollständige hedging des Risikos durch Derivate diagnostiziert wurde55. Eine andere Beurteilung ist indes dann geboten, wenn der Darlehensnehmer nach den Vereinbarungen des Darlehensvertrags das Stimmrecht im Interesse oder sogar nach Weisung des Darlehensgebers auszuüben hat. Der Darlehensnehmer hat in diesem Fall keinen inhaltlichen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung. Die inhaltliche Entscheidung trifft vielmehr der Darlehensgeber als diejenige Person, die auch wirtschaftlich die Chancen und Risiken der Stimmabgabe zu tragen hat. Insofern liegt zwar formal, nicht aber materiell ein empty voting vor, weil das Stimmrecht letztlich dem Träger des Residualrisikos zusteht. Damit ist eine Konstellation gegeben, die der Verwaltungstreuhand (auch fiduziarische Treuhand genannt) entspricht, bei der der Treugeber das Eigentum an den Aktien an den Treuhänder überträgt.56 Gegen die Ausübung des Stimmrechts durch einen Treuhänder bestehen jedoch keinerlei gesellschaftsrechtliche Bedenken. Selbstverständlich dürfte es in der Praxis selten vorkommen, dass die Vertragspartner von Nr. 6.6 des GMSLA57 abweichende Vereinbarungen treffen, da sie sich in der Regel nicht persönlich kennen und daher auch nicht in Vertragsverhandlungen eintreten. Der Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer erfolgt zumeist anonym unter Zwischenschaltung von Kreditinstituten.58 bb) Positives wirtschaftliches Interesse Hält der Darlehensnehmer neben den darlehensweise erlangten Aktien weitere Aktien, aus denen er das wirtschaftliche Risiko vollständig trägt, wird er bestrebt sein, mithilfe seines Stimmrechts unternehmenswertsteigernde Entscheidungen zu fördern. Es ist daher grundsätzlich zwar kein Interessenkonflikt in der Person des empty voter gegeben, gleichwohl sind seine Anreize verzerrt: Weil er auch Aktien hält, aus denen er keinerlei wirtschaftliches Risiko trägt, ist sein Interesse an einer unternehmenswertsteigernden Entscheidung nicht derart stark ausgeprägt wie bei den anderen Aktionären.59 Die Gefahr eines Interessenkonflikts nimmt zu, je größer der Anteil der darlehensweise erlangten Aktien im Verhältnis zu den eigenen Aktien ist, je stärker sich also das wirtschaftliche Interesse des Aktionärs null annähert. 55
Siehe oben 3. Kapitel A. II. 2. b) bb). Vgl. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 619; siehe auch KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 82, 88; ders./Petersen, NZG 2009, 1373, 1374; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 31; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 62 f. 57 Zu dieser Vorschrift siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c). 58 Näher zur Rolle der Kreditinstitute beim Vertragsschluss 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (4) (b). 59 Vgl. auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1062 (2013): „Even if it is only a gradual reduction in risk, the decisions and votes are already to some extent distorted.“ 56
A. Empty voting
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Andererseits kann jedoch auch der Fall auftreten, dass ein wohl informierter Aktionär – im Glauben an die positiven Auswirkungen einer Entscheidung auf die Unternehmensentwicklung – seine Stimmrechtsmacht möglichst groß gestalten, sein wirtschaftliches Risiko jedoch begrenzen möchte. Wenn er sich in diesem Fall zusätzliche Stimmrechte beispielsweise im Wege des Wertpapierdarlehens verschafft, wandern die Stimmrechte von rational apathischen Aktionären zu einem Aktionär, der ihnen höhere Wertschätzung angedeihen lässt.60 So könnte es u. U. auch im Fall Laxey Partners/British Land gewesen sein.61 cc) Negatives wirtschaftliches Interesse Eine Position, aus welcher der Aktionär negativ wirtschaftlich betroffen wird, lässt sich durch eine Kombination von Wertpapierdarlehen und short selling herstellen.62 So kann der Darlehensnehmer beispielsweise nach dem darlehensweisen Erwerb von Aktien (z. B. 10 %) einen Teil dieser Aktien (z. B. 3 %) leer verkaufen und insoweit auf fallende Kurse setzen. Aus den ihm verbleibenden, nicht leer verkauften Aktien (7 %), aus denen er bei typischer Gestaltung des Wertpapierdarlehensvertrags wirtschaftlich weder positiv noch negativ betroffen ist, kann er dann auf der Hauptversammlung für Ereignisse abstimmen, die den erwünschten Kursrückgang herbeizuführen geeignet sind. Realisiert sich der Kursrückgang, kann der Darlehensnehmer den Aktienanteil, der ihm zur Rückführung des Wertpapierdarlehens fehlt (3 %), billiger am Kassamarkt zurückkaufen. Unter dem Strich hat der Darlehensnehmer also einen Anreiz, sein Stimmrecht entgegen den Interessen der übrigen Aktionäre zulasten einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben. Ein Anschauungsbeispiel für diese Vorgehensweise liefert der Fall Henderson Land/ Henderson Investment, wo sich ein Hedgefonds 2,7 % der Henderson InvestmentAktien im Wege des Wertpapierdarlehens verschaffte, diese nach dem record date komplett leer verkaufte und sein Stimmrecht zu Lasten des Unternehmenswohls einsetzte.63 Der darlehensweise Erwerb von Aktien ist indes bei Erreichen oder Überschreiten einer der einschlägigen Schwellen nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig64, was einen vom short seller nicht erwünschten Kursanstieg zur Folge haben kann. Alternativ bietet sich daher folgende Vorgehensweise an65 : Der Darlehensnehmer erwirbt Aktien in nicht meldepflichtiger Höhe (2,99 %) und verkauft diese leer. Auf 60
Zu diesem Argumentationsmuster siehe noch später 3. Kapitel A. III. 1. Näher zu diesem Fall siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. c) aa). 62 Zum Einsatz von Leerverkäufen zum Zwecke des empty voting vgl. auch Mittermeier, S. 121 ff., 150. 63 Näher zu diesem Fall siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. c) bb). 64 Eingehend dazu siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (2). 65 Vgl. Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 249 (2008); Mittermeier, S. 174. 61
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3. Kap.: Problemanalyse
diese Weise kann er eine reine short position aufbauen, aus der sich kein Stimmrecht ergibt und die deshalb unabhängig von ihrer Höhe nicht meldepflichtig ist. Dieses Vorgehen kann er je nach Präferenz mehrere Male wiederholen. Verkauft der Darlehensnehmer das letzte Aktienpaket nicht leer, kann er aus diesem das Stimmrecht in seinem Sinne ausüben. Der entscheidende Nachteil dieser Strategie liegt offenkundig jedoch in der Begrenztheit des Stimmrechtseinflusses (maximal 2,99 %). d) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, welch unerwünschte Konsequenzen sich aus einer Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes in Form des empty voting für die betroffene Gesellschaft und die Mitaktionäre des empty voter ergeben können. Jede Form des empty voting geht mit Anreizverzerrungen einher, weil mit einer Verringerung des übernommenen Risikos der Anreiz zur Abstimmung im Unternehmensinteresse nachlässt und gleichzeitig der Anreiz zur Suche nach privaten Sondervorteilen steigt. Die Anreizverzerrung schlägt in einen Interessenkonflikt zwischen dem empty voter und seinen Mitaktionären um, wenn das wirtschaftliche Interesse des empty voter null beträgt. Auf den ersten Blick offensichtlich ist der Interessenkonflikt bei einem negativen wirtschaftlichen Interesse des empty voter, weil er hier auf eine negative Kursentwicklung setzt. Es ist demnach zwischen schwerwiegenden und weniger schwerwiegenden Fällen des empty voting zu unterscheiden.66 In der Praxis werden aber gerade die gravierenden Fälle besonders häufig anzutreffen sein, da der empty voter dann von privaten Sondervorteilen vollumfänglich profitiert und im Falle des negativen wirtschaftlichen Interesses zusätzlich durch seine Spekulation auf fallende Kurse Gewinne zu Lasten aller anderen Beteiligten vereinnahmen kann.
66
Siehe auch Mittermeier, S. 155 („Damit sind die Fälle des negativen gegenläufigen Investments besonders kritisch, da nicht nur das Risiko aus dem Investment abgesichert ist, sondern darüber hinaus ein Anreiz besteht, die Stimmgesellschaft zu schädigen und ihren Wert zu schmälern.“), 300 („In diesen Fällen [Konstellationen des gegenläufigen Investments, Anm. d. Verf.] liegt ein handfester Interessenkonflikt vor.“), 331 f. („In diesen Konstellationen [Fälle neutraler oder positiver Interessenbilanz, Anm. d. Verf.] ist ein Konflikt mit den Interessen der anderen Gesellschafter nicht zwingend, da die Stimmrechtsausübung in diesen Fällen nicht determiniert ist.“).
A. Empty voting
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3. Vergleich des empty voting mit Mehrstimmrechten67 a) Einleitung aa) Ausnahmen vom Proportionalitätsgrundsatz Trotz seiner überzeugenden ökonomischen Herleitung stellt der Grundsatz „one share, one vote“ kein aktienrechtliches „Naturrecht“ dar.68 Seit jeher hat es Ausnahmen von diesem Grundsatz gegeben, und auch heute noch sind Ausnahmen – wie eine im Auftrag der EU-Kommission durchgeführte externe Studie zum Proportionalitätsprinzip in der Europäischen Union69 gezeigt hat – keine Seltenheit. Die praktisch bedeutsamste Abweichung vom Proportionalitätsprinzip hierzulande sind immer noch die stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§ 12 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 139 ff. AktG), die dem Vorzugsaktionär trotz der Tragung des wirtschaftlichen Risikos kein Stimmrecht verleihen. Durch ein derartiges unterproportionales Stimmrecht zeichnen sich auch Höchststimmrechte aus: Sie begrenzen die Stimmkraft von Aktionären, denen mehrere Aktien gehören, ungeachtet einer evtl. höheren Kapitalbeteiligung auf eine bestimmte Anzahl von Stimmen.70 Schließlich sind Aktien mit Mehrstimmrechten zu nennen, die anders als stimmrechtslose Vorzugsaktien und Höchstimmrechte ein potenziertes Stimmgewicht gewähren, ihrem Inhaber also mehr Stimmen geben als ihm nach seiner auf das Grundkapital bezogenen Beteiligungsquote zustehen71. Eben diese Verschaffung eines überproportionalen Stimmrechts ist auch für das empty voting charakteristisch.72 bb) Fragestellung Mehrstimmrechtsaktien sind in der Europäischen Union allerdings durchaus verbreitet (z. B. in Dänemark73, Finnland74, Niederlande75, Polen76, Schweden77 und 67 Für eine Gegenüberstellung von empty voting-Konstellationen mit anderen vergleichbaren Konstellationen wie z. B. Stimmrechtsvertretung, Treuhandverhältnissen oder Stimmbindungsverträgen siehe Mittermeier, S. 220 ff. 68 Zur Geschichte des „one share, one vote“-Grundsatzes aus US-amerikanischer Sicht vgl. Bainbridge, Research Paper, S. 3 ff.; Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 781 ff. 69 ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle; daran anknüpfend ECGF, Paper Proportionality, das die in den Mitgliedstaaten gefundenen Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip je nach ihrer Auswirkung auf dieses in vier Gruppen einteilt, siehe S. 10 f. 70 GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 26; MünchKommAktG/Heider, § 12 Rn. 11, 34; Hirte, Rn. 3.261; Henssler/Strohn/Lange, § 12 AktG Rn. 5; MünchHdbAG/Semler, § 38 Rn. 8. 71 GroßkommAktG/Brändel, § 12 Rn. 6; Hirte, Rn. 3.260; Hüffer/Koch, § 12 Rn. 8; BeckHdbAG/Maul, § 3 Rn. 58; MünchHdbAG/Semler, § 38 Rn. 5; Hölters/Solveen, § 12 Rn. 11; Spindler/Stilz/Vatter, § 12 Rn. 16; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 10.878. 72 Vgl. auch Mittermeier, S. 218; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 45. 73 Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 57 f. 74 Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 63 f.
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3. Kap.: Problemanalyse
in besonderem Maße in Frankreich78), so dass sich die Frage stellt, ob zwischen Mehrstimmrechten und dem empty voting überhaupt Unterschiede auszumachen sind, die letzteres besonders verwerflich erscheinen lassen. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung des empty voting werden sich nämlich nur dann rechtfertigen lassen, wenn sich das empty voting von Mehrstimmrechtsaktien nochmals negativ abhebt. b) Schwindende Bedeutung der Abweichungen Zunächst ist ganz grundsätzlich anzumerken, dass Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip schon immer Kritik auf sich gezogen haben und sich daher seit geraumer Zeit auf dem Rückzug befinden. aa) Deutschland (1) Höchststimmrechte So ist der deutsche Gesetzgeber im Hinblick auf Höchststimmrechte den kritischen Literaturstimmen79 gefolgt80: Höchststimmrechte widersprächen nicht nur der Vorstellung, in der Aktiengesellschaft – insbesondere in der börsennotierten Aktiengesellschaft – sollten Stimmrechte und Eigentum grundsätzlich korrelieren. Sie beeinträchtigten zudem den Kapitalmarkt, weil Übernahmen behindert würden und damit Übernahmephantasie fehle. Sie dienten tendenziell den Interessen der Verwaltung, die dadurch den Einfluss von Großaktionären abwehren könne. Dadurch würde die Kontrolle der Verwaltung durch die Eigentümer verschlechtert.81 In der Literatur fand sich überdies der Hinweis, all diese Aspekte wirkten sich negativ auf den Aktienkurs aus und schädigten somit die Aktionäre82. Dementsprechend sind 75
Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 104 ff. Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 110 f. 77 Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 120 f. 78 Vgl. ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 67 f. 79 Vgl. Adams, AG 1990, 63, 70 ff.; Baums, AG 1990, 221, 225 ff.; Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 39 (1988); Jarrell/Poulsen, J. Fin. Econ. 20 (1988) 129, 136 ff.; a.A. Hüffer/Koch, § 134 Rn. 5; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 134 Rn. 16; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 126 ff. 80 Vgl. Begründung RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 20. 81 Zu diesen Argumenten siehe auch Adams, AG 1990, 63, 70 ff.; Black/Kraakman, 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 f. (1996); MünchHdbAG/Semler, § 38 Rn. 10; a.A. Schneider, AG 1990, 56, 57. 82 Baums, AG 1990, 221, 226; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, Rn. 217; zurückhaltender, aber ebenfalls stark in diese Richtung tendierend Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 23 (1988): „The available empirical evidence supports the view that dual class recapitalizations do not increase shareholder wealth. It also strongly suggests, but does not conclusively demonstrate, that such recapitalizations decrease shareholder wealth.“; siehe auch die empirische Untersuchung von Jarrell/Poulsen, J. Fin. Econ. 20 (1988) 129, 136 ff.; a.A. Schneider, AG 1990, 56, 57 f.; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 121 ff. 76
A. Empty voting
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Höchststimmrechte seit dem KonTraG83 nur noch in nicht börsennotierten Gesellschaften zulässig (§ 134 Abs. 1 S. 2 AktG).84 Bereits vor dem 01. Mai 1998 begründete Höchststimmrechte bei börsennotierten Gesellschaften blieben nach der Übergangsregelung des § 5 Abs. 7 EGAktG bis zum 01. Juni 2000 bestehen. (2) Mehrstimmrechte Die Schärfe der um die Berechtigung von Mehrstimmrechten jahrzehntelang geführten Kontroverse stand der Debatte um die Höchststimmrechte in nichts nach85: Die Verfechter der Mehrstimmrechte hoben insbesondere auf den Schutz der bevorrechtigten Aktionäre vor einer Verwässerung ihrer Kontrolle, also auf den Schutz vor „Überfremdung“, die Erschwerung feindlicher Übernahmen, die Erleichterung der Überwachung des Management sowie das Erfordernis ab, den Mehrheits- und Großaktionären für die Übernahme firmenspezifischer Risiken eine Kompensation zukommen zu lassen. Andere Stimmen hielten dem entgegen, Mehrstimmrechtsaktien verhinderten eine effektive Kontrolle des Management durch den Markt für Unternehmenskontrolle, erschwerten dadurch nicht nur wertreduzierende, sondern auch wertsteigernde Übernahmen, und ließen es zu, dass sich Mehrstimmrechtsaktionäre mittels ihres Stimmrechts geldwerte private Vorteile86 zu Lasten der übrigen Aktionäre aneignen. Auch hier hat sich der Gesetzgeber den Kritikern angeschlossen. Die Begründung von Mehrstimmrechten ist seit 1998 gemäß § 12 Abs. 2 AktG unzulässig. Die frühere Ausnahmeregelung in § 12 Abs. 2 S. 2 AktG, nach der Mehrstimmrechte mit ministerieller Genehmigung begründet werden konnten, soweit das zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich war, ist durch das KonTraG gestrichen worden. Soweit Mehrstimmrechte nach altem Recht geschaffen worden waren, sind sie am 01. Juni 2003 erloschen, wenn nicht zuvor die Hauptversammlung ihre Fortgeltung beschlossen hatte (§ 5 Abs. 1 S. 1 EGAktG). Mehrstimmrechtsaktien können heute demnach nur noch vorkommen, wenn nach der 83
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998, BGBl. I 1998, S. 786. 84 Zur Berechtigung der Differenzierung zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften vgl. Mittermeier, S. 210 f. 85 Exzellente Darstellung der Erklärungsansätze für Mehrfachstimmrechte bei Ruffner, § 13, S. 537 ff.; vgl. zum Ganzen auch Adams, AG 1990, 63; ECGF, Paper Proportionality, S. 13 ff.; Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 136 ff. (1987); Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 10 ff. (1988); Grossman/Hart, J. Fin. Econ. 20 (1988) 175, 178 ff.; GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 89; Jarrell/Poulsen, J. Fin. Econ. 20 (1988) 129; Mittermeier, S. 208 f. 86 Unter privaten Vorteilen sind solche (geldwerten oder ideellen) Erträge zu verstehen, die das amtierende Management bzw. der die Kontrolle erlangende Erwerber ausschließlich für sich zu erzielen vermag, die also nicht Ausfluss der Stellung als Aktionär sind. Diese können beispielsweise in der Durchführung von Transaktionen mit dem Kontrollaktionär nahestehenden Personen oder Unternehmen (sog. related party transactions) oder in einer erhöhten Vergütung für das Management bestehen, vgl. Adams, AG 1990, 63, 67; ECGF, Paper Proportionality, S. 14 f.; Mittermeier, S. 199.
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3. Kap.: Problemanalyse
Änderung des § 12 Abs. 2 AktG rechtzeitig ein Fortgeltungsbeschluss gefasst worden ist; einer Neubegründung von Mehrstimmrechten steht § 12 Abs. 2 AktG in seiner aktuellen Fassung entgegen87. Es ist im Ergebnis also wenig verwunderlich, dass die bereits oben genannte Studie zum Proportionalitätsprinzip in der EU keine Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien durch deutsche Unternehmen feststellen konnte.88 (3) Stimmrechtslose Vorzugsaktien Weil der Vorzugsaktionär sein Stimmrecht bewusst gegen eine Vorzugsdividende eintauscht – die Nachteile also wissentlich in Kauf nimmt – und kein anderer Aktionär ein überproportionales Stimmrecht erhält, waren und sind Vorzugsaktien rechtspolitisch nicht in gleichem Maße umstritten wie Höchst- und Mehrstimmrechte.89 Dennoch verlieren sie in jüngerer Zeit kontinuierlich an Bedeutung.90 bb) USA Ganz ähnlich stellt sich die Rechtslage in den USA dar. Seit den späten 1920-er Jahren hatte es die New York Stock Exchange (NYSE) abgelehnt, Aktien von Gesellschaften zuzulassen, die vom „one share, one vote“-Grundsatz abwichen. Als im Zuge der Übernahmewelle, welche die USA in den 1980-er Jahren überrollte, viele 87
Offensichtlich flammt die als erledigt geglaubte Kontroverse wieder auf, vgl. Bürgers/ Körber/Westermann, § 12 Rn. 5; kritisch auch Hüffer/Koch, § 12 Rn. 10; siehe auch für die Schweiz, wo Aktien mit Mehrstimmrechten erlaubt sind, von der Crone/Reiser/Plaksen, SZW 2010, 93, 94 ff., nach denen Mehrstimmrechte einen positiven Effekt auf den Wert schweizerischer Publikumsgesellschaften haben und sich zudem bei Unternehmensübernahmen positiv auf den Übernahmegewinn auswirken. 88 ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, S. 74; vgl. auch Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, Rn. 214, wonach in der Praxis keine börsennotierte Gesellschaft bekannt ist, die über Mehrstimmrechtsaktien verfügt. 89 Siehe Begründung RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 12: „Die Einräumung von Einfluß ohne korrespondierendes Anteilseigentum entspricht nicht den Erwartungen des Kapitalmarktes und schwächt die Eigentümerkontrolle. Dies ist anders zu beurteilen, wenn dem Markt eine eigene Aktiengattung (stimmrechtslose Vorzugsaktien) mit gesetzlich umrissenen Rechten angeboten wird, die er auch entsprechend niedriger bewertet.“; Spindler/Stilz/Bormann, § 139 Rn. 4, der die Begründung RegE zum KonTraG fehlinterpretiert und annimmt, der Gesetzgeber habe die Abschaffung stimmrechtsloser Vorzugsaktien erwogen, letztlich aber verworfen; Christians, AG 1990, 47, 48 f.; Mittermeier, S. 211 ff.; knapp zu den letztlich nicht überzeugenden Bedenken Hüffer/Koch, § 139 Rn. 3. 90 Vgl. Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Butzke, § 6 Rn. 22; Jung/Wachtler, AG 2001, 513, 520; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, Rn. 211; Mittermeier, S. 212 f.; Heidel/Roth, § 139 Rn. 2; MünchKommAktG/Schröer, § 139 Rn. 4; Spindler/Stilz/Vatter, § 11 Rn. 2; zu den Ursachen Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 58; Senger/Vogelmann, AG 2002, 193; Wirth/ Arnold, ZGR 2002, 859, 860 ff.; zurückhaltender Hüffer/Koch, § 139 Rn. 3: „Entwicklung scheint zum Stillstand gekommen zu sein.“; siehe auch ISS/Shearman & Sterling/ecgi, Report Proportionality Principle, Figure 4-51, S. 74, wonach nur vier der untersuchten deutschen Unternehmen Vorzugsaktien ausgaben.
A. Empty voting
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Gesellschaften als präventive Abwehrmaßnahme eine zweite Aktienklasse mit mehrfachem Stimmrecht einführten91, gab die NYSE im Jahre 1985 aus Wettbewerbsgründen das Erfordernis einer „one share, one vote“-Stimmrechtsstruktur als Voraussetzung eines listing auf. Die SEC versuchte dieser Entwicklung durch die Schaffung einer SEC-Rule 19c-4 entgegensteuern, nach der die Notierung von solchen Gesellschaften an Börsen verboten sein sollte, die nicht dem „one share, one vote“-Grundsatz folgen (sog. „one share, one vote rule“). Der United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit hielt diese Rule zwar für eine Überschreitung der Kompetenzen der SEC92; seit 1994 allerdings gilt das Proportionalitätserfordernis wieder für eine Notierung an den Börsen NYSE, AMEX (American Stock Exchange) und NASDAQ (National Association of Securities Dealers Automated Quotations). Dementsprechend ist der „one share, one vote“-Grundsatz in den USA zumindest für börsennotierte Gesellschaften93 die Norm.94 cc) Europäische Union Der Proportionalitätsgrundsatz liegt auch dem Europäischen Gemeinschaftsrecht zugrunde. Die Tatsache, dass die Europäische Kommission ihr Ziel einer Verankerung des Proportionalitätsgrundsatzes auf europäischer Ebene im Jahre 2007 aufgegeben hat95, vermag an diesem Befund letzten Endes nichts zu ändern, wenngleich die dritte Änderung des Vorschlags einer fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Strukturrichtlinie)96, die in Art. 33 Abs. 1 die strikte Einführung des „one share, one vote“-Prinzips vorsah97 und im Jahre 2001 endgültig zurückgezogen wurde98, seither tatsächlich nur noch „rechtshistorischer Hintergrund“ sein dürfte99. 91 Zu diesen dual class recapitalizations siehe Gilson, 73 Va. L. Rev. 807 (1987); Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3 (1988); Lowenstein, 89 Colum. L. Rev. 979 (1989); Merkt, Rn. 1501. 92 Vgl. The Business Roundtable v. Securities and Exchange Commission, 905 F.2d 406 (D. C. Circ. 1990). 93 Zu dieser Einschränkung vgl. von der Crone/Reiser/Plaksen, SZW 2010, 93, 106, 110. 94 Vgl. Black/Kraakman, 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 (1996); Conference Board, Research Report, S. 40; von der Crone/Rieser/Plaksen, SZW 2010, 93, 106, 110; Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 306 (2008); Fairfax, 3 Va. L. & Bus. Rev. 1 (2008); Hayden/ Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 447 (2008); Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 786; siehe zuvor schon Blair/Golbe/Gerard, J. Pol. Econ. 97 (1989) 420 f.; Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 135 (1987); Horner, J. B. & Fin. 12 (1988) 69, 70. 95 Vgl. Fischer zu Cramburg, NZG 2007, 859; kritisch dazu Hommelhoff/Hopt/v. Werder/ Hopt, S. 39, 56. 96 Dritte Änderung des Vorschlags für eine fünfte Richtlinie des Rates vom 20. November 1991 nach Artikel 54 EWG-Vertrag über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe, ABl. EWG Nr. C 321/9; ausführlich zu dieser Schwarz, Rn. 705 ff. 97 Art. 33 Abs. 2 ließ allerdings die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien zu. 98 Dazu Grundmann, EuropGesR, Rn. 366, 403. 99 So Grundmann, EuropGesR, Rn. 366.
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3. Kap.: Problemanalyse
Allerdings kann Art. 11 Abs. 3 der Übernahmerichtlinie100 beispielsweise eine Affinität zum „one share, one vote“-Grundsatz nicht verleugnen: In der Hauptversammlung, die über etwaige Abwehrmaßnahmen beschließt, entfalten zum einen sowohl satzungsmäßige (UAbs. 1) als auch sonstige Stimmrechtsbeschränkungen (UAbs. 2) keine Wirkung, und zum anderen haben auch Aktien mit Mehrfachstimmrecht nur eine Stimme (UAbs. 3). In die gleiche Richtung weisen die golden shares-Rechtsprechung des EuGH und die Entscheidung des EuGH zum VW-Gesetz: Über die in Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EGV) verankerte Kapitalverkehrsfreiheit schneidet der EuGH rigoros Sonderrechte der öffentlichen Hand in privatisierten nationalen Gesellschaften zurück, die über die gewöhnlicherweise mit dem Anteilsbesitz verbundenen Rechte hinausgehen101, soweit nicht die mitgliedstaatliche Regelung gerechtfertigt ist102. Mit seiner viel beachteten Entscheidung zum VWGesetz103 gebietet der EuGH der Einführung bzw. Beibehaltung von Höchststimmrechten und damit einer Abweichung vom „one share, one vote“-Grundsatz Einhalt. dd) Zwischenergebnis Mehrstimmrechte sehen sich seit langer Zeit heftiger Kritik ausgesetzt. Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Rechtsordnungen ihnen reserviert gegenüber stehen. Hierzulande ist ihre Neubegründung seit über 15 Jahren sogar gänzlich unzulässig. Bestehen bereits angesichts dieser Fakten Bedenken gegen das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten, werden diese durch zwei weitere Aspekte noch zusätzlich verstärkt. c) Unterschiedliche Interessenlage Ein erster entscheidender Unterschied zwischen den Mehrstimmrechten und dem empty voting liegt in der Anreizstruktur des abstimmenden Aktionärs. Ein empty voter kann mithilfe von Derivaten, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufen seine Risikoposition beliebig ausgestalten. Es steht zu vermuten, dass v. a. die Fälle eines negativen wirtschaftlichen Interesses besonders häufig vorkommen, da der Aktionär in diesem Fall maximale persönliche Profite realisieren kann. Wie gezeigt treten in dieser Konstellation eklatante Interessenkonflikte zwischen ihm und seinen Mitaktionären zu Tage. Ein Aktionär, der durch Mehrstimmrechte ein überproportionales Stimmrecht erhält, hat hingegen stets ein positives wirtschaftliches Interesse an 100
Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU Nr. L 142/12. 101 Vgl. EuGH, Slg. 2002, I-4731; EuGH, Slg. 2002, I-4781; EuGH, Slg. 2003, I-4581; EuGH, Slg. 2003, I-4641. 102 So im Fall EuGH, Slg. 2002, I-4809. 103 EuGH, Slg. 2007, I-8995 (siehe dazu Hammen, Der Konzern 2009, 391; Holle, AG 2010, 14; Kilian, NJW 2007, 3469; Rapp-Jung/Bartosch, BB 2009, 2210; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577); vgl. nunmehr auch EuGH NZG 2013, 1308 (siehe dazu Kalss, EuZW 2013, 948; Seibert, AG 2013, 904; Streinz, JuS 2014, 565).
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der Entwicklung des Unternehmens. Er geht als Aktionär ein wirtschaftliches Risiko ein, dessen er sich nicht anderweitig wieder entledigt. Er profitiert daher wie seine Mitaktionäre grundsätzlich von steigenden Aktienkursen und verzeichnet Verluste bei sinkenden Aktienkursen. Es liegt somit wegen der Überproportionalität seines Stimmrechts zwar eine Anreizverzerrung, nicht aber wie beim empty voting mit neutralem oder negativem Interesse ein Interessenkonflikt vor.104 In der Ausübung des Stimmrechts trotz bestehenden Interessenkonflikts liegt aus gesellschaftsrechtlicher Warte jedoch das Hauptbedenken gegen das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten. d) Verstoß gegen die Satzungsdispositivität des Proportionalitätsprinzips Obschon der Grundsatz „one share, one vote“ kein aktienrechtliches „Naturrecht“ darstellt, lässt sich der Gesetzgeber weitgehend von Zweckmäßigkeitsvorstellungen dieses Inhalts leiten105. Seine Haltung kommt auch darin zum Ausdruck, dass er Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip – sofern er sie überhaupt zulässt – nur dann erlaubt, wenn diese auf einer statutarischen Grundlage beruhen106. Für Höchststimmrechte ist dies in § 134 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich bestimmt. Durch das Erfordernis einer Verankerung der Abweichung in der Satzung soll gewährleistet werden, dass sich alle aktuellen und potentiellen Aktionäre auf die Existenz dieser Abweichung einstellen können. Der empty voter verstößt durch sein Vorgehen gegen die Satzungsdispositivität des Proportionalitätsprinzips. Nicht die Hauptversammlung und somit die Aktionäre entscheiden im Falle des empty voting darüber, ob von der „one share, one vote“Regel abgewichen werden soll, sondern ein einzelner Marktteilnehmer. Das Proportionalitätsprinzip ist durch die Möglichkeit des Einsatzes von Derivaten, Wert104
Wie hier Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1065 (2013). Hüffer/Koch, § 134 Rn. 3; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 118; von einer „Leitlinie“ spricht GroßkommAktG/Grundmann, § 134 Rn. 37; siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 612, der aus dem deutschen Aktienrecht ein „Erfordernis der Selbstbetroffenheit“ ableitet; Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 270; Mittermeier, S. 207 („Grundnorm des deutschen Aktienrechts hinsichtlich der Verteilung der Stimmrechte unter den Aktionären ist § 134 Abs. 1 AktG. Sie legt im Grundsatz das Proportionalitätsprinzip fest. Im Zusammenspiel mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge, § 23 Abs. 5 AktG, folgt daraus, dass jede Abweichung von einer proportionalen Verteilung der Stimmrechte einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf.“), 217 („Der Grundsatz des one-share-one-vote ist im deutschen Recht fast vollständig verwirklicht.“); Ostler, S. 36; Hölters/Solveen, § 12 Rn. 11; für das schweizerische Recht auch Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 28: „Das Schweizer Aktienrecht fußt auf dem Prinzip, dass die Aktionäre ein Interesse an steigenden Aktienkursen bzw. einem steigenden Unternehmenswert haben und an jeder GV [Generalversammlung, Anm. d. Verf.] entsprechend abstimmen […].“ 106 Für Höchststimmrechte vgl. Wachter/Dürr, § 134 Rn. 5; GroßkommAktG/Grundmann, § 134 Rn. 61; Hüffer/Koch, § 134 Rn. 7; MünchHdbAG/Semler, § 38 Rn. 15; für stimmrechtslose Vorzugsaktien vgl. Hölters/Hirschmann, § 139 Rn. 21; Hüffer/Koch, § 139 Rn. 11; Heidel/Roth, § 139 Rn. 19; MünchKommAktG/Schröer, § 139 Rn. 5; K. Schmidt/Lutter/ Spindler, § 139 Rn. 8. 105
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papierdarlehen und Leerverkäufen in beträchtlichem Umfang der Beliebigkeit ausgesetzt worden, ein Grund dafür, warum hinsichtlich des Umgangs mit diesem Phänomen so große Unsicherheit herrscht. Im Fehlen einer statutarischen Grundlage und damit in der Art und Weise der Entstehung der Abweichung vom Proportionalitätsgrundsatz liegt somit ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen dem empty voting und allen anderen Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip.107 e) Ergebnis Das empty voting ist unter Corporate Governance-Gesichtspunkten nochmals weitaus kritischer zu beurteilen als Mehrstimmrechte108 : Die Interessen des empty 107 Dies herausstellend auch Brav/Mathews, Working Paper, S. 3 f.: „These studies generally focus on long-term deviations from one share, one vote that are codified in the corporate charter. In this study we focus instead on short-term deviations arising from activities in the derivatives or share lending markets, […].“; Burkart/Lee, Rev. Fin. 12 (2008) 1, 33: „Given that these transactions are beyond the firm’s control, […].“; Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 308 (2008); ECGF, Paper Proportionality, S. 11: „[…] mechanisms which are not part of the company’s constitution but affect the effective exercise of proportionate voting rights in the company. Examples are pyramids and cross-shareholdings, as well as market techniques that allow for decoupling of voting rights from cash flow rights, resulting, for example in votes being exercisable without any economic equity investment (,empty voting‘).“; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 858 (2006): „One central difference is that, with dual-class capital structures, pyramids, and circular control, outside investors know what they are getting. […] Both the theoretical work discussed above and the available evidence on the effects of insider decoupling involve a disclosed wedge between economic ownership and voting rights. An undisclosed wedge is more problematic than a disclosed wedge.“; dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 357; Mittermeier, S. 219; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 209 ff. (2006): „Further, Delaware courts also typically favor voting decisions, or decisions made by elections, over market decisions. The ability to divorce voting rights from economic exposure could undercut this preference […]. Another policy reason for disallowing de facto vote-buying relates to the problem of disclosure. Despite the advantages of a one share, one vote rule, there are some instances where it is not followed. For example, ,dual class‘ share arrangements permit each share to have no vote or multiple votes. […] The reason it is legal is simple: these facts are fully disclosed. […] Conversly, risk arbitrage enables a departure from the one share, one vote model without providing advance disclosure of disparate voting rights.“; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 174 f. (2009): „Information on the latter [conventional deviations from one shareone vote, Anm. d. Verf.] is provided by an array of sources, including company statutes and initial and ongoing issuer disclosure requirements. […] These sources, however, will typically fail to inform the market if a wedge between voting rights and cash flow rights is created through market instruments instead of institutional instruments, not for the long term but for the short term, and not by insiders but by outside investors, […].“; Spamann, Discussion Paper, S. 2 f., 5 f., 20; Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 12 mit Fn. 26: „However, empty voting could be distinguished at least from a specific deviation device, namely a recapitalization into a dual class structure, because empty voting constitutes an unexpected recapitalization that cannot be avoided by fellow shareholders.“ 108 Ähnlich Mittermeier, S. 218 f.; a.A. Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 55: „Fällt bereits die Bewertung von dauerhaften Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip wie etwa Mehr-
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voter konfligieren häufig mit denen seiner Mitaktionäre, der Inhaber von Mehrstimmrechtsaktien hingegen besitzt trotz bestehender Anreizverzerrungen weiterhin ein Interesse an einer positiven Unternehmensentwicklung. Zudem kann sich der empty voter heimlich des Risikos aus seiner Aktienposition entledigen, während Mehrstimmrechte durch die Satzung geschaffen werden und damit allen Aktionären bekannt sind.
III. Ineffizienz Tauscht man die juristische gegen die ökonomische Brille, stellt sich die Frage, wie das empty voting unter Effizienzgesichtspunkten zu beurteilen ist. 1. Einführung In einer engen Verbindung – zunächst lediglich terminologischer Art – zum new vote buying steht ein Forschungszweig, der das vote buying, d. h. den Stimmrechtskauf, bzw. den isolierten Handel mit Stimmrechten mit der Begründung generell zulassen will, dieser gehe mit mehreren positiven Effekten für die Aktionäre und die Wirtschaft einher.109 Durch die Zulassung eines separaten Stimmrechtshandels würden erstens Stimmrechte in die Hände informierter Marktteilnehmer gelangen, die ein Interesse an einer wirkungsvollen Managementkontrolle haben. Dies erleichtere nicht nur die Auswechslung eines unfähigen Management-Teams, sondern auch die Ersetzung eines überdurchschnittlichen Management-Teams durch ein noch besseres. Zweitens könne auch der häufig als ungerecht empfundene Vorteil des amtierenden Managements hinsichtlich der Erlangung einer Hauptversamm-
stimmrechten nicht eindeutig negativ aus, so muss dies erst recht für das Empty Voting gelten. Denn erstens bergen Mechanismen, die einzelnen Aktionären auf Dauer eine überproportional hohe Stimmrechtsmacht zuweisen, deutlich eher die Gefahr, dass sich Kontrollstrukturen verfestigen und der Markt für Unternehmenskontrolle nicht funktioniert, als lediglich temporäre Abweichungen von one share – one vote, wie sie Empty Voting oder der Stimmenkauf bewirken. Zweitens lassen sich auch diejenigen Vorteile disproportionaler Stimmrechtsmacht, die für Übernahmesituationen diskutiert werden, besser duch temporäre als durch dauerhafte Durchbrechungen der Proportionalität verwirklichen: Ist one share – one vote zwar oft optimal, nicht aber dann, wenn es darum geht, Kontrollrenten vom Übernehmer abzuschöpfen, so spricht vieles dafür, Abweichungen eher situationsgebunden als in dauerhafter, in der Satzung verankerter Form zuzulassen.“ 109 Vgl. Andre, 63 S. Cal. L. Rev. 533, 606 ff. (1990); Hasen, 88 Cal f. L. Rev. 1323, 1349 ff. (2000); Manne, 64 Colum. L. Rev. 1427 (1964); McChesney, 61 Geo. Wash. L. Rev. 272, 291 f. (1992); zwischen mehreren Kategorien des vote buying differenzierend Clark, 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 790 ff. (1979); siehe auch Handelsblatt v. 12. 08. 2009, S. 9 zu Vorschlägen des ehemaligen britischen Staatssekretärs im Finanzministerium Paul Myners, eine Art Tauschbörse einzurichten, an der Anteilseigner ihre Stimmrechte handeln können: „Aktionäre, die ihr Stimmrecht nie oder nur selten nutzen, könnten diese Rechte an andere, engagiertere Anteilseigner verkaufen.“
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3. Kap.: Problemanalyse
lungsmehrheit für die eigenen Vorschläge110 durch einen Stimmrechtshandel beseitigt werden, so dass sich das amtierende Management und ein möglicher Konkurrent auf Augenhöhe gegenüberstünden. Drittens habe ein isolierter Stimmrechtshandel gegenüber einer Übernahme den Vorteil wesentlich geringerer Transaktionskosten, da der Preis für das Stimmrecht allein niedriger sei als für die Aktie inklusive des Stimmrechts. Alles in allem stärke ein Stimmrechtshandel somit den Markt für Unternehmenskontrolle.111 Diese Ansicht wird durch eine Studie von Blair, Golbe und Gerard bestätigt: Unter der Annahme fehlender Besteuerung von Kapitalerträgen mache es für einen potentiellen Bieter keinen Unterschied, ob die Übernahme durch den Erwerb von Aktien oder bloßen Stimmrechten erfolge.112 Würden Kapitalerträge jedoch besteuert, könnten im Falle des Erwerbs von Aktien und den damit einhergehenden Stimmrechten einige wohlfahrtssteigernde Übernahmen scheitern, einige wohlfahrtsvernichtende Übernahmen hingegen zustande kommen. Ließe man hingegen einen isolierten Stimmrechtshandel zu, kämen einige wohlfahrtsfördernde Übernahmen zustande, die anderenfalls gescheitert wären.113 Demzufolge kann ein isolierter Stimmrechtshandel v. a. dann effizienzsteigernd wirken, wenn Kapitalertragssteuern den Aktienhandel unattraktiv machen. Überdies ist nicht auszuschließen, dass ein isolierter Handel von Stimmrechten zu einer Erhöhung der Stimmrechtspräsenz auf Hauptversammlungen führt. Dieses Argumentationsmuster lässt sich auf das empty voting übertragen: Bei Aktiengesellschaften mit hohem Streubesitzanteil neigen die Kleinaktionäre zu rationaler Apathie und stimmen auf Hauptversammlungen entweder gar nicht oder uninformiert und dann meist im Sinne des Management ab.114 Andere Marktteilnehmer – so wird von manchen vorgebracht – seien unter Umständen wesentlich besser informiert und erhielten durch die Möglichkeit des empty voting einen Anreiz, ihren Informationsvorsprung in den Abstimmungsprozess einzubringen. Die Stimmrechte wanderten so zu denjenigen, die ihnen die höchste Wertschätzung angedeihen lassen. Im Ergebnis bedeute dies eine effizientere Allokation der Stimmrechte.115 110 Zu diesem Phänomen vgl. Listokin, Am. L. & Econ. Rev. 10 (2008) 159 mit dem Aufsatztitel „Management Always Wins the Close Ones“; Pound, J. Fin. Econ. 20 (1988) 237: „[…] inefficiency in the system of proxy vote solicitation can give incumbent management a vote-getting advantage.“; siehe auch Bebchuk/Kahan, 78 Calif. L. Rev. 1073, 1096 ff. (1990); Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 567 f. (2012). 111 Zu den vorgenannten Argumenten in geraffter Form vgl. Christoffersen/Geczy/Musto/ Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2898; Neeman/Orosel, Int’l. Rev. L. & Econ. 26 (2006) 536, 550 f.; siehe ferner Kobayashi/Ribstein, 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 39 (2006); Manne, 64 Colum. L. Rev. 1427, 1435 ff. (1964); Mittermeier, S. 261 ff.; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 52 f. 112 Vgl. Blair/Golbe/Gerard, J. Pol. Econ. 97 (1989) 420, 422, 427 ff. 113 Vgl. Blair/Golbe/Gerard, J. Pol. Econ. 97 (1989) 420, 422, 432 ff. 114 Näher dazu noch unten 3. Kapitel A. VI. 2. b). 115 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2927; vgl. auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 645 f.; Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1127 (2013); Brav/
A. Empty voting
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2. Der Wert des Stimmrechts Misst man dem Stimmrecht einen Wert zu, ist die Nichtausübung von Stimmrechten grundsätzlich ineffizient, da dadurch der Wert des Stimmrechts verfällt. Die Ausübung des Stimmrechts trotz fehlender Information ist ebenfalls ineffizient. Insofern könnte man tatsächlich argumentieren, die Möglichkeit des vote buying bzw. des empty voting erhöhe nicht nur generell den Anteil der ausgeübten Stimmrechte, sondern garantiere zudem die Ausübung des Stimmrechts durch informierte Wähler und sei daher effizienzfördernd und erwünscht. Allerdings könnte angezweifelt werden, ob das Stimmrecht überhaupt einen Wert besitzt. So kommt eine Studie von Christoffersen et al. über den Stimmrechtshandel auf dem Markt für Wertpapierdarlehen zu dem Ergebnis, dass im Vorfeld des record date zwar verstärkt Wertpapierdarlehensverträge abgeschlossen werden116, allerdings nicht zu höheren Gebühren als zu anderen Zeitpunkten auch. Das lässt sie zu dem Schluss gelangen: „The average vote sells for zero.“117 Dieses von früheren Studien zum Wert des Stimmrechts118 auf den ersten Blick abweichende Ergebnis begründen die Autoren damit, dass sich diese Studien allesamt auf Gesellschaften mit dual class-Strukturen beschränkt hätten, wo die besondere Wertschätzung der Kontrollausübung eine große Rolle gespielt habe.119 Mathews, Working Paper, S. 3; Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 240 (2008); Fleischer, ZGR 2008, 185, 217; Mittermeier, S. 282; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1063 ff. (2013); Schouten, Working Paper, S. 47; Seibt, ZGR 2010, 795, 819; ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem isolierten Stimmrechtshandel und dem Aufbau einer empty voting-Position sehend Ruffner, § 6 I 4, S. 179: „Ein solcher von den Vermögensrechten abgetrennter Handel von Stimmrechten ist nicht allein in Form eines separat verbrieften Stimmrechtes möglich, sondern kann insbesondere auch über eine Kombination von Kassa- und Termingeschäften von Aktien erfolgen. Werden Aktien gekauft und gleichzeitig auf Termin verkauft, kommt dies wirtschaftlich einem „nackten“ Kauf des Stimmrechtes gleich […].“; siehe auch Dombalagian, 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1282 ff. (2009), der sich für den Aufbau eines Marktes für Wertpapierleihe und damit für eine Institutionalisierung der Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit ausspricht. 116 So auch Aggarwal/Saffi/Sturgess, Working Paper, S. 19, 44; grundsätzlich ebenso Moser/Van Ness/Van Ness, Working Paper, S. 4, 20, allerdings mit der Einschränkung auf S. 6, dass dieser Anstieg maßgeblich auf das record date für die Dividendenberechtigung zurückzuführen ist. 117 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2898, 2912 ff.; anders aber nun Aggarwal/Saffi/Sturgess, Working Paper, S. 18, 44, nach deren Studie das Angebot an darlehensweise erwerbbaren Aktien vor dem record date zurückgeht mit der Folge eines steigenden Preises; Moser/Van Ness/Van Ness, Working Paper, S. 4, 7, 21; siehe auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1056 (2013). 118 Vgl. Horner, J. B. & Fin. 12 (1988) 69; Lease/McConnell/Mikkelson, J. Fin. Econ. 11 (1983) 439; Nenova, J. Fin. Econ. 68 (2003) 325; Nicodano, J. B. & Fin. 22 (1998) 1117; Rydqvist, J. B. & Fin. 20 (1996) 1407; Zingales, Rev. Fin. Stud. 7 (1994) 125; ders., Q. J. Econ. 110 (1995) 1047; knapper Überblick zu diesen und weiteren Studien dieses Forschungszweigs bei Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 855 f. (2006); dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 356; Yermack, Working Paper, S. 13 f. 119 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2898, 2913.
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3. Kap.: Problemanalyse
Bei näherer Betrachtung jedoch lässt auch diese neue Studie nicht den Schluss zu, das Stimmrecht habe grundsätzlich keinen Wert, denn mit ihrem Seitenblick auf verwandte Studien erkennen die Autoren inzident an, dass dem Stimmrecht zumindest in Kontrollsituationen durchaus ein Wert zukommen kann.120 An der Richtigkeit dieser Feststellung besteht wohl auch kein Zweifel, zeigt sich dies doch schon daran, dass der Wert einer Beteiligung beim Aufbau einer signifikanten Position nicht lediglich proportional zur jeweiligen Aufstockung ansteigt, sondern ebenso berücksichtigt wird, dass der Aktionär ein zunehmendes Gewicht bei Hauptversammlungsentscheidungen geltend machen kann. Offen zu Tage tritt der Wert des Stimmrechts im Zusammenhang mit Übernahmen, da hier das Vorhaben des Übernahmeinteressenten nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn er den Aktionären der Zielgesellschaft einen Aufpreis auf den Börsenkurs der Aktien (Kontrollprämie) anbietet.121 Ein Widerspruch zwischen den genannten Untersuchungen liegt daher insoweit nicht vor.122 Doch – und hier scheinen die Autoren anderer Ansicht zu sein – auch außerhalb von Kontrollsituationen kann dem Stimmrecht ein Wert zugeschrieben werden. Dieser spiegelt sich beispielsweise in der vom Darlehensnehmer an den Darlehensgeber zu zahlenden Gebühr als eine von zwei Komponenten wider. Da der Darlehensgeber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Eigentümer der Wertpapiere bleibt und insbesondere während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte vom Darlehensnehmer in Form von Kompensationszahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten sind123, kann der Darlehenszins nur als Gegenleistung für die Verschaffung des Eigentums und die damit einhergehende Verfügungsbefugnis und die Erlangung des Stimmrechts verstanden werden. Insofern ist der Wert des Stimmrechts von vornherein in den Darlehenszins eingepreist. Entgegen Christoffersen et al. besteht das Problem also nicht darin, dass Stimmrechte überhaupt nicht bezahlt werden, sondern darin, dass Stimmrechte unter den gegebenen Umständen, d. h. angesichts des der empty votingKonstellation anhaftendenden Potentials von Interessenkonflikten124, zu billig abgegeben werden. Der Darlehenszins berücksichtigt also nicht, dass die Aktien bei ihrer Rückübertragung an den Darlehensgeber unter Umständen in ihrem Wert empfindlich gemindert sind.125 Ein Grund für diesen Umstand könnte darin liegen, 120 Siehe auch Aggarwal/Saffi/Sturgess, Working Paper, S. 23 ff., denen zufolge sich das Angebot an darlehensweise erwerbbaren Aktien im Vorfeld des record date stärker reduziert, wenn auf der kommenden Hauptversammlung umstrittene und/oder wichtige Tagesordnungspunkte zur Entscheidung anstehen. 121 Zur Kontrollprämie siehe auch unten 3. Kapitel B. V. 1. b) aa) und B. VI. 2. 122 Siehe auch Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1151 ff. (2013). 123 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1). 124 Siehe dazu oben 3. Kapitel A. II. 2. 125 Ähnlich Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 411 (1983): „Moreover, the collective choice problem would exert a strong influence over the market price of votes. Because no voter expects to influence the outcome of the election, he would sell the vote (which to him is unimportant) for less than the expected dilution of his equity interest. He would reason that if he did not sell, others would; he would then lose on the equity side but get nothing for the vote. Thus
A. Empty voting
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dass dem Darlehensgeber die Motive des Darlehensnehmers und die von ihm mit den Aktien verfolgten Ziele regelmäßig unbekannt sind und der Darlehensgeber daher das Risiko einer Entwertung der Anteile nicht vorhersehen kann. Das gilt umso mehr, wenn ein Kleinanleger keine Kenntnis davon erlangt, dass seine Aktien von seiner Depotbank im Rahmen eines Wertpapierdarlehens an einen anderen übertragen worden sind.126 3. Implikationen der Verfolgung eigener Interessen durch den empty voter Besitzt somit das Stimmrecht als solches einen Wert, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass das empty voting effizient ist, nur weil es verhindert, dass dieser Wert verlorengeht. Denn eine nähere Inaugenscheinnahme der Argumentationskette zugunsten der Effizienz des empty voting zeigt, dass diese einige gewichtige Tatsachen außer Acht lässt. Unbestreitbar trifft es zu, dass ein empty voter gegenüber den Kleinaktionären einen Informationsvorsprung besitzt, diesen in den Abstimmungsprozess einbringt und im Ergebnis das Problem der rationalen Apathie abmildert. Allerdings muss man sich fragen, welche Informationen er in den Abstimmungsprozess einbringt und warum er dies tut. Hierbei ist es ratsam, zwischen den drei Fallgruppen des empty voting zu differenzieren.127 any nonzero price would persuade him to sell.“; Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 902 f.: „Thus, an argument that vote leveraging through hedging is intrinsically unfair ultimately requires two assumptions. The first assumption is that the cost of this vote leveraging is too low. Empty voters, in effect, are obtaining votes for less money than they are worth. The second assumption […]. These assumptions have some validity. Generally, most options, derivatives, or futures pricing do not calculate in a separate vote value.“; Mittermeier, S. 186 ff.; siehe zum Wertpapierdarlehen auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 600: „[…] Vorteil […], sich auf preiswerte Art mit nur vorübergehend benötigten Stimmrechten zu versehen.“; Oechsler, Rn. 474: „Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Geschäfte liegt darin, dass der Darlehensnehmer die Stimmrechte aus den Aktien in der Hauptversammlung der Gesellschaft ausüben kann, ohne für deren Erwerb die volle Gegenleistung aufbringen zu müssen.“; Schouten, Working Paper, S. 48: „As a general matter, these costs do not seem prohibitive. Indeed, they may be lower than the cost of conventional vote buying. Moreover, finding a counterparty who is willing to lend money or shares or to take the long side in a derivative transaction will probably be easier than finding a shareholder willing to accept voting instructions against a payment.“; Tschani/Watter/Hinsen, S. 1, 13 f. 126 Näher zu dieser „securities lending surprise“ unten 3. Kapitel A. IV. 3. 127 Siehe schon oben 3. Kapitel A. II. 2. b) und c); andere Perspektive bei Dombalagian, 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1271 ff. (2009), der corporate transactions in drei Gruppen einteilt – solche, die sich positiv auf das Unternehmenswohl auswirken, solche, die sich zwar negativ auf das Unternehmenswohl, nicht aber auch auf die gesellschaftliche Wohlfahrt auswirken, und solche, die sich sowohl auf das Unternehmenswohl als auch auf die gesellschaftliche Wohlfahrt negativ auswirken – und die negativen Implikationen des empty voting dadurch neutralisieren möchte, dass sich auch langfristig orientierte Aktionäre als empty voter betätigen. Die negativen Auswirkungen werden allerdings nicht näher beschrieben. Dombalagian geht also gerade nicht auf die Möglichkeiten der Ausgestaltung der empty voting-Position ein. Allerdings setzt auch er
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3. Kap.: Problemanalyse
a) Positives wirtschaftliches Interesse Sofern der empty voter ein positives wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung hat und daher wie alle anderen Aktionäre von steigenden Aktienkursen profitiert, ist davon auszugehen, dass er über Informationen verfügt, die einen steigenden Aktienkurs rechtfertigen. Diese Informationen finden Ausdruck in seinem Abstimmungsverhalten. Insofern besteht grundsätzlich kein Unterschied zum normalen Großaktionär, der auf der Hauptversammlung für oder gegen eine bestimmte Maßnahme stimmt. Einschränkend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sein Anreiz zur Beschaffung derartiger Informationen schwächer ausgeprägt ist.128 Man mag sich auch fragen, warum der empty voter sich überhaupt seines wirtschaftlichen Risikos teilweise entledigt, wenn er doch über positive Informationen verfügt. Andererseits kann jedoch auch der Fall auftreten, dass ein wohl informierter Aktionär – im Glauben an die positiven Auswirkungen einer Entscheidung auf die Unternehmensentwicklung – seine Stimmrechtsmacht möglichst groß gestalten, sein wirtschaftliches Risiko jedoch begrenzen möchte. Wenn er sich in diesem Fall zusätzliche Stimmrechte beispielsweise im Wege des Wertpapierdarlehens verschafft, wandern die Stimmrechte tatsächlich von rational apathischen Aktionären zu einem Aktionär, der ihnen höhere Wertschätzung angedeihen lässt.129 Unter dem Strich bestehen somit unter Effizienzgesichtspunkten gegen den Aufbau einer empty voting-Position mit positivem wirtschaftlichem Interesse zumindest keine grundsätzlichen Bedenken, insbesondere weil sich aus dem Abstimmungsverhalten des empty voter keine Nachteile für die anderen Aktionäre ergeben. b) Neutrales wirtschaftliches Interesse Je mehr der empty voter sich jedoch durch den Einsatz von Derivaten oder Wertpapierdarlehen seines wirtschaftlichen Risikos entledigt, desto stärker werden seine Anreize, nach privaten Sondervorteilen zu suchen. Trägt er keinerlei wirtschaftliches Risiko mehr aus seiner Aktienposition, kommt eine Abstimmung durch den empty voter überhaupt nur noch dann in Betracht, wenn er sich dadurch derartige Vorteile aneignen kann.130 Dies wirkt sich bei monetären Vorteilen unmittelbar zu Lasten des Gesellschaftsvermögens und damit mittelbar auch zu Lasten der Mitaktionäre aus. Über den wirtschaftlichen Nutzen einer auf der Hauptversammlung zu auf S. 1273 f. voraus, dass die jeweiligen Entscheidungen nicht einzelne Aktionäre oder Aktionärsgruppen einseitig benachteiligen dürfen, was gerade bei einem negativen wirtschaftlichen Interesse des empty voter der Fall ist. 128 Ebenso Mittermeier, S. 185; vgl. auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 73: „Those with disproportionate voting power will not receive shares of the residual gains or losses from new endeavors and arrangements commensurate with their control; as a result, they will not make optimal decisions.“ 129 So auch Mittermeier, S. 185, 282 f.; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 73. 130 Siehe dazu oben 3. Kapitel A. II. 2. b) bb) und A. II. 2. c) aa).
A. Empty voting
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treffenden Entscheidung hat er sich hingegen aufgrund seines neutralen wirtschaftlichen Interesses unter Umständen überhaupt nicht informiert. c) Negatives wirtschaftliches Interesse Im Extremfall des Abstimmens aus risikoentleerten Stimmrechten, dem empty voting mit negativem wirtschaftlichem Interesse, profitiert der Aktionär von einem sinkenden Aktienkurs. Da sich die Entwicklung des Aktienkurses auf seine finanzielle Situation auswirkt, muss er ebenso wie ein normaler Aktionär Überlegungen darüber anstellen, ob ein gewisser Tagesordnungspunkt, der zur Entscheidung ansteht, positiven oder negativen Einfluss auf den Aktienkurs haben wird. Er wird sich zu diesem Zwecke auch möglichst umfassend informieren, um sicherzustellen, dass er mit seinem Aktienpaket auch tatsächlich entscheidenden Einfluss ausüben kann. Fraglich ist jedoch, inwiefern die von ihm gesammelten Informationen seine Stimmabgabe beeinflussen: Während die Abstimmung durch einen normalen Aktionär als aktiver Einsatz für das Unternehmenswohl zu werten ist, bedeutet die Abstimmung durch einen Aktionär mit negativem wirtschaftlichem Interesse das Gegenteil. Er wird mittels seiner Stimmrechtsmacht versuchen, eine für das Unternehmen nachteilige Entscheidung herbeizuführen. Tritt der von ihm angestrebte Fall tatsächlich ein, fährt er wegen des anschließenden Kursverlusts Gewinne ein, während alle anderen Aktionäre Verluste zu verzeichnen haben. Durch die Erfüllung des Wertpapierdarlehensvertrags bzw. durch den Abschluss eines risikominimierenden Derivatgeschäfts geht das Stimmrecht demnach von einem passiven auf einen zerstörerischen Aktionär über, der sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst großen Schaden anzurichten, um seinen eigenen Profit zu maximieren.131 Selbst wenn das Vorgehen für die Vertragsparteien des Derivatgeschäfts bzw. des Darlehensgeschäfts gewinnbringend ist132, dürften diese Gewinne durch die der Gesellschaft und den Mitaktionären entstehenden Schäden bei weitem übertroffen werden, die Nachteile des empty voting mit negativem Beteiligungsinteresse dessen Vorteile also überwiegen133. 131
Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 239, 242 (2008); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 208 (2006); zum Einsatz der gesammelten Informationen durch den empty voter siehe auch Schouten, Working Paper, S. 50: „[…] the arbitrageur’s behavior is not driven by the possession of superior information and consequently his acts will not reduce information asymmetry.“ 132 Zum Konflikt zwischen dem Abspaltungsverbot bzw. dem Gebot der Selbstbetroffenheit auf der einen und der Vertragsfreiheit auf der anderen Seite siehe Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 60 ff.; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 608; ferner Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 613. 133 So die Definition der Effizienz im Sinne des Kaldor-Hicks-Kriteriums, wonach es ausreicht, dass der neue Zustand gegenüber einem früheren Zustand im Ergebnis mehr Gewinne als Verluste produziert, die Gesamtgewinne also die Gesamtverluste übersteigen. Siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 613; Mittermeier, S. 283; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 72; vgl. darüber hinaus zu den durch empty voting betroffenen Interessen der Allgemeinheit Mittermeier, S. 189 ff.; a.A. wohl Kobayashi/Ribstein, 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 39 (2006): „The benefit of such an enhanced market for control in decreasing agency costs may outweigh
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3. Kap.: Problemanalyse
Über seine wahre Intention lässt der empty voter die Gesellschaft und den Aktionärskreis naturgemäß im Unklaren. Alle anderen an der Abstimmung Beteiligten gehen von einer normalen Aktionärsstellung des empty voter aus.134 Bei umstrittenen Tagesordnungspunkten beeinflusst dieser die Abstimmung demnach in der Kenntnis, dass das von ihm gewünschte Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eintreten wird. Das gleicht der Teilnahme an einer Lotterie, bei der ein Teilnehmer die gezogenen Zahlen schon im Voraus kennt. Da im Extremfall des negativen wirtschaftlichen Interesses des empty voter kein Anreiz besteht, nach Wegen zu suchen, die zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führen könnten, ist ein effizienzförderndes Abstimmungsverhalten des empty voter ausgeschlossen.135 4. Die Studie von Brav und Mathews In ihrer Untersuchung zur Effizienz des empty voting kommen die US-amerikanischen Ökonomen Brav und Mathews zu dem abweichenden Ergebnis, ein empty voting sei der Effizienz unter dem Strich förderlich.136 a) Grundsätzliche Vorbehalte Gegenüber dieser Studie sind bereits grundsätzliche Vorbehalte angebracht137: Christoffersen et al. berichten in ihrer Untersuchung von einem erheblichen Zeitfenster zwischen dem record date und dem Termin der Hauptversammlung.138 Informationen zu den Tagesordnungspunkten erhalten die Aktionäre aber erst nach dem record date.139 Daran anknüpfend gehen Brav und Mathews davon aus, dass ein the costs from potential wealth tranfers among shareholders.“; gegen die Studie von Kobayashi und Ribstein vgl. Mittermeier, S. 284 ff. 134 Siehe auch Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 242 (2008): „[…] if negative voting is involved, the fact that the passive shareholder consented to the transaction hardly shows that it stood to benefit. For if the passive shareholder were aware that it was selling to a negative voter, it might well not have sold.“ 135 Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 239 (2008); siehe auch Hu/Black, Europ. Fin. Man. 14 (2008) 663, 671 f. unter der Zwischenüberschrift „Empty voting with conflicting or negative interests: efficiency doubtful“; ferner Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 612 f. mit Fn. 76, nach dem in diesem Fall vom empty voter von vornherein kein interessengerechtes Abstimmungsverhalten zu erwarten ist; Mittermeier, S. 283. 136 Brav/Mathews, Working Paper, S. 2, 5 f. 137 Kritisch auch Mittermeier, S. 292; aus anderer Perspektive auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 645 f. mit Fn. 248. 138 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2900: „In the United States, there is a long gap between the record date of a vote and the meeting date when the vote takes place. In our sample period, the median gap is 54 calendar days.“ 139 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2900.
A. Empty voting
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Investor zwar schon vor dem record date Aktien des betreffenden Unternehmens erwirbt, aber sein weiteres Handeln an den Informationen ausrichtet, die er erst nach dem record date erhält: Wirke sich der zur Abstimmung gestellte Sachverhalt positiv auf den Aktienkurs aus, werde er weitere Aktien erwerben und im Sinne einer Steigerung des Unternehmenswertes abstimmen; sei hingegen eine negative Kursentwicklung zu erwarten, werde er die bereits gehaltenen Aktien wieder verkaufen, eine short position aufbauen und anschließend im Sinne einer Reduzierung des Unternehmenswertes abstimmen. Aufgrund der am record date bestehenden long position sei der Investor jedoch geneigt, „auf die richtige Weise“ abzustimmen; es werde also die Wahrscheinlichkeit eines positiven Abstimmungsverhaltens erhöht.140 Zwingend ist das indes nicht, denn für den potentiellen empty voter dürfte es zumindest in der Theorie keine Rolle spielen, wann ihm die Tagesordnung der Hauptversammlung mitgeteilt wird. Er wird sich nur dann veranlasst sehen, bereits vor dem record date überhaupt Aktien eines bestimmten Unternehmens zu erwerben, wenn er schon zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf dieses Unternehmen über Informationen verfügt, die den anderen Aktionären nicht zur Verfügung stehen und die er daher zur Erlangung privater Vorteile einsetzen kann.141 In Kenntnis aller für ihn wesentlichen Informationen könnte er dementsprechend bereits vor dem record date die letztlich gewünschte Risikoposition aufbauen. Diese Möglichkeit dürfte insbesondere dann bestehen, wenn es um einschneidende Unternehmensereignisse geht, die langfristiger Planung bedürfen (z. B. weil eine due diligence erforderlich ist)142 und zu denen der Kapitalmarkt bereits weit vor dem record date Informationen erhält. Dass der Investor seine empty voting-Position in der Praxis gleichwohl noch nicht vor dem record date eingeht, liegt demzufolge weniger an einer unzureichenden Informationsgrundlage vor dem record date, sondern vielmehr daran, dass der zukünftige empty voter angesichts des beträchtlichen Zeitfensters zwischen dem record date und dem Hauptversammlungstermin vor bösen Überraschungen gefeit sein möchte. Schließlich könnten in diesem Zeitraum Umstände eintreten, die eine andere Ausgestaltung der Risikoposition lohnender erscheinen lassen. Überdies beruht die These von der Effizienzsteigerung durch empty voting u. a. auf der Annahme, dass die übrigen Aktionäre zu einer falschen Entscheidung neigen und Stimmrechte nicht zu billig sind.143 Die bereits angesprochene Studie von Christoffersen et al. zeigt jedoch für den Wertpapierdarlehensmarkt, dass jedenfalls 140
Brav/Mathews, Working Paper, S. 5: „Because of its long position on the record date, the strategic trader tends to ,vote the right way‘ more often than not, increasing the probability of a correct decision in these situations.“ 141 Ähnlich Mittermeier, S. 292. 142 Dies gilt natürlich in besonderem Maße für Fusionen und Übernahmen, dem bevorzugten Betätigungsfeld der empty voter. 143 Brav/Mathews, Working Paper, S. 6: „However, the net effect on efficiency can be positive when votes are not too cheap, since the additional votes also increase the trader’s ability to affect the voting outcome. This increased ability to affect the outcome can outweigh the higher probability of voting the wrong way. This result can be reversed, however, if votes are cheap and the correlation between others’ votes and the correct decision is high enough.“
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3. Kap.: Problemanalyse
die Annahme hoher Kosten des Stimmrechtserwerbs wenig realistisch ist: Zwar trifft die Schlussfolgerung ihrer Studie, „[t]hat investors are letting the votes go without selling them […]“, nicht zu, ein den Umständen angemessener Preis wird jedoch nicht gezahlt.144 Zudem räumen selbst Brav und Mathews ein, dass der Investor gelegentlich auch zu Lasten des Unternehmens abstimmen könnte, um Gewinne einzustreichen.145 b) Keine Übertragbarkeit auf das deutsche Recht Viel wichtiger für die Zwecke dieser Untersuchung ist jedoch die Feststellung, dass sich die Studie auf Deutschland nicht übertragen lässt.146 Selbst wenn man für das US-amerikanische Recht die These für zutreffend hält, der Investor richte sein Verhalten in erster Linie an den Informationen aus, die er nach dem record date erhalte, stellt sich die Lage für das deutsche Recht anders dar: Während die Tagesordnung der Hauptversammlung in den USA erst nach dem record date bekannt gemacht wird, trifft das AktG Vorsorge dafür, dass den Aktionären deutscher Gesellschaften Informationen zu den Tagesordnungspunkten bereits vor dem record date zur Verfügung stehen. Zunächst bestimmt § 123 Abs. 1 S. 1 AktG, dass die Hauptversammlung mindestens 30 Tage vor dem Tage der Hauptversammlung einzuberufen ist. Die Tagesordnung muss gemäß § 121 Abs. 3 S. 2 AktG schon in der Einberufung enthalten sein. Und schließlich haben Vorstand und Aufsichtsrat grundsätzlich zu jedem Gegenstand der Tagesordnung bereits in der Bekanntmachung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG). Zwischen der Bekanntmachung der Tagesordnung und dem record date liegen also neun Tage, so dass einem potentiellen Investor genügend Zeit bliebe, die Tagesordnungspunkte samt Beschlussvorschlägen zu bewerten und dann zu entscheiden, welche Strategie er im Hinblick auf die anstehende Hauptversammlung verfolgen soll. Diese Möglichkeit hat der Investor einer US-amerikanischen Gesellschaft nicht: Er muss Aktien schon vor dem record date erwerben, ohne zu wissen, über welche Sachverhalte auf der Hauptversammlung abgestimmt werden wird.
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Siehe oben 3. Kapitel A. III. 2. Brav/Mathews, Working Paper, S. 6: „We find that making it easier to separate votes from economic ownership on the record date tends to decrease the trader’s economic ownership (in order to maximize trading gains […]). This increases the probability that the trader will go net short and vote the wrong way later.“ 146 Von der nur begrenzten Übertragbarkeit ihrer Studie scheinen auch die Autoren auszugehen, vgl. Brav/Mathews, Working Paper, S. 4: „Our assumptions are meant to reflect the realities of corporate governance in the United States.“ 145
A. Empty voting
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5. Ergebnis Ob das empty voting im Ergebnis eine Effizienzsteigerung mit sich bringt, ist überaus fraglich. Hinsichtlich des Abstimmens mit positivem wirtschaftlichem Interesse mögen tatsächlich die Vorteile des empty voting dessen Nachteile überwiegen. Das trifft jedoch auf das Abstimmen ohne jegliches wirtschaftliches Risiko und erst recht auf das Abstimmen mit negativem wirtschaftlichem Interesse nicht zu.147
IV. Weitere Gefahren des empty voting 1. Swing vote-Potential Von Oesterle wird vorgebracht, die Kritiker des empty voting berücksichtigten nicht die dieser Technik von vornherein immanenten Grenzen. Unter der Annahme einer „one share, one vote“-Struktur könne der Investor selbst bei einem free float von 100 % keine absolute Stimmenmehrheit erwerben, da anderenfalls sein hedgingPartner seinerseits nicht mehr in der Lage wäre, die eigene long position vollständig durch ein short selling von Aktien glattzustellen; ein vollständiges hedging des Aktienpakets des Investors sei daher nur möglich, wenn dieser nicht mehr als 50 % der Aktien erwerbe. Insofern werde die Größe des für den Investor noch vollständig hedgebaren Aktienpakets bereits theoretisch durch die Menge der ohne Weiteres erwerblichen Aktien beschränkt. In der Praxis sei sogar nur ein geringer Prozentsatz der Aktien eines börsennotierten Unternehmens im Wege eines Wertpapierdarlehens erhältlich. Dieser liege bei durchschnittlich 5 %, könne in Zeiten heftiger Leerverkaufsaktivitäten auf 15 % und in Ausnahmefällen auf 20 % ansteigen. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass ein Interessent148 allein selbstverständlich nie sämtliche verfügbaren Aktien „leihen“ könne.149 Die Richtigkeit dieser Zahlen soll hier nicht in Zweifel gezogen werden. Fraglich ist jedoch ihre Interpretation, denn gerade im Falle heiß umkämpfter Entscheidungen können auch kleinere Aktienpakete den Ausschlag zugunsten oder zuungunsten eines bestimmten Ereignisses geben (sog. swing votes), wie der Fall Axa/Mony mit einem Beschlussergebnis von 53,4 % 147 So auch Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 19 f.; siehe auch Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 239 (2008): „Of all the forms of Hu and Black’s ,new vote buying‘, negative voting has the most potential to create inefficiencies […].“; vorsichtiger Mittermeier, S. 293: „Somit können auch die von Brav und Mathews vorgebrachten Argumente nicht hinreichend begründen, dass das empty voting, insbesondere die Fälle eines gegenläufigen Investments, wünschenswert ist.“; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 209: „[…] shareholder voting by those whose interest is not primarily as residual owners produces situations in which corporations will be less than optimally efficient.“ 148 Das kann entweder der hedging-Partner des Investors sein, der seine long position aus dem hedging-Geschäft glattstellen möchte, oder der Investor selbst, der zum Zwecke der record date capture Aktien im Wege eines Wertpapierdarlehens erwerben möchte. 149 Zum Vorstehenden vgl. Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 25 f. (2006).
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3. Kap.: Problemanalyse
gezeigt hat150.151 Im Übrigen muss der empty voter gar nicht unbedingt das Zustandekommen einer bestimmten Transaktion anstreben, sondern kann auch auf deren Nichtzustandekommen setzen. Zur Verhinderung einer Kapital- oder Strukturmaßnahme reicht jedoch in aller Regel eine Sperrminorität von 25 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals aus, was angesichts niedriger Hauptversammlungspräsenzen einem Anteil von maximal 15 % entspricht.152 2. Erlangung des Stimmrechts unter Wert Ebenfalls von Oesterle wird die Auffassung vertreten, der Darlehensgeber werde das Risiko, wertverminderte Aktien zurückzuerhalten, einpreisen und einen entsprechend höheren Darlehenszins verlangen; wenn der Darlehensnehmer beabsichtige, das Unternehmen durch die Ausübung des Stimmrechts aus den Aktien zu schädigen, müsse er also dafür bezahlen.153 Auch dieser Umstand führe zu einer gewissen Selbstdisziplinierung des empty voting, gehe doch der Investor eines beträchtlichen Teils seiner angestrebten persönlichen Gewinne durch die Zahlung von Darlehenszinsen verlustig.154 Diese Vermutung lässt sich jedoch mit der Studie von Christoffersen et al. nicht vereinbaren, der zufolge Stimmrechte vor dem record date zu billig abgegeben werden und der Darlehenszins gerade nicht berücksichtigt, dass die Aktien bei ihrer Rückübertragung an den Darlehensgeber unter Umständen in ihrem Wert empfindlich gemindert sind.155 Selbst wenn es zutreffen sollte, dass bis zu 50 % der Profite an den Darlehensgeber verloren gehen156, dürften die bei ihm 150
Dazu siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. c) bb). Näher zu swing votes siehe Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 38 ff.; ferner Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 899 ff.; siehe auch das Beispiel bei Anabtawi/Stout, 60 Stan. L. Rev. 1255, 1270 (2008): „[…] the power that the marginal impact of a shareholder’s vote can have on the outcome of a corporate decision. To illustrate, suppose that a corporate action, such as a merger, must be approved by the vote of an absolute majority of outstanding shares. Suppose further that investors holding 49 % of those shares oppose the merger, while investors holding another 49 % support it. In such a case a 2 % shareholder who provides the ,swing vote‘ controls the outcome.“ 152 Siehe dazu auch Ostler, S. 182 f.; Spamann, Discussion Paper, S. 18 f.; zur rationalen Apathie der Aktionäre siehe auch noch unten 3. Kapitel A. VI. 2. b). 153 Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 22 f., 26 f. (2006); gleichsinnig Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 409 mit Fn. 57. 154 Siehe Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 24 (2006): „Each arbitrager’s short position is not cost-free. The arbitrager must pay a ,rebate‘ rate to borrow the shares. […] Perry Corp. paid substantial fees, in the millions, to establish its short positions.“ 155 Siehe oben 3. Kapitel A. III. 2. 156 So Oesterle, 1 Entrepren. Bus. L. J. 1, 25 (2006) für die merger arbitrage unter Berufung auf Geczy/Musto/Reed, J. Fin. Econ. 66 (2002) 241, 264 ff., deren Ausführungen und Zahlenmaterial m. E. allerdings diesen pauschalen Schluss nicht zulassen, da – wie Geczy, Musto und Reed ausführen – die Kosten des Wertpapierdarlehens von vielfältigen Faktoren abhängen, z. B. von der Marktkapitalisierung des Unternehmens, von dem Angebot an verfügbaren Aktien und von Erfolg oder Misserfolg des Zusammenschlusses. 151
A. Empty voting
175
verbleibenden übrigen 50 % Anreiz genug sein, eine empty voting-Taktik zu verfolgen157. In Bezug auf den Einsatz derivativer Finanzinstrumente gelangt man zum gleichen Ergebnis: Der den Derivaten anhaftende Hebeleffekt lässt es zu, dass der Inhaber des Derivats bereits durch die Einzahlung eines bloßen Bruchteils des Kontraktwertes an den Kursveränderungen einer wesentlich größeren Vermögensposition partizipiert.158 Die Aussicht auf einen großen Gewinn bei verhältnismäßig kleinem Einsatz lockt also auch hier. 3. Securities lending-Überraschung und overvoting Professionelle Marktteilnehmer schließen Wertpapierdarlehensgeschäfte zumeist direkt mit ihrem Vertragspartner ab.159 Sie wissen daher zu jedem Zeitpunkt genau, welche ihrer Aktien darlehensweise überlassen worden sind und aus welchen Aktien sie daher das Stimmrecht nicht ausüben können. Komplexer wird der Sachverhalt, wenn Aktien von Depotbanken aufgrund eines mit dem Kunden geschlossenen Depotvertrags verwahrt werden. In den USA werden in diesem Zusammenhang gelegentlich die Probleme der securities lending-surprise und des overvoting thematisiert.160 a) Problemstellung in den USA Der überwiegende Teil der Aktien börsennotierter Unternehmen wird in den USA in Depots gehalten („in street name“), wobei die von den Depotbanken im Namen ihrer Kunden gehaltenen Aktien wiederum auf einem den Banken zugeordneten Konto der Depository Trust Company (DTC) geführt werden. Bei der DTC handelt es sich gewissermaßen um eine zentrale Aktienverwahrungsstelle (wenngleich die Aktien dort natürlich nicht physisch hinterlegt werden). Auch verfügt sie über ein elektronisches System, in dem der Wechsel des Eigentums an Aktien aufgezeichnet wird. Diese Eigentumsübertragungen werden allerdings nicht einem einzelnen Depotkunden, sondern lediglich der am DTC-System teilnehmenden Bank zuge157 Siehe auch Geczy/Musto/Reed, J. Fin. Econ. 66 (2002) 241, 243 für die merger arbitrage: „We find […] that merger arbitrage profits are greatly reduced – though still large – […].“; Spamann, Discussion Paper, S. 2: „Prices will reflect some probability of negative voting, allowing the large trader to benefit from its private information about its own trades and expected vote. In effect, the large trader is exploiting private information about payoff uncertainty what the large trader itself creates.“ 158 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) dd) (1). 159 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (4) (a). 160 Vgl. Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 18 ff.; Christoffersen/Geczy/ Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2903 f.; Conference Board, Research Report, S. 40; Hu/ Black, 61 Bus. Law. 1011, 1062 ff. (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 895 ff. (2006); Kahan/ Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1079 ff. (2007); dies., 96 Geo. L. J. 1227, 1255 ff. (2008); Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 779 f.
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3. Kap.: Problemanalyse
ordnet.161 Standard-Depotverträge (margin accounts) zwischen der Depotbank und ihrem Kunden geben jener das Recht, Aktien im Rahmen eines Wertpapierdarlehens zu übertragen, ohne den Kunden darüber zu informieren.162 Ein Investor, der seine Aktien bei einer Depotbank in Verwahrung gegeben hat, weiß daher nicht immer, dass diese im Rahmen eines Wertpapierdarlehens weitergereicht worden sind.163 Da die Aktien ihrer Kunden von den Depotbanken in einem einheitlichen Pool gesammelt werden und eine Zuordnung einzelner Aktien an die Kunden nicht stattfindet, kann selbst die Depotbank, die Aktien im Rahmen eines Wertpapierdarlehens übertragen hat, ihrem Kunden keine Auskunft darüber erteilen, ob es gerade seine Aktien gewesen sind, die übertragen wurden.164 In Anbetracht dieser Fakten kann der Kunde von der Nachricht überrascht werden, dass er – obwohl wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien – die ihm vermeintlich zustehenden Stimmrechte nicht ausüben darf. Noch weitreichender und für das gesamte System gravierender ist die Problematik des overvoting: Hat eine am DTC-System teilnehmende Depotbank einen Teil der von ihr verwahrten Aktien darlehensweise übertragen, besteht die Gefahr, dass sich die im Rahmen der üblichen proxy solicitation165 erteilten Anweisungen ihrer Kunden zur Ausübung des Stimmrechts auf eine Aktienanzahl bezieht, die den DTCKontostand der Depotbank übersteigt.166 Wie sich die Depotbank in einem solchen Fall zu verhalten hat, ist nicht geregelt. Der Court of Chancery des US-Bundesstaates Delaware nahm in einem Urteil aus dem Jahre 2003 eine radikale Haltung ein und erklärte sämtliche 232.376 von der Bank of New York abgegebenen Stimmen für ungültig – trotz eines nur 824 Stimmen betragenden overvoting.167
161
Zu diesem zentralen Verwahrungssystem siehe Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 19 f.; Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1236 ff. (2008). 162 Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 21; Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1240, 1258 (2008); Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 779. Werden die Aktien hingegen in sog. non-margin accounts gehalten, darf der Verwahrer diese nicht ohne vorherige Erlaubnis des Depotkunden übertragen, vgl. Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1240 (2008). 163 Martin/Partnoy, 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 779. 164 Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 21. 165 Zu dieser vgl. Merkt, Rn. 860 ff. 166 Ausführlich Apfel/Parsons/Schwert/Stewart, Working Paper, S. 22 f.; Kahan/Rock, 96 Geo. L. J. 1227, 1258 f. (2008); knapper Christoffersen/Geczy/Musto/Reed, J. Fin. 62 (2007) 2897, 2903; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 897 f. (2006); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1081 (2007). 167 Vgl. Seidman and Associates, L.L.C. v. G.A. Financial, Inc., 837 A.2d 21 (Del. Ch. 2003).
A. Empty voting
177
b) Begrenzte Übertragbarkeit auf das deutsche Recht aa) Girosammelverwahrung als Regelfall Nach der hiesigen Rechtslage werden die Aktien des Depotkunden im Falle der Sonderverwahrung (§ 2 DepotG) gesondert von den Aktien anderer Kunden aufbewahrt. Im Regelfall der Sammelverwahrung werden Wertpapiere derselben Gattung für alle Depotinhaber ungetrennt in einem einheitlichen Sammelbestand verwahrt (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 DepotG); der einzelne Depotkunde ist dann nicht Alleineigentümer bestimmter Papiere, sondern nur Miteigentümer nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art (§ 6 Abs. 1 DepotG).168 Eine Haussammelverwahrung durch die Depotbank selbst ist heute nur noch im Falle einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Depotkunden erlaubt (§ 5 Abs. 1 S. 2 und 3 DepotG). Die Regelform der Sammelverwahrung stellt heute die Girosammelverwahrung durch die Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank dar.169 Die Depotbank ist also in der Regel nicht selbst Endverwahrer der Wertpapiere ihres Kunden, sondern gibt diese als Zwischenverwahrer an die Clearstream Banking AG weiter, die sämtliche Papiere einer Gattung in Girosammelverwahrung nimmt.170 Die Verwendung von bei einem Zentralverwahrer hinterlegten Sammel-/Globalurkunden, in denen sämtliche mitgliedschaftlichen Rechte verbrieft werden (vgl. § 9a DepotG), ermöglicht den Effektengiroverkehr, d. h. die Übertragung des Eigentums an den Wertpapieren muss nicht mehr durch deren physische Lieferung erfolgen, sondern kann durch eine einfache Umbuchung auf den bei der Clearstream Banking AG geführten Konten der Depotbanken vorgenommen werden.171 bb) Securities lending-Überraschung In der deutschen Literatur sind die für das US-System beschriebenen Gefahren bis dato nicht erörtert worden. Dies mag damit zusammenhängen, dass es zumindest einen überraschenden Verlust des Eigentums an den hinterlegten Wertpapieren nicht geben kann: § 13 DepotG wirkt der Gefahr entgegen, dass der Verwahrer/die Depotbank ohne die Zustimmung des Hinterlegers/Depotkunden über das Eigentum an 168 Näher zur Sammelverwahrung Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 177 ff.; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Klanten, § 72 Rn. 71 ff.; Lenenbach, Rn. 6.66 ff.; Kümpel/Wittig/Will, Rn. 18.93 ff. 169 Vgl. BuB/Decker, Rn. 8/47; Drygala/Staake/Szalai, § 18 Rn. 28; MünchKommHGB/ Einsele, Depotgeschäft Rn. 50; Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 177; Baumbach/Hopt/Hopt, (13) DepotG § 2 Rn. 1, § 5 Rn. 1; Lenenbach, Rn. 6.82; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, BankR VI Rn. 447. 170 Claussen/Ekkenga, § 7 Rn. 177; BuB/Decker, Rn. 8/14a; Lenenbach, Rn. 6.82; Kümpel/ Wittig/Will, Rn. 18.101; siehe auch die Grafik bei Einsele, § 9 Rn. 6. 171 MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft Rn. 52; Baumbach/Hopt/Hopt, (13) DepotG § 9a Rn. 1; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, § 72 Rn. 72; Lenenbach, Rn. 6.121, 6.139 ff.; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.98; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, BankR VI Rn. 484 f.; Kümpel/Wittig/Will, Rn. 18.113, 18.193 ff.
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3. Kap.: Problemanalyse
den Wertpapieren verfügt.172 Der Verwahrer kann demzufolge auch einen Wertpapierdarlehensvertrag mit einem Dritten nur mit der ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung des Hinterlegers schließen.173 Zwar gilt diese Formvorschrift nach § 16 DepotG nur für den Verkehr der Bank mit ihrem nicht kaufmännischen und daher besonders schutzbedürftigen Kunden, nicht also dann, wenn der Hinterleger Kaufmann ist.174 § 16 DepotG macht jedoch nur die Beachtung der Form der in § 13 DepotG beschriebenen Ermächtigungserklärung entbehrlich, entbindet aber nicht gleichzeitig auch vom grundsätzlichen Erfordernis der Abgabe einer solchen Erklärung175, wenngleich diese schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen kann. Ist aber stets die Abgabe einer solchen Ermächtigungserklärung erforderlich, kann eine securities lending-surprise wohl ausgeschlossen werden.176 cc) Overvoting Auch die Gefahr eines overvoting dürfte als gering einzuschätzen sein: Zwar ist die deutsche Girosammelverwahrung mit dem US-amerikanischen DTC-System durchaus vergleichbar, doch wird die Depotbank, die Aktien eines Kunden (mit dessen Ermächtigung) im Wege des Wertpapierdarlehens übertragen hat, diesen nicht mehr nach § 128 Abs. 1 AktG über die Einberufung der Hauptversammlung und die Bekanntmachung der Tagesordnung in Kenntnis setzen und ihm auch keine Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts unterbreiten (§ 135 Abs. 2 AktG), da sie weiß, dass ihr Kunde momentan nicht Aktionär der betreffenden Gesellschaft ist. Ein gewisses Restrisiko besteht allenfalls dann, wenn die für die Ausübung der Stimmrechte zuständige Abteilung der Bank nicht darüber informiert worden ist, dass Aktien darlehensweise abgegeben wurden.177 Da jedoch der Kunde aufgrund der von ihm erteilten Vollmacht weiß, dass er nicht mehr zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt ist, sollte ihn die Übersendung der oben genannten Materialen zu Nachfragen bei seiner Depotbank animieren, was zur Aufklärung des Sachverhalts führen dürfte.
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Siehe auch § 15 Abs. 3 DepotG, wonach die gleichen Formerfordernisse für die Vereinbarung eines Wertpapierdarlehens zwischen einem Darlehensgeber und einem gewerbsmäßigen Darlehensnehmer gelten. 173 Für die uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 13 DepotG auf das Wertpapierdarlehen auch BuB/Decker, Rn. 8/109a; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 46 f.; Lenenbach, Rn. 7.24; BuB/Neuhaus/Böhm, Rn. 7/1177; die depotgesetzlichen Regelungen außer Acht lassend Mittermeier, S. 104. 174 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, BankR VI Rn. 529. 175 Ebenroth/Boujong/Joost/Scherer, BankR VI Rn. 532. 176 A.A. offensichtlich Mittermeier, S. 104. 177 Siehe zu dieser Problematik auch Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 896 (2006).
A. Empty voting
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V. Ergebnis Die Analyse des empty voting hat gezeigt, dass gegen diese Art der Erlangung von Stimmrechten erhebliche Bedenken bestehen: 1. Der Aufbau einer empty voting-Position führt zu einer Verzerrung der Anreize des empty voter selbst in Fällen eines positiven wirtschaftlichen Beteiligungsinteresses und im Falle des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses zu Interessenkonflikten mit den anderen Aktionären. 2. Beim empty voting handelt es sich um die einzige Abweichung vom „one share, one vote“-Grundsatz, die nicht einer Abstimmung der Hauptversammlung untersteht. 3. Nach dem derzeitigen Forschungsstand spricht einiges dafür, dass das empty voting insgesamt nicht zu Effizienzsteigerungen führt. Jedenfalls für die Konstellationen des neutralen und des negativen Interesses sind Effizienzeinbußen zu verzeichnen. 4. Die von einem empty voter abgegebenen Stimmen können bei engen Entscheidungen den Ausschlag geben und insofern zu „Zufallsmehrheiten“ in der Hauptversammlung führen. 5. Der empty voter zahlt für die Erlangung des Stimmrechts unter den gegebenen Umständen einen zu niedrigen Preis.
VI. Selbstheilungskräfte von Aktionärsabstimmungen? 1. Einleitung Glücklicherweise stellen empty voting-Praktiken bis zum heutigen Zeitpunkt wohl nicht die Regel, sondern die Ausnahme dar.178 Nichtsdestotrotz muss schon aus grundsätzlichen Erwägungen der Gefahr begegnet werden, dass Aktionärsentscheidungen zu Lasten der Vermögensinteressen des gesamten Aktionärskreises getroffen werden.179 Die schwerwiegenden Fälle des empty voting zu erlauben, würde daher das Stimmrecht als solches ernsthaft in Frage stellen. Wer behauptet, das empty voting sei generell nicht bedenklich, spricht Aktionärsabstimmungen schlechthin jeden Sinn ab.180 178 Diese Aussage ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, siehe oben 3. Kapitel A. m.w.N. in Fn. 1 ff. 179 So GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 89, der dies als Prinzip einer jeden Unternehmung postuliert, die auf die Aufbringung von Eigenkapital angewiesen ist; siehe auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1066 (2013). 180 Vgl. auch Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 154 (2009).
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3. Kap.: Problemanalyse
Man mag sich nun fragen, warum das empty voting überhaupt zum Problem wird. Muss nicht der potentielle empty voter ein beträchtliches Aktienpaket erwerben, um den anstehenden Hauptversammlungsbeschluss in seinem Sinne beeinflussen zu können? Werden die Erfolgsaussichten eines empty voting nicht schon durch das Abstimmen der anderen Aktionäre erheblich geschmälert? Leider ist dies nicht der Fall: Zum einen können bei umstrittenen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung, z. B. im Falle einer geplanten Übernahme oder Verschmelzung, schon kleine Aktienpakete den Ausschlag zugunsten oder zuungunsten eines bestimmten Ereignisses geben (sog. swing votes).181 Zum anderen stellt sich das grundsätzliche Problem der rationalen Apathie der Aktionäre, das zur Folge hat, dass ein einzelner Aktionär seiner Stimme schon durch seine bloße Teilnahme an der Abstimmung ein besonderes Gewicht verleihen kann.182 Auf diesen Aspekt soll im Folgenden näher eingegangen werden. 2. Das Prinzipal-Agenten-Problem An anderer Stelle183 ist bereits erörtert worden, dass es aus verschiedenen Gründen sinnvoll ist, Dritte mit der Ausübung der Koordinationsrechte zu betrauen. Allerdings müssen die Auftraggeber dafür Sorge tragen, dass ihre Interessen von den Beauftragten hinreichend wahrgenommen werden. Die Aufarbeitung dieser Frage ist Gegenstand der Prinzipal-Agenten-Theorie. a) Trennung von Eigentum und Kontrolle Ausgangspunkt ist das durch § 76 Abs. 1 AktG184 vorgezeichnete Problem der Trennung von Eigentum und Unternehmensleitung (separation of ownership and control) in (Publikums-)Aktiengesellschaften mit Streubesitz185, das gewissermaßen eine Ausprägung186 des Prinzipal-Agenten-Problems187 darstellt: Grundsätzlich liegt 181
Näher dazu siehe oben 3. Kapitel A. IV. 1. Zu diesem Zusammenhang siehe auch Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 900 f. 183 Siehe oben 3. Kapitel A. II. 1. a) aa). 184 Siehe auch für die USA § 141(a) DGCL: „The business and affairs of every corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a board of directors, […].“; für das Vereinigte Königreich sec. 3 Model Articles for Private Companies Limited by Shares: „Subject to the articles, the directors are responsible for the management of the company’s business, for which purpose they may exercise all the powers of the company.“ 185 Grundlegend dazu Berle/Means, S. 84 ff. 186 Die Prinzipal-Agenten-Theorie hat einen allgemeineren Ansatz und beschränkt sich nicht auf die Beziehungen zwischen Vorstand und Aktionären. 187 Begriffsprägend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305. Des Problems bewusst war sich schon Adam Smith, der in seinem Werk „The Wealth of Nations“ aus dem Jahre 1776 schrieb: „The directors of such companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt to consider attention to small matters as not for 182
A. Empty voting
181
eine Prinzipal-Agenten-Beziehung vor, wenn eine Person (der Prinzipal) eine andere Person (den Agenten) anstellt, damit diese in ihrem Auftrag Dienste verrichtet; dies schließt insbesondere auch die Delegation von Entscheidungsgewalt an den Agenten ein.188 Da der Agent bestrebt sein wird, durch seine Handlungen seinen eigenen Nutzen zu Lasten des Prinzipals zu maximieren, beeinflussen die Handlungen des Agenten nicht nur sein eigenes Wohlergehen, sondern auch das des Prinzipals.189 Eine solche Prinzipal-Agenten-Beziehung besteht auch in der Aktiengesellschaft zwischen Vorstand und Aktionären. Die Aktionäre sind als Kapitalgeber die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft und somit die Prinzipale, welche die Vorstandsmitglieder als Agenten mit der Geschäftsführung beauftragen.190 Das Management der Gesellschaft auf der einen Seite ist überhaupt nicht oder nur zu einem geringen Teil am Unternehmen beteiligt, besitzt aber beträchtlichen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft, leitet es doch die Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Die Vorstandsmitglieder verfügen mithin über ein unter Umständen immenses Vermögen, das ihnen im Wesentlichen nicht gehört.191 b) Kollektivhandlungsproblem Die Aktionäre hingegen können – trotz ihrer Stellung als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft – nur wenig Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen. Das liegt u. a. auch daran, dass ihnen aufgrund des Kollektivhandlungsproblems192 die Möglichkeit zur ausreichenden Kontrolle des Führungspersonals
their master’s honour, and very easily give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“, zitiert nach Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305; prägnant zur principal-agent-theory B. Gaede, S. 38 ff. 188 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 66; Hirte, Rn. 1.28; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305, 308; Klein/Coffee, S. 123; Richter/Furubotn, S. 173 f.; Schmies, S. 93. 189 B. Gaede, S. 38 f.; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305, 308; S. Lenz, S. 75, 77; Lohrer, S. 38; Mittermeier, S. 30 f. 190 Grundlegend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305; eingehend S. Lenz, S. 74 ff.; siehe ferner Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12 f.; Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 5 f.; Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 403 (1983); Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 87; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 311; Hirte, Rn. 1.29 f.; Langenbucher, § 1 Rn. 21; Lohrer, S. 38; Mittermeier, S. 31; Rudolph, S. 180 f.; Ruffner, § 5 II 2, S. 131. 191 Grundlegend zur „management control“ Berle/Means, S. 78 ff., besonders deutlich S. 82: „Where ownership is sufficiently sub-divided, the management can thus become a selfperpetuating body even though its share in the ownership is negligible. This form of control can properly be called management control.“; ferner Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 6; Hayden/ Bodie, 30 Cardozo L. Rev. 445, 470 (2008); Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 815 (2006); S. Lenz, S. 76; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 191 (2006); Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 557 ff. (2012). 192 Begriffsprägend Olson, The Logic of Collective Action, 1965.
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3. Kap.: Problemanalyse
fehlt.193 Dieses Phänomen tritt immer dann auf, wenn eine Aktiengesellschaft mehr als einen Aktionär hat194, in besonderem Maße also bei Publikumsgesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern. Es kann den einzelnen Aktionär davon abhalten, sein Stimmrecht tatsächlich auszuüben, denn ein rational handelnder Aktionär wird nur dann von seinem Stimmrecht Gebrauch machen, wenn der daraus resultierende Gewinn die mit der Stimmabgabe verbundenen Kosten (z. B. Informationskosten, Anreise zur Hauptversammlung, Zeitaufwand195) übersteigt. Ist dies nicht der Fall, wird er von einer Stimmabgabe entweder ganz absehen oder uninformiert den Vorschlägen des Vorstands folgen.196 Man pflegt diesen Umstand mit den Worten „rationale Apathie“ zu beschreiben.197 Für die Aktionäre ist es einfacher und unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoller, ihren Unmut über die Unternehmensführung durch einen Verkauf ihrer Anteile auszudrücken (exit), als sich durch Ausübung ihrer Verwaltungsrechte aktiv zu engagieren (voice).198 Dies gilt umso mehr, als sie davon ausgehen müssen, dass ihre Stimme die Beschlussfassung nicht
193
Angedeutet schon bei Berle/Means, S. 78 ff.; darüber hinaus Alces, 33 Seattle U. L. Rev. 787, 793 (2010); Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 f. (1992); Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 402 f. (1983); dies., Economic Structure, S. 66 f.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2106; Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 43 f. (1988); Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1013 (2006); Ruffner, § 6 I 2, S. 174 ff. 194 Rock, 79 Geo. L. J. 445, 454 (1991); Ruffner, § 6 I 2, S. 174 f.; siehe auch H.-B. Schäfer/ Ott, S. 700. 195 Zu den Kosten der Stimmrechtsausübung siehe auch Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 305 ff. (2008), der zwischen information costs, decision costs und execution costs unterscheidet. 196 Adams, AG 1990, 63, 75; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 (1992); Camara, 2004 Wis. L. Rev. 1425, 1471 f.; Cole, 76 Wash. L. Rev. 793, 805 (2001); Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 134 (1987); Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 43 f. (1988); GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 90 f.; S. Lenz, S. 100; Oesterle/Palmiter, 79 Iowa L. Rev. 485, 512 (1994); Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 59; Roth, ZIP 2003, 369, 376; Schmolke, ZGR 2007, 701, 707; Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 302 (2008); siehe auch Klein/Coffee, S. 127: „Historically, both on the election of directors and on specific issues, shareholders have tended to vote overwhelmingly in support of the management’s recommendation.“ 197 Adams, AG 1990, 63, 75; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 (1992); Clark, 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 779 (1979); Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 43 (1988); Lee, 2007, Colum. Bus. L. Rev. 883, 900; S. Lenz, S. 98 ff.; Mittermeier, S. 67; Ruffner, § 6 I 2, S. 176; Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 298 (2008); vgl. auch H.-B. Schäfer/Ott, S. 700, 711, die den Terminus „rationales Desinteresse“ verwenden; Leyens, JZ 2007, 1061, 1066 spricht von „rationaler Zurückhaltung“; zusammenfassend zur rationalen Apathie Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11. 198 Begriffsprägend Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970; ferner Engert, ZIP 2006, 2105 f.; B. Gaede, S. 41 f.; S. Lenz, S. 101; Merkt, Rn. 888; Pinto, 46 Am. J. Comp. L. 317, 326 (1998); Rock, 79 Geo. L. J. 445, 462 (1991); Roth, ZIP 2003, 369, 376; Ruffner, § 6 I 2, S. 176; Schmolke, ZGR 2007, 701, 707 f.; Spindler, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 31, 35; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 130 (2009); zu exit- und voice-Strategie siehe auch Sick, S. 92 f.; zur Unzulänglichkeit des Schutzmachanismus des exit vgl. Mittermeier, S. 28 ff.
A. Empty voting
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maßgeblich zu beeinflussen vermag.199 Zurückzuführen ist die rationale Apathie zum einen darauf, dass ein Aktionär, der die beschriebenen Kosten alleine auf sich nimmt, den durch das gewünschte Abstimmungsergebnis geschaffenen Mehrwert keineswegs alleine vereinnahmen kann, sondern diesen mit den anderen Aktionären den Beteiligungsverhältnissen entsprechend teilen muss.200 Zum anderen wird ein Aktionär gerne den Trittbrettfahrer (free rider) spielen und hoffen, dass seine Mitaktionäre die Kosten auf sich nehmen und die erwünschte Entscheidung herbeiführen werden; er käme in diesem Falle in den Genuss sämtlicher Vorteile der Entscheidung, ohne sich an den Kosten beteiligt zu haben.201 Im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit erhalten die Agenten Zugang zu Informationen, die den Prinzipalen nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Dieser Informationsvorsprung begünstigt verborgene, den eigenen Nutzen maximierende, opportunistische Handlungen der Agenten (sog. hidden actions)202, welche nicht zwangsläufig mit den Interessen der Prinzipale übereinstimmen. Die in der PrinzipalAgenten-Beziehung aufgrund dessen ohnehin angelegte Problematik der Maximierung des eigenen Gewinns seitens der Agenten wird durch die beschriebenen unzureichenden Kontrollmöglichkeiten der Prinzipale nochmals verschärft. Die Vorstandsmitglieder werden geneigt sein, sich Ressourcen der Gesellschaft anzueignen, die an sich den Aktionären zustehen. Zu denken ist zunächst an persönliche Vorteile wie überhöhte Gehälter, nur niedrigen Arbeitseinsatz, aufwendige Gestaltung der Arbeitsräume, Gewährung von Dienstwagen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen für private Zwecke.203 Die Agenten können aber auch Investitionen 199 Berle/Means, S. 80 ff.: „As his personal vote will count for little or nothing at the meeting unless he has a very large block of stock, the stockholder is practically reduced to the alternative of not voting at all or else of handing over his vote to individuals over whom he has no control and in whose selection he did not participate.“; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 (1992); Choi/Fisch, 113 Yale L. J. 269, 278 (2003); Cole, 76 Wash. L. Rev. 793, 804 f. (2001); B. Gaede, S. 41; Grossman/Hart, J. Fin. Econ. 20 (1988) 175, 177 mit Fn. 2; GroßkommAktG/ Grundmann, § 133 Rn. 90; S. Lenz, S. 100; Mittermeier, S. 67; Ruffner, § 6 I 2, S. 175; Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 560 (2012). 200 Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 (1992); Clark, § 9.5.3, S. 393; Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 134 (1987); Hirte, Rn. 1.31; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 843 (2006); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1490 f. (2006); S. Lenz, S. 100; Ruffner, § 6 I 2, S. 175; Schmolke, ZGR 2007, 701, 707; Sick, S. 94. 201 Adams, AG 1990, 63, 75; Camara, 2004 Wis. L. Rev. 1425, 1473 f.; Choi/Fisch, 113 Yale L. J. 269, 278 (2003); Clark, § 9.5.2, S. 392 f.; ders., 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 783 f. (1979); Gordon, 76 Calif. L. Rev. 3, 44 (1988); Hirte, Rn. 1.31; Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1491 (2006); Mittermeier, S. 67 f.; Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 59; Roth, ZIP 2003, 369, 376; Sick, S. 94; siehe auch Alces, 33 Seattle U. L. Rev. 787, 793 (2010); Cole, 76 Wash. L. Rev. 793, 806 f. (2001); Easterbrook/Fischel, 26 J. L. & Econ. 395, 402 (1983); H.-B. Schäfer/ Ott, S. 700; Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 303 (2008). 202 Behrens, FS Drobnig, S. 491, 494 ff.; S. Lenz, S. 77 f.; Lohrer, S. 39; Richter/Furubotn, S. 174; siehe auch Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 5; Schwartz, 8 NYU J. L. & Bus. 553, 561 (2012). 203 Adams, AG 1990, 63, 64; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; B. Gaede, S. 40; Hirte, Rn. 1.31; Langenbucher, § 1 Rn. 20; H.-B. Schäfer/Ott, S. 700.
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3. Kap.: Problemanalyse
tätigen, die den Interessen der Prinzipale nicht hinreichend Rechnung tragen, wie z. B. der Erwerb von Waren oder Rechten, Ausgaben für Forschung und Entwicklung oder kostspielige Unternehmensakquisitionen204. c) Übertragbarkeit auf deutsche Aktiengesellschaften In Deutschland zeichnet sich die Anteilseignerstruktur bei den börsennotierten Gesellschaften – wie in Kontinentaleuropa im Allgemeinen – immer noch205 durch eine stärkere Konzentration der Anteile aus als in den USA oder in Großbritannien. So besitzen ca. 80 % der Gesellschaften einen Aktionär, der mehr als 25 % der Stimmrechte hält.206 Das Prinzipal-Agenten-Problem und das Phänomen der rationalen Apathie der Kleinaktionäre bestehen also nicht auf breiter Front wie im angloamerikanischen Recht207, sondern nur dann, wenn im Einzelfall die Aktien breit gestreut sind, die Gesellschaft also eine Publikumsgesellschaft ist. Dann jedoch stellen sich die genannten Probleme in unveränderter Form.
B. Hidden (morphable) ownership I. Einführung Derjenige, der sich unter Verwendung von Derivaten oder Wertpapierdarlehen an börsennotierte Gesellschaften heranpirscht, umgeht die Vorschriften der §§ 21 ff. WpHG zur Beteiligungstransparenz.208 Nun könnte man sicherlich das Verhalten des Anschleichers schon deshalb für unredlich halten, weil er den Geist der Mitteilungspflichten untergräbt, der darin besteht, möglichst umfassende Transparenz zu schaffen.209 Mit einer derartigen Argumentation würde man den Vorschriften zur 204 Zur overconfidence von Managern bei Übernahmen und zum empire building vgl. Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 903 ff. (2005); Fleischer, ZHR 172 (2008) 538, 541 f. 205 Zu jüngeren Entwicklungen und der Auflösung der sog. Deutschland-AG siehe aber Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Gerke/Mager/Förstemann, S. 503, 508 ff.; ferner Hirte, Rn. 1.33; Seibt, ZGR 2010, 795, 803. 206 Becht/Boehmer, Int’l Rev. L. & Econ. 23 (2003) 1, 8 f. sprechen von 82,3 %; Franks/ Mayer, Rev. Fin. Stud. 14 (2001) 943, 947 von 85,4 %; diese und andere Studien zusammenfassend Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 691 ff.; siehe auch die Studie von Faccio/Lang, J. Fin. Econ. 65 (2002) 365, die nicht nur börsennotierte Gesellschaften erfasst; ferner Freixas/ Hartmann/Mayer/Burkart/Panunzi, S. 265, 266 f.; Hopt/Wymeersch/Garrido/Rojo, Capital Markets, S. 427, 431 ff. 207 So auch Hirte, Rn. 1.32. 208 Siehe oben 2. Kapitel B. II. 1. 209 Für eine derartige, zu kurz greifende Rechtfertigung des Regelungsbedarfs aus dem Zweck des Gesetzes heraus beispielsweise Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 472 ff. (allerdings mit richtigen Ansätzen zur Beeinträchtigung der Informationseffizienz des Kapitalmarkts); Ostler, S. 331 f.
B. Hidden (morphable) ownership
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Beteiligungstransparenz indes implizit einen Legitimationsblankoscheck ausstellen und Transparenz zu einem Wert an sich erheben. Die Schädlichkeit einer Umgehung von Anteilspublizitätsvorschriften – und darum muss es im hiesigen Kontext gehen – wäre aber nicht dargetan. Auch ist darauf zu achten, dass nicht voreilig von den weiteren Zielsetzungen der Vorschriften zur Beteiligungstransparenz auf deren entsprechende Wirkung geschlossen wird. Das tut jedoch die Literatur, wenn sie den §§ 21 ff. WpHG unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung210 ohne nähere Prüfung bescheinigt, sie förderten die Informationseffizienz des Kapitalmarkts, verbesserten den Anlegerschutz, verhinderten den Missbrauch von Insiderinformationen und verbesserten die Corporate Governance211.212 Für Autoren, die derart argumentieren, dürfte der Weg zur Annahme, das heimliche stakebuilding sei schädlich, nicht sonderlich weit sein. Der folgende Abschnitt nimmt sich der entscheidenden Frage an, welche Schäden überhaupt auftreten, wenn sich ein Investor unter Umgehung der Beteiligungstransparenzvorschriften an eine börsennotierte Gesellschaft anschleicht. Die vom Gesetzgeber und von der Literatur genannten Zielsetzungen der Anteilspublizität sollen dabei als Anknüpfungspunkte dienen (dazu II. – V., VII.). Darüber hinaus spielt die Anteilstransparenz im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen eine bedeutende Rolle, die in Abschnitt VI. näher untersucht werden soll. Bedauerlicherweise ist rechtsökonomische Literatur zu den Beteiligungstransparenzvorschriften nur spärlich vorhanden.213
II. Beeinträchtigung der Informationseffizienz des Kapitalmarkts als Vorbedingung der Bedenklichkeit des Anschleichens 1. Einführung Informationseffiziente Kapitalmärkte zeichnen sich dadurch aus, dass sich alle Informationen, die für die Bewertung eines Wertpapiers von Bedeutung sind, zeitnah in den Kursen widerspiegeln. In diesem Falle entspricht der Aktienkurs jederzeit dem wahren Wert der Aktie. Eine Möglichkeit zur Erreichung des Ziels informationseffizienter Kapitalmärkte besteht in der Gewährleistung weitgehender Transparenz. 210
Vgl. Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 21 WpHG Rn. 1; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 218 f.; kritischer Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 18; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, Vor § 21 WpHG Rn. 4 ff. 212 Dies monierend auch Druey, SZW 1997 Sondernummer, 36; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 110; Renn, S. 3, 132 f. 213 Siehe aber aus jüngerer Zeit Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 472 ff.; Christ, S. 153 ff.; FSA, CfD CP 07/20, Annex 2: Literature Review: Effects of Major Shareholding Disclosures; Renn, S. 131 ff.; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 133 ff. (2009); prägnanter Überblick bei Fleischer, ZGR 2008, 185, 205 ff.; ders./Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1509 f.; dies., NZG 2009, 401, 405 f.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 110 ff.; Wansleben, StudZR 2009, 465, 482 ff.; ferner Brandt, BKR 2008, 441, 446 f. 211
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3. Kap.: Problemanalyse
Der Anschleicher handelt diesem Gedanken erkennbar zuwider, denn er gibt gerade keine Informationen darüber preis, dass er wirtschaftlich bereits die Position eines Aktionärs innehat und sich durch Derivate bzw. Wertpapierdarlehen den jederzeitigen Zugriff auf Aktien und Stimmrechte gesichert hat. 2. Kursrelevanz der Sicherung des Zugriffs auf ein Aktienpaket Gleichwohl kann die Geheimhaltung dieser Information nur dann als der Informationseffizienz abträglich bezeichnet werden, wenn ihre Offenlegung den Aktienkurs der Zielgesellschaft beeinflussen würde, denn nur insofern ist die Informationseffizienz des Kapitalmarkts überhaupt tangiert. Informationen ohne Preisbeeinflussungspotential sind nicht nur überflüssig, sondern – wenn sie gehäuft veröffentlicht werden – sogar schädlich, weil sie den Blick für das Wesentliche verstellen und den Anlegern die Selektierung der wichtigen von den unwichtigen Informationen erschweren.214 Die Information über die Sicherung des Zugriffs auf ein relevantes Aktienpaket könnte Kursrelevanz deshalb besitzen, weil sie Informationen über die künftige Aktionärsstruktur (dazu a), Informationen über eine bevorstehende größere Kapitalbewegung (dazu b) und Informationen über die Höhe des free float (dazu c) in den Markt gibt, die dann entsprechende Kursreaktionen auslösen. a) Informationen über die künftige Aktionärsstruktur Die Offenlegung bedeutender Beteiligungen vermittelt ein Bild von der Stimmrechtsverteilung in der Gesellschaft, die wiederum Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises und auf die Kontrollsituation in dieser Gesellschaft zulässt.215 Diese Information ist für aktuelle und potentielle Anleger entscheidend, da mit einer bestimmten Aktionärsstruktur gewisse Vor- und Nachteile einhergehen, die den Aktienkurs positiv bzw. negativ beeinflussen können216 : In 214 Brandt, BKR 2008, 441, 447; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 71; Druey, SZW Sondernummer 1997, 36 f.; European Commission, SEC(2008) 3033 final, Rn. 16; Fleischer/ Schmolke, NZG 2009, 401, 406; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 585; Renn, S. 134 f.; siehe auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 298: „Flut von Meldungen […], die den Aktionär verwirrt und ihm Steine statt Brot gibt.“ 215 Vgl. Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52: „Diese Transparenz ermöglicht auch der Aktiengesellschaft einen besseren Überblick über die Aktionärsstruktur und die Beherrschungsverhältnisse.“; siehe auch Anzinger, WM 2011, 391, 392. 216 So bereits Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52: „Die Zusammensetzung des Aktionärskreises und die Veränderungen maßgeblicher Aktienbeteiligungen sind wichtige Kriterien für Anlagedispositionen der Investoren, […], und haben erheblichen Einfluß auf die Kursentwicklung einer Aktie.“; siehe auch Buck-Heeb, Rn. 425; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 27; Grunewald/Schlitt, § 15 VI 1, S. 307; Heidel/ Heinrich, § 21 WpHG Rn. 2; Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139, 147; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 22; Lenenbach, Rn. 13.379; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.156; Assmann/Schneider/ Schneider, Vor § 21 Rn. 19; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Theusinger/Möritz, Ad le-
B. Hidden (morphable) ownership
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(Publikums-)Aktiengesellschaften mit breitem Streubesitz besteht wie gesehen217 ein Prinzipal-Agenten-Problem zwischen Aktionären und Management, das letzterem trotz fehlender oder nur geringer Beteiligung an der Gesellschaft die Kontrolle über diese vermittelt. Die Konzentration von Anteilsbesitz gilt einerseits zwar als ein mögliches Heilmittel gegen die Prinzipal-Agenten-Problematik, weil das wirtschaftliche Interesse und der Anreiz, wirkungsvolle Kontrolle über das Management im Sinne einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben, umso stärker ausgeprägt sind, je größer der Anteil eines Investors an der Gesellschaft ist218 ; sie beschwört andererseits aber auch die Gefahr eines (horizontalen) Interessenkonflikts zwischen Großaktionär und Kleinaktionären herauf219. Regelungen zur Beteiligungstransparenz ermöglichen es den Kapitalmarktteilnehmern, die Aktionärsstruktur bei ihrer Investitions- oder Desinvestitionsentscheidung zu berücksichtigen. Wenn Informationen über die Aktionärsstruktur als solche für die Marktteilnehmer von Bedeutung sind, gilt dies selbstverständlich auch für Veränderungen der Aktionärsstruktur.220 So kann etwa der Aufbau einer signifikanten Beteiligung ein Indiz für die Übernahmeabsicht des Investors sein221, was in aller Regel zu einem steigenden Aktienkurs führt222. Das Auftreten eines neuen Großaktionärs signalisiert zudem die Möglichkeit einer besseren Kontrolle des Management.223 In gleicher Weise kann der Abbau einer Beteiligung den Kapitalmarktteilnehmern eine Einschätzung darüber ermöglichen, wie die Lage des Unternehmens von einem wesentlichen Aktionär beurteilt wird.224 gendum 2010, 3; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: Vor §§ 21 ff. WpHG Rn. 5; Zetzsche, Research Paper, S. 8. 217 Siehe oben 3. Kapitel A. VI. 2. 218 Vgl. Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 f. (1992); Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 134, 136 (1987); Hopt/Wymeersch/Garrido/Rojo, Capital Markets, S. 427, 429 f.; Grant/Kirchmaier/Kirshner, Discussion Paper, S. 3; Partnoy/Thomas, Working Paper, S. 42 f.; Roth, ZIP 2003, 369, 375; Ruffner, § 11 I 1, S. 436; R. H. Schmidt/Spindler, Teil C Rn. 172; Schmolke, ZGR 2007, 701, 708; Sick, S. 95. 219 Ausführlich dazu Black, 39 UCLA L. Rev. 811 (1992); Gilson/Gordon, 152 U. Pa. L. Rev. 785 (2003); knapper B. Gaede, S. 65 f.; Hopt/Wymeersch/Garrido/Rojo, Capital Markets, S. 427, 447; GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 92; Rock, 79 Geo. L. J. 445, 466 ff. (1991); Ruffner, § 8 II 5, S. 223; Schmolke, ZGR 2007, 701, 709. 220 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 474; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 137 (2009). 221 Vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 70: „Da die Unterrichtung der Anleger über Veränderungen wesentlicher Stimmrechtsbeteiligungen wichtige Hinweise auf ggf. bevorstehende Unternehmensübernahmen geben, […].“; siehe auch Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 24; kritisch zur diesbezüglichen Eignung der Transparenzvorschriften Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 18. 222 Vgl. Mikkelson/Ruback, J. Fin. Econ. 14 (1985) 523, 534 f.; ferner Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 269 mit Fn. 7 (2009); Christ, S. 160; Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 584. 223 Siehe soeben und die Nachweise in Fn. 218. 224 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 17.
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3. Kap.: Problemanalyse
Im Falle des Anschleichens gibt der Investor keine Auskunft über den Abschluss eines Derivatgeschäfts bzw. über den Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen in relevanter Höhe. Stellte man den Anlegern diese Information zur Verfügung, würden diese wohl den alsbaldigen Erwerb der vertragsgegenständlichen Aktien erwarten. Angesichts der soeben beschriebenen Bedeutung von Veränderungen der Aktionärsstruktur wäre daher zu erwarten, dass der Kurs der Zielgesellschaft auf die Offenlegung der jeweiligen Geschäfte mit einem Anstieg reagiert.225 b) Informationen über die bevorstehende größere Kapitalbewegung Beteiligungstransparenz kann auch dazu beitragen, größere Kapitalbewegungen offenzulegen und die diesen Kapitalbewegungen zugrunde liegenden Informationen in den Markt zu geben.226 Wie bereits erwähnt, kann z. B. der Erwerb einer größeren Beteiligung auf eine bestehende Übernahmeabsicht hindeuten. Gleiches gilt für den bevorstehenden Erwerb einer solchen Beteiligung. Der Anschleicher hingegen verhindert durch sein Taktieren, dass die Information über den bevorstehenden Anteilserwerb dem Markt zur Verfügung gestellt wird. c) Informationen über die Höhe des free float Da sich der Anschleicher durch den Abschluss von Derivatgeschäften bzw. Wertpapierdarlehensgeschäften den Zugriff auf ein u. U. beträchtliches Aktienpaket gesichert und dieses lediglich bei Banken „geparkt“ hat, nimmt er einen nicht unwesentlichen Teil der Aktien der Zielgesellschaft vom Handel aus; diese stehen dem Markt nicht mehr zur Verfügung. Durch sein heimliches Vorgehen vermittelt der Anschleicher dem Kapitalmarkt ein unzutreffendes Bild über den Anteil frei verfügbarer Aktien. Wie wichtig die Information über diesen sog. free float227 ist, mag das kuriose Beispiel der gescheiterten Übernahme von Volkswagen durch Porsche veranschaulichen228 : Als Porsche im Oktober 2008 mitteilte, man halte 42,6 % der 225 Ähnlich Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 473 f.; Christ, S. 160 f.; Eichner, ZRP 2010, 5, 7; Wansleben, StudZR 2009, 465, 483 f.; siehe auch Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 852; kritisch Zetzsche, Research Paper, S. 8. 226 Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 140 (2009); C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1478 bezeichnen dies als den „dynamischen Aspekt“ der Beteiligungstransparenz; siehe ferner Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 877 (2006). 227 Nach Nr. 1.9 Abs. 1 des Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse (Version 6.28, Stand August 2014) gelten alle Anteile eines Anteilseigners, die kumuliert mindestens 5 % des auf eine Aktiengattung entfallenden Grundkapitals einer Gesellschaft ausmachen, als Festbesitz. Der Leitfaden ist abrufbar unter http://www.dax-indices.com/DE/MediaLibrary/ Document/Leitfaden_Aktienindizes.pdf (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 228 Nach Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 852, darf man indes nicht ohne Weiteres von diesem spektakulären Einzelfall auf eine nachhaltige und damit regelungsbedürftige Marktstörung schließen. Das wird hier aber auch gar nicht getan; vielmehr dient das VW/PorscheBeispiel lediglich der Veranschaulichung der Kursrelevanz der Information über die Höhe des
B. Hidden (morphable) ownership
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VW-Aktien direkt und habe zudem cash settled options auf weitere 31,5 % der VWAktien abgeschlossen, wurde dem Markt schlagartig vor Augen geführt, dass der Anteil frei verfügbarer VW-Aktien nur noch wenige Prozent betrug. Der VW-Kurs erreichte im Zuge dessen zwischenzeitlich galaktische Höhen von über 1.000 E. Ein nur noch geringer free float hat demnach negative Auswirkungen auf die Marktliquidität, d. h. auf die Möglichkeit, zeitnah große Mengen zu relativ geringen Kosten zu handeln.229 Eine frühzeitige Offenlegung bedeutender Beteiligungen hingegen ist zwar nicht geeignet, einen bestimmten free float-Anteil zu gewährleisten, kann aber das überraschende Auftreten einer Marktenge und die damit einhergehende Preisexplosion verhindern.230 Diese Bestandsaufnahme wird durch eine länderübergreifende Studie von La Porta, Lopez-de-Silanes und Shleifer bestätigt, der zufolge hohe Offenlegungsstandards, die Offenlegung bedeutender Beteiligungen eingeschlossen, der Liquidität eines Kapitalmarkts förderlich sind.231 Aufgrund der fehlenden Information durch den Anschleicher geht der Kapitalmarkt von einem höheren als tatsächlich gegebenen free float aus. d) Zwischenergebnis Demnach ist die Information, dass sich ein Investor über Derivate oder Wertpapierdarlehen den Zugriff auf ein größeres Aktienpaket gesichert hat, kursrelevant. 3. Erschwerung der Informationsbeschaffung und -verbreitung Wenngleich die Information nicht im Wege der Offenlegung Eingang in den Marktpreis findet, bedeutet das doch nicht zwangsläufig, dass sie dem Markt überhaupt nicht zur Verfügung steht. Man wird allerdings vermuten, dass die Einpreisung der Information langsamer erfolgt als im Falle der Offenlegung, weil den free float, so auch Anzinger, WM 2011, 391, 392; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 13 f. Siehe auch CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 39: „CESR is aware that the TD [Transparency Directive, Anm. d. Verf.] does not aim to produce information about the free float in the market. Nevertheless, CESR acknowledges that major shareholding disclosure can provide useful additional information in this respect.“ 229 Vgl. Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 147 f. (2009); Wansleben, StudZR 2009, 465, 483 f.; angedeutet auch von Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, S. 1: „Die Nutzung nicht meldepflichtiger Finanzinstrumente ermöglichte in der Vergangenheit in konkreten Fällen ein unbemerktes „Anschleichen“ an Unternehmen, bspw. bei Übernahmetransaktionen; dies konnte auch zu einer Verringerung der Liquidität an den Börsen führen und Marktverwerfungen hervorrufen.“ 230 Vgl. C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1214; Veil, ZHR 177 (2013) 427, 430; Veil/ ders., § 20 Rn. 4; siehe auch Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139, 147; Lenenbach, Rn. 13.379; nach Heusel, WM 2012, 291, 293 ist der Umstand, dass Beteiligungsmeldungen die Ermittlung des free float ermöglichen, lediglich ein „(sinnvoller, aber nicht normativ bewzeckter) Nebeneffekt“. 231 La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, J. Fin. 61 (2006) 1, 6 unter der Variable „Shareholders“.
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3. Kap.: Problemanalyse
Marktteilnehmern die Beschaffung der kurssensitiven Information erschwert wird.232 Dagegen wird vereinzelt vorgebracht, die Informationseffizienz des Kapitalmarkts nehme durch das Verhalten des Anschleichers keinen Schaden, weil sich die Aktionen eines Marktteilnehmers, auch wenn er anonym agiere, im Preis niederschlügen. Wer aufgrund von Sonderwissen Kapitalmarkttransaktionen tätige, stelle dieses Sonderwissen schließlich dem Markt zur Verfügung. Er handele aufgrund dieses Wissens und sorge somit dafür, dass sich die Preise entsprechend anpassen.233 Richtig an dieser These ist, dass der Investor, der sich unter Verwendung von Wertpapierdarlehen oder Derivaten an eine börsennotierte Gesellschaft anschleicht, entweder direkt durch den eigenen Erwerb von Aktien des Zielunternehmens oder indirekt durch den Aktienerwerb des Derivatvertragspartners und weiterer Banken ein erhöhtes Handelsvolumen in Aktien der Zielgesellschaft herbeiführt. Dieser Umstand dürfte sich in der Regel in einem steigenden Aktienkurs der Zielgesellschaft widerspiegeln.234 Dies lässt sich sehr schön am Continental/Schaeffler-Fall veranschaulichen: Schaeffler baute auf der Grundlage des am 17. März 2008 geschlossenen swap-Vertrags zwischen dem 25. März 2008 und dem 23. Mai 2008 seine swap-Position in Bezug auf 28 % der Continental-Aktien auf.235 In diesem Zeitraum dürften sukzessive auch die zu hedging-Zwecken erfolgten Aktienerwerbe durch Merrill Lynch und die übrigen beteiligten Banken erfolgt sein. Gleichzeitig stieg der Kurs der Continental-Aktie im Zeitraum zwischen dem 17. März 2008 und dem 19. Mai 2008 von einem Tiefststand bei 51,89 E auf über 80 E.236 Wenngleich nicht nachgewiesen werden kann, dass die Sicherungskäufe der Banken für diesen Anstieg allein oder wenigstens mitursächlich waren – zumal ein Teil der Käufe auch außerbörslich erfolgt sein könnte –, ist die zeitliche Koinzidenz der Aktienkäufe mit dem starken Kursanstieg doch auffällig. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die Anschaffung von ca. 50 Mio. Continental-Aktien auch durch das schrittweise Vorgehen beim Aufbau der Positionen nicht verschleiern ließ. Ganz offensichtlich war der Kapitalmarkt aber nicht in der Lage, das erhöhte Handelsvolumen richtig dahingehend zu interpretieren, dass sich ein Investor zwecks späterer Übernahme den Zugriff auf ein beträchliches Aktienpaket an Continental 232 In diesem Sinne Christ, S. 172 f.; Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 288; FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 2; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 14; Lenenbach, Rn. 1.73 f.; Starke, S. 98; ausführlich zu den damit verbundenen Kosten der Informationsbeschaffung Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 592 ff. (1984); Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1068 ff. (2013). 233 Renn, S. 144, der aus diesem Grund nicht einsieht, warum die Beteiligungstransparenz für ein Funktionieren der Effektenmärkte erforderlich sein sollte; so auch Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 585. 234 Vgl. Christ, S. 162; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 25; Zetzsche, Research Paper, S. 15, die ebenfalls davon ausgehen, dass die Kurse steigen, wenn sich der Stillhalter bei swap-Geschäften zur eigenen Absicherung mit Aktien der Zielgesellschaft eindeckt. 235 Vgl. Schaeffler, Angebotsunterlage, Abschnitt 6.8, S. 15 f. 236 Vgl. das Chart bei Ritter/Preuß, FAZ v. 16. 07. 2008, S. 16.
B. Hidden (morphable) ownership
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sichert, denn in den folgenden Wochen fiel der Kurs wieder auf 53,96 E am 11. Juli 2008237, dem letzten von Übernahmegerüchten unbeeinflussten Handelstag238, zurück. Das zeigt, dass die entscheidende Information über die Absicht zur Übernahme der Zielgesellschaft bzw. über den Abschluss von das Anschleichen ermöglichenden Derivat- bzw. Wertpapierdarlehensgeschäften selbst professionellen Anlegern verborgen bleibt, sofern nicht das System zwischen dem Anschleicher und seinen Gehilfen undichte Stellen aufweist. Das heimliche stakebuilding erschwert somit die Beschaffung kursrelevanter Informationen und verhindert sogar gänzlich, dass die entscheidende Information der Übernahmeabsicht bzw. der Absicht zum Erwerb eines signifikanten Aktienpakets Eingang in die Kurse findet. Die Option einer Dekodierung von Informationen, die schließlich zur Anpassung des Preises an die tatsächlichen Umstände führt239, bietet sich also nur begrenzt. 4. Zwischenergebnis Die Information, dass sich ein Investor den Zugriff auf ein wesentliches Aktienpaket gesichert hat, besitzt Kursrelevanz, da ein verständiger Anleger die künftige Aktionärsstruktur, die bevorstehende Kapitalverschiebung sowie die Höhe des Angebots an frei verfügbaren Aktien bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Diese Informationen werden dem Kapitalmarkt durch den verdeckten Beteiligungsaufbau vorenthalten. Da der Aktienkurs zwar das zwischenzeitlich erhöhte Handelsvolumen, nicht aber die wesentliche Information berücksichtigt, dass sich ein Investor den Zugriff auf ein erhebliches, u. U. sogar Kontrolle vermittelndes Aktienpaket sichert, stellt das Anschleichen ein Hindernis für die korrekte Preisbildung und damit für die Informationseffizienz des Kapitalmarkts dar.240 Bei diesem Ergebnis darf man jedoch nicht stehen bleiben, denn erblickte man schon in der Beeinträchtigung der Informationseffizienz einen relevanten Schaden des Anschleichens, beginge man den Fehler, der in der Literatur so häufig begangen wird241: Man erhöbe Transparenz zu einem Wert an sich, postulierte das Erfordernis umfassender Transparenz gewissermaßen um der Transparenz willen. Will man das 237
Vgl. das Chart bei FAZ v. 14. 07. 2008, S. 15. Vgl. die Kurzmeldung in FAZ Sonntag v. 13. 07. 2008, S. 33 unter Berufung auf die Financial Times. 239 Siehe dazu Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 572 ff. (1984); Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 141 f. (2009). 240 So auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 474; Eichner, ZRP 2010, 5, 7; Hitzer/ Düchting, ZIP 2011, 1084 („falsches, zumal ohne Berücksichtigung einer möglichen Übernahmeabsicht zu niedriges Preisniveau“), 1087; implizit auch Heusel, WM 2012, 291, 293; a.A. Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 307, der meint, hidden ownership führe zu angemesseneren Aktienkursen; Renn, S. 146 f., nach dem der durch Angebot und Nachfrage zustande gekommene Preis der einzig wahre und richtige ist. Das Recht der Beteiligungstransparenz habe weder die Berechtigung noch die Aufgabe, Einfluss auf die Börsenpreise zu nehmen, tue dies jedoch in massiver Art und Weise, indem es den Übernahmepreis künstlich nach oben treibe. 241 Siehe dazu schon oben 3. Kapitel B. I. 238
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3. Kap.: Problemanalyse
heimliche stakebuilding als unlauter brandmarken, muss man sich daher auf die Suche nach weiteren negativen Effekten dieser Taktik machen.
III. Beeinträchtigung der Allokationseffizienz des Kapitalmarkts Transparenz erlaubt es den Marktteilnehmern, ihre Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen in Kenntnis aller kursrelevanten Informationen zu treffen. Sie ist somit gleichzeitig der Allokationseffizienz des Marktes förderlich242, denn in Kenntnis aller Informationen, die zur Beeinflussung des Kurses geeignet sind, können Anleger ihr Kapital dort investieren, wo einerseits ein Kapitalbedarf besteht und andererseits die Anlage bei hinreichender Sicherheit die höchste Rendite verspricht243. Dadurch, dass der Anschleicher dem Markt die Möglichkeit nimmt, sich die kursrelevante Information über den jederzeitigen Zugriff auf ein beträchtliches Aktienpaket zu verschaffen, verhindert er, dass die Anleger diese Information bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen können. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Anleger daher ihre finanziellen Mittel suboptimal investieren, beispielsweise Mittel aus der Zielgesellschaft abziehen, obwohl der neue Investor in Kürze seinen Einfluss positiv geltend macht und/oder durch eine bessere Überwachung des Management das Prinzipal-Agenten-Problem abmildert244.
IV. Ermöglichung des Missbrauchs von Insiderinformationen Schon der Gesetzgeber zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz (2. FMFG) verfolgte mit den Vorschriften zur Beteiligungstransparenz das Ziel, durch aktuelle und möglichst umfassende Information der Handelsteilnehmer und der Anleger eine Transparenz zu schaffen, die dem Missbrauch von Insiderinformationen entgegenwirkt.245 Dass dieses Ziel mithilfe der Beteiligungstransparenzvorschriften überhaupt erreicht werden kann, könnte mit dem Argument bestritten werden, die Information über die Beteiligungsveränderung finde bereits vor der Offenlegung der Transaktion, z. B. unmittelbar nach deren Abschluss, vollständig im Kurs Aus242 Zum Zusammenhang zwischen Informationseffizienz und Kapitalallokation vgl. Hitzer/ Düchting, ZIP 2011, 1084, 1087; Lenenbach, Rn 1.73; Ruffner, § 10 IV 1, S. 394 f. und § 10 V 2, S. 398: „Informationseffizienz ist allerdings eine zentrale Bedingung für die allokative Effizienz von Märkten.“ 243 So die Definition der allokativen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, vgl. GroßkommAktG/Assmann, Einl. Rn. 358; Buck-Heeb, Rn. 11; Lenenbach, Rn. 1.72; Kümpel/ Wittig/Oulds, Rn. 14.168. 244 Zur Behebung des Problems der rationalen Apathie durch Konzentration von Anteilsbesitz vgl. schon oben 3. Kapitel B. II. 2. a) m.N. in Fn. 218. 245 Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52.
B. Hidden (morphable) ownership
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druck.246 Empirische Studien zeigen jedoch, dass der Markt auf die Offenlegung bedeutender Beteiligungen mit Kursänderungen reagiert247, sich mithin noch nicht sämtliche Informationen in den Kursen niedergeschlagen haben. Die Verpflichtung zur Offenlegung bedeutender Beteiligungen beschleunigt demnach den Prozess der Einpreisung wesentlicher Informationen in den aktuellen Aktienkurs248 und verkürzt dadurch den Zeitraum, innerhalb dessen Insiderhandel möglich ist. Das Anschleichen umgeht die Beteiligungstransparenzvoschriften und unterminiert auf diese Weise deren Wirkung, den Missbrauch von Insiderinformationen zu verhindern. Wie gesehen249 reagiert der Kapitalmarkt auf die Aktienkäufe des Anschleichers/Darlehensgebers bzw. der beteiligten Banken mit einem Anstieg des Kurses der Zielgesellschaft. Im Zeitraum zwischen den ersten Aktienkäufen und der Veröffentlichung der Absicht des Anschleichers besteht ein informatorisches Ungleichgewicht zwischen ihm und den Aktionären der Zielgesellschaft, das ersterer zu seinen Gunsten ausnutzt. Je mehr Banken in das Manöver des Anschleichers involviert sind, desto größer ist die Gefahr, dass auch sie aufgrund der Insiderinformation über den bevorstehenden Erwerb einer großen Beteiligung bzw. über die bevorstehende Übernahme Geschäfte tätigen.250 Den Aktionären der Zielgesellschaft hingegen ist die Möglichkeit verwehrt, diese Information zur Grundlage ihres Handelns zu machen.251
V. Beeinträchtigung des Marktes für Unternehmenskontrolle Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Pflicht zur Offenlegung bedeutender Beteiligungen den Markt für Unternehmenskontrolle eher stärkt oder schwächt. Dementsprechend ist auch hinsichtlich einer eventuellen Beeinträchti246 Nach Holden/Subrahmanyam, J. Fin. 47 (1992) 247 schlagen sich private Informationen aufgrund des zwischen den informierten Investoren bestehenden Wettbewerbs sehr zügig in neuen Marktpreisen nieder; ähnlich Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 287: „[…] the value of the news decays quickly in securities markets; the information is ,used up‘ […].“; Renn, S. 144; a.A. Kyle, Econometrica 53 (1985) 1315, nach dem Informationen nur nach und nach in den Markt gegeben werden. 247 Vgl. Bishop, Austr. J. Man. 16 (1991) 1 („Share price changes of approximately 10 – 13 % are found at the time of the announcement of substantial shareholdings.“), 18 ff.; FSA, CfD CP 07/20, Annex 3; Mikkelson/Ruback, J. Fin. Econ. 14 (1985) 523, 532 ff.; siehe darüber hinaus die Hedgefonds betreffenden Studien von Clifford, J. Corp. Fin. 14 (2008) 323, 328 f.; Klein/Zur, J. Fin. 64 (2009) 187, 207 ff.; ferner Veil/Veil, § 20 Rn. 4 m.w.N. 248 FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 3; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 145 f. (2009); siehe auch Christ, S. 174 f. 249 Oben 3. Kapitel B. II. 3. 250 Ob das Verhalten des Anschleichers und der Banken als Verstoß gegen das in § 14 WpHG verankerte Insiderhandelsverbot zu qualifizieren ist, wird an späterer Stelle noch zu untersuchen sein, siehe 4. Kapitel C. IV. 251 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 6.
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3. Kap.: Problemanalyse
gung des Marktes für Unternehmenskontrolle durch das Anschleichen keine abschließende Bewertung möglich. 1. Interessenlage der von Unternehmensübernahmen Betroffenen Das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften zur Vorbereitung einer Unternehmensübernahme findet in einem komplizierten Interessengeflecht statt, das sich aus den jeweiligen Einzelinteressen der von Übernahmen betroffenen Gruppen zusammensetzt. Während dem Übernahmeinteressenten an einer spätestmöglichen Offenlegung seiner Übernahmeabsicht gelegen ist (dazu a), haben die Aktionäre und das Management der Zielgesellschaft sowie das Anlegerpublikum und die sonstigen stakeholder ein gleichgerichtetes Interesse an möglichst frühzeitiger Offenlegung, wobei die Motive jedoch höchst unterschiedlich sind (dazu b). a) Interesse des Erwerbers an später Offenlegung Ein Erwerber hat verständlicherweise ein hohes Interesse daran, seine Übernahmeabsichten und seine bereits erfolgten Aktienkäufe möglichst lange geheim zu halten, denn deren frühzeitiges Bekanntwerden kann die Übernahme verteuern, im schlimmsten Falle sogar komplett verhindern252 : Ein frühzeitiges Bekanntwerden der Anteilskäufe führt zu einem steigenden Aktienkurs der Zielgesellschaft.253 Darin spiegelt sich die Erwartung des Kapitalmarkts wider, der Aufkäufer werde weitere Anteile erwerben und den Aktionären der Zielgesellschaft schließlich ein Übernahmeangebot unterbreiten, im Rahmen dessen sie einen gegenüber dem aktuellen Aktienkurs höheren Preis, die sog. Kontrollprämie254, erzielen können.255 Der Anstieg des Börsenkurses verteuert nicht nur den börslichen Erwerb weiterer Anteile, sondern auch den außerbörslichen Paketerwerb, denn Großaktionäre der Zielgesellschaft werden nur im Falle der Zahlung eines einträglichen Paketzuschlags zur
252 Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer/Assmann/Bozenhardt, S. 1, 65; Freixas/Hartmann/Mayer/Burkart/Panunzi, S. 265, 277, 279: „[…] the possibility to (secretly) acquire shares prior to the offer is an important source of acquirers’ profit. Indeed, pre-takeover holdings are found to have a positive impact on bidder gains and on the success probability of takeovers.“; Cascante/Topf, AG 2009, 53; Christ, S. 155; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405; Heusel, WM 2012, 291, 292; Holfter, S. 77 f.; Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139, 147 f.; Manne, 64 Colum. L. Rev. 1427, 1432 (1964); Starke, S. 76; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Witt, S. 72; siehe auch Siebel, FS Heinsius, S. 771, 775, 806 f., der darauf hinweist, dass allein die Tatsache, dass jemand Aktien aufkauft, ausschlaggebend ist, nicht die genaue Identität des Aufkäufers; zum Geheimhaltungsinteresse von Finanzinvestoren Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119; Baums/ Cahn/Ineichen, S. 3. 253 Vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel A. II. 3. a) m.N. in Fn. 412. 254 Zum Begriff und zur Bedeutung der Kontrollprämie Ehricke/Ekkenga/Oechsler/ Oechsler, § 3 Rn. 8; Witt, S. 80. 255 Vgl. auch Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119 für Finanzinvestoren.
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Veräußerung bereit sein.256 Je länger also der Übernahmeinteressent seine Anteilskäufe unerkannt tätigen kann, desto billiger wird die Übernahme für ihn. Ein zweiter bedeutender Grund für das Geheimhaltungsinteresse des Bieters liegt in der Befürchtung, andere Interessenten könnten konkurrierende Angebote abgeben bzw. die Zielgesellschaft könnte Maßnahmen zur Abwehr der Übernahme ergreifen. In beiden Fällen wäre das Gelingen der Übernahme durch den Übernahmeinteressenten mit zusätzlichen Unwägbarkeiten behaftet. Je später die Anteilserwerbe des Übernahmeinteressenten bekannt werden, desto weniger Zeit bleibt anderen Interessenten und der Zielgesellschaft für eigene Maßnahmen.257 b) Interesse an frühzeitiger Offenlegung aa) Aktionäre der Zielgesellschaft Der potentielle Bieter kann die Kontrolle entweder durch den Kauf eines oder mehrerer Aktienpakete von Großaktionären oder durch den sukzessiven Erwerb der Aktien der atomistischen Aktionäre erlangen. Der Paketaktionär ist in der Lage, mit dem Bieter über den Preis seines Aktienpakets zu verhandeln, und wird sich daher dessen Größe mit einem u. U. kräftigen Paketzuschlag bezahlen lassen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Kontrollerwerb im Wege des Paketerwerbs wegen einer breiten Streuung der Aktien nicht möglich ist: Kleinstaktionäre können aufgrund des Kollektivhandlungsproblems258 keine gebündelten Verkaufsverhandlungen mit dem Bieter führen und daher keine Kontrollprämie aushandeln, obwohl der Käufer auch auf diese Weise die Kontrolle erlangen kann. Sie können an der Kontrollprämie also nur dann partizipieren, wenn die Absicht des Erwerbers offengelegt wird, dadurch Eingang in den Aktienkurs findet und sich somit die nach § 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO zu zahlende Gegenleistung erhöht.259 Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft ein Interesse an einer frühzeitigen Offenlegung des Beteiligungsaufbaus haben.260
256
Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1107; Starke, S. 77; Witt, S. 72 f.; siehe auch H.-B. Schäfer/Ott, S. 700 f. 257 CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 523 (S.D.N.Y. 2008); Bertaccini, 31 Cardozo L. Rev. 267, 269 mit Fn. 7 (2009); Cascante/Topf, AG 2009, 53; Holfter, S. 78; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569; Renn, S. 131 f.; Siebel, FS Heinsius, S. 771, 775, 806; Starke, S. 77; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Witt, S. 74. 258 Zum Kollektivhandlungsproblem im Zusammenhang mit der Überwachung des Management siehe schon oben 3. Kapitel A. VI. 2. b). 259 Näher Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 475 f.; Otto, AG 1994, 167 f.; Witt, S. 81; siehe auch Christ, S. 184. 260 Christ, S. 156 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405; Starke, S. 79.
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3. Kap.: Problemanalyse
bb) Management der Zielgesellschaft Die Interessen der Verwaltung der Zielgesellschaft gehen insofern mit denen der Aktionäre konform, als auch sie an einer möglichst frühzeitigen Offenlegung von Aktienkäufen interessiert ist.261 Selbstverständlich sind die Gründe für dieses Transparenzinteresse andere, mehrere Aspekte spielen eine Rolle: Zum ersten ist heutzutage die Kenntnis zumindest der Großaktionäre (auch der künftigen) unter Investor Relations-Gesichtspunkten unerlässlich.262 Zum zweiten möchte das Management möglichst frühzeitig Kontakt zum Übernahmeinteressenten aufnehmen, um Klarheit darüber zu erhalten, ob er eine freundliche oder feindliche Übernahme anstrebt. Sollte letzteres der Fall sein, wird die Verwaltung häufig im von § 33 WpÜG vorgezeichneten Rahmen Abwehrmaßnahmen ergreifen263 – und zwar schon im eigenen Interesse, schließlich steht zu befürchten, dass der neue Mehrheitsaktionär die amtierende Geschäftsführung durch Personen seines Vertrauens ersetzen wird264. Zum dritten verursacht ein bevorstehendes bzw. laufendes Übernahmeverfahren eine gewisse Lähmung des Management der Zielgesellschaft, verbunden mit geringerer Aufmerksamkeit für das tägliche operative Geschäft, da ein wesentlicher Teil der verfügbaren Ressourcen der Abwehr oder Unterstützung des Angebots gewidmet wird.265 cc) Anlegerpublikum und sonstige stakeholder In Anbetracht der hohen Bedeutung der Anteilspublizität für die Allokationseffizienz des Kapitalmarkts266 und den Erhalt des Vertrauens der Anleger in die Fairness des Marktes267 hat auch das Anlegerpublikum ein vitales Interesse daran, über den Aufbau einer signifikanten Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zeitnah informiert zu werden.268 Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Unterrichtung über eine sich anbahnende Verschiebung der Machtverhältnisse auch 261 Christ, S. 157; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405 f.; Holfter, S. 80; Starke, S. 78; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Witt, S. 77 ff. 262 Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 157 (2009); ausführlich zu Wesen und Bedeutung der Investor Relations Fleischer, ZGR 2009, 505. 263 Christ, S. 157; Renn, S. 141; Siebel, FS Heinsius, S. 771, 783 f.; Starke, S. 78; Witt, S. 77; zur auf § 76 Abs. 1 AktG fußenden Pflicht des Vorstands, keinen sachlich nicht gerechtfertigten Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen, GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 122; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 25; K. Schmidt/ Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15. 264 Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer/Assmann/Bozenhardt, S. 1, 16; Witt, S. 77. 265 Burgard, AG 1992, 41, 50 mit Fn. 133 zum Übernahmefall Continental/Pirelli; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1106; Starke, S. 78; siehe aber auch Joussen, BB 1992, 1075, 1076 f.; Witt, S. 77 f., nach denen die im AktG fest umrissenen Aufgaben der Verwaltung von dieser in jedem Fall zu erfüllen sind. 266 Siehe oben 3. Kapitel B. III. 267 Näher dazu siehe unten 3. Kapitel B. VI. 268 Christ, S. 158; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 406; Theusinger/Möritz, Ad legendum 2010, 3, 4.
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im Interesse anderer Gruppen liege, die mit dem Unternehmen in Beziehungen stehen (v. a. Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer, Kunden).269 c) Ergebnis Zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Übernahmeinteressenten und den Offenlegungsinteressen der Anleger sowie der Aktionäre und des Managements der Zielgesellschaft existiert ein Spannungsverhältnis. Die Anteilstransparenzvorschriften stellen ein Instrument zur Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs der widerstreitenden Interessen dar.270 2. Nachteilige Implikationen des Anschleichens für den Unternehmenskontrollmarkt In diesem Spannungsfeld der Interessen kann das Anschleichen an eine börsennotierte Gesellschaft einerseits negative Auswirkungen auf den Markt für Unternehmenskontrolle haben, weil die an einer frühzeitigen Offenlegung Interessierten mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt werden: Das heimliche Vorgehen des Bieters verhindert zunächst, dass das Management der Zielgesellschaft über die Absichten des Anschleichers informiert wird und sich auf die Suche nach einem konkurrierenden Angebot (sog. white knight) begeben kann, was nach § 33 Abs. 1 S. 2, 2. Fall WpÜG zulässig wäre271. Darüber hinaus werden andere poten269 European Commission, SEC(2008) 3033 final, S. 8 mit Fn. 24: „The enhanced transparency […] can contribute to reducing employees’ uncertainties about their jobs and future prospects, thereby contributing to their confidence and productivity.“; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 406.; siehe aber auch Zetzsche, NZG 2009, 692, 696, der darauf hinweist, dass eine durch frühzeitige Transparenz verteuerte Übernahme umfangreichere Arbeitsplatzverluste und Rationalisierungsmaßnahmen hervorrufe als eine günstige, was den stakeholdern ebenfalls wenig Nutzen bringe. 270 Dazu siehe auch Freixas/Hartmann/Mayer/Burkart/Panunzi, S. 265, 278 („[…] fundamental trade-off between promoting takeovers and protecting minority shareholder interests […].“), 279 („Loose disclosure standards allocate a larger share of the takeover gains to the bidder, thereby promoting takeovers market. This, however, comes at the expense of those shareholders that sold their shares prior to the bid, thereby forgoing the takeover premium.“); Ferrarini, Working Paper, S. 4: „Therefore, a policy maker has to fix the threshold for shareholdings and the delay for disclosure by balancing the need for transparency on the one hand and that for corporate control contestability on the other.“; Fleischer, ZGR 2008, 185, 207: „Ein Gesetzgeber, der die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz ausbauen möchte, sieht sich mithin einem Zielkonflikt gegenüber: Er muss entscheiden, ob er dem Minderheitenschutz oder dem Markt für Unternehmenskontrolle größeres Gewicht beimisst.“; ders./ Schmolke, NZG 2009, 401, 406; FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 7; Renn, S. 151 f.; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 175 ff. (2009); C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Veil, ZHR 177 (2013) 426, 437 f. 271 Zu den Einzelheiten vgl. Baums/Thoma/Grunewald, § 33 Rn. 62 ff.; KölnKommWpÜG/Hirte, § 33 Rn. 74 ff.; Haarmann/Schüppen/Röh, § 33 Rn. 75 ff.; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, § 33 WpÜG Rn. 149 ff.
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3. Kap.: Problemanalyse
tielle Bieter mangels Unterrichtung über die Existenz eines ersten Interessenten u. U. nicht auf die Zielgesellschaft aufmerksam. Dadurch wird ihnen die Möglichkeit genommen, rechtzeitig ein Konkurrenzangebot vorzulegen. Diese Beschränkung des Wettbewerbs ist nicht nur für den Unternehmenskontrollmarkt von Nachteil272, sondern auch für die Aktionäre der Zielgesellschaft, da sie empirischen Untersuchungen zufolge im Falle eines konkurrierenden Angebots mit einer höheren Kontrollprämie rechnen könnten als im Falle eines kokurrenzlosen Übernahmeangebots273. 3. Vorteilhafte Implikationen des Anschleichens für den Unternehmenskontrollmarkt Andererseits ist das Anschleichen auch mit erheblichen positiven Effekten für den Unternehmenskontrollmarkt verknüpft. a) Verunmöglichung von Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft Die Verpflichtung eines Aktionärs zu frühzeitiger Offenlegung der Höhe seines Anteils ist geeignet, das Management der Zielgesellschaft in Alarmbereitschaft zu versetzen und zu präventiven Maßnahmen zu veranlassen, die eine vom Anteilserwerber evtl. in Betracht gezogene spätere Übernahme erschweren oder vereiteln können.274 Ein Übernahmeinteressent, der keine Abwehrmaßnahmen des Managements fürchten muss, kann sich hingegen relativ sicher sein, dass die von ihm angestrebte Übernahme erfolgreich sein wird. Dieser Aspekt kann ihn beflügeln, das Übernahmevorhaben überhaupt in die Wege zu leiten und das aktuelle, in seinen Augen unfähige Management durch ein neues zu ersetzen. Mit der gleichen Argumentation könnte man auch die Ausschaltung konkurrierender Angebote rechtfertigen. b) Verbilligung der Übernahme Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Muss der Übernahmeinteressent sein unter Einsatz auch finanzieller Mittel erworbenes Wissen über die Zielgesellschaft via Beteiligungstransparenzpflicht frühzeitig mit dem Kapitalmarkt teilen, werden die Kurse der Zielgesellschaft kräftig steigen und eine Übernahme für den Bieter er272
Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 5; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 154 (2009) zu den Vorteilen frühzeitiger Offenlegung; knapp Hitzer/Düchting, ZIP 2011, 1084, 1088; De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 3; Seibt, CFL 2010, 502, 503. 273 Vgl. Betton/Eckbo, Rev. Fin. St. 13 (2000) 841, 842 („We show that rival bids […] generate substantial bid jumps: between the first and the second bid, the premium increases on average 31 %.“), 856. Indes ist fraglich, ob das Interesse der Aktionäre an einer Kontrollprämie überhaupt berechtigt ist, vgl. dazu unten 3. Kapitel B. VI. 2. 274 Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 841 (2006); Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 110; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 155 (2009); siehe auch Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119.
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heblich verteuern. Dies kann dazu führen, dass potentielle Bieter ihren Anreiz verlieren, nach unterbewerteten Unternehmen zu suchen275, und somit letztlich die Übernahmeaktivität im Allgemeinen abnimmt276. Damit würde der Markt für Unternehmenskontrolle gleichzeitig seinen ihm von seinen Befürwortern zugewiesenen grundlegenden Zweck verfehlen, das Management börsennotierter Gesellschaften zu disziplinieren. Die Möglichkeit des Bieters zum heimlichen stakebuilding hingegen könnte ihn für die Mühen der Suche nach unterbewerteten Unternehmen belohnen bzw. ein Mittel zur Finanzierung der an die Aktionäre zu zahlenden Kontrollprämie darstellen.277 c) Ausschaltung konkurrierender Bieter Der Erwerb eines solchen sog. toehold, d. h. der unbemerkte Aufbau einer Beteiligung an der Zielgesellschaft, würde den Unternehmenskontrollmarkt auch insofern stärken, als der Bieter dadurch einen Startvorteil erlangt, der Angebote konkurrierender Bieter weniger wahrscheinlich werden lässt.278 Dieser toehold-Ef275 Anschaulich Fischel, 57 Tex. L. Rev. 1, 13 f. (1978): „[…] for the market for corporate control to function effectively, outsiders must have adequate incentives to produce information. Outsiders are not generally privy to inside information about a potential target. A decision to tender only occurs after an offeror determines that the target will be more profitable in its control and that a tender offer is likely to succeed. These decisions involve research costs. The incentive to produce this information is the expected gain from the appreciation of the offeror’s equity investment after obtaining control. Any legal constraint that limits the ability of owners of privately produced information to realise its exchange value will discourage devoting resources to produce new information. In other words, a failure to recognise a property right in privately owned information will decrease the incentives to produce this information.“; siehe auch Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 314 ff.; ferner Fleischer, ZGR 2008, 185, 206; ders./ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1510; dies., NZG 2010, 846, 853; FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 4; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 877 (2006); Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 585; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 155 (2009); Seibt, ZGR 2010, 795, 820 f.; Theusinger/ Möritz, Ad legendum 2010, 3, 6; Zetzsche, NZG 2009, 692, 696. 276 Vgl. Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119; Grossman/Hart, Bell J. Econ. 11 (1980) 42, 60; Zetzsche, Research Paper, S. 11 f. 277 Bris, J. Corp. Fin. 8 (2002) 227, 228: „The free rider problem is overcome by means of the preannouncement stake, which guarantees positive profits to the bidder even if she pays her full true valuation in the second stage, […].“; Freixas/Hartmann/Mayer/Burkart/Panunzi, S. 265, 279; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 877 (2006); Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 154 f. (2009); siehe auch Renn, S. 147 ff., nach dem es nicht gerechtfertigt ist, den Bieter die überschießenden Erwartungen der Börse zahlen zu lassen. 278 Bulow/Huang/Klemperer, J. Pol. Econ. 107 (1999) 427, 430; siehe auch Christ, S. 154 f., 180; Fleischer, ZGR 2008, 185, 206 f.; ders./Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1510; FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 5; Holfter, S. 77; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340. Vgl. aber auch Eichner, ZRP 2010, 5, 7 f., der das toehold-Argument im Zusammenhang mit dem Anschleichen mit der Begründung nicht für überzeugend hält, ein dem Markt für Unternehmenskontrolle zuträglicher Bieterwettstreit sei nicht ausgeschlossen, weil die Banken ihre hedge-Positionen in dasjenige Angebot einbrächten, welches den höchsten Preis bietet. Er verkennt dabei jedoch, dass der toehold auch einen Startvorteil gegenüber konkurrierenden Bietern bedeutet, den Banken mithin u. U. nur ein Angebot vorliegt, welches sie überhaupt annehmen können.
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3. Kap.: Problemanalyse
fekt ist empirisch belegt279 und wohl darauf zurückzuführen, dass der Bieter aufgrund des toehold für die übrigen Aktien aggressiver bieten kann als etwaige Konkurrenten, die noch keine Aktien der Zielgesellschaft halten280. Allerdings stellt sich im Anschluss daran die als toehold puzzle bezeichnete Frage, warum tatsächlich nur wenige Bieter im Vorfeld einer Übernahme einen toehold erwerben, obwohl dies für sie in doppelter Hinsicht vorteilhaft erscheint.281 Als denkbare Lösungsansätze werden zwei Aspekte diskutiert: zum einen die Befürchtung des Bieters, durch den – wenn auch heimlichen – Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft einen kontinuierlichen Preisanstieg zu verursachen, der die Übernahme insgesamt wiederum verteuern würde282, zum anderen die Angst, das Management der Zielgesellschaft könne einen stillen Beteiligungsaufbau als Affront werten und sich gegen die drohende Übernahme stemmen283. Daraus könnte man den 279 Vgl. Betton/Eckbo, Rev. Fin. Stud. 13 (2000) 841, 843, 879, die 1.353 öffentliche Übernahmeangebote in den USA von 1971 bis 1990 untersucht und festgestellt haben, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines konkurrierenden Bieters mit zunehmender Größe des toehold abnimmt; Walkling, J. Fin. & Quant. Anal. 20 (1985) 461, 463, 476, der 158 öffentliche Übernahmeangebote in den USA zwischen 1972 und 1977 untersucht hat und eine positive Korrelation zwischen der Größe des toehold und der Wahrscheinlichkeit eines Übernahmeerfolgs sieht. 280 Bulow/Huang/Klemperer, J. Pol. Econ. 107 (1999) 427, 428, 449 f., auf S. 430 f., 448 auch zum Interesse des Management der Zielgesellschaft, durch den Verkauf eines toehold an einen zweiten Bieter den Startvorteil des ersten Bieters zunichte zu machen und dadurch ein „level playing field“ zu schaffen; siehe auch FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 5; Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 154 (2009). 281 Empirische Feststellung des toehold puzzle bei Betton/Eckbo, Rev. Fin. Stud. 13 (2000) 841, 843 f. („Overall, while there appears to be significant benefits for the initial bidder to acquire a toehold, a puzzling 47 % of all initial bidders in the sample enter the contest with a zero toehold.“), 856 ff.; dies./Thorburn, J. Fin. Econ. 91 (2009) 158, 159 („Bidder toehold benefits notwithstanding, we document that toehold bidding has declined dramatically since the 1980s and is now rare. Over the period 1973 – 2002, only 13 % of 10,000+ initial bidders seeking control of publicly traded U.S. targets have toeholds. Even more striking, only 3 % acquire toeholds during the six-month period leading up to the initial offer announcement, the period when the actual bid strategy is being formulated.“), 165 ff.; siehe auch Bradley/Desai/ Kim, J. Fin. Econ. 21 (1988) 3, 6: „Of the 236 acquiring firms, 155 held no target shares prior to the offer.“; Jarrell/Poulsen, J. L. Econ. & Org. 5 (1989) 225, 236: „In seventy-two of the [172, Anm. d. Verf.] offers, the bidder held no shares in the target firm at the time of the offer.“; ferner Christ, S. 182 f. 282 Dazu Bris, J. Corp. Fin. 8 (2002) 227. 283 Dazu Betton/Eckbo/Thorburn, J. Fin. Econ. 91 (2009) 158, 167: „Toeholds are four times more frequent in hostile bids (50 %) than in friendly bids (11 %).“; siehe diesbezüglich aber auch die Studien von Jennings/Mazzeo, Rev. Fin. Stud. 6 (1993) 883, 900 ff.; Walkling/ Long, RAND J. Econ. 15 (1984) 54, 59 f., 62, wonach kleinere toeholds zu einem stärkeren Widerstand des Managements der Zielgesellschaft führen als überhaupt kein toehold, ab einer gewissen Größe des toehold allerdings die Wahrscheinlichkeit des Managementwiderstands wieder sinkt. Das wiederum könnte der Grund dafür sein, warum Bieter entweder gar keinen oder einen großen toehold (ca. 20 %) erwerben, vgl. Betton/Eckbo/Thorburn, J. Fin. Econ. 91 (2009) 158, 176: „The puzzle extends beyond a surprising aversion to toehold bidding. When bidders do have toeholds, we find that they are large, on average 20 % of the target, with
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Schluss ziehen, die sich für den Bieter aus einem toehold ergebenden Vorteile vermochten es nicht, die mit ihm einhergehenden Nachteile aufzuwiegen. Vielleicht liegt die Lösung des toehold puzzle in den anspruchsvollen Offenlegungspflichten begründet: Das strenge regulatorische Umfeld, v. a. die niedrigen Eingangsmeldeschwellen, lässt den Erwerb eines klassischen toehold in Form des direkten Aktienerwerbs für den Übernahmeinteressenten wenig zweckmäßig erscheinen, da er auf diese Weise keinen signifikanten Vorsprung vor anderen Bietern erwerben kann. Allerdings zeigt sich gerade an der Häufigkeit des hier untersuchten Phänomens des Anschleichens – die Sicherung des Zugriffs auf Aktien stellt im Grunde nichts anderes dar als den Erwerb eines toehold unter Umgehung der Anteilstransparenzvorschriften284 – ablesen, dass Bieter den Erwerb eines solchen toehold noch immer als Vorteil ansehen. Vorschriften wie die §§ 21 ff. WpHG verhindern jedoch die Inanspruchnahme dieses Vorteils.285 4. Ergebnis Die Bewertung des Anschleichens bezüglich seiner Auswirkungen auf den Markt für Unternehmenskontrolle fällt somit ambivalent aus: Einerseits stellt es ein Hemmnis für den Unternehmenskontrollmarkt dar, weil sich ein Erstbieter durch den Erwerb eines beträchtlichen toehold einen Startvorteil verschafft, den ein Zweitbieter nur selten wettmachen kann, und konkurrierende Angebote dadurch weniger wahrscheinlich werden. Zudem wird das Management der Zielgesellschaft daran gehindert, nach konkurrierenden Angeboten zu suchen. Andererseits ist das heimliche stakebuilding von Vorteil, weil ein potentieller Bieter seine Informationen über die Zielgesellschaft nicht frühzeitig mit anderen teilen muss. Er kann sich dadurch nicht nur unliebsame Konkurrenzangebote vom Hals halten, sondern insbesondere auch die Übernahme nicht unwesentlich verbilligen, was ein entscheidender Anreiz zur Suche nach unterbewerteten Unternehmen sein kann.
toeholds purchased within six months of the bid averaging 13 %. Thus, a theory purporting to explain the puzzle must produce a form of threshold bidding centered on either zero or a substantial toehold size.“ 284 FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 8; Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1032 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 841 (2006); Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 168 f. (2009). 285 Sehr deutlich Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 316: „[…] if the first bidder uses equity swaps in conjunction with direct market purchases, we see that this additional economic exposure allows it to be compensated in the event that in a takeover situation, he is outbid by a rival. Hidden ownership thus reduces, to some extent, the perversity perpetrated by low thresholds for share ownership disclosure.“
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3. Kap.: Problemanalyse
VI. Beeinträchtigung des institutionellen Anlegerschutzes 1. Volkswirtschaftliche Bedeutung eines Anlegerschutzes durch Transparenz Kapitalmärkte können nur dann funktionieren, wenn das Anlegerpublikum Vertrauen in die Fairness und Integrität der Märkte hat, denn nur dann sind Investoren gewillt, dem Markt ihre finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.286 Ein schwindendes Anlegervertrauen hingegen führt zu einem Abzug der Geldmittel. Die damit einhergehende Verringerung der Marktliquidität ist volkswirtschaftlich höchst unerwünscht.287 Weitgehende Transparenz über die am betreffenden Kapitalmarkt tätigen Unternehmen und gehandelten Anlagen ist von elementarer Bedeutung für den Aufbau und Erhalt des Anlegervertrauens.288 Ein Kapitalmarkt, der Geheimaktionen wie beispielsweise den verdeckten Beteiligungsaufbau ermöglicht bzw. zulässt, wird das Anlegervertrauen verlieren und in der Konsequenz Mittelabflüsse zu verzeichnen haben.289 Als Beleg für diese These mag der öffentliche Aufschrei dienen, den das Bekanntwerden der Schaeffler-Taktik in Deutschland auslöste. 2. Verlust des Paketzuschlags bzw. der Kontrollprämie Der Grund für eine derartige Reaktion des Kapitalmarkts dürfte insbesondere in dem Umstand zu sehen sein, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft des Paketzuschlags bzw. der Kontrollprämie verlustig gehen: Oben ist bereits angesprochen worden, dass die Aktionäre der (Publikums-)Zielgesellschaft an der Kontrollprämie nur dann partizipieren können, wenn die Absicht des Investors zum Aufbau einer signifikanten Beteiligung oder gar zum Kontrollerwerb frühzeitig offengelegt wird.290 Durch das heimliche stakebuilding hingegen verhindert der Anschleicher einen Anstieg des Aktienkurses. Das ermöglicht ihm einen verhältnismäßig günstigen Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft, wobei die an ihn bzw. an die Banken veräußernden Aktionäre den Schaden zu tragen haben. Sofern der Anschleicher die Abgabe eines Übernahmeangebots anstrebt, senkt er durch sein Vorgehen die nach
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Buck-Heeb, Rn. 11, 13; Gehrt, S. 25 (zur Ad hoc-Publizitat); Lenenbach, Rn. 1.73; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.141; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer, Rn. 3.458. 287 Vgl. KölnKommWpHG/Hirte/Heinrich, Einl. Rn. 17; Kümpel/Wittig/Oulds, Rn. 14.141. 288 Assmann/Schütze/Assmann, 2. Aufl., § 1 Rn. 24; Fuchs/Fuchs, Einl. Rn. 15; Lenenbach, Rn. 1.73. 289 So auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 474; Christ, S. 161, 169; Fleischer/ Schmolke, NZG 2010, 846, 852; Seibt, ZGR 2010, 795, 821; ders., CFL 2010, 502, 503; Veil/ Veil, § 20 Rn. 102. 290 Siehe 3. Kapitel B. V. 1. b) aa).
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§ 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO zu zahlende Gegenleistung und verbilligt dadurch die Übernahme zu Lasten der Aktionäre. Im Folgenden soll der durch das Anschleichen verursachte zwangsweise Verzicht der Aktionäre der Zielgesellschaft auf die Kontrollprämie stellvertretend für Kontrollprämie und Paketzuschlag näher erörtert werden. a) Beteiligung an der Kontrollprämie als berechtigtes Interesse der Aktionäre? Ob die Diskreditierung des Anschleichens durch den Kapitalmarkt unter diesem Aspekt tatsächlich angemessen ist, hängt davon ab, ob man das Interesse der Aktionäre, an einem Paketzuschlag bzw. an der Kontrollprämie beteiligt zu werden, als ein berechtigtes ansieht oder nicht. Diese Frage ist in der juristischen291 wie in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur292 gleichermaßen umstritten. aa) Berechtigtes Interesse der Aktionäre Für die Anerkennungswürdigkeit des Interesses der Aktionäre an der Kontrollprämie haben schon früh Berle und Means in ihrem wegweisenden Werk „The Modern Corporation and Private Property“ gestritten: Bei der mit der Kontrollposition einhergehenden Macht handele es sich um einen Wert, der allein dem Unternehmen zustehe (sog. corporate asset), so dass auch der für die Kontrolle gezahlte Preis dem Unternehmen und damit allen Aktionären gebühre.293 Als Konsequenz müsse ein vom Veräußerer eines Aktienpakets erzielter Paketzuschlag bzw. eine 291 Für die Anerkennung des Interesses der Aktionäre der Zielgesellschaft an der Kontrollprämie Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 475: „Ein Investor, der sukzessiv über die Börse eine große, unter Umständen kontrollierende Beteiligung aufbauen will, soll tunlichst den an ihn veräußernden Anlegern zusammengenommen keinen „schlechteren“ Preis zahlen als den, den er bei außerbörslichem Erwerb von Paketaktionären an diese zahlen müsste.“; Burgard, AG 1992, 41, 48 f.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 246; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 15; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 3 Rn. 12; Starke, S. 80 f., 83 im Hinblick auf die Regelungen des WpÜG; Witt, S. 81; in diese Richtung auch Otto, AG 1994, 167, 168; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2027; kritisch zur Anerkennung eines solchen Interesses Brandt, BKR 2008, 441, 446 f., wonach „dem Aktionär eine Übernahmeprämie weder rechtlich noch wirtschaftlich zusteht“; Eichner, ZRP 2010, 5, 8; Henze, BB 1996, 489, 498; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; relativierend auch Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405. 292 Für einen Überblick zur Diskussion vgl. Fleischer/Kalss, § 1 V 2 c, S. 39 f.; Ehricke/ Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 3 Rn. 8 ff. 293 Berle/Means, S. 216 f.; siehe auch die Formulierung bei Berle, 58 Colum. L. Rev. 1212, 1220 (1958) in Bezug auf die Rechtsprechung zu „sales of control“: „These decisions point to a slowly emerging rule (by no means universally acknowledged) that, where stockholdings carrying controls are sold, any identifiable portion of the consideration paid for the powerposition over and above the value of the stock ex the control-power element belongs not to the control-seller but to the corporation or (perhaps) to all the shareholders ratably.“
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3. Kap.: Problemanalyse
Übernahmeprämie gleichmäßig verteilt werden.294 In die gleiche Richtung weisen treuhandrechtliche Begründungsmuster, wonach die Entscheidungsmacht des Kontrollaktionärs, die eigene Quote durch Veräußerung des eigenen Aktienpakets zu Lasten derjenigen der Mitgesellschafter zu erweitern, treuhänderischen Charakter habe, da er diese Befugnis erworben habe, ohne dafür seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen. Bei der Ausübung und Nutzung dieser Befugnis gebühre den Interessen der außenstehenden Aktionäre daher der Vorrang vor den Eigeninteressen des veräußernden Kontrollaktionärs.295 Unterstützung erhielt diese Ansicht durch die Perlman v. Feldmann-Entscheidung des Court of Appeals, Second Circuit aus dem Jahre 1955, in der das Gericht den veräußernden Kontrollaktionär – auch unter Berufung auf eine diesen treffende fiduciary duty – für verpflichtet hielt, die Minderheitsaktionäre an der Kontrollprämie zu beteiligen.296 Diese Entscheidung ist allerdings vereinzelt geblieben, und die corporate asset-Theorie konnte sich auch in den USA zu keiner Zeit durchsetzen.297 bb) Kein berechtigtes Interesse der Aktionäre Von der Gegenauffassung wird geltend gemacht, Kontrollprämien bzw. Paketaufschläge repräsentierten letztlich nur den Marktwert der sich aus dem Mehrheitsprinzip ergebenden Verwaltungsmacht und berechtigten schon deswegen nicht zur gleichmäßigen Teilnahme.298 Grundsätzlicher Natur ist das Argument, die Zahlung einer Kontrollprämie an alle Aktionäre stelle einen Eingriff in die Vertragsfreiheit des Bieters dar.299 Vereinzelt wird auch vorgebracht, die Kontrollprämie sei zumeist mit der Hoffnung auf das Heben von Synergien verbunden; diese seien jedoch spezifisch dem Bieter zuzuordnen und nicht den außenstehenden Aktionären.300 294
Vgl. Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 3 Rn. 8. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 421, 458, 478 ff.; ähnliche Argumentation bei Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 3 Rn. 12: „Andererseits weist die Rechtsordnung das mit dem Anteil verbundene Kontrollpotential, das sich erst bei Vereinigung seiner Anteile mit anderen zur Kontrollmehrheit als tatsächtliche Macht entfaltet, vor der Übereignung an den Bieter dem verkaufenden Aktionär der Zielgesellschaft als einzig in Betracht kommenden Eigentümer iSd. Art. 14 Abs. 1 GG zu. Dass ein Dritter durch bloßes Zusammenfügen der einzelnen Gesellschaftsanteile den überschießenden Kontrollwert ohne eigene Gegenleistung verwirklichen können soll, bereitet deshalb Unbehagen.“; gegen eine solche Herleitung Braun, S. 60 ff. 296 Perlman v. Feldmann, 219 F.2d 173 (U.S. App. 1955); dazu Berle, 58 Colum. L. Rev. 1212, 1220 ff. (1958); Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 127 ff. 297 Vgl. Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 127: „[…] now and again a supporting voice may be heard among the chorus of judges.“; siehe auch Braun, S. 57 f. m.w.N. in Fn. 223. 298 Überzeugend Braun, S. 58 ff.; siehe auch Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 462. 299 Braun, S. 59; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 460; Mertens, AG 1990, 252, 257. 300 Brandt, BKR 2008, 441, 447; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; Renn, S. 150; siehe auch Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 462; dagegen Grundmann, Treuhandvertrag, S. 469 f.; 295
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cc) Verteuerung der Übernahme durch free riding Letztlich ausschlaggebend dürfte das Problem des free riding in Aktiengesellschaften mit Streubesitz sein301: Der Aktienkurs des Unternehmens unter der aktuellen Unternehmensleitung lässt sich mit xA, der Aktienkurs unter der Kontrolle des Bieters mit xB bezeichnen. Unter der Annahme, dass die Übernahme durch den Bieter wertsteigernd ist, übersteigt xB also xA : xB > xA. Mit der Übernahme sind für den Bieter gewisse Kosten K verbunden. Um die Kontrolle zu erlangen, muss der Bieter die Zustimmung einer Mehrheit der Aktionäre erhalten; der Bieter wird daher ein Angebot zu einem Preis p vorlegen und dieses unter die Bedingung stellen, dass ihm wenigstens 50 % der Aktien angedient werden. Bei seiner Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme des Angebots wird jeder Aktionär der Zielgesellschaft die Vor- und Nachteile einer Annahme des Angebots für die Fälle des Gelingens und des Nichtgelingens des Angebots abwägen. Werden dem Bieter weniger als 50 % der Aktien angedient, ist die Bedingung des Angebots nicht eingetreten; die Entscheidung des Aktionärs zur Andienung der Aktien ist gegenstandslos. Das aktuelle Management bleibt im Amt, und der Aktienkurs kann weiterhin durch xA ausgedrückt werden. Ist das Angebot des Bieters erfolgreich, erhält der veräußernde Aktionär den Preis p pro Aktie, der nicht veräußernde Aktionär hält eine Aktie mit dem Wert xB. Liegt der Preis p unter dem neuen Aktienkurs xB, wird der Aktionär dem Bieter seine Aktien nicht andienen. Der Minimalpreis, den der Bieter zahlen muss, um seinem Angebot zum Erfolg zu verhelfen, liegt demnach bei p = xB. Zu diesem hohen Preis, der mit einer Kontrollprämie gleichgesetzt werden kann, wird der Bieter jedoch nicht nur keinen Gewinn erwirtschaften, sondern sogar auf seinen Kosten K sitzen bleiben. Das free riding der Aktionäre zu Lasten des Bieters kann daher eine Übernahme für diesen letzten Endes derart verteuern, dass er sogar von einem an sich wertsteigernden Vorhaben absehen wird. Auch Easterbrook und Fischel weisen darauf hin, eine Partizipation aller Aktionäre an der Kontrollprämie mache die Übernahme für den Bieter unprofitabel, so dass er deswegen u. U. von ihr Abstand nehmen müsse.302 Derartige Hindernisse für den Unternehmenskontrollmarkt seien aber auch nicht im Interesse der Aktionäre, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Auswechslung des aktuellen Management-Teams und einer Verbesserung der Corporate Governance verringert werde.303 Auch stehe zu befürchten, dass ein aktueller und veräußerungswilliger Kontrollaktionär durch solch eine Verteuerung der
in anderem Kontext auch Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Ekkenga/Schulz, Einf Rn. 32; Krause, S. 99 ff. 301 Grundlegend dazu und zum Folgenden Grossman/Hart, Bell J. Econ. 11 (1980) 42; gute Zusammenfassung bei Freixas/Hartmann/Mayer/Burkart/Panunzi, S. 265, 276 f. 302 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J. 698, 716 (1982); dies., Economic Structure, S. 127; so auch Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 111; siehe ferner Brandt, BKR 2008, 441, 446; Eichner, ZRP 2010, 5, 7; Theusinger/Möritz, Ad legendum 2010, 3. 303 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J. 698, 716 (1982); dies., Economic Structure, S. 127.
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3. Kap.: Problemanalyse
Übernahme gewissermaßen „eingemauert“ werde, weil die Finanzkraft des Bieters zur Übernahme nicht ausreiche.304 b) Anerkennung durch den Gesetzgeber? Eine Durchsicht der Regelungen des WpÜG zur Angemessenheit der Gegenleistung bei Übernahme- und Pflichtangeboten legt auf den ersten Blick die Vermutung nahe, der Gesetzgeber habe das Interesse der Aktionäre an einer Kontrollprämie als legitim anerkannt305 : Sowohl im Rahmen von Übernahmeangeboten als auch im Rahmen von Pflichtangeboten sind sog. Teilangebote nach (§ 39 i.V.m.) § 32 WpÜG unzulässig; das Angebot ist also an alle Aktionäre der Zielgesellschaft zu richten. Nach (§ 39 i.V.m.) § 31 Abs. 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Nach (§ 39 i.V.m.) § 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO muss die Gegenleistung mindestens dem durchschnittlichen Börsenkurs der Aktien während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (§ 10 WpÜG) entsprechen. Hat der Bieter in einem Zeitraum von sechs Monaten vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft einen Preis gezahlt, der den nach §§ 5, 6 WpÜG-AngebotsVO ermittelten durchschnittlichen Aktienkurs übersteigt, so ist dieser höhere Preis nach § 4 WpÜG-AngebotsVO allen Aktionären der Zielgesellschaft zu zahlen (sog. Berücksichtigung von Vorerwerben). Paketzuschläge, die der Bieter innerhalb von sechs Monaten vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage an einzelne Aktionäre der Zielgesellschaft zahlt, kommen daher allen Aktionären zugute. Das gleiche Bild ergibt sich für die Situation nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage: Erwirbt der Bieter nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage, aber noch vor der Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG über den Anteil der von ihm gehaltenen Aktien nach Ablauf der Annahmefrist – also während des laufenden Angebotsverfahrens – Aktien der Zielgesellschaft zu einem das Angebot übersteigenden Preis, so erhöht sich die an alle Aktionäre derselben Aktiengattung zu zahlende Gegenleistung um den Unterschiedsbetrag (§ 31 Abs. 4 WpÜG; sog. Berücksichtigung von Parallelerwerben). Erwirbt der Bieter innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG außerbörslich Aktien der Zielgesellschaft zu einem das Angebot übersteigenden Preis, so ist er allen ehemaligen Aktionären, die das Angebot angenommen hatten, zur Zahlung des Differenzbetrags verpflichtet (§ 31 Abs. 5 WpÜG; sog. Berücksichtigung von Nacherwerben). Die Aktionäre sind also auch nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und selbst noch nach Abschluss des Angebotsverfahrens an evtl. gezahlten Paketzuschlägen zu beteiligen.
304 305
Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 460. So offensichtlich Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 3 Rn. 12; Starke, S. 80 f.
B. Hidden (morphable) ownership
207
Jedoch darf trotz dieser Gesetzeslage nicht verkannt werden, dass die vorgenannten Regelungen „lediglich“ Ausprägungen des in § 3 Abs. 1 WpÜG normierten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes der Aktionäre darstellen. Darauf hat auch der Gesetzgeber verschiedentlich hingewiesen.306 Sie verfolgen demnach nicht den Zweck, die evtl. aus der Übernahme resultierenden Wohlfahrtsgewinne zwischen dem Bieter auf der einen und den Aktionären der Zielgesellschaft auf der anderen Seite gerecht zu verteilen; sie sollen vielmehr durch eine gleichmäßige Verteilung der Kontrollprämie eine bevorzugte Behandlung einzelner Aktionäre verhindern307.308 Wirkung entfalten die Vorschriften also nicht im Verhältnis der Aktionäre der Zielgesellschaft zum Bieter, sondern allein im Verhältnis der Aktionäre untereinander. 3. Ergebnis Die Aktionäre der Zielgesellschaft haben nach hier vertretener Ansicht kein berechtigtes Interesse an der Zahlung einer Kontrollprämie durch den Kontrollerwerber. Auch ein gesetzgeberischer Wille dahingehend lässt sich nicht feststellen. Fakt ist indes, dass der Kapitalmarkt auf das Anschleichen mit großer Skepsis, wenn nicht sogar mit Abscheu reagiert, was darauf hindeutet, dass er den damit einhergehenden zwangsweisen Verzicht der Aktionäre auf die Kontrollprämie offensichtlich als eine Beeinträchtigung des Anlegerschutzes empfindet. Selbst wenn diese Beeinträchtigung nur subjektiv bestehen und letzten Endes nach Abwägung aller Argumente rational nicht zu erklären sein mag, wird durch den heimlichen Beteiligungsaufbau das Anlegervertrauen geschädigt309, was zu Kapitalabflüssen und damit zu einer Verknappung der im Markt verfügbaren Liquidität führen kann. Insofern ist das Anschleichen auch in diesem Zusammenhang als schädlich zu bezeichnen.
306 Vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 35 (zu § 3 Abs. 1: „Gesetzliche Ausprägungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes finden sich an mehreren Stellen des Gesetzes, z. B. in §§ 19, 31 und 32.“), 56 (zu § 31 Abs. 4: „Die Regelungen [Abs. 4 und 5; Anm. d. Verf.] sind Ausfluss des in § 3 Abs. 1 verankerten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes […].“), 79 f. (zu § 4 WpÜG-AngebotsVO: „Die Regelung ist Ausfluss des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Aktionäre. Sie ermöglicht den Aktionären, die Adressaten eines Übernahme- oder Pflichtangebots sind, an Paketzuschlägen, die im Vorfeld von Übernahmen mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden, zu partizipieren.“). 307 So Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 56 (zu § 31 Abs. 4). 308 In diesem Sinne auch Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405; zurückhaltend auch Christ, S. 157. 309 So auch ESME, Cash settled derivatives, S. 10: „[…] trust in the markets, which is already damaged by recent developments […].“; siehe auch Christ, S. 175 ff.; Fleischer/ Schmolke, NZG 2009, 401, 406; Holfter, S. 78 f.; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 877 (2006): „The history of ownership disclosure suggests that […] our society will not tolerate hidden control of major companies, nor control contests waged behind closed doors.“
208
3. Kap.: Problemanalyse
VII. Beeinträchtigung guter Corporate Governance Das Anschleichen wirkt sich schließlich auch auf die Corporate Governance in der betroffenen Gesellschaft aus.310 Die Implikationen des Anschleichens für die Informations- und Allokationseffizienz des Kapitalmarkts311 und die Funktionsfähigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle312, die ebenfalls als Bestandteile der Corporate Governance angesehen werden können313, sollen an dieser Stelle nicht mehr betrachtet werden. Informationen über die Existenz und die Identität eines Anschleichers geben Aufschluss über die künftige Zusammensetzung des Aktionärskreises, über die bevorstehende größere Kapitalbewegung und über die Höhe des free float. Sie besitzen daher erhebliche Kursrelevanz.314 Im Falle des versteckten Beteiligungsaufbaus besteht wie beschrieben315 ein Informationsgefälle zwischen dem Anschleicher und den Aktionären der Zielgesellschaft, das ersterer dadurch zu Lasten letzterer ausnutzt, dass er sich den verbilligten Zugriff auf Aktien der Zielgesellschaft sichert und zudem die Aktionäre der Zielgesellschaft um ihre Kontrollprämie bringt. Insofern beeinträchtigt das Anschleichen den Minderheitenschutz.316 Die Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile durch die Ausübung des Stimmrechts steht hingegen nicht zu befürchten, weil der Anschleicher in der Regel keinen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken hat, seien diese Darlehensnehmer oder Derivatvertragspartner.317 Der heimliche Aufbau einer Beteiligung ist auch unter Investor Relations-Gesichtspunkten bedenklich, denn er erschwert dem Emittenten die Ermittlung der
310 Sehr deutlich Zetzsche, Research Paper, S. 17 („Hidden Ownership is a corporate governance issue.“), der aber fälschlicherweise wohl davon ausgeht, hidden ownerhip sei allein eine Corporate Governance-Frage; siehe auch Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 306 f.: „underappreciated role of hidden ownership in corporate governance and voting efficiency“; De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 3; ferner KölnKommWpHG/Hirte/Heinrich, Einl. Rn. 15. 311 Dazu siehe oben 3. Kapitel B. II. und III. 312 Dazu siehe oben 3. Kapitel B. V. 313 Vgl. Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 148 ff. (2009) unter der Überschrift „The Second Objective: Improving Corporate Governance“; Starke, S. 67. 314 Eingehend dazu oben 3. Kapitel B. II. 2. 315 Siehe oben 3. Kapitel B. IV. 316 Zu dieser Dimension von Beteiligungstransparenzvorschriften vgl. Fleischer, ZGR 2008, 185, 205; ders./Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1509. 317 So auch FSA, CfD CP 07/20, Annex 2, S. 9: „Therefore, information asymmetry problems are highest during the period when the CfD is held – but only if banks vote on the instructions of the CfD holder. Therefore, […], there must be a strong link with voting. There is incomplete evidence on this […].“; eingehend zur Frage des Stimmrechtseinflusses des Investors siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b).
B. Hidden (morphable) ownership
209
Identität der eigenen Aktionäre.318 Wie eine Studie des Conference Board zeigt, kommt Vorschriften zur Beteiligungstransparenz in diesem Zusammenhang einige Bedeutung zu. Zwar reichen sie alleine nicht aus, um sich ein vollständiges Bild vom Aktionärskreis zu machen, so dass insofern auch auf alternative Informationsquellen zurückgegriffen werden muss319. Jedoch leisten die Offenlegungspflichten in dieser Hinsicht ohne Zweifel einen wertvollen Beitrag.320 Den Anschleicher hingegen kann der Emittent über die Stimmrechtsmitteilungen nicht ausfindig machen, obwohl dieser wie ein Aktionär an der Zielgesellschaft interessiert ist.321
VIII. Ergebnis Die Information, dass ein Investor Zugriff auf ein Aktienpaket hat, das – hätte er es direkt erworben – nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig wäre, hat in der Regel erhebliche Kursrelevanz, wird dem Markt aber nicht zur Verfügung gestellt, so dass die Informationseffizienz des Kapitalmarkts Schaden nimmt. Daran anknüpfend ergeben sich zahlreiche Bedenken gegen das Anschleichen: 1. Da den Anlegern wichtige Informationen über die Zielgesellschaft vorenthalten werden, besteht die Gefahr suboptimaler Anlageentscheidungen. Auf diese Weise wird die Allokationseffizienz des Kapitalmarkts beeinträchtigt. 2. Der Anschleicher besitzt gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft einen Wissensvorsprung hinsichtlich des bevorstehenden Beteiligungserwerbs bzw. hinsichtlich der bevorstehenden Übernahme, den er insofern zu seinem Vorteil 318
Vgl. Schouten, 15 Stan. J. L. Bus. & Fin. 127, 157 f., 169 (2009); siehe auch Hitzer/ Düchting, ZIP 2011, 1084, 1088; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 15 f.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 111. 319 Siehe die Umfrage von Conference Board, Research Report, S. 16 ff. unter der Überschrift „Monitoring Securities Holdings“; siehe auch De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 8 f. mit „Recommendations to Corporate Directors“; zu den Schwierigkeiten der Identifikation der Aktionäre in grenzüberschreitenden Zusammenhängen Zetzsche, 8 J. Corp. L. Stud. 289, 331 f. (2008). 320 Conference Board, Research Report, S. 19, wonach ca. 90 % der Befragten Veränderungen in der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises verfolgen (Chart 5) und ca. 65 % dies u. a. anhand der SEC filings nach § 13(d) SEA tun (Chart 6). 25 % der Befragten gaben zudem an, dass sie über ein SEC filing von der Beteiligung eines aktivistischen Hedgefonds erfuhren (Chart 8). 321 Vgl. De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 3. Der Hinweis von Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 326 auf sec. 793 Companies Act 2006 führt insofern nicht weiter: Die Vorschrift ermöglicht der börsennotierten Gesellschaft zwar, bei entsprechenden Verdachtsmomenten von jeder Person Auskunft über ihr Interesse in Aktien der Gesellschaft zu verlangen, jedoch ist es schon begrifflich ja gerade das Ziel des heimlichen Beteiligungsaufbaus, das Entstehen solcher Verdachtsmomente zu verhindern; zur Frage der Einführung einer sec. 793 Companies Act entsprechenden Vorschrift im deutschen Recht siehe auch Christ, S. 201 ff.
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3. Kap.: Problemanalyse
einsetzt, als er sich mithilfe von Derivaten oder Wertpapierdarlehen verbilligt Aktien der Zielgesellschaft verschaffen und im Falle eines anschließenden Übernahmeangebots verbilligt die Kontrolle über die Zielgesellschaft sichern und die Aktionäre der Zielgesellschaft von der Kontrollprämie ausschließen kann. 3. Das Phänomen der hidden (morphable) ownership wirkt sich erheblich auf den Unternehmenskontrollmarkt aus: Ein Übernahmeinteressent kann auf diesem Wege einen stillen, nicht offenlegungspflichtigen toehold erwerben, der ihm – abhängig von dessen Höhe – einen nahezu uneinholbaren Vorsprung vor eventuellen Konkurrenten verschafft. Das mag zwar einerseits für ihn einen Anreiz darstellen, überhaupt erst nach unterbewerteten Unternehmen zu suchen. Zudem könnte er durch den Überraschungseffekt die Wahrscheinlichkeit von Abwehrmaßnahmen seitens des Management der Zielgesellschaft reduzieren. Auf der anderen Seite jedoch ginge mit einem solchen toehold auch eine Einschränkung des Übernahmewettbewerbs einher, da konkurrierende Angebote weniger wahrscheinlich würden. 4. Ein Kapitalmarkt, der das Anschleichen ermöglicht bzw. zulässt, wird das Vertrauen der Anleger in seine Fairness und Integrität verlieren und in der Konsequenz Mittelabflüsse zu verzeichnen haben. 5. Unter Corporate Governance-Gesichtspunkten resultiert aus dem Informationsgefälle zwischen dem Anschleicher und den Aktionären der Zielgesellschaft ein mangelnder Minderheitenschutz, der durch ein sich anschließendes freiwilliges Übernahmeangebot bzw. Pflichtangebot nicht kompensiert werden kann. Darüber hinaus erschwert das Anschleichen an einen Emittenten diesem die Ermittlung der Identität der eigenen Aktionäre.
4. Kapitel
Rechtliche Bestandsaufnahme A. Einleitung Die eingehende Problemanalyse des empty voting und der hidden (morphable) ownership hat gezeigt, dass gegen diese Phänomene aus ganz unterschiedlichen Gründen erhebliche Bedenken bestehen: Während die auf das empty voting zielende Kritik v. a. das immense Interessenkonfliktpotential betrifft, beeinträchtigt der versteckte Beteiligungsaufbau die Informationseffizienz des Kapitalmarkts, was sich wiederum negativ auf dessen Allokationseffizienz sowie auf den Anlegerschutz auswirkt. Angesichts der Vielzahl der oben beschriebenen Beispielsfälle ist man verleitet zu glauben, dass das geltende Recht keine Instrumentarien zur Bekämpfung von empty voting und hidden (morphable) ownership bereithält bzw. eine Vielzahl von Schlupflöchern aufweist. Ob sich diese Vermutung bewahrheitet, wird das nun folgende vierte Kapitel zeigen. Eine Untersuchung der lex lata im Hinblick auf die gesetzliche Erfassung des new vote buying ist auch für eventuelle Vorschläge de lege ferenda von Bedeutung, denn eine Notwendigkeit zu weiterem gesetzgeberischem Handeln besteht nur insoweit, wie eine zufriedenstellende Lösung der Probleme mithilfe der lex lata scheitert. Da gegen das empty voting und gegen die hidden (morphable) ownership Bedenken aus völlig unterschiedlicher Warte bestehen, muss auch die rechtliche Bestandsaufnahme für beide Phänomene grundsätzlich getrennt erfolgen (B. zum empty voting, C. zur hidden (morphable) ownership). Ein Aspekt – das Fehlen von Transparenz – spielt indessen in beiden Fällen eine Rolle, wenngleich auch ihm im jeweiligen Kontext ein höchst unterschiedlicher Stellenwert zukommt: Beim Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften ist mangelnde Transparenz unverzichtbares Begriffsmerkmal und wie gezeigt1 der Ursprung allen Übels. Mit der Schaffung von Transparenz könnte man sich des Problems vollumfänglich entledigen, denn eine frühzeitige Offenlegung desjenigen Aktienanteils, auf den sich der Investor den rechtlichen oder faktischen Zugriff gesichert hat, hinderte diesen daran, aus einer zu Lasten der Aktionäre der Zielgesellschaft bestehenden Beeinträchtigung der Informationseffizienz des Marktes Kapital zu schlagen. Ob dieser erwünschte Zustand bereits durch die geltenden Beteiligungstransparenzvorschriften herbeige-
1
Siehe oben 3. Kapitel B. II.
212
4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
führt wird, ist Gegenstand vertiefter Untersuchung in diesem Kapitel (dazu C.).2 Die Bundesregierung ist offensichtlich der Auffassung, dass die lex lata keine Handhabe gegen das Anschleichen bietet, und hat im September 2010 einen Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vorgelegt, das insbesondere auch Änderungen der §§ 21 ff. WpHG vorsieht3. Für das Abstimmen ohne wirtschaftliches Risiko kann Transparenz hingegen nicht die Wirkung eines Allheilmittels entfalten, denn mangelnde Transparenz ist nur eines von vielen Bedenken gegen dieses Vorgehen.4 Zwar ermöglichte die Offenlegung der Höhe des Aktienanteils kombiniert mit einer Offenlegung des wirtschaftlichen Interesses und der Art und Weise der Erlangung der risikoentleerten Stimmrechte austrittswilligen Aktionären den alsbaldigen exit. Dennoch blieben sämtliche im dritten Kapitel gegen das empty voting vorgetragenen Bedenken unverändert bestehen: Eine Beteiligung der übrigen Aktionäre an der Entstehung risikoentleerter Stimmrechte nach dem Vorbild anderer Abweichungen vom „one share, one vote“-Grundsatz würde durch gesteigerte Transparenz nicht gewährleistet, und die durch das empty voting entstehenden Anreizverzerrungen und potentiellen Interessenkonflikte blieben unverändert bestehen. Eine gegen das empty voting gerichtete Maßnahme muss daher über eine bloße Offenlegung von empty voting-Positionen hinausgehen. Nichtsdestotrotz könnte Transparenz bei der Ergründung der Umstände dieses Phänomens behilflich sein und dem Gesetzgeber und der Wissenschaft die empirischen Daten liefern, deren Fehlen derzeit noch beklagt wird5.
2 Wie eingangs (siehe oben 1. Kapitel D.) bereits erwähnt, basiert die Untersuchung auf der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes. 3 Eingehend zu diesen Änderungen unten 5. Kapitel A. III. sowie 7. Kapitel A. I. 4 Ähnlich Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 463; European Commission, SEC(2009) 611, Annex 10 Rn. 10.23. Indes ist es vorstellbar, dass die Verpflichtung zur Offenlegung von empty voting-Positionen eine derart abschreckende Wirkung entfaltet, dass kein Investor das Stigma des „empty voter“ tragen möchte, vgl. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 886 (2006): „Even hedge funds may sometimes hesitate to do publicly what they might do in the dark.“; dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 684 (2008): „Disclosure may also deter some new vote buying: not everyone will do in the sunshine what they will do in the dark.“; skeptisch Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 251 f. (2008): „Their [Hu and Black’s, Anm. d. Verf.] disclosure regime only prevents empty voting to the extent that hedge funds and other investors are uncomfortable with their tactics being discovered in public. But hedge funds often lack the ,reputational risk‘ concerns that banks or other corporations have.“ 5 Siehe oben 3. Kapitel A.
B. Empty voting
213
B. Empty voting I. Einführung Sämtliche Aktionärsrechte einschließlich des Stimmrechts stehen im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft dem Darlehensnehmer bzw. dem Aktionär zu, der seine long position aus den Aktien mittels einer short position in Derivaten gehedgt hat. Das ist für die Erlangung des Stimmrechts im Wege des Wertpapierdarlehens ausführlich geschildert worden6 und bedarf für den Fall des Einsatzes von Derivaten keiner weiteren Erklärung, weil der Investor in einem ersten Schritt Aktien käuflich erworben hat und durch Erfüllung des Kaufvertrags Volleigentümer der Aktien geworden ist. Allerdings ist in Anbetracht der zahlreichen negativen Effekte des empty voting die Frage aufzuwerfen, ob das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten überhaupt rechtlich zulässig ist (dazu II.). Sollte man diese Frage negativ beantworten, stellt sich im Anschluss die nicht minder bedeutsame Frage, ob sich die Rechtsfolgen der Unzulässigkeit auch durchsetzen lassen oder ob es dafür nicht an der bereits erwähnten Transparenz mangelt. Welche kapitalmarktrechtlichen Transparenzvorschriften die Beteiligten zu beachten haben, ist daher Gegenstand des dritten Abschnitts.
II. Rechtliche Zulässigkeit Die Ausübung des Stimmrechts aus risikoentleerten Aktien muss sich an einer Vielzahl teils ausdrücklich normierter gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Tatbestände messen lassen. Dabei kann danach unterschieden werden, ob diese bereits den Aufbau der empty voting-Position mittels derivativer Finanzinstrumente, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufe untersagen (dazu 2.) oder ob sie „nur“ die Stimmrechtsausübung aus einer empty voting-Position adressieren (dazu 3.). 1. Grundsätzliche Zulässigkeit des Abstimmens bei positivem wirtschaftlichem Interesse Zunächst jedoch kann dem empty voting mit positivem Beteiligungsinteresse eine grundsätzliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Im Rahmen der Problemanalyse zum empty voting ist festgestellt worden, dass man zwischen schwerwiegenden und weniger schwerwiegenden Fällen des empty voting unterscheiden muss7: Trägt der stimmberechtigte Aktionär das wirtschaftliche Risiko seiner Beteiligung nur noch teilweise, sind seine Stimmanreize zwar verzerrt, ein Interessenkonflikt liegt in seiner Person jedoch üblicherweise nicht vor. Diese Fälle 6 Sofern sich nicht der Darlehensgeber vertraglich den Einfluss auf die Stimmrechtsausübung sichert, siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b). 7 Eingehend siehe oben 3. Kapitel A. II. 2. b), c) und d).
214
4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
des lediglich verringerten wirtschaftlichen Risikos können unter Effizienzgesichtspunkten sogar durchaus erwünscht sein, wenn man sich das Beispiel eines Aktionärs in Erinnerung ruft, der seine Stimmrechtsmacht durch den darlehensweisen Erwerb weiterer Stimmrechte verstärkt.8 Die Ausübung des Stimmrechts aus einer Beteiligung, der insgesamt ein positives wirtschaftliches Interesse anhaftet, ist daher grundsätzlich zulässig.9 Etwas anderes gilt im Einzelfall dann, wenn trotz des positiven wirtschaftlichen Interesses ein Interessenkonflikt in der Person des empty voter gegeben ist. Die bereits hier vorgenommene Feststellung der grundsätzlichen rechtlichen Unbedenklichkeit des empty voting mit positivem wirtschaftlichem Interesse bedeutet indes nicht, dass nicht im jeweiligen Kontext Ausführungen auch zu dieser Fallgruppe des empty voting angebracht sind, um gewisse Aspekte besser herausarbeiten zu können. Sofern nicht explizit ein anderweitiges Verständnis kenntlich gemacht wird, sind mit „empty voting“ im Folgenden allerdings nur die schwerwiegenden Fälle eines neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses gemeint. 2. Unzulässigkeit des Aufbaus einer empty voting-Position Wie angedeutet könnte bereits der Aufbau einer empty voting-Position rechtlich unzulässig sein. Als mögliche spezialgesetzliche Verbotstatbestände kommen das Abspaltungsverbot (dazu a), das Verbot des Stimmenkaufs aus § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG (dazu b) sowie das Insiderhandelsverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (dazu c) in Betracht.
8
Siehe dazu schon oben 3. Kapitel A. III. 3. a). A.A. Mittermeier, der nur die Fälle des negativen wirtschaftlichen Interesses als Extremfälle ansieht, vgl. S. 157 („Theoretisch wären die folgenden Vorschriften [§§ 20a, 12 ff., 21 ff. WpHG, Anm. d. Verf.] auch in einigen Fällen der risikoentleerten Stimmrechte anwendbar. Allerdings besteht in diesen Konstellationen kein Anreiz, losgelöst vom gemeinsamen Interesse an Wertmaximierung abzustimmen, so dass hier eine Beschränkung auf die Konstellationen des gegenläufigen Investments erfolgt.“), 335 („Nach der momentanen Rechtslage kommt eine Einschränkung der Ausübung risikoentleerter Stimmrechte, allein aufgrund der Tatsache der Risikoentleerung, nicht in Betracht.“); Ostler, S. 220 ff., der die Stimmabgabe schon bei weit überwiegend aufgehobenem Beteiligungsinteresse für unzulässig hält und bei der Festlegung der (Un-)Zulässigkeitsschwelle danach differenziert, ob der Aktionär das Beteiligungsinteresse bei sämtlichen Aktien teilweise oder bei einem Teil der Aktien gänzlich aufhebt. Abgesehen davon, dass die Anwendung dieser Differenzierung zumindest in der Praxis der Derivatgeschäfte Schwierigkeiten bereiten dürfte, führt das zu skurrilen Ergebnissen: Hebt der Aktionär beispielsweise sein Beteiligungsinteresse an 1.000 Aktien durch hedging-Geschäfte auf alle Einzelaktien zu einem nur geringen Teil (z. B. 10 %) auf, darf er das Stimmrecht aus 1.000 Aktien ausüben. Entledigt sich der Aktionär des wirtschaftlichen Risikos aus 100 Aktien (10 % seiner Beteiligung) komplett, aus den anderen 900 gar nicht, soll ihm die Ausübung des Stimmrechts aus den erstgenannten Aktien verwehrt sein, und das, obwohl das vom Aktionär letztlich übernommene wirtschaftliche Risiko identisch ist (90 %). 9
B. Empty voting
215
a) Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (§ 717 S. 1 BGB) aa) Allgemeines Die Berechtigung des Aktionärs zur Abstimmung auf der Hauptversammlung ist eine aus der Mitgliedschaft fließende, zwingend mit dieser verbundene und von dieser nicht abspaltbare Befugnis; nach dem Rechtsgedanken des § 717 S. 1 BGB ist es nicht möglich, Stimmrechte zu schaffen, die von der Mitgliedschaft losgelöst sind, oder das Stimmrecht losgelöst von der Mitgliedschaft zu übertragen (kein Stimmrecht ohne Aktie). Dieses sog. Abspaltungsverbot ist im Gesellschaftsrecht allgemein anerkannt und findet seine Berechtigung in der Annahme, dass eine Übertragung von Mitgliedschaftsrechten auf gesellschaftsfremde Dritte die Autonomie der Willensbildung und die Selbststeuerung in der Gesellschaft beeinträchtigen würde. Die Willensbildung in der Gesellschaft soll selbstgesteuert und nicht fremdgesteuert erfolgen, damit die Richtigkeit der kollektiven Willensbildung gewährleistet bleibt.10 Gegen das Abspaltungsverbot verstoßende Vereinbarungen sind nichtig.11 Man könnte somit auch eine Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen annehmen, welche die Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit zum Gegenstand haben. bb) Anwendung auf das empty voting Der Aktionär als residual claimant verfügt über die richtigen Anreize im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung.12 Die Anreize des empty voter hingegen sind verzerrt: Er trägt kein seinem Stimmgewicht entsprechendes wirtschaftliches Risiko. Die Richtigkeit der Willensbildung in der Gesellschaft wird davon so lange nicht berührt, wie der empty voter ein positives wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung hat. Er ist zwar nicht in gleichem Maße an unternehmenswertsteigernden Hauptversammlungsbeschlüssen interessiert wie seine Mitaktionäre, Interessenkonflikte bestehen jedoch nicht. Insoweit besteht für eine Aktivierung des Abspaltungsverbots keine Notwendigkeit. Anders liegt es jedoch, wenn der Aktionär sich des wirtschaftlichen Risikos vollständig entledigt oder sogar ein negatives wirtschaftliches Interesse aufbaut. In diesen Fällen konfligieren seine finanziellen Interessen mit denen seiner Mitaktionäre, so dass die Richtigkeit der verbandsinternen Willensbildung gefährdet ist.
10 Eingehend Westermann, S. 382 ff.; Wiedemann, S. 276 ff.; siehe auch Mittermeier, S. 57 ff.; Ostler, S. 118 ff.; Überblick m.w.N. bei MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, § 14 Rn. 119; K. Schmidt, § 19 III 4, S. 560 f. 11 Für Nichtigkeit gemäß § 134 BGB Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 616; Wachter/ Franz, § 8 Rn. 24; Bamberger/Roth/Schöne, § 717 Rn. 6; die Nichtigkeit auf die mit der Gesellschafterstellung unvereinbare Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten stützend BGHZ 3, 354, 357 (zur OHG); MünchKommBGB/C. Schäfer, § 717 Rn. 7. 12 Eingehend oben 3. Kapitel A. II. 1. a) aa).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Wenngleich damit das Abspaltungsverbot zwar von seiner ratio her auf die gravierenden Fälle des empty voting passen mag, liegen doch seine Voraussetzungen nicht vor13: Der Aufbau einer empty voting-Position erfolgt nicht durch eine isolierte Übertragung des Stimmrechts, so dass dieses einer anderen Person zuzuordnen wäre als die restlichen sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Pflichten. Vielmehr stehen dem empty voter als Aktionär der Gesellschaft auf der einen Seite sämtliche Rechte inklusive des Stimmrechts zu, und er hat auf der anderen Seite sämtliche Aktionärspflichten zu beachten. Er begibt sich lediglich durch geschickte Vertragsgestaltung des mit der Mitgliedschaft normalerweise einhergehenden wirtschaftlichen Risikos eines Kursverlusts. Es wird somit durch das empty voting ein Zustand herbeigeführt, den zu verbieten das Abspaltungsverbot nicht geeignet ist. b) Verstoß gegen das Verbot des Stimmenkaufs (§ 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG) In Anbetracht der Titulierung der Phänomene des empty voting und der hidden ownership als „new vote buying“ erscheint der Gedanke, die Abgabe des wirtschaftlichen Risikos aus Aktien durch derivative Finanzinstrumente bzw. der darlehensweise Erwerb von Aktien zum Zwecke des empty voting verstoße gegen das Verbot des Stimmenkaufs, durchaus naheliegend.14 aa) Allgemeines In Deutschland existiert mit dem Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG eine ausdrückliche Regelung des Verbots des Stimmenkaufs, wonach ordnungswidrig handelt, wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme. Mit seiner Hilfe soll – wie mit allen Tatbeständen des § 405 Abs. 3 AktG – die Hauptversammlung vor illegalen Einflussnahmen bewahrt und die unverfälschte Meinungsbildung in der Hauptversammlung geschützt werden.15 Ein Aktionär, der sich einen solchen Vorteil versprechen lässt oder ihn sogar annimmt, wird sich bei der Ausübung des Stimmrechts 13 So auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 216; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1173; Mittermeier, S. 107, 235; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 45; Ostler, S. 152 ff.; Seibt, ZGR 2010, 795, 798, 814 f.; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609; wohl auch Wentrup, S. 157; unentschlossen Langenbucher, § 6 Rn. 181: „harrt noch vertiefter wissenschaftlicher Untersuchung“. 14 Siehe auch Claussen, 3. Aufl., § 9 Rn. 209, der aufbauend auf der Annahme, der Darlehensgeber sei zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt (dagegen ausführlich oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb)), einen nach § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG unzulässigen Stimmrechtskauf des Darlehensgebers erwägt. 15 Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 36; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 407 f.; Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 40; K. Schmidt/Lutter/Oetker, § 405 Rn. 6; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 60; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 166.
B. Empty voting
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nicht vom Interesse der Gesellschaft, sondern allein vom versprochenen oder gewährten Vorteil leiten lassen.16 Da § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt17, ist die Vereinbarung, die einen Stimmenkauf zum Gegenstand hat, nichtig im Sinne dieser Vorschrift. Das Nichtigkeitsverdikt könnte auch Vereinbarungen erfassen, welche die Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit zum Gegenstand haben. bb) Anwendung auf das empty voting Auch der Tatbestand des Stimmenkaufs scheint von seiner ratio her zumindest auf die extremen Fälle des empty voting zu passen, in denen der Stimmrechtsinhaber ein negatives oder neutrales wirtschaftliches Gesamtinteresse aufweist: Sofern sich der Aktionär die Aktien ausschließlich im Wege des Wertpapierdarlehens verschafft oder die Aktienposition vollständig durch den Erwerb derivativer Finanzinstrumente ausgeglichen hat bzw. einen Teil der darlehensweise erworbenen Aktien leer verkauft oder eine die Aktienposition übersteigende Derivatposition aufgebaut hat, liegt der Stimmabgabe des empty voter das Motiv der Erlangung privater Sondervorteile bzw. der Herbeiführung einer negativen Kursentwicklung, jeweils zu Lasten der übrigen Aktionäre, zugrunde.18 Er lässt sich also – und insofern scheint § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG einschlägig zu sein – gerade nicht vom Gesellschaftsinteresse, sondern von fremden Motiven leiten. Die weniger gravierenden Fälle des empty voting, in denen lediglich eine Anreizverzerrung, nicht aber ein Interessenkonflikt vorliegt, werden von der ratio der Norm hingegen nicht erfasst: Solange aus der Beteiligung des Aktionärs insgesamt ein positives wirtschaftliches Interesse resultiert, wird er sich grundsätzlich vom Gesellschaftsinteresse und nicht von fremden Motiven leiten lassen. Fraglich ist jedoch auch hier, ob die Voraussetzungen der Norm überhaupt vorliegen: Täter der Zuwiderhandlung kann jedermann sein (Allgemeindelikt)19, demnach auch der Aktionär. Auch könnte man die sich aus dem Abstimmungsverhalten des empty voter für ihn ergebenden Sondervorteile unter den Begriff des „besonderen Vorteils“ i.S.d. § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG fassen: Dieser kann in jeder Leistung materieller oder immaterieller Art bestehen20, auf die der Täter keinen 16 Vgl. KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl., § 405 Rn. 129; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 60. 17 So auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 615 f., der berechtigterweise sämtliche Tatbestände des § 405 Abs. 3 AktG als Verbotsgesetze ansieht; Wilhelm, Rn. 1186; a.A. Schneider/ Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1417, die in den Tatbeständen des § 405 Abs. 3 AktG offensichtlich bloße Ordnungsvorschriften sehen. 18 Siehe ausführlich oben 3. Kapitel A. II. 2. b) cc) und A. II. 2. c) cc). 19 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 55; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 72; Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 41; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 164. 20 Nach h.M. ist der Begriff des „besonderen Vorteils“ weit auszulegen, vgl. KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56, 47; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 65; GroßkommAktG/
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Anspruch hat, sofern es sich dabei um eine Sondervergünstigung handelt, die allein ihm und nicht allen Aktionären gleichermaßen zukommt21. Das ist in den Konstellationen des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses grundsätzlich der Fall. Allerdings verlangt der Stimmenkauf, dass der Stimmenkäufer dem Stimmenverkäufer einen Vorteil dafür gewährt, dass letzterer in einem bestimmten Sinne abstimme. Beim Stimmenkauf besitzt der Stimmenkäufer also grundsätzlich weder Aktien noch das Stimmrecht, beeinflusst durch das Anbieten oder Gewähren eines Vorteils jedoch die Stimmrechtsausübung durch den Stimmenverkäufer. Der Stimmenverkäufer übt die ihm aus den Aktien zustehenden Stimmrechte im Interesse des Stimmenkäufers aus. Stimmenkäufer und Abstimmender müssen also personenverschieden sein. Beim empty voting hingegen ist der empty voter, der potentiell als Stimmenkäufer in Betracht käme, Aktionär und Inhaber der Stimmrechte zugleich, und er übt die Stimmrechte nach seinen eigenen Interessen aus. Letzteres gilt im Falle des Abschlusses von Derivatgeschäften stets und im Falle eines Wertpapierdarlehens jedenfalls in der Regel. Die Gegenpartei des Derivatgeschäfts hat nie und der Darlehensgeber zumindest regelmäßig keinen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung des Aktionärs.22 Die Entkopplung des Stimmrechts vom Residualrisiko mittels der modernen Finanzalchimie wird – gleich in welcher Konstellation – vom Verbot des Stimmenkaufs aus § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG im Ergebnis also nicht erfasst.23 Dieses Ergebnis lässt sich mithilfe eines rechtsvergleichenden Arguments zusätzlich untermauern. In der US-amerikanischen Literatur24 wird die Frage, ob das Phänomen des empty voting von der gegenwärtigen vote buying-Doktrin25 erfasst Otto, § 405 Rn. 79 f.; Bürgers/Körber/Pelz, § 405 Rn. 12; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 149; a.A. noch KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl., § 405 Rn. 143. 21 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 65; Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 48; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 82; Bürgers/Körber/ Pelz, § 405 Rn. 12; auch diesbezüglich a.A. KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl., § 405 Rn. 145. 22 Gleichsinnig im Zusammenhang mit dem Wertpapierdarlehen Dörge, AG 1997, 396, 400 mit Fn. 39; Kort, DB 2006, 1546, 1547; K. Schmidt/Lutter/Schnorbus, § 327 f Rn. 14 mit Fn. 32 („§ 405 Abs. 3 (Stimmkauf) ist beim Aktiendarlehen jedenfalls nicht erfüllt; […].“); ausführlich dazu siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c) und B. III. 3. b) bb) (2). 23 So auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1173; Ostler, S. 159 f.; Theusinger/ Möritz, NZG 2010, 607, 609; zur Diskussion vgl. auch Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 464 ff. 24 Für die Schweiz siehe auch Tschäni/Watter/Hinsen, S. 34 f. 25 Lange Zeit sahen der Supreme Court und die Instanzgerichte des US-Bundesstaates Delaware das vote buying als per se unrechtmäßig an, vgl. die grundlegende Entscheidung Louis E. Macht vs. Merchants Mortgage and Credit Company et al., 194 A. 19, 22 (Del. Ch. 1937): „To allow voting rights that are bought to be exercised is against public policy, and would be in fraud of the other stockholders.“ In einem bahnbrechenden Urteil aus dem Jahre 1982 rückte die Rechtsprechung ein Stück weit von dieser harten Linie ab: „Thus, under our present law, an agreement involving the transfer of stock voting rights without the transfer of ownership is not necessarily illegal and each agreement must be examined in light of its object or purpose. To hold otherwise would be to exalt form over substance. […] more than the mere form of an agreement relating to voting must be considered and voting agreements in whatever form, therefore, should not be considered to be illegal per se unless the object or purpose is to defraud or in some way disenfranchise the other stockholders. This is not to say, however, that
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wird, mit ähnlichen Erwägungen wie den obigen ganz überwiegend verneint.26 Zunächst – darauf wird im ersten terminologischen Zugriff hingewiesen – gehe es beim Stimmrechtskauf um einen Verkäufer, der das Stimmrecht an einen Käufer überträgt. Im Falle des Aufbaus einer empty voting-Position hingegen würden keine Stimmen ge- bzw. verkauft.27 Zweitens lasse sich der Aufbau einer empty votingPosition kaum unter die Definition des vote buying fassen. Nach der Rechtsprechung der Gerichte des US-Bundesstaates Delaware ist das vote buying „a voting agreement supported by consideration personal to the stockholder, whereby the stockholder divorces his discretionary voting power and votes as directed by the offeror“28. Keine diese Voraussetzungen sei im Falle des empty voting gegeben, insbesondere sei der empty voter in seiner Stimmrechtsausübung nicht an die Weisung eines anderen gebunden.29 Drittens behandele die vote buying-Doktrin die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Stimmrechtsvereinbarung unrechtmäßig und daher nichtig sein kann. Was jedoch solle an den zum Aufbau einer empty voting-Position erforderlichen Vorgängen unrechtmäßig sein? Weder der Erwerb von Aktien noch der Abschluss eines Derivatgeschäfts sei mit einem Makel behaftet, der eines dieser Geschäfte als unrechtmäßig erscheinen ließe; bei beiden Geschäften handele es sich
vote-buying accomplished for some laudible purpose is automatically free from challenge. Because vote-buying is so easily susceptible of abuse it must be viewed as a voidable transaction subject to a test of intrinsic fairness.“, vgl. Schreiber v. Carney, 447 A.2d 17, 25 f. (Del. Ch. 1982). 26 So Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 861 f. (2006): „In general, the vote buying cases are unlikely to reach new vote buying without a major change in current doctrine. […] The new vote buying falls outside this definition.“; dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 640 f. (2008); Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1076 (2007): „While Perry’s actions functionally appear to be a form of ,vote buying‘, legally they do not seem to fall within the existing legal framework.“; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 202 ff. (2006); ferner Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 164 f. (2009): „In the wake of Schreiber, many commentators saw the law as having pulled back from substantive regulation of vote buying and similar constraints that limited separation of voting and economic interests. The case law does not seem to support such a broad conclusion. Schreiber occurred in a context where the asserted agreement was fully disclosed and approved by disinterested shareholders. Moreover, the vote buying agreement was a means to better align the financial interests of the shareholders with that of the corporation.“; siehe auch Cunningham, 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 322 ff. (2008), der de lege ferenda vorschlägt, die vote buying doctrine auf das empty voting anzuwenden; a.A. Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 952 f. (2010); Katz, 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1513 (2006), der die vote buying-Doktrin zwar für anwendbar hält, einen Betrug gegenüber den Mitaktionären aber ebenso verneint wie eine Entrechtung der Aktionäre; Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 887 f. mit dem Hinweis auf die funktionale Vergleichbarkeit der Konstellationen und eine anderenfalls bestehende Umgehungsgefahr; ausführlich zum vote buying in der US-amerikanischen Diskussion Mittermeier, S. 252 ff. 27 Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 862 (2006); dies., J. Corp. Fin. 13 (2007) 343, 358; Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 202 (2006). 28 Vgl. Schreiber v. Carney, 447 A.2d 17, 23 (Del. Ch. 1982). 29 Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 202 (2006).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
um gewöhnliche, täglich abertausende Male vorkommende Transaktionen.30 Allerdings sei abschließend darauf hingewiesen, dass sich der Court of Chancery of Delaware jüngst für eine Erfassung des empty voting durch die vote buying-Doktrin ausgesprochen hat.31 c) Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) Wenngleich es nicht unmittelbar ins Auge springen mag, das Insiderhandelsverbot zur Erfassung des empty voting zu bemühen, überrascht es doch, dass in den ohnehin nur spärlich vorhandenen Beiträgen zum Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten die insiderrechtlichen Schranken dieses Vorgehens kaum einmal untersucht werden.32 Überraschend ist dies insofern, als der spätere empty voter weder im Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien des zu beeinflussenden Unternehmens (entweder im Wege des Aktienkaufs oder im Wege des Wertpapierdarlehens) noch im Zeitpunkt des Abschlusses der Derivatgeschäfte seine Absicht offen legt, auf der nächsten Hauptversammlung ohne wirtschaftliches Interesse oder sogar mit negativem Interesse abzustimmen. Dadurch könnte er gegen den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßen, der es verbietet, unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene Rechnung zu erwerben oder zu veräußern. aa) Absicht zum empty voting als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) Dann müsste die Absicht, das Stimmrecht aus einer risikoentleerten Beteiligung auszuüben, eine Insiderinformation i.S.d. § 13 Abs. 1 WpHG darstellen.33 (1) Innere Tatsachen als Insiderinformation (a) Absicht zum empty voting (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG) Nach § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. 30 Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 862 (2006); Monga, 12 Stan. J. L. Bus. & Fin. 186, 202 f. (2006). 31 Vgl. Kurz v. Holbrook, 989 A.2d 140, 177 (Del. Ch. 2010): „I regard the concept of vote buying as broad enough to encompass these practices [techniques by which voting rights can be manipulated, Anm. d. Verf.]. When they prove deleterious to stockholder voting, this Court can and should provide a remedy.“; zu diesem Urteil siehe auch Mittermeier, S. 258 ff. 32 Siehe aber nunmehr Mittermeier, S. 161 ff.; Ostler, S. 225 ff.; zuvor schon Engert, ZIP 2006, 2105, 2108 ff.; sehr knapp Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 479 f.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 219; Leyens, JZ 2007, 1061, 1070. 33 Ähnliche Anknüpfung bei Mittermeier, S. 162.
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In der insiderrechtlichen Literatur besteht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass Absichten und Pläne unter den Begriff des Umstands fallen und somit eine Insiderinformation darstellen.34 Für ein derartiges weites Verständnis des Umstandsbegriffs streitet in erster Linie ein historisches Argument: Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)35 sind die §§ 12 ff. WpHG grundlegend umgestaltet worden. Insbesondere wurde der Begriff der Insidertatsache in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. durch denjenigen des Umstands ersetzt. Nach der zutreffenden Ansicht des Gesetzgebers36 geht der Begriff des Umstands über den bisherigen Begriff der Tatsache hinaus, so dass der Tatbestand der Insiderinformation durch das AnSVG eine Erweiterung erfahren hat37 und neben Werturteilen und Prognosen38 auch Pläne, Absichten und Vorhaben erfasst. Das von nahezu allen Vertretern dieser Ansicht aufgestellte Erfordernis der Überprüfbarkeit (des Werturteils, der Prognose, der Absicht oder des Plans), das zum Ausdruck bringen soll, dass sich der betreffende Umstand in der Umwelt manifestiert haben muss39 (z. B. in einem Schriftstück oder in einer mündlichen Erklärung), ist allerdings abzulehnen40 : Dieses hätte erstens zur Folge, dass Absichten, die (noch) nicht der äußeren Wahrnehmung zugänglich sind und (bisher) nur als innere Ab34 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.1.1, S. 33; Engert, ZIP 2006, 2105, 2109; K. Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 10; BeckHdbAG/Göckeler, § 26 Rn. 205; KölnKommWpHG/Klöhn, § 13 Rn. 67; Langenbucher, § 15 Rn. 24; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Lösler, HdbKapInfo, § 2 Rn. 28; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 57; Assmann/Schütze/ Sethe, § 12 Rn. 33. 35 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28. Oktober 2004, BGBl. I 2004, S. 2630. 36 Vgl. Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 37 So auch die ganz h.M., vgl. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931; Foelsch, BKR 2007, 94, 96 f.; Langenbucher, § 15 Rn. 19; Spindler, NJW 2004, 3449, 3450; Ziemons, NZG 2004, 537, 538; in diese Richtung auch Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 4: „[…] so weist die Definition des Begriffs der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG doch einige Unterschiede zu dem der Insidertatsache nach § 13 Abs. 1 WpHG a.F. auf, die eher zu einer Erweiterung als zu einer Verengung der Reichweite des Insiderhandelsverbots führen.“; mit leichter Einschränkung Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 15. 38 Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33; Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 22, 27; Bürgers, BKR 2004, 424; Foelsch, BKR 2007, 94, 97; Fuchs/Mennicke/ Jakovou, § 13 Rn. 41; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 13; Spindler, NJW 2004, 3449, 3450; Ziemons, NZG 2004, 537, 538. 39 Vgl. F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 18; Schwark/Zimmer/ Schwark/Kruse, § 13 WpHG Rn. 15, 17; siehe auch Bürgers, BKR 2004, 424; Langenbucher, § 15 Rn. 24; ähnlich Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 83, der anderenfalls das Vorliegen einer „konkreten“ Information verneint. 40 So auch Schröder, Rn. 149; Lenenbach, Rn. 13.115; nicht eindeutig, aber wohl ebenso Engert, ZIP 2006, 2105, 2109, nach dem „[…] auch vorhandene Absichten und Pläne ohne weiteres „Umstände“ und damit möglicher Gegenstand von Insiderinformationen [sind].“ (Hervorhebung durch den Verfasser); K. Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 10 f.; Schneider/ Burgard, ZIP 1999, 381, 386, die keine derartige Voraussetzung statuieren; Vaupel/Uhl, WM 2003, 2126, 2127; Volk, BB 1999, 66, 67.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
sichten existieren, aus dem Begriff der Insiderinformation und damit aus dem Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG herausfielen. Sofern nur die Verwirklichung der Absicht hinreichend wahrscheinlich ist und daher eine „konkrete Information“ vorliegt41, leuchtet es jedoch nicht ein, für die Erfassung dieser Absicht vom Begriff des Umstands danach zu unterscheiden, ob es sich um eine innere oder äußere Absicht handelt. Gegen die Erfassung auch innerer Absichten könnte man sicherlich anführen, diese ließen sich im Strafprozess nur schwer nachweisen. Dem ist indes entgegenzuhalten, dass sich die Gerichte erst dann mit den Vorgängen rund um das in Rede stehende Ereignis werden befassen müssen, wenn das Ereignis auch tatsächlich eingetreten ist. Dann dürfte sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung der entsprechenden Absicht im fraglichen Zeitpunkt aber in der Regel anhand von Indizien beweisen lassen, die den Geschehnissen entnommen werden können.42 Schließlich bedeutete das Erfordernis der Überprüfbarkeit im Ergebnis nichts anderes als die Forderung eines Drittbezugs der Information43: Indes bedarf es für den Begriff der Insiderinformation eines solchen Drittbezugs nicht44, ganz abgesehen davon, dass ein solcher auch gar nicht gegeben wäre, solange sich eine Absicht nicht in irgendeiner Form in der Umwelt manifestiert. Mithin können auch innere Absichten und Pläne eine Insiderinformation darstellen. (b) Empty voting als zukünftiger Umstand (§ 13 Abs. 1 S. 3 WpHG) Sofern man dies mit der h.M. anders sieht, bleibt gleichwohl die Möglichkeit der Erfassung des beabsichtigten empty voting über § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG.45 Danach gelten als Umstände im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. In diesem Fall wäre also nicht die Absicht des empty voter auf ihre Eigenschaft als Insiderinformation hin zu untersuchen, sondern das empty voting selbst als in der Zukunft liegender Umstand. Das zukünftige Ereignis stellt 41 Siehe auch den in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96/16) enthaltenen Begriff der „präzisen Information“ und dessen Definition in Art. 1 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339/70). Näher dazu und zu den Voraussetzungen der Konkretheit der Information Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 6 ff.; BuB/Hammen, Rn. 7/710; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 24 ff. 42 Siehe auch – wenngleich in anderem Kontext – Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 618; Gesell, S. 129. 43 Zum Bestehen eines Zusammenhangs zwischen dem Erfordernis der Überprüfbarkeit der Absicht und dem Erfordernis eines Drittbezugs der Information siehe Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 82 f. 44 Eingehend dazu unten 4. Kapitel B. II. 2. c) aa) (2). 45 Zu den verschiedenen Anknüpfungspunkten für die Subsumtion unter § 13 Abs. 1 WpHG bei Plänen, Vorhaben und Absichten siehe auch KölnKommWpHG/Klöhn, § 13 Rn. 67.
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allerdings nur dann eine konkrete Information über einen Umstand dar, wenn das Ereignis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch eintreten wird.46 Im Zusammenhang mit Absichten ist dies dann der Fall, wenn diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in die Tat umgesetzt werden wird. Wie bei § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG macht die Existenz einer Absicht oder eines Vorhabens allein das in Aussicht genommene zukünftige Ereignis somit noch nicht zu einer konkreten Information.47 (c) Konvergenz der Ansätze Kommt es somit jedoch für beide Ansätze letztlich darauf an, ob die Umsetzung der Absicht hinreichend wahrscheinlich ist, verwundert es nicht, dass sie hinsichtlich des empty voting zum gleichen Ergebnis führen: Verfolgt man den ersten Ansatz, kann man die Absicht zum empty voting als solche bereits als Insiderinformation einordnen, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in irgendeiner Form in der Umwelt manifestiert. Für die Annahme der Konkretheit der Information ist allerdings zu fordern, dass die Verwirklichung der Absicht hinreichend wahrscheinlich ist. Nach der auf § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG rekurrierenden herrschenden Ansicht muss die Absicht zum empty voting hinreichend verfestigt sein, so dass man den hinreichend wahrscheinlichen zukünftigen Umstand des empty voting als Insiderinformation qualifizieren kann. Selbstverständlich müssen nach beiden Ansätzen die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 WpHG gegeben sein, insbesondere also die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung.48 In den hier geschilderten Fällen dürften diese Voraussetzungen vorgelegen haben: Das erhebliche Kursbeeinflussungspotential ergab sich insbesondere in den Fällen Mylan/King49 und Laxey Partners/British Land50 bereits aus der Größe des erworbenen Aktienanteils51, im Fall Henderson Land/Henderson Investment52 aus dem besonderen Einflusspotential, das wegen der besonderen rechtlichen Lage auch ein Kleinaktionär erlangen konnte. Für die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Planverwirklichung bzw. des Umstandseintritts sprach insbesondere das finanzielle Volumen der Geschäfte: Sofern das empty voting mithilfe des Einsatzes von Derivaten erfolgen sollte, musste der Investor zunächst einmal die zum Erwerb der Aktien erforderlichen Mittel aufbringen und im Anschluss daran Derivatgeschäfte abschließen, die wiederum mit Kosten in Form von Gebühren verbunden waren. Sofern 46 Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 22, 27; Buck-Heeb, Rn. 245; Engert, ZIP 2006, 2105, 2109; Langenbucher, § 15 Rn. 25; Habersack/Mülbert/Schlitt/Lösler, HdbKapInfo, § 2 Rn. 29; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 57, 61. 47 Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 22, 27. 48 Vgl. dazu auch Mittermeier, S. 165 ff. 49 Zu diesem siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. c) aa). 50 Zu diesem siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. c) aa). 51 Weniger eindeutig der Axa/Mony-Fall, wo es eine Vielzahl von Aktionären mit kleineren Beteiligungen gab, so dass das empty voting durch den einzelnen Aktionär wohl kein erhebliches Preisbeeinflussungspotential gehabt hätte. 52 Zu diesem siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. c) bb).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
ein empty voting unter Zuhilfenahme von Wertpapierdarlehen geplant war, musste zwar nicht der komplette Kaufpreis, sondern nur eine Darlehensgebühr aufgebracht werden. Die hohen Sicherheitsleistungen erforderten jedoch eine Finanzkraft des Investors, die der Situation beim Aktienkauf entspricht53. Für den Investor machten all diese Aufwendungen nur dann Sinn, wenn sie durch die Erlangung privater Sondervorteile aus seinem Stimmverhalten überkompensiert werden konnten, er also mittels seiner Stimmkraft ein Ergebnis herbeizuführen vermochte, das ihn für seinen finanziellen Aufwand mehr als entschädigte. Insofern bestand durchaus ein finanzieller Zwang, das Stimmrecht aus den risikoentleerten Aktien auch tatsächlich auszuüben. Anhand dieser starken Indizien ließe sich auch in einem Prozess um die Strafbarkeit des Verhaltens nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Absichtsverwirklichung bzw. des Umstandseintritts beweisen. Im Falle des empty voting liegt eine Insiderinformation daher zumeist bereits im Zeitpunkt des Aktienerwerbs durch den Investor vor. (2) Problem der selbst geschaffenen Information Indes ist fraglich, ob die Absicht zum empty voting eine Insiderinformation auch für den empty voter selbst darstellt. Nach verbreiteter Ansicht werden vom Begriff der Insiderinformation von vornherein nur Informationen mit Drittbezug erfasst.54 Eine von einer Person selbst geschaffene Information – z. B. im Falle des scalping55 der Erwerb von Aktien in der Absicht, sie anschließend anderen zum Kauf zu empfehlen – könne für sie keine Insiderinformation darstellen, weil damit kein informationstypischer Wissenstransfer einhergehe.56 Dieser Ansicht hat sich auch der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 2003, dem eine scalping-Konstellation zugrunde lag, angeschlossen und ausgeführt, die Annahme, beim scalping sei das Wissen des Täters, dass er die selbst erworbenen Aktien anschließend empfehle, eine Insidertatsache, trage dem europarechtlichen Hintergrund der Insidervorschriften nicht hinreichend Rechnung.57 Auch sei es dem allgemeinen Sprachgebrauch fremd, den Begriff der Information in dem Sinne zu verwenden, dass eine Person sich über einen von ihr selbst gefassten Gedanken informiert.58 Das scalping sei daher nicht als 53
Vgl. dazu oben 2. Kapitel A. II. 2. b) cc) (3). Buck-Heeb, nach Rn. 298 Fall 3; Eichelberger, WM 2003, 2121, 2122 ff.; Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 82 f.; Langenbucher, § 15 Rn. 39-40; Leyens, JZ 2007, 1061, 1070; Assmann/Schütze/Sethe, § 12 Rn. 31; ders., ZBB 2006, 243, 247 f.; M. Weber, NJW 2000, 562, 563; trotz erheblicher Bedenken auch F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 20 ff.; siehe auch die interessanten Ausführungen von Schröder, Rn. 144 ff.; zum Streitstand vgl. KölnKommWpHG/Klöhn, § 13 Rn. 14 ff. 55 Näher dazu KölnKommWpHG/Stoll, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 24 ff.; Schneider/ Burgard, ZIP 1999, 381; Assmann/Schneider/Vogel, § 20a Rn. 235 ff. 56 Langenbucher, 1. Aufl., § 15 Rn. 39. 57 BGHSt 48, 373, 377 f. 58 BGHSt 48, 374, 378; so auch Buck-Heeb, nach Rn. 298 Fall 3; Eichelberger, WM 2003, 2121, 2123; vgl. auch KölnKommWpHG/Klöhn, § 13 Rn. 15. 54
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Insiderverstoß, sondern ausschließlich als Marktmanipulation (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG) zu würdigen.59 Diese Ansicht müsste hinsichtlich des Erwerbs von Aktien in der festen Absicht, diese zu einem empty voting einzusetzen, bereits das Vorliegen einer Insiderinformation verneinen. Die einen Drittbezug fordernde Auffassung erscheint schon im Ansatz nicht einleuchtend, da die Frage, ob eine Absicht eine Insidertatsache darstellt oder nicht, nicht davon abhängig gemacht werden kann, wer von dieser Absicht Kenntnis hat.60 Sofern der BGH und auch andere Vertreter der Gegenansicht auf den europarechtlichen Hintergrund der §§ 12 ff. WpHG zu sprechen kommen, argumentieren sie v. a. mit dem Begriff der „Insider-Information“ in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie61, übersehen aber deren Erwägungsgrund 30, der wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die Absicht zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten eine Insiderinformation darstellt. Denn wenn dort zu lesen ist, dass dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten notwendigerweise eine entsprechende Entscheidung der erwerbenden oder veräußernden Person vorausgehen muss und daher die Tatsache des Erwerbs oder der Veräußerung nicht als Verwendung von Insiderinformationen gelten soll62, setzt dies voraus, dass die Absicht zum Erwerb zunächst einmal eine Insiderinformation darstellt, bei Umsetzung des eigenen Entschlusses diese allerdings nicht verwendet wird, also die Tathandlung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht erfüllt ist.63 Im Übrigen ist die Schlussfolgerung, das in Art. 1 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG definierte Merkmal der präzisen Information64 schließe eine selbst geschaffene Information aus, zumindest nicht zwingend.65 Zudem – und das muss auch die Gegenansicht einge-
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Der Entscheidung des BGH i.E. zustimmend Ekkenga, ZIP 2004, 781, 782; Fleischer, DB 2004, 51, 52 f.; Lenenbach, EWiR 2004, 307; Schmitz, JZ 2004, 526; Assmann/Schneider/ Vogel, § 20a Rn. 236; ders., NStZ 2004, 252, 254; Widder, BB 2004, 15; im Ausgangspunkt auch Schröder, Rn. 144. 60 So auch Cahn, ZHR 162 (1998) 1, 19 mit Fn. 80; Ostler, S. 229. 61 Das zum 01. Juli 2014 in Kraft getretene und ab dem 03. Juli 2016 geltende neue EUMarktmissbrauchsregime findet sich nunmehr in der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173/1. 62 Hervorhebung durch den Verfasser. 63 K. Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 10 f.; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 160; Pananis, NStZ 2004, 287; Schröder, Rn. 149; wohl auch Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9 f.; Ostler, S. 229; den Gehalt des Erwägungsgrundes verkennend F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 22; Schlitt/S. Schäfer, AG 2004, 346, 354. 64 Vgl. nunmehr – mit bedeutungsgleichem Wortlaut – Art. 7 Abs. 2 S. 1 der Marktmissbrauchsverordnung. 65 Assmann/Schneider/Assmann, § 13 Rn. 10; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 160; siehe auch K. Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 11; Mittermeier, S. 163.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
stehen66 – führt das Erfordernis eines Drittbezugs für das Vorliegen einer Insiderinformation zu problematischen Ergebnissen67: So würden bestimmte Fälle, in denen ein Rückgriff auf das Verbot der Marktmanipulation nicht möglich ist, weder von diesem noch vom Verbot des Insiderhandels erfasst, obwohl sie eindeutig der ratio des Insiderhandelsverbots unterfallen. Zu denken ist beispielsweise an den besonders eklatanten Fall Schrempp68, dessen Absicht, sein Amt als Vorstandschef der DaimlerChrysler AG vorzeitig niederzulegen, nach der hier abgelehnten Ansicht weder von §§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG noch von § 20a Abs. 1 WpHG erfasst worden wäre.69 Gleiches müsste für Fälle im Abgrenzungsbereich von scalping und frontrunning gelten.70 In seiner Georgakis-Entscheidung aus dem Jahre 2007 hat der EuGH sich auf den Standpunkt gestellt, die Kenntnis vom Vorliegen einer von mehreren Personen getroffenen Entscheidung und ihres Inhalts stelle für diejenigen, die an ihr beteiligt gewesen seien, eine Insider-Information im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Insider-Richtlinie71 dar.72 Die Definition der Insider-Information in der Insider-Richtlinie als der Vorgängerrichtlinie der Marktmissbrauchsrichtlinie stimmt mit der Definition in der Marktmissbrauchsrichtlinie selbst in der Sache überein. Der Gerichtshof hat sich also – wenngleich ohne nähere Begründung – gegen das Erfordernis eines Drittbezugs gewandt.73 (3) Ergebnis Die Absicht des Aktionärs, aus seinen Aktien ohne Beteiligungsinteresse oder mit negativem Beteiligungsinteresse abzustimmen, stellt auch für ihn selbst eine Insiderinformation dar.
66 Vgl. F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 20 f.; Assmann/Schütze/ Sethe, § 12 Rn. 31. 67 Diese Probleme sind derart schwerwiegend, dass sich Engert, ZIP 2006, 2105, 2109 sogar zu der Prognose verleitet sieht, der BGH werde „angesichts solcher wenig verlockenden Konsequenzen […] seinem eigenen Begründungsansatz bei künftigen Entscheidungen nicht mehr folgen“. 68 Vgl. nun EuGH WM 2012, 1807 (dazu Bingel, AG 2012, 685; Hitzer, NZG 2012, 860; Kocher/Widder, BB 2012, 2837; Möllers/Seidenschwann, NJW 2012, 2762; Schall, ZIP 2012, 1286); im Anschluss BGH WM 2013, 1171 (dazu Ekkenga, NZG 2013, 1081; Ihrig/Kranz, AG 2013, 515; Mennicke, ZBB 2013, 244). 69 Engert, ZIP 2006, 2105, 2109; siehe auch Pananis, NStZ 2004, 287, 288; Schröder, Rn. 145 ff. 70 Vgl. F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 13 WpHG Rn. 20; ders., BKR 2004, 78, 79; Assmann/Schütze/Sethe, § 12 Rn. 31. 71 Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EWG Nr. L 334/30. 72 EuGH, Slg. 2007, I-3741 Rn. 33. 73 Auf die Georgakis-Entscheidung des EuGH hinweisend auch Mittermeier, S. 164.
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bb) Verwendung der Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) Diese Insiderinformation darf indes nicht dazu verwendet werden, Insiderpapiere für eigene Rechnung zu erwerben oder zu veräußern (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). (1) Einsatz von Derivaten Anknüpfungspunkt für eine Untersuchung des empty voting unter dem Aspekt des Verwendens der Insiderinformation kann beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente entweder die erste oder die zweite Stufe sein, d. h. entweder der Erwerb von Aktien der Gesellschaft, auf deren Hauptversammlung von den Stimmrechten Gebrauch gemacht werden soll (dazu (a)), oder das Eingehen von short-Positionen in Derivaten, mit deren Hilfe der Aktionär das seiner Beteiligung entspringende wirtschaftliche Risiko abgibt (dazu (b)).74 (a) Erwerb von Aktien der zu beeinflussenden Gesellschaft Erwirbt der Investor im Wege des Kaufvertrags Aktien in der Absicht, aus diesen nach Abgabe des daraus resultierenden wirtschaftlichen Risikos mittels derivativer Finanzinstrumente das Stimmrecht auszuüben, stellt sich die Frage, ob er die von ihm selbst geschaffene Insiderinformation überhaupt zum Erwerb der Aktien „verwendet“. (aa) Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Entscheidung? Auf den ersten Blick wird die hier vorliegende Konstellation von dem in der Literatur häufig angesprochenen Fall der Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Entscheidung erfasst, dem beispielsweise der Aufbau oder die Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung oder der Pakethandel zugehörig sind; sofern nicht die Entscheidung durch anderweitig erlangtes Insiderwissen beeinflusst worden ist, liegt in der bloßen Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Entscheidung keine Verwendung einer Insiderinformation.75 Ob man das eine vom anderen überhaupt eindeutig trennen kann76, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls kann diese Konstellation mit dem hier zu erörternden Fall 74 Nicht ganz eindeutig Mittermeier, S. 169 ff., der zwar zunächst erläutert, dass sowohl Aktien der Gesellschaft, auf deren Hauptversammlung der empty voter abzustimmen beabsichtigt, als auch sich auf diese Aktien beziehende Derivate Insiderpapiere i.S.d. § 12 S. 1 WpHG darstellen, anschließend aber auf einen eventuellen Insiderverstoß durch den Erwerb der Aktien nicht mehr eingeht. 75 Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 31; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 644; Cahn, ZHR 162 (1998) 1, 18 f.; ders., Der Konzern 2005, 5, 9; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 16.164; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 53, 65 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 341; siehe auch Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Schwark/ Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 23; Vaupel/Uhl, WM 2003, 2126, 2128. 76 Dies verneinend Eichelberger, WM 2003, 2121, 2122; Volk, BB 1999, 66, 68; ders., ZIP 1999, 787, 788; M. Weber, NZG 2000, 113, 117; ders., NJW 2000, 562 mit Fn. 10, die nicht
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
des empty voting nicht verglichen werden: Eine solche Vergleichbarkeit könnte man nur dann annehmen, wenn man allein auf die Absicht zum Aktienerwerb abstellte. Dann ließe man allerdings unberücksichtigt, dass diese Absicht nur ein notwendiges Zwischenstadium auf dem Weg zu einem wesentlich weiter in der Zukunft liegenden Endziel – nämlich der Absicht, aus diesen Aktien risikoentleert abzustimmen – darstellt. Allein auf diese Endabsicht kommt es an, denn sie hat den Investor dazu motiviert, überhaupt eine (Zwischen-)Absicht bezüglich des Aktienerwerbs zu fassen. Gäbe es die noch ferne empty voting-Absicht nicht, hätte der Handelnde auch keinen Zwischenentschluss zum Erwerb von Aktien gefasst. Daher muss – sofern es um das empty voting geht – allein auf das Endziel abgestellt werden; evtl. notwendige Zwischenabsichten haben außer Betracht zu bleiben.77 Dies vorausgeschickt kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass ein Investor, der Aktien des zu beeinflussenden Unternehmens erwirbt und bereits beim Erwerb der Aktien die Absicht hat, später aus diesen Aktien risikoentleert abzustimmen, dabei die von ihm selbst geschaffene Insiderinformation verwendet, die darin besteht, dass er das risikoentleerte Abstimmen auf der Hauptversammlung des Unternehmens beabsichtigt.78 Der Tatbestand des Erwerbs- und Veräußerungsverbots des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist daher an sich erfüllt. (bb) Einschränkung des Tatbestands des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (a) Ratio des § 14 WpHG Ob sich ein derart strenges Ergebnis allerdings mit dem telos des § 14 WpHG verträgt, erscheint zweifelhaft. Dem Insiderrecht kommt die Aufgabe zu, die Chancengleichheit der Kapitalmarktteilnehmer zu gewährleisten, indem es verhindert, dass einzelne Marktteilnehmer einen missbilligenswerten Wissensvorsprung zur Erlangung von Sondervorteilen ausnutzen. Ein Kapitalmarkt, der Insiderhandel zuließe, nähme es hin, dass anderen Marktteilnehmern durch die auftretenden Informationsungleichgewichte Nachteile zugefügt werden und dadurch das Vertrauen in die Integrität des Kapitalmarkts Schaden nimmt.79 Sinn und Zweck des § 14 WpHG sind dementsprechend nur dann betroffen, wenn ein Informationsvorsprung objektiv in missbilligenswerter Weise zur Erlangung von Sondervorteilen ausgenutzt werden kann, oder – mit anderen Worten – wenn dem Insider objektiv die Möglichkeit eröffnet wird, seinen Informationsvorsprung zur Erlangung von Sonderganz zu Unrecht darauf hinweisen, dass es ein intensiveres Ausnutzen (heute müsste man sagen: eine intensivere Verwendung) als durch Verwirklichung nicht gibt; kritisch auch Ostler, S. 229: „etwas gekünstelt anmutende Differenzierung“. 77 So auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2109. 78 Ähnlich Engert, ZIP 2006, 2105, 2109. 79 Vgl. Erwägungsgründe 4 – 6 der Insider-Richtlinie; Erwägungsgründe 2, 12 und 15 der Marktmissbrauchsrichtlinie; Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; EuGH Slg. 2009, I-12073 Rn. 47 f.; gute Übersicht zum Für und Wider einer gesetzlichen Regelung des Insiderproblems bei Fuchs/Mennicke, Vor § 12 bis § 14 Rn. 97 ff.; ferner Assmann/Schneider/Assmann, Vor § 12 Rn. 41 ff.; Kümpel/Wittig/Rothenhöfer, Rn. 3.458.
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vorteilen auszunutzen.80 Das trifft jedoch auf den Fall des Erwerbs von Aktien der durch ein empty voting zu beeinflussenden Gesellschaft nicht zu: Der bloße Erwerb von Aktien eröffnet dem Investor noch nicht die Möglichkeit, die von ihm selbst geschaffene Insiderinformation zur Erlangung von Sondervorteilen einzusetzen. Dem späteren empty voter bringt in diesem Zeitpunkt zunächst einmal nur das einen Nutzen, was allen anderen Aktionären auch nützt: ein steigender Aktienkurs. Der Zweck der Vorschrift ist deshalb (noch) nicht tangiert. Angesichts dessen sollte der Erwerb von Aktien zum Zwecke eines späteren empty voting vom Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ausgenommen werden. (b) Subjektive Auslegung des Begriffs der „Verwendung“ Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, könnte darin bestehen, den Begriff der „Verwendung“ subjektiv auszulegen in dem Sinne, dass ein unlauterer Sondervorteil zu Lasten anderer Marktteilnehmer angestrebt werden muss. Dieser Weg dürfte jedoch nicht gangbar sein, denn der im Zuge des AnSVG an die Stelle des Begriffs der „Ausnutzung“ getretene Begriff der „Verwendung“ macht ausweislich der Gesetzesbegründung zum AnSVG deutlich, dass ein subjektiv ausgerichtetes Handeln nicht mehr verlangt wird. Der Zweck des Handelns, zum Beispiel die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, findet nicht mehr im Tatbestand, sondern nur noch bei der Straf- bzw. Bußgeldzumessung Berücksichtigung.81 Ungeachtet dessen – so führt der Reformgesetzgeber weiter aus – müsse der Täter jedoch die Information in sein Handeln mit einfließen lassen.82 Ganz auf dieser Linie liegt die herrschende Lehre, nach der im Gegensatz zur alten Gesetzeslage nunmehr ein Kausalzusammenhang zwischen der Kenntnis der Insiderinformation und dem Handel in dem Insiderpapier genügt.83 Diese Interpretation wird durch die Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht nur gestützt, sondern sogar gefordert: Nach dieser Bestimmung untersagen die Mitgliedstaaten sog. Primärinsidern84, die „über eine Insider80
Dazu im hiesigen Kontext auch Mittermeier, S. 171. Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 82 Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 83 Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 23 ff.; Buck-Heeb, Rn. 273 f.; Bürgers, BKR 2004, 424, 425; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8 f.; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2426 f.; Grunewald/Schlitt, § 13 III 1, S. 268; Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 140; Hohnel/Hohnel, 1. Teil, B. § 14 Rn. 12; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, § 107 Rn. 37; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 52 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 7; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 16; Assmann/Schütze/Sethe, § 12 Rn. 75; Veil/Veil, § 13 Rn. 92; Überblick zum Streitstand bei Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 14 Rn. 43. 84 Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern ist heute gleichwohl nur noch für die straf- (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG) bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG) Sanktion eines Verstoßes gegen die Insiderhandelsverbote relevant und spielt wegen Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie auf der Tatbestandsebene (§ 14 Abs. 1 WpHG) keine Rolle mehr, vgl. auch Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 81
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
information verfügen, unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung […] Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, zu erwerben oder zu veräußern“. Der EuGH hat in seiner Spector Photo-Entscheidung85 zur Frage der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie Stellung genommen und ausgeführt, die Vorschrift sei rein objektiv zu verstehen. Sie lege keine subjektiven Voraussetzungen fest, insbesondere werde nicht angegeben, ob der Primärinsider von einer spekulativen Absicht geleitet worden sein muss, ob er eine betrügerische Absicht verfolgt haben muss oder ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben muss.86 Zudem stünde die systematische Ermittlung eines subjektiven Elements einer effektiven Durchsetzung des in den Erwägungsgründen 2 und 12 zum Ausdruck kommenden Ziels der Marktmissbrauchsrichtlinie entgegen, die Integrität der Finanzmärkte der Gemeinschaft sicherzustellen und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken.87 Und schließlich erlaube es die besondere Natur von Insidergeschäften, das subjektive Merkmal zu vermuten, wenn die in Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.88 Um die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung nach S. 34, 40; Buck-Heeb, Rn. 258 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931 f.; Hohnel/ Hohnel, 1. Teil B. § 14 Rn. 37 ff.; KölnKommWpHG/Klöhn, § 14 Rn. 38; Fuchs/Mennicke, Vor § 12 bis § 14 Rn. 35; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 14 Rn. 30; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Ziemons, NZG 2004, 537, 538. 85 EuGH Slg. 2009, I-12073; dazu Cascante/Bingel, NZG 2010, 161; Forst, EWiR 2010, 129; Gehrmann, ZBB 2010, 48; Hopt, Handelsblatt v. 26. 01. 2010, S. 20; KölnKommWpHG/ Klöhn, § 14 Rn. 120 ff.; Schulz, ZIP 2010, 609; Veil/Veil, § 13 Rn. 97 ff.; Widder, BB 2010, 515. 86 EuGH, Slg. 2009, I-12073 Rn. 32. 87 EuGH, Slg. 2009, I-12073 Rn. 37. Daneben ist auf Erwägungsgrund 13 der Marktmissbrauchsrichtlinie hinzuweisen, der die Ersetzung der Insiderrichtlinie durch die Marktmissbrauchsrichtlinie u. a. damit begründet, es müssten Lücken im Gemeinschaftsrecht geschlossen werden, die zu rechtswidrigem Handeln ausgenutzt werden können. Der Verzicht auf subjektive Tatbestandsmerkmale erleichtert die Erreichung dieses Ziels immens. Eine ähnliche Argumentation hat sich übrigens auch der deutsche Gesetzgeber zu eigen gemacht, vgl. Begründung RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 88 EuGH, Slg. 2009, I-12073 Rn. 36. Ob diese Vermutung auch für Sekundärinsider gilt, sagt der EuGH nicht. Daran könnte man zunächst unter zwei Gesichtspunkten zweifeln: Zum einen besteht bei Sekundärinsidern nicht das vom EuGH explizit hervorgehobene Vertrauensverhältnis, das die in Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a und c der Marktmissbrauchsrichtlinie aufgeführten Primärinsider mit dem Emittenten der von der Insider-Information betroffenen Finanzinstrumente verbindet. Zum anderen verlangt Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie eine Erstreckung des Geltungsbereichs der Artt. 2 und 3 auf Sekundärinsider nur, sofern diese Personen gewisse subjektive Voraussetzungen erfüllen. Gleichwohl wird man die Vorsatzvermutung auch auf Sekundärinsider erstrecken können, denn erstens stellt der EuGH für die Begründung der Vermutung weniger auf das Vorliegen des besonderen Vertrauensverhältnisses, sondern vielmehr darauf ab, dass das Wissen um das eigene Handeln notwendiger Bestandteil der Kette von Entscheidungen ist, die der Vornahme eines bestimmten Geschäfts vorausgehen, und zweitens verlangt Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie nur Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich des Vorliegens einer Insiderinformation, nicht aber Vorsatz bezüglich der Nutzung derselben. Ebenfalls für die Geltung der Spector Photo-Entscheidung auf Sekundärinsider KölnKommWpHG/Klöhn, § 14 Rn. 135.
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Art. 6 Abs. 2 EMRK zu gewährleisten, geht der EuGH allerdings von einer widerleglichen Vermutung aus, so dass nicht jeder über eine Insiderinformation verfügende Insider, der auf dem Markt ein Geschäft tätigt, automatisch unter das Verbot des Insiderhandels fällt.89 (c) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Methodisch überzeugend ist es, unter Anknüpfung an die ratio des Insiderhandelsverbots90 im Wege der teleologischen Reduktion91 oder – ohne Unterschied in der Sache – im Wege einer restriktiven Auslegung92 solche Fälle vom Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auszunehmen, in denen der Wissensvorsprung eines Insiders nicht in ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft einfließt und ihm daher objektiv nicht die Möglichkeit der Erzielung eines Sondervorteils eröffnet. Oder mit anderen Worten: Eine teleologische Reduktion kommt dann in Betracht, wenn der telos des § 14 WpHG den jeweiligen Fall gar nicht erfassen will, weil ein Informationsvorsprung objektiv nicht in missbilligenswerter Weise zur Erlangung von Sondervorteilen ausgenutzt werden kann. Die Basis für die Zulässigkeit der teleologischen Reduktion liegt also in der objektiv nicht gegebenen Möglichkeit der Erlangung von Sondervorteilen.93 89
EuGH, Slg. 2009, I-12073 Rn. 44 f. Siehe dazu schon oben 4. Kapitel B. II. 2. c) bb) (1) (a) (bb) (a). 91 Vgl. Engert, ZIP 2006, 2105, 2109; KölnKommWpHG/Klöhn, § 14 Rn. 122, 159 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 16.164 f.; Ostler, S. 229 ff.; Schröder, Rn. 199 ff.; für sog. face-to-face-Geschäfte auch Cahn, Der Konzern 2005, 5, 11; für die Ausführung des Plans zum Aufbau oder zur Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung auch Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 23; siehe auch EuGH, Slg. 2009, I-12073 Rn. 61: „Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Frage, ob auf Seiten eines primären Insiders, der eine Insider-Information besitzt, eine „Nutzung derselben“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 vorliegt, im Licht der Zielsetzung der Richtlinie zu beurteilen ist, die darin besteht, die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Vertrauen der Investoren zu stärken, das insbesondere auf der Gewissheit beruht, dass sie einander gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt sind. Nur eine dieser Zielsetzung zuwiderlaufende Nutzung stellt ein verbotenes Insider-Geschäft dar.“ 92 Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 28; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 9; siehe auch die auf teleologische Gesichtspunkte gestützte Argumentation für den Pakethandel und den Beteiligungserwerb bei Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/ 6679, S. 47. 93 Dies lässt sich den Ausührungen Engerts – vgl. ZIP 2006, 2105, 2109 – nicht hinreichend deutlich entnehmen, wenngleich ihm im Ergebnis zuzustimmen ist. Zunächst könnte man den Eindruck gewinnen, Engert betrachte den Aktienerwerb isoliert, ohne das in der Zukunft liegende Endziel der Einflussnahme bzw. des empty voting einzubeziehen. Darauf deutet v. a. die Tatsache hin, dass er sich diejenigen Argumentationsmuster zunutze macht, derer sich auch die herrschende Meinung bei der Frage der Umsetzung eigener unternehmerischer Entscheidungen bedient. Verstünde man Engert so, müsste man seinen Ausführungen allerdings Widersprüchlichkeit bescheinigen, da er an anderer Stelle richtigerweise hervorhebt, dass eine Vergleichbarkeit mit dieser Konstellation gerade nicht gegeben ist, weil nicht nur das Durchgangsziel des Aktienerwerbs betrachtet werden darf, sondern auch das Fernziel der Einfluss90
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Diese Basis ist im Falle des Erwerbs von Aktien der durch ein empty voting zu beeinflussenden Gesellschaft gegeben. Wie oben bereits beschrieben, eröffnet der bloße Erwerb von Aktien dem Investor nicht die Möglichkeit, die von ihm selbst geschaffene Insiderinformation zur Erlangung von Sondervorteilen einzusetzen. Da er (noch) über ein positives wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung der Gesellschaft verfügt, hat für ihn in diesem Zeitpunkt allein ein steigender Aktienkurs einen finanziellen Nutzen. Die Interessen des zukünftigen empty voter und diejenigen der übrigen Aktionäre sind somit gleichgerichtet. Wie also sollte der Investor seine empty voting-Absicht schon in diesem Stadium eigensüchtig und zulasten der Mitaktionäre ausnutzen? Der Schutzzweck der Vorschrift ist daher nicht tangiert, so dass der Erwerb von Aktien zum Zwecke eines späteren empty voting mittels teleologischer Reduktion aus dem Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auszunehmen ist. (b) Abgabe des wirtschaftlichen Risikos durch den Erwerb derivativer Finanzinstrumente Eine differenzierende Beurteilung ist allerdings geboten, wenn zusätzlich zum Aktienerwerb Derivate94 ins Spiel kommen, mit deren Hilfe der Insider das den Aktien anhaftende wirtschaftliche Risiko abgibt. (aa) Positives wirtschaftliches Interesse Solange der Aktionär sein wirtschaftliches Risiko nur partiell hedgt, hat er – wie seine Mitaktionäre auch – ein Interesse an einem steigenden Aktienkurs, denn die Gewinne aus seinen Aktien werden die Verluste aus den Derivaten übersteigen. Die von ihm selbst geschaffene Insiderinformation, dass er aus seinen Aktien teilweise risikoentleert abstimmen wird, lässt sich nicht zur Erlangung von Sondervorteilen verwerten; insofern ist wiederum eine teleologische Reduktion des Insiderhandelstatbestands gerechtfertigt.
nahme bzw. des empty voting einbezogen werden muss. Entgegen den Ausführungen Engerts kann es auch keine Rolle spielen, ob die als Endziel beabsichtigte Handlung des Aktionärs für das zu beeinflussende Unternehmen mit Vorteilen oder mit Nachteilen verbunden ist. Entscheidend ist die Tatsache, dass der Insider über eine Information verfügt, die allein ihm, nicht aber auch den übrigen Kapitalmarktteilnehmern bekannt ist, und er sich diesen Informationsvorsprung zur Erlangung von Sondervorteilen zunutze machen kann. Ob er diese Sondervorteile schließlich aus einer positiven oder negativen Unternehmenswertentwicklung zieht, ist für die Zwecke des Insiderrechts nicht von Belang. In den hier zu erörternden Konstellationen mag es zwar zutreffen, dass eine teleologische Reduktion dann abzulehnen ist, wenn der Investor auf sinkende Kurse setzt, doch taugt dies nicht als allgemeingültiges Kriterium für eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. 94 Derivate in Bezug auf börsennotierte Aktien stellen Insiderpapiere nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 WpHG dar, vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 12 Rn. 11 ff.; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Lösler, HdbKapInfo, § 2 Rn. 15; Fuchs/Mennicke, § 12 Rn. 26 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/ F. A. Schäfer, § 12 WpHG Rn. 14.
B. Empty voting
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(bb) Neutrales oder negatives wirtschaftliches Interesse (a) Keine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Anders ist die Situation jedoch dann, wenn sich der empty voter seines wirtschaftlichen Risikos vollkommen entledigt oder er sogar ein negatives Beteiligungsinteresse in Bezug auf das zu beeinflussende Unternehmen aufweist. Im Gegensatz zu dem vorgenannten Fall ist es dem Insider nun objektiv möglich, die allein ihm bekannte Information über das zukünftige empty voting für seine egoistischen finanziellen Ziele einzusetzen, denn während alle anderen Aktionäre weiterhin von einem steigenden Aktienkurs profitieren und damit rechnen, dass dies auch auf den empty voter zutrifft, versucht der empty voter durch Spekulation auf fallende Kurse und/oder auf andere Weise Gewinne zu erzielen. Die Erlangung derartiger Sondervorteile aufgrund von Insiderinformationen möchte das Insiderrecht dem Insider jedoch nicht zugestehen. Eine teleologische Reduktion ist daher nicht gerechtfertigt, wenn der Aktionär mithilfe von derivativen Finanzinstrumenten eine Position aufbaut, aus der sich ein wirtschaftliches Interesse von null oder sogar ein negatives wirtschaftliches Interesse ergibt.95 (b) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Gegen ein solches Ergebnis wird gelegentlich vorgebracht, es sei nicht Regelungsanliegen des Insiderrechts, den Emittenten und seine Aktionäre vor Interessenkonflikten bei der Stimmrechtsausübung zu schützen.96 (c) Stellungnahme Dieser Einwand vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen: Ohne Zweifel trifft es zu, dass die Gewährleistung eines von Interessenkonflikten unbeeinflussten Abstimmungsprozesses nicht primäres Regelungsziel des Insiderhandelsverbots ist. Das rechtfertigt es indes nicht, Konstellationen, die dem primären Regelungsanliegen – der Verhinderung des Ausnutzens von Informationsvorsprüngen zu missbilligenswerten Vorteilen – unterfallen, nur deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 14 WpHG herauszunehmen, weil die Anwendung des Tatbestands darüber hinaus weitere nützliche Wirkungen entfaltet. Wenn die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf die gravierenden Fälle des empty voting auch zur Folge hat, dass die Beschlussfassung in der Hauptversammlung frei von Interessenkonflikten stattfinden kann, ist das eine begrüßenswerte Reflexwirkung, die jedoch nur daraus resultiert, dass dem Primärziel des Insiderhandelsverbots zum Durchbruch verholfen wird. Der empty voter besitzt dadurch, dass er Kenntnis von seiner eigenen Absicht hat, einen Informationsvorsprung, den er zu Lasten anderer Anleger zur Erlangung eines 95 So i.E. auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2109; für die Fälle des negativen wirtschaftlichen Interesses auch Mittermeier, S. 172. 96 Fleischer, ZGR 2008, 185, 219; Ostler, S. 231; Schmolke, ZGR 2007, 701, 731.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
missbilligenswerten Sondervorteils einsetzen kann. Der Normzweck des § 14 WpHG ist damit ohne Zweifel berührt. Ob die den Vorteil herbeiführende Veränderung des Aktienkurses durch die Stimmrechtsausübung des empty voter auf der Hauptversammlung oder auf andere Weise verursacht wird, kann für die Anwendung des § 14 WpHG nicht ausschlaggebend sein. Wenn es Anliegen des Insiderrechts ist, das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen zu missbilligenswerten Vorteilen zu verhindern, kann diesem Anliegen gerade im Fall des empty voting Geltung verschafft werden. Auch der rechtsvergleichende Hinweis auf die Debatte in den USA zur Frage, ob nicht der Handel mit negativen Informationen vom Insiderhandelsverbot ausgenommen werden soll97, verfängt nicht. Für § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist nicht maßgebend, ob sich die Realisierung der Insiderinformation positiv oder negativ auf den Marktpreis der Insiderpapiere auswirkt.98 Entscheidend ist die Tatsache, dass der Insider über eine Information verfügt, die allein ihm, nicht aber auch den übrigen Kapitalmarktteilnehmern bekannt ist, und er sich diesen Informationsvorsprung zur Erlangung von Sondervorteilen zunutze machen kann. Etwas polemisch könnte man fragen: Warum sollte § 14 WpHG de lege lata restriktiv gehandhabt werden, nur weil in den Vereinigten Staaten de lege ferenda eine derartige Einschränkung diskutiert wird? (c) Ergebnis Der empty voter, der in der Absicht, seine Aktien später zu einem empty voting zu nutzen, sein Beteiligungsinteresse durch den Einsatz von Derivaten neutral oder negativ ausgestaltet, verstößt durch den Abschluss dieser Derivatgeschäfte gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Für den BGH, der einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot bereits mangels Vorliegens einer Insiderinformation verneint, stellt sich die Frage, ob in der Abgabe des Beteiligungsinteresses durch den Erwerb derivativer Finanzinstrumente eine Verwendung der Insiderinformation liegt, von vornherein nicht mehr. (2) Einsatz von Wertpapierdarlehen Auch im Hinblick auf den Einsatz von Wertpapierdarlehen ist eine differenzierende Betrachtung angezeigt: Hält der Aktionär neben den darlehensweise erworbenen Aktien keine weiteren Aktien, muss eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aus dem gleichen Grund abgelehnt werden, der schon für die Ablehnung einer teleologischen Reduktion im Falle der vollständigen Abgabe des wirtschaftlichen Risikos durch den Einsatz von Derivaten entscheidend war: Im Zeitpunkt des darlehensweisen Erwerbs 97
Vgl. Fleischer, ZGR 2008, 185, 219 m.N. zu dieser Debatte. Insofern kann auch Engert, ZIP 2006, 2105, 2109 nicht gefolgt werden, vgl. schon die Ausführungen in Fn. 93. 98
B. Empty voting
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der Aktien ist allein dem Darlehensnehmer bekannt, dass er das Stimmrecht aus diesen Aktien ohne wirtschaftliches Interesse ausüben wird. Diese selbst geschaffene Insiderinformation kann er auch objektiv dazu nutzen, sich Vorteile zuzuschanzen, an denen seine Mitaktionäre nicht partizipieren, denn aufgrund seines gänzlich fehlenden Beteiligungsinteresses macht die Übernahme der Kosten der Teilnahme an der Hauptversammlung für den Darlehensnehmer nur Sinn, wenn er private Vorteile erzielen kann, die ihn für diese Kosten entschädigen. Eine teleologische Reduktion ist selbstverständlich erst recht abzulehnen, wenn der empty voter einen Teil der darlehensweise erworbenen Aktien leer verkauft und somit auf fallende Kurse setzt, obwohl es für die insiderrechtliche Bewertung auf diesen zweiten Schritt nicht mehr ankommt, da schon der darlehensweise Erwerb der Aktien objektiv geeignet ist, dem Darlehensnehmer Sondervorteile zu verschaffen. Hält der Aktionär hingegen neben den darlehensweise erworbenen Aktien weitere eigene Aktien, entspringt aus seiner Gesamtbeteiligung ein positives wirtschaftliches Interesse und damit ein Interesse an einem steigenden Aktienkurs. Die Situation entspricht somit derjenigen im Falle des lediglich partiellen hedging der Aktienposition durch derivative Finanzinstrumente: Aufgrund des zwischen den Interessen des empty voter und denjenigen der übrigen Aktionäre bestehenden Gleichlaufs kann die von ersterem selbst geschaffene Insiderinformation, dass er aus seinen Aktien teilweise risikoentleert abstimmen wird, nicht zur Erlangung von Sondervorteilen eingesetzt werden. Insofern ist auch hier eine teleologische Reduktion des Insiderhandelstatbestands gerechtfertigt. cc) Ergebnis Als Ergebnis ist somit festzuhalten: Das Eingehen von Positionen, aus denen sich ein Beteiligungsinteresse von null oder sogar ein negatives Beteiligungsinteresse ergibt, in Kenntnis der selbst geschaffenen Insiderinformation über das bevorstehende empty voting ist als Verstoß gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu werten. dd) Rechtsfolgen Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Rechtsfolgen: Der Abschluss eines Derivat- oder Wertpapierdarlehensgeschäfts in der beschriebenen Absicht ist als Insiderhandel gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG strafbar, sofern der empty voter vorsätzlich oder leichtfertig (vgl. § 38 Abs. 4 WpHG)99 handelt. Diese subjektiven Voraussetzungen bereiten keine Schwierigkeiten, da es dem empty voter in aller Regel gerade darauf ankommt, das Stimmrecht ohne das Beteiligungsinteresse auszuüben.100 99
Cahn, Der Konzern 2005, 5, 12 erblickt in der Nichteinbeziehung der leichten Fahrlässigkeit zu Recht ein Umsetzungsdefizit im Hinblick auf Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 100 So auch Mittermeier, S. 173.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Da sich das aus §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ergebende Verbot des Insiderhandels nur an den Insider, nicht aber auch an dessen Vertragspartei (Derivatgeschäftspartner, Darlehensgeber) richtet, und auch der Inhalt der in Rede stehenden Derivat- und Wertpapierdarlehensgeschäfte an sich nicht verwerflich ist, muss für das empty voting davon ausgegangen werden, dass eine Nichtigkeit der Geschäfte gemäß § 134 BGB nicht in Betracht kommt.101 Doch auch wenn man § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB qualifiziert, ist der Abschluss des Derivat- bzw. Wertpapierdarlehensgeschäfts verboten, wie der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG unmissverständlich zum Ausdruck bringt. In konsequenter Fortführung dessen ist dem Insider die Ausübung des Stimmrechts aus empty voting-Positionen nicht gestattet, wenn er insgesamt ein neutrales oder negatives wirtschaftliches Interesse aufweist; ein Verstoß führt zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses.102 ee) Caveat Dieses Ergebnis ist jedoch in zweierlei Hinsicht mit einem Caveat zu versehen: Zum einen dürfte der Verfasser mit der hier entfalteten Lösung allenfalls bei Engert Gefolgschaft finden. Die ganz h.M. hingegen dürfte entweder schon die Erfassung selbst geschaffener Informationen vom Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ablehnen oder jedenfalls die Anwendung der Norm auf das empty voting verneinen. Zum anderen wirkt es sich hinsichtlich des empty voting negativ aus, dass die Reichweite des Insiderhandelsverbots durch den Begriff der fehlenden öffentlichen Bekanntheit (vgl. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG) denklogisch eingeschränkt wird: Öffentlich bekannte Informationen sind insiderrechtlich von vornherein nicht relevant, denn was jedem bekannt ist, kann nicht Gegenstand eines Wissensvorsprungs sein, den ein einzelner Marktteilnehmer zur Erlangung von Sondervorteilen ausnutzen könnte.103 Dementsprechend verliert eine Information mit ihrer Veröffentlichung104 ihren Charakter als Insiderinformation. Das Insiderhandelsverbot verbietet ergo nicht grundsätzlich den Abschluss kursrelevanter Geschäfte, sondern lediglich den 101
Ebenso Mittermeier, S. 173; so auch allgemein die ganz h.M., siehe Assmann/ Schneider/Assmann, § 14 Rn. 206 f.; Buck-Heeb, Rn. 295; BeckHdbAG/Göckeler, § 26 Rn. 223; BuB/Hammen, Rn. 7/762; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 421 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/ F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 96; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ders., § 14 Rn. 98; Schwark/ Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 4; Assmann/Schütze/Sethe, § 12 Rn. 131. 102 A.A. Mittermeier, S. 173, der die Auffassung vertritt, die Stimmrechtsausübung werde vom Insiderhandelsverbot nicht berührt. 103 Näher zur ratio des Insiderhandelsverbots siehe oben 4. Kapitel B. II. 2. c) bb) (1) (a) (bb) (a). 104 Hierbei genügt die Herstellung der sog. Bereichsöffentlichkeit, d. h. es muss einer unbestimmten Anzahl von Personen möglich sein, von der Information Kenntnis zu nehmen, vgl. Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; siehe auch BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.1.2, S. 34; KölnKommWpHG/Klöhn, § 13 Rn. 133 ff.; Fuchs/ Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 81 ff.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 14 Rn. 17 f.
B. Empty voting
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Abschluss solcher Geschäfte unter Verwendung von Insiderinformationen. Für das empty voting hat dies zur Folge, dass nicht der Abschluss von Derivatgeschäften bzw. Wertpapierdarlehensgeschäften schlechthin verboten ist, sondern lediglich deren Abschluss in Kenntnis der eigenen Absicht, die risikoentleerten Stimmrechte auf der Hauptversammlung zur Erlangung von Sondervorteilen auszunutzen. Stellt der Aktionär ergo vor dem Abschluss des jeweiligen Geschäfts hinsichtlich dieser Absicht die Bereichsöffentlichkeit her, nimmt er der Information den für die Anwendung des § 14 WpHG erforderlichen Charakter der Insiderinformation und kann aus den Aktien uneingeschränkt abstimmen. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist im Ergebnis also gar nicht geeignet, das empty voting zu verhindern, sondern schafft lediglich – aber immerhin105 – Transparenz im Hinblick auf die bestehende Absicht zum empty voting.106 d) Zwischenergebnis Der Abschluss von Derivat- bzw. Wertpapierdarlehensgeschäften in der Absicht, das Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse oder mit negativem Beteiligungsinteresse auszuüben, ist wegen Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verboten. Insofern ist der Aufbau einer empty voting-Position unzulässig. Die abgeschlossenen Geschäfte sind gleichwohl wirksam. Es existiert demnach keine Vorschrift, die bereits die Risikoentleerung der Beteiligung durch den Abschluss von Derivat- oder Wertpapierdarlehensverträgen für nichtig erklärt. Dass dies im Ergebnis auch richtig ist, mag man an den Auswirkungen ablesen, die sich ergäben, wenn man bereits das Derivat- oder Wertpapierdarlehensgeschäft für nichtig hielte: Zum einen ginge die Annahme der Nichtigkeit wohl zu weit, da nicht das jeweilige Rechtsgeschäft als solches, sondern die anreizverzerrte Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung den oben geäußerten Vorbehalten unterliegt.107 Zum anderen hätte die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts für die beiden Konstellationen des empty voting voneinander abweichende Konsequenzen: Für den Darlehensnehmer bedeutete die Nichtigkeit des Darlehensvertrags – sofern man nicht ohnehin wegen Fehleridentität auch die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts annimmt108 –, dass er die erhaltenen Aktien gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zurückübereignen müsste. Aus den darlehensweise er-
105
Siehe schon oben 4. Kapitel A. Vgl. in anderem Kontext auch Mittermeier, S. 189 f. 107 So auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 616. 108 So Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 616; siehe auch MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 10: „Andererseits zieht die Nichtigkeit eines Verpflichtungsgeschäfts häufig die Nichtigkeit der zu seiner Erfüllung erforderlichen Rechtsgeschäfte nach sich. Hierin liegt nicht einmal eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Vielmehr ergibt sich die Reichweite der Nichtigkeit daraus, dass Inhalt und Zweck von Verbotsgesetzen sich selten auf den Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts beschränken, sondern meist zugleich auch die Erfüllung unterbunden werden soll.“ 106
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
worbenen Aktien stünde ihm somit kein Stimmrecht zu109 ; er dürfte nur aus seinen eigenen Aktien abstimmen. Bei angenommener Nichtigkeit des Derivatgeschäfts hingegen könnte die short-Partei zwar das Stimmrecht aus sämtlichen zuvor erworbenen Aktien ausüben, müsste allerdings auch das wirtschaftliche Risiko aus sämtlichen Aktien tragen und würde so letztlich zum „normalen“ Aktionär. Dass eine unterschiedliche Behandlung der gleich gelagerten empty voting-Fallgruppen nicht überzeugt, ist offensichtlich. Auch110 diese rechtsfolgenorientierten Gedanken zeigen, dass die wahre Lösung des empty voting-Problems nicht in einer Anknüpfung an die Finanzgeschäfte liegen kann, sondern die Stimmrechtsausübung in den Blick nehmen muss. 3. Unzulässigkeit der Ausübung des Stimmrechts aus einer empty voting-Position Auch im Hinblick auf eine erwägenswerte Unzulässigkeit der Ausübung des Stimmrechts aus einer empty voting-Position kommt ein bunter Strauß an Verbotsvorschriften in Betracht: das in § 53a AktG normierte Gleichbehandlungsgebot (dazu a)), das Verbot der Aktienbenutzung ohne Vertretungsbefugnis und Einwilligung aus § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG (dazu b)), das Verbot der „echten“ Aktienleihe aus § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG (dazu c)), der Stimmrechtsausschlusstatbestand des § 136 Abs. 1 AktG (dazu d)) sowie das Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen (dazu e)). Sollte keine dieser Spezialvorschriften eine Handhabe gegen das empty voting bieten, bliebe letztlich nur noch der Rückgriff auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs (dazu g)) oder auf die mitgliedschaftliche Treuepflicht (dazu h)). a) Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG) aa) Allgemeines In einer empty voting-Strategie könnte man einen Verstoß gegen das in § 53a AktG normierte Gleichbehandlungsgebot vermuten, wonach Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln sind. Aus dem Wortlaut erhellt jedoch bereits, dass sich diese Handlungsmaxime an die Aktiengesellschaft richtet und somit deren Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots verpflichtet.111 Im Verhältnis der Aktionäre untereinander gilt § 53a AktG hingegen nicht.112 109 Überträgt der Darlehensnehmer die Aktien schon vor dem record date zurück, ergibt sich das bereits daraus, dass er nicht record owner ist. Doch selbst wenn er die Aktien erst nach diesem Zeitpunkt rückübereignet und damit formal record owner ist, dürfte eine Stimmrechtsausübung unter dem Gesichtspunkt des „dolo agit“ gegen § 242 BGB verstoßen. 110 Siehe schon das zweite Caveat gegen die Lösung über das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, oben 4. Kapitel B. II. 2. c) ee). 111 MünchKommAktG/Bungeroth, § 53a Rn. 5; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 4; KölnKommAktG/Drygala, § 53a Rn. 5; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 15;
B. Empty voting
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bb) Anwendung auf das empty voting Dementsprechend lässt sich aus dem Gleichbehandlungsgebot auch für das empty voting nichts herleiten. Bedient sich ein Aktionär derivativer Finanzinstrumente oder eines Wertpapierdarlehens, um das mit seiner Beteiligung einhergehende wirtschaftliche Risiko abzugeben, geht dies auf eine Eigeninitiative des Aktionärs zurück; eine wie auch immer geartete Form der „Behandlung“ durch die Gesellschaft bzw. ihre Organe liegt nicht vor113, so dass § 53a AktG nicht einschlägig sein kann.114 b) Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG aa) Allgemeines Nach § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG handelt ordnungswidrig, wer Aktien eines anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung benutzt. Aus dem Charakter der Stimmabgabe als Willenserklärung folgt, dass die §§ 104 ff. BGB – und somit auch § 134 BGB – auf diese Anwendung finden.115 Da § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG den rechtlichen Erfolg der Stimmabgabe schlechthin verhindern möchte, um eine von außergesellschaftlichen Sonderinteressen unberührte Abstimmung zu gewährleisten116, stellt diese Norm ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB dar, so dass eine nach dieser Vorschrift ordnungswidrige Stimmabgabe nichtig ist117.
Wachter/Franz, § 53a Rn. 8; Heidel/Janssen, § 53a Rn. 1; Henssler/Strohn/Lange, § 53a AktG Rn. 2; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.16. 112 OLG Celle AG 1974, 83, 84; Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 27; K. Schmidt/Lutter/ Fleischer, § 53a Rn. 16; Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, § 53a Rn. 10; GroßkommAktG/Henze/ Notz, § 53a Rn. 30; Hüffer/Koch, § 53a Rn. 4; Hölters/Laubert, § 53a Rn. 5; Bürgers/Körber/ Westermann, § 53a Rn. 3. 113 A.A. offensichtlich Mittermeier, S. 308, nach dem in einem gegenläufigen Investment eine Ungleichbehandlung gesehen werden kann. 114 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne auf die Frage nach den Adressaten des Gleichbehandlungsgebots einzugehen, Mittermeier, S. 308 ff. 115 GroßkommAktG/Grundmann, § 133 Rn. 67; Hölters/Hirschmann, § 133 Rn. 19; Hüffer/Koch, § 133 Rn. 19; Heidel/Müller, § 133 Rn. 7; MünchHdbAG/Semler, § 39 Rn. 15; KölnKommAktG/Zöllner, § 133 Rn. 24 f. 116 Zur Maßgeblichkeit der teleologischen Auslegung zur Ermittlung des Verbotscharakters einer Norm vgl. BGHZ 85, 39, 43; MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 41 f., 49; Soergel/Hefermehl, § 134 Rn. 14; Staudinger/Sack/Seibl, § 134 Rn. 31. 117 So auch Ostler, S. 88.
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bb) Anwendung auf das empty voting (1) Record date capture So könnte beispielsweise die Stimmabgabe desjenigen, der aufgrund seiner Aktieninhaberschaft am record date gegenüber der Gesellschaft als Aktionär gilt, nach § 134 BGB i.V.m. § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG nichtig sein. Aus Veranschaulichungsgründen ist für die Beantwortung dieser Frage zu differenzieren: (a) Weiterübertragung/Rückübereignung nach dem Hauptversammlungstermin Keine Schwierigkeiten bereitet die Anwendung des § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG, wenn der record owner das Eigentum an den Aktien erst nach dem Hauptversammlungstermin wieder aufgibt. Diese Konstellation ist daher auch nicht umstritten. Hat er die Aktien vor dem record date im Wege des Kaufs erworben und überträgt sie erst nach dem Termin der Hauptversammlung weiter, trägt er das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien in Gänze, so dass eine empty voting-Konstellation nicht vorliegt. Für die Anwendung des § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG fehlt es bereits an der Fremdheit der Aktien, die sich allein nach der materiellen Rechtslage bestimmt118. Die Aktien aber stehen im Zeitpunkt der Stimmrechtsausübung im Eigentum des Abstimmenden. Erwirbt der Aktionär Aktien vor dem record date im Wege des Wertpapierdarlehens und hält er diese Aktien über den Hauptversammlungstermin hinaus, gilt nichts anderes: Der Darlehensnehmer stimmt auf der Hauptversammlung aus eigenen Aktien ab, so dass § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG nicht erfüllt ist. An diesem Ergebnis vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Darlehensgeber aufgrund der typischen Gestaltung des Wertpapierdarlehensvertrags weiterhin als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien zu werten ist und der Darlehensnehmer das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien daher nicht trägt.119 (b) Weiterübertragung/Rückübereignung vor dem Hauptversammlungstermin (aa) Streitstand Schwieriger stellt sich die Rechtslage dar, wenn der record owner die Aktien noch vor dem Termin der Hauptversammlung an einen anderen weiterüberträgt bzw. an den Darlehensgeber zurückübereignet. Mit der Frage, ob die Stimmrechtsausübung in diesem Fall gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG verstößt, hatte sich schon der Reformgesetzgeber in der Regierungsbegründung zum UMAG befasst, sie jedoch mit der Begründung verneint, der Veräußerer handele gegenüber der Gesellschaft aus
118 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 36; Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 42; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 64; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 78. 119 So i.E. auch Ostler, S. 89.
B. Empty voting
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eigenem, wenn auch relativem Recht.120 Diese Auffassung des Gesetzgebers findet nur bei einem Teil der Literatur Zustimmung.121 Teilweise stößt sie auch auf Widerspruch, der insbesondere damit begründet wird, der record owner sei am Tag der Hauptversammlung nicht mehr Aktionär, so dass er – wie von § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG gefordert – die Aktien eines anderen benutze.122 (bb) Stellungnahme Ausgangspunkt einer Stellungnahme muss § 123 Abs. 3 S. 6 AktG sein: Veräußert der Käufer die Aktien noch vor dem Hauptversammlungstermin an einen anderen bzw. führt der Darlehensnehmer das Darlehen schon vor dem Hauptversammlungstermin an den Darlehensgeber zurück, sind sie nach dieser Vorschrift im Verhältnis zur Gesellschaft zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt. Fraglich ist, wo im Rahmen des Tatbestands des § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG diese bloß relative Berechtigung des record owner zu berücksichtigen ist. Sowohl der Gesetzgeber als auch die Literaturstimmen hängen dieses Problem ausschließlich bei der Frage auf, ob der Abstimmende „Aktien eines anderen“ benutzt. Diesbezüglich ist der überwiegenden Meinung beizutreten: Ob der Täter Aktien eines anderen benutzt, richtet sich nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften; die Aktien müssen für den Täter daher fremd sein, d. h. sie müssen im Eigentum eines anderen stehen.123 Der Gesetzgeber verkennt, dass eine nur relative Berechtigung des Abstimmenden nach ganz herrschender Ansicht im Schrifttum nicht ausreicht, um die Fremdheit der Aktien entfallen zu lassen.124 Für den im Verhältnis zur Gesellschaft formell Berechtigten record owner sind die Aktien, aus denen er das Stimmrecht ausübt, somit fremd.125 Die schon deshalb eine Ordnungswidrigkeit annehmende Ansicht greift jedoch zu kurz: Die sich aus § 123 Abs. 3 S. 6 AktG ergebende formale Legitimation ist nicht nur bei der Fremdheit der Aktien, sondern auch beim Tatbestandsmerkmal der fehlenden Vertretungsbefugnis zu berücksichtigen. Die Vertretungsbefugnis des Täters kann sich nach allgemeinen Regeln aus Rechtsgeschäft (Vollmacht) oder aus 120
Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 14. Heidel/Müller, § 123 Rn. 32; Seibert, WM 2005, 157, 158; i.E. auch Spindler/Stilz/ Hefendehl, § 402 Rn. 18, 39, § 405 Rn. 42; MünchKommStGB/Kiethe/Hohmann, § 402 Rn. 44; MünchKommAktG/Kubis, § 123 Rn. 34. 122 Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 750; Grigoleit/Herrler, § 123 Rn. 18; Ostler, S. 88; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 37. 123 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 36; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 64; Bürgers/Körber/Pelz, § 405 Rn. 10; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 78; so auch Gätsch/ Mimberg, AG 2006, 746, 750; Ostler, S. 88; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 37. 124 Vgl. zur ebenfalls nur relativ wirkenden (§ 67 Abs. 2 AktG) Eintragung im Aktienregister bei Namensaktien GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 64; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 78; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 23. 125 So auch Ostler, S. 88; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 123 Rn. 37. 121
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
dem Gesetz ergeben.126 Die Vorschrift des § 123 Abs. 3 S. 6 AktG hält eine gesetzliche Vertretungsbefugnis bereit.127 Auch wenn der Gesetzgeber zum AktG 1965 die Regelungen zum record date selbstverständlich noch nicht kannte, müssen diese im Rahmen des § 405 AktG Berücksichtigung finden. Es wäre nicht hinnehmbar, den record owner zwar zur Ausübung des Stimmrechts gegenüber der Gesellschaft zu legitimieren, dann aber in der Stimmrechtsausübung eine Ordnungswidrigkeit zu sehen.128 Die Stimmrechtsausübung durch den record owner ist daher von einer Vertretungsbefugnis gedeckt, die den Ordnungswidrigkeitstatbestand entfallen lässt. Die praktische Relevanz dieser Fragestellung dürfte jedoch nur gering sein: Insbesondere bei Veräußerung oder darlehensweiser Überlassung größerer Aktienpakete dürften die Vertragsparteien in aller Regel durch Vertretungs- oder Stimmrechtsausübungsregelungen Vorsorge treffen.129 Vertragliche Regelungen, beispielsweise dergestalt, dass der Darlehensnehmer das Stimmrecht im Sinne des Darlehensgebers auszuüben habe, vermögen indes nichts an der Tatsache zu ändern, dass der Darlehensnehmer als record owner gegenüber der Gesellschaft zur Ausübung des Stimmrechts legitimiert ist. Daher handelt er lediglich vertragswidrig, nicht aber ohne Vertretungsbefugnis und somit ordnungswidrig, wenn er sich nicht an die Vertragsbestimmungen hält. Der Darlehensgeber kann derartigen Schwierigkeiten von vornherein aus dem Weg gehen, indem er von der rahmenvertraglich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, die Aktien durch zeitige Kündigung des Darlehensvertrags wieder in sein Eigentum zu überführen.130 Dann kann er das Stimmrecht aus diesen selbst auszuüben. (2) Einsatz von Derivaten Entledigt sich ein Aktionär des wirtschaftlichen Risikos, das seiner Beteiligung anhaftet, durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente, ist ein Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG nicht gegeben, denn trotz neutralen oder sogar negativen Beteiligungsinteresses ist er im Zeitpunkt der Abstimmung unzweifelhaft Eigentümer der Aktien. Er benutzt durch die Stimmrechtsausübung mithin nicht die Aktien eines anderen.
126 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 38; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 68; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 86. 127 Überzeugend Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 42. 128 Spindler/Stilz/Hefendehl, § 402 Rn. 39 spricht von einem anderenfalls auftretenden „Systembruch“. 129 Vgl. Begründung RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 14; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 42; Seibert, WM 2005, 157, 158. 130 Siehe dazu oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (b).
B. Empty voting
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cc) Ergebnis Die Stimmrechtsausübung des empty voter verstößt nicht gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG. Das gilt – wenngleich mit teils unterschiedlicher Begründung – für das empty voting mithilfe von Derivaten und für die record date capture gleichermaßen. c) Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG aa) Allgemeines Nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG handelt ordnungswidrig, wer zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung Aktien eines anderen benutzt, die er sich zu diesem Zweck durch Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile verschafft hat. Während § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG die Anmaßung regelt, behandelt § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG die kollusive Tatbegehung.131 Beide Varianten wollen verhindern, dass das Verbot des Stimmenkaufs (§ 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG) durch die entgeltliche Aktienleihe umgangen wird.132 Insbesondere aus dem Zusammenspiel mit der den Vorteilsnehmer erfassenden Komplementärvorschrift des § 405 Abs. 3 Nr. 3 AktG könnte man schließen, es solle bereits die unlautere Verschaffung bzw. Überlassung der Aktien unterbunden werden, so dass bereits dieser Vorgang unzulässig wäre.133 Dagegen spricht jedoch zweierlei: Zum einen handelt es sich bei dem Tatbestand des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG um ein mehraktiges Delikt: In einem ersten Schritt muss sich der Täter Aktien eines anderen verschaffen und sie anschließend – wie von vornherein beabsichtigt – zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung benutzen.134 Die bloße Verschaffung der Aktien in der Absicht, die Rechte aus den Aktien zu benutzen, reicht also zur Erfüllung des Ordnungswidrigkeitstatbestands nicht aus; dieser ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Rechte aus den Aktien tatsächlich ausübt135. Zum anderen besteht der Zweck der Tatbestände des § 405 Abs. 3 AktG in der Gewährleistung einer unverfälschten Meinungsbildung in der Hauptversammlung. Dieser Zweck wird aber nicht schon durch die Verschaffung der Aktien, sondern erst durch den Gebrauch der Rechte aus diesen Aktien in der Hauptversammlung berührt. Aus den gleichen Gründen wie bei § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG stellt auch § 405 Abs. 3 131
Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 45. KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 43; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 45; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.53; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1416 f. 133 So offensichtlich Ostler, S. 158 f., der § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG systematisch den Erwerbsbeschränkungen zuordnet. 134 Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 48; Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 47; Bürgers/Körber/Pelz, § 405 Rn. 12; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 102. 135 Hölters/Müller-Michaels, § 405 Rn. 54; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 90; Bürgers/ Körber/Pelz, § 405 Rn. 12; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 107. 132
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Nr. 2 AktG ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB dar, so dass die Stimmrechtsausübung nichtig ist. bb) Anwendung auf das empty voting (1) Record date capture In der Literatur ist gelegentlich zu lesen, derjenige, der das Stimmrecht aus im Wege des Wertpapierdarlehens erworbenen Aktien auf der Hauptversammlung ausübe, verstoße gegen den Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG.136 Folgte man dem, wäre das empty voting in der Ausprägung der record date capture nach § 134 BGB i.V.m. § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG nichtig, und zwar – so ist diese Ansicht zu verstehen – auch dann, wenn der Darlehensnehmer die Aktien erst nach dem Termin der Hauptversammlung an den Darlehensgeber zurückführt. Gerade angesichts der ratio, Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen, hat diese Sichtweise auf den ersten Blick einiges für sich. Dies gilt umso mehr, wenn man mit einbezieht, dass sämtliche Tatbestände des § 405 Abs. 3 AktG – Nr. 2 eingeschlossen – die unverfälschte Meinungsbildung in der Hauptversammlung zu schützen beabsichtigen137. (a) Rückübereignung der Aktien nach dem Hauptversammlungstermin Sofern die genannte Auffassung eine Ordnungswidrigkeit auch für den Fall annimmt, dass der Darlehensnehmer die Aktien erst nach dem Hauptversammlungstermin zurückführt, scheint sie die Vorschrift allerdings nicht sonderlich genau zu lesen. Sie missachtet ihren klaren Wortlaut, der die Benutzung von Aktien „eines anderen“ voraussetzt. Ob der Täter Aktien eines anderen benutzt, richtet sich wie bei § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften.138 § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG erfasst somit die „echte“ entgeltliche Aktienleihe, die mit einem Übergang des Eigentums auf den Entleiher der Aktien nicht verbunden ist, nicht jedoch das häufig unscharf als Aktienleihe bezeichnete Wertpapierdarlehen, das sehr wohl eine Änderung der dinglichen Verhältnisse nach sich zieht. Aktienleihe und Aktiendarlehen sind also – insbesondere auch im Rahmen des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG – strikt voneinander zu trennen. Da der Darlehensnehmer im Zuge des das Wertpapierdarlehen vollziehenden Erfüllungsgeschäfts Eigentümer der Wertpapiere wird, benutzt er nicht die Aktien eines anderen, wenn er auf der Hauptversammlung 136 Gesell, S. 129 (ausdrücklich zum Wertpapierdarlehen als Mittel zur Anhäufung von Stimmrechten vor der Hauptversammlung); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.53; ders./Peters, WM 1994, 525, 529 f.; Lenenbach, 1. Aufl., Rn. 5.90; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483. 137 Vgl. KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 33; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 36; Mittermeier, S. 64, 108; K. Schmidt/Lutter/Oetker, § 405 Rn. 6; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 60. 138 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 44, 36; Kort, DB 2006, 1546; F. A. Schäfer/ Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 94, 78.
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das Stimmrecht ausübt, sondern seine eigenen.139 Schon unter diesem Gesichtspunkt kann die record date capture nicht wegen Verstoßes gegen § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG verboten sein, wenn der Darlehensnehmer die Aktien erst nach dem Hauptversammlungstermin an den Darlehensgeber rückübereignet.140 Die hier abgelehnte Ansicht ließe sich nur dann begründen, wenn man § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG unter Hinweis auf die Vertragsgestaltung beim Wertpapierdarlehen dahingehend auslegte, dass Aktien eines anderen auch solche sind, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Eigentum eines anderen stehen.141 Allerdings sähe sich eine solche Auslegung verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Bestimmheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) ausgesetzt, ist doch nicht hinreichend geklärt, was man unter einer wirtschaftlichen Eigentümerstellung zu verstehen hat.142 (b) Rückübereignung der Aktien noch vor dem Hauptversammlungstermin Eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG liegt auch dann nicht vor, wenn der Darlehensnehmer sich die Regelung des § 123 Abs. 3 S. 6 AktG zunutze macht und das Stimmrecht aus Aktien ausübt, die er vor dem record date gegen Zahlung einer Darlehensgebühr erlangt hat und noch vor dem Hauptversammlungstermin wieder an den Darlehensgeber zurückführt. (aa) Aktien eines anderen Allerdings benutzt der Darlehensnehmer wie bei § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG auch hier durch die Stimmrechtsausübung zunächst die Aktien eines anderen: Zwar ist er gegenüber der Gesellschaft formal legitimiert; die materielle Berechtigung – und allein darauf kommt es an – liegt indes nach der Rückübereignung der Aktien (wieder) beim Darlehensgeber. Ein derartiges Verständnis lässt sich auch mit der Normgeschichte vereinbaren.143 Und schließlich steht auch der Wortlaut der Vorschrift nicht entgegen, wenngleich der Begriff der Aktie und die Relativsatzkonstruktion zunächst darauf hindeuten mögen, dass der zweite Akt des Benutzens der Aktie auf dem ersten Akt des Verschaffens aufsetzen muss, die rechtliche Möglichkeit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ohne die gleichzeitige tatsächliche Aktieninhaberschaft also nicht ausreicht. Die ganz h.M. versteht den Begriff der 139 Dörge, AG 1997, 396, 400; Kort, DB 2006, 1546; Lenenbach, Rn. 7.26; Mittermeier, S. 110; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 46; Ostler, S. 159; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1417. 140 Zu weiteren Argumenten gegen diese Auffasung siehe bereits oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (a). 141 So offensichtlich Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.55 ff.; ders./ Peters, AG 1994, 525, 530. 142 Dörge, AG 1997, 396, 400; Ostler, S. 158 f.; siehe auch Kort, DB 2006, 1546, 1547; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 408; Schwintowski/Lange, § 20 Rn. 56; Mittermeier, S. 111; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 46. 143 Siehe dazu schon oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (a).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Aktie i.R.d. § 405 Abs. 3 AktG indes in einem weiten Sinne: Aktien sind danach die zur Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschaft berechtigenden Rechte.144 Der Täter muss sich also nicht die Aktienurkunde, sondern die Rechte verschaffen, mittels derer er auf die Willensbildung Einfluss nehmen kann. Diese Auslegung gründet auf der ratio des § 405 Abs. 3 AktG, die Unverfälschtheit der Meinungsbildung in der Gesellschaft zu gewährleisten, und verstößt auch nicht gegen das Analogieverbot145, weil der Begriff der Aktie im AktG uneinheitlich verwendet wird und entweder die Beteiligungsquote, die Mitgliedschaft des Aktionärs oder die Urkunde, die das Mitgliedschaftsrecht verbrieft, meinen kann146. (bb) Besonderer Vorteil Darüber hinaus müsste sich der empty voter die Mitgliedschaftsrechte durch das Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile verschafft haben. Beim Wertpapierdarlehen könnte der an den Darlehensgeber gezahlte Darlehenszins den besonderen Vorteil darstellen. Wenn die Kommentarliteratur zu § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG den Vorteil vereinzelt als unentgeltliche Leistung definiert, auf die der Täter keinen Anspruch hat und die ihn materiell oder immateriell besser stellt147, ist das insoweit irreführend, als die Entgeltlichkeit der Aktienverschaffung gerade das Wesen des Tatbestands ausmacht148, wenngleich der Vorteil selbstverständlich auch in einer unentgeltlichen Leistung bestehen kann, wie ein Seitenblick auf den Vorteilsbegriff der §§ 331 ff. StGB zeigt149, an den sich der Vorteilsbegriff in § 405 Abs. 3 Nr. 2, 3, 6 und 7 AktG anlehnt150. Bis hierhin bestehen hinsichtlich der Tatbestandsmäßigkeit des Darlehenszinses keine Zweifel. Problematisch ist allerdings, dass der Darlehenszins auf einem wirksamen Wertpapierdarlehensvertrag beruht und der Darlehensgeber somit einen Rechtsanspruch darauf hat. Dieses Problems entledigt sich die ganz h.M. zu § 331 StGB zwar dadurch, dass der Vorteil auch im Abschluss eines Vertrags liegen kann, auf den der 144
KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 35; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 38; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 63; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 77. 145 So auch Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 38. 146 Vgl. Drygala/Staake/Szalai, § 18 Rn. 11 ff.; Heidel/Fischer, § 1 Rn. 25; Spindler/Stilz/ Fock, § 1 Rn. 94; Hüffer/Koch, § 1 Rn. 13; Henssler/Strohn/Lange, § 1 AktG Rn. 11; K. Schmidt/Lutter/Lutter, § 1 Rn. 29; Wilhelm, Rn. 616, 624; Windbichler, § 25 Rn. 6 ff. 147 GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 79; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 95. 148 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 42; Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 44; skurrilerweise auch GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 78; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 94. 149 Siehe die Definitionen des Vorteils in BGHSt 31, 264, 279; BGHSt 47, 295, 304; Fischer, § 331 Rn. 11; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, § 331 Rn. 14; MünchKommStGB/Korte, § 331 Rn. 60; Lackner/Kühl/Lackner, § 331 Rn. 4 f. 150 Spindler/Stilz/Hefendehl, § 405 Rn. 46; GroßkommAktG/Otto, § 405 Rn. 79; MünchKommAktG/Schaal, § 405 Rn. 96.
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Vorteilsnehmer keinen Anspruch hat.151 Allerdings kann im vorliegenden Zusammenhang auch keine Rede davon sein, der Darlehensgeber habe keinen Anspruch auf Abschluss des Darlehensvertrags; schließlich handelt es sich um ein gewöhnliches und täglich unzählige Male vorkommendes Geschäft. Doch selbst in derartigen Fällen, in denen der Vertrag an sich unbedenklich ist und Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, kann nach h.M. ein relevanter Vorteil dann gegeben sein, wenn die Zuwendung den Vorteilsnehmer besser stellt.152 Es kommt somit für die Frage, ob eine vertragliche Zuwendung einen Vorteil i.S.d. § 331 StGB darstellt, weniger auf das Nichtbestehen eines Rechtsanspruchs, als vielmehr auf die Besserstellung des Vorteilsnehmers an. Eine solche lässt sich im Falle der Überlassung von Aktien zu Eigentum gegen Zahlung eines Darlehenszinses jedoch nicht feststellen, sofern nicht der Zins unangemessen hoch ist oder zusätzliche, den Darlehensgeber begünstigende Nebenvereinbarungen getroffen worden sind. Wertpapierdarlehensgeschäfte sind aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Sie werden massenweise entweder direkt zwischen professionellen Marktteilnehmern oder im Rahmen von Wertpapierdarlehenssystemen anonym abgeschlossen.153 Es ist angesichts dessen in der Regel davon auszugehen, dass der Darlehensgeber auf das Geschäft mit diesem konkreten Darlehensnehmer nicht angewiesen ist, er vielmehr das Geschäft auch mit jedem anderen Vertragspartner zu den gleichen Konditionen hätte abschließen können.154 Ein tatbestandsmäßiger Vorteil i.S.d. § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG liegt daher nicht vor. (2) Einsatz von Derivaten Von vornherein nicht in Betracht kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG, wenn der Aktionär das wirtschaftliche Risiko aus seiner Beteiligung durch den Einsatz von Derivaten abgibt und anschließend das Stimmrecht ohne jegliches wirtschaftliches Interesse oder sogar mit negativem wirtschaftlichem Interesse ausübt. Der empty voter ist in diesem Fall selbst Aktieninhaber, benutzt also schon nicht die Aktien eines anderen.155
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Vgl. BGHSt 31, 264, 279 f.; Fischer, § 331 Rn. 12; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, § 331 Rn. 17; MünchKommStGB/Korte, § 331 Rn. 71; NK-StGB/Kuhlen, § 331 Rn. 55; SKStGB/Rudolphi/Stein, § 331 Rn. 22a; LK-StGB/Sowada, § 331 Rn. 45 f. 152 Umstritten ist indes, ob die Besserstellung objektiv (so BGHSt 47, 295, 304; NK-StGB/ Kuhlen, § 331 Rn. 40; Lackner/Kühl/Lackner, § 331 Rn. 4; SK-StGB/Rudolphi/Stein, § 331 Rn. 19, 22a) oder subjektiv (so MünchKommStGB/Korte, § 331 Rn. 73) zu bestimmen ist. 153 Vgl. oben 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (4). 154 Zu diesem Aspekt vgl. NK-StGB/Kuhlen, § 331 Rn. 56; SK-StGB/Rudolphi/Stein, § 331 Rn. 22a; LK-StGB/Sowada, § 331 Rn. 46. 155 Ebenso Ostler, S. 160.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
cc) Ergebnis Der Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG erfasst das empty voting weder in der Konstellation der record date capture noch in der Konstellation des Einsatzes von Derivaten. d) Stimmrechtsausschluss gemäß § 136 Abs. 1 AktG aa) Allgemeines Erwägenswert scheint auch, die Sonderinteressen des mit risikoentleerten Stimmrechten ausgestatteten Aktionärs durch einen Stimmrechtsausschluss nach § 136 Abs. 1 AktG zu neutralisieren. Nach dieser Vorschrift kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Sinn und Zweck der Norm ist es zu verhindern, dass sich die Stimmabgabe und daraus folgend der Hauptversammlungsbeschluss nicht am Gesellschaftsinteresse, sondern an den Eigeninteressen des Aktionärs orientiert.156 bb) Anwendung auf das empty voting Brächte man diese Vorschrift auf das empty voting zur Anwendung, wäre der Aktionär mit einem neutralen oder negativen Vermögensinteresse an seiner Beteiligung von der Ausübung des Stimmrechts komplett ausgeschlossen. (1) Unmittelbare Anwendung Die unmittelbare Anwendung des § 136 Abs. 1 AktG auf das empty voting scheidet aus, da erkennbar keine der genannten Konstellationen vorliegt. (2) Gesamtanalogie zu anderen Stimmrechtsverboten (§ 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG) Allerdings ist zu untersuchen, ob nicht eine Analogie in Betracht kommt. Im Schrifttum wird teilweise ein umfassendes Stimmverbot bei Interessenkonflikten erwogen, das sich aus einer Gesamtanalogie157 zu anderen ausdrücklich normierten 156 OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 206; Wachter/Dürr, § 136 Rn. 2; Grigoleit/Herrler, § 136 Rn. 1; Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 2; Jäger, § 24 Rn. 154; Heidel/Krenek/Pluta, § 136 Rn. 1; Henssler/Strohn/Liebscher, § 136 AktG Rn. 1; Spindler/Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 1; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 136 Rn. 1; Windbichler, § 29 Rn. 28. 157 Zu dieser methodischen Figur, die mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge knüpfen, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz entnimmt, der auf einen im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft
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Stimmrechtsverboten (insbesondere § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG) ergeben soll. Wilhelm begründet die Möglichkeit einer Gesamtanalogie mit dem Hinweis, alle ausdrücklich normierten gesellschaftsrechtlichen Stimmverbote stellten Anwendungsfälle des § 181 BGB dar, enthielten also den allgemeinen Rechtsgedanken des Insichgeschäfts.158 Nach K. Schmidt werden alle positivrechtlich normierten Stimmverbote, und somit auch § 136 Abs. 1 AktG, durch zwei Grundgedanken geprägt: den Gedanken des Insichgeschäfts und das Verbot, als Richter in eigener Sache mitzustimmen. Dementsprechend seien alle Stimmverbote einheitlich zu handhaben.159 Wenngleich man an der uneinheitlichen gesetzlichen Normierung der Stimmrechtsverbote Kritik üben mag, können diese Ansätze nicht überzeugen. Gegen die Zulässigkeit einer Gesamtanalogie spricht schon die kasuistische Gesetzestechnik.160 Entscheidend ist jedoch die historische Entwicklung der Norm161: Bis zum Jahre 1937 enthielt die Vorgängernorm des § 252 Abs. 3 HGB als vierten Stimmrechtsverbotstatbestand noch die Vornahme von Rechtsgeschäften mit einem Aktionär. Im Rahmen der Neuschaffung des AktG wurde dieser Tatbestand in § 114 AktG 1937 bewusst nicht mehr aufgenommen.162 Es fehlt mithin an der für die Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Nicht zuletzt wäre eine Gesamtanalogie der Rechtssicherheit abträglich.163 Gerade aus diesem Grund jedoch hatte der historische Gesetzgeber von der Einführung einer Generalklausel, nach der das Stimmrecht immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Interesse des Aktionärs dem Gesellschaftsinteresse widerspricht, Abstand genommen und sich für die Gesetz gewordene kasuistische Regelung entschieden.164
wie auf die geregelten Tatbestände, vgl. Bydlinski, S. 478 f.; Larenz/Canaris, S. 204; Röhl/ Röhl, § 80 I, S. 634; Rüthers/Fischer/Birk, Rn. 892. 158 Wilhelm, JZ 1976, 674, 675 f.; ders., Rechtsform und Haftung, S. 66 ff.; ders., Rn. 1199. 159 K. Schmidt, § 21 II 2, S. 608 ff. 160 OLG München AG 1995, 381, 382; Wachter/Dürr, § 136 Rn. 14; Bürgers/Körber/ Holzborn, § 136 Rn. 10; Hüffer/Koch, § 136 Rn. 17 f.; Ostler, S. 168; Spindler/Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 15; MünchKommAktG/Schröer, § 136 Rn. 21; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 136 Rn. 29; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 26; a.A. Wilhelm, JZ 1976, 674, 676; ders., Rechtsform und Haftung, S. 71 ff. 161 So auch Ostler, S. 165 f., 168 f.; Spindler/Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 15. 162 Vgl. Klausing, Amtl. Begr. zum AktG 1937, S. 101; Schlegelberger/Quassowski, § 114 Rn. 20; siehe auch GroßkommAktG/Grundmann, § 136 Rn. 6; Grigoleit/Herrler, § 136 Rn. 10; MünchKommAktG/Schröer, § 136 Rn. 21; Zimmermann, FS Rowedder, S. 593, 598; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 26. 163 Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 10; Schneider, ZHR 150 (1986) 609, 613; Zimmermann, FS Rowedder, S. 593, 598; so auch BGHZ 97, 28, 33 für die Parallelvorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG. 164 Raiser/Veil, § 16 Rn. 78; Zimmermann, FS Rowedder, S. 593, 598.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(3) (Einzel-)Analogie zu § 136 Abs. 1 AktG Nach Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur sprechen diese Gesichtspunkte allerdings nur gegen eine Gesamt-, nicht jedoch gegen eine Spezialoder Einzelanalogie zu § 136 Abs. 1 AktG. Daher soll in Anlehnung an eine der drei in § 136 Abs. 1 AktG ausdrücklich genannten Konstellationen über deren Wortlaut hinaus ein Stimmrechtsausschluss dann zulässig sein, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt, der den gesetzlich geregelten eng verwandt ist, diesen also quantitativ und qualitativ entspricht.165 Zweifelsohne ist mit der Absage an eine Gesamtanalogie nicht zugleich auch die Unzulässigkeit einer Einzelanalogie verbunden. Im Falle des § 136 Abs. 1 AktG sprechen gleichwohl die besseren Gründe gegen die Zulässigkeit der Einzelanalogie: Auch diese setzt neben einer vergleichbaren Interessenlage eine planwidrige Regelungslücke voraus. Schon die Frage nach dem Vorliegen einer quantitativ und qualitativ vergleichbaren Interessenlage aber wird von den Vertretern der herrschenden Auffassung keineswegs einheitlich beantwortet.166 Angesichts der oben geschilderten Normhistorie ist aber auf jeden Fall die Planwidrigkeit der Regelungslücke zu verneinen.167
165 BGHZ 97, 28, 33 (für § 47 Abs. 4 GmbHG); GroßkommAktG/Grundmann, § 136 Rn. 39; Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 10; Grigoleit/Herrler, § 136 Rn. 11; Hüffer/Koch, § 136 Rn. 18; Spindler/Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 16; MünchKommAktG/Schröer, § 136 Rn. 22 ff.; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 136 Rn. 30 ff.; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 28; Zurückhaltung anmahnend Wachter/Dürr, § 136 Rn. 14; Hölters/Hirschmann, § 136 Rn. 8; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 10.904; zur Frage nicht Stellung nehmend OLG München AG 1995, 381, 382; gegen eine Einzelanalogie Zimmermann, FS Rowedder, S. 593, 601 f.; wohl auch OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 206: „Unabhängig davon aber begegnet die Entscheidung des LG Frankfurt ganz erheblichen Bedenken. Eine analoge Ausdehnung des Stimmrechtsausschlusses über die drei abschließend aufgeführten Fälle von Interessenkollisionen hinaus auf sonstige Fälle wird im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 136 AktG grundsätzlich abgelehnt.“; Windbichler, § 29 Rn. 28: „Die Regelung ist zwingend und abschließend. Weitergehende Stimmrechtsausschlüsse wegen Interessenkollision im älteren Aktienrecht haben sich nicht bewährt und sind deshalb beseitigt worden. Entgegenstehendes eigenes Interesse schließt also, von den oben genannten Fällen abgesehen, das Stimmrecht nicht aus.“ 166 Zur Vertagung der Beschlussfassung über einen der drei ausdrücklich von § 136 Abs. 1 AktG genannten Fälle vgl. Wachter/Dürr, § 136 Rn. 14; Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 10; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 28 einerseits (für Stimmrechtsausschluss); Grigoleit/Herrler, § 136 Rn. 11; Spindler/Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 18; MünchKommAktG/ Schröer, § 136 Rn. 23 andererseits (differenzierend); zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds, das gleichzeitig Aktionär ist, nach § 103 Abs. 1 AktG vgl. K. Schmidt/Lutter/ Spindler, § 136 Rn. 30; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 28 einerseits (für Stimmrechtsausschluss); Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 10; Hüffer/Koch, § 136 Rn. 19; Spindler/ Stilz/Rieckers, § 136 Rn. 19; MünchKommAktG/Schröer, § 136 Rn. 24 andererseits (gegen Stimmrechtsausschluss). 167 So auch Zimmermann, FS Rowedder, S. 593, 601 f.
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Ungeachtet dessen ist die Einzelanalogie wohl kaum von großer praktischer Relevanz, denn an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt es nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen bereits dann, wenn ein Rechtsgeschäft mit dem Aktionär abgeschlossen werden soll.168 Die Relevanzfrage stellt sich auch insofern, als sich die für eine Einzelanalogie diskutierten Fallkonstellationen auch über eine Anfechtung des Beschlusses, an dem der Aktionär mitgewirkt hat, lösen lassen. In Betracht zu ziehen sind insbesondere die Anfechtung wegen eines Verstoßes gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht (§ 243 Abs. 1 AktG) bzw. gegen das Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG).169 Nach der hier vertretenen Ansicht kommt somit eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 1 AktG auf das empty voting von vornherein nicht in Betracht.170 Doch selbst wenn man der herrschenden Ansicht folgte und eine Analogie für möglich erachtete, müsste eine solche im Falle des empty voting ausscheiden. Zwar dürfte insofern keine Rolle spielen, dass das empty voting weder einen Fall des Insichgeschäfts noch ein Richten in eigener Sache darstellt, da sich die in § 136 Abs. 1 AktG geregelten Stimmverbote weder dem einen noch dem anderen Rechtsgedanken eindeutig zuordnen lassen171, sondern vielmehr als kasuistische Ausprägungen von Interessenkollisionen aufzufassen sind172. Jedoch erscheint es zum einen – trotz des ihm anhaftenden Interessenkonfliktpotentials – fraglich, ob das empty voting einen Fall darstellt, der einem der ausdrücklich geregelten Fälle qualitativ und quantitativ entspricht, denn das empty voting hat weder zur Entlastung des Aktionärs noch zur Befreiung desselbigen von einer Verbindlichkeit noch zur Geltendmachung eines Anspruchs gegen ihn einen näheren Bezug. Zum anderen wendet auch die herrschende Meinung das Instrument der Einzelanalogie eher zurückhaltend an. e) Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG) aa) Allgemeines Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht nur auf die in § 243 Abs. 1 AktG genannten inhaltlichen Mängel, sondern nach § 243 Abs. 2 S. 1 168 GroßkommAktG/Grundmann, § 136 Rn. 39; Hüffer/Koch, § 136 Rn. 18; Spindler/Stilz/ Rieckers, § 136 Rn. 17. 169 GroßkommAktG/Grundmann, § 136 Rn. 40; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 10.904; zu beidem im Zusammenhang mit dem empty voting siehe noch unten 4. Kapitel B. II. 3. e) und B. II. 3. h). 170 So im Ergebnis auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1173; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609; Wentrup, S. 157; siehe auch Mittermeier, S. 303 f. unter Hinweis auf das flexiblere Instrument der Treuepflicht. 171 Anders, aber nicht überzeugend, Ostler, S. 169, nach dem das Verbot des Richtens in eigener Sache den gemeinsamen Nenner der in § 136 Abs. 1 S. 1 AktG geregelten Fallgruppen darstellt. 172 Bürgers/Körber/Holzborn, § 136 Rn. 1; Hüffer/Koch, § 136 Rn. 3; Raiser/Veil, § 16 Rn. 78; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 136 Rn. 4; KölnKommAktG/Zöllner, § 136 Rn. 2, 6.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
AktG auch auf den Umstand173 gestützt werden, dass ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Diese in der Literatur zu Recht kritisierte174 Vorschrift ist zwar in der Praxis bisher weitgehend bedeutungslos175, könnte im empty voting indes einen neuen Anwendungsbereich finden. bb) Anwendung auf das empty voting Zu prüfen ist demnach, ob das Abstimmen ohne oder mit negativem Beteiligungsinteresse die hohen Anforderungen des § 243 Abs. 2 AktG erfüllt. (1) Stimmrechtsausübung durch einen Aktionär Das Merkmal der Stimmrechtsausübung durch einen Aktionär bereitet keine Schwierigkeiten, denn darum geht es gerade beim empty voting. (2) Erlangung von Sondervorteilen Das zentrale Merkmal des § 243 Abs. 2 AktG liegt in dem Begriff des Sondervorteils, den der Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts zu erlangen sucht. Sondervorteil ist jeglicher Vorteil, sofern es als sachwidrige, mit den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre unvereinbare Bevorzugung erscheint, dem Aktionär oder einem Dritten den Vorteilserwerb zu gestatten oder den bereits vollzogenen Erwerb hinzunehmen.176 Gestaltet ein Aktionär sein Beteiligungsinteresse neutral und nimmt durch Stimmrechtsausübung an der Beschlussfassung teil, wird er dies in aller Regel in der Absicht tun, Vorteile zu erlangen, die allein ihm, nicht aber seinen Mitaktionären zugute kommen. Im Falle eines negativen wirtschaftlichen Interesses tritt regelmäßig die Absicht hinzu, aus einem sinkenden Aktienkurs der Gesellschaft Profit zu schlagen, während alle anderen Aktionäre wegen der proportionalen Ausgestaltung ihrer Beteiligungen auf einen steigenden Kurs hoffen. Da der Vorteil nicht allen zufließt, die sich gegenüber der Gesellschaft in vergleichbarer Lage befinden, und 173 Zu § 243 Abs. 2 AktG als Fall der Umstandssittenwidrigkeit siehe MünchKommAktG/ Hüffer, § 243 Rn. 70; Ostler, S. 174; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 194. 174 Vgl. MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 72; Hüffer/Koch, § 243 Rn. 37; Raiser/Veil, § 16 Rn. 156; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 59; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 206. 175 Hölters/Englisch, § 243 Rn. 52; Wachter/Epe, § 243 Rn. 35 f.; Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 16; Raiser/Veil, § 16 Rn. 154; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 52; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 20; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 191. 176 So die Definition der ganz h.M., vgl. Henssler/Strohn/Drescher, § 243 AktG Rn. 29; Grigoleit/Ehmann, § 243 Rn. 19; Wachter/Epe, § 243 Rn. 37; Heidel/Heidel, § 243 Rn. 28; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 75; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 54 f.; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 21; vgl. auch BGHZ 138, 71, 80 f.
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der empty voter den Vorteil nicht zu marktüblichen Konditionen – d. h. gegen Erbringung einer angemessenen Gegenleistung – erlangt, erstrebt er nach dem in der Literatur jedenfalls im Grundsatz befürworteten Vergleichsmarktkonzept177 einen Sondervorteil.178 Dass ihm dieser Vorteil nicht unmittelbar auf dem Wege einer Zuwendung der Gesellschaft zufließt, ist nicht von Belang. Es genügt, dass sich die Gesellschaft veranlasst sieht, nachteilige Maßnahmen zu ergreifen bzw. vorteilhafte Maßnahmen zu unterlassen, und dem Aktionär dadurch die (indirekte) Erlangung des Vorteils ermöglicht.179 In der Literatur wird als Beispiel der Fall genannt, dass die Gesellschaft auf eigene Geschäftschancen zugunsten des Aktionärs oder eines Dritten verzichtet.180 So lag es wohl im Fall Henderson Land/Henderson Investment, in dem ein Hedgefonds eine Eigentümlichkeit des Rechts von Hong Kong ausnutzte, um eine von allen anderen Beteiligten einhellig begrüßte Transaktion zu verhindern und aus dem damit verbundenen Kursverlust der Bietergesellschaft persönliche Gewinne zu generieren. Ein mittelbar erlangter Vorteil tritt aber auch dann auf, wenn der Aktionär wie im Fall Mylan/King aus seiner Position an der Bietergesellschaft/ übernehmenden Gesellschaft risikoentleert für eine Übernahme bzw. Verschmelzung stimmt, um als Aktionär der Zielgesellschaft/übertragenden Gesellschaft die Übernahmeprämie/Gegenleistung einstreichen zu können. (3) Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre Der Hauptversammlungsbeschluss muss überdies zu einem Schaden der Gesellschaft oder eines Teils181 der anderen Aktionäre führen. Der Schaden der Gesellschaft bzw. anderer Aktionäre muss dem Vorteil des Aktionärs nicht entsprechen; Stoffgleichheit ist also nicht erforderlich. Allerdings muss ein Kausalzusammenhang zwischen beidem bestehen.182 Selbstständige Bedeutung kommt dem Merkmal des Schadens meist nicht zu, da die Feststellung eines Sondervorteils im Allgemeinen die Annahme eines Schadens der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre impliziert.183
177
Vgl. Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 17; Heidel/Heidel, § 243 Rn. 28; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 78 f.; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 457; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 55; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 21. 178 So auch Ostler, S. 176; a.A. Mittermeier, S. 306. 179 MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 77. 180 Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 17; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 77; Hüffer/ Koch, § 243 Rn. 35; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 54; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 216. 181 Dazu siehe MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 83; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 23; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 202; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 220. 182 Grigoleit/Ehmann, § 243 Rn. 19; Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 18; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 83; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 57; K. Schmidt/Lutter/ Schwab, § 243 Rn. 23; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 221. 183 Wachter/Epe, § 243 Rn. 41; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 83; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 221.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
So liegt es auch in den gravierenden Fällen des empty voting: Bei neutralem wirtschaftlichem Interesse ist dem Aktionär die Kursentwicklung egal; er verfolgt dementsprechend durch seine Abstimmung „nur“ gesellschaftsfremde Sonderinteressen. Gleichwohl entzieht er der Gesellschaft dadurch Vermögen, so dass zunächst diese einen Schaden erleidet. Mittelbar werden zudem die übrigen Aktionäre geschädigt, weil das der Gesellschaft entzogene Vermögen nicht mehr zur Ausschüttung von Dividenden zur Verfügung steht. Bei negativem Beteiligungsinteresse ist es Ziel des Aktionärs, von einer negativen Kursentwicklung der Gesellschaft zu profitieren, was jedoch gleichzeitig bedeutet, dass alle anderen Aktionäre dementsprechende Schäden erleiden.184 In diesem Fall besteht zwischen dem Vorteil des Aktionärs und dem Schaden der anderen Aktionäre sogar Stoffgleichheit. Wie kürzlich zu Recht betont wurde, kann dieses Ergebnis nicht mit dem Argument bestritten werden, in diesen Konstellationen beruhe der Vorteil nicht auf dem Schaden, sondern umgekehrt der Schaden auf dem Vorteil. In welcher Richtung der Kausalzusammenhang besteht, spielt keine Rolle.185 (4) Eignung des Beschlusses zur Erlangung von Sondervorteilen Schließlich verlangt § 243 Abs. 2 AktG, dass der Beschluss geeignet ist, der Erlangung von Sondervorteilen zu dienen. Der Sondervorteil muss daher die objektiv mögliche Konsequenz des Beschlussinhalts darstellen.186 Diesbezüglich stellt die Literatur allerdings keine strengen Anforderungen und lässt es genügen, dass die nicht gänzlich entfernte Möglichkeit der Vorteilserlangung besteht.187 Daher kann im Falle des empty voting an der Erfüllung dieser Voraussetzung kein Zweifel bestehen188 : Sofern eine bestimmte Entscheidung im Aktionariat heiß umstritten ist, kann der empty voter wie im Fall Axa/Mony schon mit einem kleineren Stimmrechtspaket den Ausschlag geben (swing votes) und den erwünschten Beschluss herbeiführen.189 Da § 243 Abs. 2 AktG jedoch an den objektiv bestehenden Makel des Beschlusses anknüpft, ist eine wie auch immer geartete Kausalität der Stimmen des empty voter für das Beschlussergebnis ohnehin nicht erforderlich; seine Stimmabgabe muss für die Annahme oder Ablehnung des Beschlussantrags also weder allein noch mitursächlich sein.190 Aber auch in anderen Fällen kann ein signifikantes Aktienpaket des empty voter angesichts der rationalen Apathie der Aktionäre geeignet sein, das Beschlussergebnis in seinem Sinne zu beeinflussen. Von Sonderkonstellationen nach 184
Ebenso Ostler, S. 180. Näher dazu Ostler, S. 180 f. 186 Heidel/Heidel, § 243 Rn. 33; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 84; Hüffer/Koch, § 243 Rn. 33. 187 KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 228; gleichsinnig MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 84; Hüffer/Koch, § 243 Rn. 33. 188 Unnötig weitschweifig Ostler, S. 181 ff. 189 Siehe dazu schon oben 3. Kapitel A. IV. 1. 190 So MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 74; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 205; a.A. (für Mitursächlichkeit) Ostler, S. 184; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 225 f. 185
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Art des Falls Henderson Land/Henderson Investment abgesehen, verspricht insbesondere die Ablehnung eines Beschlussantrags Aussicht auf Erfolg, da es hierfür lediglich des Aufbaus einer Sperrminorität bedarf. Erfordert ein Beschluss wie beispielsweise der Verschmelzungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit des anwesenden Grundkapitals (vgl. § 65 Abs. 1 UmwG), können bereits 10 – 15 % des stimmberechtigten Grundkapitals zur Verhinderung der Verschmelzung ausreichen.191 (5) Vorsatz bezüglich des Sondervorteils Da es dem empty voter gerade darauf ankommt, zu Lasten der Gesellschaft und/ oder der anderen Aktionäre private Sondervorteile zu erzielen, ist das Erfordernis bedingten Vorsatzes192 aus § 243 Abs. 2 AktG erfüllt. Auf den Schaden der Gesellschaft bzw. der anderen Aktionäre muss sich der Vorsatz des empty voter nicht beziehen.193 cc) Ergebnis Ein empty voter mit neutralem oder negativem Beteiligungsinteresse verstößt demzufolge in der Regel gegen das Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen aus § 243 Abs. 2 AktG. dd) Rechtsfolgen (1) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses Ein gegen § 243 Abs. 2 AktG verstoßender Hauptversammlungsbeschluss ist grundsätzlich anfechtbar. Erkennt der Leiter der Hauptversammlung den Verstoß eines Aktionärs gegen § 243 Abs. 2 AktG, darf er dessen Stimmen nicht berücksichtigen.194 Doch selbst wenn der Beschluss auch bei Nichtberücksichtigung dieser Stimmen zustande gekommen wäre, entfällt die Anfechtbarkeit nicht, weil die Stimmen des unredlich handelnden Aktionärs für das Beschlussergebnis nicht ursächlich sein müssen.195 In der Praxis stellt sich indes das Problem der Erkennbarkeit 191 Ebenso Ostler, S. 47, 183, der allerdings bezweifelt, dass im Absehen von einer Verschmelzung oder Unternehmensübernahme jemals eine Schädigung der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre erblickt werden kann. Dieses Vorgehen des Aktionärs wird jedoch gerade von der Fallgruppe „Veranlassung des Verzichts der Gesellschaft auf eigene Geschäftschancen“ erfasst, die Ostler auf S. 177 f. auch anspricht; siehe auch schon oben 4. Kapitel B. II. 3. e) bb) (2). 192 Hölters/Englisch, § 243 Rn. 61; Wachter/Epe, § 243 Rn. 42; Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 18; Heidel/Heidel, § 243 Rn. 31; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 85; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 223; a.A. K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 24; MünchHdbAG/ Semler, § 41 Rn. 31 (dolus directus I. Grades). 193 Vgl. Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 18; Heidel/Heidel, § 243 Rn. 31; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 86; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 204; KölnKommAktG/ Zöllner, § 243 Rn. 224. 194 Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 208. 195 Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 208; siehe schon oben 4. Kapitel B. II. 3. e) bb) (4).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
des empty voting196 : Selbst in seinen gravierenden Fällen ist die Risikoentleerung der Stimmrechte für den Hauptversammlungsleiter nicht feststellbar. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses wird ihm und den übrigen Aktionären daher regelmäßig verborgen bleiben.197 (2) Darlegungs- und Beweislast (a) Allgemeines Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Anfechtungskläger. Er hat daher insbesondere darzulegen und ggf. zu beweisen, dass mit der Beschlussfassung ein unzulässiger Sondervorteil verfolgt wurde und der Aktionär insofern vorsätzlich handelte.198 Dies kann den Kläger vor einige Probleme stellen. Die Literatur springt ihm daher mit Beweiserleichterungen in Form einer sekundären Beweislast der Gesellschaft zu Hilfe: Der Kläger muss lediglich begründete Anhaltspunkte für den behaupteten Verstoß darlegen; die Gesellschaft ist dann verpflichtet, dem beweisbelasteten Kläger die in ihren Wahrnehmungsbereich fallenden Tatsachen zugänglich machen.199 (b) Vorsatzvermutung Eine weitere Beweiserleichterung ergibt sich für den klagenden Aktionär im Falle des empty voting: Die obigen Ausführungen200 haben gezeigt, dass das empty voting stets mit Anreizverzerrungen und im Falle des neutralen und negativen wirtschaftlichen Beteiligungsinteresses zusätzlich mit Interessenkonflikten einhergeht. Sie lassen es zu, den Interessenkonflikt zu vermuten, wenn der Aktionär das Stimmrecht ausübt, obwohl seiner Beteiligung ein negatives wirtschaftliches Interesse entspringt.201 Diese Vermutung greift auch dann, wenn der empty voter sein Beteili196 Zu den Transparenzpflichten im Zusammenhang mit dem empty voting siehe ausführlich unten 4. Kapitel B. III. 197 Vgl. auch Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 468 f. (im Hinblick auf die Treuepflicht); Mittermeier, S. 299, nach dem die gesellschaftsrechtlichen Instrumentarien für eine wirkungsvolle Durchsetzung auf die Transparenzregelungen angewiesen sind; ferner Wymeersch, Working Paper, S. 7: „How to deal with empty voting? An outright ban would run into considerable difficulties in terms of enforcement: how to prove that the voting party has covered his economic risk?“; für eine aus der Treuepflicht fließende Pflicht des empty voter zur Offenlegung seines Interessenkonflikts Mittermeier, S. 327 ff. 198 Bürgers/Körber/Göz, § 246 Rn. 42; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 144 f.; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 246 Rn. 80; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 209, 264; siehe auch KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 105 ff., § 246 Rn. 71. 199 So oder ähnlich GroßkommAktG/K. Schmidt, § 246 Rn. 81; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 265; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 107. 200 Siehe 3. Kapitel A. II. 2. 201 Ähnlich Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 77: indizielle Bedeutung der Nutzung risikoentleerter Stimmrechte (in Bezug auf die Frage des Treuepflichtverstoßes).
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gungsinteresse lediglich neutral ausgestaltet hat, weil die Stimmrechtsausübung aus einer solchen Beteiligung für ihn nur dann Sinn macht, wenn er sich gesellschaftsfremde Sondervorteile zuschanzen kann. Da es jedoch im Einzelfall denkbar ist, dass auch ein Aktionär mit neutralem oder negativem wirtschaftlichem Interesse im Unternehmensinteresse abstimmt, sollte die Vermutung als widerlegliche ausgestaltet werden, d. h. der empty voter kann die Vermutung des Interessenkonflikts durch den Nachweis widerlegen, dass im konkreten Fall ein Interessenkonflikt in seiner Person nicht bestand. Diese Vermutung des Interessenkonflikts bei bestehendem neutralem oder negativem Beteiligungsinteresse hat zur Folge, dass auch der Vorsatz des empty voter in Bezug auf die Erlangung von Sondervorteilen vermutet wird.202 Wer das wirtschaftliche Risiko aus seiner Beteiligung vollständig abgibt oder sogar negativ stellt, tut dies in aller Regel zur Erzielung persönlicher Gewinne, an denen die Mitaktionäre nicht partizipieren. Doch auch in diesem Zusammenhang wirkt die fehlende Transparenz als Hemmschuh: Besteht über die wirtschaftliche Ausgestaltung der Beteiligung keine Klarheit, kann auch eine Vorsatzvermutung nicht zur Anwendung kommen.203 f) Zwischenergebnis Nach hier vertretener Ansicht stellt der Abschluss eines Derivat- bzw. Wertpapierdarlehensgeschäfts in der Absicht, aus Aktien ohne oder mit negativem Beteiligungsinteresse abzustimmen, einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG dar.204 Überdies ist das empty voting als solches, also die Ausübung des Stimmrechts aus einer risikoentleerten oder wirtschaftlich negativ gestellten Beteiligung, wegen Verstoßes gegen § 243 Abs. 2 AktG verboten.205 Wer diesem Weg nicht folgen möchte, muss sich fragen, ob nicht der Rückgriff auf allgemeine Wertungen weiterhilft. Die Rede ist vom Institut des Rechtsmissbrauchs und von der mitgliedschaftlichen Treuepflicht. g) Rechtsmissbrauch aa) Allgemeines Schranke jeder Rechtsausübung ist das aus § 242 BGB hergeleitete Verbot des Rechtsmissbrauchs. Bei diesem geht es typischerweise um die Frage, ob die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig und daher unzulässig anzusehen ist. Neben diesen individuellen Rechtsmissbrauch tritt der institutionelle Rechtsmissbrauch, der ein Zurücktreten der sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm 202 So auch Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 77 (in Bezug auf den Treuepflichtverstoß); Ostler, S. 184 f. 203 Siehe auch Ostler, S. 185. 204 Vgl. oben 4. Kapitel B. II. 2. c). 205 Dazu soeben 4. Kapitel B. II. 3. e).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
ergebenden Rechtsfolge verlangt, wenn diese zu einem mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führt206. Bedeutsam ist diese Differenzierung207 insbesondere im Hinblick auf die Herleitungsbasis für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs: Während dieser beim individuellen Rechtsmissbrauch an das Verhalten des Rechtsinhabers anknüpft, ergibt er sich beim institutionellen Rechtsmissbrauch aus dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts bzw. der Rechtsnorm.208 Leitend beim institutionellen Rechtsmissbrauch ist demnach der Gedanke, dass die Rechtsordnung ein bestimmtes Rechtinstitut bzw. eine bestimmte Rechtsnorm für gewisse Zwecke nicht zur Verfügung stellt. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs findet auf allen Rechtsgebieten und in allen Rechtsverhältnissen Anwendung, so dass „der Ausübung eines jeden Rechts auf irgendeinem Rechtsgebiet und jedweder Art insofern Grenzen gezogen sind, als es nicht missbräuchlich ausgeübt werden darf“209. Daher ist es auch dem Inhaber des Stimmrechts untersagt, dieses rechtsmissbräuchlich einzusetzen. bb) Verhältnis des Instituts des Rechtsmissbrauchs zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Da es bis dato nicht gelungen ist, das Verhältnis zwischen dem allgemein-zivilrechtlichen Institut des Rechtsmissbrauchs und der gesellschaftsrechtlichen Figur der Treuepflicht einer Klärung zuzuführen210, verwundert es auch nicht, dass sowohl
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Vgl. BGHZ 29, 6, 10; BGHZ 48, 396, 398. Zu ihr Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 40; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 218; Jauernig/Mansel, § 242 Rn. 34; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rn. 51; Soergel/ A. Teichmann, § 242 Rn. 13 ff. 208 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 218; MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rn. 205; siehe auch BGHZ 180, 154 Rn. 12, wonach sich die Frage eines Rechtsmissbrauchs nur in Relation zu der gesetzgeberischen Zielsetzung beurteilen lässt; Erman/Böttcher/ Hohloch, § 242 Rn. 102: „Jede Rechtsnorm trägt ihre durch Rechtsidee, Interessenlage und Zweck bestimmte Geltungsschranke in sich. Nur in diesem Rahmen ist Berufung auf sie zulässig; überschreitet der Gläubiger diese Geltungsschranke, so übt er seine Rechte in unzulässiger Weise aus.“; Fröde, NZG 2007, 729, 731 ff. 209 BGH NJW 1960, 673; siehe auch Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 103; Soergel/ A. Teichmann, § 242 Rn. 14, 65. 210 Siehe beispielsweise GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 47 f., der den individuellen Rechtsmissbrauch mit der Treuepflichtverletzung gleichsetzt; Wentrup, S. 157, der den naheliegenden Treuepflichtverstoß in einem Atemzug mit dem ebenfalls naheliegenden Verstoß gegen das Verbot des Rechtsmissbrauchs nennt; ferner Leyens, JZ 2007, 1061, 1070 mit Fn. 160, der die Begriffe „mitgliedschaftliches Rücksichtnahmegebot“, „unverhältnismäßige Rechtsausübung“ und „Treuepflicht“ (mit dieser befasst sich die von Leyens zitierte BGHEntscheidung) in eins zu setzen scheint; siehe auch Grigoleit/Grigoleit, § 1 Rn. 59, der meint, die dogmatische Verankerung der Treubindung mache andere generalklauselartige Rechtsinstitute zur Lösung mitgliedschaftlicher Konflikte (insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Verbot des Rechtsmissbrauchs) entbehrlich. 207
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der Rechtsmissbrauch211 als auch die Treuepflicht212 als geeignete Instrumente angesehen werden, mithilfe derer man das Problem des empty voting bewältigen könnte. Eine aktienrechtliche Literaturstimme lässt sich zum Verhältnis von Treuepflicht und Verbot des Rechtsmissbrauchs dahingehend ein, dass dieses zu den rechtlichen Schranken gehöre, die durch die herrschenden Treubindungen konstituiert seien.213 In den Kommentierungen zu § 242 BGB ist zu lesen, im Gesellschaftsrecht könne ein Rechtsmissbrauch darin zu sehen sein, dass eine bestimmte Stimmrechtsausübung gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt.214 Danach würde die Treuepflicht eine auf das Gesellschaftsrecht bezogene Fallgruppe des Rechtsmissbrauchsverbots darstellen. Erblickt man mit einer Ansicht in der aktienrechtlichen Literatur die Grundlage der mitgliedschaftlichen Treuepflicht im Grundsatz von Treu und Glauben215, wird man die mitgliedschaftliche Treuepflicht gewissermaßen als lex specialis zum Institut des Rechtsmissbrauchs ansehen müssen216. Hingegen erfüllt nach Henze die rechtsmissbräuchliche Ausübung eines Mitgliedschaftsrechts stets die Voraussetzungen der Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Treue-
211 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 617 ff.; Lenenbach, 1. Aufl., § 5 Rn. 90; wohl auch Gesell, S. 129, der vom Aufbau eines „Schein-Potentials“ und von einem erheblichen Missbrauchsrisiko spricht; auch der BGH hat in seiner bedeutenden Lindner-Entscheidung die Frage der Erlangung des squeeze out-Quorums mittels Wertpapierdarlehen unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs erörtert, vgl. BGHZ 180, 154 Rn. 11 ff. 212 Vgl. Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2120; Fleischer, ZGR 2008, 185, 216 f.; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 316 f.; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410 f.; Langenbucher, § 8 Rn. 16; KölnKommAktG/Noack/Zetzsche, § 123 Rn. 256, 261; Wenninger, S. 65 ff.; Wentrup, S. 157; Zetzsche, NZG 2009, 692, 697; nicht ganz eindeutig Leyens, JZ 2007, 1061, 1070; siehe aus dem Schrifttum zum US-amerikanischen Recht der fiduciary duties von Aktionären Zanoni, Global Jurist 9 (2009), Issue 4, Article 4, S. 23 ff.; siehe auch den exzellenten Aufsatz von Anabtawi/Stout, 60 Stan. L. Rev. 1255 (2008) zur Frage, ob nicht auch Minderheitsaktionären in manchen Fällen fiduciary duties auferlegt werden sollten; allgemein zu den fiduciary duties Merkt, Rn. 901 f.; siehe auch Zetzsche, NZG 2009, 692, 697 mit Fn. 73. 213 GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 24. 214 MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rn. 237; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rn. 74; gleichsinnig BGH ZIP 1991, 1427. 215 Nachdrücklich Hennrichs, AcP 195 (1995) 221, 228 ff.; siehe auch Burgard, FS Lutter, S. 1033, 1038; ders., ZIP 2002, 827, 834; Jilg, S. 53 ff.; Nadoushani, S. 38 f., 94 ff., 110; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 516 f.; MünchKommBGB/Roth/ Schubert, § 242 Rn. 173; zum Streitstand vgl. GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 13 ff. 216 Siehe auch Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 517: „[…] kann es jedenfalls nicht überraschen, dass im rechtlichen Schrifttum die mitgliedschaftliche Treuepflicht verbreitet […] als durch die Besonderheiten gesellschaftsrechtlicher Beziehungen, insbesondere ihre im allgemeinen gesteigerte Intensität, verdichteter, im Grundsatz aber bei § 242 BGB zu verortender Unterfall der in jeder rechtlichen Sonderbeziehung bestehenden allgemeinen Pflicht zu Loyalität und Rücksichtnahme eingeordnet wird.“
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
pflicht.217 Nach ihm müsste man das Institut des Rechtsmissbrauchs als einen Unterfall der mitgliedschaftlichen Treuepflicht verstehen.218 Hier ist nicht der Platz, das Verhältnis der beiden Rechtsinstitute zueinander zu klären. Man kann jedoch festhalten, dass die mitgliedschaftliche Treuepflicht im Gesellschaftsrecht und das generelle Verbot des Rechtsmissbrauchs dogmatisch zwar unterschieden werden können, aber eine große gemeinsame Schnittmenge aufweisen.219 Für die vorliegende Untersuchung bringt eine Vertiefung dieses Problems ohnehin nichts ein, da – wie noch zu zeigen sein wird – die Anwendung der Rechtsfiguren auf das empty voting zu identischen Ergebnissen führt. cc) Anwendung auf das empty voting Mit Blick auf das empty voting kommt ein Missbrauch des Rechtsinstituts des Stimmrechts des Aktionärs (Stimmrechtsmissbrauch) in Betracht. Wie bereits angesprochen ergibt sich der Missbrauchsvorwurf beim institutionellen Rechtsmissbrauch aus dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts. Es ist daher im Folgenden zunächst die ratio der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen herauszuarbeiten, um im Anschluss daran entscheiden zu können, ob das empty voting diesem Zweck zuwiderläuft und daher einen Rechtsmissbrauch darstellt. (1) Gewährleistung der Richtigkeit der Beschlussfassung durch Vermeidung von Interessenkonflikten als Sinn der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen Der Bedeutung des Stimmrechts als dem wichtigsten Verwaltungsrecht des Aktionärs220 entsprechend muss gewährleistet sein, dass die Beschlussfassung in der Hauptversammlung von Interessenkonflikten möglichst unbeeinflusst bleibt. Gerade in den Grundlagenfällen, in denen die Hauptversammlung zur Entscheidung berufen ist, müssen die Aktionäre verantwortungsvoll handeln. Anderenfalls müsste man der Zusammenkunft der Aktionäre schlechthin jeden Sinn absprechen. Den Abstimmungsprozess von Interessenkonflikten frei zu halten, das ist das Anliegen des Abspaltungsverbots sowie der oben genannten aktienrechtlichen Spezialvorschrif-
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Henze, BB 1996, 489, 494. So auch Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 457; Schiessl, ZIP 2009, 689, 694; K. Schmidt, § 20 IV 3, S. 594 f. 219 Windbichler, § 30 Rn. 33: „Die dogmatischen Ansätze der verbandsrechtlichen Treuepflicht und des allgemeinen Rechtsmissbrauches überschneiden sich.“; siehe auch Schiessl, ZIP 2009, 689, 694, nach dem die Treuepflicht vom Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns systematisch kaum zu trennen ist; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 302, nach denen sich Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung überschneiden, soweit die missbräuchliche Ausübung einer mitgliedschaftsrechtlich vermittelten Position typischerweise zugleich Treuepflichtverletzung ist. 220 Dazu siehe schon oben 3. Kapitel A. I. 218
B. Empty voting
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ten.221 Diese Grundhaltung des Gesetzgebers wird durch sein Bemühen, für einen weitreichenden Schutz vor Umgehung dieser Vorschriften zu sorgen222, zusätzlich betont. Nach Bachmann geht aus der Gesamtschau der gennanten Vorschriften hervor, dass der Gesetzgeber die eigensüchtige, d. h. auf das Gesellschaftsinteresse keine Rücksicht nehmende Ausübung des Stimmrechts durch einen Aktionär ebenso wenig toleriert wie die Ausübung des Stimmrechts ohne die Übernahme eines dem Aktienanteil entsprechenden wirtschaftlichen Risikos. Diese gesetzesimmanenten Grundsätze beschreibt er prägnant mit den Begriffen „Eigensuchtverbot“ und „Selbstbetroffenheitsgebot“223, wobei letzterer in der Sache nichts anderes meint als den Proportionalitätsgrundsatz. Dem Aktiengesetz lasse sich dementsprechend die Wertung entnehmen, dass das Stimmrecht zum einen nicht zur Verfolgung eigensüchtiger Ziele und zum anderen nur dann zur Verfügung stehen soll, wenn der Stimmrechtsinhaber von der Entscheidung der Hauptversammlung auch wirtschaftlich betroffen ist. Daraus zieht Bachmann die Schlussfolgerung, die Abstimmung mit geliehenen Aktien stelle die vom Gesetz angestrebte Richtigkeitsgewähr des Hauptversammlungsbeschlusses in Frage, so dass der Stimmrechtsausübung des Entleihers die Wirksamkeit zu versagen sei.224 Gegen den Ansatz Bachmanns sind Bedenken anzumelden225 : Dass sich dem Aktiengesetz Wertungen wie das Eigensuchtverbot und das Selbstbetroffenheitsgebot entnehmen lassen, unterliegt keinem Zweifel.226 Fraglich ist jedoch, ob ihnen neben dem gesetzgeberischen Ziel der Vermeidung von Interessenkonflikten eine eigenständige Bedeutung zukommt, aus der sich Rechtsfolgen ableiten lassen. Das wird man insbesondere im Hinblick auf den Proportionalitätsgrundsatz verneinen 221 Darüber hinaus sind noch §§ 12 Abs. 2, 71b, 142 Abs. 1 S. 2 AktG zu nennen. Dazu siehe auch Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 67 ff. Zu den verschiedenen Ansätzen zur dogmatischen Begründung des Abspaltungsverbots siehe Mittermeier, S. 57 ff. 222 Vgl. §§ 71d S. 4, 136 Abs. 1 S. 2, 142 Abs. 1 S. 3 AktG. 223 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 611 f. 224 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 615, 619. 225 Ablehnend auch Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 47; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 609 f., die insbesondere monieren, der Gedanke des institutionellen Rechtsmissbrauchs sei auf den Einsatz von Derivaten nicht übertragbar, so dass die Lösung Bachmanns die Vielschichtigkeit der Problematik außer Acht lasse. Diese Argumentation wirft Bachmann jedoch unberechtigterweise vor, er knüpfe an das Wertpapierdarlehen (und nicht an das Stimmrecht) als maßgebliches Rechtsinstitut an, welches dadurch missbraucht werde, dass es zur Schaffung risikoentleerter Stimmrechte eingesetzt werde. 226 Wenngleich das Selbstbetroffenheitsgebot selbstverständlich nicht ausnahmslos gilt; zu den Ausnahmen siehe oben 3. Kapitel A. II. 3. a) aa) und A. II. 3. b) aa). Wie hier Wymeersch, Working Paper, S. 8: „Under present law there is a presumption that shareholders taking part in the vote, have a full economic interest […].“; a.A. Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 57 ff., nach der sich weder dem Aktienrecht noch dem Zivilrecht allgemein ein Grundsatz der Selbstbetroffenheit des abstimmenden Aktionärs/des Eigentümers entnehmen lässt; vielmehr erlaube die Vertragsfreiheit, schuldrechtlich nahezu beliebige Risikopositionen zu modellieren.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
müssen, denn – wie Bachmann selbst zutreffend hervorhebt227 – dient dieser lediglich der prozeduralen Richtigkeitsgewähr der Beschlussfassung. Anders gewendet besteht seine Funktion darin, die Anreize der Aktionäre mit ihren wirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen, um auf diesem Wege Interessenkonflikte zu vermeiden und dadurch „richtige“ Hauptversammlungsentscheidungen herbeizuführen. Der Zweck der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen besteht meines Erachtens daher nicht darin, dem „one share, one vote“-Grundsatz uneingeschränkt Geltung zu verschaffen, sondern darin, der Gefahr von Interessenkonflikten vorzubeugen. Diesem Zweck schenkt Bachmann jedoch nicht die hinreichende Beachtung, wenn er allein an einen Verstoß gegen den Proportionalitätsgrundsatz Rechtsfolgen knüpft228. Von der ratio der Stimmrechtsregelungen her sollen solche Fälle, in denen trotz eines Verstoßes gegen das Proportionalitätsprinzip Interessenkonflikte typischerweise nicht auftreten, gerade nicht erfasst werden. Sofern sie im Einzelfall doch auftreten, ist nicht das Institut des institutionellen, sondern das des individuellen Rechtsmissbrauchs bzw. das der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zur Anwendung berufen. Im Ergebnis lässt Bachmann dem Proportionalitätsprinzip somit eine Bedeutung angedeihen, die ihm als lediglich unterstützender Gedanke zur Verhinderung von Interessenkonflikten eigentlich nicht zukommt. Um einen Missbrauch des Stimmrechts annehmen zu können, muss in der Person des Aktionärs ein Interessenkonflikt gegeben sein, denn nur ein solcher wird von der ratio der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen adressiert und als unzulässig gebrandmarkt. Eigensüchtiges Handeln des Aktionärs oder ein Verstoß gegen den Proportionalitätsgrundsatz reichen für sich genommen nicht aus, um das Vorliegen eines Interessenkonflikts zu bejahen. (2) Positives wirtschaftliches Interesse Unabhängig von dem Gewicht, welches man dem Proportionalitätsgrundsatz beimisst, vermag auch die von Bachmann angenommene Rechtsfolge nicht zu überzeugen, denn wie gesehen229 stellt die Abstimmung mit darlehensweise erlangten Aktien die vom Gesetz angestrebte Richtigkeitsgewähr des Hauptversammlungsbeschlusses nicht immer in Frage. Hält der Aktionär neben den darlehensweise erlangten Aktien auch eigene Aktien, ist ihm aufgrund seines positiven wirtschaftlichen Interesses daran gelegen, unternehmenswert- und damit auch aktienwertsteigernde Beschlüsse zu unterstützen. Wenngleich seine dahingehenden Anreize nicht derart stark ausgeprägt sind wie bei einem normalen Aktionär, kann von einem Interessenkonflikt, der die Richtigkeitsgewähr des Beschlusses in Frage stellt, nicht die Rede sein. Dies gilt für die nur partielle Abgabe des aktionärstypischen wirtschaftlichen Risikos durch derivative Finanzinstrumente entsprechend. 227
Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 612. Vgl. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 612 („[…] ist das Eigensuchtverbot nicht unmittelbar einschlägig, […].“), 613 („Berührt ist dagegen das Selbstbetroffenheitsgebot, […].“). 229 Siehe oben 3. Kapitel A. II. 2. c). 228
B. Empty voting
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Wird aber die ratio der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen durch das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten bei insgesamt positivem wirtschaftlichem Interesse nicht berührt, ist die Rechtsordnung auch nicht bestrebt, dem Inhaber des Rechts dessen Ausübung aufgrund eines institutionellen Rechtsmissbrauchs zu versagen. (3) Neutrales wirtschaftliches Interesse Anders liegt es in den Fällen des neutralen wirtschaftlichen Interesses des Aktionärs. Da der einzige Anreiz des Aktionärs, an der für ihn Kosten verursachenden Hauptversammlung teilzunehmen und dort abzustimmen, darin bestehen kann, sich private Sondervorteile zu Lasten der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre zu verschaffen, kann von einem Interessenkonflikt gesprochen werden, der die Richtigkeitsgewähr der Beschlussfassung zu beeinträchtigen geeignet ist. Man wird daher einen Stimmrechtsmissbrauch durch den empty voter annehmen müssen. Eine Ausnahme hiervon ist im Falle der Erlangung des Stimmrechts via Wertpapierdarlehen zu machen, wenn der Darlehensnehmer das Stimmrecht im Interesse oder nach Weisung des Darlehensgebers auszuüben hat. Hier liegt ein Interessenkonflikt in der Person des Darlehensnehmers und daher auch ein Stimmrechtsmissbrauch durch diesen nicht vor, weil die inhaltliche Entscheidung über die Stimrechtsausübung vom Darlehensgeber als derjenigen Person getroffen wird, die auch wirtschaftlich die Chancen und Risiken der Stimmabgabe trägt.230 (4) Negatives wirtschaftliches Interesse Keinem Zweifel unterliegt der Fall des negativen wirtschaftlichen Interesses. Neben die Möglichkeit, sich private Sondervorteile anzueignen, tritt hier das Interesse des empty voter, durch seine Stimmrechtsausübung auf unternehmenswertvernichtende Hauptversammlungsbeschlüsse hinzuwirken, um aus einem in der Folge sinkenden Aktienkurs maximalen Profit zu generieren. Da die übrigen Aktionäre an unternehmenswertsteigernden Beschlüssen und einem steigenden Aktienkurs interessiert sind, tritt hier der Interessenkonflikt am offensten zu Tage. Für eine derartige Ausübung möchte die Rechtsordnung das Stimmrecht nicht zur Verfügung stellen; es liegt mithin ein Rechtsmissbrauch vor.231 (5) Ergebnis Eine Durchsicht der sich mit dem Stimmrecht befassenden Vorschriften des Aktiengesetzes zeigt, dass das Gesetz bestrebt ist, die Richtigkeit der Beschlussfassung auf der Hauptversammlung v. a. durch die Verhinderung von Interessenkonflikten zu gewährleisten. Die im Gesetz Ausdruck findenden Grundsätze des Eigensuchtverbots und der Proportionalität von Stimmrecht und Kapital dienen der 230 231
Siehe dazu schon oben 3. Kapitel A. II. 2. c) aa). Ebenso für das schweizerische Recht Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 33.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Erreichung dieses Ziels, haben jedoch keine eigenständige Bedeutung. Ein (institutioneller) Missbrauch des Stimmrechts ist daher in solchen Konstellationen anzunehmen, in denen Interessenkonflikte immer oder zumindest regelmäßig auftreten. Hinsichtlich des empty voting ist dies so lange nicht der Fall, wie der empty voter ein positives wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung aufweist. Gestaltet der Aktionär sein Beteiligungsinteresse jedoch neutral oder negativ aus, besteht in seiner Person ein Interessenkonflikt. Dann soll er nach der Rechtsordnung das Stimmrecht nicht ausüben können. (6) Vereinbarkeit mit dem Lindner-Urteil des BGH? Dieser Beurteilung des empty voting steht das Lindner-Urteil des BGH, in dem der zweite Zivilsenat die Erlangung der für einen squeeze out erforderlichen 95 %Kapitalmehrheit im Wege des Wertpapierdarlehens als rechtmäßig angesehen und einen Rechtsmissbrauch explizit verneint hat232, nicht entgegen. Die besondere Situation beim squeeze out – darauf haben Kumpan und Mittermeier hingewiesen – lässt sich auf das empty voting nicht übertragen. So zutreffend das im Ergebnis auch ist, so wenig überzeugt die von den Autoren gegebene Begründung: Sie stellen entscheidend darauf ab, dass beim squeeze out die Minderheitsaktionäre die Gesellschaft verlassen, so dass sie durch zukünftige negative Entwicklungen der Gesellschaft bzw. des Aktienwertes aufgrund des squeeze out nicht mehr belastet werden. In „anderen Fällen des risikoentleerten Abstimmens“ hingegen seien die Aktionäre weiterhin an der Gesellschaft beteiligt und daher von negativen Entwicklungen unmittelbar betroffen.233 Dabei verkennen Kumpan und Mittermeier jedoch, dass es sich bei der Erlangung des squeeze out-Quorums nicht um einen Fall des empty voting handelt234, da es nicht um die Frage der Benutzung von Stimmrechten auf der Hauptversammlung geht235. Zwar schließt sich dem Verlangen des Hauptaktionärs nach einem squeeze out ein Hauptversammlungsbeschluss an, auf dem der Hauptaktionär auch die Stimmrechte aus den im Wege des Wertpapierdarlehens erlangten Aktien ausübt. Doch ist erstens richtigerweise das Missbräuchlichkeitsverdikt nicht an die Stimmabgabe auf der Hauptversammlung, sondern an das Verlangen des Hauptaktionärs zu knüpfen236, und zweitens bedarf der squeeze out-Beschluss lediglich der einfachen Mehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG), die jedoch auch dann zustande gekommen wäre, wenn sich der Großaktionär, der einen 232
BGHZ 180, 154 Rn. 11 ff. Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 408 f.; Mittermeier, S. 340. 234 Nach Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 43 fällt der Lindner-Fall aus dem empty votingRahmen; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 608 sprechen von einem „der Problematik des Empty Voting zumindest verwandten Fall“; siehe auch KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 36, der den Einsatz des Wertpapierdarlehens im Vorfeld eines squeeze out und zum Zwecke des empty voting als zwei Anwendungsfälle des Wertpapierdarlehens beschreibt. 235 So auch Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 608. 236 Vgl. C. Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 5, 7; anders wohl Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 78. 233
B. Empty voting
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squeeze out betreiben möchte, nicht weitere Aktien darlehensweise verschafft hätte. Diese zusätzlichen Aktien braucht er allein für die Erlangung des 95 %-Quorums.237 Steht somit aber nicht die Ausübung des Stimmrechts in Rede, kann auch kein Missbrauch desselbigen gegeben sein, der auf die Diskussion des empty voting ausstrahlen könnte. dd) Rechtsfolgen (1) Versagung der Wirkungen des Rechts Die Rechtsfolge des Rechtsmissbrauchs besteht darin, dass die dem Recht entsprechenden Rechtswirkungen versagt werden, beispielsweise ein Anspruch nicht geltend gemacht werden kann oder günstige Rechtstatsachen unberücksichtigt bleiben.238 Für die missbräuchliche Ausübung des Stimmrechts bedeutet das, dass die rechtsmissbräuchlich abgegebenen Stimmen bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht berücksichtigt werden dürfen. Das hat für das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten zur Konsequenz, dass die von einem empty voter abgegebenen Stimmen vom Leiter der Hauptversammlung nur dann mitgezählt werden dürfen, wenn jener ein positives wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung hat. Er muss sie hingegen außer Acht lassen, wenn der empty voter ein neutrales239 oder negatives wirtschaftliches Interesse besitzt. Allerdings wird auch in diesem Zusammenhang das schon bei § 243 Abs. 2 AktG240 beschriebene Transparenzdefizit virulent, das dem Hauptversammlungsleiter die Erkennbarkeit des Beteiligungsinteresses erschwert bzw. unmöglich macht. (2) Verbot der Ausübung des Stimmrechts Soweit das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten als rechtsmissbräuchlich gebrandmarkt wird, kann es schwerlich erlaubt sein. Das Abstimmen aus risikoentleerten Aktien ist daher insoweit verboten, wie die Ausübung des Stimmrechts als Rechtsmissbrauch qualifiziert werden müsste. Folglich stehen dem Aktionär keinerlei Stimmrechte zu, wenn er auf fallende Kurse setzt. Gleiches gilt für den Aktionär mit einem Beteiligungsinteresse von null, sofern er nicht ausnahms237 Dem Beschluss der Hauptversammlung kommt dann aber allenfalls noch deklaratorische Bedeutung zu. Dementsprechend hat der 67. Deutsche Juristentag empfohlen, beim aktienrechtlichen squeeze out auf das Erfordernis eines Beschlusses der Hauptversammlung zu verzichten und wie beim übernahmerechtlichen squeeze out einen Antrag auf Ausschluss bei Gericht genügen zu lassen, vgl. Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages Erfurt 2008, Band II/1, N 106. 238 Vgl. Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 130; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 226; Jauernig/Mansel, § 242 Rn. 36; MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rn. 218; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rn. 52. 239 Hier gilt selbstverständlich wiederum die Einschränkung, dass ein Stimmrechtsmissbrauch nicht vorliegt, wenn der Darlehensnehmer das Stimmrecht im Interesse oder nach Weisung des Darlehensgebers als wirtschaftlichem Eigentümer ausübt. 240 Siehe oben 4. Kapitel B. II. 3. e) dd) (1) und B. II. 3. e) dd) (2) (b).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
weise nach Weisung des Darlehensgebers abstimmt. Hingegen darf der Aktionär mit einem positiven wirtschaftlichen Interesse sämtliche ihm aus seinen Aktien zustehenden Stimmrechte ausüben. (3) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses Sollte der Aktionär trotz eines bestehenden Stimmverbots aus risikoentleerten Aktien abstimmen, zieht das – sofern der Versammlungsleiter die Stimmen berücksichtigt – die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nach sich, da ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 242 BGB eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG darstellt241. (4) Vermutung des Stimmrechtsmissbrauchs Die Vermutung des Interessenkonflikts bei neutralem oder negativem Beteiligungsinteresse242 lässt es angesichts der ratio der aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen zu, einen Stimmrechtsmissbrauch zu vermuten, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt. Allerdings gilt auch hier: Besteht hinsichtlich der Ausgestaltung des Beteiligungsinteresses keine Transparenz, lässt sich auch ein Interessenkonflikt regelmäßig nicht ermitteln, so dass die Vermutung praktisch ohne Nutzen ist. h) Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht Schließlich könnte die Stimmrechtsausübung trotz neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses auch einen Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht des Aktionärs darstellen, der die Anfechtbarkeit des Beschlusses gemäß § 243 Abs. 1 AktG nach sich zöge. Dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bereits ein Verstoß gegen das Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen aus § 243 Abs. 2 AktG bejaht wurde, steht der Prüfung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht nicht entgegen, da die beiden Anfechtungstatbestände nicht im Verhältnis der Spezialität zueinander stehen, sondern nebeneinander anwendbar sind.243 aa) Allgemeines (1) Funktion Seit der Entscheidung des BGH im Fall Linotype244 gehört die mitgliedschaftliche Treuepflicht im Aktienrecht zur ungeschriebenen Legalordnung neben den gesetz241
Vgl. MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 17; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 9; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 69. 242 Siehe dazu oben 4. Kapitel B. II. 3. e) dd) (2) (b). 243 Vgl. prägnant Hüffer/Koch, § 243 Rn. 32; ferner Hölters/Englisch, § 243 Rn. 52; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 53; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 190. 244 BGHZ 103, 184; im Anschluss daran BGHZ 129, 136 – Girmes.
B. Empty voting
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lichen Einzelausprägungen des Treuepflichtgedankens (§§ 53a, 117, 243 Abs. 2 S. 1, 255 Abs. 2 AktG).245 Damit hat sich die zutreffende Erkenntnis durchgesetzt, dass auch in einer Aktiengesellschaft das Gesellschaftsverhältnis, d. h. der kollektive Hintergrund, eine Sonderverbindung schafft, die einerseits gemeinsame Interessen begründet, andererseits aber auch die Möglichkeit der Beeinträchtigung der gemeinsamen Interessensphäre eröffnet, so dass den Aktionären mehr abverlangt werden muss als ein bloßes Verhalten nach Treu und Glauben.246 Das Erfordernis der Treuepflicht im Aktienrecht und ihre beträchtliche Bedeutung lassen sich zudem damit begründen, dass die Kapitalgesellschaft als ein Geflecht von Verträgen beschrieben werden kann und daher nicht sämtliche Details des gesellschaftlichen Lebens im Gesellschaftsvertrag fixiert werden können.247 Der Treuepflicht kommt mithin auch die Funktion zu, evtl. auftretende Lücken im Gesellschaftsvertrag mit Leben zu füllen.248 (2) Wirkungsrichtungen Da die Treuepflicht im Gesellschaftsverhältnis wurzelt, kann sie auch nur in dessen Rahmen Bindungswirkung entfalten.249 Adressaten der mitgliedschaftlichen Treuepflicht sind demnach die Gesellschaft und ihre Aktionäre, nicht hingegen außenstehende Dritte.250 Im Hinblick auf die Wirkungsrichtungen der Treuepflicht ist zu unterscheiden: Bereits das Reichsgericht hat eine Treuepflicht des Aktionärs gegenüber seiner Gesellschaft angenommen251, und unbestritten ist heute auch eine entsprechende Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären252. Davon zu trennen ist die Frage nach einer Treuepflicht zwischen den Aktionären: In dem oben erwähnten 245 K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 42; K. Schmidt, § 28 I 4 a, S. 800; ähnlich MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 19, der von der die ausdrücklich geregelten Rechte und Pflichten der Aktionäre überwölbenden Treuepflicht spricht. 246 Vgl. nur MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 19 mit umfassenden Nachweisen. 247 Zu diesem Aspekt bereits oben 3. Kapitel A. II. 1. a) aa). 248 Vgl. Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 36, 44; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 45; ders., ZGR 2001, 1, 4 f.; Janke, S. 151 ff.; Mittermeier, S. 311; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 516; ähnlich auch Ruffner, § 8 I 1 a, S. 211 für das Verhältnis zwischen Aktionären und Managern. 249 GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 25; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 16. 250 BGHZ 129, 136, 142; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 51; GroßkommAktG/ Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 28; Langenbucher, § 8 Rn. 9 f.; Wachter/Servatius, § 53a Rn. 37, 42, 59; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 16. 251 RGZ 146, 385, 395 f.; darauf Bezug nehmend RGZ 158, 248, 254. 252 BGHZ 129, 136, 142; MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 30; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 27; Henssler/Strohn/Lange, § 53a AktG Rn. 9; Langenbucher, § 8 Rn. 9; Raiser/Veil, § 11 Rn. 61; Wachter/Servatius, § 53a Rn. 47.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Linotype-Urteil statuierte der Bundesgerichtshof zunächst eine Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber dem Minderheitsaktionär.253 Trotz seines Hinweises, dass die Gesellschafterpflichten eines Kleinaktionärs i. d. R. nicht von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bestimmt würden254, nahm er wenige Jahre später im Girmes-Urteil dennoch eine Treuepflicht auch des Minderheits- oder Kleinaktionärs gegenüber dem Mehrheitsaktionär und gegenüber anderen Minderheits- oder Kleinaktionären an255. (3) Inhalt Die Treuepflicht bildet eine allgemeine Verhaltensregel für die Aktionäre mit dem Inhalt, in allen gesellschaftlichen Belangen auf das wohlverstandene Unternehmensinteresse der Gesellschaft sowie auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der Aktionäre angemessen Rücksicht zu nehmen.256 Bedeutung erlangen kann sie sowohl für den Mehrheitsaktionär als auch für den Minderheitsaktionär v. a. bei der Ausübung des Stimmrechts. So verstößt der Mehrheitsaktionär beispielsweise gegen die Treuepflicht, wenn er für die Auflösung der Gesellschaft stimmt und bereits vor der Beschlussfassung mit dem Vorstand der Gesellschaft über die Übernahme wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens Verhandlungen geführt und Absprachen getroffen hat.257 Minderheitsaktionären kann insbesondere für den Fall einer Sperrminorität die Möglichkeit zur Beeinträchtigung gesellschaftsbezogener Rechte ihrer Mitaktionäre eröffnet sein. Ihnen gebietet die Treuepflicht daher, obstruktives Verhalten zu unterlassen und nicht solche Beschlüsse zu verhindern, die im Interesse der Gesellschaft oder der Mitaktionäre erforderlich sind. Namentlich ist es ihnen untersagt, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Gründen zu verhindern.258 (4) Erfordernis einer Einzelfallbetrachtung Trotz der generalklauselartigen Weite der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, aufgrund derer sie häufig als flexibles Instrument zur Erfassung noch unbekannter
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BGHZ 103, 184, 194 f. BGHZ 103, 184, 195. 255 BGHZ 129, 136, 142 ff.; ablehnend Wilhelm, Rn. 872 ff. 256 BGHZ 103, 184, 195; BGHZ 129, 136, 142; BGHZ 142, 167, 170 – Hilgers; MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 25; Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 19; K. Schmidt/ Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 54; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 52; Heidel/ Janssen, § 53a Rn. 29; Bürgers/Körber/Westermann, § 53a Rn. 13. 257 BGHZ 103, 184, 193 f.; vgl. auch K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 56; Langenbucher, § 8 Rn. 11 ff.; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 18; Windbichler, § 30 Rn. 35. 258 BGHZ 129, 136, 152 f.; vgl. auch MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 29; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 58 f.; Jäger, § 25 Rn. 89; Raiser/Veil, § 11 Rn. 65. 254
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Konfliktlagen geschätzt wird259, ist gegenüber ihrer vorschnellen Aktivierung Vorsicht geboten. Es gilt die Grenzen der mitgliedschaftlichen Treuebindung zu beachten. Nicht jedes Stimmverhalten eines Aktionärs, das den Interessen der Gesellschaft oder der Mitaktionäre in irgendeiner Weise zuwiderläuft, darf als Verstoß gegen die Treuepflicht gewertet werden, denn die Verfolgung egoistischer Ziele ist für sich genommen noch nicht unzulässig. Die Aktionäre sind nicht nur Mitglieder einer Personenvereinigung, sondern gleichzeitig auch Investoren, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit sich diese nach Möglichkeit vermehren. Die Hingabe von Kapital erfolgt keineswegs aus altruistischen Motiven, so dass der Gesellschafter gerade bei der Ausübung des Stimmrechts als seinem wichtigsten Mitverwaltungsrecht zumindest grundsätzlich keinerlei Beschränkungen unterliegen darf. Die Aktionäre sind also in ihrer Stimmrechtsausübung grundsätzlich frei.260 Dieser Grundsatz sollte nur dann durch die Treuepflicht eingeschränkt werden, wenn ein gravierender Eingriff in die gesellschaftlichen Belange oder in die Rechte der Mitaktionäre vorliegt, der nicht durch die Verfolgung schützenswerter Interessen seitens des abstimmenden Aktionärs zu rechtfertigen ist.261 Ob ein solch gravierender Eingriff gegeben ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf einer eingehenden Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls.262 Dabei kann eine Vielzahl von Aspekten Berücksichtigung finden: 1. In einem ersten konkretisierenden Zugriff wird häufig darauf hingewiesen, dass die Realstruktur der Gesellschaft für Inhalt und Reichweite der Treuepflicht von 259 So K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 45; ders., ZGR 2008, 185, 217; siehe auch GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 9; Kumpan, ZHR 170 (2006) 39, 70; Schmolke, ZGR 2007, 701, 729. 260 Prägnant Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 53: „Die Geltung der Treupflicht im Verhältnis zwischen den Aktionären und gegenüber der Gesellschaft ändert nichts daran, dass die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte grundsätzlich im Ermessen der Aktionäre steht. Die Treupflicht ist kein Instrument, mit dessen Hilfe die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in ein fremdnütziges Investment umqualifiziert und Entscheidungen der Aktionäre einer durchgängigen Rechtsaufsicht unterstellt werden dürften.“; siehe auch MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 38; Guntz, S. 115; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 98; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 535; K. Schmidt, § 21 II 3 b, S. 615 und § 28 I 4 a, S. 801; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 303; Wenninger, S. 62, 65 f.; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rn. 190. 261 So auch Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 53; GroßkommAktG/Henze/ Notz, Anh § 53a Rn. 58, 98; Hölters/Laubert, § 53a Rn. 18; ähnlich Hommelhoff/Hopt/ v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 535: „Unvereinbar mit der mitgliedschaftlichen Treubindung auch in Publikumsgesellschaften sind lediglich Maßnahmen der Mehrheit, die Minderheiten willkürlich benachteiligen oder deren Belange in unverantwortlicher, […] mit plausiblen Erwägungen eindeutig nicht mehr zu rechtfertigender Weise verletzen.“; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 27 f. 262 GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 58; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410; BeckHdbAG/Maul, § 4 Rn. 81; Ostler, S. 193; Raiser/Veil, § 11 Rn. 62; GroßkommAktG/ K. Schmidt, § 243 Rn. 49; Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 610; Bürgers/Körber/Westermann, § 53a Rn. 13; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 37; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 164.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Bedeutung sei. So könne die Treuepflicht in einer personalistisch geprägten Gesellschaft deutlich weiter reichen als in einer Publikumsgesellschaft.263 2. Nach überwiegender Ansicht in der Literatur hängt das Ausmaß der gebotenen Rücksichtnahme außerdem von der Funktion des Rechts ab, um dessen Ausübung es geht: Bei der Ausübung eigennütziger Rechte (z. B. Dividendenrecht) kommt der Treuepflicht lediglich eine Schrankenfunktion in der Form zu, dass jeder Aktionär diejenigen Schranken zu beachten hat, die sich aus dem Verbot willkürlicher oder unverhältnismäßiger Rechtsausübung ergeben. Zwar kann der Aktionär seine eigennützigen Rechte grundsätzlich nach Belieben ausüben, doch hat er dabei die gesellschaftsbezogenen Belange anderer Aktionäre zu beachten. Bei der Ausübung uneigennütziger, d. h. gesellschaftsbezogener, Rechte hingegen geht die Treuepflicht weiter: Den Aktionär trifft eine Verpflichtung, diejenigen Handlungen vorzunehmen, die der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen, und diejenigen Handlungen zu unterlassen, die dem Gesellschaftszweck zuwiderlaufen. Mithin können sich für den Aktionär aus der Treuepflicht konkrete Handlungs- oder Unterlassungspflichten ergeben.264 3. Anknüpfend an die ratio der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, als Korrelat zu den durch die Mitgliedschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeiten zu fungieren, kann auch der Umfang des Aktienbesitzes für die Reichweite der Treuepflicht bedeutsam sein. Da die Möglichkeit der Beeinträchtigung der gemeinsamen Interessensphäre mit zunehmendem Anteilsbesitz steigt, gilt insofern die Maxime: Je höher das Maß des Einflusses, desto stärker die den Aktionär treffende Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitaktionären.265 Es leuchtet unmittelbar ein, dass den Mehrheitsaktionär weitergehende Treuepflichten treffen als den Minderheitsaktionär, und den Minderheitsaktionär mit einem bedeutenden Anteil wiederum weiterreichende Treuepflichten als den Aktionär, dessen Anteil niemals ausschlaggebend für das Be263 BGHZ 103, 184, 195; Fillmann, S. 52 ff.; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 54; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 8; Hirte, Rn. 3.292, 4.44; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410; Kunze, S. 122 f.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Mimberg, § 36 Rn. 32; Raiser/Veil, § 11 Rn. 62; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 520 f., 526; K. Schmidt, § 20 IV 2 d, S. 592; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 303; Windbichler, § 30 Rn. 33; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.65. 264 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 51; Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 12; Grigoleit/Grigoleit, § 1 Rn. 64 ff.; Henze, BB 1996, 489, 493 f.; Hüffer/Koch, § 53a Rn. 16 f.; Hölters/Laubert, § 53a Rn. 17; BeckHdbAG/Maul, § 4 Rn. 81; Wachter/Servatius, § 53a Rn. 41; Bürgers/Körber/Westermann, § 53a Rn. 13; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 17, 19 f.; Windbichler, § 30 Rn. 33; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.66 ff. 265 BGHZ 129, 136, 144 f.; GroßkommAktG/Brändel, § 1 Rn. 86; Guntz, S. 131 f.; Hirte, Rn. 3.292; Kunze, S. 118 f.; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 452 f.; Nehls, S. 67 ff.; Raiser/Veil, § 11 Rn. 62; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 524 f.; K. Schmidt, § 28 I 4 a, S. 800; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 303; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 37; Nirk/ Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.52; Zöllner, Schranken, S. 342 f.
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schlussergebnis sein wird. Konkretere Aussagen zu diesem Aspekt sind aber nur schwer möglich. 4. Aus dem öffentlichen Recht bekannt ist die Formel, ein staatliches Verhalten müsse geeignet, erforderlich und angemessen sein. Sie ist auch im Gesellschaftsrecht durchaus gebräuchlich266 und lässt sich für die Ausübung des Stimmrechts durch den Aktionär gleichermaßen fruchtbar machen: Sein Stimmverhalten muss zur Erreichung seines Ziels geeignet sein, dieses Ziel darf sich nicht auch mit milderen Mitteln erreichen lassen, und das Interesse des Aktionärs muss einer umfassenden Abwägung mit den kollidierenden Interessen der Gesellschaft und der Mitaktionäre standhalten.267 Gerade hier bietet sich für den Rechtsanwender die Möglichkeit der Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls: Das Interesse des Aktionärs an dem intendierten Stimmverhalten und das Interesse der Gesellschaft und der Mitaktionäre an einem gegenteiligen Stimmverhalten sind einander gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen. Dabei sind insbesondere die Auswirkungen des Stimmverhaltens des sich mutmaßlich treupflichtwidrig verhaltenden Aktionärs auf die Gesellschaft und die anderen Aktionäre zu berücksichtigen. bb) Anwendung auf das empty voting Im Folgenden geht es darum, diese Kriterien auf das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten anzuwenden. (1) Realstruktur der Gesellschaft Hinsichtlich der Realstruktur der Gesellschaft ist anzumerken, dass sich die vorliegende Untersuchung ausschließlich mit der Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften beschäftigt, also mit solchen Gesellschaften, in denen die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft und gegenüber ihren Mitaktionären nur sehr schwach ausgeprägt ist, da die Gesellschafter ihre Beteiligung in aller Regel lediglich als 266 Vgl. beispielsweise die Rechtsprechung zu den materiellen Voraussetzungen von Kapitalerhöhungsbeschlüssen mit Bezugsrechtsausschluss, BGHZ 71, 40, 46 f. – Kali und Salz; BGHZ 83, 319, 321 f. – Holzmann; BGHZ 125, 239, 244 ff. – Deutsche Bank; BGHZ 136, 133, 138 ff. – Siemens/Nold; dazu Hüffer/Koch, § 186 Rn. 27 f.; MünchHdbAG/Krieger, § 56 Rn. 76 ff.; Spindler/Stilz/Servatius, § 186 Rn. 40 ff. Siehe auch das Erfordernis der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei nachteiligen Weisungen im Vertragskonzern; dazu Emmerich/Habersack/Emmerich, § 308 Rn. 49, 51; Hüffer/Koch, § 308 Rn. 17; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 47; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 148. 267 Vgl. Fillmann, S. 156 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995) 221, 252 f.; GroßkommAktG/ Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 98; Kunze, S. 125 f.; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 458; Raiser/Veil, § 11 Rn. 62; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 49; Zöllner, Schranken, S. 351 f.; KölnKommAktG/ders., § 243 Rn. 200 f.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Kapitalanlage halten, nicht aber zur Verfolgung strategischer oder unternehmerischer Ziele. Im Hinblick darauf müssen die Grenzen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht besonders streng beachtet werden. Ihre Verletzung kann also nur in ganz besonders krassen Ausnahmefällen in Betracht kommen. (2) Funktion des Stimmrechts Die Rechtsprechung hat sich die Differenzierung zwischen eigennützigen und uneigennützigen Aktionärsrechten (noch) nicht zu eigen gemacht268 und stellt zur Bestimmung des Inhalts der Treuepflicht im Einzelfall die übrigen oben genannten Kriterien ins Zentrum der Betrachtung269. Das hat seinen guten Grund, denn der Erkenntnisgewinn aus dieser Differenzierung dürfte grundsätzlich eher gering sein.270 Dies zeigt sich insbesondere daran, dass über die Einordnung des Stimmrechts keine Einigkeit herrscht.271 Wendet man diese Differenzierung ungeachtet der gegen sie bestehenden Bedenken gleichwohl auf das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten an und nimmt man mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur bezüglich des Stimmrechts eine Unterscheidung nach dem jeweiligen Beschlussgegenstand vor, führt dies für die Verschmelzung und für die Übernahme als den Regelkonstellationen des empty voting zu voneinander abweichenden Ergebnissen: Die Verschmelzung stellt eine umwandlungsrechtliche Strukturmaßnahme dar, der wegen der erheblichen Tragweite der Entscheidung die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger zustimmen müssen (vgl. § 13 Abs. 1 UmwG)272. In diesem Zusammenhang wäre das Stimmrecht nach der herrschenden Lehre als eigennütziges Recht zu qualifizieren, da Beschlüsse über umwandlungsrechtliche Strukturmaßnahmen – neben Gewinnverwendungsbeschlüssen und Beschlüssen über Kapitalmaßnahmen – als ein Fall genannt werden, in dem der Aktionär sein Stimmverhalten an eigennützigen Interessen orientieren dürfe273. Im Vorfeld eines öffentlichen Angebots zum Erwerb von Wertpapieren, insbesondere eines Übernahmeangebots gemäß §§ 29 ff. WpÜG, 268
Ansatzweise aber OLG Stuttgart AG 2000, 229, 230. Vgl. BGHZ 103, 184, 195; BGHZ 129, 136, 143 ff. 270 So oder ähnlich auch MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 25; Spindler/Stilz/ Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 52; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 55; Kunze, S. 124 ff.; Nehls, S. 79 f.; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 536; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 26 f. 271 Für eine pauschale Einordnung als uneigennütziges Recht Hüffer/Koch, § 53a Rn. 17; nach dem Beschlussgegenstand differenzierend Henze, BB 1996, 489, 492 f.; ders., RWSForum 8, S. 1, 10; GroßkommAktG/ders./Notz, Anh § 53a Rn. 54; Kunze, S. 124 f.; Ostler, S. 197; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 6; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.68 und I 7.153; Zöllner, Schranken, S. 344 ff.; unentschieden Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Röhricht, 1. Aufl., S. 513, 535 f. 272 Zur ratio der Regelung des § 13 Abs. 1 UmwG siehe Lutter/Drygala, § 13 Rn. 4; KölnKommUmwG/Simon, § 13 Rn. 1; Kallmeyer/Zimmermann, § 13 Rn. 2. 273 GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 54, die den Verschmelzungsbeschluss sogar ausdrücklich nennen; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.156. 269
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werden die Aktionäre der Bietergesellschaft grundsätzlich nicht in Form eines Zustimmungsbeschlusses in den Entscheidungsprozess einbezogen.274 Über die Abgabe eines öffentlichen Angebots zum Erwerb von Wertpapieren als Geschäftsführungsmaßnahme275 kann die Hauptversammlung daher nur dann entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt.276 In diesen Fällen des § 119 Abs. 2 AktG soll der Beschlussgegenstand den Gesellschaftszweck bzw. das Gesellschaftsinteresse berühren und das Stimmrecht daher als uneigennütziges Recht einzustufen sein.277 Den stimmberechtigten Aktionär träfe dann eine weitreichende Treuepflicht. Auf den ersten Blick erscheint es wenig einleuchtend, dem Aktionär eine Treuepflicht unterschiedlichen Umfangs aufzuerlegen, je nachdem, ob Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses eine Verschmelzung oder eine Übernahme ist, zumal beide Beschlüsse eine Maßnahme von erheblicher Tragweite betreffen. Vergegenwärtigt man sich, dass die Verschmelzung den Untergang mindestens eines Rechtsträgers278 zur Folge hat, wäre es sogar naheliegender, diesbezüglich eine weiterreichende Treuepflicht der Aktionäre anzunehmen. Die unterschiedliche Behandlung von Verschmelung und Übernahme basiert jedoch auf der zutreffenden Erkenntnis, dass der Umwandlungsgesetzgeber eine abschließende Regelung der Entscheidungsvoraussetzungen getroffen hat und insbesondere die Interessen der dissentierenden Minderheit durch umfangreiche Schutzmechanismen wahrt279, so dass eine daneben bestehende Treuepflicht der Aktionäre – wenn überhaupt – nur noch in sehr engen
274 Dieser Befund lässt sich systematisch durch § 10 Abs. 1 S. 2 WpÜG und durch § 18 Abs. 1 i.V.m. § 25 WpÜG abstützen. 275 Ostler, S. 48; siehe auch Semler/Volhard/Reichert/Ott, § 36 Rn. 22 ff. 276 Anders liegt es nur dann, wenn zur Finanzierung des Angebots eine Kapitalerhöhung erforderlich ist, der Unternehmensgegenstand der Zielgesellschaft von der satzungsmäßigen Betätigung der Bietergesellschaft nicht mehr gedeckt ist und aus diesem Grund eine Satzungsänderung erforderlich wird (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG; siehe dazu KölnKommWpÜG/ Hasselbach, § 18 Rn. 78; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 70; Hommelhoff/Hopt/ v. Werder/Winter/Harbarth, S. 463, 466) oder die „Holzmüller/Gelatine“-Grundsätze zur Einbindung der Hauptversammlung verpflichten. Letzteres gilt aber nur dann, wenn man den Beteiligungserwerb – richtigerweise – als einen „Holzmüller“-Fall ansieht (zum Streitstand vgl. nur Emmerich/Habersack/Habersack, Vor § 311 Rn. 42; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 119 Rn. 33 jeweils m.w.N.). Unzulässig ist es im Übrigen, die Abgabe des Übernahmeangebots durch Satzungsregelung an die Zustimmung der Hauptversammlung zu binden (vgl. MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 17; GroßkommAktG/Mülbert, § 119 Rn. 61; Ostler, S. 48). 277 GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 54; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 6. Dagegen könnte man einwenden, dass die Anrufung der Hauptversammlung gerade bedeute, dass ein Votum der Aktionäre „nach deren Gusto“ eingeholt werden soll, so Windbichler, RWSForum 8, S. 23, 26. 278 Vgl. § 2 UmwG zu den Arten der Verschmelzung: Die Verschmelzung durch Aufnahme hat den Untergang des übertragenden Rechtsträgers, die Verschmelzung durch Neugründung den Untergang beider Rechtsträger zur Folge. 279 Vgl. §§ 8 (Verschmelzungsbericht), 9 ff. (Prüfung der Verschmelzung), 13, 65 (Verschmelzungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit), 25, 27 (Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder), 29 ff. UmwG (Abfindungsangebot im Verschmelzungsvertrag).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Grenzen anerkannt werden kann280. Eine derartige Abwägung hat der Gesetzgeber des WpÜG zumindest im Hinblick auf die Aktionäre der Bietergesellschaft nicht getroffen, so dass hier die mitgliedschaftliche Treuepflicht als Korrektiv das Stimmverhalten der Aktionäre beeinflussen kann. (3) Anteilsbesitz Im Fall Mylan/King hielt der Hedgefonds Perry 9,9 % der Mylan-Aktien, und im Fall Laxey Partners/British Land hatte sich der Hedgefonds Laxey Partners darlehensweise ca. 8 % der British Land-Aktien verschafft. Diese Beispiele zeigen bereits, dass empty voter zur Durchsetzung ihrer finanziellen Interessen häufig nicht unwesentliche Aktienpakete erwerben, die ihnen einen beträchtlichen Einfluss auf das Ergebnis des bevorstehenden Hauptversammlungsbeschlusses vermitteln. Doch selbst mittels kleinerer Aktienpakete sind die Akteure u. U. in der Lage, das Ergebnis einer Abstimmung in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog. swing votes). Für die Reichweite der mitgliedschaftlichen Treuepflicht kann es selbstverständlich nicht darauf ankommen, ob der Aktionär das Ergebnis des Hauptversammlungsbeschlusses – wie in den Fällen Axa/Mony und Henderson Land/ Henderson Investment – tatsächlich beeinflusst hat281, sondern nur auf das Einflusspotential des Aktionärs, das sich u. a. am Anteilsbesitz ablesen lässt. Allerdings kann sich das Einflusspotential auch aus anderen Umständen ergeben, z. B. aus dem Vorliegen einer besonderen Situation, wie sie im Henderson Land-Beispiel zweifelsohne gegeben war. Man darf das Kriterium des Anteilsbesitzes daher nicht streng verstehen in dem Sinne, dass sich die Anforderungen an das Stimmverhalten des Aktionärs mit steigendem Anteilsbesitz linear erhöhen. Im Einzelfall können einen Aktionär mit nur geringem Anteilsbesitz ähnlich weitgehende Treuepflichten treffen wie einen Aktionär mit einem signifikanten Aktienpaket. (4) Abwägung der kollidierenden Interessen Die vorgenannten Kriterien (Realstruktur der Gesellschaft, Beschlussgegenstand und Höhe des Anteilsbesitzes) sind zweifelsohne bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob ein empty voting gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht verstößt. Gleichwohl sind sie in dieser Hinsicht nur von untergeordneter Bedeutung, denn sie ermöglichen nicht die Berücksichtigung der empty voting-spezifischen Probleme. Letztlich ausschlaggebend ist daher eine Abwägung der Interessen der Beteiligten, die auch die empty voting-spezifischen Gefahren einbezieht. 280 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 54; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.60; Zöllner, AG 2000, 145, 155; siehe dazu auch MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 33; Fillmann, S. 176 ff.; Guntz, S. 124 f.; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 97; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 27 ff. 281 Das ist eine Frage der Kausalität des Treuepflichtverstoßes für das Beschlussergebnis, keine Frage der Bestimmung des Inhalts der Treuepflicht, siehe Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 37; ferner Mittermeier, S. 319.
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(a) Relevante Kriterien Kumpan und Mittermeier haben für den Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Erlangung des Stimmrechts beschrieben, auf welche Aspekte es dabei maßgeblich ankommt282 : Inwieweit trägt der empty voter selbst die Konsequenzen seines Handelns? Welche Motivation liegt seinem Handeln zugrunde, welche Interessen verfolgt er? Welche Auswirkungen hat das Abstimmungsverhalten des empty voter auf die Gesellschaft und auf die anderen Aktionäre? Aufgrund der identischen Wertungen lassen sich diese Kriterien auf die andere Fallgruppe des empty voting übertragen, also auf den Fall, dass sich der Aktionär mithilfe derivativer Finanzinstrumente seines wirtschaftlichen Risikos begibt. Die einzelnen Kriterien konkret auf die unterschiedlichen Facetten des empty voting anzuwenden, ohne gleichzeitig die anderen Kriterien einzubeziehen, ist allerdings sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.283 Das liegt daran, dass der eine Aspekt zwangsläufig den anderen nach sich zieht: Wer beispielsweise die Konsequenzen seines Stimmverhaltens nicht trägt, weil er ein neutrales wirtschaftliches Interesse hat, wird sein Stimmrecht in der Regel zur Verfolgung privater Sondervorteile einsetzen, insofern also höchst eigene finanzielle Interessen verfolgen, dadurch der Gesellschaft und den Mitaktionären Schaden zufügen und somit gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht verstoßen. Im Folgenden soll gar nicht versucht werden, die Kriterien formal zu sondern. Es bietet sich allerdings an, wie schon im dritten Kapitel innerhalb der beiden empty votingFallgruppen nach verschiedenen Szenarien zu differenzieren. Ausgangspunkt für die Frage nach dem Umfang der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Aktionärs. Dieses gibt an, inwieweit der empty voter selbst die Konsequenzen seines Handelns trägt. (b) Einsatz von Derivaten (aa) Negatives wirtschaftliches Interesse Hat der Aktionär sein Beteiligungsinteresse mit Derivaten und evtl. einer weiteren Beteiligung an einem anderen Unternehmen negativ ausgestaltet, wird er von den Hauptversammlungsbeschlüssen zwar betroffen, aber nicht so wie ein normaler Aktionär der Gesellschaft durch Gewinne bei einem steigenden Aktienkurs, sondern gegenläufig durch Gewinne bei einem fallenden Aktienkurs. Für ihn besteht demzufolge ein Anreiz, sein Stimmrecht zulasten einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben. Da ein altruistisches Verhalten des Aktionärs nicht zu erwarten ist und ein nicht seinen wirtschaftlichen Interessen entsprechendes Abstimmungsverhalten irrational wäre284, wird er diesem Anreiz in aller Regel folgen. Die Aussicht 282
Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410 f. Die Ausführungen von Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410 hingegen erwecken den Anschein, man könne die Kriterien völlig getrennt voneinander analysieren. 284 Vgl. auch Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 411: „Rational gesehen scheint eine solche „Risikoentleerung“ nur sinnvoll zu sein, wenn es um die Herbeiführung negativer 283
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
auf finanzielle Vorteile stellt regelmäßig die alleinige Motivation des empty voter dar. Selbstverständlich kann nicht allein aus einem Handeln im eigenen Interesse auf einen Verstoß gegen die Treuepflicht geschlossen werden; niemand kann es einem Aktionär zum Vorwurf machen, dass er nicht altruistisch handelt, sondern seinen eigenen Interessen bestmöglich Geltung verschafft.285 Es muss daher in die Erwägungen einbezogen werden, worauf sein Interesse gerichtet ist: Erstrebt der Aktionär Vorteile, die aus der Mitgliedschaft entspringen und ihm daher nach der Gesellschaftsrechtsordnung zustehen, oder ist er ausschließlich an der Erlangung gesellschaftsrechtsfremder privater Sondervorteile interessiert, auf die er keinen Anspruch hat, und handelt insofern eigensüchtig? Diese Frage lässt sich für die Konstellation des negativen Beteiligungsinteresses des empty voter relativ leicht beantworten: Formal ist dieser zwar Mitglied der Gesellschaft, trägt aber nicht wie ein Gesellschafter die Chancen und Risiken der Kursentwicklung, da er von einem sinkenden Aktienkurs profitiert. Wie gesagt wäre es realitätsfern anzunehmen, dass der Aktionär trotz dieses finanziellen Interesses zugunsten eines steigenden Aktienkurses abstimmt und sich dadurch selbst schädigt. Der Realität entspricht die Annahme, dass er Vorteile erstrebt, die aus der Aushöhlung seiner mitgliedschaftlichen Stellung resultieren. Nach der Rechtsordnung286 sollen dem Aktionär die Vorteile aus der Mitgliedschaft – insbesondere das Stimmrecht – nur dann zustehen, wenn er dafür auch eine Gegenleistung in Form der Übernahme des Residualrisikos erbringt. Der Aktionär, der sich mithilfe moderner Finanzinstrumente dieses Risikos vollständig entledigt hat, soll hingegen nach der Rechtsordnung keine Vorteile aus seiner lediglich formal bestehenden Mitgliedschaft ziehen. Neben die Tatsache, dass der Aktionär seine Interessen ohne Rücksicht auf die Belange der Mitaktionäre und der Gesellschaft verfolgt, tritt verschärfend, dass der Egoismus des Aktionärs nahezu zwingend mit Schäden für die Gesellschaft und die Mitaktionäre einhergeht: Der empty voter beeinflusst den Hauptversammlungsbeschluss mithilfe seines risikoentleerten Aktienpakets in seinem Sinne und profitiert von einer Kursentwicklung, die für alle anderen, wirtschaftlich positiv betroffenen Aktionären finanzielle Verluste bedeutet. Der empty voter belässt es also nicht bei der Vereinnahmung von Vorteilen, die allein ihm zugute kommen und an denen seine Mitaktionäre nicht partizipieren, sondern realisiert seine Gewinne gerade durch die Schädigung anderer. Wie auch § 243 Abs. 2 AktG287 zeigt, wird ein solches Verhalten von der Rechtsordnung nicht akzeptiert.288 Mit hoher Wahrscheinlichkeit289 liegt Entwicklungen für die Gesellschaft geht. Andernfalls wäre eine finanzielle Beteiligung ohne Risikoausschluss – die gleichzeitig auch einen Gewinnausschluss bedeutet – sinnvoller.“ 285 Siehe schon oben die Ausführungen zu den Grenzen der Treuepflicht, 4. Kapitel B. II. 3. h) aa) (4). 286 Vgl. neben dem auf § 717 S. 1 BGB basierenden Abspaltungsverbot §§ 8 Abs. 5, 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 405 Abs. 3 Nr. 2, 3, 6 und 7 AktG. 287 Ausführlich dazu siehe oben 4. Kapitel B. II. 3. e). 288 Siehe auch Guntz, S. 115; K. Schmidt, § 21 II 3 b, S. 615 f.
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daher ein Verstoß gegen die gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitaktionären bestehende mitgliedschaftliche Treuepflicht vor, wenn der empty voter ein negatives wirtschaftliches Interesse hat.290 (bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse Weist der empty voter ein wirtschaftliches Interesse von null auf, wird er nur dann an der Beschlussfassung teilnehmen, wenn er die Möglichkeit sieht, aus seinem Stimmverhalten Vorteile zu ziehen, die seine Aufwendungen überkompensieren. An diesen Vorteilen werden seine Mitaktionäre nicht beteiligt. Es handelt sich also wie im Fall des negativen wirtschaftlichen Interesses um solche Vorteile, die dem empty voter nach der Rechtsordnung eigentlich nicht zustehen. Man mag dem empty voter zugute halten, dass die Erlangung der Sondervorteile nicht zwingend mit einer negativen Kursentwicklung einhergeht und daher eine unmittelbare Schädigung der Mitaktionäre und der Gesellschaft nicht gegeben ist. Da die Erlangung von Sondervorteilen jedoch mit Mittelabflüssen der Gesellschaft einhergeht und diese Mittel nicht mehr zur Ausschüttung an Aktionäre zur Verfügung stehen, wird man im Ergebnis auch hier regelmäßig einen Verstoß gegen die Treuepflicht annehmen müssen. Es kann keine Rede davon sein, dass der empty voter auf das wohlverstandene Unternehmensinteresse der Gesellschaft sowie auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der anderen Aktionäre angemessen Rücksicht nimmt. (cc) Positives wirtschaftliches Interesse Im Fall des positiven Beteiligungsinteresses kann der empty voter – wie alle anderen Aktionäre auch – Kursgewinne nur bei einem steigenden Aktienkurs realisieren. Die Erlangung privater Sondervorteile dürfte nur selten Motiv des Aktionärs sein, so dass in der Regel ein Verstoß gegen die Treuepflicht zu verneinen ist.291 Sofern jedoch diese Motivation – die umso mehr eine Rolle spielen kann, je näher sich das wirtschaftliche Gesamtinteresse des Aktionärs null annähert292 – im konkreten Einzelfall doch zu Tage tritt, ist ein Treuepflichtverstoß zu bejahen. Dies gilt selbstverständlich erst recht, wenn erhebliche Eigeninteressen des empty voter die 289 Insofern anders Mittermeier, S. 315 ff., 324, nach dem die Stimmabgabe im Falle eines negativen wirtschaftlichen Interesses stets treuwidrig ist. 290 Ebenso Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 49, 75; mit der genannten Einschränkung (vgl. Fn. 289) auch Mittermeier, S. 315 ff., 324; ähnlich, wenngleich zu undifferenziert, Theusinger/ Möritz, NZG 2010, 607, 610: „Da Empty Voting einen Interessenkonflikt aus Sicht der anderen Aktionäre verschärfen kann, ist die Risikoentleerung des Stimmrechts eines Aktionärs aber ein gewichtiges Argument für die Annahme einer Treuepflichtverletzung im Einzelfall.“; a.A. Ostler, S. 194 f., der einen Treuepflichtverstoß mit der Erwägung verneint, ein negatives Beteiligungsinteresse laufe nicht zwingend auf eine Schädigung der Gesellschaft und der Mitaktionäre hinaus, dabei jedoch die wechselseitige Abhängigkeit der Aktienkurse von Bieterund Zielgesellschaft bzw. übernehmender und übertragender Gesellschaft vernachlässigt. 291 So auch Mittermeier, S. 333 f. 292 Ausführlich dazu siehe oben 3. Kapitel A. II. 2. b) aa).
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Interessen der Gesellschaft bzw. der anderen Aktionäre gravierend beeinträchtigen. Erforderlich ist jedoch stets eine eingehende Würdigung des konkreten Einzelfalls. (c) Einsatz von Wertpapierdarlehen Hinsichtlich des Einsatzes von Wertpapierdarlehen ergibt sich ein ähnliches Bild. (aa) Positives wirtschaftliches Interesse Hält der Darlehensnehmer neben den darlehensweise erlangten Aktien auch „eigene“ Aktien, aus denen er das wirtschaftliche Risiko vollständig trägt, weist er insgesamt ein positives wirtschaftliches Interesse auf. Wenngleich der dahingehende Anreiz nicht derart stark ausgeprägt ist wie bei den übrigen Aktionären, wird der empty voter wie diese für unternehmenswertsteigernde Maßnahmen stimmen. In der Regel ist daher ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht nicht gegeben. Je geringer jedoch der Anteil der eigenen Aktien im Verhältnis zu den darlehensweise erworbenen Aktien wird, desto eher kann es sich für den Aktionär lohnen, unter Aufgabe der Gewinne aus einer Abstimmung im Unternehmensinteresse und unter Aufsichnahme der Kosten der Abstimmung nach privaten Sondervorteilen Ausschau zu halten. Sollte das Erstreben privater Sondervorteile im Einzelfall Motiv der Stimmrechtsausübung des Aktionärs sein, ist diese als treuepflichtwidrig einzustufen.293 (bb) Neutrales wirtschaftliches Interesse Hält der Aktionär ausschließlich darlehensweise erlangte Aktien, beträgt sein wirtschaftliches Interesse null. Der einzige Anreiz, die Kosten der Stimmrechtsausübung auf sich zu nehmen, besteht in der Erzielung privater Sondervorteile. Er lässt die nach der Treuepflicht gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft und der Mitaktionäre vermissen, so dass seine Stimmabgabe regelmäßig einen Verstoß gegen die Treuepflicht darstellt. Neben diesen allgemeinen Erwägungen kann im Rahmen der Erlangung des Stimmrechts mithilfe von Wertpapierdarlehen ein weiterer Aspekt Bedeutung erlangen, der beim empty voting unter Einsatz von Derivaten keine Entsprechung findet: Übt der Darlehensnehmer das Stimmrecht im eigenen oder im fremden Interesse aus?294 Damit ist die Frage nach den finanziellen Anreizen des empty voter eng verbunden, denn im eigenen Interesse handelt insbesondere derjenige, der das Stimmrecht zur Mehrung des eigenen Vermögens einsetzt. Wie bereits angesprochen kann aus einem Handeln im eigenen Interesse nicht ohne Weiteres auf einen Verstoß gegen die Treuepflicht geschlossen werden. Hat der Darlehensnehmer jedoch nach 293
Im Ergebnis ebenso Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410 f. Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410 verwenden das Gegensatzpaar „eigennützig“ und „uneigennützig“, das jedoch angesichts der Tatsache, dass die herrschende Lehre für die Bestimmung des Inhalts der mitgliedschaftlichen Treuepflicht u. a. zwischen eigennützigen und uneigennützigen Aktionärsrechten differenziert, unglücklich gewählt ist. 294
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den Vereinbarungen des Darlehensvertrags das Stimmrecht im Interesse oder sogar nach Weisung des Darlehensgebers auszuüben, kann dies ein Indiz dafür sein, dass ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht nicht gegeben ist.295 Schließlich trifft in diesem Fall derjenige die inhaltliche Entscheidung, der auch wirtschaftlich die Chancen und Risiken der Stimmabgabe trägt. Vergleichbare Indizien gegen einen Treuepflichtverstoß existieren für den Einsatz von Derivaten nicht; hier werden keine Aktien und somit auch keine Stimmrechte übertragen, sondern nur künstliche Finanzinstrumente gehandelt, mittels derer sich eine Vertragspartei der wirtschaftlichen Chancen und Risiken entledigt. Der Aktionär begibt sich gerade nicht der Macht zur Ausübung des Stimmrechts. (cc) Negatives wirtschaftliches Interesse Verkauft der Darlehensnehmer einen Teil seiner darlehensweise erlangten Aktien leer, setzt er auf fallende Kurse. Aus den darlehensweise erlangten Aktien trägt der Aktionär ohnehin kein wirtschaftliches Risiko; das short selling sorgt daher für ein insgesamt negatives Beteiligungsinteresse. Entsprechend hat der Aktionär einen Anreiz, das Stimmrecht aus seinen Aktien – entgegen den Interessen der übrigen Aktionäre – zulasten einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben. Neben die egoistische Verfolgung der eigenen Interessen tritt auch hier die Tatsache, dass die Gesellschaft und die Mitaktionäre nahezu zwangsläufig Schäden erleiden. Die finanziellen Vorteile des empty voter lassen sich nur realisieren, wenn alle anderen Beteiligten Verluste erleiden. Ein Treuepflichtverstoß ist daher ohne Zweifel zu bejahen. (d) Ergebnis Ausschlaggebender Indikator für die Frage, ob das empty voting gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht verstößt, ist das wirtschaftliche Interesse des Aktionärs. Sofern er aus Aktien abstimmt, denen wegen des Einsatzes von Derivaten oder Wertpapierdarlehen kein aktionärstypisches Residualrisiko anhaftet, liegt dem in aller Regel das Motiv der Erlangung privater Sondervorteile zugrunde. Im Falle des negativen wirtschaftlichen Interesses mündet dies zusätzlich in einer Schädigung der Gesellschaft und der Mitaktionäre. Das lässt es zu, den Treuepflichtverstoß in den Fällen des neutralen und des negativen Beteiligungsinteresses zu vermuten. Die umfassende Würdigung des Einzelfalls kann jedoch Umstände zu Tage fördern (z. B. Stimmrechtsklauseln im Wertpapierdarlehensvertrag), die eine von der Regel abweichende Beurteilung erfordern und es dem empty voter ermöglichen, die Vermutung des Treuepflichtverstoßes zu widerlegen.
295 Vgl. dazu auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 619; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 410; siehe auch schon oben 3. Kapitel A. II. 2. c) aa).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
cc) Rechtsfolgen (1) Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Stimmen Nach herrschender Ansicht hat ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht die Nichtigkeit der treuwidrig abgegebenen Stimmen zur Folge.296 Dementsprechend darf der Versammlungsleiter solche Stimmen bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht mitzählen.297 Für das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten bedeutet das: Sofern der empty voter ein negatives oder neutrales wirtschaftliches Interesse an der Unternehmensentwicklung aufweist, ist die Ausübung des Stimmrechts aus den Aktien unwirksam. Der Versammlungsleiter wird die an sich nichtigen Stimmen gleichwohl nur dann unberücksichtigt lassen, wenn ihm ein zuverlässiges Urteil über die Wirksamkeit der abgegebenen Stimmen möglich ist.298 (2) Vermutung der Treuepflichtverletzung Eine derartige Offensichtlichkeit der Nichtigkeit wird indes kaum einmal gegeben sein. Selbst wenn man dem Versammlungsleiter wiederum mit einer Vermutung – hier der Treuepflichtverletzung im Falle des neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses – helfen wollte, bliebe ihm mangels Transparenz die Ausgestaltung des Beteiligungsinteresses doch gerade verborgen.299 Die Stimmen des empty voter werden infolge dessen in aller Regel selbst in den krassen Fällen des negativen und neutralen wirtschaftlichen Interesses in das Abstimmungsergebnis einfließen.
296 BGHZ 102, 172, 176 (Publikums-KG); OLG Stuttgart AG 2000, 369, 371 (GmbH); Beckerhoff, S. 85 ff.; MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 42; Grigoleit/Grigoleit, § 1 Rn. 75; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 128; Heidel/Janssen, § 53a Rn. 31; Hüffer/Koch, § 53a Rn. 30; Nehls, S. 94 ff.; Ostler, S. 203; einschränkend K. Schmidt/Lutter/ Fleischer, § 53a Rn. 63 (nur bei offenkundigen Treuepflichtverstößen); a.A. (für Wirksamkeit) Kunze, S. 208; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 5; Windbichler, RWS-Forum 8, S. 23, 38 f. 297 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 56; Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 23; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 129 ff.; Hüffer/Koch, § 130 Rn. 22; Hölters/ Laubert, § 53a Rn. 20; K. Schmidt, § 21 II 3 c, S. 616; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 22; a.A. Guntz, S. 137 f.; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 5; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 163. 298 Zu dieser Problematik im Allgemeinen siehe Beckerhoff, S. 87; MünchKommAktG/ Bungeroth, Vor § 53a Rn. 42; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 56; K. Schmidt/ Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 63; Nehls, S. 96. 299 Für eine aus der Treuepflicht fließende Pflicht des empty voter zur Offenlegung seines Interessenkonflikts Mittermeier, S. 327 ff.
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(3) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses Das Mitzählen treuepflichtwidrig abgegebener Stimmen macht den Beschluss allerdings wegen Verletzung des Gesetzes anfechtbar gemäß § 243 Abs. 1 AktG.300 Da das Ergebnis der Beschlussfassung bei einem Treuepflichtverstoß dem normativen Standard nicht entspricht301 und der Treuepflichtverstoß somit einen inhaltlichen Beschlussmangel und nicht bloß einen Verfahrensfehler darstellt302, hängt die Anfechtbarkeit nicht davon ab, ob die treuwidrig abgegebenen Stimmen für das Beschlussergebnis kausal oder relevant gewesen sind.303 (4) Schadensersatzansprüche Schließlich kann ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht im Allgemeinen und die treuepflichtwidrige Ausübung des Stimmrechts im Besonderen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft oder der Mitaktionäre auslösen.304 In Betracht kommen diverse Anspruchsgrundlagen, die hier allesamt nur kurz angerissen werden sollen: Ein auf § 280 Abs. 1 BGB gestützter Schadensersatzanspruch wird von der herrschenden Meinung für möglich gehalten, jedoch in doppelter Hinsicht eingeschränkt: zum einen durch die Statuierung eines Vorsatzerfordernisses305, so dass nur schwerwiegende Verstöße gegen die Treuepflicht eine Scha300 BGHZ 103, 184, 193 f.; BGHZ 142, 167, 169; Beckerhoff, S. 87 f.; Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 12; Heidel/Heidel, § 243 Rn. 7; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 135; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 44; Jilg, S. 86; Hölters/Laubert, § 53a Rn. 20; Nehls, S. 97 ff.; Raiser/Veil, § 16 Rn. 148; Wachter/Servatius, § 53a Rn. 55; MünchHdbAG/Wiesner, § 17 Rn. 22; Windbichler, § 29 Rn. 46; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 163. 301 Vgl. MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 25. 302 Vgl. Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 12; MünchKommAktG/Hüffer, § 243 Rn. 44; Hüffer/Koch, § 243 Rn. 21, 24; Spindler/Stilz/Würthwein, § 243 Rn. 158; siehe auch K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 2: objektive Rechtskontrolle. 303 A.A. Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 23; Mittermeier, S. 319, 324; offensichtlich auch Ostler, S. 201 f., nach dem die Treuepflichtverletzung nur relevant werden soll, wenn die treuwidrig abgegebenen Stimmen eine Beschlussmehrheit oder eine Sperrminorität erreichen. Die heute herrschende sog. Relevanztheorie spielt jedoch nur bezüglich der Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern eine Rolle, vgl. Bürgers/Körber/Göz, § 243 Rn. 6 ff.; MünchKommAktG/ Hüffer, § 243 Rn. 27 ff.; GroßkommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 21 ff.; Spindler/Stilz/ Würthwein, § 243 Rn. 79 ff. 304 MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 43; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 57 f.; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 70; Heidel/Janssen, § 53a Rn. 31; Hüffer/Koch, § 53a Rn. 21; Henssler/Strohn/Lange, § 53a AktG Rn. 8; Nehls, S. 99 ff. 305 BGHZ 129, 136, 162 ff.; MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rn. 43 f.; Spindler/ Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 58; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 70; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 147, 149; Leyens, JZ 2007, 1061, 1070; Lutter, JZ 1995, 1053, 1055; Ostler, S. 204 f.; a.A. Beckerhoff, S. 97 ff.; Grigoleit/Grigoleit, § 1 Rn. 78; Guntz, S. 144 ff.; Nehls, S. 104 ff. (jede Form von Fahrlässigkeit genügt); a.A. Jilg, S. 132 ff.; Wachter/Servatius, § 53a Rn. 57; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.91 (grobe Fahrlässigkeit genügt); vermittelnd Hüffer/Koch, § 53a Rn. 21 (bei Verstoß gegen Treuepflicht durch Stimmrechtsausübung Beschränkung auf Vorsatz, i.Ü. genügt nach §§ 277, 708 BGB grobe Fahrlässigkeit).
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densersatzpflicht auslösen, zum anderen durch die Statuierung eines grundsätzlichen Vorrangs der Anfechtungsklage gegenüber der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs306. Neben dem Anspruch wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis sind des Weiteren der deliktsrechtliche Sondertatbestand des § 117 Abs. 1 AktG307 sowie die Generalklausel des § 826 BGB in Erwägung zu ziehen. Insbesondere die strengen Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift können in den Extremfällen des empty voting durchaus gegeben sein. Das Verschulden des empty voter kann dabei vermutet werden, wenn er sein Beteiligungsinteresse neutral oder negativ ausgestaltet hat.308 Der Anspruchsteller trägt diesbezüglich jedoch die Beweislast und steht damit mangels Transparenz vor einem faktisch unlösbaren Problem. i) Ergebnis Obwohl die Figur des institutionellen Rechtsmissbrauchs eine generalisierende, die Treuepflicht hingegen eine einzelfallbezogene Betrachtung erfordert, fördert die Analyse des empty voting unter beiden Aspekten identische Ergebnisse zu Tage: Solange der Aktionär ein positives Interesse an der Unternehmensentwicklung hat, liegt grundsätzlich weder ein institutioneller Missbrauch des Stimmrechts noch ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht vor. Er darf daher das Stimmrecht aus seiner gesamten Beteiligung ausüben.309 Gestaltet der Aktionär hingegen seine Position neutral oder negativ aus, ist ein Rechtsmissbrauch aufgrund der vorprogrammierten Interessenkonflikte zu bejahen bzw. führt eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls regelmäßig zur Annahme eines Treuepflichtverstoßes. Stimmt der Aktionär trotz eines neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses ab, spricht eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Stimmrechtsmissbrauchs bzw. eines Treuepflichtverstoßes. In der Regel dürfte darüber hinaus auch der Tatbestand des § 243 Abs. 2 AktG erfüllt sein, der indes neben einer Verletzung der Treuepflicht keine eigenständige Bedeutung hat.
III. Transparenz 1. Einleitung Wird die Risikoentleerung vor der Hauptversammlung bekannt, können die übrigen Aktionäre ihr Abstimmungsverhalten den veränderten Gegebenheiten anpas306 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a Rn. 58; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 70; GroßkommAktG/Henze/Notz, Anh § 53a Rn. 148; Nirk/Ziemons/Binnewies/Ziemons, Rn. I 7.89. 307 Näher zu diesem Mittermeier, S. 343 ff. 308 So auch Ostler, S. 205. 309 A.A. und nicht überzeugend Ostler, S. 220 ff.; vgl. dazu schon oben 4. Kapitel B. II. 1. mit Fn. 9.
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sen oder aber auf die Beachtung der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Schranken des empty voting hinwirken. Die lex lata hält – um auf die einleitend formulierte Frage zurückzukommen – also durchaus geeignete Instrumente gegen das Abstimmen aus risikoentleerten Stimmrechten bereit. Es ist völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es angesichts dieses Befundes eines spezialgesetzlichen Stimmverbots nicht bedarf.310 Das Problem liegt also nicht in der Unzulänglichkeit des rechtlichen Instrumentariums, sondern darin, dass die Aufdeckung derjenigen Fälle, in denen das Instrumentarium zur Anwendung kommen soll, Schwierigkeiten bereitet. Es besteht – bildlich gesprochen – keine Klarheit darüber, wann die durchaus schlagkräftige rechtliche Eingreiftruppe überhaupt ausrücken soll.311 Zudem hilft die hier entwickelte Vermutung eines Stimmrechtsmissbrauchs bzw. eines Treuepflichtverstoßes oder die Vermutung des Vorsatzes i.R.d. § 243 Abs. 2 AktG oder eines Schadensersatzanspruches gegen den empty voter mit neutralem oder negativem Beteiligungsinteresse nur dann weiter, wenn dem Kläger auch die Möglichkeit eröffnet wird, die für die Vermutung entscheidende Ausgestaltung des Beteiligungsinteresses des empty voter zu ermitteln. Die Offenlegung des Beteiligungsinteresses ist daher essentiell. Ob das Kapitalmarktrecht die Forderung nach mehr Transparenz zu erfüllen vermag, werden die folgenden Ausführungen zeigen. Dabei sind die Beteiligungstransparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG sowie die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrollschwelle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) von besonderem Interesse. Nachstehend wird zunächst die Erlangung des Stimmrechts im Wege des Wertpapierdarlehens in den Blick genommen (dazu 2.). Im Anschluss daran ist die Rechtslage in Bezug auf den Einsatz von Derivaten zu schildern (dazu 3.).
310 Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 611; ähnlich Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 75, die selbst die Fälle des negativen wirtschaftlichen Interesses nicht für dringend regulierungsbedürftig hält; a.A. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 644 ff., 648; Fischer zu Cramburg, NZG 2008, 457, 458: „[…] sollte dabei vor allem sichergestellt werden, dass Stimmrechte aus geliehenen Aktien nur dann genutzt werden dürfen, wenn der Verleiher dem ausdrücklich zustimmt.“; Mittermeier, S. 360 ff. für ein Stimmverbot, sofern nicht eine wesentliche (50 %) ökonomische Eigenbeteiligung des Aktionärs an der Gesellschaft verbleibt; Seibt, ZGR 2010, 795, 833 f., der einen fallweisen Rückgriff auf allgemeine Rechtsinstitute wie die mitgliedschaftliche Treuepflicht zwar für möglich, deren Anwendung aber für zu wenig rechtssicher hält; zur Diskussion in den USA, wo es allerdings eine mitgliedschaftliche Treuepflicht in einer dem deutschen Recht vergleichbaren Form nicht gibt, vgl. Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 888 ff. (2006); dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 697 ff. (2008), die eine unmittelbare Beschränkung des Stimmrechts, v. a. im Falle des negativen Beteiligungsinteresses, als eine Lösungsmöglichkeit ansehen; a.A. Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 252 f. (2008). 311 So auch Mittermeier, S. 334, 348 f.; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 76.
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2. Einsatz von Wertpapierdarlehen a) Beteiligungstransparenzvorschriften (§§ 21 ff. WpHG) Überschreitet der Darlehensnehmer mithilfe darlehensweise erworbener Aktien eine der in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Schwellen, stellt sich die Frage nach einer Verpflichtung zur Offenlegung. Sind die darlehensweise überlassenen Wertpapiere ihm (d. h. dem Darlehensnehmer), dem Darlehensgeber oder evtl. sogar beiden zuzuordnen? aa) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG beim Darlehensnehmer (1) Allgemeines Nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG wird die Meldepflicht u. a. dann ausgelöst, wenn die genannten Schwellenwerte „durch Erwerb“ erreicht, überschritten oder unterschritten werden. Gegenstand des Erwerbs sind nicht die Stimmrechte, sondern die Aktien, mit denen das Stimmrecht verbunden ist, denn aufgrund des Abspaltungsverbots ist eine isolierte Übertragung des Stimmrechts nicht möglich.312 Im Übrigen setzt der Erwerb den wirksamen Abschluss des dinglichen Rechtsgeschäfts voraus, d. h. der Erwerber muss Eigentümer der Aktien geworden sein. Mitteilungspflichtig nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG ist also der Aktionär.313 Von § 21 Abs. 1 WpHG nicht erfasst ist der Abschluss eines Kaufvertrags oder eines ähnlichen Geschäfts, das lediglich einen Anspruch auf den Erwerb der Aktien gewährt; dieses kann allenfalls eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG begründen314. Soweit ersichtlich, wird von niemandem vertreten, es sei bereits im Rahmen des § 21 Abs. 1 WpHG eine schuldrechtliche Betrachtungsweise anzulegen.315 (2) Offenlegung des Stimmrechtserwerbs Im Zentrum des Wertpapierdarlehensgeschäfts steht die Verpflichtung des Darlehensgebers zur Übertragung des Eigentums auf den Darlehensnehmer. Letzterem stehen nach Vornahme des Erfüllungsgeschäfts als Eigentümer der Wertpapiere auch 312 KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 106; Assmann/Schneider/Schneider, § 21 Rn. 32; siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 625; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 21 WpHG Rn. 12; siehe auch schon oben 3. Kapitel A. II. 1. a). 313 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 21 WpHG Rn. 25; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 21 WpHG Rn. 4; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 21 Rn. 28; Heidel/Heinrich, § 21 WpHG Rn. 4; Heusel, WM 2012, 291, 295; Holfter, S. 138 f.; Nottmeier/H. Schäfer, AG 1997, 87, 88; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 21 WpHG Rn. 20; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 18 Rn. 12 f.; Assmann/Schneider/Schneider, § 21 Rn. 73; Steuer/Baur, WM 1996, 1477; Schwark/Zimmer/Schwark, § 21 WpHG Rn. 12; Veil/Veil, § 20 Rn. 22. 314 Str., siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (c). 315 Irreführend insofern die Darstellung eines vermeintlichen Meinungsstreits bei Assmann/ Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 21 Rn. 41 ff., der zudem in Rn. 41h mit Fn. 3 fälschlicherweise Nottmeier/H. Schäfer, AG 1997, 87, 88 als Vertreter dieser Ansicht anführt.
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die mit diesen verbundenen Stimmrechte zu.316 Folglich ist er auch zur Offenlegung gegenüber dem Emittenten und gegenüber der BaFin verpflichtet, sofern er mittels darlehensweise erworbener Aktien eine der relevanten Meldeschwellen erreicht oder überschreitet.317 § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG verlangt nicht, dass die Aktien für eine gewisse Mindestdauer im Eigentum des Meldepflichtigen stehen.318 Deshalb trifft ihn die Mitteilungspflicht selbst dann, wenn er im Rahmen einer Erwerbskette die Aktien umgehend weiterüberträgt, dann sogar zweimal, einmal als Erwerber und einmal als Veräußerer.319 Zur Vermeidung fortgesetzter Meldepflichten insbesondere von Wertpapierdienstleistungsunternehmen ermöglicht § 23 WpHG jedoch unter besonderen Voraussetzungen die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten. Für den hier interessierenden Fall der Vereinbarung eines Wertpapierdarlehens zum Zwecke der record date capture kann festgehalten werden: Trotz der meist nur kurzen Haltedauer und sehr zeitnahen Rückübertragung der Aktien an den Darlehensgeber ist der Darlehensnehmer, der sich das Wertpapierdarlehen zur Erlangung der Stimmrechte zunutze macht, bei Erreichen oder Überschreiten einer Meldeschwelle zur Mitteilung an die Gesellschaft und an die BaFin verpflichtet. (3) Keine Offenlegung des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses Wenngleich somit der Kapitalmarkt zwar vom Aktienerwerb des Darlehensnehmers und der Höhe des Anteils erfährt, erscheint die dadurch herbeigeführte Transparenz dennoch unzureichend: Wie sich aus § 21 Abs. 3 WpHG i.V.m. § 17 Abs. 1 WpAIV ergibt, muss der Darlehensnehmer in seiner Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG die Ziele des Stimmrechtserwerbs, z. B. ob er Leerverkäufe zu tätigen 316
Dazu siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b). Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 625; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 100; Burgard, BB 1995, 2069, 2073; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1092; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 41; Krause, AG 2011, 469, 475 f.; Lenenbach, Rn. 7.28; Merkner/ Sustmann, NZG 2010, 1170, 1171; Mittermeier, S. 114; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 235; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 83; ders./Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1419; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483; Theusinger/Möritz, Ad legendum 2010, 3, 6. 318 Dieser Ausgangspunkt ist ganz h.M., vgl. KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 139; Langenbucher, § 17 Rn. 66; Lenenbach, Rn. 7.28; Assmann/Schneider/Schneider, § 21 Rn. 24; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 21 WpHG Rn. 15; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/ Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 60. 319 Ebenso Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 21 Rn. 40; KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 139; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, § 105 Rn. 41; Langenbucher, § 17 Rn. 66; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1420; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 21 WpHG Rn. 15; a.A. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 16.451, der im Falle des bloßen Durchgangserwerbs eine teleologische Reduktion des § 21 Abs. 1 WpHG befürwortet und eine Meldepflicht verneint; siehe auch Assmann/Schneider/Schneider, § 21 Rn. 26, dem zufolge lediglich der Höchst- und Tiefststand im Laufe eines Tages zu melden ist. Die BaFin lässt eine tageweise Saldierung in Bezug auf Schwellenüber- oder -unterschreitungen zu, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.3.5, S. 108; siehe für die Schweiz auch Art. 9 Abs. 4 lit. c BEHV-FINMA: „Keine Meldepflicht entsteht, wenn ein Grenzwert innerhalb eines Börsentages (Intraday) vorübergehend erreicht, über- oder unterschritten wird.“ 317
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
oder das Stimmrecht aus den Aktien auszuüben gedenkt, grundsätzlich ebenso wenig angeben wie die Art und Weise des Aktienerwerbs, also in dem hier untersuchten Fall den ausschließlichen oder teilweisen Erwerb von Aktien aufgrund eines Wertpapierdarlehens. Es erfolgt also keine Offenlegung der Tatsache, dass der Aktionär sich einem aktionärstypischen Risiko hinsichtlich der darlehensweise erworbenen Aktien gerade nicht ausgesetzt sieht; es wird nicht offengelegt, dass dem Aktionär insoweit ein risikoentleertes Abstimmen möglich ist. An dieser entscheidenden Stelle besteht ein Transparenzdefizit.320 Auch der im Zuge des Risikobegrenzungsgesetzes321 eingefügte § 27a WpHG hilft nicht weiter322 : Zwar hat der Emittent die erhaltenen Informationen gemäß § 27a Abs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 WpHG zu veröffentlichen, so dass eine zeitnahe Unterrichtung der übrigen Aktionäre und des breiten Anlegerpublikums gewährleistet ist. Allerdings ist bereits fraglich, ob der Investor den Rechtsgrund des Aktienerwerbs – also die Tatsache, dass er die Aktien nur darlehensweise erlangt hat – überhaupt angeben muss. § 27a Abs. 1 WpHG erlegt ihm nämlich nur die Pflicht auf, dem Emittenten die mit dem Erwerb der Stimmrechte verfolgten Ziele und die Herkunft der für den Erwerb verwendeten Mittel mitzuteilen. Die Information der Erlangung von Aktien im Wege des Wertpapierdarlehens fällt meines Erachtens weder unter das eine noch unter das andere.323 Doch selbst wenn man das anders sähe, wäre die dadurch herbeigeführte zusätzliche Transparenz im hiesigen Zusammenhang nicht ausreichend, weil die Vorschrift die in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Eingangsmeldeschwellen von 3 % und 5 % ausspart und eine Mitteilungspflicht erst bei Erreichen oder Überschreiten der 10 %-Schwelle statuiert. Eine empty votingPosition in Höhe von 9,9 %, wie sie der Hedgefonds Perry im Fall Mylan/King innehatte, könnte mithin unerkannt bleiben. bb) Offenlegungspflichten des Darlehensgebers (1) Allgemeines Dieses Defizit auf der Ebene der Offenlegungspflichten des Darlehensnehmers ließe sich durch eine entsprechende Offenlegungspflicht des Darlehensgebers beheben, da die Zusammenschau beider Mitteilungen Klarheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Betroffenheit der Beteiligten brächte. Spiegelbildlich zur Meldepflicht des Darlehensnehmers gemäß § 21 Abs. 1 WpHG bei Erreichen oder Überschreiten der dort genannten Meldeschwellen trifft den Darlehensgeber eine Mitteilungspflicht 320 Ähnlich KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 38; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1171; Mittermeier, S. 115, 334, 349; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1420; für das schweizerische Recht siehe Renn, SZW 2010, 186, 195, 197; für die EU-Ebene vgl. Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 454 f. 321 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12. August 2008, BGBl. I 2008, S. 1666. 322 Ebenso Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 458; Mittermeier, S. 116. 323 Im Ergebnis ebenso Theusinger/Möritz, NZG 2010, 607, 610.
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bei Unterschreitung der Meldeschwellen. Während das Bestehen dieser Mitteilungspflicht allgemein anerkannt ist324, ist die Frage der Zurechnung der Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Wertpapieren zum Darlehensgeber schwieriger zu beantworten. Dass sie bereits dem Darlehensnehmer zugeordnet werden, steht dem jedenfalls nicht entgegen, denn es gilt der Grundsatz der „Mehrfacherfassung von Stimmrechten“325 : Eine Zuweisung der Stimmrechte kann sowohl zum Aktionär als auch zu einem Dritten erfolgen; eine Absorption von Stimmrechten findet nicht statt.326 (2) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG stehen Stimmrechten des Meldepflichtigen Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleich, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Ratio des Zurechnungstatbestands ist die Erfassung von Konstellationen, in denen die formale Mitgliedschaft und die Zuordnung der wirtschaftlichen Risiken an den Wertpapieren auseinanderfallen.327 Die beiden Tatbestandsmerkmale sind im Folgenden im Hinblick auf das Wertpapierdarlehen zu überprüfen. (a) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören Zunächst ist also die Voraussetzung „Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören“ zu klären. Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ist insofern missglückt, als nicht hinreichend deutlich wird, ob sich der Relativsatz auf die Stimmrechte oder auf die Aktien bezieht. Diese Frage wird in aller Regel ohne näheres Problembewusstsein im
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Vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 38; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1171; Mittermeier, S. 115. 325 So der Terminus bei KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 48; siehe auch ders./Petersen, NZG 2009, 1373, 1374: „Doppelerfassung“; etwas verunglückt der Begriff der „mehrfachen Zurechnung“ bei Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 15, da eine Zurechnung nur i.R.d. § 22 WpHG erfolgt, der Darlehensnehmer jedoch schon gemäß § 21 Abs. 1 WpHG einer Meldepflicht unterliegt. 326 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 21 WpHG Rn. 10; Burgard, BB 1995, 2069, 2072; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 21 Rn. 6; BeckHdbAG/Göckeler, § 26 Rn. 178; Heidel/Heinrich, § 22 WpHG Rn. 26; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 24; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 28; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 44; Veil/Veil, § 20 Rn. 39; Wansleben, StudZR 2009, 465, 469; a.A. Lange, ZBB 2004, 22, 24 f. 327 Buck-Heeb, Rn. 440; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 46; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1502; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 52; Schwark/Zimmer/ Schwark, § 22 WpHG Rn. 4; Wansleben, StudZR 2009, 465, 470.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Sinne der zweiten Möglichkeit beantwortet.328 Lediglich Oechsler setzt sich für die gleichlautende Vorschift des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG mit dieser Problematik auseinander und kommt zum entgegengesetzten Ergebnis, dass mit Hilfe des Relativsatzes die Stimmrechte in Bezug genommen werden, so dass die Stimmrechte dem Dritten gehören müssen.329 Einerseits scheinen zwar die Zurechnungstatbestände des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 – 6 WpHG und des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 – 6 WpÜG der Ansicht Oechslers entgegenzustehen, da sie sich unzweifelhaft auf die Aktien beziehen.330 Auch dürfte der stilistische Grundsatz Geltung beanspruchen, dass sich ein Relativsatz stets auf dasjenige Substantiv bezieht, das ihm unmittelbar vorausgeht. Andererseits behandelt Art. 10 lit. g der Transparenzrichtlinie II – europarechtliche Grundlage des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG – „Stimmrechte, die von einem Dritten in eigenem Namen für Rechnung dieser natürlichen oder juristischen Person gehalten werden“. Nimmt man das Abspaltungsverbot ernst, so löst sich die Bedeutung der Frage letztlich in Wohlgefallen auf: Im Ergebnis bedeuten die Wendungen „Stimmrechte, die einem Dritten gehören“ und „Aktien, die einem Dritten gehören“ ein und dasselbe, denn mit der Übertragung des Eigentums an dem Wertpapier geht das Stimmrecht einher; eine isolierte Übertragung des Stimmrechts im Sinne einer Abspaltung des Stimmrechts von der Aktieninhaberschaft ist unzulässig.331 Geht man somit davon aus, dass sich der Relativsatz auf die Aktien bezieht, müssen die Aktien einem „Dritten“ gehören, d. h. der Dritte muss Aktionär der Gesellschaft sein.332 Sofern es um die Zurechnung der darlehensweise überlassenen Aktien an den Darlehensgeber geht, gehören diese aus Sicht des Darlehensgebers einem Drittem, nämlich dem Darlehensnehmer, der zivilrechtlicher Eigentümer der Wertpapiere ist. Außer Betracht bleibt an dieser Stelle, dass die Vertragsparteien durch die Weiterleitung der anfallenden Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte an den Darlehensgeber regelmäßig diesem eine wirtschaftliche Eigentümerstellung zuschreiben.
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VG Frankfurt BKR 2007, 40, 42; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 77, 70; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 18; Spindler/Stilz/Petersen, § 22 Anh Rn. 46; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 15; Habersack/Mülbert/ Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 83; a.A. Wansleben, StudZR 2009, 465, 469; widersprüchlich MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 17, der mal auf die Aktien, mal auf die Stimmrechte abstellt. 329 Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 5 f. 330 Dies konzedierend auch Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 5. 331 So auch Vedder, S. 171; ähnlich Starke, S. 201, der darauf hinweist, dass die Übernahme der Formulierung in Art. 7 Spiegelstrich 1 der Transparenzrichtlinie I (sie entspricht Art. 10 lit. g der Transparenzrichtlinie II) in das WpHG vor dem Hintergrund des im deutschen Recht geltenden Abspaltungsverbots missverständlich gewesen wäre. 332 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 77, 70; Burgard, BB 1995, 2069, 2072; Heidel/ Heinrich, § 22 WpHG Rn. 7; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 28; Assmann/ Schneider/Schneider, § 22 Rn. 53; Wansleben, StudZR 2009, 465, 469.
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(b) Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten Darüber hinaus müsste der Darlehensnehmer die Aktien für Rechnung des Darlehensgebers halten. Das Tatbestandsmerkmal des Haltens für Rechnung des Meldepflichtigen setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Verlangt wird zum einen, dass den Meldepflichtigen im Innenverhältnis zum Dritten die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus der Beteiligung treffen (dazu (aa)).333 Einschränkend fordert die herrschende Meinung zudem, dass der Meldepflichtige die Stimmrechtsausübung faktisch oder rechtlich beeinflussen kann (dazu (bb)).334 (aa) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Darlehensgeber Zu den wirtschaftlichen Chancen und Risiken, die im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG den Meldepflichtigen treffen, gehören insbesondere das Bestandsrisiko, die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen, das Dividendenrisiko, das Bezugsrechterisiko und das Risiko, Abfindungs- und Ausgleichszahlungen und den Anteil am Liquidationserlös zu erhalten.335 (a) Darlehensgeber als Träger der wirtschaftlichen Chancen und Risiken Einerseits sind während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte vom Darlehensnehmer regelmäßig in Form von Kompensationszahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten.336 Andererseits trägt dieser aber auch das Risiko, keinerlei Kompensationszahlungen zu erhalten, z. B. für den Fall, dass keine Dividende ausgeschüttet wird. Am Ende der Laufzeit des Wertpapierdarlehens erhält der Darlehensgeber die Aktien zum aktuellen Kurs zurück. Er partizipiert sowohl an positiven als auch negativen zwischenzeitlichen 333 LG Hannover WM 1992, 1239, 1243 (zu § 20 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG); VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 43; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 79; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 575; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 55; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 15; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 83; a.A. Vedder, S. 151 f., 182, die jede Beteiligung an den wirtschaftlich nachteiligen Folgen der Investition für eine Zurechnung ausreichen lassen will. 334 VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 42; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 22 WpHG Rn. 4; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 80; Christ, S. 61 f.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 49; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 18; Lenenbach, Rn. 7.29, 13.406; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 575; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; Ostler, S. 252 f.; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1422; Starke, S. 199 ff.; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 133, 136; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch BGH NZG 2014, 985 Leitsatz 3 und Rn. 50; a.A. Schanz, DB 2008, 1899, 1902; ders./Schalast, Working Paper, S. 17; Vedder, S. 182; wohl auch MünchKommAktG/ Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 17 ff., der einen eventuellen Einfluss des Meldepflichtigen auf die Stimmrechtsausübung durch den Dritten mit keinem Wort erwähnt. 335 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 79; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 55; Vedder, S. 171 f.; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 15; Wansleben, StudZR 2009, 465, 469 f.; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch BGH NZG 2014, 985 Rn. 49. 336 Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (1).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Kursentwicklungen und trägt daher auch hinsichtlich der Kursentwicklung der Aktie sämtliche Chancen und Risiken.337 (b) Gegenansicht Vereinzelt wird dieses Ergebnis in der Literatur zur Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG, die ebenfalls den Begriff „für Rechnung“ enthält, mit mehreren Argumenten bestritten: Zum ersten stehe es dem Darlehensnehmer nicht nur frei, die Aktien zu veräußern oder zu belasten oder sonst wie über sie zu verfügen; für ihn sei das Wertpapierdarlehen überhaupt nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn er die Aktien weiterveräußere, da er nur auf diese Weise die an den Darlehensgeber zu zahlende Gebühr wieder einnehmen könne. Die im Rahmen der Weiterveräußerung erzielten Gewinne müsse der Darlehensnehmer (regelmäßig) weder an den Darlehensgeber abführen noch halte der Darlehensgeber den Darlehensnehmer von etwaigen hierbei erlittenen Verlusten frei.338 Zum zweiten sei die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zahlung von Kompensationen für auf die Aktien gezahlte Dividenden schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Kompensationszahlungspflicht nicht an das Halten der Aktien durch den Darlehensnehmer anknüpfe, sondern pauschal anfalle, sobald seitens des Unternehmens Dividenden gezahlt wurden. Das Risiko der tatsächlichen Vereinnahmung der Dividenden liege daher beim Darlehensnehmer. Selbst wenn man dies anders sähe, gehöre jedenfalls das durch die Dividendenkompensationszahlung auf den Darlehensgeber übergehende Risiko nicht zu den wesentlichen, wie es für eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erforderlich wäre.339 Zum dritten sei das den Darlehensgeber treffende Kursrisiko identisch mit dem Risiko, das ein Marktteilnehmer zu tragen hat, wenn er Aktien am Kassamarkt verkauft und anschließend auf Termin wieder zurückkauft. Dem Terminkäufer würden die vom Terminverkäufer gehaltenen Aktien aber auch nicht zugerechnet. Der Vergleich mit dem Termingeschäft zeige daher, dass das vom Darlehensgeber getragene Kursrisiko nichts mit dem Halten der überlassenen Aktien zu tun habe, sondern allein daraus resultiere, dass sich der Darlehensgeber bestimmter Vermögensgegenstände begebe und dafür einen Gegenanspruch erwerbe, dessen Fälligkeit aufgrund der Natur des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts zeitlich hinausgeschoben sei.340
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So auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 627; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 102; Krause, AG 2011, 469, 476; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48. 338 Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1373; ihnen folgend Spindler/Stilz/Schall, § 16 Rn. 22. 339 Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1374. 340 Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1375.
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(c) Stellungnahme Richtig an dem zweitgenannten Argument der Gegenansicht ist die Darstellung der herrschenden Meinung, die für eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG341 bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG342 die Übernahme der „wesentlichen“ wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Aktien ausreichen lässt. Ebenso richtig ist, dass der Darlehensnehmer mit einer Veräußerung der überlassenen Wertpapiere wirtschaftliche Risiken eingeht, die er nicht an den Darlehensgeber weiterleiten kann. Steigen die Kurse im Anschluss an die Weiterveräußerung, muss er sich Aktien zu einem höheren Preis besorgen, um seiner Rückübertragungspflicht nachkommen zu können. Allerdings scheint in den Überlegungen der Gegenansicht keine Berücksichtigung zu finden, dass von einem „Halten“ i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG nicht mehr gesprochen werden kann und eine Zurechnung an den Darlehensgeber daher von vornherein ausscheidet, wenn der Darlehensnehmer die Aktien weiterüberträgt, ohne den Erwerber in irgendeiner Weise zu binden.343 Auf jeden Fall wäre dieses Risiko des Darlehensnehmers nur einer von vielen Aspekten, die im Rahmen der Beurteilung, ob der Darlehensgeber die „wesentlichen Risiken“ aus der Aktie trägt, zu berücksichtigen sind. Wenn es um die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus Aktien geht, sollte das Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, wer das typische Aktionärsrisiko eines Kursverlusts im Zeitraum zwischen Übereignung der Aktien an den Darlehensnehmer und Rückübereignung vergleichbarer Aktien an den Darlehensgeber trägt; das ist beim Wertpapierdarlehen aber der Darlehensgeber. Er steht am Ende des Darlehensgeschäfts so, als wenn er die Aktien nicht zeitweise einem anderen überlassen, sondern selbst gehalten hätte.344 341 Vgl. LG Hannover WM 1992, 1239, 1243; MünchHdbAG/Krieger, § 68 Rn. 24; Spindler/Stilz/Schall, § 16 Rn. 22; GroßkommAktG/Windbichler, § 16 Rn. 27; a.A. Vedder, S. 151 f., die jede Beteiligung an den wirtschaftlich nachteiligen Folgen der Investition für eine Zurechnung ausreichen lassen will. 342 Vgl. KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 79; Burgard, BB 1995, 2069, 2072; Langenbucher, § 17 Rn. 69; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 59; a.A. Holfter, S. 168, der für eine Zurechnung die Tragung sämtlicher Chancen und Risiken verlangt; Vedder, S. 182, die auf eine (nur teilweise) Verlagerung der wirtschaftlich nachteiligen Folgen abstellt. 343 Dieses Ergebnis entspricht ganz h.M., wird jedoch teilweise ungenau damit begründet, dass die Aktien dem Darlehensnehmer nicht mehr „gehören“ i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG (so MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 22; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 101; Burgard, BB 1995, 2069, 2074; wohl auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51). Die Vorschrift spricht allerdings nur von einem Dritten, dem die Aktien gehören müssen, und das kann auch derjenige sein, an den der Darlehensnehmer die Aktien weiterüberträgt. Entscheidendes Kriterium muss daher die Bindung des Erwerbers sein (richtig Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 627; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 49; siehe auch Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 53, wonach es unbeachtlich ist, ob zwischen dem Meldepflichtigen und dem Dritten ein gesetzliches oder ein rechtsgeschäftliches Rechtsverhältnis besteht). Die BaFin ging bis zur Neuauflage ihres Emittentenleitfadens aus Praktikabilitätsgründen für den Regelfall der Ketten-Wertpapierleihe davon aus, dass schon im Zeitpunkt der Übertragung der Aktien an den Darlehensnehmer die Zurechnung zum Darlehensgeber endet, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 3. Aufl., VIII.2.5.2.2, S. 141. 344 Richtig Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 627 f.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Wie die Argumente zwei und drei der Gegenansicht zeigen, kommt es ihr entscheidend darauf an, dass nur solche Aspekte in die Betrachtung der wesentlichen Chancen und Risiken aus den Aktien einfließen, die an das Halten der Aktien anknüpfen. Dann allerdings überrascht es, wenn im Rahmen des ersten Arguments auf die sich aus der Weiterveräußerung ergebenden Risiken für den Darlehensnehmer abgestellt wird, da gerade in diesem Fall von einem „Halten“ nicht mehr gesprochen werden kann. Letztlich kann die Frage nach der Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken aber offen bleiben, wenn der Darlehensgeber die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer ohnehin nicht beeinflussen kann. (bb) Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung (a) Allgemeines Die von der herrschenden Meinung verlangte Möglichkeit der Beeinflussung der Stimmrechtsausübung durch den Dritten muss derart beschaffen sein, dass der Dritte das Stimmrecht letztlich im Interesse des Meldepflichtigen ausübt.345 Diese Einschränkung findet ihre Berechtigung in dem Gedanken, dass es bei den Zurechnungsnormen des § 22 WpHG um die Erfassung von Stimmrechtsherrschaft geht, also um die Zuordnung von Einflussmöglichkeiten.346 Nur wenn eine solche Einflussmöglichkeit besteht, ist eine Offenlegungspflicht angebracht. Dem Gesetz liegt allerdings die Wertung zugrunde, dass der Inhaber der wirtschaftlichen Chancen und Risiken im Regelfall einen derartigen Stimmrechtseinfluss hat.347 Daher ist das Bestehen eines Weisungsrechts des Meldepflichtigen gegenüber dem Dritten ebenso wenig Voraussetzung348 wie eine Verpflichtung des Dritten, das Stimmrecht im Interesse des Meldepflichtigen auszuüben349, wenngleich mit dem Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümerstellung nicht selten ein solches 345 VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 43; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 49; Engert, ZIP 2006, 2105, 2110; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; MarschBarner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 22. 346 VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 42; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 80; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 575; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; Starke, S. 200 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028. 347 VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 43: „Insoweit wird in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Wertpapierhandelsgesetz unterstellt, dass derjenige, der die wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt, auch Einfluss auf das Stimmrecht hat.“; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 49: „typisierend angenommene[r] Stimmrechtseinfluss des Hintermannes“; Starke, S. 200; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 83; wohl auch Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 68. 348 VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 43; Bürgers/Körber/Becker, Anh. § 22/§ 22 WpHG Rn. 4 (abstrakte Betrachtungsweise); Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 49; Heinrich, S. 93; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; anders wohl Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 465 ff.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479. 349 So aber für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 32.
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Weisungsrecht einhergeht. Erst recht darf nicht verlangt werden, dass von einem evtl. bestehenden Weisungsrecht Gebrauch gemacht wird.350 (b) Widerlegliche Vermutung der Möglichkeit des Stimmrechtseinflusses Bejaht man mit der herrschenden Meinung die Notwendigkeit eines derartigen, den Tatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG einschränkenden Merkmals351, muss man anschließend darüber befinden, wie sein Vorliegen im konkreten Fall festgestellt werden soll. (aa) Streitstand Während der überwiegende Teil der Literatur352 und seit dem Lindner-Urteil offensichtlich auch der BGH353 eine gesonderte Prüfung und positive Feststellung des Merkmals des Stimmrechtseinflusses im Einzelfall verlangen, wird aus der dem Gesetz zugrunde liegenden Wertung teilweise gefolgert, der Einfluss des Meldepflichtigen auf die Stimmrechtsausübung werde vermutet, sofern ihn die wesentlichen wirtschaftlichen Folgen aus der Beteiligung treffen. Einer positiven Feststellung des Stimmrechtseinflusses im Einzelfall bedürfe es daher nicht.354 Über die genaue Ausgestaltung dieser Vermutung besteht allerdings wiederum keine Einigkeit: Bachmann möchte eine tatsächliche Vermutung dergestalt annehmen, dass die Zuordnung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken zwar den Stimmrechtseinfluss indiziert, im Einzelfall jedoch den Nachweis des Gegenteils nicht versagen.355 Die BaFin hingegen lässt den Antritt des Gegenbeweises im konkreten Einzelfall nicht zu. Ihrer Auffassung zufolge ist eine abstrakte Betrachtungsweise vorzunehmen, so dass es auf eine konkrete Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung nicht ankommt.356 Derjenige, der das wirtschaftliche Risiko trage, habe typischerweise die 350 Heidel/Heinrich, § 22 WpHG Rn. 6; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 83. 351 Zu den Gegenstimmen siehe die Nachweise in Fn. 334. 352 Sehr deutlich Starke, S. 201; Wansleben, StudZR 2009, 465, 470; ebenso Brandt, BKR 2008, 441, 445 mit Fn. 23; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 4, 102; Fuchs/Dehlinger/ Zimmermann, § 22 Rn. 49, 56; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22 §§ 21 ff. WpHG Rn. 18; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1377; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 136 ff. 353 BGHZ 180, 154 Rn. 34. 354 Insofern übereinstimmend Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 629; BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.5.2, S. 115, deutlicher die Wiedergabe der Rechtsauffassung der BaFin in VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028; wohl auch Burgard, BB 1995, 2069, 2072: „Für Rechnung werden Aktien daher schon dann gehalten, wenn der Meldepflichtige am (Miß-)Erfolg des Engagements auf irgendeine Weise beteiligt und der Dritte (deswegen) zumindest faktisch gehalten ist, die Interessen des Meldepflichtigen bei der Stimmrechtsausübung […] zu berücksichtigen […].“ 355 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 629. 356 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.5.2, S. 115; ebenso OLG München NZG 2009, 1386, 1388.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
rechtliche, jedenfalls aber die tatsächliche Möglichkeit, auf die Ausübung der Stimmrechte Einfluss zu nehmen. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn beispielsweise ein atypischer Treuhandvertrag vorliege und ein Weisungsrecht des Treugebers vertraglich ausgeschlossen sei. Auch in einem solchen Falle werde der Treugeber als wirtschaftlich Betroffener regelmäßig tatsächlichen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung des Treuhänders nehmen können.357 Nach C. Weber und Meckbach wiederum geht es nicht um die Lösung von Beweisfragen, sondern um die Rechtsfrage, ob es geboten ist, bestimmte Fallgestaltungen durch restriktive teleologische Auslegung aus dem Zurechnungstatbestand auszunehmen. Die Funktion des Merkmals des Stimmrechtseinflusses bestehe lediglich in einer Aussonderung solcher Fälle, in denen der Regelfall nicht gegeben ist. Demnach seien solche Fallgestaltungen aus dem Zurechnungstatbestand auszunehmen, in denen trotz Übernahme der wesentlichen Chancen und Risiken aus der Beteiligung ein Stimmrechtseinfluss typischerweise ausgeschlossen ist.358 (bb) Stellungnahme Die letztgenannte Ansicht scheint von der Auffassung der BaFin nicht weit entfernt zu sein. Beide betrachten nicht den Einzelfall, sondern gehen abstrakt und typisierend vor. Das kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Zum einen würden dadurch unbefriedigende Einzelfallergebnisse hervorgerufen: Hat derjenige, um dessen Mitteilungspflicht gestritten wird, mit einem Dritten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen (z. B. Treuhandvertrag), das in der Praxis zwar regelmäßig, aber nicht im konkreten Fall mit einem Stimmrechtseinfluss einhergeht, erscheint eine Zurechnung nach § 22 WpHG nicht gerechtfertigt. Dagegen spricht auch die ratio der Zurechnungstatbestände, wonach dem Mitteilungspflichtigen nur solche Stimmrechte zugerechnet werden sollen, auf deren Ausübung er von Rechts wegen oder faktisch Einfluss nehmen kann. Nähme man eine Zurechnung auch für solche Fälle an, in denen eine derartige Möglichkeit des Stimmrechtseinflusses nicht gegeben ist, würde der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über die tatsächlich bestehenden Einflussmöglichkeiten des potentiell Meldepflichtigen vermittelt. Schon deswegen ist es erforderlich, im Einzelfall zu betrachten, ob dieser rechtliche oder faktische Möglichkeiten besitzt, um die Stimmrechtsausübung durch den Dritten zu beeinflussen. Der Vorwurf von C. Weber und Meckbach, eine restriktive Auslegung, welche die positive Feststellung des Stimmrechtseinflusses im Einzelfall fordert, verlagere die Probleme unnötig auf die tatsächliche Ebene359, lässt sich bereits grundsätzlich nicht halten – weil die Vertragsunterlagen für den Richter leicht einsichtig sind und ihre Überprüfung im Hinblick auf einen eventuellen Stimmrechtseinfluss keine allzu großen Schwierigkeiten mit sich bringen dürfte –, auf jeden Fall jedoch entschärfen, indem man eventuell auftretenden Beweisschwierigkeiten 357 Vgl. die Darstellung der Rechtsauffassung der BaFin im Sachverhalt des Urteils des VG Frankfurt a.M. BKR 2007, 40, 41. 358 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028. 359 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028.
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mittels tatsächlicher Vermutungen entgegentritt360. Dann besteht zwar die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber der wirtschaftlichen Chancen und Risiken auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Ausübung der Stimmrechte durch den Dritten hat, doch kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, dass er im konkreten Einzelfall – abweichend vom Regelfall – keinen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung hatte. Für den Fall, dass der Meldepflichtige die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus der Beteiligung nicht trägt, kommt eine Zurechnung der Stimmrechte unabhängig von einem etwaig bestehenden Einfluss auf die Stimmrechtsausübung von vornherein nicht in Betracht.361 Insofern handelt es sich bei der Übernahme der wirtschaftlichen Chancen und Risiken um ein unverzichtbares Tatbestandsmerkmal. Gegenüber der herrschenden Ansicht, die sich gegen jede Form von Vermutungen ausspricht und in der Möglichkeit der Stimmrechtsbeeinflussung gleichsam ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erblickt, hat die hier vertretene Ansicht den Vorzug der größeren Rechtssicherheit, ohne jedoch den Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit zu vernachlässigen. Für den Richter bringt sie zudem eine Arbeitserleichterung insofern, als er nur dann in eine tiefere Prüfung einsteigen muss, wenn der potentiell Mitteilungspflichtige den Nachweis antritt, er habe keine Möglichkeit, die Stimmrechtsausübung durch den Dritten zu beeinflussen. Allerdings bereitet die Feststellung der Möglichkeit des Stimmrechtseinflusses wie bereits erwähnt keine besonderen Probleme. (c) Zuordnung des Stimmrechtseinflusses beim Wertpapierdarlehen Wenngleich somit für die Frage, ob die tatsächliche Vermutung widerlegt werden kann, letztlich die vertragliche Ausgestaltung des Wertpapierdarlehens im Einzelfall maßgebend ist, kann hier zumindest die in der Praxis gängige Vertragsgestaltung einer Prüfung unterzogen werden. (aa) Kein Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung In der Ausübung des ihm zustehenden Stimmrechts ist der Darlehensnehmer grundsätzlich frei. Zwar könnte sich der Darlehensgeber durch eine entsprechende Gestaltung des Darlehensvertrags (z. B. durch die Vereinbarung eines Weisungsrechts oder einer Stimmbindungsregelung) eine Einflussmöglichkeit auf die Ausübung der Stimmrechte verschaffen, doch ist dies unüblich und in den einschlägigen Rahmenverträgen auch nicht vorgesehen.362 Nach der herrschenden Marktpraxis – 360 So auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 629; von dieser Möglichkeit ausgehend wohl auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506, nach denen bei swap-Geschäften für eine „tatsächliche Vermutung der Stimmrechtsmacht“ von Investoren die empirische Basis fehle; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 7. 361 F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 58. 362 Siehe dazu oben 2. Kapitel A. II. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
und von dieser soll hier ausgegangen werden – besteht ein Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung also gerade nicht. Gelingt es dem Darlehensgeber angesichts dessen, die Vermutung des Stimmrechtseinflusses zu widerlegen, scheidet eine Zurechnung der Stimmrechte an den Darlehensgeber gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG aus.363 Dieser Nachweis wird ihm nur dann nicht gelingen, wenn im konkreten Einzelfall der Darlehensnehmer über die Aktien nicht weiterverfügen darf und der Darlehensgeber Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat oder die Parteien ausnahmsweise davon ausgehen, dass der Darlehensnehmer die Stimmrechte im Sinne des Darlehensgebers ausübt.364 Gleiches wird für den Fall zu gelten haben, dass der Darlehensnehmer zur Rückübertragung der Aktien noch vor der nächsten Hauptversammlung – sei es eine ordentliche oder eine außerordentliche – verpflichtet ist, weil der Darlehensgeber dadurch die Ausübung des Stimmrechts in seinem Interesse sicherstellt.365 (bb) Gegenansicht und Stellungnahme Nicht überzeugen kann die teilweise geäußerte Gegenansicht, dem Darlehensgeber seien die Stimmrechte aus darlehensweise überlassenen Aktien gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen.366 Sofern sie zur Begründung anführt, der Darlehensgeber werde vertraglich so gestellt, als ob er Eigentümer der Papiere bliebe, und trage daher weiterhin alle wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Aktien367, übersieht sie bereits, dass allein die Übernahme der wirtschaftlichen Chancen und Risiken zur Begründung für eine Zurechnung nicht ausreichen darf. Die ratio der Zurechnungsvorschriften verlangt als einschränkendes Element die Möglichkeit der Einflussnahme des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung durch 363
Zum gleichen Ergebnis kommt auch die Ansicht, die eine positive Feststellung des Stimmrechtseinflusses im Einzelfall verlangt, vgl. BGHZ 180, 154 Rn. 34; KölnKommWpHG/ von Bülow, § 22 Rn. 102; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 234; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 56; Heinrich, S. 97 f.; Lenenbach, Rn. 7.29; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1422; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 5; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1377; grundsätzlich ebenso, aber die Möglichkeit des Darlehensgebers zur Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer fälschlicherweise als Regelfall ansehend, Engert, ZIP 2006, 2105, 2110; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 71. 364 Vgl. KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 101 f.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2110; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1422; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1378. 365 Ebenso Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 629 f.; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 71; ders./Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1422, die Zweifel nur für den Fall anmelden, dass lediglich eine Verplichtung zur Rückübereignung vor der nächsten ordentlichen Hauptversammlung besteht, weil dem Darlehensnehmer damit die Möglichkeit verbliebe, seine vorübergehende Stimmrechtsmacht auf einer außerordentlichen Hauptversammlung geltend zu machen. 366 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 21; Burgard, BB 1995, 2069, 2073; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51; Nottmeier/H. Schäfer, AG 1997, 87, 93; Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 7. 367 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 21; Burgard, BB 1995, 2069, 2073.
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den Darlehensnehmer.368 Eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG soll dieser Auffassung zufolge zudem nur für die „einfache“ Wertpapierleihe in Betracht kommen, nicht aber für die sog. „Ketten-Wertpapierleihe“369, die dann vorliegt, wenn der Darlehensnehmer die Wertpapiere im Rahmen eines zweiten Wertpapierdarlehensvertrags weiter übertragt. Im Falle der „Ketten-Wertpapierleihe“ werde der letzte Darlehensnehmer in der Kette Inhaber der Stimmrechte, die dem ersten Darlehensgeber deshalb nicht mehr nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet werden könnten, weil die Aktien dem ersten Darlehensnehmer nicht mehr „gehören“.370 Manchen Stimmen zufolge ändere sich im Ergebnis dennoch nichts, denn dem ersten Darlehensgeber seien wegen seines schuldrechtlichen Anspruchs auf Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte die Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG zuzurechnen.371 Der Differenzierung zwischen der „einfachen“ Wertpapierleihe und der „KettenWertpapierleihe“ liegt unausgesprochen der richtige Gedanke zugrunde, dass bei letzterer mangels Kenntnis des Darlehensgebers von der Person des zweiten Darlehensnehmers sicherlich keine Einflussmöglichkeit des Darlehensgebers mehr besteht hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts aus den darlehensweise überlassenen Aktien. Das Faktum, dass dies bei der „einfachen“ Wertpapierleihe in der Regel nicht anders ist, nimmt diese Ansicht jedoch nicht zur Kenntnis.372 Außerdem müsste diese Ansicht konsequenterweise mit jeder Veräußerung der Aktien durch den Darlehensnehmer die Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG beenden (und damit eine Mitteilungspflicht des Darlehensgebers gemäß § 21 Abs. 1 WpHG wegen Unterschreitung einer Meldeschwelle bejahen) und mit jedem Rückerwerb wieder annehmen (und damit auch eine Mitteilungspflicht des Darlehensgebers wegen Überschreitung einer Meldeschwelle). Es entzieht sich jedoch regelmäßig der Kenntnis des Darlehensgebers, ob und wann der Darlehensnehmer die darlehensweise überlassenen Aktien verkauft bzw. Aktien wieder zurückkauft373 ; den Darlehensgeber dazu zu verpflichten, laufend beim Darlehensnehmer nachzufra-
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Siehe soeben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (a). MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 22; Nottmeier/H. Schäfer, AG 1997, 87, 93; Ostler, S. 255 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 71; ders./ Anzinger, ZIP 2009, 1, 7. 370 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 22; Burgard, BB 1995, 2069, 2074; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51; für eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG nunmehr Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 7. 371 Burgard, BB 1995, 2069, 2074; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 72; ders., AG 1997, 81, 84; a.A. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 22. 372 Ähnlich zu § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 15; kritisch zu dieser Differenzierung auch Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483. 373 Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1377; zu § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 15. 369
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
gen, um seiner Mitteilungspflicht nachzukommen, erscheint zu Recht als „unpraktikabel“374. Die Begründung, bei einer Weiterveräußerung durch den Darlehensnehmer im Rahmen einer Ketten-Wertpapierleihe scheide eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG an den Darlehensgeber aus, weil die Aktien nicht mehr dem ersten Darlehensnehmer „gehörten“, verträgt sich nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift, die lediglich von einem Dritten spricht, dem die Aktien gehören müssen. Dritter kann aber auch jeder weitere Darlehensnehmer in einer Darlehensvertragskette sein.375 Eine Direktzurechnung der Stimmrechte des letzten Darlehensnehmers zum ersten Darlehensgeber ist theoretisch also durchaus denkbar. Entscheidend sind insofern die weiteren Voraussetzungen der Zurechnungsnorm, die Zuordnung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken und die Möglichkeit der Beeinflussung der Stimmrechtsausübung. Ausscheiden muss im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG allerdings eine sog. Kettenzurechnung376, also eine Zurechnung der dem ersten Darlehensnehmer vom letzten Darlehensnehmer ebenfalls nur zugerechneten Stimmrechte auf den ersten Darlehensgeber. Da die Aktien ausweislich des Wortlauts der Zurechnungsvorschrift von dem Dritten, dem die Aktien gehören, für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden müssen, muss Personenidentität zwischen dem rechtlichen Eigentümer der Aktien und demjenigen bestehen, der diese für Rechnung des Meldepflichtigen hält.377 Schließlich ist überaus fraglich, ob im Fall des Bestehens eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übereignung die Zurechnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG überhaupt eingreift.378 (c) Ergebnis Die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den vom Darlehensnehmer gehaltenen Aktien liegen beim Darlehensgeber. Jedoch kann dieser nach hier vertre374 So bis vor kurzem BaFin, Emittentenleitfaden, 3. Aufl., VIII.2.5.2.2, S. 141, die daher pragmatisch vorging und die Zurechnung zum Darlehensgeber im Regelfall der beabsichtigten Weiterveräußerung der Aktien schon dann beendete, wenn er das Eigentum an den Aktien an den Darlehensnehmer verliert. Auf eine tatsächliche Weiterveräußerung der Aktien durch den Darlehensnehmer kam es dann nicht an. 375 Siehe zu diesem Argument schon oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (aa) (c) mit Fn. 343. 376 Zu dieser umstrittenen Grundsatzfrage des § 22 WpHG vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 6 ff.; Burgard, BB 1995, 2069, 2077 f.; Langenbucher, § 17 Rn. 77; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 18 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 45; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 77 (für Kettenzurechnung); a.A. KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 46; Lange, ZBB 2004, 22, 25 f. (gegen Kettenzurechnung); für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch Ehricke/Ekkenga/Oechsler/ Oechsler, § 30 Rn. 6. 377 Ebenso F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 28; Schanz, DB 2008, 1899, 1903; a.A. offensichtlich Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 140. 378 Dazu siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (c).
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tener Ansicht die im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG geltende tatsächliche Vermutung des Stimmrechtseinflusses in der Regel widerlegen, so dass die aus den darlehensweise überlassenen Aktien resultierenden Stimmrechte dem Darlehensgeber grundsätzlich nicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet werden können. (3) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG (a) Allgemeines Da der Darlehensgeber einen Anspruch auf Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte zum vereinbarten Fälligkeitstermin hat, kommt jedoch eine Zurechnung über § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG in Betracht. Danach stehen Stimmrechten des Meldepflichtigen solche Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleich, die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann. Zwar kann der Erwerber vor Abgabe der Willenserklärung noch nicht auf die Ausübung des Stimmrechts durch den Veräußerer Einfluss nehmen, doch hat er bereits eine gesicherte Rechtsposition, die alsbald in eine Änderung der Beteiligungsstruktur und in einen Übergang der Stimmrechte münden kann.379 Das Regelungsziel besteht darin zu verhindern, dass Aktienbestände zur Umgehung der Meldepflicht einem Dritten derart übertragen werden, dass dem Aktionär der einseitige Rückerwerb jederzeit möglich ist.380 (b) Erlangung des Eigentums an der Aktie durch Willenserklärung Unstreitig findet die Zurechnungsvorschrift Anwendung, wenn zum Erwerb des Eigentums an der Aktie nur noch eine einseitige Willenserklärung des Erwerbers erforderlich ist, der Erwerber also nur noch das Übereignungsangebot des Veräußerers annehmen muss.381 (c) Schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung (aa) Größtmögliche Transparenz als Auslegungsmaxime? Bereits zur Vorgängervorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG wurde vertreten, der Terminus „erwerben“ erfasse darüber hinaus auch Tatbestände, in denen die Übereignung aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruchs lediglich verlangt werden kann. Mangels eindeutigen Gesetzeswortlauts und mangels expliziter Stel379 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 135; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 101; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 87. 380 Vgl. Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54. 381 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 26; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 66; Franck, BKR 2002, 709, 710; Heidel/Heinrich, § 22 WpHG Rn. 14; Lenenbach, Rn. 13.408; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 11; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 102; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 9; Wansleben, StudZR 2009, 465, 475.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
lungnahme des Gesetzgebers zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz (2. FMFG)382 machen sich die Befürworter dieses Standpunkts insbesondere eine teleologische Auslegung zu eigen: Das Ziel möglichst umfassender Transparenz könne nur im Wege einer extensiven Auslegung der Norm erreicht werden, so dass von § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG auch schuldrechtliche Verträge, die lediglich einen Anspruch auf Abschluss des dinglichen Geschäfts begründen, erfasst werden müssten.383 Auch wird auf das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung hingewiesen: Ausweislich des Art. 2 der Transparenzrichtlinie I384 verstehe der europäische Gesetzgeber unter dem Begriff „Erwerb einer Beteiligung“ nicht nur den Kauf einer solchen Beteiligung, sondern auch jeden sonstigen Erwerb ungeachtet seines Rechtsgrundes oder des angewandten Verfahrens.385 Zudem heiße es in Art. 7 Spiegelstrich 7 der englischen Fassung der Richtlinie „… is entitled to aquire, on his own initiative alone, …“, was – auch in Anbetracht der Tatsache, dass das deutsche Trennungsprinzip dem europäischen Gesetzgeber unbekannt ist – für eine Einbeziehung auch schuldrechtlicher Ansprüche auf Übereignung von Aktien spreche.386 Schließlich sei ein mit § 20 Abs. 2 AktG konformes Gesetzesverständnis geboten, um anderenfalls auftretende Wertungswidersprüche zu vermeiden: Wenn schon für die Mitteilungspflichten bzgl. der Beteiligung an nicht börsennotierten Aktiengesellschaften auch Aktien zu berücksichtigen seien, deren Übereignung das Unternehmen verlangen kann (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG) bzw. zu deren Abnahme das Unternehmen verpflichtet ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 AktG), müsse dies erst recht für entsprechende Offenlegungspflichten in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften gelten.387 (bb) Stellungnahme Schon vor Inkrafttreten des WpÜG und der § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG entsprechenden Vorschrift des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG konnte diese Ansicht nicht überzeugen. Sie ließ zunächst die Frage unbeantwortet, warum der Begriff des „Erwerbs“ in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG anders – unter Einbeziehung auch schuldrechtlicher Vereinbarungen – ausgelegt werden sollte als in § 21 Abs. 1
382
Vgl. Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54. Burgard, BB 1995, 2069, 2076; Heinrich, S. 103; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 96; ders., AG 1997, 81, 83; Sympathie bekundend auch Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 476. 384 Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 348/62. 385 Franck, BKR 2002, 709, 711; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 98. 386 Burgard, BB 1995, 2069, 2076 mit Fn. 97; Engert, ZIP 2006, 2105, 2110 f.; Franck, BKR 2002, 709, 711 f.; Heinrich, S. 103. 387 Heinrich, S. 103; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 19; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 108. 383
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WpHG.388 Des Weiteren konnten die genannten Vorschriften der Transparenzrichtlinie I auch dahingehend ausgelegt werden, dass sie – gerade weil anderen europäischen Rechtsordnungen das Trennungsprinzip fremd ist – für die Auslegung des deutschen Rechts nicht maßgebend sein können.389 Der Hinweis auf § 20 Abs. 2 AktG schließlich verfing schon deshalb nicht, weil der Wortlaut dieser Norm sich von dem des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG deutlich unterscheidet: Während die konzernrechtliche Vorschrift bereits nach ihrem Wortlaut schuldrechtliche Ansprüche einbezieht, schließt die Formulierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG eindeutig solche Fallgestaltungen aus, bei denen es zum Erwerb noch der Mitwirkung des Voreigentümers bedarf.390 Zudem verdient Beachtung, dass § 20 Abs. 1 AktG eine Mitteilungspflicht erst dann vorsieht, wenn einem Unternehmen mehr als 25 % der Aktien einer Aktiengesellschaft gehören. Die Meldepflicht des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG hingegen setzt bereits bei 3 % ein und geht somit wesentlich weiter als § 20 Abs. 1 AktG. War früher eine weite Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG unter Hinweis auf das Gebot größtmöglicher Transparenz aber zumindest plausibel und vertretbar gewesen, kann heute an der Auslegung dieser Zurechnungsnorm kein Zweifel mehr bestehen. Zunächst hatte der WpÜG-Gesetzgeber für die Parallelvorschrift des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG entschieden, dass schuldrechtliche Vereinbarungen, die einen Lieferanspruch beinhalten, keine Zurechnung auslösen, und im Rahmen der Begründung zu § 22 WpHG auf die Ausführungen zu § 30 WpÜG verwiesen.391 Da jedoch ein Gleichlauf in der Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG abzulehnen ist392, wurde zu Recht behauptet, aus diesem Verweis des Gesetzgebers ließen sich für die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG keine Rückschlüsse ziehen393. Durch die Neufassung des § 25 WpHG – insbesondere des Abs. 1 S. 3 Hs. 2, wonach Finanzinstrumente im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG bei der Berechnung nur einmal berücksichtigt werden – im Zuge des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG)394 sollten die diesbezüglichen Zweifel allerdings endgültig ausge-
388
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (1); vgl. auch Starke, S. 207; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1480; Wansleben, StudZR 2009, 465, 475 f. 389 Buck-Heeb, Rn. 446; KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 113; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 16.488 f.; Ostler, S. 265 f.; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1377; Starke, S. 207 f.; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1481; Wansleben, StudZR 2009, 465, 475. 390 KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 113; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 59; Starke, S. 207; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1481. 391 Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54, 70. 392 Ausführlich zur Diskussion unten 4. Kapitel B. III. 2. b) bb). 393 Franck, BKR 2002, 709, 711 f.; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 578; Assmann/ Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 93; siehe auch Casper, ZIP 2003, 1469, 1473. 394 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmoniserung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
räumt worden sein. In der Begründung hat sich der Gesetzgeber der hier befürworteten engen Auslegung angeschlossen.395 Sofern man nicht weiterhin deren Europarechtskonformität in Abrede stellt, führt daher von nun an kein Weg mehr an ihr vorbei.396 Das Apodiktische des so formulierten Ergebnisses lässt sich zwar nicht damit begründen, dass der Rechtsanwender an eine Stellungnahme des Gesetzgebers zu einer in der Literatur streitigen Frage strikt gebunden sei.397 Allerdings schlägt das Pendel der Argumente im vorliegenden Fall seither so stark zugunsten einer engen Auslegung aus, dass die von der Gegenansicht vorgetragenen Argumente die durch den Gesetzgeber aufgestellte hohe Hürde der Begründungslast nicht zu überspringen vermögen.398 § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG erfasst daher nur Konstellationen, in denen der Wechsel des Eigentums an den Aktien nur noch eine Willenserklärung des Meldepflichtigen erfordert. Erfasst sind mit anderen Worten nur solche Willenserklärungen, die unmittelbar auf einen dinglichen Eigentumserwerb gerichtet sind.399 (cc) Anwendung auf das Wertpapierdarlehen Für den Fall des Wertpapierdarlehens bedeutet dies: Der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte am vereinbarten Fälligkeitstag vermag eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG nicht zu begründen400, sofern dem Darlehensgeber nicht ausnahmsweise zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 05. Januar 2007, BGBl. I 2007, 10. 395 Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 37: „Diese Vorschrift [§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG, Anm. d. Verf.] sieht eine Zurechnung im Falle dinglich ausgestalteter Optionen vor.“ 396 Ähnliche Schlussfolgerung bei Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 633; Christ, S. 80; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 65; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503: „Streitfrage autoritativ entschieden“; Lenenbach, Rn. 13.409; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 12; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 88; einlenkend nun auch MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 28; Engert, ZIP 2006, 2105, 2111; wohl auch Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1423; anders Assmann/ Schneider/Schneider, 5. Aufl., § 22 Rn. 108 f.; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 561. 397 So aber wohl die Mehrzahl der in Fn. 396 genannten Autoren. 398 Näher zu alldem siehe unten 4. Kapitel B. III. 2. b) bb) (2) (a). 399 Ebenso Anzinger, WM 2011, 391, 393; BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.5.5, S. 117 f.; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 138; Buck-Heeb, Rn. 446; Fuchs/Dehlinger/ Zimmermann, § 22 Rn. 66; Hölters/Hirschmann, § 22 Anhang Rn. 9; Holfter, S. 142 f.; Langenbucher, § 17 Rn. 71 f.; Lenenbach, Rn. 7.30; Ostler, S. 264 ff.; Spindler/Stilz/Petersen, § 22 Anh Rn. 50; Pötzsch/Möller, WM 2000, Sonderbeilage Nr. 2, S. 18 mit Fn. 124; MarschBarner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 27; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 10; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1480; Assmann/Schütze/Süßmann, § 13 Rn. 25; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 23; Wansleben, StudZR 2009, 465, 475 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024; Witt, AG 2001, 233, 237; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG auch BGH NZG 2014, 985 Leitsatz 4 und Rn. 40. 400 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 155; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 234 f.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 48, 66; Ostler, S. 269; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370, 1377; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483; a.A. Burgard, BB 1995, 2069, 2074;
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schon bei Vertragsschluss ein dingliches Anwartschaftsrecht auf Rückübereignung der darlehensweise überlassenen Wertpapiere eingeräumt worden ist, so dass er jederzeit nach seinem Belieben wieder das Eigentum daran erwerben kann401. Der deutsche Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen enthält in Nr. 7 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Nr. 3 Abs. 2 zwar die Vorwegnahme der Einigung des Rückübereignungstatbestands, so dass auf den ersten Blick die Ausnahme einschlägig zu sein scheint. Dagegen spricht jedoch, dass zur dinglichen Einigung noch die Übergabe der Aktien bzw. ein Übergabesurrogat hinzukommen muss.402 Zudem sehen die einschlägigen Rahmenverträge einen Übergang des unbeschränkten Eigentums an den Wertpapieren vom Darlehensgeber auf den Darlehensnehmer vor.403 Vom Darlehensnehmer werden die darlehensweise überlassenen Wertpapiere wie eigene Aktien behandelt und nicht selten – sei es zur Erfüllung eines Kaufvertrags oder eines erneuten Wertpapierdarlehensvertrags (sog. Ketten-Wertpapierleihe) – weiterübertragen. Da er die ursprünglich übereigneten Wertpapiere also in der Regel nicht mehr besitzt, ist der Darlehensnehmer nach der gängigen Marktpraxis konsequenterweise lediglich zur Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.404 All diese Regelungen zeigen, dass dem Darlehensgeber der einseitige Rückerwerb der Wertpapiere nicht jederzeit möglich ist. Außerdem – darauf sei abschließend hingewiesen – handelt es sich bei Nr. 7 Abs. 4 S. 1 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen um eine auf dem deutschen Trennungsprinzip fußende Regelung, die in den international gebräuchlichen Rahmenverträgen keine Entsprechung findet. (d) Ergebnis Die aus den darlehensweise überlassenen Aktien resultierenden Stimmrechte können dem Darlehensgeber auch nicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG zugerechnet werden. (4) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG Nach § 22 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 WpHG werden dem Meldepflichtigen auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien des Emittenten in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige sein Verhalten in Bezug auf den Emittenten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Diesem Zurechnungstatbestand liegt – ähnlich wie dem des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG auch – die Absicht zuAssmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 72 (weil für Einbeziehung auch schuldrechtlicher Ansprüche); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 13.51 (obwohl gegen Einbeziehung schuldrechtlicher Ansprüche). 401 Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 633; KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 128. 402 Vgl. Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 633. 403 Vgl. Nr. 3 Abs. 2 S. 1 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 1 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 4.1 des GMSLA. 404 Vgl. Nr. 1 Abs. 1 S. 4 des Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen; Nr. 2 Abs. 2 des EMA, Produktanhang für Wertpapierdarlehen; Nr. 8.3 des GMSLA.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
grunde, solche Sachverhalte zu erfassen, in denen der Meldepflichtige auf das Stimmverhalten eines Dritten Einfluss nimmt, nehmen kann oder jedenfalls vermutlich nimmt.405 Einen solchen Einfluss erlangt der Meldepflichtige aufgrund einer Abstimmung seines Verhaltens mit dem des Dritten (sog. acting in concert), die nach dem durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingefügten § 22 Abs. 2 S. 2 WpHG insbesondere die Ausübung von Stimmrechten zum Gegenstand haben kann. Im Regelfall enthalten Wertpapierdarlehensverträge gerade keine Regelungen, die dem Darlehensgeber die Möglichkeit geben, auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer Einfluss zu nehmen. Aus diesem Grunde ist oben406 schon eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG abgelehnt worden. Gleiches muss auch für § 22 Abs. 2 WpHG gelten: Es fehlt insofern bereits am Merkmal der „Abstimmung“, das einen Kooperationswillen des Darlehensnehmers und ein bewusstes Zusammenwirken mit dem Darlehensgeber voraussetzt.407 (5) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG Im Hinblick auf den Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte am vereinbarten Fälligkeitstag könnte man den Gedanken aufwerfen, ob nicht § 25 Abs. 1 WpHG einschlägig ist, wonach den Inhaber von Finanzinstrumenten, die ihm das Recht verleihen, einseitig mit Stimmrechten verbundene Aktien zu erwerben, eine Offenlegungspflicht trifft. Dies wird man verneinen müssen.408 Zwar erlangt der Darlehensgeber das Recht zum Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien, doch stellt dieser schuldrechtliche Anspruch schon kein Finanzinstrument i.S.d. § 2 Abs. 2b WpHG dar.409 Zudem hat der Darlehensgeber nicht die Möglichkeit des einseitigen Rückerwerbs der darlehensweise überlassenen Aktien; es bedarf vielmehr noch der Mitwirkung des Darlehensnehmers, wenn er die Aktienurkunden an den Darlehensgeber übergeben muss, bzw. der Vollziehung des Übergabesurrogats. Auf dieser, eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG ablehnenden Linie liegt auch die Aufsichtspraxis der
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KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 188; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 3; Seibt, ZIP 2004, 1829, 1831. 406 Siehe 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c). 407 Näher zu den Merkmalen des acting in concert-Tatbestands unten 4. Kapitel C. I. 1. c) dd). 408 Zu den Einzelheiten des Tatbestands des § 25 Abs. 1 WpHG siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. c) ee). 409 MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 65; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 38; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 109; Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 235; siehe auch Bosse, DB 2007, 39, 42 mit Fn. 34; von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1800; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1092; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 475; Nießen, NZG 2007, 41, 43; Schneider/Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1424 f.; Theusinger/Möritz, Ad legendum 2010, 3, 6 mit Fn. 35; a.A. F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 6, 9; Ostler, S. 282 f.; kritisch auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 634 f., der eine klarstellende Neufassung des § 25 WpHG anregt.
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BaFin.410 Sofern diese vereinzelt als widersprüchlich bezeichnet wird, weil sie zwar bei außerbörslichen Erwerbsrechten, die zu befristeter Lieferung führen sollen, eine Meldepflicht vorsehe, nicht aber für den Rückforderungsanspruch beim Wertpapierdarlehen411, ist dem mit der Begründung zu widersprechen, dass der Begriff des Finanzinstruments in § 2 Abs. 2b WpHG eine Erfassung schuldrechtlicher Ansprüche schlichtweg nicht zulässt. cc) Ergebnis Für die an einem Wertpapierdarlehensvertrag Beteiligten ergibt sich somit: 1. Die darlehensweise überlassenen Wertpapiere sind bei Erreichen oder Überschreiten einer der genannten Schwellenwerte Gegenstand einer Mitteilungspflicht des Darlehensnehmers aus § 21 Abs. 1 WpHG. Erwerbsgrund und -absichten muss er dabei allerdings nicht angeben, so dass die Möglichkeit des empty voting unerkannt bleibt. 2. Hinsichtlich einer Meldepflicht des Darlehensgebers ist zu differenzieren: Grundsätzlich kann er den Nachweis fehlenden Einflusses auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer erbringen und so die diesbezüglich bestehende tatsächliche Vermutung entkräften. Ihm sind die vertragsgegenständlichen Wertpapiere daher nicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen. Da selbiges für eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG und § 22 Abs. 2 WpHG gilt und auch § 25 Abs. 1 WpHG nicht eingreift, hat der Darlehensgeber das Unterschreiten einer Meldeschwelle gemäß § 21 Abs. 1 WpHG mitzuteilen, wenn er die Wertpapiere an den Darlehensnehmer übereignet. Sofern ausnahmsweise die tatsächliche Vermutung des Stimmrechtseinflusses greift, findet eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG statt. In diesem Fall trifft den Darlehensgeber keine Mitteilungspflicht wegen Unterschreitens einer Meldeschwelle, da es sich insofern lediglich um eine Umschichtung, d. h. um eine Änderung der die Mitteilungspflicht begründenden Norm, handelt.412
410 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 3. Aufl., VII.2.8.3.2, S. 166: „Der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens löst keine eigenständige Meldepflicht nach § 25 WpHG aus.“; zur Entstehungsgeschichte der Regelung im Emittentenleitfaden Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 634 f. 411 Vgl. Assmann/Schneider/Schneider, 5. Aufl., § 25 Rn. 25; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 561. 412 So die h.M., vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.5.2.2, S. 116: „Der Wechsel vom unmittelbaren Halten zum mittelbaren Halten löst keine Mitteilungspflicht des Darlehensgebers aus.“; siehe auch Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 626; KölnKommWpHG/ von Bülow, § 22 Rn. 52; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 21 Rn. 37; Assmann/Schneider/ Schneider, § 22 Rn. 85 f.; ders./Brouwer, FS K. Schmidt, S. 1411, 1420 f.; a.A. KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 22.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
b) Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) aa) Einführung Überschreitet der Darlehensnehmer mithilfe darlehensweise erworbener Aktien die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG, stellen sich vergleichbare Fragen wie im Rahmen der §§ 21 ff. WpHG: Ist der Darlehensnehmer verpflichtet, die Erlangung der Kontrolle zu veröffentlichen (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und den anderen Aktionären ein Angebot zu unterbreiten (§ 35 Abs. 2 WpÜG)? Sind die darlehensweise überlassenen Wertpapiere evtl. zusätzlich auch dem Darlehensgeber zuzuordnen mit der Folge, dass auch er zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs und zur Abgabe eines Angebots verpflichtet ist? Obgleich mit der Vorschrift zum Pflichtangebot (§ 35 Abs. 2 WpÜG) keine Transparenz bezweckt wird, sondern der Schutz der Minderheitsaktionäre413, soll sie hier im Zusammenhang mit der Transparenzvorschrift des § 35 Abs. 1 WpÜG erörtert werden, da es sich um an das Erreichen der Kontrollschwelle gekoppelte und insofern nicht voneinander zu trennende Pflichten des Kontrollerwerbers handelt414; bei beiden Verpflichtungen handelt es sich um zwingende Folgen des Kontrollerwerbs. bb) Gleichlauf von § 30 WpÜG und § 22 WpHG? Zunächst soll jedoch auf eine kontrovers diskutierte Frage von grundsätzlicher Bedeutung eingegangen werden, nämlich auf diejenige nach dem Gleichlauf von
413 Vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 30, wonach das Pflichtangebot einem Minderheitsaktionär im Falle einer Unternehmensübernahme, der kein öffentliches Übernahmeangebot vorausgegangen ist, auch die Möglichkeit geben soll, seine Beteiligung an dem Unternehmen zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Bezweckt ist demnach ein Minderheitenschutz durch die Gewährung einer Möglichkeit zum geregelten Austritt (exit) aus der Gesellschaft. Die rechtssystematische Einordnung der Pflichtangebotsregel ist umstritten: für eine Interpretation im Sinne eines Konzerneingangsschutzes Baums/ Thoma/Baums/Hecker, Vor § 35 Rn. 89 ff., 106; Harbarth, ZIP 2002, 321, 322; KölnKommWpÜG/Hasselbach, § 35 Rn. 1; Hopt, ZHR 166 (2002) 383, 386, 415; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226; für ein kapitalmarktrechtliches Verständnis Braun, S. 50, 53, 67 f.; Ehricke/ Ekkenga/Oechsler/Ekkenga/Schulz, § 35 Rn. 5; Emmerich/Habersack/Habersack, Vor § 311 Rn. 25; Haarmann/Schüppen/Hommelhoff/Witt, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 39; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558 ff.; Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 32 f.; Geibel/Süßmann/ Meyer, § 35 Rn. 5; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, § 35 WpÜG Rn. 8; Heidel/Sohbi, § 35 WpÜG Rn. 2; Steinmeyer/Steinmeyer, § 35 Rn. 8 f.; für ein Nebeneinander der Konzepte Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 35 WpÜG Rn. 3 f. 414 Allerdings kann eine isolierte Befreiung vom Pflichtangebot gemäß § 37 WpÜG in Betracht kommen, vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch/Seiler, § 37 Rn. 88; Geibel/Süßmann/Meyer, § 37 Rn. 3; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, § 37 WpÜG Rn. 67; a.A. KölnKommWpÜG/Versteegen, § 37 Rn. 93.
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§ 30 WpÜG und § 22 WpHG. Ihre Beantwortung kann die Auslegung der im Anschluss zu untersuchenden Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG beeinflussen. (1) Streitstand Angesichts des in der Sache identischen Wortlauts von § 30 WpÜG auf der einen und § 22 WpHG auf der anderen Seite wird verbreitet die Auffassung vertreten, diese Vorschriften müssten auch einer identischen Auslegung unterworfen werden.415 Unterstützung erhält diese Ansicht durch den Gesetzgeber: So weist bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum WpÜG darauf hin, die in § 22 WpHG enthaltenen Tatbestände entsprächen den in § 30 WpÜG enthaltenen Zurechnungstatbeständen, um Irritationen am Kapitalmarkt zu vermeiden, die bei unterschiedlichen Zurechnungsmethoden auftreten würden.416 Und sehr klar formuliert die Begründung des Regierungsentwurfs zum Risikobegrenzungsgesetz: „Da zur Vermeidung von Irritationen am Kapitalmarkt für die melderechtlichen Vorschriften dieselben Zurechnungsregeln zu gelten haben wie im Übernahmerecht, sind § 22 WpHG und § 30 WpÜG in derselben Weise auszulegen.“417 Trotz des offenkundigen gesetzgeberischen Willens stößt das Postulat eines Gleichlaufs von § 22 WpHG und § 30 WpÜG aber auch auf Ablehnung.418
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Buck-Heeb, Rn. 637; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 27, § 22 Rn. 81; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 74 ff.; Engert, ZIP 2006, 2105, 2111; Holfter, S. 141; Hopt, ZHR 166 (2002) 383, 410; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 16.491; Lange, ZBB 2004, 22, 24; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1009: §§ 21 ff. WpHG und §§ 35 ff. WpÜG als „kapitalmarktrechtliches Normsystem aus einem Guss“; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 608 f.; Haarmann/Schüppen/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 88; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 30 WpÜG Rn. 6 f.; ders., ZIP 2007, 2340, 2341; wohl auch BGH NZG 2014, 985 Rn. 40; Nelle, ZIP 2006, 2057, 2062: „parallele[n] Nutzbarkeit von Klärungen der maßgeblichen Tatbestände durch Rechtsprechung und Literatur“; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 228; widersprüchlich MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 2 einerseits (gegen Gleichlauf), Rn. 39 andererseits (für Gleichlauf der acting in concert-Tatbestände). 416 Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 53, 70; ähnlich Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 57. 417 Begründung RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 11. 418 OLG Stuttgart AG 2005, 125, 129; Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 635 f.; Borges, ZIP 2007, 357, 361; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 34 ff.; KölnKommWpÜG/ders., § 30 Rn. 20 f.; Casper, ZIP 2003, 1469, 1472 f.; Drinkuth, ZIP 2008, 676, 677 ff.; Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119 f.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 196 ff.; Franck, BKR 2002, 709, 711 f.; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 1; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, Vor § 21 WpHG Rn. 11, § 22 WpHG Rn. 101; Ostler, S. 271 f.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 18 Rn. 17; Assmann/Schneider/Schneider, Vor § 21 Rn. 40, § 22 Rn. 12 ff.; ders., WM 2006, 1321, 1322 f.; Seibt, ZIP 2004, 1829, 1831 f.; ders., ZIP 2005, 729, 732 f.; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 3; Wansleben, StudZR 2009, 465, 487; wohl auch Schwark/ Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4; Spindler, WM 2007, 2357, 2358; de lege ferenda auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 297.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(2) Stellungnahme (a) Sperre einer gespaltenen Auslegung? Sofern zum Teil geltend gemacht wird, der Gesetzgeber habe durch die ausdrückliche und unmissverständliche Bekundung seines Willens einer von diesem Willen abweichenden Auslegung den Weg versperrt419, vermag das nicht zu überzeugen. Selbstverständlich kann der gesetzgeberische Wille nicht unberücksichtigt bleiben, doch stellt die historische Auslegung nur eine von vier Auslegungsmethoden dar. Es besteht also trotz eines eindeutigen gesetzgeberischen Willens die Möglichkeit, insbesondere im Wege der teleologischen Auslegung zu einem davon abweichenden Ergebnis zu gelangen420, wenngleich dies angesichts der Evidenz des gesetzgeberischen Willens die „Erfüllung einer besonders hohen Begründungslast“ voraussetzt.421 Diese Hürde vermögen die im Folgenden vorgetragenen Argumente indes zu nehmen. (b) Vorrang richtlinienkonformer Auslegung Zunächst ist auf die Herkunft der Zurechnungsvorschriften hinzuweisen: § 22 WpHG beruhte ursprünglich auf Art. 7 Spiegelstrich 3 der Transparenzrichtlinie I und fußt seit deren Ersetzung durch die Transparenzrichtlinie II im Jahre 2004 auf deren Art. 10 lit. a. Oberste Maxime für die Auslegung der §§ 21 ff. WpHG ist daher das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung. Für § 30 WpÜG hingegen fehlen entsprechende europarechtliche Vorgaben bis heute. Auch die zwei Jahre nach dem WpÜG erlassene Übernahmerichtlinie enthält keine Art. 10 der Transparenzrichtlinie II entsprechende umfassende Zurechnungsnorm: Einzig Art. 5 Abs. 1 enthält mit dem in Art. 2 lit. d definierten Begriff der „gemeinsam handelnden Personen“ einen Hinweis auf eine Zurechnung der von anderen Personen gehaltenen Stimmrechte. Dieser ist zweifelsohne bei der Auslegung des acting in concert-Tatbestands in § 30 Abs. 2 WpÜG zu berücksichtigen. Im Übrigen bestimmt Art. 5 Abs. 3 lediglich, dass sich der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle begründet, und die Art der Berechnung dieses Anteils nach den Vorschriften des Mitgliedstaats richten, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Nichtsdestotrotz stellt § 30 WpÜG eine Vorschrift dar, die auf dem unter die Übernahmerichtlinie fallenden 419 In diesem Sinne Haarmann/Schüppen/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 88. Allgemein ebenso Bydlinski, S. 558 ff., nach dem die mit dem leichter und verlässlicher zur ermittelnden normativen Prämissenmaterial arbeitende Auslegungsmethode vor allen anderen Methoden Vorrang hat (Subsidiaritätsgedanke). Danach wäre der teleologischen Auslegung im vorliegenden Fall angesichts des identischen Wortlauts der Normen und der eindeutigen historischen Auslegung wohl der Weg versperrt. 420 Vgl. Larenz/Canaris, S. 166, nach denen die teleologischen Kriterien bei der Auslegung der Gesetze letztlich den höchsten Rang einnehmen; ähnlich Kramer, S. 181, der hervorhebt, dass das durch die grammatikalische, systematische und historische Auslegung gewonnene Ergebnis nicht in jedem Fall verbindlich, sondern anhand teleologischer Erwägungen zu kontrollieren ist; Röhl/Röhl, § 79 III, S. 632. 421 Langenbucher, § 18 Rn. 39.
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Gebiet erlassen worden ist (vgl. Art. 21 Abs. 2 der Übernahmerichtlinie), so dass auch die Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 WpÜG vom Gebot der richtlinienkonformen Auslegung erfasst werden.422 So wünschenswert ein Gleichlauf der nationalen Zurechnungsvorschriften unter dem Aspekt der Einheit der deutschen Rechtsordnung auch sein mag, gebührt einer richtlinienkonformen Auslegung sowohl von § 22 WpHG als auch von § 30 WpÜG in jedem Falle der Vorrang vor einem solchen Auslegungsgleichlauf.423 (c) Ratio der Regelungskomplexe Die Forderung nach einem zwingenden Gleichlauf der Zurechnungstatbestände lässt neben den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch die unterschiedlichen Ziele der Regelungskomplexe unberücksichtigt.424 Sofern von der Gegenansicht geltend gemacht wird, sowohl die Zurechnung nach § 22 WpHG als auch die Zurechnung nach § 30 WpÜG dienten dem gemeinsamen Zweck, tatsächliche Stimmblöcke und den daraus resultierenden unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft festzustellen und rechtliche Konsequenzen daraus zu ziehen425, verengt sie den Blick auf den Zweck des jeweiligen Zurechnungstatbestands. Bei der Beurteilung der Frage eines Auslegungsgleichlaufs ist jedoch der Normzweck des jeweiligen Grundtatbestands in die Betrachtung einzubeziehen426 : Die §§ 21 ff. WpHG errichten ein System weitgehender Transparenz im Hinblick auf die Beteiligungsverhältnisse börsennotierter Gesellschaften, um dadurch insbesondere die Informations- und Allokationseffizienz des Kapitalmarkts zu stärken. Demgegenüber stehen die übernahmerechtlichen Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Pflichtangebot, das den Schutz der Minderheitsaktionäre bezweckt, indem es diesen im Falle des Kontrollerwerbs ein Recht zum Austritt aus 422
Vor dem Erlass der Übernahmerichtlinie wurde in § 30 WpÜG teilweise ein Fall der überschießenden Umsetzung der Transparenzrichtlinie gesehen, vgl. Franck, BKR 2002, 709, 712 ff.; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 1. Nach Erlass der Übernahmerichtlinie wird man davon nicht mehr sprechen können, weil § 30 WpÜG nunmehr in den Geltungsbereich der Übernahmerichtlinie fällt und diese umsetzt, ähnlich Casper, ZIP 2003, 1469, 1473; a.A. offensichtlich Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 13. 423 Zum Vorstehenden vgl. auch KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 35; Casper, ZIP 2003, 1469, 1473; Fleischer, ZGR 2008, 185, 197; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 12 f.; ders., WM 2006, 1321, 1322; ferner Seibt, ZIP 2005, 729, 733. 424 KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 20; ders./Bücker, ZGR 2004, 669, 703 f.; Drinkuth, ZIP 2008, 676, 677 f.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 197; Franck, BKR 2002, 709, 711; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 1; Schneider, WM 2006, 1321, 1322 f.; Seibt, ZIP 2005, 729, 733. 425 In diesem Sinne Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 27; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 75; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 609; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 30 WpÜG Rn. 6; ders., ZIP 2007, 2340, 2341 f. 426 Dies wird in der Literatur nicht immer hinreichend deutlich, vgl. Fleischer, ZGR 2008, 185, 197; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 1; sehr klar aber Casper, ZIP 2003, 1469, 1472; ferner KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 20; Schwark/Zimmer/Noack/ Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 14.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
der Gesellschaft gewährt. Das Gegenargument von Wackerbarth, § 30 WpÜG dürfe nicht nur im Zusammenhang mit dem Pflichtangebot gesehen werden, weil die Vorschrift Hilfsnorm nicht nur für das Pflichtangebot, sondern auch für das Übernahmeangebot und (über § 11 Abs. 4 WpÜG i.V.m. § 2 Nr. 1 und 5 WpÜG-AngebotsVO) das einfache Erwerbsangebot sei, und auch von der Transparenzvorschrift des § 23 Abs. 1 WpÜG in Bezug genommen werde427, ist zwar beachtlich, hilft aber nicht darüber hinweg, dass die Zurechnung von Stimmrechten Dritter v. a. bei der Berechnung der Kontrollschwelle Bedeutung erlangt und die Transparenzfunktion insgesamt eine nur untergeordnete Rolle spielt. (d) Rechtsfolgenbetrachtung Des Weiteren kann gegen einen zwingenden Gleichlauf der Zurechnungsvorschriften auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen einer etwaigen Zurechnung verwiesen werden: Während eine Zurechnung nach § 30 WpÜG die einschneidende Rechtsfolge des Pflichtangebots nach sich zieht und in Anbetracht dessen eher restriktiv auszulegen ist, verbietet sich eine solche Auslegung im Rahmen des § 22 WpHG, dessen Anwendung lediglich eine Mitteilung des Anteils gegenüber dem Emittenten und der BaFin zur Folge hat.428 Es leuchtet ein, dass es Fälle geben kann, in denen zwar eine Offenlegung erwünscht ist, „das scharfe Schwert des Pflichtangebots aber völlig überzogen wäre“429. Wackerbarth430 zieht diese Argumentation unter drei Gesichtspunkten in Zweifel: Erstens werde über die Angebotspflicht nicht in § 30 WpÜG endgültig entschieden, allenfalls komme dieser Norm eine Indizfunktion zu. Erst im Rahmen der Befreiungsvorschriften des § 37 WpÜG werde letztlich die Angebotspflicht festgestellt.431 Das ist allerdings nicht zutreffend: Das Pflichtangebot ist die unmittelbare Folge des Kontrollerwerbs, und die Pflicht zu seiner Abgabe entsteht nicht erst nach Abschluss des Befreiungsverfahrens nach § 37 WpÜG.432 Vielmehr setzt die Befreiung von 427
Wackerbarth, ZIP 2007, 2340, 2341. KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 34; ders./Bücker, ZGR 2004, 669, 704; Casper, ZIP 2003, 1469, 1473; Drinkuth, ZIP 2008, 676, 678; Fleischer, ZGR 2008, 185, 197 f.; Lenenbach, Rn. 13.377; Schneider, WM 2006, 1321, 1323; Wansleben, StudZR 2009, 465, 487; auf die unterschiedliche Eingriffsintensität weisen auch KölnKommWpHG/Hirte/Heinrich, Einl. Rn. 108 hin; siehe ferner Assmann/Schneider/Schneider, Vor § 21 Rn. 36: „Geboten ist eine weite Auslegung der §§ 21 ff. WpHG mit dem Ziel einer größtmöglichen Transparenz des Marktgeschehens („Grundsatz der größtmöglichen Transparenz“).“ 429 Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 297; siehe auch Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4, nach denen „die WpÜG-Zurechnung nicht über die nach der WpHG-Parallelvorschrift gebotene Meldepflicht hinausgehen darf“. 430 Wackerbarth, ZIP 2007, 2340, 2341. 431 So auch Borges, ZIP 2007, 357, 362. 432 So ausdrücklich Drinkuth, ZIP 2008, 676, 678; Steinmeyer/Klepsch, § 37 Rn. 1, nach dem sich § 37 WpÜG von den Nichtberücksichtigungsvorschriften [§§ 20, 36 WpÜG, Anm. d. Verf.] dadurch unterscheidet, dass der Erlass einer Befreiungsverfügung von den entstandenen Pflichten entbindet, während eine Nichtberücksichtigungsverfügung die Pflicht selbst beseitigt; 428
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einer Verpflichtung stets voraus, dass die Verpflichtung zunächst einmal überhaupt besteht. Gestützt wird ein derartiges Verständnis zusätzlich durch den Wortlaut des § 37 Abs. 1 WpÜG. Zweitens – so Wackerbarth – sei es nicht angängig, unter Hinweis auf die Schwere der sich aus einer Zurechnung nach § 30 WpÜG ergebenden Rechtsfolge Rückschlüsse auf die Auslegung dieser Norm zu ziehen.433 Dabei berücksichtigt er allerdings nicht hinreichend, dass – wie Fleischer es elegant formuliert – „eine Kreiselbewegung des Denkens zwischen Tatbestand und Rechtsfolge im Zivilrecht einer vielgeübten Auslegungstradition entspricht.“434 Drittens stellt Wackerbarth in Abrede, dass das Pflichtangebot für den Bieter eine gravierende Rechtsfolge bedeutet.435 Auch das überzeugt nicht: Wer einen kontrollierenden Einfluss in einer Aktiengesellschaft auzuüben wünscht, beispielsweise zur Vornahme gewisser Umstrukturierungen, bedarf angesichts der niedrigen Hauptversammlungspräsenzen regelmäßig eines Anteils von lediglich 30 bis 35 %. Muss er jedoch aufgrund seiner aus § 39 i.V.m. § 32 WpÜG folgenden Pflicht zur Abgabe eines Vollangebots einen größeren als den ursprünglich angestrebten Anteil an der Zielgesellschaft erwerben, wird er – abhängig von der Akzeptanzquote – mit u. U. erheblichen zusätzlichen Kosten belastet. (e) Präventivbemerkungen Schließlich sei präventiv auf zwei mögliche Kritikpunkte eingegangen: Die hier befürwortete, gegenüber den §§ 29 f. WpÜG extensivere Auslegung der Beteiligungstransparenzpflichten stellt keinen Fremdkörper im gesetzgeberischen System dar, wie § 25 WpHG und der im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vorgesehene neue § 25a WpHG-RegE436 zeigen. Diese Vorschriften statuieren zwar Mitteilungspflichten beim Halten bestimmter Finanzinstrumente, eine Schwestervorschrift sucht man im WpÜG allerdings vergebens.437 Keineswegs ungewöhnlich ist es auch, ein und demselben Rechtsbegriff in unterschiedlichem Regelungskontext einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt beizumessen. Eine solche sog. Relativität der Rechtsbegriffe438 begegnet insbesondere im Kapitalgesellschaftsrecht auch an anderer Stelle, beispielsweise bei der Frage der Abgrenzung von Gesellschaftszweck siehe auch Braun, S. 115, nach dem die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots entfällt, wenn der Antrag des Bieters auf Erteilung einer Befreiung positiv beschieden wird. 433 Ähnlich auch Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 609. 434 Fleischer, ZGR 2008, 185, 197 f. mit Fn. 87. 435 Wackerbarth, ZIP 2007, 2340, 2341: „Aber selbst wenn man sie [die Angebotspflicht, Anm. d. Verf.] denn als besonders gravierende Folge ansähe, […].“ 436 Eingehend zu dieser Regelung unten 5. Kapitel A. III. 2. 437 So im Hinblick auf § 25 WpHG auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 297; Wansleben, StudZR 2009, 465, 487. 438 Eingehend dazu Ryu/Silving, ARSP 59 (1973) 57; ferner Kramer, S. 67 f.; Larenz/ Canaris, S. 142 f.; Röhl/Röhl, § 56 IV, S. 455 f.; Zippelius, § 3 I b, S. 9 f. und § 10 VI, S. 50; vgl. im hiesigen Kontext Fleischer, ZGR 2008, 185, 198.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
und Unternehmensgegenstand439 oder beim Verständnis des Begriffs der Entlastung440. (3) Ergebnis Insbesondere teleologische Gesichtspunkte gebieten eine weite Auslegung des § 22 WpHG, aber eine enge Auslegung des § 30 WpÜG. Auch für die hier in Rede stehenden Fragen muss man daher nicht zwingend stets zum gleichen Ergebnis kommen. Dieses Ergebnis lässt sich prägnant in einem Erstrecht-Schluss zusammenfassen: Wenn schon der jeweilige Zurechnungstatbestand des § 22 WpHG nicht erfüllt ist, dann muss dies für den entsprechenden Zurechnungstatbestand des § 30 WpÜG erst recht gelten.441 Exemplifiziert wird dieser Erstrecht-Schluss in der Literatur häufig an § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG und § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG und der Frage, ob von diesen Normen auch schuldrechtliche Ansprüche auf Übereignung erfasst werden: Abgesehen davon, dass die Frage seit Inkrafttreten des TUG geklärt ist442, erschien die Subsumierung unter § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG in Anbetracht des gemeinschaftsrechtlichen Hintergrundes und des Normzwecks zumindest vertretbar, die Subsumierung auch unter § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG hingegen nicht.443 cc) Berücksichtigung der Aktien als eigene beim Darlehensnehmer (1) Allgemeines Nach der Legaldefinition des § 29 Abs. 2 WpÜG ist Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft. Unter dem Begriff des Haltens ist dabei sowohl derjenige Anteil zu verstehen, der originär dem Bieter zusteht (originärer Bieteranteil), als auch derjenige Anteil, der ihm nach § 30 WpÜG zugerechnet wird (derivativer Bieteranteil).444 Halten eigener, originärer Stimmrechte setzt voraus, dass dem Bieter die das Stimmrecht gewährenden Aktien gehören, d. h. dass er juristischer Eigentümer der Aktien ist, denn einer Übertragung des
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Vgl. dazu MünchKommGmbHG/Fleischer, § 1 Rn. 9 f. Im Aktienrecht enthält die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche (§ 120 Abs. 2 S. 2 AktG), im GmbH-Recht sehr wohl, vgl. dazu Hirte, Rn. 3.220; GroßkommAktG/ Mülbert, § 120 Rn. 20 f.; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 120 Rn. 45; Wilhelm, Rn. 1153. 441 Ähnlich Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4. 442 Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (c). 443 Vgl. Casper, ZIP 2003, 1469, 1473; Steinmeyer/Häger/Steinmeyer, 2. Aufl., § 30 Rn. 40 mit Fn. 74; siehe auch Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2120; Fleischer, ZGR 2008, 185, 198; Schneider, WM 2006, 1321, 1325 f. zu standstill-Vereinbarungen, die zwar unter § 22 Abs. 2 WpHG fallen, nicht aber unter § 30 Abs. 2 WpÜG. 444 Buck-Heeb, Rn. 635; Schwark/Zimmer/Noack, § 29 WpÜG Rn. 33; Heidel/Sohbi, § 29 WpÜG Rn. 2; Steinmeyer/Steinmeyer, § 29 Rn. 18; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 29 Rn. 23. 440
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Stimmrechts losgelöst von der die Mitgliedschaft verkörpernden Aktie steht das Abspaltungsverbot entgegen.445 (2) Angebots- und Veröffentlichungspflicht des Darlehensnehmers Zentrales Merkmal des Wertpapierdarlehensgeschäfts ist die Verpflichtung des Darlehensgebers zur Übertragung des Eigentums auf den Darlehensnehmer. Letzterem stehen nach der Übereignung als Eigentümer der Wertpapiere auch die mit diesen verbundenen Stimmrechte zu. In der logischen Konsequenz sind die Stimmrechte daher bis zur Rückübertragung an den Darlehensgeber oder bis zur Weiterübertragung beim Darlehensnehmer bereits als originär eigene Stimmrechte zu berücksichtigen.446 Es besteht daher kein Zweifel, dass vermittels eines Wertpapierdarlehens die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG erreicht und eine Veröffentlichungspflicht nach § 35 Abs. 1 WpÜG bzw. eine Angebotspflicht nach § 35 Abs. 2 WpÜG ausgelöst werden kann.447 Im Hinblick auf die record date capture könnte man erwägen, den Kontrollerwerb deshalb zu verneinen, weil der Darlehensnehmer die Kontrolle nur vorübergehend bis zur alsbaldigen Rückübertragung der Aktien erwirbt. In der Literatur wird teilweise vertreten, der Begriff der Kontrolle setze bereits dem Wortlaut nach voraus, dass die Stimmrechtsanteile für eine gewisse Dauer gehalten werden. Ein Schutzbedürfnis der außenstehenden Aktionäre vor dem Einfluss eines kontrollierenden Mehrheitsaktionärs könne nämlich erst dann entstehen, wenn erstere über einen gewissen Zeitraum dem Einfluss aus der Kontrollposition des letzteren ausgesetzt seien.448 Dem kann nicht gefolgt werden: Schon im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten ist rein formal auf den Erwerb von 30 % der Stimmrechte abzustellen, unabhängig davon, wie lange diese bereits 445 BGH NZG 2014, 985 Rn. 36; Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 29 Rn. 22; KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 94; Baums/Thoma/Diekmann, § 29 Rn. 40; Haarmann/Schüppen/Haarmann, § 29 Rn. 21; Schwark/Zimmer/Noack, § 29 WpÜG Rn. 34; a.A. MünchKommAktG/Wackerbarth, § 29 WpÜG Rn. 45, nach dem es auf das Halten, nicht auf das dingliche Eigentum ankommt, und letzteres nur als ein erster Anhaltspunkt für das Halten gewertet werden kann. Diesem Verständnis wohnt jedoch ein redundantes Element inne: MünchKommAktG/Wackerbarth, § 29 WpÜG Rn. 44 versteht den Begriff des „Haltens“ von Stimmrechten im Sinne der Kontrolle über das Stimmrecht. Der Begriff der Kontrolle ist jedoch gerade derjenige, den § 29 Abs. 2 WpÜG mit Hilfe des Begriffs des Haltens näher zu umschreiben versucht. Es kann nicht derjenige Begriff, den es zu definieren gilt, durch sich selbst definiert werden. Siehe auch FAZ v. 05. 04. 2007, S. 17 zur Frage, ob das in § 2 Abs. 1 VWGesetz und in § 24 Abs. 1 S. 3 der VW-Satzung vorgesehene Höchststimmrecht von 20 % den Kontrollerwerb von Porsche verhinderte mit der Folge, dass das Pflichtangebot an sich zu früh gemacht worden wäre. 446 Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 29 Rn. 22; KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 122; Cahn/Ostler, AG 2008, 221, 240; Baums/Thoma/Diekmann, § 29 Rn. 53; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 91 f.; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 36, 34. 447 Siehe nur KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 118; Mittermeier, S. 117. 448 Geibel/Süßmann/Süßmann, 1. Aufl., § 29 Rn. 17; ebenso Assmann/Pötzsch/Schneider/ Assmann, § 29 Rn. 22; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 29 WpÜG Rn. 44.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
gehalten werden.449 Diese Ansicht liegt auf einer Linie mit dem Willen des Gesetzgebers, dem zufolge bei der Berechnung der prozentualen Höhe der Stimmrechte und bei der Kontrollschwelle jeweils auf die absolute Zahl der Stimmrechte und nicht auf die Hauptversammlungspräsenzen der jeweiligen Gesellschaft abzustellen ist mit der einleuchtenden Begründung, diese Betrachtungsweise habe den Vorteil klarer, für den Markt erkennbarer Vorgaben und erleichtere die Ermittlung der Beteiligungsverhältnisse.450 Daher führt auch das nur kurzfristige Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft zum Vorliegen von Kontrolle.451 Den im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Angebotspflicht des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG im Einzelfall auftretenden Härten kann die BaFin durch die Möglichkeit der Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots entgegenwirken (§ 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i.V.m. §§ 8 – 12 WpÜG-AngebotsVO).452 Letzten Endes jedoch bedarf die Streitfrage für die vorliegende Untersuchung keiner Entscheidung, denn selbst die Befürworter einer gewissen Haltedauer stellen keine strengen Anforderungen an das Merkmal des Haltens: Es soll in Anlehnung an § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG bereits dann erfüllt sein, wenn die 30 %-Schwelle am Tagesende erreicht oder überschritten wird.453 In den Fällen der record date capture wird der Darlehensnehmer jedoch – um sicherzugehen – die betreffenden Aktien wenigstens zwei bis drei Tage halten, so dass selbst nach der hier abgelehnten Ansicht bei einem Erreichen oder Überschreiten der Schwelle eine Veröffentlichungs- und Angebotspflicht bestünde. Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten: Der Darlehensnehmer hält die im Rahmen eines Wertpapierdarlehens erlangten Wertpapiere, unabhängig von der Vertragslaufzeit, als eigene i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG. Erreicht er mithilfe dieser Wertpapiere die Kontrollschwelle, hat er dies unverzüglich zu veröffentlichen (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und den Aktionären der Zielgesellschaft ein Angebot vorzulegen (§ 35 Abs. 2 WpÜG).
449 Baums/Thoma/Diekmann, § 29 Rn. 43; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 29 Rn. 14. 450 Vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 53. 451 So auch KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 104; Baums/Thoma/Diekmann, § 29 Rn. 43; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 190; Haarmann/Schüppen/Haarmann, § 29 Rn. 26; Langenbucher, § 18 Rn. 36; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 29 Rn. 14; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 92; Heidel/Sohbi, § 29 WpÜG Rn. 2; so jetzt auch Geibel/Süßmann/Süßmann, § 29 Rn. 18 f. 452 Darauf hinweisend auch KölnKommWpÜG/von Bülow, § 29 Rn. 105; Baums/Thoma/ Diekmann, § 29 Rn. 43; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 190 mit Fn. 6; Schwark/Zimmer/Noack, § 29 WpÜG Rn. 24; Steinmeyer/Steinmeyer, § 29 Rn. 13; Geibel/ Süßmann/Süßmann, § 29 Rn. 20. 453 MünchKommAktG/Wackerbarth, § 29 WpÜG Rn. 46; eine Mindesthaltedauer von sechs Wochen erwägend, dann aber doch ablehnend, Thaeter/Brandi/Thaeter, Teil 2 Rn. 544 ff.
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(3) Keine Offenlegung des neutralen oder negativen wirtschaftlichen Interesses Abgesehen davon, dass dieser Fall praktisch kaum einmal vorkommen wird, tritt auch im Rahmen des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG das bereits zu den Beteiligungstransparenzvorschriften herausgearbeitete454 Transparenzdefizit auf: Die Tatsache des Kontrollerwerbs wird vom Darlehensnehmer zwar unverzüglich offengelegt, nicht aber der Erwerbsgrund, so dass die aufgrund des Wertpapierdarlehens gänzlich oder teilweise fehlende wirtschaftliche Betroffenheit und damit die zukünftig bestehende Anreizverzerrung des Kontrollerwerbers (und die evtl. bestehenden Interessenkonflikte) nicht publik werden. Die Information, dass der neue Kontrollaktionär das Stimmrecht teilweise oder gänzlich ohne das Beteiligungsinteresse ausüben kann, ist jedoch für die Minderheitsaktionäre bedeutsam, kann dies doch ihre Entscheidung über die Annahme des Angebots des Kontrollerwerbers beeinflussen. In Unkenntnis dieser Information werden sie von einer Desinvestition evtl. absehen, während sie dem Bieter anderenfalls vielleicht ihre Aktien angedient hätten, um nicht als Minderheitsaktionär in einer Gesellschaft verbleiben zu müssen, deren Kontrollaktionär ein verringertes oder überhaupt kein wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung der Gesellschaft hat. Auf diese Weise wird der durch § 35 Abs. 2 WpÜG bezweckte Schutz der Minderheitsaktionäre beträchtlich entwertet. dd) Veröffentlichungs- und Angebotspflichten des Darlehensgebers (1) Allgemeines Auch im Rahmen des § 30 WpÜG stellt sich die Frage, ob die Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Wertpapieren dem Darlehensgeber zuzurechnen sind. Wie bei den §§ 21 f. WpHG findet auch bei den §§ 29 f. WpÜG eine Absorption von Stimmrechten nicht statt, d. h. Stimmrechte können sowohl dem Aktionär als auch einem Dritten zugewiesen werden.455 Da § 30 WpÜG enger auszulegen ist als § 22 WpHG456 und daher die Ausführungen zu den jeweiligen Parallelzurechnungsnormen des § 22 WpHG das Ergebnis der nun folgenden Untersuchungen bereits vorwegnehmen, werden an dieser Stelle nur noch die wesentlichen pflichtangebotsspezifischen Gedanken und diese auch nur in verknappter Form entfaltet.
454
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (3). Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 1; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 49; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 15; Heidel/Sohbi, § 30 WpÜG Rn. 26; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 3, 49. 456 Siehe zur Diskussion um einen Gleichlauf der Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG oben 4. Kapitel B. III. 2. b) bb). 455
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(2) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG stehen Stimmrechten des Bieters Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft gleich, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden. (a) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören Das bereits zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erörterte Problem zum Bezugswort des Relativsatzes457 muss hier nicht nochmals in aller Breite aufgegriffen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Aktien einem vom Bieter verschiedenen Dritten gehören müssen, d. h. der Dritte muss Aktionär der Zielgesellschaft sein.458 Vereinbaren zwei Parteien ein Wertpapierdarlehen, wird der Darlehensnehmer Eigentümer der Aktien und somit Aktionär der Gesellschaft. Er ist aus Sicht des potentiell angebotspflichtigen Darlehensgebers „Dritter“ im Sinne der Vorschrift. (b) Für Rechnung des Bieters gehalten Das Tatbestandsmerkmal des Haltens für Rechnung des Bieters verlangt zum einen, dass den Bieter im Innenverhältnis zum Dritten die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus der Beteiligung treffen459, und zum anderen, dass der Bieter die Stimmrechtsausübung faktisch oder rechtlich beeinflussen kann460. (aa) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Darlehensgeber Der Darlehensnehmer ist vertraglich verpflichtet, während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte461 an den Darlehensgeber weiterzuleiten. Letzterem stehen daher die wirtschaftlichen Chancen aus den Wertpapieren zu, er muss aber auch die sich aus ihnen ergebenden Risiken tragen, insbesondere das Kursrisiko, da er am Ende der Laufzeit des Wertpapierdarlehens Aktien gleicher Art, Menge und Güte zurückerhält.
457
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (a). KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 94; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 58; implizit auch Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 5. 459 BGH NZG 2014, 985 Leitsatz 3 und Rn. 49; KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 97; Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 30 f.; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 60; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 6; Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 31. 460 BGH NZG 2014, 985 Leitsatz 3 und Rn. 50; Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 30, 32; Heidel/Sohbi, § 30 WpÜG Rn. 4; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 11, 12 f. 461 Zu den sich aus Aktien ergebenden Chancen und Risiken KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 97; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 60; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 6; Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 31 mit Fn. 40. 458
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(bb) Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung (a) Allgemeines Da die Pflicht zur Abgabe eines Angebots nach § 35 Abs. 2 WpÜG eine sehr weitreichende Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit des Kontrollerwerbers darstellt, ist auch im Rahmen des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG mehr zu fordern als nur die Zuordnung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Maßgeblich ist letzten Endes, dass der Bieter aufgrund seines Stimmrechtseinflusses tatsächlich die Kontrolle in der Zielgesellschaft ausüben kann, so dass nach herrschender Ansicht zusätzlich ein gewisser faktischer Einfluss des Bieters auf die Ausübung des Stimmrechts durch den Dritten zu fordern ist.462 (b) Kein Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung Was den Einfluss des Darlehensgebers auf die tatsächliche oder potentielle Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer anbelangt, kann vollumfänglich auf die Ausführungen zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG verwiesen werden.463 Der Stimmrechtseinfluss wird daher auch im Rahmen der hier erörterten Zurechnungsnorm vermutet. Dem Darlehensgeber ist jedoch die Widerlegung dieser Vermutung zuzugestehen und in der Regel auch möglich, da sein Vertragspartner grundsätzlich über die Aktien frei verfügen kann und auch in der Ausübung des Stimmrechts keinerlei Bindungen unterliegt. Einen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung hat der Darlehensgeber somit im Regelfall nicht.464 (c) Ergebnis Eine Zurechnung der Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Aktien zum Darlehensgeber gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG scheidet in der Regel aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Darlehensgeber aufgrund der Vertragsgestaltung im Einzelfall einen faktischen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer hat und deshalb die tatsächliche Vermutung des Stimmrechtseinflusses nicht zu widerlegen vermag.
462 Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 32; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 150; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 12; weitergehend Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 32, die verlangt, dass dem Bieter ein Weisungsrecht hinsichtlich der Stimmrechtsausübung zusteht oder der Halter verpflichtet ist, das Stimmrecht im Interesse des Bieters auszuüben; zum gleichgelagerten Problem i.R.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (a). 463 Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb). 464 So auch KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 120; Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 46; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 13; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 34, 36; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 14; Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 46, wenngleich alle Autoren eine positive Feststellung des Stimmrechtseinflusses zu verlangen scheinen.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(3) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG Können die Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Aktien dem Darlehensgeber nicht über § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG zugerechnet werden, so kommt doch auch hier eine Zurechnung über § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG in Betracht. Danach stehen Stimmrechten des Bieters solche Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft gleich, die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann. (a) Erlangung des Eigentums an der Aktie durch Willenserklärung des Bieters Keine Probleme bereiten auch hier Sachverhalte, die für den dinglichen Eigentumserwerb des Bieters nur noch seine Willenserklärung erfordern, dem Bieter der einseitige Erwerb also jederzeit durch Abgabe der Willenserklärung möglich ist.465 (b) Schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung Ob auch lediglich schuldrechtlich begründete Ansprüche auf Übereignung von § 30 Abs. S. 1 Nr. 5 WpÜG erfasst werden, ist hier ebenso umstritten wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG und ebenso abzulehnen466, wenngleich mit anderer Argumentation, da der vierstufige Auslegungskanon durch andere Elemente geprägt wird als im Rahmen der beteiligungstransparenzrechtlichen Parallelnorm: So kann beispielsweise im Rahmen einer historischen Auslegung nicht auf die Transparenzrichtlinien abgestellt werden, und der systematische Hinweis auf § 20 AktG ist von vornherein ausgeschlossen, da § 30 WpÜG zumindest nicht primär Transparenzvorschrift ist.467 Für eine enge Interpretation des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG spricht jedoch, dass das Tatbestandsmerkmal „erwerben“ im WpÜG nur für den Eigentumserwerb verwendet wird. Sofern das WpÜG schuldrechtliche Ansprüche den dinglichen gleichstellen möchte, ordnet es dies ausdrücklich an (z. B. §§ 23 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2, 31 Abs. 6 WpÜG).468 Eine restriktive Auslegung ist unter teleologischen Gesichtspunkten auch deswegen geboten, weil die scharfe Rechtsfolge des Pflichtangebots nur denjenigen treffen darf, der über eine Position verfügt, welche die Ausübung der Stimmrechte nicht von Unwägbarkeiten abhängig macht, auf die der Bieter keinerlei Einfluss nehmen kann.469 Für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 465 Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 14; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/ Oechsler, § 30 Rn. 16; Heidel/Sohbi, § 30 WpÜG Rn. 12; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 40; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 22; Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 55. 466 Dies ist zwingend, da § 30 WpÜG enger auszulegen ist als § 22 WpHG und eine Verneinung der Zurechnung im Rahmen des § 22 WpHG zwangsläufig auch eine Verneinung der Zurechnung im Rahmen des § 30 WpÜG nach sicht zieht, siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. b) bb) (3). 467 So auch KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 20; Seibt, ZIP 2005, 729, 733; a.A. offensichtlich Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 136. 468 Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 16; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 40; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 22. 469 BGH NZG 2014, 985 Rn. 40; Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 55; Ehricke/Ekkenga/ Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 16; Geibel/Süßmann/Süßmann, § 30 Rn. 22; Haarmann/Schüp-
B. Empty voting
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WpÜG ist die Streitfrage seit der Verabschiedung des WpÜG durch den Gesetzgeber im hier befürworteten Sinne geklärt.470 (c) Ergebnis Der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübereignung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte am vereinbarten Fälligkeitstag zieht somit auch keine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG nach sich.471 (4) Zurechnung gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG Eine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG ist ebenfalls abzulehnen. Insofern gilt das zu § 22 Abs. 2 WpHG Gesagte: Im Rahmen eines Wertpapierdarlehensvertrags wird dem Darlehensgeber regelmäßig nicht die Möglichkeit eingeräumt, auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer Einfluss zu nehmen. Eine Verständigung der Vertragspartner über die Ausübung von Stimmrechten – wie sie § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG verlangt – ist nicht gegeben. ee) Ergebnis Die Anwendung der §§ 29 f. WpÜG auf das Wertpapierdarlehen führt zu folgendem Ergebnis: 1. Erreicht der Darlehensnehmer mittels darlehensweise überlassener Aktien die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG, so ist er zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs gemäß § 35 Abs. 1 WpÜG und zur Abgabe eines Pflichtangebots gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG verpflichtet. Den Erwerbsgrund muss er in der Veröffentlichung allerdings nicht angeben, so dass die Möglichkeit des zukünftigen empty voting unerkannt bleibt. 2. Hinsichtlich der für den Darlehensgeber bestehenden Pflichten ist wiederum zu differenzieren: a) War er (und davon ist in der Regel auszugehen) nicht Inhaber eines kontrollvermittelnden Aktienpakets und werden ihm die Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Aktien nicht zugerechnet (was ebenfalls den Regelfall pen/Walz, § 30 Rn. 57; siehe auch KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 4; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 4, die generell eine Auslegung der Tatbestände des § 30 WpÜG unter Berücksichtigung der einschneidenden Rechtsfolge des Pflichtangebots anmahnen. 470 Vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54; siehe auch BGH NZG 2014, 985 Rn. 40. 471 KölnKommWpÜG/von Bülow, § 30 Rn. 183; Baums/Thoma/Diekmann, § 30 Rn. 59; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 30 WpÜG Rn. 15; Steinmeyer/Steinmeyer, § 30 Rn. 41; Haarmann/Schüppen/Walz, § 30 Rn. 58; a.A. Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, § 30 Rn. 95, 131 ff.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
darstellt), so mindert sich der von ihm – sei es unmittelbar oder mittelbar – gehaltene Stimmrechtsanteil, so dass er lediglich die Beteiligungstransparenzvorschriften wegen Unterschreitens einer Meldeschwelle zu beachten hat.472 Werden ihm die Stimmrechte ausnahmsweise zugerechnet, hält er – wenngleich nun mittelbar – immer noch einen in der Höhe identischen Stimmrechtsanteil, so dass sich im Ergebnis nur die Zurechnungsgrundlage ändert. Eine solche Umschichtung löst jedoch keine Mitteilungspflichten aus. b) War der Darlehensgeber Kontrollinhaber und sind ihm die Stimmrechte aus den darlehensweise überlassenen Aktien nicht zuzurechnen, unterschreitet er u. U. die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG. Das hat zunächst keine Konsequenzen. Allerdings muss der Darlehensgeber bei Rückübertragung von Aktien gleicher Art, Menge und Güte das Überschreiten der Kontrollschwelle gemäß § 35 Abs. 1 WpÜG veröffentlichen und den Aktionären gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG ein Pflichtangebot unterbreiten. Dieser Fall wird praktisch nicht vorkommen. Sind dem Darlehensgeber die Stimmrechte aus den Aktien ausnahmsweise zuzurechnen, behält er die Kontrolle; es werden keinerlei Pflichten ausgelöst. c) Ergebnis Für die Erlangung des Stimmrechts im Wege des Wertpapierdarlehens lässt sich somit folgendes Ergebnis festhalten: Der Darlehensnehmer hat das Überschreiten einer der Meldeschwellen des § 21 Abs. 1 WpHG anzuzeigen, und ihn trifft bei Überschreiten der Kontrollschwelle die Veröffentlichungspflicht des § 35 Abs. 1 WpÜG und die Angebotspflicht des § 35 Abs. 2 WpÜG. Der Darlehensgeber seinserseits muss das Unterschreiten einer Meldeschwelle anzeigen. Damit herrscht umfassende Transparenz hinsichtlich der Anteilsveränderung und hinsichtlich des Kontrollerwerbs. Da jedoch die schuldrechtliche causa des Anteilserwerbs, also das Wertpapierdarlehen, nicht offengelegt werden muss, bleibt dem Kapitalmarkt verborgen, dass der Darlehensnehmer nicht das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien trägt und somit das Stimmrecht aus den Aktien als empty voter ausüben kann. 3. Einsatz von Derivaten a) Einführung Der Aufbau einer zu einem empty voting befähigenden Position durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente vollzieht sich in einem zweistufigen Prozess: Auf einer ersten Stufe steht der Erwerb von Aktien der Gesellschaft, auf einer zweiten Stufe der Erwerb derivativer Finanzinstrumente, mithilfe derer sich die sich aus dem
472
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) cc).
B. Empty voting
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Aktienerwerb ergebende long position glattstellen lässt.473 Der Aspekt der Zweistufigkeit spielt auch in Bezug auf die Reichweite der Transparenz des empty voting eine entscheidende Rolle. b) Beteiligungstransparenzvorschriften (§§ 21 ff. WpHG) aa) Offenlegungspflichten des empty voter Sofern der eine empty voting-Position aufbauende Investor Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft erwirbt und dabei eine der in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Schwellen überschreitet, hat er dies dem Emittenten und der BaFin unverzüglich, spätestens aber innerhalb von vier Handelstagen, mitzuteilen. Die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung der Mitteilung des Aktionärs (§ 26 Abs. 1 WpHG) sorgt dafür, dass die Information über die Veränderung des Stimmrechtsanteils dem gesamten Kapitalmarkt zugänglich gemacht wird. Auf der ersten Stufe des Aufbaus der empty voting-Position existiert mithin kein Transparenzdefizit, denn der Kapitalmarkt wird über die Tatsache, dass der empty voter Aktionär ist, zutreffend informiert. Aus den §§ 21 ff. WpHG lässt sich jedoch nicht die Pflicht des Aktionärs zur Offenlegung der verringerten Risikotragung ableiten. Insbesondere § 25 WpHG hilft nicht weiter, denn der empty voter erwirbt nicht das Recht zum einseitigen Erwerb von Aktien: Für eine Meldepflicht steht er auf der falschen Seite des Geschäfts, weil diese nur den Inhaber der long position trifft, der Aktionär das sich aus dem Aktienbesitz ergebende wirtschaftliche Risiko aber nur durch den Aufbau einer short position verringern kann.474 Unabhängig davon sehen die Derivatgeschäfte regelmäßig einen Barausgleich vor, sind also gerade nicht auf eine tatsächliche Lieferung der Aktien gerichtet. Und § 27a WpHG hilft auch beim Aufbau einer empty votingPosition mithilfe von Derivaten475 nicht weiter: Der Aktionär hat weder über den Abschluss von Derivatgeschäften noch über die wirtschaftliche Ausgestaltung seiner Beteiligung im Ganzen Auskunft zu geben. Eine Offenlegung der Tatsache, dass das den Aktien entspringende wirtschaftliche Risiko in einem zweiten Schritt wieder abgegeben wurde, erfolgt demnach nicht. Dadurch bleibt es sowohl den Mitaktionären als auch den Kapitalmarktteilnehmern verborgen, dass der allgemein angenommene Gleichlauf der Anreize der Aktionäre gestört ist. Infolgedessen bleibt die Gefahr daraus resultierender Interessenkonflikte ebenso unerkannt.476 Im Ergebnis lässt sich also auch hier ein eklatantes Transparenzdefizit feststellen.
473
Siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. a) und b). Zu den Möglichkeiten des empty voter siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (4). 475 Zur Situation bei Wertpapierdarlehen siehe schon oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (3). 476 Ebenso Mittermeier, S. 134 f., 141, 144 f., 147, 349; Ostler, S. 287 f.; Theusinger/ Möritz, NZG 2010, 607, 610; siehe auch Sarra, 36 Seattle U. L. Rev. 1117, 1127 f. (2013); in allgemeinerem Zusammenhang schon Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2119. 474
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
bb) Offenlegungspflichten der Gegenpartei des Derivatgeschäfts Fraglich ist, ob Transparenz durch eine Offenlegungspflicht der Gegenpartei des Derivatgeschäfts hergestellt wird. (1) Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG Eine eigene Mitteilungspflicht der Gegenpartei des Derivatgeschäfts nach § 21 Abs. 1 WpHG kommt nicht in Betracht, da eine solche nur den Aktionär trifft.477 Die Gegenpartei des Derivatgeschäfts erwirbt jedoch nicht die Aktien selbst, sondern lediglich ein Finanzinstrument, dem die Aktie als Basiswert zugrunde liegt und welches entweder – bei einem physical settlement – die feste Verpflichtung zu deren zukünftigen Erwerb begründet (so bei Festgeschäften und swaps) bzw. die Option zu deren zukünftigen Erwerb verschafft oder – bei einem cash settlement – einen Anspruch auf Zahlung eines finanziellen Ausgleichs verleiht. (2) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG stehen Stimmrechten des Meldepflichtigen Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleich, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Diese Zurechnungsnorm ist beim Abschluss von Derivatgeschäften nicht erfüllt: Unabhängig von der Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Wertpapieren478 hat der Vertragspartner des Aktionärs jedenfalls keinerlei Einfluss auf die Ausübung des Stimmrechts, was nach herrschender Meinung jedoch Voraussetzung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ist. Es widerspräche der Strategie des empty voter fundamental, wenn er die Entscheidung über die Ausübung des Stimmrechts in die Hände seines Derivatvertragspartners legte.479 (3) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG Der Zurechnungstatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG, wonach Stimmrechten des Meldepflichtigen solche Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleich stehen, die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann, scheidet ebenfalls aus: Zum einen werden die Derivatkontrakte in aller Regel nicht durch Lieferung des Basiswertes, sondern durch Zahlung eines Geldbetrags erfüllt, so dass von vornherein kein Anspruch des Geschäftspartners auf Lieferung von Aktien besteht. Und selbst wenn ausnahmsweise ein physical settlement vereinbart sein sollte, werden von § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG richtigerweise480 nur solche Willenserklärungen erfasst, die unmittelbar auf einen dinglichen Eigentumserwerb 477 478 479 480
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (1). Eingehend dazu siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (a). Siehe auch Mittermeier, S. 134. Siehe zu dieser Frage oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (c).
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gerichtet sind. Bei Derivatgeschäften handelt es sich hingegen um schuldrechtliche Verträge, die zu ihrer Durchführung entsprechender Erfüllungsgeschäfte bedürfen. (4) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG Da die Gegenpartei keinerlei Einfluss auf die Ausübung des Stimmrechts durch den Aktionär/empty voter hat und dahingehende Abstimmungen in aller Regel erst recht nicht vorliegen, kommt eine Zurechnung der Stimmrechte aus dem acting in concert-Tatbestand des § 22 Abs. 2 WpHG von vornherein nicht in Betracht. (5) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG Die Gegenpartei des Derivatgeschäfts trägt zwar die wirtschaftlichen Risiken aus den Aktien, verfügt jedoch nicht über das Stimmrecht aus diesen. Dies ist charakteristisch für die hidden ownership. Ob der hidden owner einer Meldepflicht aus § 25 Abs. 1 WpHG unterliegt, wird ausführlich an anderer Stelle untersucht.481 Hier sei nur so viel gesagt: Haben die Parteien – wie üblich – nur eine Erfüllung in bar vereinbart, greift § 25 Abs. 1 WpHG nicht ein. (6) Ergebnis Die Gegenpartei des Derivatgeschäfts trifft in der Regel keine Offenlegungspflicht. Das oben konstatierte Transparenzdefizit482 besteht somit weiterhin. c) Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) aa) Überschreitung der Kontrollschwelle durch den empty voter Überschreitet der empty voter im Rahmen des Positionsaufbaus die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG, ist er zur Veröffentlichung dieser Tatsache (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) verpflichtet. Eine Pflicht des Kontrollerwerbers zur Offenlegung der Risikoentleerung seiner Stimmrechte lässt sich den §§ 29 ff. WpÜG jedoch nicht entnehmen. bb) Veröffentlichungs- und Angebotspflicht der Gegenpartei Eine Veröffentlichungs- und Angebotspflicht der Gegenpartei aus den Zurechnungstatbeständen des § 30 WpÜG lässt sich nicht begründen. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu den jeweiligen Parallelvorschriften des § 22 WpHG ver-
481 482
Siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. c) ee). Siehe oben 4. Kapitel B. III. 3. b) aa).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
wiesen werden.483 Eine Parallelnorm zu § 25 WpHG existiert nicht, so dass in keinem Fall – auch nicht bei Vereinbarung eines physical settlement – eine Veröffentlichungs- und Angebotspflicht der Gegenpartei des Derivatgeschäfts besteht. d) Ergebnis Der empty voter ist verpflichtet, das Überschreiten einer der in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Meldeschwellen mitzuteilen und bei Erwerb der Kontrolle seine Pflichten aus § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG zu erfüllen. Die Verfügbarkeit risikoentleerter Stimmrechte und damit die Möglichkeit des empty voting hat er nicht offenzulegen. Sein Vertragspartner ist grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Derivatposition verpflichtet. Etwas anderes gilt nur im Falle der Vereinbarung eines physical settlement; hier ergibt sich eine Meldepflicht aus § 25 WpHG. Für den Regelfall des cash settlement besteht hingegen keine Offenlegungspflicht. 4. Ergebnis Das geltende System der Beteiligungstransparenz erfasst weder den Aufbau einer empty voting-Position im Wege des Wertpapierdarlehens noch im Wege des Erwerbs derivativer Finanzinstrumente. Auch die Vorschrift des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG hilft nicht weiter. Dem Kapitalmarkt wird damit die bedeutsame Information vorenthalten, dass ein Aktionär eines börsennotierten Unternehmens kein seinem Stimmrechtsanteil entsprechendes wirtschaftliches Interesse besitzt und somit die Gefahr von Interessenkonflikten bei der Ausübung des Stimmrechts besteht.484 Das hat seinen Grund darin, dass die §§ 21 ff. WpHG und §§ 29 f. WpÜG an die Stimmrechte anknüpfen und nicht an das wirtschaftliche Interesse, welches sich aus der stimmrechtsvermittelnden Aktienposition ergibt.485
C. Hidden (morphable) ownership Die Taktik der hidden (morphable) ownership hat die Vermeidung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenzvorschriften zum primären Ziel.486 Gleichwohl kann sich eine rechtliche Würdigung des Anschleichens an börsennotierte Gesellschaften nicht auf die §§ 21 ff. WpHG (dazu I.) beschränken, sondern 483
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2), (3) und (4). So auch Mittermeier, S. 334; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 76; Wansleben, StudZR 2009, 465, 481. 485 Sehr deutlich auch Renn, S. 118 f.; ders., SZW 2010, 186, 195, 197; Wansleben, StudZR 2009, 465, 480; ferner Mittermeier, S. 375; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 119; OsterlohKonrad, ZGR 2012, 35, 44. 486 Vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. 484
C. Hidden (morphable) ownership
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muss auch andere Regelungen des Kapitalmarktrechts einbeziehen. Zu untersuchen sind hier insbesondere einige Normen des Übernahmerechts – allen voran die sich aus der Erlangung der Kontrolle ergebenden Pflichten des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG (dazu II.) und die aus § 10 WpÜG resultierende Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (dazu III.) – sowie die insiderrechtlichen Vorschriften der §§ 12 ff. WpHG (dazu IV.).
I. Beteiligungstransparenz (§§ 21 ff. WpHG) Wie gesehen pirschen sich Investoren bevorzugt unter Einsatz von Derivaten an börsennotierte Gesellschaften heran. Gleichwohl sind auch Wertpapierdarlehen zum Anschleichen geeignet. Daher befassen sich auch die nachfolgenden Ausführungen zur Kompatibilität eines solchen Vorgehens mit den Beteiligungstransparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG mit beiden Möglichkeiten. 1. Einsatz von Derivaten a) Einleitung aa) Zum Anschleichen nicht geeignete Derivatgeschäfte Wie sich ein Investor mittels derivativer Finanzinstrumente heimlich den faktischen Zugriff auf Aktien sichern kann, ist an anderer Stelle bereits ausführlich entfaltet worden.487 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hingewiesen worden, dass sich ein wirtschaftliches Interesse ohne korrespondierendes Stimmrecht, also eine Quasi-Aktionärsstellung, mittels jeder Form von Derivatgeschäften aufbauen lässt, sofern diesen nur die Aktie eines Unternehmens als Basiswert zugrunde liegt. Gleichwohl sind manche Derivate zum heimlichen Aufbau einer Beteiligung nicht geeignet. (1) Derivatgeschäfte mit physical settlement Sofern das Derivatgeschäft eine Realerfüllung, d. h. eine schlussendliche Lieferung des Basiswertes, zum Gegenstand hat, zieht dies – das Erreichen des 5 %Schwellenwertes vorausgesetzt – eine Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG desjenigen Vertragspartners nach sich, der aufgrund des Geschäfts die Lieferung der mit Stimmrechten verbundenen Aktien verlangen kann.488 Von dem in § 25 Abs. 1 WpHG verwendeten Begriff des Finanzinstruments werden zunächst einmal alle Finanzinstrumente im Sinne des § 2 Abs. 2b WpHG 487 488
ee).
Siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. Näher zu den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 WpHG siehe unten 4. Kapitel C. I. 1. c)
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
erfasst489, insbesondere also auch sämtliche im zweiten Kapitel dieser Untersuchung beschriebenen490 Derivate. Allerdings wird der Anwendungsbereich der Vorschrift durch weitere Voraussetzungen eingeschränkt. § 25 Abs. 1 WpHG adressiert zunächst nur solche Finanzinstrumente, die ihrem Inhaber das Recht zum Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien verleihen. Das Geschäft muss demnach auf die tatsächliche Lieferung von Aktien gerichtet sein. Das ist bei Derivatgeschäften mit physical settlement der Fall, nicht aber bei Derivatgeschäften mit reinem cash settlement, die eine bloße Abrechnung in Geld vorsehen.491 Ebenso wenig findet § 25 Abs. 1 WpHG Anwendung auf Derivatgeschäfte, deren Vertragsbedingungen dem Vertragspartner des Investors das Recht einräumen, seiner Erfüllungspflicht wahlweise durch Lieferung der Aktien oder durch eine Ausgleichszahlung nachzukommen492, und auf Derivatgeschäfte, die den Aktienerwerb von äußeren Umständen abhängig machen493. In diesen Fällen ist die Voraussetzung der Möglichkeit des „einseitigen“ Aktienerwerbs nicht erfüllt. Durch dieses Erfordernis werden auch put options aus dem Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG ausgeschieden, da der Aktienerwerb des Verkäufers als Stillhalter hier von der Ausübung der Option durch den Käufer abhängig ist.494 Erfasst werden hingegen 489 Vgl. Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 6 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 23; Holfter, S. 146; Schneider/ Brouwer, AG 2008, 557, 559; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024. 490 Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee). 491 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 469; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1800 f.; Christ, S. 90 f.; Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1504; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 23, 30, 33, 35; Hutter/ Kaulamo, NJW 2007, 471, 475; dies./Plepelits, GS Gruson, S. 213, 226; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 109; Ostler, S. 281 f.; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296; Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 233; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479; Wansleben, StudZR 2009, 465, 476 f. 492 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 9; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 579; Wansleben, StudZR 2009, 465, 477; siehe auch Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU Nr. L 69/ 27; zu dieser kautelarjuristischen Option siehe schon oben 2. Kapitel B. III. 1. a). 493 Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36 f.; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; Bosse, DB 2007, 39, 41 f. mit Fn. 34; Brandt, BKR 2008, 441, 442; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 9, 11; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 33; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 475; Nießen, NZG 2007, 41, 43; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 559; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 25 WpHG Rn. 4 f. 494 Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 64; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 34; Ostler, S. 281; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 18 Rn. 61; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 561; Wansleben, StudZR 2009, 465, 477. Obwohl somit eine Meldepflicht von put options nicht gegeben ist, stellt die Unsicherheit des Aktienerwerbs gerade den Grund dafür dar, warum sich put options nur begrenzt
C. Hidden (morphable) ownership
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sämtliche Festgeschäfte (futures, forwards495 und swaps), da diese dem Käufer einen festen Anspruch auf die Lieferung von Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft einräumen, sowie call options, weil bei diesen der Erwerb der Aktien allein von der Ausübung des Optionsrechts durch den Käufer abhängt.496 Derivate mit vertraglich vereinbarter Realerfüllung eignen sich angesichts der aus § 25 Abs. 1 WpHG resultierenden Meldepflicht folglich nicht zum verdeckten Aufbau einer Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen. (2) Derivatgeschäfte mit cash settlement ohne Absicherung des Vertragspartners Zum gleichen Ergebnis kommt man grundsätzlich für Aktienderivate mit cash settlement: Vertraglich vereinbart ist ein Barausgleich, nicht die Lieferung von Aktien. Da der Investor aufgrund dessen keinen Anspruch auf Erfüllung des Geschäfts mit Aktien hat, lassen sich diese Derivatgeschäfte zum heimlichen Aufbau einer Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen nicht einsetzen. Uneingeschränkte Gültigkeit haben diese Ausführungen jedoch nur dann, wenn sich der Vertragspartner weder durch den Erwerb der Basiswertaktien noch durch den Abschluss gegenläufiger Derivatgeschäfte mit Drittparteien gegen das aus dem Derivatgeschäft mit dem Investor resultierende Risiko eines Kursanstiegs absichert. In diesem Fall existieren überhaupt keine Aktien, auf die sich der Investor faktisch den Zugriff sichern könnte. Insofern fehlt es an Stimmrechten, die Gegenstand einer Zurechnung nach § 22 WpHG oder einer Meldepflicht nach § 25 WpHG sein könnten. Dies ergibt sich auch aus § 28 S. 1 WpHG, wonach der Meldepflichtige seiner Rechte aus Aktien, die ihm entweder gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 WpHG zugerechnet werden, für die Zeit verlustig geht, für welche die Mitteilungspflicht nicht erfüllt wird: Im Falle eines cash settlement ohne hedging des Vertragspartners sind überhaupt keine konkreten Aktien bestimmbar (weder beim Vertragspartner noch bei Drittbanken), bei denen der zum heimlichen Aufbau einer Beteiligung eignen. Allerdings lassen sich auch die Vertragsbedingungen einer put option so gestalten, dass es letzten Endes zu einer sicheren Übertragung der Aktien kommt, so Cascante/Topf, AG 2009, 53, 64 mit Fn. 109 f.; Holfter, S. 157 f. 495 Die Meldepflicht aus § 25 Abs. 1 WpHG greift unabhängig davon ein, ob das Derivatgeschäft börslich oder außerbörslich abgeschlossen wird, vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 469; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 11; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 26 (für Festgeschäfte), 32 (für Optionsgeschäfte); ders./Brouwer, AG 2008, 557, 560 (für Festgeschäfte), 561 (für Optionsgeschäfte); Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 128; a.A. wohl Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 475, die nur futures und Optionen nennen; Nießen, NZG 2007, 41, 43, der Aktienkaufverträge mit aufschiebend bedingter Übereignung v. a. deswegen von § 25 Abs. 1 WpHG ausnimmt, weil es an einem Handel am Markt fehle. 496 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 469; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 128; zu call options siehe Holfter, S. 152 ff.; vgl. auch Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG zur Transparenzrichtlinie II.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Rechtsverlust eintreten sollte.497 Das Geschäft hat den Charakter eines reinen Spekulationsgeschäfts, welches den Parteien je nach Entwicklung des Aktienkurses Gewinne oder Verluste beschert.498 Ein Anschleichen ist jedoch bei fehlender Absicherung der Risikoposition des Vertragspartners von vornherein ausgeschlossen. Sofern also der Gesetzgeber nicht die generelle Offenlegung von Derivaten mit cash settlement für nötig erachtet, besteht im Hinblick auf diese Geschäfte kein Regelungsbedarf499, weil sie im Vorfeld von Unternehmensübernahmen und somit im Rahmen der Beteiligungstransparenzvorschriften aus dem geschilderten Grund keine Rolle spielen. Der Fakt, dass die geltenden §§ 22, 25 WpHG Derivate mit Barerfüllung nicht erfassen, muss daher insofern keinen Anlass zur Besorgnis geben. bb) Beschränkung der Untersuchung auf Derivatgeschäfte mit cash settlement bei Absicherung des Vertragspartners Diskussionswürdig sind ergo nur noch solche Derivatkonstruktionen, die auf die Umgehung insbesondere der Meldepflicht aus § 25 WpHG abzielen und daher zwar formal ein cash settlement vorsehen, dem Investor faktisch aber gleichwohl den Zugriff auf Aktien sichern. Hat der Vertragspartner des Investors zur Absicherung seiner short position aus dem Derivatgeschäft Aktien erworben, geht es um diese Aktien; hat der Vertragspartner sein Risiko durch weitere Derivatgeschäfte mit anderen Banken gehedgt, geht es um die von diesen Banken zur Risikoabsicherung gehaltenen Aktien. Wie an anderer Stelle ausführlich beschrieben wurde500, besteht aufgrund der wirtschaftlichen Interessen der Banken eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Aktien letztlich dem Investor angedient werden, sei es anstelle der vereinbarten Barerfüllung oder – nach der vertragsgemäßen Barabwicklung der Geschäfte – in Form der Veräußerung im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebots oder des Pflichtangebots. Die Beurteilung dieser Geschäfte unter Beteiligungstransparenzgesichtspunkten ist Gegenstand der nun folgenden Ausführungen. b) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG beim Vertragspartner Möchte sich der Derivatvertragspartner durch den Erwerb von Aktien des Zielunternehmens gegen das aus seiner derivativen short position resultierende Risiko 497
Habersack, AG 2008, 817, 818; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; siehe auch Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 408; Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 9. 498 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 473. 499 So auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 473, 486; FSA, CfD CP 08/17, Rn. 1.15: „[…] some respondents to the CP urged us to require further disclosure on the basis that general transparency of CfD positions, irrespective of any link to voting rights, would bring its own benefits. However, we have no compelling evidence of market failure in respect of inefficient price formation caused by a lack of transparency of CfDs.“ 500 Siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. b) bb).
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eines Kursverlusts absichern, gelten für ihn grundsätzlich keine Besonderheiten: Erreicht oder überschreitet er die in § 21 Abs. 1 WpHG festgelegte Eingangsmeldeschwelle von 3 %, hat er dies dem Emittenten und der BaFin unverzüglich mitzuteilen. Um dies zu vermeiden, wird er in aller Regel nur 2,99 % Aktien erwerben und das hedging im Übrigen durch den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte betreiben.501 Für Wertpapierdienstleistungen erbringende Unternehmen als Inhaber von mit Stimmrechten verbundenen Aktien hält § 23 Abs. 1 WpHG indes eine Sonderregelung bereit, der die Erkenntnis zugrunde liegt, dass Finanzdienstleistungsinstitute neben dem Anlagebestand auch einen Handelsbestand an Aktien haben können, d. h. sie halten Aktien nicht nur mittel- und langfristig zum Zwecke der aktiven Beteiligung an der Willensbildung im Unternehmen und zur Verfolgung strategischer Ziele, sondern auch kurzfristig zum Zwecke der leichteren und zügigeren Abwicklung von Wertpapiergeschäften.502 Als weitere Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung der Stimmrechte sieht § 23 Abs. 1 WpHG vor, dass der Aktienanteil 5 % der Stimmrechte nicht übersteigt und das Finanzdienstleistungsinstitut sicherstellt, dass die Stimmrechte nicht ausgeübt und nicht anderweitig zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Emittenten genutzt werden. Nur unter diesen Voraussetzungen ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Mitteilung des Erreichens oder der Überschreitung einer Meldeschwelle mehr zur Verwirrung als zur Transparenz beitragen würde.503 Für die vorliegende Untersuchung ist eine nähere Betrachtung des § 23 Abs. 1 WpHG nicht gewinnbringend. Es genügt die Kenntnis der Tatsache, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen bis zu 5 % der Stimmrechte einer börsennotierten Aktiengesellschaft erwerben können, ohne dies offenlegen zu müssen. Allerdings ist ihnen gemäß § 23 Abs. 5 WpHG dann auch die Ausübung des Stimmrechts aus diesen Aktien untersagt. Für die Bank, die im Vorfeld einer Unternehmensübernahme mit einem Investor ein Derivatgeschäft abschließt, bieten sich dementsprechend zwei Optionen an: entweder der Erwerb von 2,99 % der Aktien der Zielgesellschaft mit der Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung oder der Erwerb von 5 % der Aktien der Zielgesellschaft verbunden mit einem Stimmrechtsausübungsverbot.
501
Siehe schon oben 2. Kapitel B. III. 1. b) aa). Vgl. KölnKommWpHG/Hirte, § 23 Rn. 2; Assmann/Schneider/Schneider, § 23 Rn. 2, 10 f.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 23 WpHG Rn. 1; siehe auch Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54: „Damit bleibt insbesondere der Handelsbestand von Banken von der Mitteilungspflicht ausgenommen. Der Grund hierfür ist der regelmäßig folgende ständige Wechsel im Bestand und der Umstand, daß keine Daueranlage mit diesen Aktien verfolgt wird.“; ebenso Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 35. 503 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 23 WpHG Rn. 1; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 23 Rn. 1; KölnKommWpHG/Hirte, § 23 Rn. 2; KölnKommAktG/Koppensteiner, Anh § 22 § 21 ff. WpHG Rn. 27; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 23 WpHG Rn. 1; Starke, S. 233; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 106. 502
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
c) Offenlegungspflichten des Investors Wesentlich interessanter und umstrittener ist die Frage, ob der sich an ein börsennotiertes Unternehmen heranpirschende Investor zur Offenlegung der Derivatkontrakte verpflichtet ist. aa) Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG Eine Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG trifft nur den Aktionär.504 Der Investor ist jedoch nicht Anteilseigner, sondern erwirbt lediglich ein Finanzinstrument, das ihm bei wirtschaftlicher Betrachtung eine aktionärsähnliche Stellung verschafft.505 bb) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG Die Stimmrechte aus den von den Banken erworbenen Aktien könnten dem Investor nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen sein. Dazu müssten die Aktien einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Investors gehalten werden. (1) Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören Bei rein spekulativen Aktienderivatgeschäften, bei denen die Parteien sich nicht durch den Erwerb des Basiswertes oder den Abschluss gegenläufiger Derivatverträge absichern, scheidet wie gesehen506 eine Zurechnung von Stimmrechten aus, weil gar keine Stimmrechte bestimmbar sind, die Gegenstand einer Zurechnung nach § 22 WpHG und eines Rechtsverlusts nach § 28 WpHG sein könnten. Dieses Argument büßt indes seine Gültigkeit ein, wenn der Vertragspartner des Investors, also die short-Partei des ersten Derivatgeschäfts, oder dessen Gegenparteien im Rahmen weiterer Derivatgeschäfte zum Zwecke des hedging ihrer short positions die Aktien der Zielgesellschaft erwerben. Die Banken werden Eigentümer der Aktien, und diese können problemlos Gegenstand eines Rechtsverlusts aus § 28 S. 1 WpHG sein.507 Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass es jedenfalls an dieser Stelle keinen Unterschied macht, ob die hedging-Aktien im Eigentum des unmittelbaren Vertragspartners des Investors stehen oder im Eigentum anderer Banken, denn schon begrifflich fallen sämtliche in den Beteiligungsaufbau eingebundenen Banken unter das in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG vorgesehene Merkmal des „Dritten“, und sämtliche Aktien können prinzipiell „von ihm“ für Rechnung des Investors gehalten
504
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (1). Siehe oben 2. Kapitel B. I. 506 Vgl. oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (2). 507 Gleichsinnig zu „physisch“ unterlegten cash settled equity swaps Habersack, AG 2008, 817, 818. 505
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werden.508 Es geht insofern um eine Direktzurechnung der Stimmrechte aus den von der jeweiligen Bank gehaltenen Aktien. Sollte sich eine Zurechnung auf diese Weise nicht begründen lassen, könnte man zwar den Gedanken aufwerfen, ob nicht die Stimmrechte aus den Aktien der Drittbanken der Derivat-Erstellerbank und über diese als Bindeglied schließlich dem Investor zugerechnet werden können. Eine solche sog. Kettenzurechnung scheidet im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG jedoch aus.509 (2) Für Rechnung des Investors gehalten Allerdings müssten die Investmentbanken die Aktien für Rechnung des Investors halten. Dies setzt zum einen voraus, dass diesen die wesentlichen wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus der Beteiligung treffen. Zum zweiten müsste er einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken haben. (a) Wirtschaftliche Chancen und Risiken beim Investor (aa) Unergiebigkeit der Rahmenverträge Zu den wirtschaftlichen Chancen und Risiken, die im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG den Meldepflichtigen treffen müssen, gehören das Bestandsrisiko, das Dividendenrisiko, das Bezugsrechterisiko, das Risiko, Abfindungs- und Ausgleichszahlungen und den Anteil am Liquidationserlös zu erhalten, und die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen. Außerbörsliche Derivatgeschäfte werden häufig unter Zuhilfenahme von Rahmenverträgen abgeschlossen. Da der Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte sämtliche Erscheinungsformen der Derivate zu regeln beabsichtigt, nimmt es nicht Wunder, dass er sich in seinen Regelungen auf das Nötigste beschränkt. Dementsprechend enthält er auch keine Vorschriften darüber, wer im Einzelnen die genannten Chancen und Risiken trägt. Zum gleichen Ergebnis führt trotz seiner generell größeren Regelungstiefe510 auch eine Durchmusterung des ISDA Master Agreement. Über den Inhalt der Rahmenverträge hinausgehende Fragen des konkreten Derivatgeschäfts werden in den jeweiligen Einzelvereinbarungen geklärt. Allerdings lassen allgemeine Erwägungen und der wirtschaftliche Zweck der Derivatverträge Rückschlüsse auf die Chancen- und Risikoverteilung bei Festgeschäften (dazu (bb)), Optionsgeschäften (dazu (cc)) und swap-Geschäften (dazu (dd)) zu. 508 Ebenso wohl Schanz, DB 2008, 1899, 1902 f.; ders./Schalast, Working Paper, S. 18; a.A. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 464 mit Fn. 37; Christ, S. 59, die eine Zurechnung der Stimmrechte aus von den Drittbanken gehaltenen Aktien mit der Begründung verneinen, diese „gehörten“ nicht dem Ersteller des ersten swap. Das ist jedoch kein Argument gegen eine Direktzurechnung, sondern lediglich gegen eine Kettenzurechnung, dazu siehe schon oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c) (bb) und sogleich im Text. 509 Vgl. schon oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c) (bb). 510 Hopt/Vollmuth, IV.S.3.3, S. 1925.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(bb) Festgeschäfte (a) Dividendenchance/-risiko und Bezugsrechtechance/-risiko Der wirtschaftliche Zweck der Festgeschäfte spricht dafür, das Dividendenrisiko/ die Dividendenchance den Banken zuzuordnen. Für beide Vertragsparteien wird bei einem Festgeschäft die „feste“ Verpflichtung begründet, eine bestimmte Anzahl an Aktien zu einem zuvor vereinbarten Kurs zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu kaufen bzw. zu verkaufen. Wird der Preis jedoch schon bei Vertragsschluss festgelegt, so steht zu vermuten, dass während der Vertragslaufzeit evtl. anfallende Dividenden gerade nicht an den Festgeschäft-Käufer weitergeleitet werden sollen, denn dies verminderte im Ergebnis den fest vereinbarten Preis, den der Verkäufer vom Käufer beanspruchen kann; eine Weiterleitung von Dividenden käme letztlich einem Teilerlass der vereinbarten Kaufpreisschuld gleich. (b) Bestandsrisiko Mit dem Bestandsrisiko wird das Risiko des Untergangs der Aktien, d. h. des Nichtfortbestands der Aktien, beschrieben. Einen beachtlichen Teilausschnitt aus dem Bestandsrisiko stellt der Fall der Insolvenz des Emittenten dar. Dieser Ausschnitt soll im Folgenden näher beleuchtet werden, wobei der Begriff der Insolvenz – wie sich zeigen wird – einer Präzisierung bedarf. In den Rahmenverträgen findet das Bestandsrisiko ebenso wenig Erwähnung wie die Folgen der Insolvenz des Emittenten, so dass allgemeine Erwägungen anzustellen sind. (aa) Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister als entscheidender Zeitpunkt für die rechtliche Möglichkeit zur Lieferung von Aktien Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft stellt gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG einen Auflösungsgrund dar und bewirkt somit die Beendigung der bisherigen werbenden Tätigkeit der AG. Die Abwicklung erfolgt jedoch nicht nach den Regeln der §§ 265 ff. AktG, sondern nach dem vorrangigen Abwicklungsregime der InsO (§ 264 Abs. 1 AktG).511 Am Ende des Insolvenzverfahrens steht entweder die Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister gemäß § 141a Abs. 1 S. 2 FGG oder aber die Fortsetzung gemäß § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG aufgrund eines Fortsetzungsbeschlusses der Hauptversammlung und dessen Eintragung im Handelsregister. Liegen nach der Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft – gemäß § 200 Abs. 1 InsO beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sobald die Schlussverteilung (§ 196 InsO) vollzogen ist – keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt, ist diese von Amts wegen aus dem Handelsregister zu löschen (§ 141 Abs. 1 511 Spindler/Stilz/Bachmann, § 264 Rn. 8; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 65 Rn. 6; Hüffer/Koch, § 262 Rn. 13; K. Schmidt/Lutter/Riesenhuber, § 262 Rn. 13; Heidel/Wermeckes, § 262 Rn. 19.
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S. 2 FGG). Mit der Rechtskraft der Löschung geht die Aktiengesellschaft als juristische Person unter, sofern sie tatsächlich vermögenslos ist; sie hört bei kumulativem Vorliegen von Löschung und Vermögenslosigkeit auf, als solche (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 AktG) zu existieren.512 Bis zur Löschung aus dem Handelsregister jedoch existiert die Aktiengesellschaft weiter, denn zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht noch gar nicht fest, ob nicht die Gesellschaft erhalten und nach Beendigung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden kann. Für die Handelbarkeit von Aktien bedeutet das: Bis zur Löschung der Gesellschaft können Aktien grundsätzlich gehandelt und übertragen werden. Dies gilt auch für den börsenmäßigen Handel, denn der begünstigende Verwaltungsakt der Börsenzulassung (§ 32 Abs. 1 BörsG) erledigt sich nicht automatisch mit der Stellung des Insolvenzantrags bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.513 Die Börsenzulassung kann nur durch Widerruf seitens der Börsengeschäftsführung beendet werden, wobei ein solcher – sofern nicht ein entsprechender Antrag des Emittenten vorliegt (§ 39 Abs. 2 BörsG) – nur dann in Betracht kommt, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel in dem betroffenen Wertpapier auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist (§ 39 Abs. 1 BörsG). Dies wird man im Falle der Stellung des Insolvenzantrags bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht generell annehmen können.514 Allerdings kann eine mehrtägige Aussetzung der Notierung zum regulierten Markt angezeigt sein.515 Mit dem Untergang der Gesellschaft durch deren Löschung ist selbstverständlich auch der Untergang der Aktien verbunden; das Papier hört auf, Wertpapier zu sein, nämlich insofern, als es kein bestehendes Recht mehr verbrieft.516 Die Aktienurkunde, sofern überhaupt noch eine Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts in Form einer Urkunde erfolgt, ist ein rechtliches Nullum.
512 So die wohl herrschende Lehre vom Doppeltatbestand; zum Streitstand jeweils m.w.N. vgl. MünchKommAktG/Hüffer, § 262 Rn. 85, 89 ff.; Jansen/Steder, § 141a Rn. 64 f. 513 BVerwG ZIP 2005, 1145, 1146; Grub/Streit, BB 2004, 1397 f.; siehe auch VGH Kassel ZIP 2007, 1999: Leitsatz. 514 InsRHdb/Haas, § 93 Rn. 72. 515 Professionelle Marktteilnehmer können ohnehin schneller auf Ad hoc-Mitteilungen des Emittenten reagieren und würden durch die Aufrechterhaltung des Börsenhandels zusätzlich privilegiert, da sie aufgrund ihres Informationsvorsprungs eine Desinvestitionsentscheidung zulasten derjenigen Aktionäre treffen könnten, die über die Krisentatsache nicht informiert sind und daher in das Unternehmen investieren, vgl. Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1398; siehe auch Reuter, BB 2003, 1797, 1801. Eine Einstellung des Börsenhandels stellt als Beendigung des Börsenhandels und der Notierung in dem betreffenden Wertpapier auf längere Zeit ein gegenüber der Aussetzung weniger mildes Mittel dar und dürfte daher im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kaum einmal in Betracht kommen, vgl. Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1398; InsRHdb/Haas, § 93 Rn. 74. 516 Vgl. Zöllner, Wertpapierrecht, § 7 I, S. 42.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
(bb) Auswirkungen auf die Risikoverteilung bei Festgeschäften Für die Frage nach der Verteilung des Risikos der Insolvenz des Emittenten bei Festgeschäften ergibt sich somit folgendes Ergebnis: Liegt bei futures oder forwards auf Aktien einer im Insolvenzverfahren befindlichen Aktiengesellschaft der Fälligkeitstag vor der Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister, so kann der Verkäufer die zur Risikominimierung angeschafften Aktien noch liefern, wenngleich diese im Zuge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stark an Wert verloren haben, da sich im Marktpreis die Tatsache der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Unsicherheit bezüglich einer eventuellen Fortsetzung oder Löschung der Gesellschaft widerspiegeln517. Der Käufer jedoch muss bei einer Lieferung der Aktien anstelle des cash settlement518 den bei Vertragsschluss vereinbarten, höheren Preis zahlen bzw. im Rahmen des cash settlement eine hohe Ausgleichszahlung leisten, die den anschließenden Erwerb der Aktien vom Vertragspartner immens verteuert519. Mit der Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister gehen die nunmehr im Eigentum des Käufers stehenden Aktien sogar gemeinsam mit der Gesellschaft unter. In diesem Fall kommt eine Rückzahlung der auf die Aktien gezahlten Einlagen nicht in Betracht: Nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Mitgliedsrechte der Teilhaber einer Gesellschaft, insbesondere Einlagen, begründen in der Insolvenz der Gesellschaft keine Insolvenzforderung.520 Die Rückzahlung der Einlagen kann nicht verlangt werden521, da sie den Grundstock des Gesellschaftsvermögens und damit die den Gesellschaftsgläubigern im Insolvenzverfahren zugewiesene Haftungsmasse bilden522. Die geleisteten Einlagen sind infolge des Insolvenzverfahrens also regelmäßig verloren, weil nur das nach der Befriedigung aller Gläubiger verbleibende Vermögen an die Aktionäre verteilt werden kann (§ 271 AktG). Das Risiko des Wertverlustes aufgrund der Insolvenz des Emittenten liegt bei einem cash settlement mit Absicherung des Vertragspartners im Ergebnis also eindeutig beim Käufer. In dieser Konstellation realisiert sich für den Käufer allerdings nicht das Risiko des Nichtfortbestands der Aktien, sondern „nur“ das Kursrisiko: Der Käufer trägt allgemein das Risiko eines sinkenden Kurses, demnach auch das Risiko eines Kursverlustes aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
517
So auch Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1398. Die Derivatvertragsbedingungen können ein Wahlrecht des Vertragspartners zwischen der Lieferung der Aktien und einer Barerfüllung vorsehen, siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. a). 519 Falls er diese Aktien angesichts der Situation der Gesellschaft überhaupt noch erwerben möchte. 520 BGH NZG 2009, 984; MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 54; KölnKommAktG/ Kraft, § 262 Rn. 48; HeidKommInsO/Ries, § 38 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 8. 521 Jaeger/Henckel, § 38 Rn. 31; KölnKommAktG/Kraft, § 262 Rn. 48. 522 BGH NZG 2009, 984; Jaeger/Henckel, § 38 Rn. 31; HeidKommInsO/Ries, § 38 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 8. 518
C. Hidden (morphable) ownership
335
Emittenten. Insofern kann das Risiko der Insolvenz des Emittenten nicht als dem Bestandsrisiko zugehörig begriffen werden. Um das Bestandsrisiko geht es dann, wenn die Gesellschaft am Fälligkeitstag bereits gelöscht ist, denn in diesem Fall existieren auch keine Aktien mehr, mit denen der Verkäufer seine Lieferpflicht erfüllen könnte bzw. anhand derer sich ein aktueller Kurs zur Berechnung des Barausgleichs bestimmen ließe. Es liegt ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit vor. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen wäre der Verkäufer gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, sodass der Käufer auch von seiner Gegenleistungspflicht zur Zahlung befreit wäre (§ 326 Abs. 1 BGB). Da den Verkäufer an der Insolvenz des Emittenten und seiner Löschung aus dem Handelsregister kein Verschulden i.S.d. § 276 BGB trifft, könnte er die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB widerlegen und somit der Pflicht zum Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB entgehen. Allerdings bleibt die Vereinbarkeit dieses Ergebnisses mit den Vorschriften des ISDA Master Agreement zu prüfen. Dessen Nr. 5 sieht für bestimmte Situationen, in denen der Vertragszweck auf mindestens einer Vertragsseite gefährdet ist, die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Gesamtvertrags (= Kündigung) vor. Dabei ist zwischen „Events of Default“ (Nr. 5 (a)), die einer der Vertragsparteien zugerechnet werden können (allerdings ohne das Erfordernis eines Verschuldens im technischen Sinne), und „Termination Events“ (Nr. 5 (b)), die sich keiner Sphäre zurechnen lassen, zu unterscheiden.523 Für den Fall der Nichtlieferung seitens einer Vertragspartei gibt Nr. 5 (a) (i) der Gegenpartei die Möglichkeit der Kündigung. Kann der future- oder forward-Verkäufer die Aktien am Fälligkeitstag aufgrund der Löschung der Aktiengesellschaft aus dem Handelsregister nicht mehr liefern, so hat der Käufer das Recht zur Kündigung. Höhere Gewalt im Sinne der Force Majeure-Klausel der Nr. 5 (b) (ii) ist im Falle der Nichtlieferung aufgrund der Insolvenz des Emittenten nicht gegeben, da diese mit den in der Literatur genannten Beispielen (Kriege, Katastrophen, Terrorakte, Streiks)524 nicht vergleichbar ist. Daher kann der Gesamtvertrag nach Nr. 6 (a) durch Kündigung des Festgeschäft-Käufers beendet werden. Eine besondere Schadensersatzregelung enthält der ISDA Master Agreement für den Fall der Kündigung aufgrund eines „Event of Default“ in Nr. 6 (e) (i), der vor der gesetzlichen Regelung der Vorrang gebührt. Nr. 6 (f) enthält schließlich eine Aufrechnungsklausel, die der vertragstreuen Partei – sowohl für den Fall der eigenen Ausgleichspflicht als auch für den Fall der Ausgleichspflicht der vertragsbrüchigen Partei („at the option of the Nondefaulting Party“) – ungeachtet der Währung und ungeachtet des Erfüllungsorts die Verrechnung der Ausgleichsforderung mit Forderungen ermöglicht, die ihr (falls sie selbst ausgleichspflichtig ist) bzw. dem anderen Teil (falls die vertragsbrüchige Partei ausgleichspflichtig ist) aus dem Master Agreement, aus einem anderen Vertrag oder aus Gesetz zustehen. Wen letztlich die 523 524
MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 763. MünchVertragsHdb/Reiner, Band 4, S. 862.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Verpflichtung zum Schadensersatz trifft, hängt im Wesentlichen vom konkreten Einzelfall ab, so dass das Bestandsrisiko zumindest nicht pauschal dem FestgeschäftKäufer oder -Verkäufer zugewiesen werden kann. (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen Bei den Festgeschäften stellt die Erfüllung für beide Vertragsparteien eine bindende Rechtspflicht dar, die unabhängig von der Kursentwicklung ist. Somit steht dem Gewinn des einen Vertragspartners ein äquivalenter Verlust des anderen Vertragspartners gegenüber. Diese Eigenart der Festgeschäfte ist oben525 mit dem Begriff des symmetrischen Risikoprofils beschrieben worden. Insofern werden die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen zwischen den Beteiligten jeweils hälftig verteilt.526 Zwar hat der Festgeschäft-Käufer das Risiko der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der börsennotierten Aktiengesellschaft zu tragen. In Anbetracht allgemein527 und insbesondere bei börsennotierten Unternehmen528 niedriger Insolvenzquoten wird dadurch das von ihm prinzipiell hälftig zu tragende Kursrisiko indes nur unwesentlich verschärft. Nicht in die Betrachtung einzubeziehen sind besondere Umstände des Einzelfalls, wie sie auch beim Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften auftreten. Der Umstand, dass der Aktienkurs der Zielgesellschaft im Vorfeld der Übernahme in aller Regel steigt und der Festgeschäft-Käufer somit faktisch kein Kursrisiko auf sich nimmt, bleibt daher unberücksichtigt. (d) Ergebnis Kurz zusammengefasst lautet das Ergebnis der vorangegangenen Chancen- und Risikoanalyse für Festgeschäfte: Die hinsichtlich der Dividendenzahlung und der Bezugsrechte bestehenden Chancen und Risiken trägt der Verkäufer, soweit er zu hedging-Zwecken Aktien hält. Das Bestandsrisiko ist einzelfallabhängig entweder 525
Siehe 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (3) und A. II. 1. b) ee) (1) (a). A.A. Ostler, S. 253; Wansleben, StudZR 2009, 465, 474 mit der Begründung, der Terminkäufer sei unabhängig von der Kursentwicklung der Aktie zu deren Erwerb verpflichtet und trage somit das Risiko des Kursverfalls der Aktien. Das ist zwar richtig, berücksichtigt aber nicht, dass damit grundsätzlich eine ebenso große Chance auf einen Kursanstieg korrespondiert (der für den Terminverkäufer wiederum ein Risiko darstellt). Es greift zu kurz, nur darauf zu schauen, wer das Risiko eines Kursverlusts trägt. 527 Im Jahr 2007 entfielen auf 10.000 Unternehmen in den Rechtsformen der AG und der KGaA 133 Insolvenzen, was einer Insolvenzhäufigkeitsquote von 1,33 % entspricht, vgl. Angele, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 4/2008, S. 302, 308. Für die jüngeren Jahre liegen – soweit ersichtlich – offizielle Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Insolvenzhäufigkeit nicht vor. 528 Statistische Erhebungen zur Insolvenzhäufigkeit bei börsennotierten Gesellschaften existieren soweit ersichtlich nicht, doch dürfte diese auf einem sehr niedrigen Niveau liegen, zumal die Eigenkapitalquote von Aktiengesellschaften im Allgemeinen und von börsennotierten Aktiengesellschaften im Besonderen höher ist als die sonstiger Unternehmen, vgl. Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2013, Tabelle 04-2. 526
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vom Verkäufer oder vom Käufer zu tragen. Die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen sind dem Verkäufer und dem Käufer zu gleichen Teilen zugewiesen. Zwar erfolgt eine Zurechnung prinzipiell auch dann, wenn der Meldepflichtige nur einen Teil der wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt. Nicht erforderlich ist also, dass ihn sämtliche Chancen und Risiken aus der Beteiligung treffen. Entscheidend ist insofern, dass er die wesentlichen Chancen und Risiken der Beteiligung übernimmt.529 Das Merkmal der Wesentlichkeit entzieht sich angesichts der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen offensichtlich einer allgemeingültigen Umschreibung.530 Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es einer solchen allerdings auch gar nicht, denn die Übernahme eines vergleichsweise geringen Teils der wirtschaftlichen Chancen und Risiken durch den Festgeschäft-Käufer kann jedenfalls nicht ausreichen, um eine Zurechnung der Stimmrechte zu begründen. (cc) Optionsgeschäfte Sofern in der Literatur überhaupt auf die Frage eingegangen wird, ob Stimmrechte aus Aktien, die Gegenstand einer call option sind, dem Käufer zugerechnet werden können, erschöpfen sich die Ausführungen in der knappen Feststellung, der Käufer der call option habe nur das Recht, nicht aber die Pflicht zum Erwerb der veroptionierten Aktien, so dass das wirtschaftliche Risiko aus dem Geschäft ausschließlich beim Verkäufer liege531. Diese Begründung greift in zweierlei Hinsicht zu kurz: Zum einen müssen neben den wirtschaftlichen Risiken auch die wirtschaftlichen Chancen in die Betrachtung einbezogen werden532, zum anderen sind neben den Chancen und Risiken aus Kursveränderungen auch die Chancen und Risiken bezüglich der Di-
529
LG Hannover WM 1992, 1239, 1243 (zu § 20 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG); KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 79; Burgard, BB 1995, 2069, 2072; Langenbucher, § 17 Rn. 69; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 59; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 4; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch BGH NZG 2014, 985 Leitsatz 3 und Rn. 49; a.A. wohl Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 464 f., die verlangen, dass das Vermögen des Eigentümers im Rechtssinne überhaupt nicht berührt wird, der wirtschaftliche Eigentümer mithin sämtliche Chancen und Risiken trägt. 530 Vgl. Burgard, BB 1995, 2069, 2072. 531 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 108; Christ, S. 61; Wansleben, StudZR 2009, 465, 474; siehe auch Vedder, S. 182 f., 160; a.A. Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1090, nach denen der Inhaber einer call-Option das wirtschaftliche Risiko der zugrunde liegenden Aktien trägt. 532 Obwohl dies im Grundsatz der ganz h.M. entspricht (vgl. die Nachweise in Fn. 333), wird dieser Aspekt bei der Subsumtion des öfteren unterschlagen, vgl. beispielsweise KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 108; Heidel/Heinrich, § 22 WpHG Rn. 6; Schanz, DB 2008, 1899, 1902; ders./Schalast, Working Paper, S. 17; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 59, 60, wo ganz entscheidend auf die Übernahme des (wesentlichen) wirtschaftlichen Risikos abgestellt wird; klarstellend nunmehr im Rahmen des § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG BGH NZG 2014, 985 Rn. 49.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
videndenzahlung und bezüglich des Bezugsrechts sowie das Bestandsrisiko zu berücksichtigen533. (a) Dividendenchance-/risiko und Bezugsrechtechance/-risiko Der Verkäufer der call option trägt bis zur tatsächlichen Lieferung der zur Absicherung gehaltenen Aktien das Dividendenrisiko und das Bezugsrechterisiko. Ihm stehen aber auch die damit korrespondierenden Chancen zu. (b) Bestandsrisiko Bezüglich des Bestandsrisikos kann vollumfänglich auf die Ausführungen zu den Festgeschäften verwiesen werden.534 Sofern der Fälligkeitszeitpunkt des Optionsgeschäfts vor der Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister liegt, fällt dies wie gesehen nicht unter das Bestandsrisiko, sondern in die Rubrik des Kursrisikos. Ist die Gesellschaft hingegen bei Fälligkeit des Geschäfts bereits aus dem Handelsregister gelöscht, kann der Verkäufer weder durch Lieferung der Aktien noch durch eine Barzahlung erfüllen. Hinsichtlich einer eventuellen Schadensersatzpflicht gilt das oben zu den Festgeschäften Gesagte entsprechend. (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen Der Käufer einer call option kann im Fälligkeitszeitpunkt entscheiden, ob er die Option ausübt oder nicht. Dies hat zur Folge, dass ihm sämtliche Chancen aus Kursveränderungen zustehen, der Verkäufer hingegen sämtliche Risiken zu tragen hat: Der Käufer wird die call option nicht ausüben, wenn der Kurs unter den vereinbarten Preis sinkt; er kann seinen Verlust somit auf die Optionsprämie beschränken. Von dieser für ihn günstigen Kursentwicklung kann der Verkäufer hingegen nicht unmittelbar profitieren, sondern nur mittelbar insofern, als er den maximalen Gewinn in Höhe der Optionsprämie realisieren kann. Steigt der Kurs über den vereinbarten Preis hinaus an, wird der Käufer die Option ausüben, um zunächst die zu zahlende Optionsprämie refinanzieren und evtl. von einem weiteren Kursanstieg profitieren zu können. Im letztgenannten Fall entstehen für den Verkäufer Verluste.535 (d) Ergebnis Die Dividendenchancen und -risiken sowie die Bezugsrechtechancen und -risiken liegen beim Verkäufer der call option. Das Bestandsrisiko ist einzelfallabhängig entweder von der einen oder von der anderen Vertragspartei zu tragen. In Bezug auf Kursveränderungen ergibt sich aus der Asymmetrie des Risikoprofils bei Options533
Wenngleich die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen letztlich das entscheidende Merkmal sein dürften, siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (aa) (c). 534 Siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (a) (bb) (b). 535 Zum asymmetrischen Risikoprofil der Optionsgeschäfte siehe schon oben 2. Kapitel A. II. 1. b) bb) (3) und A. II. 1. b) ee) (2) (a).
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geschäften eine überaus ungleiche Verteilung der Chancen und Risiken: Der Käufer hat bei steigendem Aktienkurs eine theoretisch unbegrenzte Gewinnchance; den Verkäufer trifft ein theoretisch unbegrenztes Verlustrisiko. Im umgekehrten Fall eines sinkenden Aktienkurses wird der Käufer die Option nicht ausüben, so dass er kein Kursrisiko trägt; der Verkäufer kann aus der Kursentwicklung keinen Profit schlagen und muss sich mit der Optionsprämie als Gewinn begnügen. Auch in Bezug auf Kaufoptionsgeschäfte wird man daher nicht davon sprechen können, die wesentlichen Chancen und Risiken lägen beim Käufer. Eine Zurechnung der von den Banken gehaltenen Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zum Investor scheitert dementsprechend auch bei der Vereinbarung einer call option schon an diesem Merkmal. (dd) Swap-Geschäfte Swap-Geschäfte, wie sie in den Fällen Continental/Schaeffler und CSX/TCI zum Einsatz kamen, sind in der kapitalmarktrechtlichen Literatur unter dem Aspekt der Beteiligungstransparenz recht ausführlich gewürdigt worden. Im Hinblick auf die Zurechnungsnorm des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG hat man sich indes zumeist ausschließlich mit der Frage des Stimmrechtseinflusses des Investors beschäftigt. Zunächst jedoch zur Tragung der mit equity swap-Geschäften verbundenen wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Da es sich bei den swaps um Festgeschäfte handelt536, liegt diesbezüglich der Gedanke nahe, die Chancen und Risiken aus den hedge-Aktien seien analog zu diesen verteilt. Das trifft allerdings nur teilweise zu. (a) Dividendenchance/-risiko und Bezugsrechtechance/-risiko Bei den equity swaps wird ein periodisch zu zahlender Betrag (Gebühren) gegen die Erträge aus der Aktie (Dividendenzahlungen, Bezugsrechte und Wertveränderung der Aktie) getauscht.537 Der Investor als Inhaber der long position erhält also zunächst eine Ausgleichszahlung für die während der Laufzeit des Vertrags anfallenden Dividenden und Bezugsrechte. Damit stehen ihm die diesbezüglichen Chancen zu, er trägt aber auch die diesbezüglichen Risiken. (b) Bestandsrisiko Hinsichtlich des Bestandsrisikos sei wiederum auf die obigen Ausführungen zu den Festgeschäften verwiesen.538 (c) Chancen und Risiken aus Kursveränderungen Im Rahmen der Frage, wer bei equity swap-Geschäften die Chancen und Risiken aus Kursveränderungen übernimmt, offenbart sich die Eigenschaft der swaps als 536 537 538
Siehe oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3). Ausführlich dazu oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3) (b) (bb). Siehe 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (a) (bb) (b).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Festgeschäfte. Steigt der Aktienkurs an, erhält der swap-Käufer, d. h. der Investor, als Inhaber der long position neben den Ausgleichszahlungen für Dividenden und Bezugsrechte eine Ausgleichszahlung für die zwischenzeitliche Kursentwicklung. Sinkt der Kurs hingegen, wird er seinerseits ausgleichspflichtig. Die Chancen und Risiken sind somit wie bei den Festgeschäften gleichmäßig unter den swap-Parteien verteilt.539 Die Tatsache, dass die Bank sich gegen das sie treffende Risiko eines Kursanstiegs durch den Erwerb der Aktien absichert, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.540 (d) Ergebnis Der Investor trägt im Rahmen des swap-Geschäfts insbesondere sämtliche Chancen und Risiken hinsichtlich der Vermögensrechte aus der Aktie und übernimmt überdies zur Hälfte die Chancen und Risiken aus der Kursentwicklung. Die wesentlichen Chancen und Risiken aus den zur Risikoabsicherung gehaltenen Aktien liegen demnach beim Investor. In Bezug auf equity swaps ist diese erste Voraussetzung des Haltens „für Rechnung“ mithin erfüllt.541 (b) Einfluss des Investors auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken Relevanz haben die folgenden Ausführungen zum Einfluss des Investors auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken nur noch für die swap-Geschäfte.542
539
Insofern übereinstimmend Christ, S. 60; Holfter, S. 168. Richtig insoweit Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 465 (siehe aber auch Fn. 541); a.A. Christ, S. 60 f., die allerdings gleichwohl zum Ergebnis gelangt, „die Position der Bank [könne] aufgrund ihres verbleibenden wirtschaftlichen Risikos […] nicht auf die rein rechtliche Eigentümerstellung begrenzt werden“; wohl auch Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 220, die ein „Halten für Rechnung“ immer dann annehmen wollen, wenn der Total Return Payer, d. h. die Bank, zur Absicherung des Kursrisikos die Aktien tatsächlich erwirbt. 541 Ebenso KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 87; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1090; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2026; für den Fall Continental/Schaeffler auch Habersack, AG 2008, 817, 818; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 136; implizit auch sämtliche Autoren, die sich ausschließlich mit dem Stimmrechtseinfluss des Investors beschäftigen, siehe stellvertretend Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Engert, ZIP 2006, 2105, 2110; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505 f. A.A. Baums/ Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 465, die ein „Halten für fremde Rechnung“ grundsätzlich (Ausnahmen allerdings bei bestimmten, in der Praxis typischen Vertragsgestaltungen) mit der Begründung verneinen, der Ersteller eines swap habe keine treuhänderähnliche Stellung, weil sein Vermögen nicht von der Wertentwicklung der Aktien unberührt bleibe, dabei indes übersehen, dass für die Erfüllung des Zurechnungstatbestands eine Aufteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken ausreichend ist, solange der Meldepflichtige die wesentlichen Chancen und Risiken trägt; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 105 für den Fall der Absicherung durch Aktienerwerb; Holfter, S. 168, der die Tragung sämtlicher Chancen und Risiken durch den Investor verlangt. 542 Sofern man die Zuordnung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken anders als hier beurteilt, sind die folgenden Ausführungen auch für Festgeschäfte und Optionsgeschäfte relevant. 540
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Erinnert sei an dieser Stelle nochmals daran, dass der Stimmrechtseinfluss des wirtschaftlichen Eigentümers nach der hier vertretenen Auffassung widerleglich vermutet wird.543 Ob der Investor die Vermutung widerlegen kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Hier kann immerhin die typische Vertragsgestaltung unter diesem Gesichtspunkt in den Blick genommen werden. Zu unterscheiden ist im Zusammenhang mit dem Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften zwischen den Stimmrechten aus den unmittelbar vom Vertragspartner des Investors gehaltenen Aktien (dazu (aa)) und den Stimmrechten aus den Aktien, die von Drittbanken gehalten werden (dazu (bb)).544 (aa) Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch den Vertragspartner Hinsichtlich der Frage, ob der Investor den für eine Zurechnung erforderlichen Einfluss auf eine eventuelle Stimmrechtsausübung durch seinen Vertragspartner hat, ist das Meinungsbild gespalten.545 (a) Faktischer Zugriff des Investors auf Aktien Zugunsten eines solchen Stimmrechtseinflusses des Investors wird insbesondere auf die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und die sich daraus ergebenden Folgen hingewiesen546 : Die Bank sichere sich gegen das aus dem swap-Geschäft resultierende Risiko in aller Regel durch den physischen Erwerb des Basiswertes ab. Der Aktienerwerb erfülle allerdings nur vordergründig eine Risikoausgleichs- bzw. hedging-Funktion. Im Zentrum stehe vielmehr die Vorbereitung des späteren Erwerbs der Aktien durch den Vertragspartner, was sich auch daran zeige, dass dieser bereits mit Abschluss des swap-Vertrags die wesentlichen wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Aktien trage.547 Zudem halte das Finanzdienstleistungsinstitut die Aktien in aller Regel bis zur Beendigung des swap-Geschäfts, und in diesem Moment bestehe ein beträchtlicher wirtschaftlicher Anreiz, die Papiere dem swapVertragspartner anzudienen, da eine Veräußerung der oftmals beträchtlichen Ak543
Ausführlich dazu siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (b). Siehe schon oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (1). 545 Dafür Engert, ZIP 2006, 2105, 2108, 2110; Gower/Davies, Rn. 15-81, 28-45; Habersack, AG 2008, 817, 818 f.; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 577 f.; Renn, S. 189 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028 f.; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 136 ff.; für § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG auch Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 7; dagegen Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 465 ff.; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 106; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1090; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 67 f.; Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505 f.; Holfter, S. 168 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 109; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295 f.; Veil/Veil, § 20 Rn. 85; differenzierend Ostler, S. 259 ff., der einen Stimmrechtseinfluss dann bejaht, wenn der Vertragspartner verpflichtet ist, während der Vertragslaufzeit die Aktien zu halten. 546 Eingehend dazu schon oben 2. Kapitel B. III. 1. b) bb). 547 Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 30 Rn. 7. 544
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
tienpositionen über den Markt nicht ohne Kurseinbrüche möglich sei548. Das gelte umso mehr, wenn die Bank wie im Fall Schaeffler/Continental vertraglich verpflichtet sei, das Geschäft in wirtschaftlich sinnvoller Weise aufzulösen549. Manche Stimmen beziehen in ihre Argumentation ein, dass die swap-Vereinbarungen häufig ein einseitiges Kündigungsrecht des Investors vorsehen. Ein derartiges Kündigungsrecht ermögliche es dem Investor, die Aktien zu binden und eine Veräußerung durch die Bank ohne seine Zustimmung unmöglich zu machen.550 Diese Argumente entbehren teilweise schon in der Sache der Überzeugungskraft: Ungeachtet der Tatsache, dass der Investor auf die Art und Weise des hedging durch den Vertragspartner keinen Einfluss hat, liegt dem Aktienerwerb durch diesen selbstverständlich in erster Linie der Risikoabsicherungsgedanke zugrunde551. Durch den Abschluss des swap-Geschäfts geht er das Risiko ein, im Falle eines steigenden Aktienkurses finanzielle Einbußen zu erleiden. Möchte er diese Risikoposition nicht offen lassen, ist der Erwerb der Referenzaktien schlichtweg naheliegend. Darüber hinaus ist das hedging im Wege des Aktienerwerbs im Verhältnis zu alternativen hedging-Strategien keineswegs derart vorherrschend, dass man den Erwerb der Referenzaktien pauschal als vorgeschobenen hedging-Automatismus bezeichnen könnte, um den späteren Erwerb der Aktien durch den Investor vorzubereiten. So hat beispielsweise eine Umfrage der FSA552 ergeben, dass immerhin 46 % der befragten Marktteilnehmer ihre Risikopositionen aus CfDs (auch) durch ausgleichende Positionen in anderen Derivatgeschäften hedgen. 15 % der Befragten gab an, sie sicherten sich (auch) auf andere Weise gegen das Risiko eines Kursanstiegs ab, wovon insbesondere der Erwerb der Aktien von Unternehmen derselben Branche oder eine Absicherung auf Portfolio-Basis umfasst sein dürfte553. Im Übrigen ist anzumerken, dass die genannten Gesichtspunkte zur Begründung eines Stimmrechtseinflusses des Investors nicht ausreichen554, d. h. selbst wenn der Investor den gewünschten Erwerb der Aktien nach Beendigung des swap aufgrund der gegebenen Interessenlage faktisch fest einplanen könnte und ein einseitiges 548
Habersack, AG 2008, 817, 818; Renn, S. 188 f. Zu dieser kautelarjuristischen Option siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. b) cc). 550 Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 138 mit Blick auf den Schaeffler/Continental-Fall: „With its exclusive right to give notice to unwind, Schaeffler could de facto control a sale of the shares held as hedges by Merrill or Merrill’s counterparties to any other party, including an interloper (if any). […] In such a position, the banks have no economic interest […] and their investment is locked in until Schaeffler exercises its termination right.“; vgl. auch Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505. 551 Ähnlich Holfter, S. 169: „[…] wird man nicht automatisch zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es der Bank mit dem etwaigen Erwerb der Aktien […] nur vordergründig um eine Risikoabsicherung geht.“ 552 Siehe FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 16, Question 20. 553 Dazu siehe Schanz, DB 2008, 1899, 1903; ferner Christ, S. 72 f. 554 Siehe auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505 im Anschluss an die Wiedergabe der soeben geschilderten Argumente: „Was den Stimmrechtseinfluss anbelangt, […].“ 549
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Kündigungsrecht des Investors eine Veräußerungsblockade der Aktien bewirkt, wäre damit nicht gesagt, dass der Investor im Zeitraum zwischen Abschluss und Auflösung des swap-Geschäfts auch tatsächlich einen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung hat. Das aber ist gerade die Frage, um die es hier geht. (b) Stimmrechtseinfluss des Investors? Bei diesen eher schwachen Argumenten macht die eine Zurechnung befürwortende Ansicht indes nicht halt. Sie schließt von der wirtschaftlichen Interessenlage nicht nur auf die faktische Zugriffsmöglichkeit des Investors, sondern weitergehend auch auf seinen Stimmrechtseinfluss. Die Bank richte sich bei ihrer Stimmrechtsausübung in „vorauseilendem Gehorsam“555 üblicherweise nach den Wünschen des Investors556: Der Bank könne der Zweck der swaps und das schlussendliche Ziel der Vorgehensweise des Investors angesichts der Größe der swap-Position kaum verborgen bleiben.557 Daher sei insbesondere im Falle einer der Übernahme etwaig vorausgehenden außerordentlichen Hauptversammlung (vgl. § 16 Abs. 3 WpÜG) eine Abstimmung im Sinne des Investors zu erwarten: Um nicht das Zustandekommen der Übernahme zu gefährden und auf diese Weise den einfachsten Weg der kursschonenden Abgabe der Aktien zu versperren, wäre alles andere als eine Ausübung des Stimmrechts für die Übernahme und somit gegen das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen ökonomisch irrational.558 Im Übrigen koste ein solches Zugeständnis die Bank nichts und verspreche, im Hinblick auf etwaige zukünftige Geschäftsabschlüsse wohlwollend zur Kenntnis genommen zu werden.559 Ein besonders starkes Indiz für den bestehenden Stimmrechtseinfluss wird in der Tatsache gesehen, dass die Bank in der Regel zum Zwecke der Risikoabsicherung lediglich knapp unter 3 % der Aktien des Emittenten halte und von der Möglichkeit, bis zu 5 % der Aktien meldefrei im Handelsbestand zu halten (vgl. § 23 Abs. 1 WpHG), keinen Gebrauch mache. Das spreche dafür, dass die Aktien im Anlagebestand gehalten werden, damit der Investor bei Bedarf die Stimmrechtsausübung durch die Bank beeinflussen 555
Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505. Engert, ZIP 2006, 2105, 2108; Habersack, AG 2008, 817, 818 (bezüglich des Continental/Schaeffler-Falls); Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 837 f. (2006); siehe auch die Wiedergabe des Zitats eines Finanzinvestors bei Bertschinger, SZW 2008, 208, 210: „As long as the fund manager doesn’t have a stated right to unwind a CFD and take delivery to the shares then he has no obligation to declare his position. However, we all know that’s complete nonsense in practice and that it would be highly unusual not to be able to ask for those shares. It’s never happened to us and I have never even heard of it happening to anybody … ever!“. 557 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028 f.; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 139, der zudem darauf hinweist, dass es jedenfalls auf dem britischen Kapitalmarkt üblich sei, bei swapPositionen ab 15 % der Aktien eines Emittenten Auskünfte über das Ziel des Geschäfts einzuholen; siehe auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1769. 558 Habersack, AG 2008, 817, 818; siehe aber auch Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 139 zum Fall Continental/Schaeffler, dem zufolge die Banken die Stimmrechte aus den von ihnen gehaltenen Aktien angesichts des hohen Interesses der Öffentlichkeit und der Untersuchung der BaFin wohl weder zugunsten noch zuungunsten Schaefflers ausgeübt hätten. 559 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 138. 556
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kann.560 Empirischen Halt für ihren Standpunkt glaubt diese Ansicht in der bereits genannten Untersuchung der FSA zu CfDs zu finden: Wenn 69 % der Befragten angäben, Inhaber der CfD-long position seien schon einmal mit der Bitte um Beeinflussung des Stimmrechts aus den hedge-Aktien an sie (die Banken) herangetreten561, zeige dies, dass die Inhaber eines long equity swap durchaus häufig versuchten, auf die Stimmrechtsausübung der Stillhalterbank Einfluss zu nehmen.562 (aa) Keine wirtschaftliche Zwangslage der Banken Zu Recht wird vereinzelt bereits an den Ansatzpunkten dieser Argumentation – Erforderlichkeit des hedging im Wege des Aktienerwerbs für eine Zurechnung sowie Annahme einer wirtschaftlichen Zwangslage der Banken – Kritik geübt. Ob und ggf. wann sich die Bank durch den Erwerb von Aktien der Gesellschaft oder durch den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte absichert, kann der Investor nicht beeinflussen und erfährt er in aller Regel auch nicht. Schon dieser Umstand spricht gegen eine Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG und eine daraus resultierende Zurechnung der Stimmrechte zum Investor.563 Wirtschaftliche Zwänge, die eine Veräußerung der hedge-Aktien im Markt irrational erscheinen lassen, weil damit ein Kursrutsch einhergeht, setzen zudem eine signifikante Beteiligung voraus. Deren genaue Höhe und damit der Zeitpunkt der Entstehung des zurechnungsbegründenden wirtschaftlichen Zwangs sind jedoch von zahlreichen Umständen des Einzelfalls abhängig, so insbesondere von der Liquidität der Aktie.564 Bei börsennotierten Gesellschaften dürfte der Markt nur in den seltensten Fällen bereits bei einem Aktienpaket von 3 % so eng sein, dass der Bank als einzig rationale Option die Veräußerung an den Investor bleibt.565 Des Weiteren beruhen die für eine Zurechnung vorgebrachten Argumente im Wesentlichen auf einer Fehlinterpretation der tatsächlichen Umstände bzw. auf einer Verkennung der empirischen Daten. Der Annahme, der Bank sei das Ziel des swapGeschäfts und die hinter dem Geschäft stehende Absicht des Vertragspartners bekannt, wird man noch zustimmen können: Bei der Größe der hier in Rede stehenden swap-Positionen muss es sich der Bank geradezu aufdrängen, dass sie Bestandteil 560
Habersack, AG 2008, 817, 818; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 140. Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 25, Question 30. 562 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028. 563 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 67 f.: „Die Zurechnung kann nicht bereits an die Vereinbarung über die DCS [Derivate mit cash settlement, Anm. d. Verf.] anknüpfen, weil zum Zeitpunkt der Vereinbarung den Banken keine Aktien „gehören“. […] Zudem weiß der Investor nicht notwendigerweise, wann die Bank Aktien erwirbt […]. Aus der Vereinbarung über das DCS sollte sich keine Verpflichtung der Bank ergeben, den Investor darüber zu informieren, welche Position sie zur eigenen Absicherung aufbaut. Fraglich ist dann aber, wie der Investor in einer solchen Konstellation seine Mitteilungspflichten erfüllen soll.“; so auch Christ, S. 72. 564 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 67 f.; siehe auch Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 837 (2006) zum Fall Rubicon/Perry: „Another means of hedging was unlikely, given the thin market for Rubicon shares […].“ 565 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 67 f. 561
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eines Übernahmevorhabens ist, welches sich letztlich nur mittels des späteren Erwerbs der hedge-Aktien verwirklichen lässt. Allerdings ist das Wissen um die Absicht des Investors nicht gleichzusetzen mit einer Ausübung des Stimmrechts im Sinne des Investors und daher mit dessen Stimmrechtseinfluss. Auch kann es zur Abgabe der Aktien an den Investor andere Alternativen geben, die aus Sicht der Bank „wirtschaftlich sinnvoll“ sind. In Betracht kommt insofern insbesondere die Veräußerung an einen konkurrierenden Bieter, der ein höheres Angebot vorlegt. In diesem Fall besteht für die Bank kein ökonomischer Zwang mehr, die Aktien dem Vertragspartner anzudienen.566 Da die Bank – sofern nicht etwas anderes vereinbart ist – über die Aktien frei verfügen kann, besteht auch die Möglichkeit, diese darlehensweise an andere Marktteilnehmer weiterzureichen.567 Eher selten dürfte sich die Bank dazu entschließen, nach der erfolgreichen Übernahme bzw. nach deren Scheitern die Aktien in der Hoffnung auf weitere Kurssteigerungen einfach zu behalten.568 (bb) Banken keine „willfährigen Befehlsempfänger“ Dass die Banken keineswegs notwendigerweise „willfährige Befehlsempfänger“569 ihrer Vertragspartner sind, belegt auch die genannte Umfrage der FSA570. Danach enthalten die Standardvertragsdokumente der Banken in der Regel keine Bestimmungen zur Ausübung des Stimmrechts; manche schließen die Ausübung des Stimmrechts durch den Inhaber der long position des CfD bzw. eine Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung durch die Bank sogar ausdrücklich aus.571 Von dieser Vertragsgestaltung wird in über 80 % der Fälle auch nicht abgewichen.572 Die Stimmrechte aus den zur Absicherung gehaltenen Aktien werden von den meisten Banken nicht ausgeübt; sie verfolgen insoweit eine „no voting policy“. Manche Finanzinstitute stimmen bei wichtigen Anlässen zwar ab, allerdings nur nach Abstimmung zwischen der swap-Abteilung und der Business- und/oder ComplianceAbteilung.573 Auf die Frage, ob die Vertragspartner der Banken versuchten, auf die Stimmrechtsausübung Einfluss zu nehmen, antwortete zwar eine Mehrheit von 69 % mit „Ja“. Wie aus den Erläuterungen hervorgeht, werden solche Ansinnen jedoch in 566
Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 466; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 467; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506; siehe auch Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348. 568 Dazu vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 466. 569 Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506. 570 Auf diese hinweisend auch Christ, S. 73 f. 571 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 20, Question 26. 572 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 21, Question 27, wonach nur ein Teilnehmer der Umfrage antwortete, in vereinzelten Fällen sei vereinbart worden, dass das Stimmrecht nach den Weisungen des Kunden ausgeübt werden solle. 573 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 23, Question 29; siehe auch CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 543 (S.D.N.Y. 2008): „Moreover, the policies and practices of the counterparties with respect to voting hedge shares vary.“ 567
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aller Regel zurückgewiesen.574 Die Gegenansicht nimmt die Erklärungen der Finanzinstitute zwar zur Kenntnis, meldet aber unter Hinweis auf die wirtschaftlichen Interessen der Banken Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit an.575 Dafür besteht meines Erachtens kein Anlass. Hu und Black berichten überdies in ihrer Aufsatzreihe von einem Fall, in dem der Wille des Investors nicht nur nicht befolgt, sondern diesem sogar bewusst zuwidergehandelt wurde.576 Ein Stimmrechtseinfluss des Investors findet ergo in den bisherigen empirischen Erhebungen keinen Halt. Wie auch immer geartete Erwartungen der Investoren vermögen an der Tatsache des mangelnden Einflusses der Investoren auf die Ausübung der Stimmrechte durch die swap-Gegenparteien nichts zu ändern.577 (cc) Kein Stimmrechtseinfluss durch Ausschalten von Stimmrechten Bemerkenswert ist die von Noack und Zetzsche vertretene These, auch das Ausschalten bzw. Einfrieren von Stimmrechten begründe den von der herrschenden Meinung geforderten Stimmrechtseinfluss des Investors: Wie bereits gesehen, kann ein Finanzdienstleistungsinstitut bis zu 5 % der Aktien eines Emittenten im sog. Handelsbestand halten, ohne nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig zu werden.578 Schließt ein Investor ein swap-Geschäft mit einer Investmentbank ab und deckt diese ihr Kursrisiko durch den Erwerb der Referenzaktien, können dementsprechend bis zu 5 % der Stimmrechte „aus dem Verkehr gezogen“ oder eingefroren werden. Das swap-Geschäft reduziert dementsprechend die für eine Mehrheit in der Hauptversammlung gemäß § 133 Abs. 1 AktG erforderliche Stimmenanzahl. Nach Noack und Zetzsche soll diese Stimmrechtssperrung eine anderweitige Nutzung darstellen, um im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 WpHG auf die Geschäftsführung des 574 Vgl. FSA, CfD CP 07/20, Annex 4, S. 25, Question 30 mit beispielsweise folgenden Erläuterungen: „[…] In most cases any such overtures are rebuffed.“; „Clients occasionally request us to vote a position but our policy is not to agree to any such requests.“; „[…] Our policy is never to discuss voting rights with any third parties.“; „[…] clients have from time to time expressed a desire for us to vote in accordance with their wishes however our policies and agreements are quite clear on this point that whilst we reserve the right to vote, we will only do so if we believe it is in the best economic interests of ours. That happens very rarely.“ 575 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2028; siehe auch Renn, S. 295 f.: „Gleichgültig jedoch, was die internen Weisungen allgemein formulieren, es darf bezweifelt werden, dass Richtlinien guter Corporate Governance im Zweifel über potentiell hochprofitable Transaktionen obsiegen würden. Es ware naiv anzunehmen, dass eine Bank, die eine große Derivatetransaktion mit einem Kunden hat, die Aktien, die der Absicherung derselben dienen, gegen dessen Interessen und für die Interessen des von diesem Kunden anvisierten Übernahmeziels ausüben würde.“ 576 Vgl. Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1031 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 839 (2006). 577 So auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506: „Für eine tatsächliche Vermutung der Stimmrechtsmacht von Investoren fehlt vor diesem Hintergrund die empirische Basis. Allfällige Markterwartungen der Investoren helfen hierüber nicht hinweg, sofern sie keine greifbare Stabilisierung erfahren haben.“ 578 Siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. b).
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Emittenten Einfluss zu nehmen.579 Ein exemplum ad absurdum soll diese Auffassung untermauern: Hätte Schaeffler in Zusammenarbeit mit 14 Banken swaps in Höhe von 85 % der Continental-Aktien erworben und hätten sämtliche Banken die zur Risikoabsicherung erworbenen Aktien im Handelsbestand gehalten, wären die von Schaeffler direkt gehaltenen 8 % der Stimmrechte zur Erlangung einer Hauptversammlungsmehrheit ausreichend gewesen.580 Ungeachtet der Tatsache, dass zum Aufbau einer swap-Position in Höhe von 85 % nicht 14, sondern 17 Banken erforderlich sind, überzeugt diese Ansicht nicht: Die herrschende Meinung verlangt im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG einen Einfluss des Meldepflichtigen auf die Stimmrechtsausübung durch den Dritten. Auf die Stimmrechte, die den im Handelsbestand gehaltenen Aktien zugeordnet sind, kann ein solcher Einfluss indes schon begrifflich nicht ausgeübt werden, weil die Stimmrechte schlichtweg nicht ausübbar sind. Dies stellt von Rechts wegen § 23 Abs. 5 WpHG klar, und das jeweilige Finanzdienstleistungsinstitut hat nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 WpHG sicherzustellen, dass dies auch faktisch nicht möglich ist. Wo aber keine Stimmrechtsausübung, da auch keine Beeinflussung eben dieser.581 Doch selbst wenn man mit Noack und Zetzsche die Stimmrechtssperrung als einen Fall der anderweitigen Nutzung, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen, einordnen wollte, wäre dies mit der im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG geforderten Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung nicht gleichzusetzen. Dies gilt umso mehr, als der Einsatz des Stimmrechts in § 23 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ebenfalls angesprochen wird. (dd) Keine extensive Auslegung des § 22 WpHG Darüber hinaus wird für eine Meldepflicht des Investors aufgrund Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG auf den Zweck der Beteiligungstransparenzvorschriften verwiesen, der neben der Gewährung von Anlegerschutz und Markteffizienz auch darin bestehe, der Gesellschaft einen besseren Überblick über die 579 Vgl. Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 577 f.; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 139; siehe auch CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 545 (S.D.N.Y. 2008): „Further, some of the banks’ policies gave TCI the power to prevent a share from being voted. Credit Suisse, for example, appears to follow a policy of not voting its hedge shares if it is solicited by its counterparty in a contested situation. In such instances, then, TCI could ensure that that banks’ hedge shares would not be voted against it by the simple expedient of soliciting its counterparty. Thus, by entering into a TRS [total return swap, Anm. d. Verf.] with Credit Suisse, TCI was in a position to ensure that Credit Suisse would purchase shares that otherwise might have been voted against TCI in a proxy fight and then to ensure that those shares would not be so voted. While this would not be as favorable a result as dictating a vote in its favor, it would be better than leaving the votes of those shares to chance.“ 580 Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 139; das Beispiel übernehmend Wansleben, StudZR 2009, 465, 482; nicht ganz so abenteuerlich das Beispiel bei Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 578. 581 Ähnlich Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295 f.; siehe auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 467.
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Beherrschungsverhältnisse zu geben und das Anschleichen an Gesellschaften zu erschweren. Vor dem Hintergrund der Vorgaben der Transparenzrichtlinie II sei eine weite Auslegung insbesondere des Merkmals des Haltens für Rechnung des Meldepflichtigen geboten.582 Der Verweis auf die europarechtlichen Grundlagen der § 21 ff. WpHG überzeugt nicht: Der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine enumerative Aufzählung von Zurechnungstatbeständen und gegen die Formulierung einer Generalklausel entschieden. Diese Entscheidung darf nicht durch eine offenherzige Interpretation der Zurechnungstatbestände rückgängig gemacht werden, um angeblich unliebsame Marktpraktiken einfangen zu können. Die tatbestandlichen Grenzen des § 22 WpHG sind zu wahren.583 In die gleiche Richtung weist ein rechtssystematisches Argument: § 25 Abs. 1 WpHG statuiert eine eigenständige Meldepflicht für Finanzinstrumente, deren enge Tatbestandsvoraussetzungen584 nicht durch eine weite Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG unterlaufen werden dürfen.585 Dieses Ergebnis lässt sich zusätzlich auf die Bußgeldbewehrtheit eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflichten (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e WpHG) stützen.586 (ee) Keine Orientierung am CSX/TCI-Urteil Gerne wird in diesem Zusammenhang auch das Urteil des US District Court for the Southern District of New York im Fall CSX/TCI herangezogen. Diese Entscheidung wird als Signal dafür verstanden, dass „Swapverträge, die durch die – von den Parteien gemeinsam gewollte – physische Absicherung der Stillhalter-Position und den faktischen Zwang zur Andienung der Aktien gegenüber dem Melde-
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Engert, ZIP 2006, 2105, 2110 mit Fn. 55; Habersack, AG 2008, 817, 818 f.; C. Weber/ Meckbach, BB 2008, 2022, 2027; vgl. zu diesem Argument auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1504 f. 583 So auch Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1505: „[…] beim „Heranpirschen“ an börsennotierte Gesellschaften ist daher sorgfältig zwischen gesetzlichen Vorgaben und außergesetzlichen Wunschvorstellungen zu unterscheiden.“; Holfter, S. 170; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 60: „Dass es im Hinblick auf das Bekanntwerden von „Anschleichen“ oder „Heranpirschen“ an Emittenten i.S.d. § 21 wegen der erstrebten Transparenz von Marktvorgängen vielleicht wünschenswert wäre, auch derartige Vorgänge mitteilungspflichtig zu machen, darf nicht dazu führen, dass außergesetzliche Wunschvorstellungen zu[r] Schließung der sich erst aus diesen Wunschvorstellungen ergebenden Lücken herangezogen werden.“ 584 Vgl. oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) und unten 4. Kapitel C. I. 1. c) ee). 585 Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506; a.A. C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2029. 586 Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506; Hutter/Kaulamo/ Plepelits, GS Gruson, S. 213, 222; so auch allgemein KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 39 ff.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 25; Janert, BB 2004, 169, 170; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 4; Schwark/Zimmer/Schwark, Vor § 21 WpHG Rn. 13; für § 30 WpÜG auch BGHZ 169, 98 Rn. 17.
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pflichtigen bzw. Bieter gekennzeichnet sind, eine hinreichende Zurechnungsgrundlage bilden.“587 Obgleich die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Beteiligungstransparenz durch die diesbezüglichen Entwicklungen des angloamerikanischen Kapitalmarktrechts geprägt sind, kann die Auslegung der SEC Rule 13d-3(a) die Auslegung der deutschen Zurechnungstatbestände nicht beeinflussen.588 Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Einschätzung von Judge Kaplan im CSX/TCI-Urteil zur „voting power“ v. a. auf den besonderen Umständen des konkreten Falls basierte, wurde diese doch entscheidend damit begründet, dass TCI die swap-Geschäfte wenige Wochen vor der CSX-Hauptversammlung bei zwei Banken konzentriert hatte, von denen sich der Hedgefonds eine wohlwollende Stimmrechtsausübung versprach.589 (ff) Vergleich mit Wertpapierdarlehen Sofern schließlich geltend gemacht wird, die Situation bei swap-Geschäften sei mit den Fällen des Wertpapierdarlehens und des Pensionsgeschäfts vergleichbar590, spricht dies wohl eher gegen als für eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG. Das gilt jedenfalls dann, wenn man mit der auch hier vertretenen herrschenden Meinung einen Einfluss des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer zumindest für den Regelfall ablehnt.591 (gg) Ergebnis Als Ergebnis dieser Abwägung der Argumente ist daher festzuhalten: Sofern nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung verlangen, besteht kein Einfluss des Investors auf die Ausübung des Stimmrechts aus den zur Risikoabsicherung gehaltenen Aktien durch seinen unmittelbaren Vertragspartner. Da der 587 Habersack, AG 2008, 817, 819; siehe auch C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2027 unter Hinweis auf CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 547 (S.D.N.Y. 2008): „The focus on TCI’s legal rights under its swap contracts, while those rights certainly are relevant, exalts form over substance. The securities markets operate in the real world, not in a law school contracts classroom. Any determination of beneficial ownership that failed to take account of the practical realities of that world would be open to the gravest abuse.“ 588 Die Argumentation von Habersack, AG 2008, 817, 819 läuft indes gerade darauf hinaus. Gerade weil ausländisches Recht keinen Einfluss auf die Auslegung nationalen Rechts haben kann, ist auch das rechtsvergleichende Argument bei Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506, die darauf hinweisen, auch in anderen Rechtsordnungen sei für die Erfassung von Barausgleichsderivaten eine Gesetzesänderung erforderlich gewesen, ein eher schwaches. 589 Vgl. CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 544 (S.D.N.Y. 2008): „[…] it is entirely clear that the move into at least Deutsche Bank was made substantially out of Hohn’s belief that he could influence the voting of the shares it held to hedge TCI’s swaps.“ 590 Engert, ZIP 2006, 2105, 2110. 591 Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c).
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Investor aufgrund dessen in der Regel die Vermutung des Stimmrechtseinflusses widerlegen kann, kommt eine Zurechnung der Stimmrechte aus den hedge-Aktien nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG nicht in Betracht.592 (bb) Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Drittbanken Wenn schon ein Einfluss des Investors auf die Ausübung des Stimmrechts durch seinen unmittelbaren Vertragspartner für den Regelfall ausgeschlossen ist, liegt es nahe, Gleiches für die Stimmrechtsausübung durch diejenigen Banken anzunehmen, die der Investor üblicherweise gar nicht kennt, weil er mit ihnen in keiner unmittelbaren Vertragsbeziehung steht.593 Gleichwohl wird vereinzelt vertreten, dem Investor seien die von den Drittbanken gehaltenen Stimmrechte dann nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen, soweit diese erkennen konnten, dass die von ihnen eingegangenen Derivatgeschäfte als Zahnräder in einem größeren Getriebe mit dem Ziel des Anschleichens fungieren.594 Folgte man diesem Ansatz, hinge die Meldepflicht des Investors vom Wissen der in zweiter Reihe eingebundenen Banken und somit davon ab, ob sie über ihre Funktion im Übernahmegebilde informiert sind oder nicht. Abgesehen davon, dass sie derartige Informationen in der Regel nicht haben werden595, mutete es doch seltsam an, die Meldepflicht an Umstände anzuknüpfen, auf die der Meldepflichtige keinerlei Einfluss hat. Welchen Bezug das Wissen der Drittbanken um ihre Funktion zum für eine Zurechnung erforderlichen Stimmrechtseinfluss des Investors haben soll, wird nicht geklärt. Der eine Zurechnung befürwortenden Ansicht kann daher wiederum nicht gefolgt werden. Dem Investor dürfte es in der Regel nicht schwer fallen, die Vermutung des Stimmrechtseinflusses zu entkräften. Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Erwägung Zetzsches, die Stimmrechte aus den von den Drittbanken gehaltenen Aktien dem swap-Ersteller und von dort aus dem Investor zuzurechnen.596 Ein derartiges Vorgehen würde den eindeutigen
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So im Ergebnis auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 467; Brandt, BKR 2008, 441, 445; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 105 f.; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68; Christ, S. 74; Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 30; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295; Veil/Veil, § 20 Rn. 85; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1528; Wansleben, StudZR 2009, 465, 473. 593 So auch Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295; ähnlich Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 108, 120. 594 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2029. 595 Vgl. Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 140 zum Fall Continental/Schaeffler: „[…] let us assume that Merrill did not inform its counterparties (the other banks) of its motives when entering into the swaps. Merrill is an investment bank acting worldwide with major trading desks around the world. It is indeed possible that Merrill’s counterparties did not know they were part of Schaeffler’s takeover scheme.“ 596 Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 140.
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Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG missachten, der eine Kettenzurechnung ausschließt.597 (3) Ergebnis Nach hier vertretener Ansicht kommt eine Zurechnung der Stimmrechte aus den von den Banken gehaltenen Aktien zum sich anschleichenden Investor im Regelfall nicht in Betracht. Das gilt nicht nur in Bezug auf die von den Drittbanken, sondern auch im Hinblick auf die vom unmittelbaren Vertragspartner gehaltenen Aktien. Eine abweichende Beurteilung ist nur dann angezeigt, wenn der Investor ausnahmsweise Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken hat. Dann ist eine Widerlegung der Vermutung des Stimmrechtseinflusses durch ihn nicht möglich. cc) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG In Erwägung ziehen könnte man auch eine Zurechnung der Stimmrechte aus den von den Banken zur Risikoabsicherung gehaltenen Aktien gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG, wonach Stimmrechten des Meldepflichtigen solche Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleichstehen, die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann. Zur Ablehnung einer Zurechnung nach dieser Vorschrift bedarf es – unabhängig von der Art des konkreten Geschäfts (Festgeschäft, Optionsgeschäft oder swap-Geschäft) – keines allzu großen Begründungsaufwands598: Der Investor kann in den hier interessierenden Fällen, in denen jedenfalls auf dem Papier ein cash settlement vereinbart wird, gerade nicht Aktien durch eine Willenserklärung erwerben; zur Annahme eines solchen Erwerbsrechts genügt die bloße Erwerbserwartung des Investors bzw. der faktische Zwang der Banken, dem Investor die zur Risikoabsicherung gehaltenen Aktien anzudienen, nicht.599 Insofern spielt es auch keine Rolle, ob man den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG mit der herrschenden Ansicht auf dingliche Erwerbsrechte beschränkt oder auch schuldrechtliche Ansprüche einbezieht600.601 597
(1).
Dazu siehe schon oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb) (c) (bb) und C. I. 1. c) bb)
598 Manche Autoren verzichten aus diesem Grund sogar ganz auf eine Erwähnung dieses Zurechnungstatbestands, siehe beispielsweise Brandt, BKR 2008, 441, 445; Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 347 f.; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295 f. 599 So auch Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68; ferner Holfter, S. 171; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; in diesem Punkt a.A. Anzinger, WM 2011, 391, 392, nach dem die Formulierung „erwerben kann“ auch rein wirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten erfasst. 600 Eingehend zu dieser Frage siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (c). 601 Ebenso KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 121; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68; Christ, S. 80; Holfter, S. 171; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479; a.A. offensichtlich Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 467 f.; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 578; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024; unklar Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1504.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
dd) Zurechnung gemäß § 22 Abs. 2 WpHG (1) Allgemeines Im Zusammenhang mit dem Anschleichen an eine börsennotierte Gesellschaft wird häufig auch der Zurechnungstatbestand des abgestimmten Verhaltens (sog. acting in concert602) in § 22 Abs. 2 WpHG angesprochen.603 Danach werden dem Meldepflichtigen auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien des Emittenten in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige sein Verhalten in Bezug auf den Emittenten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Die Zurechnungsvorschrift des § 22 Abs. 2 WpHG gehört – gemeinsam mit ihrer Schwesternorm in § 30 Abs. 2 WpÜG – zu den umstrittensten Vorschriften des Kapitalmarktrechts. Sie ist seit jeher von Auslegungsschwierigkeiten begleitet worden604, die auch nach der Umgestaltung durch das Risikobegrenzungsgesetz fortbestehen605. Die Regelung möchte – ähnlich wie § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG – Sachverhalte erfassen, in denen der Meldepflichtige auf das Stimmverhalten eines Dritten Einfluss nimmt, nehmen kann oder jedenfalls vermutlich nimmt.606 Allerdings sieht sich der Gesetzgeber einem Dilemma ausgesetzt: Die Vorschriften der §§ 21 ff. WpHG streben auf der einen Seite ein möglichst hohes Maß an Transparenz im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung der Aktionäre an. Bei zu starker Reglementierung durch extensive Interpretation des § 22 Abs. 2 WpHG besteht jedoch die Gefahr, dass der an sich erwünschte Dialog zwischen den Aktionären eingeschränkt wird oder schlimmstenfalls sogar zum Erliegen kommt.607 602 Für das abgestimmte Verhalten hat sich der Begriff des „acting in concert“ eingebürgert, wenngleich dieser Begriff entgegen der Auffassung des Gesetzgebers (vgl. Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 70, 54: „Hier werden auch Verhalten[s]weisen erfasst, die international unter dem Begriff des „acting in concert“ zusammengefasst werden.“) keineswegs international einheitlich verstanden wird, vgl. OLG München ZIP 2005, 856, 857; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 189; Casper, ZIP 2003, 1469, 1470 f.; Fuchs/Dehlinger/ Zimmermann, § 22 Rn. 80; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 570 f. 603 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 468; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68; Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1770 f.; Holfter, S. 171 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 573 ff.; Schanz, DB 2008, 1899, 1904; ders./Schalast, Working Paper, S. 21 ff.; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024 ff.; Zetzsche, EBOR 10 (2009) 115, 131 f. 604 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 39; B. Gaede, S. 25 f.; Langenbucher, § 17 Rn. 78; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1006; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 79. 605 Vgl. Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 82 ff. (noch zum Regierungsentwurf); König, BB 2008, 1910, 1911; Korff, AG 2008, 692, 693. 606 Vgl. KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 200; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 3; siehe auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 81: „gemeinsame[s] Einflusspotential der sich untereinander abstimmenden Personen“. 607 Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 11; siehe auch Veil/Veil, § 20 Rn. 67.
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Auf dem Zeitstrahl des Anschleichens an eine börsennotierte Gesellschaft kommen als Anknüpfungspunkte eines acting in concert drei Ereignisse in Betracht: der Abschluss des Derivatgeschäfts zwischen dem Investor und einem Finanzinstitut (dazu (2)), der Erwerb von Aktien des Unternehmens durch den Vertragspartner oder die Drittbanken (dazu (3)) und eine eventuelle Abstimmung über die Ausübung der Stimmrechte (dazu (4)). (2) Abschluss des Derivatgeschäfts Der Abschluss des Derivatgeschäfts zwischen dem Investor und der Bank scheidet jedoch schon deswegen als Anknüpfungspunkt einer Zurechnung aus, weil letztere zu diesem Zeitpunkt noch nicht über Stimmrechte verfügt, die dem Investor zugerechnet werden könnten. Im Übrigen besteht (noch) kein stimmrechtsvermittelnder Bezug zum Emittenten, den § 22 Abs. 2 WpHG zu erfassen beabsichtigt.608 (3) Erwerb von Aktien zur Risikoabsicherung Als Anknüpfungspunkt kommt daher insbesondere der Erwerb der Aktien in Betracht, welche sich die Banken zur Absicherung der aus dem Derivatgeschäft resultierenden Risikoposition beschaffen. (a) Abstimmung Eine Abstimmung setzt einen kommunikativen Prozess zwischen dem Meldepflichtigen und dem Dritten voraus.609 Dabei ist eine ausdrückliche Absprache nicht erforderlich; die Abstimmung kann auch konkludent erfolgen; es genügt insofern ein bewusster geistiger Kontakt.610 Der Dritte muss allerdings einen Kooperationswillen besitzen und mit dem Meldepflichtigen bewusst zusammenwirken. Ein zufälliges gleichförmiges Verhalten (unabgestimmtes Parallelverhalten) erfüllt diese Voraussetzung nicht und kann daher auch nicht zu einer Zurechnung führen.611 Der Dritte muss vielmehr bereit sein, sein Verhalten nach dem Willen des Meldepflichtigen
608
Im Ergebnis ebenso Schanz/Schalast, Working Paper, S. 22. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 40; Buck-Heeb, Rn. 449; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 78; Heinrich, S. 109; K. Schmidt/ Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 35; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Casper, ZIP 2003, 1469, 1475; Pentz, ZIP 2003, 1478, 1486. 610 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 40; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 22 WpHG Rn. 9; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007; zu § 30 Abs. 2 WpÜG BGHZ 169, 98 Rn. 14; Casper, ZIP 2003, 1469, 1475; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 30 WpÜG Rn. 20. 611 OLG Stuttgart AG 2005, 125, 129; MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 40; Buck-Heeb, Rn. 449; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 92; Heinrich, S. 109; Langenbucher, § 17 Rn. 82; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 83b; Assmann/ Schneider/Schneider, § 22 Rn. 174; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 97. 609
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
auszurichten bzw. mit diesem in einem zwischen beiden festgelegten Verfahren zu koordinieren.612 Soweit es bei Vereinbarung eines cash settlement um den Erwerb von Aktien zum Zwecke der Absicherung der für die Banken aus den jeweiligen swap-Geschäften resultierenden short position geht, ist abermals613 zwischen dem Aktienerwerb des unmittelbaren Vertragspartners des Investors und demjenigen der Drittbanken zu differenzieren. (aa) Aktienerwerb des Vertragspartners Eine ausdrückliche Absprache zwischen dem Investor und der Bank über den Erwerb von Aktien existiert in aller Regel nicht. Allerdings wird der Bank insbesondere im Fall einer bevorstehenden Übernahme die stillschweigende Erwartung des Geschäftspartners, die Bank möge ihre Risikoposition mittels des Erwerbs von Aktien decken, die sie später an ihn veräußern könne, nicht verborgen bleiben.614 Ob dies jedoch zur Annahme einer konkludenten Abstimmung über den Aktienerwerb ausreicht, ist fraglich, denn grundsätzlich bleibt es alleine dem Finanzinstitut überlassen, ob und ggf. wie es sich gegen das übernommene Risiko eines Kursanstiegs absichert615. Sofern es seine Risikoposition tatsächlich durch den Erwerb der Referenzaktien ausgleicht, ist dies das Ergebnis eines freien Entschlusses und nicht auf ein bewusstes Zusammenwirken mit dem Vertragspartner hinsichtlich des Aktienerwerbs zurückzuführen. Dass es wirtschaftlich sinnvoll sein kann, die hedgeAktien nach der Kündigung des Derivatgeschäfts dem Vertragspartner anzudienen, kann im vorliegenden Zusammenhang nicht als Argument angeführt werden. Wie die bereits mehrfach angesprochene Studie der FSA zu CfDs zeigt, sichern sich die shortParteien häufig auch auf andere Weise ab616, was darauf hindeutet, dass die Banken ihr Verhalten keineswegs zwangsläufig am Willen des Investors ausrichten. Allem Anschein nach existieren (ausdrückliche oder konkludente) Absprachen i.S.d. § 22 Abs. 2 WpHG gerade nicht. (bb) Aktienerwerb der Drittbanken Mit den Drittbanken steht der Investor nicht in unmittelbarem Kontakt. Da die Art und Weise der Absicherung allein in der Hand der Vertragspartnerbank liegt, erfährt der Investor gar nicht, mit welchen Banken sein Vertragspartner evtl. weitere Derivatgeschäfte abgeschlossen hat. Die Drittbanken ihrerseits erhalten über die Existenz des Investors und erst recht über seine Taktik üblicherweise keine Infor612
KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 199 f.; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007. Siehe auch schon oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG. 614 Siehe dazu schon oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (aa) (b). Ob die Bank sich dieser Erwartung entsprechend verhält, ist eine andere Frage. 615 Darauf hinweisend auch Holfter, S. 172 mit Fn. 176; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296. 616 Siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (aa) (a). 613
C. Hidden (morphable) ownership
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mationen und sind dementsprechend auch über ihre eigene Funktion im „großen Ganzen“ nicht im Bilde. Eine Direktzurechnung der Stimmrechte aus den von den Drittbanken gehaltenen Aktien scheitert daher bereits am Fehlen einer „Abstimmung“. Der Vertragspartner des Investors fungiert auch nicht als Mittelsmann, der eine Verhaltensabstimmung zwischen dem Investor und den übrigen Banken ermöglichen würde.617 In Betracht käme somit allenfalls eine Kettenzurechnung dergestalt, dass die Stimmrechte aus den Aktien der Drittbanken dem Vertragspartner des Investors und anschließend dem Investor selbst zugerechnet werden. Dabei ist allerdings zunächst zu beachten, dass nach § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG für die Berechnung des Stimmrechtsanteils des Dritten (hier: des Vertragspartners des Investors) nur § 22 Abs. 1 WpHG entsprechend gilt, was zur Folge hat, dass dem Meldepflichtigen solche Stimmrechte eines Vierten (hier: die übrigen Banken) nicht zugerechnet werden können, die dem Dritten nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet worden sind.618 Zudem ist angesichts der Unwissenheit der Drittbanken über ihre Rolle im Gesamtkonzept mehr als fraglich, ob die Stimmrechte aus den Aktien der Drittbanken der als Bindeglied fungierenden Bank nach anderen Tatbeständen (insbesondere § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 WpHG) zugerechnet werden können. Und schließlich setzte auch eine Kettenzurechnung das Bestehen eines eigenen Zurechnungstatbestands zwischen dem Zurechnungsbindeglied und dem Meldepflichtigen voraus. Wie gesehen scheidet § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG aber ebenso aus wie § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG.619 Sofern man nicht der hier vertretenen Ansicht beitritt und auch § 22 Abs. 2 WpHG bereits am Fehlen einer Abstimmung scheitern lässt, käme es daher darauf an, ob die übrigen, nachfolgend erörterten Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 2 WpHG vorliegen. (b) Aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise Die Abstimmung zwischen den Beteiligten muss aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise erfolgen. Eine Vereinbarung umfasst dabei grundsätzlich sämtliche vertraglichen Abreden, gleich auf welche Weise sie zustande gekommen sind.620 Entgegen einer gelegentlich geäußerten Ansicht621 werden aber nur solche 617 Zur Zurechnung in diesem Fall OLG Stuttgart AG 2005, 125, 128; KölnKommWpHG/ von Bülow, § 22 Rn. 199, 241; B. Gaede, S. 260, 222; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Casper, ZIP 2003, 1469, 1475; Pentz, ZIP 2003, 1478, 1486, 1491. 618 Dazu siehe Buck-Heeb, Rn. 455; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 240 f.; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 89 f.; B. Gaede, S. 260, 221 f.; Lange, ZBB 2004, 22, 25 f.; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1009 f.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 87. 619 Vgl. oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG) und C. I. 1. c) cc) (zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG). 620 KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 198; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 78; B. Gaede, S. 260, 217; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 83; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 33. 621 B. Gaede, S. 260, 217; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 83.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Verträge (insbesondere Stimmrechtsbindungs-, Stimmrechtsüberlassungs- und Poolverträge622) erfasst, die rechtlich bindend, wirksam und gerichtlich durchsetzbar sind.623 Das abgestimmte Verhalten aufgrund nichtiger oder nicht durchsetzbarer Verträge wird aber auf jeden Fall von der Auffangmodalität der Abstimmung „in sonstiger Weise“ erfasst, so dass die Frage lediglich theoretischer Natur ist. Sog. gentlemen’s agreements fallen aufgrund der ihnen fehlenden Rechtsverbindlichkeit ebenfalls nicht unter den Vereinbarungsbegriff, sondern stellen eine Abstimmung in sonstiger Weise dar.624 Eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung der Bank, sich durch den Erwerb von Aktien des Emittenten abzusichern, besteht regelmäßig nicht.625 Das Verhalten der Vertragspartner wird man ebenso wenig als konkludenten Vertragsschluss über die Anschaffung von Aktien interpretieren können. Eine „Vereinbarung“ im soeben beschriebenen Sinne liegt daher nicht vor. Mit bekannten Argumenten ließe sich jedoch für ein gentlemen’s agreement und somit für eine Abstimmung in sonstiger Weise streiten: Unter den sich anschleichenden Investoren bestehe die Erwartung, dass ihr Vertragspartner zum Zwecke der Risikoabsicherung Aktien erwirbt und ihnen diese anstelle des vereinbarten Barausgleichs oder nach dem erfolgten Barausgleich andient. Auf der Bank laste ein hoher moralischer Druck, diese Erwartung zu erfüllen. Dieser werde durch einen wirtschaftlichen Aspekt insofern verstärkt, als der Investor auf ein nicht erwartungsgemäßes Verhalten mit der Vergabe künftiger Aufträge an Konkurrenzbanken reagieren könnte. Zudem werde die Bank ihren Ruf als verlässlicher Vertragspartner nicht riskieren wollen. Diesem Ansatz wird man allerdings nur dann beipflichten können, wenn der Investor seine Erwartungen in einem Gespräch artikuliert und die Bank – wenn auch nicht rechtsverbindlich – ein entsprechendes Verhalten zugesagt hat.626 Sofern dies nicht geschehen ist, lastet auf der Bank kein derart großer Druck, der ihr das Gefühl vermitteln könnte, sie sei zur Vornahme der erwarteten Handlung gleichermaßen
622 Vgl. Buck-Heeb, Rn. 449; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 244 ff.; Heinrich, S. 116 ff.; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007; Spindler/Stilz/Petersen, § 22 Anh Rn. 52; Schneider, WM 2006, 1321, 1323; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 22. 623 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 41; KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 198; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 33; Veil/ders., § 20 Rn. 44; wohl auch OLG Stuttgart AG 2005, 125, 129; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 22 Rn. 88 mit Fn. 213; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 172 f.; ders., WM 2006, 1321, 1323; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Casper, ZIP 2003, 1469, 1475. 624 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 41 f.; Diekmann, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 69, 80; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 573; Schwark/Zimmer/Schwark, § 22 WpHG Rn. 23; K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 33, 35; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Casper, ZIP 2003, 1469, 1475; Schockenhoff/ Schumann, ZGR 2005, 568, 584; a.A. B. Gaede, S. 260, 217 f. 625 Siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. b) bb). 626 In diesem Falle wird man auch ohne Weiteres das Vorliegen einer „Abstimmung“ bejahen können.
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verpflichtet.627 Die Bank ist sich durchaus bewusst, dass die Art der Absicherung des Risikos aus dem Derivatgeschäft allein in ihren Händen liegt und dass ihr diesbezüglich neben dem Erwerb der Referenzaktien weitere Alternativen zur Verfügung stehen. Im Vordergrund des Handelns stehen die eigenen Interessen, nicht die Interessen des Investors. Es kann insofern nicht davon die Rede sein, dass sich die Banken per se einem wirtschaftlichen oder sozialen Druck beugen. Somit liegt in Bezug auf den Erwerb der Aktien der Zielgesellschaft eine Abstimmung „in sonstiger Weise“ zwischen der Bank und dem Investor nicht vor.628 (c) Verhalten in Bezug auf den Emittenten Das letztlich ausschlaggebende und auch in der Literatur häufig vorgetragene Argument gegen eine Zurechnung hängt jedoch mit der Frage zusammen, was der Gegenstand des abgestimmten Verhaltens sein muss. Der Gesetzgeber formuliert nebulös, es sei ein Verhalten in Bezug auf den Emittenten erforderlich. Darunter ist ausweislich des durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingefügten § 22 Abs. 2 S. 2 WpHG insbesondere die abgestimmte Ausübung von Stimmrechten auf der Hauptversammlung zu verstehen. Die Erfassung dieser Konstellation von § 22 Abs. 2 WpHG war auch nie zweifelhaft.629 Ob es darüber hinaus weitere Fälle geben kann, die den Tatbestand des acting in concert verwirklichen, war jedoch hoch umstritten und ist es heute immer noch. So fand im Hinblick auf die Erfassung des abgestimmten Erwerbs von Aktien des Emittenten sowohl die befürwortende630 als auch die ablehnende Ansicht631 Anhänger. Der BGH hat in einer übernahmerechtlichen Entscheidung aus dem Jahre 2006 die Auffassung vertreten, die Zurechnungsnorm des § 30 Abs. 2 WpÜG erfasse nur solche Vereinbarungen, die sich auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft, d. h. nur auf die Stimmrechtsausübung in der Hauptversamm627 Zum sozialen und wirtschaftlichen Druck als den entscheidenden Aspekten vgl. B. Gaede, S. 260, 217 f.; siehe auch Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 173; ders., WM 2006, 1321, 1323: „[…] wenn die Beteiligten ausdrücklich oder typischerweise davon ausgehen, man werde sich an die Verabredungen halten.“ 628 A.A. ohne nähere Begründung Schanz/Schalast, Working Paper, S. 22. 629 Vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 43; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 144; zur aktuellen Rechtslage siehe von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1798; Assmann/Schneider/Schneider, § 22 Rn. 179 ff. 630 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 22 WpHG Rn. 43; Engert, ZIP 2006, 2105, 2111; B. Gaede, S. 260, 256; Heinrich, S. 121 f.; Langenbucher, 1. Aufl., § 17 Rn. 80; Assmann/Schneider/Schneider, 4. Aufl., § 22 Rn. 150 ff.; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Berger/Filgut, AG 2004, 592, 593, 603; Borges, ZIP 2007, 357, 364; Fleischer, ZGR 2008, 185, 198 f.; Hopt/ Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 111. 631 KölnKommWpHG/von Bülow, 1. Aufl., § 22 Rn. 162; ders./Bücker, ZGR 2004, 669, 715 f.; Holfter, S. 173; Veil/Veil, § 20 Rn. 51; siehe auch K. Schmidt/Lutter/Veil, Anh. § 22: § 22 WpHG Rn. 41; zu § 30 Abs. 2 WpÜG Pentz, ZIP 2003, 1478, 1481; Saenger/Kessler, ZIP 2006, 837, 839; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 577 ff.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
lung, beziehen.632 Unabhängig von der Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf § 22 Abs. 2 WpHG633 steht seit Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes wenigstens eines außer Streit: Der abgestimmte Aktienerwerb wird von § 22 Abs. 2 WpHG nicht erfasst. Als Reaktion auf die restriktive Auslegung des acting in concert-Tatbestands durch den BGH legte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vor, der eine Ergänzung des § 22 Abs. 2 WpHG und des § 30 Abs. 2 WpÜG dahingehend vorsah, dass auch Abstimmungen in Bezug auf den Aktienerwerb erfasst werden sollten.634 Dieser Vorschlag vermochte sich im Gesetzgebungsverfahren allerdings ebenso wenig durchzusetzen wie die Ersetzung der Einzelfallausnahme des § 22 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 WpHG durch ein materielles Korrektiv.635 Einer Auslegung des Zurechnungstatbestands in einem auch den abgestimmten Aktienerwerb erfassenden Sinne ist somit nunmehr die Grundlage entzogen.636
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BGHZ 169, 98 Rn. 17 und Leitsatz a) – WMF. Zum Problem des Gleichlaufs von § 22 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. b) bb). 634 Vgl. Begründung RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 13: „Insbesondere wird aber auch auf die restriktive Auslegung der Parallelnorm des § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. September 2006 (II ZR 137/05), BGHZ 169, 98 ff., reagiert. […] Die Änderung des § 22 Abs. 2 WpHG erweitert und konkretisiert den Anwendungsbereich des acting in concert in dreifacher Hinsicht. Erstens erfasst der Tatbestand nicht mehr nur, wie bislang, Verhaltensabstimmungen in Bezug auf den Emittenten, sondern auch Verhaltensabstimmungen in Bezug auf den Erwerb von Aktien des Emittenten. […] Vielmehr kann künftig für die Zurechnung auch eine Vereinbarung relevant sein, die sich auf den Erwerb von Aktien des Emittenten richtet.“ 635 Vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9778, S. 8 f.; Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 15 f.; zu beidem siehe Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921, 922 f. 636 Ebenso KölnKommWpHG/von Bülow, § 22 Rn. 269; ders./Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1799; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 66; Christ, S. 84 f.; Holfter, S. 186 f.; Merkner/ Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 573 f.; Ostler, S. 275 ff.; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296; Theusinger/ Möritz, Ad legendum 2010, 3, 5; mit Kritik im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2025 f.; a.A. unter fälschlicher Heranziehung des Berichts des Finanzausschusses Korff, AG 2008, 692, 694, der den abgestimmten Aktienerwerb von § 22 Abs. 2 S. 2 Var. 2 WpHG erfasst sieht; ebenfalls für eine Erfassung des abgestimmten Aktienerwerbs Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 215; Assmann/ Schneider/Schneider, § 22 Rn. 185 ff.; zur Rechtslage in der Schweiz, wo nach Art. 10 Abs. 1 BEHV-FINMA u. a. derjenige in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe handelt, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungspapieren mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren abstimmt, vgl. Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1770 f. 633
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(d) Ergebnis Daher kann der Aktienerwerb der Bank – unabhängig von der Qualität der Absprachen mit ihrem Vertragspartner – nicht Anknüpfungspunkt einer Zurechnung nach § 22 Abs. 2 WpHG sein.637 (4) Ausübung der Stimmrechte Der Investor und sein Vertragspartner stimmen sich nicht über die Ausübung der Stimmrechte aus den von der Bank zur Absicherung erworbenen Aktien ab.638 Die Bank ist in ihrer Stimmrechtsausübung grundsätzlich frei und nicht an die Erwartungen oder gar an Weisungen des Investors gebunden.639 (5) Ergebnis Dem Investor können die Stimmrechte aus den von der Bank erworbenen Aktien somit unter keinem Gesichtspunkt nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet werden. ee) Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG Schließlich wird auch der Offenlegungstatbestand des § 25 Abs. 1 WpHG im Zusammenhang mit dem Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften diskutiert. (1) Allgemeines Im Zuge des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG) wurde im Jahre 2007 in § 25 WpHG ein eigenständiges Melderegime für das Halten von Finanzinstrumenten eingeführt. Die Regelung soll ausweislich der Regierungsbegründung sicherstellen, dass der Emittent und die Anleger darüber informiert werden, dass der Inhaber von Finanzinstrumenten die Möglichkeit hat, mit diesen Finanzinstrumenten Aktien zu erwerben und die aus diesen Aktien resultierenden Stimmrechte auszuüben.640 Allerdings besteht eine Offenlegungspflicht erst bei einem Volumen von 5 % in Finanzinstrumenten mit Bezug auf Aktien des Emittenten, da auch durch das Risikobegrenzungsgesetz eine Meldeschwelle von 3 % für § 25 WpHG nicht eingeführt wurde.641 Zur Erschwerung des heimlichen Aufbaus signifikanter Beteili637 So auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 468; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 68; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296; C. Teichmann/ Epe, WM 2010, 1477, 1479. 638 So auch Holfter, S. 171 f.; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 109; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296. 639 Ausführlich dazu siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (aa) (b) (bb). 640 Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 37; siehe auch Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 579: „§ 25 Abs. 1 WpHG macht potentiellen künftigen Stimmrechtseinfluss transparent.“ 641 Kritisch dazu König, BB 2008, 1910, 1912; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 5; schon vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh,
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
gungen an börsennotierten Unternehmen findet jedoch seit Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes eine Zusammenrechnung von Direktbeteiligungen nach §§ 21, 22 WpHG und Finanzinstrumenten nach § 25 WpHG statt (§ 25 Abs. 1 S. 3 WpHG). Aufgrund dieser Aggregation wird die Eingangsmeldeschwelle früher erreicht und die Meldedichte erhöht.642 Ebenso werden gemäß § 25 Abs. 2 WpHG verschiedene Finanzinstrumente, die sich auf Aktien desselben Emittenten beziehen, zusammengerechnet. (2) Finanzinstrument (§ 2 Abs. 2b WpHG) § 25 Abs. 1 WpHG findet Anwendung auf das Halten von „Finanzinstrumenten“ und nimmt damit die Legaldefinition des § 2 Abs. 2b WpHG in Bezug. Nach dieser fallen unter den Begriff des Finanzinstruments insbesondere auch Derivate i.S.d. § 2 Abs. 2 WpHG. Dazu wiederum gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sowohl Festals auch Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet, und damit sämtliche hier erörterten Derivate.643 Nichts anderes bringt die Regierungsbegründung zum TUG zum Ausdruck, wenn sie § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG fast wörtlich zitiert, ohne die Vorschrift zu benennen644. (3) Recht zum Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien Eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG besteht allerdings nur dann, wenn das Finanzinstrument seinem Inhaber das Recht verleiht, mit Stimmrechten verbundene Aktien eines Emittenten zu erwerben. Es reicht also nicht aus, dass dem Geschäft § 25 WpHG Rn. 6; die geltende Regelung befürwortend aber offensichtlich Nießen, NZG 2007, 41, 43. 642 Begründung RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 9, 14; siehe auch Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921, 923; Holfter, S. 189; Korff, AG 2008, 692, 695; Renz/Rippel, BKR 2008, 309, 312 f.; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 57 ff. 643 Insbesondere auch die swaps, da es sich bei diesen um Festgeschäfte handelt, vgl. 2. Kapitel A. II. 1. b) ee) (3); siehe dazu auch schon oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (1). Die von Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. Rn. 25 ff.; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 560 f. vorgenommene Differenzierung zwischen Festgeschäften mit Spekulationselement und Festgeschäften ohne Spekulationselement bringt m. E. keinen Mehrwert, sondern stiftet nur Verwirrung. Beizupflichten ist den Autoren zwar hinsichtlich des Ergebnisses, dass sämtliche futures und forwards in den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG fallen, schuldrechtliche Ansprüche mit hinausgeschobener Fälligkeit des Lieferanspruchs (dazu zählt auch der Rückübereignungsanspruch aus dem Wertpapierdarlehensvertrag) hingegen nicht. Die Begründung über das Erfordernis eines Spekulationselements wirkt indes umständlich. Eine simple Subsumtion des in Rede stehenden Geschäfts unter die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG führte ebenfalls zum Ziel: Schuldrechtliche Ansprüche mit hinausgeschobener Fälligkeit des Lieferanspruchs fallen nämlich schon deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG heraus, weil sie keine Finanzinstrumente i.S.d. § 2 Abs. 2b WpHG darstellen, insbesondere keine Derivate i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, da ihr Wert sich nicht wie bei den futures und forwards vom Preis eines Basiswertes ableitet. 644 Vgl. Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36.
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Aktien des Emittenten als Basiswert zugrunde liegen, die Erfüllung jedoch im Wege des Barausgleichs erfolgen soll. Nicht meldepflichtig sind daher solche Finanzinstrumente, die lediglich das wirtschaftliche Äquivalent einer tatsächlichen Lieferung der Aktien schaffen. Vielmehr muss das Geschäft auf die tatsächliche Lieferung der Aktien gerichtet sein.645 Eine Analyse der europarechtlichen Grundlage des § 25 WpHG bestätigt dieses Ergebnis646 : Nach Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II gilt die Mitteilungspflicht gemäß Art. 9 auch im Hinblick auf Finanzinstrumente, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, von sich aus im Rahmen einer förmlichen Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben. Art. 13 Abs. 2 verpflichtet die Kommission zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen, um zum einen den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen und zum anderen eine einheitliche Anwendung des Art. 13 Abs. 1 sicherzustellen. Die Kommission hat insbesondere die Arten der meldepflichtigen Finanzinstrumente festzulegen (Art. 13 Abs. 2 lit. a). Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie II647 werden übertragbare Wertpapiere, Optionen, Terminkontrakte, swaps, Zinsausgleichvereinbarungen und weitere Derivatkontrakte als Finanzinstrumente i.S.d. Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II betrachtet, „sofern sie zum Erwerb […] von Aktien befugen, die mit Stimmrechten verbunden sind“. Cash settlement-Vereinbarungen werden von Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie und damit von Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II nicht erfasst. An dieser Stelle setzen die Vermeidungsstrategien des Investors an, der sich an ein börsennotiertes Unternehmen heranpirschen möchte: Er schließt mit seinem Vertragspartner in aller Regel ein auf Barerfüllung ausgerichtetes Derivatgeschäft ab. Da er dementsprechend gerade keinen Anspruch auf Lieferung der etwaig von der Bank erworbenen Aktien hat, scheitert eine Mitteilungspflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG bereits an dem fehlenden Recht zum Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien. (4) Möglichkeit des einseitigen Aktienerwerbs In der Übernahmepraxis keineswegs selten sind auch Klauseln, die dem Vertragspartner des Investors das Recht einräumen, seiner Erfüllungspflicht wahlweise durch Lieferung der Aktien oder durch eine Ausgleichszahlung nachzukommen. Bei unbedarfter Lektüre des § 25 Abs. 1 WpHG besteht in derartigen Fällen keine Meldepflicht, da das Finanzinstrument dem Investor nicht das Recht zum „einseitigen“ Aktienerwerb vermittelt; der Erwerb der Referenzaktien hängt nicht – wie von 645
Siehe dazu schon oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (1) mit Nachweisen in Fn. 491. Vgl. zum Folgenden auch Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1504. 647 Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU Nr. L 69/27. 646
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
der Regierungsbegründung zum TUG verlangt648 – ausschließlich vom Ermessen des Inhabers des Finanzinstruments ab, sondern liegt vielmehr im Ermessen seines Vertragspartners. Insbesondere Schneider will es indes bei dieser formalen Betrachtung nicht belassen und materielle Gesichtspunkte in die Beurteilung einbeziehen.649 Gingen die Vertragsparteien von Beginn an stillschweigend davon aus, dass der Stillhalter sein Wahlrecht zugunsten der Realerfüllung ausüben werde, sei das Wahlrecht nur pro forma vereinbart. Sinn und Zweck des § 25 Abs. 1 WpHG geböten es, die Begriffe „Recht“ und „rechtlich bindende Vereinbarung“ weit auszulegen und auch gentlemen’s agreements einzubeziehen. Zur Verhinderung des unbemerkten Aufbaus von Aktienpaketen müsse das Verständnis beider Parteien ausreichen, dass mit Aktien erfüllt werden soll bzw. dass sich der Stillhalter aus Gründen des kaufmännischen Anstands verpflichtet fühlt, dem Wunsch des potentiellen Erwerbers auf Realerfüllung nachzukommen. Auch bei diesen Ausführungen650 ist letzten Endes wohl der Wunsch „Vater des Gedankens“651. Zunächst lohnt es sich, den Wortlaut des § 25 Abs. 1 WpHG unter Berücksichtigung der systematischen Stellung der Vorschrift noch einmal genauer anzuschauen: Das Finanzinstrument muss seinem Inhaber das Recht verleihen, einseitig mit Stimmrechten verbundene Aktien zu erwerben. § 25 Abs. 1 WpHG weist nach seinem Wortlaut insofern beträchtliche Parallelen zur Zurechnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG auf, welche die Zurechnung von Stimmrechten zum Meldepflichtigen aus solchen Aktien anordnet, die dieser durch eine Willenserklärung erwerben kann. Nach hier vertretener Auffassung652 findet die Zurechnungsnorm nur dann Anwendung, wenn zum Erwerb des Eigentums an der Aktie nur noch eine einseitige Willenserklärung des Erwerbers erforderlich ist und es einer Mitwirkung des Vertragspartners nicht mehr bedarf. § 25 Abs. 1 WpHG scheint sich auf den ersten Blick davon nicht zu unterscheiden, wenn er solche Finanzinstrumente zu erfassen sucht, „die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung […] Aktien […] zu erwerben“. Gelegentlich wird in der Literatur leicht missverständlich die Möglichkeit des Inhabers des Finanzinstruments zum Aktienerwerb aufgrund einer „einseitigen Willenserklärung“ zur Voraussetzung des § 25 Abs. 1 WpHG erhoben.653 Für § 25 Abs. 1 WpHG darf jedoch nicht wie bei § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG verlangt werden, dass sich der Erwerb des Eigentums an den Aktien ohne Mitwirkung des Vertragspartners vollzieht. Der Begriff „einseitig“ in § 25 Abs. 1 WpHG ist vielmehr dahingehend zu 648
Vgl. Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36 f. Vgl. Assmann/Schneider/Schneider, 5. Aufl., § 25 Rn. 37 ff.; ders./Anzinger, ZIP 2009, 1, 7 f.; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 562 ff. 650 Siehe schon die Diskussion im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (aa) (b) (dd). 651 Gegen eine Meldepflicht auch Holfter, S. 176 ff.; Ostler, S. 282; Wansleben, StudZR 2009, 465, 477. 652 Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (3) (b) und (c). 653 Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 123. 649
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verstehen, dass der Erwerb nicht von äußeren Umständen, sondern nur vom Ermessen des Inhabers des Finanzinstruments abhängen darf.654 Dementsprechend lösen beispielsweise solche Finanzinstrumente, die den Erwerb der Aktien davon abhängig machen, dass deren Kurs zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Niveau erreicht, keine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG aus.655 Dies liegt ganz auf der Linie der Durchführungsbestimmungen der Europäischen Kommission zur Transparenzrichtlinie II: Ausweislich des Erwägungsgrunds 13 der Durchführungsrichtlinie sollen von Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II Finanzinstrumente nur in dem Maße einbezogen werden, „als diese Instrumente ihren Inhabern das unbedingte Recht auf den Erwerb der zugrunde liegenden Aktien oder einen Ermessensspielraum in Bezug auf den Erwerb der zugrunde liegenden Aktien oder Barmittel bei Fälligkeit einräumen“. Und Art. 11 Abs. 1 UAbs. 2 der Durchführungsrichtlinie formuliert sehr klar: „Der Inhaber des Instruments muss bei Fälligkeit entweder über das unbedingte Recht auf Erwerb der zugrunde liegenden Aktien oder aber über eine Ermessensbefugnis in Bezug auf sein Recht auf Erwerb oder Nichterwerb dieser Aktien verfügen.“ Entscheidend für eine Erfassung des Finanzinstruments von § 25 Abs. 1 WpHG ist also, dass allein sein Inhaber den Erwerb der Aktien beeinflussen kann. Das ist jedoch bei solchen Derivaten nicht der Fall, die nicht dem Investor, sondern seinem Vertragspartner ein Wahlrecht bezüglich der Art der Erfüllung einräumen. Aus den europarechtlichen Grundlagen des § 25 WpHG speist sich ein weiteres Argument gegen eine extensive Interpretation der Begriffe „Recht“ und „rechtlich bindende Vereinbarung“656: Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II zufolge besteht die Mitteilungspflicht für Finanzinstrumente nur dann, wenn diese „ihrem Inhaber das Recht verleihen, von sich aus im Rahmen einer förmlichen Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene […] Aktien […] zu erwerben“. Unter einer förmlichen Vereinbarung ist nach Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 der Durchführungsrichtlinie eine solche Vereinbarung zu verstehen, die gemäß dem anwendbaren Recht verbindlich ist. Der nationale Gesetzgeber hat dieses Erfordernis aufgegriffen und in die Worte „rechtlich bindende Vereinbarung“ gekleidet.657 Gentlemen’s agreements entfalten 654
Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36 f.; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; Bosse, DB 2007, 39, 41; von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1800; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 9; Nießen, NZG 2007, 41, 43; Schlitt/ S. Schäfer, AG 2007, 227, 233; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 128. 655 Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 37; MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 25 WpHG Rn. 2; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 25 Rn. 9; Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 233; so auch Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 47 f.; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 564 f. unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum TUG, die diesen Fall ausdrücklich vom Anwendungsbereich des § 25 WpHG ausschließt. 656 Dazu auch Holfter, S. 177. 657 Vgl. Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 37: „In Satz 1 wird zugleich der Regelungsgehalt des Artikels 11 Abs. 1 UnterAbs. 3 des Entwurfs der Durchführungsrichtlinie […] der Europäischen Kommission […] aufgenommen, wonach eine förmliche
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jedoch gerade keine Verbindlichkeit nach hiesigem Recht.658 Sie können demzufolge nicht in den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG einbezogen werden.659 (5) Ergebnis § 25 Abs. 1 WpHG kommt nur dann zum Zuge, wenn die Parteien von vornherein eine Erfüllung mit Aktien vorsehen oder der Investor bei Fälligkeit zwischen Realund Barerfüllung wählen kann. Im Übrigen – insbesondere, wenn dem Vertragspartner des Investors ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Erfüllung eingeräumt wird – besteht eine Meldepflicht des Investors nach § 25 Abs. 1 WpHG nicht. d) Zwischenergebnis Bei geschickter Vertragsgestaltung besteht eine Meldepflicht des Investors weder nach § 21 Abs. 1 WpHG i.V.m. einem Zurechnungstatbestand (§§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5, Abs. 2 WpHG) noch nach § 25 Abs. 1 WpHG. Daher ist ein Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften möglich. e) Gesetzesumgehung Angesichts dieses unter Transparenzgesichtspunkten zweifelsohne unbefriedigenden Zwischenbefunds stellt sich die Frage, ob nicht der Abschluss von Derivatgeschäften mit Barausgleich zwischen einem Investor und einer Bank als Gesetzesumgehung zu qualifizieren ist, wenn von vornherein die stillschweigende Erwartung beider Vertragspartner besteht, dass das Geschäft letzten Endes doch durch Lieferung der Aktien erfüllt werden soll. Hier wäre an eine Umgehung der Meldepflicht des § 25 Abs. 1 WpHG zu denken, die zwar Derivate mit physical settlement, nicht aber solche mit cash settlement erfasst und auch dann nicht eingreift, wenn dem Vertragspartner des Investors ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Erfüllung eingeräumt wird. aa) Tatbestand Obgleich die Einzelheiten umstritten sind660, kann verallgemeinernd von einer Gesetzesumgehung dann gesprochen werden, wenn der Wortlaut und die Auslegung Vereinbarung im Sinne des Artikels 13 der Transparenzrichtlinie vorliegt, wenn sie rechtlich bindend ist.“ 658 Auch Assmann/Schneider/Schneider, 5. Aufl., § 25 Rn. 43; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 563 f. räumen ein, dass das Verhalten der Beteiligten gerade nicht als konkludenter Vertragsschluss über die Lieferung von Aktien gedeutet werden kann. Sie begründen dies zu Recht damit, dass eine derartige Auslegung dem klaren Willen der Parteien widerspräche, die gerade keine Pflichten eingehen wollen. 659 So auch Holfter, S. 177 f. 660 Umstritten ist bereits, ob es eines eigenständigen Rechtsinstituts der Gesetzesumgehung überhaupt bedarf, vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 11 ff.; Benecke, S. 181 ff.;
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einer Norm die Erfassung eines Sachverhalts nicht ermöglichen, der Normzweck jedoch für eine Erfassung des Sachverhalts spricht661. Genau so könnte es hier liegen: Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 WpHG schließt eine Einbeziehung von Derivaten mit cash settlement ebenso eindeutig aus wie die Erfassung von Derivaten, bei denen dem Vertragspartner des Investors das Wahlrecht hinsichtlich der Art der Erfüllung zusteht. Auch eine dahingehende Auslegung der Norm lässt sich nicht begründen. Der Zweck der §§ 21 ff. WpHG, möglichst umfassende Transparenz hinsichtlich der Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften zu gewährleisten, und insbesondere des § 25 WpHG, den Emittenten und die Anleger zu informieren, dass der Inhaber von Finanzinstrumenten die Möglichkeit hat, Aktien zu erwerben und die aus diesen Aktien resultierenden Stimmrechte auszuüben, ist jedoch auch dann tangiert, wenn Derivate mit Barausgleich abgeschlossen werden und der Vertragspartner des Investors zur Risikoabsicherung Aktien anschafft, die er dem Investor bei Fälligkeit des Geschäfts liefert. Wo die Unterschiede zum Abschluss von Derivaten mit vertraglich vereinbarter Realerfüllung liegen, erscheint auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Konstellation des Erfüllungswahlrechts des Vertragspartners des Investors, wenn von vornherein feststeht, dass dieser sein Wahlrecht zugunsten einer Reallieferung der Aktien ausüben wird.662 bb) Rechtsfolge: analoge Anwendung der umgangenen Norm Die Rechtsfolge einer solchen Gesetzesumgehung wäre die Anwendung der umgangenen Norm663, wobei diese überwiegend auf eine Analogie gestützt wird664. Ob sich eine derartige Analogie in den hier interessierenden Fällen, also der Anwendung des § 25 Abs. 1 WpHG auf Derivate mit Barausgleich bzw. auf Derivate mit Erfüllungswahlrecht des Vertragspartners, begründen lässt, wird in der Lehre unterschiedlich beurteilt.665 Gramlich/Zerres, ZIP 1999, 1299, 1302 ff.; Soergel/Hefermehl, § 134 Rn. 37; Kramer, S. 219 f.; Staudinger/Sack/Seibl, § 134 Rn. 149 ff.; A. Teichmann, JZ 2003, 761, 764 f. 661 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 11; Benecke, S. 91 ff.; Gramlich/Zerres, ZIP 1999, 1299; Soergel/Hefermehl, § 134 Rn. 37; Staudinger/Sack/Seibl, § 134 Rn. 144 f.; zum Erfordernis der Trennung von Gesetzesumgehung und Auslegung Benecke, S. 84 ff., 210 f.; Gramlich/Zerres, ZIP 1999, 1299, 1303; Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 8. 662 Siehe auch die anschaulichen einleitenden Worte von Judge Kaplan in CSX Corporation v. The Children’s Investment Fund Management (UK) LLP, et al., 562 F. Supp. 2d 511, 516 (S.D.N.Y. 2008): „Some people deliberately go close to the line dividing legal from illegal if they see a sufficient opportunity for profit in doing so. A few cross that line and, if caught, seek to justify their actions on the basis of formalistic arguments even when it is apparent that they have defeated the purpose of the law. This is such a case.“ 663 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 470; Benecke, S. 97 ff., 216 f.; Gramlich/Zerres, ZIP 1999, 1299; Soergel/Hefermehl, § 134 Rn. 41; Wansleben, StudZR 2009, 465, 479. 664 Vgl. Benecke, S. 211 f.; Kramer, S. 219; Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 8. 665 Bejahend Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 8; implizit auch Renn, S. 194; verneinend Anzinger, WM 2011, 391, 393; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 470; Christ, S. 96 ff.;
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Auch wenn bezüglich der Vergleichbarkeit der geregelten und der nicht geregelten Konstellationen keine Bedenken anzumelden sind, dürfte es doch an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen. Man mag die Nichteinbeziehung cash gesettelter Derivate und von Derivaten mit einem Erfüllungswahlrecht der short-Partei für verfehlt halten, der Wille des Gesetzgebers aber kommt im Wortlaut des § 25 Abs. 1 WpHG666 ebenso deutlich zum Ausdruck wie in den Gesetzesmaterialien667: Die Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 13 der Transparenzrichtlinie II668, dessen Anwendungsbereich sich auf solche Finanzinstrumente beschränkt, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, mit Stimmrechten verbundene Aktien zu erwerben, und gerade nicht auch Derivate mit cash settlement einbezieht. Der auf Art. 13 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie II basierende Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie der Europäischen Kommission konkretisiert die Meldepflicht in drei Richtungen: Zunächst unterfallen ihr nur solche Finanzinstrumente, die den Erwerb von Aktien auf Eigeninitiative des Inhabers ermöglichen (UAbs. 1) und diesem entweder das unbedingte Recht auf Erwerb der Aktien oder aber eine Ermessensbefugnis in Bezug auf sein Recht auf Erwerb oder Nichterwerb der Aktien einräumen (UAbs. 2). Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 schließlich bestimmt, dass solche Finanzinstrumente nur dann meldepflichtig sind, wenn ihnen eine Vereinbarung zugrunde liegt, die gemäß dem anwendbaren Recht verbindlich ist. Gleichlautende Ausführungen enthält Erwägungsgrund 13 der Durchführungsrichtlinie, der zudem bestimmt, es solle nicht davon ausgegangen werden, dass die Meldepflicht jene Finanzinstrumente abdeckt, die dem Emittenten des Instruments oder einem Dritten gestatten, dem Inhaber des Instruments Aktien oder Barmittel bei Fälligkeit zukommen zu lassen. Die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen des § 25 WpHG lassen also überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, auch Derivate mit cash settlement und Derivate mit einem Erfüllungswahlrecht des Erstellers des Derivats einer Offenlegungspflicht zu unterwerfen. Allerdings enthält die Transparenzrichtlinie II nur Mindestregelungen (vgl. Art. 3 Abs. 1), so dass der nationale Gesetzgeber über ihre Vorgaben hinausgehen und im nationalen Recht ein strengeres Melderegime implementieren kann, wie dies der deutsche Gesetzgeber beispielsweise bezüglich der in Art. 9 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II genannten Eingangsmeldeschwelle getan hat. Für ein derartiges gold plating auch im Rahmen des § 25 Abs. 1 WpHG gibt es jedoch keine Anzeichen. Im Gegenteil: Auch nach der Regierungsbegründung zum TUG soll die Mitteilungspflicht des § 25 Abs. 1 WpHG nur solche FinanzinstruHutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 227; Wansleben, StudZR 2009, 465, 479; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024. 666 Eine Argumentation alleine mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 WpHG ist – wie Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 8 zurecht betonen – nicht sehr tragfähig, da sich die Frage einer Gesetzesumgehung überhaupt nur dann stellen kann, wenn der Wortlaut den strittigen Sachverhalt nicht erfasst. 667 Ähnlich Christ, S. 97. 668 Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36.
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mente betreffen, die das Recht verleihen, mit Stimmrechten verbundene Aktien zu erwerben.669 Schließlich nimmt sie auf den bereits genannten Art. 13 der Durchführungsrichtlinie ausdrücklich Bezug: Dessen Vorgaben beanspruchten auch für § 25 Abs. 1 WpHG Geltung, so dass der Erwerb der Referenzaktien nicht von äußeren Umständen, sondern nur vom Ermessen des Inhabers des Finanzinstruments abhängen dürfe. Dementsprechend fielen unter § 25 WpHG keine Finanzinstrumente, die den Erwerb der Aktien davon abhängig machen, dass der Preis der zugrunde liegenden Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Niveau erreicht.670 Entgegen der Ansicht Schneiders671 ist der Hinweis des Gesetzgebers auf kursabhängige Erwerbsrechte nicht abschließend, sondern vielmehr als anschauliches Beispiel für das Nichtvorliegen der einseitigen Erwerbsmöglichkeit der longPartei zu interpretieren, das durch den Fall eines Erfüllungswahlrechts des Erstellers hätte ersetzt oder ergänzt werden können. Schließlich wird nach dem Willen des Gesetzgebers in § 25 Abs. 1 WpHG auch die Vorgabe des Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 der Durchführungsrichtlinie aufgenommen, wonach nur solche Finanzinstrumente meldepflichtig sind, die auf einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung beruhen. Es spricht somit alles für eine „Eins-zu-eins-Umsetzung“ des Art. 13 der Transparenzrichtlinie II i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie, so dass für eine Einbeziehung von Derivaten mit Barausgleich oder von Derivaten mit einem Erfüllungswahlrecht des Erstellers – und sei es im Wege der Analogie – kein Raum ist. Der Gesetzgeber hat klar „zum Ausdruck gebracht, dass eine Anwendung der Norm über den Wortlaut hinaus gerade nicht erfolgen soll“672.673 Diesem Ergebnis liegt überdies die zumindest nachvollziehbare Erwägung zugrunde, dass Derivate mit physical settlement bzw. mit einem Erfüllungswahlrecht der long-Partei mit Sicherheit zum Erwerb der Aktien durch den Inhaber des Finanzinstruments führen, während dies in Bezug auf Derivate mit cash settlement bzw. Derivate mit einem Erfüllungswahlrecht des Vertragspartners nur ausnahmsweise der Fall ist. Während also das Offenlegungsbedürfnis in den erstgenannten Fällen ganz grundsätzlich besteht, ist ein solches in den letztgenannten Fällen nur ausnahmsweise in den hier relevanten Sonderkonstellationen gegeben, in denen der Vertragspartner des Investors zum Zwecke des hedging die Referenzaktien erwirbt.
669
Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36. Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36 f. 671 Assmann/Schneider/Schneider, 5. Aufl., § 25 Rn. 39; ders./Brouwer, AG 2008, 557, 563: „Allerdings wird gerade der hier relevante „Ausschlusstatbestand“ des Wahlrechts in der Entwurfsbegründung nicht explizit aufgeführt. […] mag diese „Aussparung“ in der Gesetzesbegründung Raum für eine weite Auslegung des § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG zulassen.“ 672 Vgl. die Formulierung bei Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 8. 673 Wie hier Christ, S. 97 f.; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024. 670
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
cc) Ergebnis Bei der Vereinbarung von Derivaten mit cash settlement und/oder von Derivaten mit einem Wahlrecht der Bank hinsichtlich der Art der Erfüllung handelt es sich somit letztlich um eine erlaubte Vermeidung von Rechtsfolgen und nicht um eine verbotene Umgehung. 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen Die Offenlegungspflichten im Rahmen von Wertpapierdarlehensgeschäften sind bereits im Zusammenhang mit der Transparenz des empty voting ausführlich dargestellt worden674, so dass hier einige knappe Ausführungen genügen mögen. a) Berücksichtigung der Stimmrechte gemäß § 21 Abs. 1 WpHG bei den Banken Grundsätzlich werden die vom Investor im Wege des Sachdarlehens an die Banken weitergereichten Wertpapiere bei diesen als eigene berücksichtigt, so dass sich daraus eine Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG ergeben kann. In der Praxis dürften die übereigneten Aktienpakete allerdings kaum einmal die offenlegungspflichtige Größe von 3 % erreichen, da anderenfalls der Investor seinerseits schon zuvor nach dem Erwerb der Aktien zur Mitteilung verpflichtet gewesen wäre. b) Offenlegungspflichten des Investors (§§ 22, 25 Abs. 1 WpHG) Den Investor treffen auch in seiner Funktion als Darlehensgeber nach dem oben Gesagten keinerlei Mitteilungspflichten. Die Stimmrechte, welche sich aus den von den Banken gehaltenen Aktien ergeben, werden dem Investor zunächst nicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet: Zwar hat der Investor beim Einsatz von Wertpapierdarlehen nicht nur die bloße Hoffnung darauf, dass ihm die von den Banken gehaltenen Aktien angedient werden, sondern einen aus dem Darlehensvertrag resultierenden Anspruch auf Rückübereignung. Nichtsdestotrotz fehlt es am Einfluss des Investors auf die Ausübung des Stimmrechts durch die Banken. Insofern sei auf die Ausführungen zum Einsatz von Derivaten verwiesen.675 Im Übrigen werden dem Darlehensgeber die Stimmrechte weder nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 2 WpHG zugerechnet noch ergibt sich eine eigenständige Meldepflicht aus der direkten oder analogen Anwendung des § 25 Abs. 1 WpHG.
674 675
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. Siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (aa) (b).
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II. Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) 1. Allgemeines Auch das Anschleichen wirft eine bedeutsame Frage im Zusammenhang mit der übernahmerechtlichen Vorschrift des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG auf: Muss sich der Anschleicher die von seinen Vertragsparteien gehaltenen Aktien nach § 30 WpÜG zurechnen lassen und deshalb den Aktionären der Zielgesellschaft beim Erreichen oder Überschreiten der 30 %-Schwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG vorlegen? Da ein Auslegungsgleichlauf zwischen § 22 WpHG und § 30 WpÜG abzulehnen ist und eine Zurechnung nach § 30 WpÜG nicht in Betracht kommt, wenn schon eine Zurechnung nach § 22 WpHG abgelehnt wurde676, kann das nachfolgend verknappt dargestellte Ergebnis nicht überraschen: Eine Zurechnung lässt sich grundsätzlich nicht begründen. 2. Einsatz von Derivaten a) Überschreitung der Kontrollschwelle durch eine der Banken Sofern der versteckte Beteiligungsaufbau mithilfe von Derivaten bewerkstelligt wird und eine der Banken zu Absicherungszwecken ein kontrollvermittelndes Aktienpaket der Zielgesellschaft erwirbt, muss sie die Kontrollerlangung nach § 35 Abs. 1 WpÜG veröffentlichen und allen Aktionären der Gesellschaft ein Pflichtangebot unterbreiten (§ 35 Abs. 2 WpÜG). Dabei handelt es sich indes um ein völlig unwahrscheinliches Szenario, das dem Zweck des auf Geheimhaltung bedachten Anschleichens diametral zuwiderliefe. Die beteiligten Banken halten in der Regel Aktienpakete von weniger als 3 %, um nicht selbst offenlegungspflichtig zu werden. Vom Erwerb der Kontrolle sind sie somit weit entfernt. b) Veröffentlichungs- und Angebotspflicht des Investors Bezüglich einer eventuellen Veröffentlichungs- und Angebotspflicht des Investors kann vollumfänglich auf die Ausführungen zu den §§ 21 ff. WpHG verwiesen werden.677 Eine Zurechnung der von den Banken gehaltenen Aktien lässt sich in der Regel unter keinem Aspekt begründen.678 Dementsprechend bestand auch im Fall Continental/Schaeffler-Fall keine Pflicht Schafflers, den Continental-Aktionären ein Angebot vorzulegen, als durch den sukzessiven Aufbau von equity swaps die long 676
Siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. b) bb). Eingehend oben 4. Kapitel C. I. 1. c). 678 Im Ansatz unter Hinweis auf verbindliche europarechtliche Vorgaben a.A. Ostler, S. 297 ff., der allerdings zum gleichen Ergebnis kommt. 677
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
position in Continental-Aktien insgesamt – also unter Einbeziehung der 2,97 % direkt gehaltenen Aktien und der auf 4,95 % der Aktien bezogenen call options – die 30 %-Schwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG erreichte. Eine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG ist nur dann geboten, wenn sich der Investor vertraglich Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Banken vorbehalten hat, z. B. durch die Vereinbarung eines Weisungsrechts.679 3. Einsatz von Wertpapierdarlehen Für den Einsatz von Wertpapierdarlehen gilt im Ergebnis nichts anderes. a) Berücksichtigung der Aktien als eigene beim Darlehensnehmer Erwirbt eine der Banken vom Anschleicher ein Aktienpaket, das nach § 29 Abs. 2 WpÜG die Kontrolle vermittelt oder erlangt sie dadurch unter Zusammenrechnung mit „eigenen“ Aktien die Kontrolle, ist sie zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs und zur Abgabe eines Angebots an alle Aktionäre der Zielgesellschaft verpflichtet. Dieser Fall dürfte in der Praxis nie vorkommen. b) Veröffentlichungs- und Angebotspflichten des Darlehensgebers Sofern nicht eine anderweitige Regelung im Wertpapierdarlehensvertrag getroffen worden ist, hat der Darlehensgeber keinen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer. Aufgrund dessen können dem Anschleicher in seiner Funktion als Darlehensgeber die Stimmrechte aus den von den Banken darlehensweise gehaltenen Aktien nicht gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG zugerechnet werden. Da der Rückübertragungsanspruch aus dem Wertpapierdarlehensvertrag nicht von § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG erfasst wird, eine die Zurechnung nach § 30 Abs. 2 begründende Abstimmung über die Ausübung des Stimmrechts nicht vorliegt und eine Parallelvorschrift zu § 25 WpHG nicht existiert, scheidet eine Zurechnung der Stimmrechte zum sich anschleichenden Darlehensgeber aus.
III. Unverzügliche Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (§ 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG) 1. Einleitung Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG hat der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines Angebots unverzüglich zu veröffentlichen. Im Zusammenhang mit dem An679 A.A. Ostler, S. 293 f., der auch hier danach differenziert, ob der Derivatvertragspartner zum Halten der Referenzaktien vertraglich verpflichtet ist; siehe schon oben Fn. 545.
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schleichen an eine börsennotierte Gesellschaft wird diese Pflicht zur Vorankündigung680 nur selten thematisiert.681 Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht beispielsweise Schaefflers Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots auf Continental-Aktien am 15. Juli 2008 verspätet war, denn schließlich erfolgte der Aufbau der swap-Position bereits zwischen dem 25. März 2008 und dem 23. Mai 2008 auf der Basis eines am 17. März 2008 mit Merrill Lynch geschlossenen swap-Vertrags. Die veröffentlichungspflichtige Entscheidung zur Abgabe eines Angebots könnte tatsächlich also schon deutlich vor dem 15. Juli 2008 getroffen worden sein. 2. Begriff der Entscheidung a) Streitstand Der unbestimmte Rechtsbegriff der Entscheidung ist im WpÜG nicht definiert. Unstreitig ist, dass er sich auf das „Ob“ des Angebots bezieht, so dass der Bieter eine Entscheidung über die einzelnen Modalitäten des Angebots (das „Wie“) noch nicht getroffen haben muss.682 Über die Auslegung des so verstandenen Begriffs besteht jedoch Streit: Einige Stimmen in der Literatur legen ihn eng aus und nehmen erst dann eine Entscheidung an, wenn der Bieter sich unbedingt und rechtsverbindlich entschlossen hat, ein Angebot i.S.d. § 2 Abs. 1 WpÜG abzugeben.683 Teilweise wird – weniger streng – gefordert, die Absicht, ein Angebot abzugeben, müsse sich so weit verdichtet haben, dass ein Abrücken von dem Plan nicht mehr ernsthaft erwartet werden kann.684 Eine dritte Ansicht schließlich verlangt lediglich, dass Informationen über das bevorstehende Angebot des Bieters nach außen treten, welche die
680 Vgl. Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 2; Baums/Thoma/Thoma, § 10 Rn. 12. 681 Siehe aber Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471 f.; Christ, S. 112 ff.; Holfter, S. 84 ff.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 228 f.; Schanz, DB 2008, 1899, 1904 f.; ders./Schalast, Working Paper, S. 26 ff.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1480. 682 Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 8; Christ, S. 113; Holfter, S. 84 f.; Schanz, DB 2008, 1899, 1904; ders./Schalast, Working Paper, S. 26; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 20. 683 Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 10 Rn. 12; Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 8; Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn, § 10 WpÜG Rn. 6; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Riehmer, HdbKapInfo, § 15 Rn. 11; Heidel/Sohbi, § 10 WpÜG Rn. 4; Haarmann/Schüppen/ Walz, § 10 Rn. 19; siehe auch Cascante/Topf, AG 2009, 53, 54 mit Fn. 13: „feste Absicht“; Holfter, S. 88. 684 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 57; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 229; Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Baums/Thoma/Thoma, § 10 Rn. 17; ähnlich KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 27, der darauf abstellt, dass die Entscheidung aus Sicht des Bieters nach dem normalen Verlauf der Dinge so weit feststeht, dass er von ihr nicht mehr abrücken wird.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Gefahr von Insiderhandel und damit von Marktverzerrungen heraufbeschwören685, was im Ergebnis eine weite Auslegung des Entscheidungsbegriffs bedeutet. b) Stellungnahme Zur Beantwortung der Frage, wie der Begriff der Entscheidung in § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG auszulegen ist, muss man sich zunächst noch einmal die Interessenlage der an Unternehmensübernahmen Beteiligten ins Gedächtnis rufen686 : Der Bieter ist zumeist687 an einer möglichst späten Offenlegung seiner Übernahmeabsicht interessiert: zum einen, um nicht evtl. vor Abgabe des Angebots erfolgende weitere Aktienkäufe unnötig zu verteuern, zum anderen, um nicht konkurrierende Bieter frühzeitig auf ein lohnendes Übernahmeziel aufmerksam zu machen.688 Hingegen haben insbesondere die Aktionäre der Zielgesellschaft ein vitales Interesse an frühzeitiger Offenlegung, um von steigenden Kursen im Nachgang der Vorankündigung profitieren zu können. § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG scheint sich in diesem Spannungsfeld der Interessen auf die Seite der Aktionäre der Zielgesellschaft zu schlagen, wenn er den Bieter zur unverzüglichen Veröffentlichung seiner Entscheidung zur Abgabe eines Angebots verpflichtet. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man § 10 Abs. 1 S. 2 WpÜG einbezieht, wonach die Veröffentlichungspflicht auch dann besteht, wenn für die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots noch ein Beschluss der Gesellschafterversammlung des Bieters erforderlich ist; ein Beschluss der Gesellschafterversammlung darf also gerade nicht abgewartet werden.689 Überdies hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorankündigungspflicht v. a. an der Ad hoc-Publizitätspflicht des § 15 WpHG orientiert und ihr den Zweck zugeschrieben, die Öffentlichkeit über marktrelevante Daten zu informieren, um damit das Ausnutzen von Spezialwissen zu verhindern690. Auch wird auf den Grundsatz des Marktbeein-
685
1905. 686
MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 Rn. 24 ff.; ihm folgend Schanz, DB 2008, 1899,
Siehe schon oben 3. Kapitel B. V. 1. Andererseits kann es für den Bieter auch sinnvoll sein, die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots recht früh zu veröffentlichen, weil damit der für den gesetzlichen Mindestpreis von Übernahmeangeboten maßgebliche Referenzzeitraum von drei Monaten endet (§ 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO). Das kann insbesondere dann von Vorteil sein, wenn im Markt – wie im Fall Continental/Schaeffler – bereits erste Gerüchte über das bevorstehende Angebot kursieren. Zu diesem Aspekt vgl. Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 55; Baums/Thoma/Thoma, § 10 Rn. 15. 688 Vgl. im hiesigen Kontext Fleischer/Kalss, § 3 III 1 b, S. 77; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/ Oechsler, § 10 Rn. 1; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 3, 18. 689 Vgl. dazu KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 31; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 5. 690 Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 39; vgl. dazu auch Fleischer/ Kalss, § 3 III 1 a, S. 77. 687
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trächtigungsverbots in § 3 Abs. 5 WpÜG hingewiesen, welcher das Interesse des Bieters an einer möglichst spät eingreifenden Publizitätspflicht zurücktreten lasse.691 Indes sprechen die besseren Gründe für eine eher zurückhaltende Anwendung des § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG und damit für eine restriktive Auslegung des Entscheidungsbegriffs: Zunächst darf der Bieter nicht durch zu frühzeitige Veröffentlichung der Chance beraubt werden, den selbst erarbeiteten Informationsvorsprung zu nutzen. Anderenfalls verminderte man die Anreize potentieller Bieter zur Suche nach unterbewerteten Unternehmen, was einem effektiven Markt für Unternehmenskontrolle abträglich wäre.692 Von hoher Überzeugungskraft ist der Hinweis, § 10 WpÜG und § 15 WpHG unterschieden sich in ihren Rechtsfolgen derart fundamental voneinander, dass die im Rahmen des § 15 WpHG entwickelten Grundsätze nicht unbesehen auf § 10 WpÜG übertragen werden können.693 So löst die Vorankündigung den Automatismus des Angebotsverfahrens aus, der mit umfangreichen Folgepflichten des Bieters einhergeht, denen dieser sich nicht wieder entziehen kann694: Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist der Bieter verpflichtet, innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots der BaFin die Angebotsunterlage zukommen zu lassen. Im Anschluss daran ist die Angebotsunterlage zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG).695 Die Ad hoc-Publizitätspflicht hingegen hat für den Emittenten keine derart gravierenden Folgen. Im Übrigen kann auch die Zielgesellschaft kein uneingeschränktes Interesse an einer möglichst frühzeitigen Veröffentlichung haben, denn nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots durch den Bieter sind die Organe der Zielgesellschaft grundsätzlich zur Neutralität verpflichtet (§§ 33 Abs. 1 S. 1, 33a Abs. 2 S. 1 WpÜG)696. Eine auf vager und wenig gesicherter Grundlage stehende Vorankündigung widerspräche somit dem Grundsatz des § 3 Abs. 4 S. 2 WpÜG, wonach die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden darf.697 691
Steinmeyer/Santelmann/Steinhardt, § 10 Rn. 10; in diese Richtung auch MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 25; siehe auch Fleischer/Kalss, § 3 III 1 b, S. 77. 692 Vgl. dazu Fleischer/Kalss, § 3 III 1 b, S. 77; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 18. 693 Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 11; siehe auch Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 6; vgl. auch Baums/Thoma/Thoma, § 10 Rn. 20, nach dem sich die zu § 15 WpHG entwickelten Grundsätze im Rahmen des § 10 WpÜG lediglich „fruchtbar machen“ lassen. 694 Vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 10 Rn. 9; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 55; Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 11; Hopt, ZHR 166 (2002) 383, 401; BeckHdbAG/ Oppenhoff, § 27 Rn. 21; Thaeter/Brandi/Thaeter, Teil 2 Rn. 64 f. 695 Sofern Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 11 zudem die Bußgeldbewehrtheit eines Verstoßes gegen diese Pflichten (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Nr. 2 lit. a, Abs. 3 WpÜG) in die Argumentation aufnehmen möchte, überzeugt das nicht, da auch ein Verstoß gegen die Ad hocPublizitätspflicht eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt (§ 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG). 696 Vgl. KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 2. 697 Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 5.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Einer eher restriktiven Auslegung des Merkmals der Entscheidung ist demnach vor einer weiten Auslegung der Vorzug zu geben. c) Mehrstufiger Entscheidungsprozess Die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots steht üblicherweise am Ende eines längeren Analyse- und Willensbildungsprozesses, an dem – sofern es sich beim Bieter um eine Gesellschaft handelt – mehrere Gremien beteiligt sind. Nach der geforderten engen Auslegung liegt in diesen Fällen des mehrstufigen Entscheidungsprozesses eine Entscheidung nur dann vor, wenn dieser Willensbildungsprozess ein Ende gefunden hat. Es müssen demnach die Zustimmungen aller Organe vorliegen, die nach dem Gesetz oder nach der Satzung der Bietergesellschaft zur Mitentscheidung über die Vorlage eines Angebots berufen sind. Mit der herrschenden Ansicht ist für das Vorliegen einer Entscheidung somit auf den letzten gesellschaftsrechtlich erforderlichen Beschluss abzustellen.698 Dies lässt sich allerdings nicht mit dem pauschalen Verweis auf den Streitstand zu § 15 WpHG begründen699 : Zum ersten hat sich seit dem Inkrafttreten des AnSVG das Meinungsbild zur Ad hoc-Pflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen gewandelt; mittlerweile wird überwiegend die Auffassung vertreten, jede Stufe des Prozesses sei separat auf ihren Charakter als Insiderinformation zu untersuchen.700 Zum zweiten ist an die Folgen der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu erinnern701, die nicht eintreten sollen, ohne dass die per Gesetz oder per Satzung erforderliche Zustim-
698 Vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 10 Rn. 15; Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 614; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 55; Christ, S. 114; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 59; KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 35; Holfter, S. 89 f.; Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Schwark/Zimmer/Noack/Holzborn, § 10 WpÜG Rn. 7; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 7; Habersack/Mülbert/ Schlitt/Riehmer, HdbKapInfo, § 15 Rn. 17; Heidel/Sohbi, § 10 WpÜG Rn. 4; Baums/Thoma/ Thoma, § 10 Rn. 20 ff.; a.A. MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 39 f., nach dem eine Entscheidung vorliegt, wenn das vertretungsberechtigte Organ den Entschluss zur Abgabe des Angebots gefasst hat und dieser nach außen in Erscheinung tritt; ihm folgend Schanz, DB 2008, 1899, 1905; differenzierend Steinmeyer/Santelmann/Steinhardt, § 10 Rn. 16, die grundsätzlich der h.M. folgen, allerdings eine publizitätspflichtige Vorstandsentscheidung annehmen, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats als sicher gilt. 699 So aber Begründung RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 39; Marsch-Barner/ F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 59; Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Haarmann/Schüppen/ Walz, § 10 Rn. 24. 700 Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 15 Rn. 60; Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 607; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; BuB/Bressler, Rn. 7/779d; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 54 f.; F. A. Schäfer/Hamann/Geibel/F. A. Schäfer, § 15 WpHG Rn. 66; KölnKommWpHG/ Klöhn, § 13 Rn. 63 ff.; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 104, 105; so auch BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., IV.2.2.7, S. 54; so jetzt auch EuGH WM 2012, 1807, Leitsatz 1 und Rn. 38, 40; BGH WM 2013, 1171, Leitsatz 1 und Rn. 15. 701 Siehe soeben 4. Kapitel C. III. 2. b).
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mung des Aufsichtsrats eingeholt wurde702. Und zum dritten besteht bei § 10 WpÜG – anders als bei § 15 WpHG (vgl. Abs. 3) – keine Möglichkeit der Befreiung von der Veröffentlichungspflicht.703 d) Nachweis des Vorliegens der Entscheidung durch Indizien Da es sich bei der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots um eine innere Tatsache handelt704, stellt sich die Frage, ob sich ihr Vorliegen nicht anhand von Indizien nachweisen lässt. Vereinzelt wird dies mit der Begründung abgelehnt, der Bieter müsse uneingeschränkt Herr des Zeitpunkts seiner Entscheidung sein können. Eine rechtlich verbindliche Pflicht, die Entscheidung zu treffen und zu veröffentlichen, könne nur dann bestehen, wenn aus der insoweit allein maßgeblichen Sicht des Bieters keinerlei Zweifel mehr bestehen, dass es zur Abgabe des Angebots kommen wird.705 Unzweifelhaft ist es richtig, dass der Bieter den Zeitpunkt der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bestimmt706 ; das ergibt sich bereits aus der subjektiven Prägung des Begriffs der Entscheidung. Allerdings ist die Schlussfolgerung, das Vorliegen einer Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bestimme sich allein aus der Sicht des Bieters, nicht zwingend.707 Im Übrigen machte diese Ansicht die Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG völlig injustiziabel, weil die Veröffentlichungspflicht allein von der Einstellung des Bieters abhinge.708 Da auch eine Verobjektivierung angesichts des Wortlauts unzulässig wäre, scheint es gerechtfertigt, den Nachweis für das Vorliegen einer Entscheidung anhand von Indizien zuzulassen709. Das Gebot einer engen Auslegung der Norm macht es indes erforderlich, die nachweisgeeigneten Indizien auf solche objektiven Umstände zu beschränken, in 702
Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 614; Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 18; KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 35; Ehricke/Ekkenga/Oechsler/Oechsler, § 10 Rn. 7; Baums/ Thoma/Thoma, § 10 Rn. 23; wohl auch Hopt, ZHR 166 (2002) 383, 402. 703 Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 17; KölnKommWpÜG/Hirte, § 10 Rn. 35; Baums/ Thoma/Thoma, § 10 Rn. 23. 704 Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 10 Rn. 13; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ Drinkuth, § 60 Rn. 57, 61; Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 8. 705 Geibel/Süßmann/Geibel, § 10 Rn. 11. 706 Vgl. Habersack/Mülbert/Schlitt/Riehmer, HdbKapInfo, § 15 Rn. 15; Schanz, DB 2008, 1899, 1904; ders./Schalast, Working Paper, S. 27; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 22; Haarmann/Schüppen/Walz, § 10 Rn. 23; nicht eindeutig Liebscher, ZIP 2001, 853, 859. 707 Schanz, DB 2008, 1899, 1904; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 23. 708 Vgl. auch Thaeter/Brandi/Thaeter, Teil 2 Rn. 54, 56. 709 Ebenso Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, § 10 Rn. 13; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; für eine Manifestation der Entscheidung nach außen auch Steinmeyer/Santelmann/Steinhardt, § 10 Rn. 10; Schanz, DB 2008, 1899, 1904 f.; ders./Schalast, Working Paper, S. 27; MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 24 ff.; anders Baums/Thoma/ Thoma, § 10 Rn. 17, der in bestimmten Fällen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Entscheidung für naheliegend hält; gegenüber Indizien allgemein zurückhaltend MarschBarner/F. A. Schäfer/Drinkuth, § 60 Rn. 61.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
denen die abgeschlossene Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Angebots klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt.710 Hingegen muss der Nachweis als nicht erbracht gelten, wenn die Umstände mehrdeutig sind.711 3. Anwendung auf das Anschleichen Für das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften ergeben sich daraus die nachstehenden Schlussfolgerungen. a) Einsatz von Derivaten Bezüglich des Anschleichens mittels derivativer Finanzinstrumente wird vertreten, der Wille des potentiellen Bieters zur Abgabe eines Angebots manifestiere sich bereits in der Order an die Bank bzw. die Banken, Derivatverträge abzuschließen.712 Dem kann nicht gefolgt werden, denn diese Ansicht lässt unberücksichtigt, dass nach ganz herrschender Auffassung bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen auf Ebene der Bietergesellschaft für das Vorliegen einer veröffentlichungspflichtigen Entscheidung auf den letzten gesellschaftsrechtlich erforderlichen Zustimmungsbeschluss abzustellen ist713. Sofern es sich bei dem Bieter i.S.d. § 2 Abs. 4 WpÜG um eine Aktiengesellschaft handelt, liegt eine veröffentlichungspflichtige Entscheidung demzufolge erst nach dem zustimmenden Beschluss des Aufsichtsrats vor, der – darauf wird zu Recht hingewiesen – schon aus praktischen Gründen erst in einem relativ späten Stadium der Vorbereitungsphase gefasst werden dürfte714. Insofern ist weder die Order des Bieters an die Banken, Derivatgeschäfte abzuschließen, noch der tatsächliche Abschluss entsprechender Verträge, ja noch nicht einmal der sukzessive Aufbau der Derivatpositionen, eindeutig genug, um als objektives Indiz für das Vorliegen des zustimmenden Aufsichtsratsbeschlusses zu dienen. Doch selbst wenn man den Ausgangspunkt dieser Ansicht teilte und bereits die Entscheidung des Vorstands der Bietergesellschaft genügen ließe, wären die ge710 So wohl auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; Christ, S. 115. Die in der Literatur gelegentlich genannten Beispiele – die Übermittlung der Angebotsunterlage an die BaFin deutlich vor Ablauf der vierwöchigen Frist des § 14 Abs. 1 WpÜG (vgl. J. Lenz/Behnke, BKR 2003, 43, 44; Schanz/Schalast, Working Paper, S. 28 mit Fn. 100) und der Beginn der Erstellung der Angebotsunterlage (vgl. Baums/Thoma/Thoma, § 10 Rn. 14) – erfüllen diese Voraussetzungen nicht. 711 So wohl auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; Christ, S. 115. 712 Schanz, DB 2008, 1899, 1905, der das Angebot von Schaeffler an die ContinentalAktionäre daher für verspätet hält. 713 Vgl. Schanz, DB 2008, 1899, 1904 f., der sich mit der h.M. nicht auseinandersetzt und dessen Ausführungen mit denen von MünchKommAktG/Wackerbarth, § 10 WpÜG 20 ff. teilweise wörtlich übereinstimmen. 714 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471 f.
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nannten Ereignisse mangels Eindeutigkeit nicht als Indizien zum Nachweis der Entscheidung des Vorstands geeignet, denn es ist ebenso gut möglich und in den vergangenen Jahren auch nicht selten vorgekommen, dass Investoren mittels derivativer Finanzinstrumente heimlich strategische Beteiligungen aufbauen, um von einem erwarteten Kursanstieg nach der Veröffentlichung des Anteilsbesitzes profitieren zu können. Dem heimlichen Beteiligungsaufbau liegt also keineswegs zwingend eine Übernahmeabsicht zugrunde.715 Es mag zwar im Einzelfall – und vielleicht auch im Fall Continental/Schaeffler – zutreffen, dass die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots schon vor Abschluss der Derivatkontrakte mit der Bank oder den Banken gefallen ist. Zwingend und auf alle Fälle übertragbar ist das jedoch nicht.716 b) Einsatz von Wertpapierdarlehen Nach der abzulehnenden, auf eine Entscheidung des Geschäftsführungsorgans abstellenden Ansicht könnten sich bei korrekter Anwendung der Indizregel Unterschiede zum Einsatz von Derivaten ergeben. Da der Bieter die Aktien der Zielgesellschaft zunächst selbst erworben hat, um sie anschließend bei verschiedenen Banken per Wertpapierdarlehen zu „parken“, und nicht nur darauf bezogene Derivate, muss er schon in einem sehr frühen Stadium die kompletten Finanzmittel aufwenden und sich so eindeutig auf diese Strategie festlegen. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Bestimmung des exakten Zeitpunkts der Entscheidung, denn ein eindeutiges Indiz für deren Vorliegen wird man noch nicht im Erwerb des ersten Aktienpakets und dessen anschließender Weitergabe an eine Bank erblicken können. Fraglich ist dann, ob sich die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach dem Erwerb des zweiten oder dritten oder vielleicht doch erst nach dem Erwerb des vierten oder fünften Aktienpakets eindeutig nach außen manifestiert. Nach der hier vertretenen Ansicht ergibt sich kein vom Einsatz von Derivaten abweichendes Ergebnis: Weder der Erwerb kleinerer, nicht offenlegungspflichtiger Aktienpakete an der Zielgesellschaft noch die darlehensweise Überlassung dieser Aktienpakete an Banken enthält einen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass der gesellschaftsinterne Willensbildungsprozess über die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bereits beendet ist.
715
Überzeugend Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 471; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 55; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1480; so auch Christ, S. 114 f.; Holfter, S. 95; zur ähnlich gelagerten Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Übernahme im Rahmen des § 13 Abs. 1 WpHG siehe unten 4. Kapitel C. IV. 1. a). 716 Widersprüchlich Holfter, S. 95 ff., der zunächst die Umstände des Einzelfalls für maßgeblich erachtet, dann aber pauschal vom Vorliegen einer Entscheidung i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG ausgeht, wenn die Schwellenwerte der §§ 21 ff. WpHG überschritten werden, wobei zusätzlich offen bleibt, ob dies nur für den Direkterwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien oder auch für den Erwerb etwaiger Finanzinstrumente gelten soll.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
IV. Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 WpHG) Die Untersuchung des Anschleichens an börsennotierte Gesellschaften unter insiderrechtlichen Gesichtspunkten ist vielen Autoren – ähnlich wie beim empty voting – noch nicht einmal eine Randnotiz wert.717 Dabei stellen sich in diesem Kontext durchaus erörterungswürdige Fragen. 1. Einsatz von Derivaten Sofern der Investor den versteckten Beteiligungsaufbau mit Hilfe von Derivaten betreibt, können diese Fragen wie folgt formuliert werden718 : Verstößt der Investor, der in der Absicht, eine börsennotierte Gesellschaft zu übernehmen, durch den Erwerb von Derivaten auf Aktien dieser Gesellschaft gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (dazu b) aa) (1))? Wie ist die Weitergabe der Information über eine von ihm geplante Übernahme an eine oder mehrere Banken im Lichte des Weitergabeverbots des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu beurteilen (dazu b) aa) (2))? Verstoßen die Banken, die in Kenntnis dieser Information Aktien zum Zwecke des hedging erwerben, ihrerseits gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (dazu b) bb))? a) Absicht zur Übernahme als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) Die positive Beantwortung all dieser Fragen setzt indes voraus, dass die Absicht zur Übernahme einer Gesellschaft eine Insiderinformation darstellt.719 Der Begriff der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG erfasst auch Pläne und Absichten, und zwar nach hier vertretener Ansicht selbst dann, wenn sie sich noch nicht in der Umwelt manifestiert haben.720 Dementsprechend kann auch die Absicht des Investors, sich mittels des Einsatzes von Derivaten oder Wertpapierdarlehen an eine börsennotierte Gesellschaft anzuschleichen und diese anschließend zu übernehmen, eine Insiderinformation darstellen. Keine Rolle spielt es dabei, dass es sich bei der Übernahmeabsicht um eine vom Investor selbst geschaffene Information handelt.721 717
Siehe aber Cascante/Topf, AG 2009, 53, 57 ff.; Christ, S. 121 ff.; Holfter, S. 100 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 346 f.; sehr knapp hingegen Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293; die Problematik nur anreißend De Nardis/Tonello, Conference Board Paper, S. 5. 718 Ebenso Christ, S. 121 f. 719 Nicht eindeutig Christ, die auf S. 121 f. die relevante Insiderinformation zunächst im Enschluss zum Erwerb von Derivaten erblickt und in der Folge die Verwendung dieser Insiderinformation ablehnt, da der Insider lediglich den eigenen Erwerbsentschluss umsetze (gegen die Berücksichtigung solcher Zwischenabsichten siehe schon oben 4. Kapitel B. II. 2. c) bb) (1) (a) (aa) sowie unten 4. Kapitel C. IV. 1. b) aa) (1) (a)), auf S. 124 ff. jedoch maßgeblich auf die Übernahmeabsicht als Insiderinformation abstellt. 720 Siehe oben 4. Kapitel B. II. 2. c) aa) (1) (a). 721 Ausführlich zu dieser Frage oben 4. Kapitel B. II. 2. c) aa) (2).
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Einzig erforderlich ist, dass die Verwirklichung der Absicht hinreichend wahrscheinlich ist, da anderenfalls nicht von einer „konkreten Information“ gesprochen werden kann. Folgt man der herrschenden Meinung, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes: Der Eintritt der Übernahme als zukünftiger Umstand muss – soll ihr der Charakter einer Insiderinformation zugeschrieben werden – gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG hinreichend wahrscheinlich sein. Wie beim empty voting geht es demnach auch hier nach beiden Ansichten letztlich weniger um die Frage, ob überhaupt Anhaltspunkte für die Annahme einer Insiderinformation gegeben sind, sondern vielmehr darum, ab wann eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen der Übernahme gegeben ist und somit eine Insiderinformation vorliegt. Das hängt selbstverständlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und kann für das Anschleichen unter Verwendung von Derivaten nicht so pauschal beantwortet werden wie für das empty voting. Das liegt v. a. daran, dass der Investor mit dem heimlichen Aufbau einer beträchtlichen long position an einem börsennotierten Unternehmen keinerlei finanzielles Risiko eingeht722. Es ist daher durchaus denkbar, dass er sich möglichst lange sämtliche Handlungsoptionen (Unterbreitung eines Übernahmeangebots, Abgabe der bereits erworbenen Aktien an einen konkurrierenden Bieter und Geltendmachung des Anspruchs auf Barerfüllung aus den Derivatgeschäften, Halten der eigenen Aktien und Geltendmachung des Anspruchs auf Barerfüllung aus den Derivatgeschäften) offenhält und sich die Absicht zur Durchführung der Übernahme erst in einem relativ späten Stadium derart verfestigt, dass ihr Eintritt hinreichend wahrscheinlich ist. Der Abschluss von Derivatgeschäften mit einer Bank reicht daher zur Annahme einer Insiderinformation u. U. nicht aus, wenn ein späteres Übernahmeangebot zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend wahrscheinlich ist.723 b) Insiderhandlung Sofern allerdings eine Insiderinformation im vorgenannten Sinne gegeben ist, sind weitergehend die Verhaltensweisen der Beteiligten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Insiderrecht zu untersuchen. aa) Investor (1) Erwerb von Derivaten auf Aktien der Zielgesellschaft (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) In der Literatur kaum thematisiert wird die Frage, ob der Investor bereits durch den Aufbau einer Derivatposition in Aktien der Zielgesellschaft gegen das Er722 723
55 f.
Siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. c). Ebenso Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293; siehe auch Cascante/Topf, AG 2009, 53,
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
werbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstößt.724 Dies ist allerdings alles andere als abwegig, stellen doch auch auf Aktien bezogene Derivate nach § 12 S. 1 Nr. 3 WpHG Insiderpapiere dar725. (a) Verwendung der Insiderinformation Der heimliche Beteiligungsaufbau zwecks Vorbereitung einer Übernahme mithilfe von Derivaten ähnelt dem über Aktien erfolgenden sukzessiven Beteiligungsaufbau in der Absicht, eine Übernahme vorzubereiten. Dementsprechend könnte man das Vorliegen der Kausalität der Insiderinformation für den Erwerb der Derivate mit einer in der Literatur verbreiteten Argumentation bestreiten: Danach ist der Bieter an der Durchführung seines Vorhabens zur Abgabe eines Angebots nicht gehindert, weil eventuelle Geschäfte im Vorfeld der Entscheidung über die Abgabe eines Angebots Teil eines Gesamtplans seien, im Hinblick auf dessen Umsetzung der Bieter nicht Insider sein könne. Bei der Umsetzung des Entschlusses, ein Übernahmeangebot abzugeben, verwende der Bieter diese Insiderinformation nicht.726 Dem kann aus bereits bekannten Gründen schon grundsätzlich nicht gefolgt werden727: Bei der Umsetzung von Gesamtplänen kann auch der Gesamtplan selbst eine Insiderinformation darstellen, deren Kausalität für das Handeln des Insiders untersucht werden muss. Insofern besteht allerdings kein Zweifel daran, dass der Insider Geschäfte im Hinblick auf die gefasste Endabsicht tätigt und diese damit im Sinne der Vorschrift „verwendet“. Auf das Anschleichen übertragen bedeutet das: Derjenige, der einen Gesamtplan mit dem Fernziel „Übernahme der Zielgesellschaft“ fasst, trifft die Entscheidungen zum Erwerb von z. B. long equity swaps in Kenntnis der Endabsicht und lässt sich davon maßgeblich leiten. Der Anschleicher hätte die Derivatgeschäfte ohne die selbst geschaffene Insiderinformation der Übernahmeabsicht nicht vorgenommen, so dass Kausalität im klassischen Sinne gegeben ist. Im Übrigen ist fraglich, ob sich die Argumentationslinie der herrschenden Ansicht auf die hier interessierenden Fälle des Anschleichens unter Einsatz von Derivaten überhaupt übertragen lässt, denn sie betrifft ausschließlich den Aktienerwerb des 724 Siehe aber Christ, S. 122 f.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479, nach denen indes die maßgebliche Insiderinformation im Entschluss des Investors bestehen soll, Derivate zu erwerben; zur Problematik auch Holfter, S. 122 ff. 725 Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 12 Rn. 11 ff.; BuB/Hammen, Rn. 7/682 ff.; Hohnel/Hohnel, 1. Teil B. § 14 Rn. 14; KölnKommWpHG/Klöhn, § 12 Rn. 18 ff.; Habersack/ Mülbert/Schlitt/Lösler, HdbKapInfo, § 2 Rn. 15 ff.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479; unnötig weitschweifig Holfter, S. 123 f. zur Frage der Anwendbarkeit des Insiderrechts auf equity swaps. 726 Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 35, 138, 140; Cahn, ZHR 162 (1998) 1, 19; BuB/Hammen, Rn. 7/730; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 89; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 6 f.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ders., § 14 Rn. 78; Schwark/Zimmer/ Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 23, 76; Assmann/Schütze/Sethe, § 12 Rn. 81. 727 Siehe bereits zum empty voting oben 4. Kapitel B. II. 2. c) bb) (1) (a) (aa).
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Bieters im Vorfeld der Bekanntgabe seiner Übernahmeabsicht. Für diese Konstellation hält das Kapitalmarktrecht andere Mechanismen bereit, so dass es des Insiderrechts nicht zwingend bedarf: Soweit der spätere Bieter in Umsetzung seines Gesamtplans Aktien der Zielgesellschaft erwirbt, ist er dem Melderegime der §§ 21 ff. WpHG unterworfen. Hält er sich an dessen Vorgaben, hat der Markt die Möglichkeit, den sukzessiven Beteiligungsaufbau in den Börsenkurs einzupreisen.728 Zudem kann in diesem Fall auch § 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 4 WpÜG-AngebotsVO uneingeschränkt Wirkung entfalten, wonach Vorerwerbe, d. h. vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG erfolgte Aktienkäufe, bei der Bemessung der Gegenleistung Berücksichtigung finden.729 Hält sich der spätere Bieter nicht an die Anteilspublizitätspflichten, stellt das Überschreiten einer meldepflichtigen Beteiligungsschwelle seinerseits eine Insiderinformation dar, die der Aktionär beim Erwerb weiterer Aktien verwendet.730 Die Besonderheit des Anschleichens besteht jedoch in der Umgehung der §§ 21 ff. WpHG, ohne diese zu verletzen.731 Darüber hinaus kann mangels Erwerbs von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter auch der mit § 4 WpÜG-AngebotsVO intendierte Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft nicht eingreifen. Wenn aber das Anschleichen dazu führt, dass anderweitige Schutzmechanismen ausgehebelt werden, kann das Insiderhandelsverbot durchaus in Stellung gebracht werden, sofern sein Zweck, die Ausnutzung von Informationsvorsprüngen zur Erlangung missbilligenswerter Sondervorteile zu verhindern, tangiert ist. (b) Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG? Damit ist die Frage angesprochen, ob nicht eine teleologische Reduktion des Tatbestands732 in Betracht kommt. Das wird man verneinen müssen: Durch das Verschleiern seiner Übernahmepläne verhindert der Anschleicher das Ansteigen des Börsenkurses der Zielgesellschaft. Auf diese Weise sichert er sich Aktien der Zielgesellschaft zu einem verhältnismäßig günstigen Kurs. Gleichzeitig verkaufen diejenigen Aktionäre, die ihre Papiere in Unkenntnis der Übernahmepläne an die Banken abgeben, zu billig; sie werden auf diese Weise um die Teilhabe an der
728 Insoweit ist eine teleologische Reduktion des Tatbestands angezeigt: Zwar bildet die Insiderinformation über die Absicht zur Übernahme die Handlungsgrundlage für den Erwerber, doch verschafft er sich dadurch keine missbilligenwerten Sondervorteile, sofern er sich an die §§ 21 ff. WpHG hält. 729 Zu diesem Argument siehe Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 140; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 89; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 76; mit anderem Anknüpfungspunkt auch Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 631. 730 Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 46; Hopt, ZGR 2002, 333, 351; BuB/ Hammen, Rn. 7/730; Ostler, S. 230 f.; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 24. 731 Eingehend dazu oben 4. Kapitel C. I. 732 Siehe dazu eingehend oben 4. Kapitel B. II. 2. c) bb) (1) (a) (bb).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Kontrollprämie gebracht.733 Der Anschleicher kann ergo schon durch den Erwerb von Derivaten seinen Informationsvorsprung zur Erlangung missbilligenswerter Sondervorteile ausnutzen.734 (c) Verneinung des Tatbestands aus systematischen Erwägungen? Bachmann glaubt, die Legalität des sukzessiven Beteiligungsaufbaus mit einem rechtssystematischen Kunstgriff retten zu müssen: Der Gesetzgeber sei sich der negativen Auswirkungen, die der heimliche Beteiligungsaufbau auf das Anlegervertrauen und die Marktintegrität habe, bewusst und steuere ihnen mit speziellen Publizitätspflichten in den §§ 21 ff. WpHG und § 10 WpÜG sowie der Erfassung von Vor- (§ 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 4 WpÜG-AngebotsVO), Parallel- (§ 31 Abs. 4 WpÜG) und Nacherwerben (§ 31 Abs. 5 WpÜG) entgegen. Auch wenn diese Vorschriften grundsätzlich neben dem Insiderrecht stünden, müsse man ihnen bei der Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG doch Beachtung schenken.735 Diese Ausführungen wird man dahingehend zu verstehen haben, dass ein Insiderverstoß nicht vorliegt, sofern der Insider beim Beteiligungsaufbau das Überschreiten der Beteiligungsschwellen ordnungsgemäß mitteilt.736 Bei Lichte betrachtet macht sich Bachmann damit über einen Umweg die von der herrschenden Auffassung vorgebrachte Argumentation zu Eigen. Ganz abgesehen davon, dass er vom Wunsch beseelt ist, den sukzessiven Beteiligungsaufbau zu legalisieren und somit unzulässigerweise vom Ergebnis her denkt, überzeugt diese Vorgehensweise auch in der Sache nicht: Da er die Kausalität bejaht und eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ausschließt, ist zunächst nicht ersichtlich, unter welchem Aspekt er letzten Endes die Anwendung des Tatbestands zu verneinen gedenkt. Darüber hinaus begegnet die Verdrängung der insiderrechtlichen Vorschriften durch die §§ 21 ff. WpHG jedenfalls dann Bedenken, wenn die §§ 21 ff. WpHG wie im vorliegenden Zusammenhang keinen ausreichenden Schutz bieten können. Und schließlich lässt sich in Anbetracht der Tatsache, dass der sukzessive Beteiligungserwerb – wie auch Bachmann anerkennt – mit der ratio des Insiderhandelsverbots konfligiert, meines Erachtens dessen insiderrechtliche Privilegierung schon im Grunde nicht rechtfertigen.
733 Es werden aber nicht nur diejenigen Aktionäre um die Kontrollprämie gebracht, die an die Banken veräußern, sondern alle Aktionäre, die ihre Papiere in Unkenntnis der Übernahmeabsicht abstoßen. 734 Für den sukzessiven Beteiligungsaufbau auch Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 630; Ostler, S. 230 f.; das erkennt zum sukzessiven Beteiligungsaufbau auch die Gegenansicht (vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 140; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 76), misst dem aber keine entscheidende Bedeutung bei. 735 Bachmann, ZHR 172 (2008) 597, 631; kritisch dazu Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 45; ders., ZHR 172 (2008) 635, 658. 736 Für eine derartige Interpretation auch Ostler, S. 230.
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(d) Ergebnis Im Ergebnis liegen somit die Voraussetzungen des Erwerbsverbots vor, so dass der Anschleicher durch den Erwerb von Derivaten, die Aktien des Zielunternehmens referenzieren, gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstößt, sofern diesem Erwerb bereits die hinreichend wahrscheinliche Absicht zugrunde liegt, in der Zukunft die Zielgesellschaft zu übernehmen. (2) Unbefugte Mitteilung oder unbefugtes Zugänglichmachen von Insiderinformationen durch den Investor (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist es verboten, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Dieser Tatbestand könnte durch das Verhalten des Investors im Rahmen des Abschlusses des Derivatvertrags mit der Bank erfüllt sein. Sofern der Investor seinen Vertragspartner ausdrücklich über seine Übernahmepläne in Kenntnis setzt, ist zweifellos die Handlungsalternative des Mitteilens als Form der unmittelbaren Informationsweitergabe737 erfüllt. Ob diese Informationsweitergabe – wie vereinzelt angenommen738 – befugt erfolgt, ist zweifelhaft, denn die Information ist zur Erfüllung der dem Informationsempfänger übertragenen Aufgaben nicht zwingend erforderlich, und es besteht auch kein enger Zusammenhang zwischen der Weitergabe der Insiderinformation und der Erfüllung der Aufgaben durch den Informationsempfänger739.740 In der Praxis dürfte diese Tatbestandsmodalität indes ohnehin keine große Rolle spielen, weil der Investor der Bank in der Regel nicht unmittelbar mitteilen wird, zu welchem Zweck er das Geschäft abschließt, um nicht die Gefahr einer Mitteilungspflicht nach den §§ 21, 22 Abs. 1 S. 1 737
Vgl. Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 65; BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.2.2.1, S. 41; Grunewald/Schlitt, § 13 III 2, S. 269 f.; Hohnel/Hohnel, 1. Teil B. § 14 Rn. 31; KölnKommWpHG/Klöhn, § 14 Rn. 276; Langenbucher, § 15 Rn. 64; Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 188; Heidel/Royé/Fischer zu Cramburg, § 14 WpHG Rn. 3; a.A. Sethe, ZBB 2006, 243, 246 f., der eine mittelbare Weitergabe für ausreichend hält; unentschlossen BuB/Hammen, Rn. 7/733. 738 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 57. 739 So die von der herrschenden Meinung v. a. für den innerbetrieblichen Informationsfluss aufgestellten Kriterien, vgl. EuGH, Slg. 2005, I-9939 Rn. 34, 48; Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rn. 74, 96; BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.2.2.1, S. 41; Buck-Heeb, Rn. 279 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, § 107 Rn. 58, 60; KölnKommWpHG/Klöhn, § 14 Rn. 296 ff.; Langenbucher, § 15 Rn. 66 f.; Heidel/Royé/Fischer zu Cramburg, § 14 WpHG Rn. 3; Sethe, ZBB 2006, 243, 252; Veil/Veil, § 13 Rn. 105; gegen ein streng objektives Verständnis dieser Kriterien Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 206 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/ F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 27. Die genannten Kriterien können auf die Weitergabe von Informationen an Unternehmensexterne übertragen werden, vgl. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 57; Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 174; Schwark/ Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 55 ff. 740 So auch Christ, S. 124.
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
Nr. 2 WpHG zu erhöhen741. Gleichwohl wird die Bank aus den Umständen des Vertragsschlusses und aus dem Vertragsinhalt (jederzeitiges Kündigungsrecht des Investors, Verpflichtung der Bank zur Auflösung des Aktienpakets in wirtschaftlich sinnvoller Weise, Wahlrecht der Bank hinsichtlich der Art der Erfüllung des Geschäfts) ohne Weiteres auf die Übernahmepläne des Vertragspartners schließen können. Eine „Mitteilung“ stellt das allerdings schon nach dem Wortsinn nicht dar, der ein aktives Tun des Insiders in Form einer eindeutigen, an einen Adressaten gerichteten Erklärung verlangt, welche die Insiderinformation zum Inhalt hat. Es kommt somit allenfalls ein „Zugänglichmachen“ in Betracht. Darunter versteht man die Ermöglichung der Kenntniserlangung durch einen anderen.742 Doch auch diese Tatbestandsmodalität dürfte nicht gegeben sein, obgleich der Investor und das von ihm initiierte Geschäft dem Vertragspartner überhaupt erst die Möglichkeit geben, aus den Umständen des Geschäfts Rückschlüsse zu ziehen. Der Investor schafft jedoch nicht Voraussetzungen, die es dem Vertragspartner ermöglichen, unmittelbar von der Insiderinformation Kenntnis zu nehmen (wie es z. B. bei der Mitteilung eines Passworts, das den Zugang zu elektronisch gespeicherten Insiderinformationen erlaubt, der Fall ist743). Die Bank kann also nicht ohne Weiteres nach der Verschaffung des Informationszugangs durch den Investor auf die Information als solche zugreifen, sondern muss eine weitere eigene Gedankenleistung vollbringen und die Umstände des Vertragsschlusses interpretieren und daraus auf die Übernahmeabsicht schließen. Das erfüllt meines Erachtens die Voraussetzungen des Zugänglichmachens nicht. Der Investor verstößt durch den Abschluss des Derivatgeschäfts mit einer Bank daher grundsätzlich nicht gegen das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Eine Ausnahme gilt dann, wenn er dem Kreditinstitut unmittelbar mitteilt, dass er das Derivatgeschäft zur Vorbereitung einer Übernahme abschließt. bb) Erwerb von Aktien unter Verwendung von Insiderinformationen durch die Banken (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) Die Banken könnten ihrerseits durch den Erwerb von Aktien zu hedging-Zwecken gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßen.
741
Wobei das Tatbestandsmerkmal „für Rechnung halten“ mangels Einflusses des Investors auf die Stimmrechtsausübung durch die Bank selbst in diesem Fall nicht erfüllt sein dürfte, vgl. dazu auch oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b). 742 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.2.2.1, S. 41; Assmann, AG 1994, 237, 247; Buck-Heeb, Rn. 278; Grunewald/Schlitt, § 13 III 2, S. 270; Park/Hilgendorf, Teil 3 Kapitel 3 Rn. 162; Hohnel/Hohnel, 1. Teil B. § 14 Rn. 31; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, § 107 Rn. 57; Habersack/Mülbert/Schlitt/Lösler, HdbKapInfo, § 2 Rn. 81; F. A. Schäfer/Hamann/ F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 20; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 42. 743 Zu diesem Paradebeispiel des Zugänglichmachens siehe Begründung RegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., III.2.2.2.1, S. 41.
C. Hidden (morphable) ownership
385
(1) Erwerb von Aktien durch die Drittbanken Die in zweiter Reihe eingeschalteten Banken sind sich ihrer Funktion als Bestandteil des Übernahmevorhabens regelmäßig nicht bewusst, da sie nicht mit dem Investor, sondern nur mit dessen Vertragspartner in Kontakt stehen und dieser sie üblicherweise nicht über die Umstände in Kenntnis setzt.744 Soweit die Drittbanken Aktien zur Absicherung ihrer short position aus dem mit dem Vertragspartner des Investors geschlossenen Derivatgeschäft erwerben, tun sie dies nicht „unter Verwendung“ einer Insiderinformation. Sie verstoßen durch den Aktienerwerb daher nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. (2) Erwerb von Aktien durch den Vertragspartner des Investors Etwas schwieriger stellt sich die Lage in Bezug auf dasjenige Kreditinstitut dar, das mit dem Investor in unmittelbarem Kontakt steht. Überaus selten anzutreffen745, aber einer klaren insiderrechtlichen Beurteilung zugänglich ist der Fall, dass die Bank im Namen des Investors Aktien erwirbt. Sie wird dann als sein Erfüllungsgehilfe tätig. Wenn allerdings dem Investor die Umsetzung des eigenen Erwerbsentschlusses gestattet ist, dann muss ihm auch der Erwerb über unselbstständige Erfüllungsgehilfen gestattet sein.746 Erwirbt die Bank im eigenen Namen Aktien der Zielgesellschaft, tut sie dies zwar in Kenntnis der Übernahmeabsicht des Investors. Dem Aktienerwerb liegt jedoch in der Regel nicht die Insiderinformation zugrunde, sondern der Risikoabsicherungsgedanke: Primäres Ziel des Aktienkaufs ist die Absicherung gegen das aus dem Derivatgeschäft entspringende Risiko eines Kursanstiegs.747 Aus dem mit dem Bekanntwerden der Übernahmepläne verbundenen Kursanstieg zieht die Bank keine missbilligenswerten Vorteile. Anders liegt es jedoch dann, wenn die Bank über das zum hedging erforderliche Aktienvolumen hinaus weitere Aktien kauft, um bei Bekanntwerden der Übernahmeabsicht des Investors von einem Kursanstieg zu profitieren.748 In diesem Fall erfolgt der Aktienerwerb „unter Verwendung“ der Insiderinformation, da diese die Grundlage für die „Übereindeckung“ darstellt; die Bank macht sich ihren Informationsvorsprung zunutze und verschafft sich gegenüber 744
Siehe schon oben 4. Kapitel C. I. 1. c) bb) (2) (b) (bb). Wohl deshalb, weil in diesem Fall § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG einschlägig wäre. 746 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 59; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 346; siehe auch Vaupel/Uhl, WM 2003, 2126, 2128. 747 So auch Cascante/Topf, AG 2009, 53, 61; Christ, S. 125; Holfter, S. 128 f.; Meyer/ Kiesewetter, WM 2009, 340, 347; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 108, 110; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 293; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1479. 748 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 61; Christ, S. 125; Holfter, S. 129; BeckHdbAG/Oppenhoff, § 27 Rn. 110; siehe auch Assmann, AG 1994, 237, 253; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645; Hopt, ZGR 2002, 333, 339; F. A. Schäfer/Hamann/F. A. Schäfer, § 14 WpHG Rn. 95; Vaupel/Uhl, WM 2003, 2126, 2129 zum sog. warehousing, bei dem der spätere Bieter befreundete Aktionäre und Banken über das bevorstehende Übernahmevorhaben informiert und sie dazu auffordert, ebenfalls Wertpapiere der Zielgesellschaft zu erwerben. 745
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
den anderen Marktteilnehmern einen finanziellen Vorteil, der ihr nach der ratio des Insiderrechts nicht zustehen soll. Dies gilt auch für den Fall, dass die Bank vom Investor eine Provision erhält, die sich nach der Entwicklung des Aktienkurses richtet, denn auch dann macht sich die Bank die fehlende öffentliche Bekanntheit der Insiderinformation zunutze. Gegen eine fixe Provision bestehen hingegen keine Bedenken, zumindest sofern sie marktüblich ist.749 c) Ergebnis Der Investor verstößt durch den Erwerb von Derivaten auf Aktien der Zielgesellschaft gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Dem Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG handelt er nur dann zuwider, wenn er dem Kreditinstitut unmittelbar mitteilt, dass er das Derivatgeschäft zur Vorbereitung einer Übernahme abschließt. Der Aktienerwerb der Banken verstößt in der Regel nicht gegen das in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG enthaltene Erwerbsverbot, weil das Absicherungsinteresse im Zentrum ihrer Erwerbsentscheidung steht und die Kenntnis der bevorstehenden Übernahme nicht in diese einfließt. Etwas anderes gilt bezüglich der als Vertragspartner des Investors fungierenden Bank nur dann, wenn sie über eine übliche Vergütung hinausgehende finanzielle Vorteile zu erzielen versucht. 2. Einsatz von Wertpapierdarlehen Beim sehr viel selteneren Einsatz von Wertpapierdarlehen stellen sich ähnliche Fragen wie beim Einsatz von Derivaten. a) Absicht zur Übernahme als Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) Wie soeben dargestellt, kann die Absicht zur Übernahme der Zielgesellschaft eine Insiderinformation darstellen. Bei der Verwendung von Wertpapierdarlehen ist der Anschleicher schon in einem frühen Stadium seiner Strategie (beim sukzessiven Erwerb der Aktienpakete) zur Aufsichnahme der kompletten Finanzmittel gezwungen. Dadurch wird sein weiteres Vorgehen in gewisser Weise vorgezeichnet, so dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Absichtsverwirklichung schon in dieser Phase gegeben sein kann. Da der Anschleicher jedoch nicht ein großes Aktienpaket, sondern nach und nach mehrere kleine Aktienpakete unter der 3 %Schwelle des § 21 Abs. 1 WpHG erwirbt, die er in der Zwischenzeit jeweils an verschiedene Banken weiterleitet, ist fraglich, wann genügend Anhaltspunkte vorliegen, welche die Verwirklichung der Absicht hinreichend wahrscheinlich machen. 749 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 59, 61; siehe auch Assmann, AG 1994, 237, 253; Vaupel/ Uhl, WM 2003, 2126, 2128 mit Fn. 20.
C. Hidden (morphable) ownership
387
Insofern kann die Bestimmung des exakten Zeitpunkts der Entstehung der Insiderinformation Schwierigkeiten bereiten. b) Insiderhandlung Auch im Zusammenhang mit dem Anschleichen unter Zuhilfenahme von Wertpapierdarlehen sind die Verhaltensweisen der Beteiligten im Hinblick auf mögliche Insiderverstöße zu untersuchen. aa) Investor (1) Sukzessiver Erwerb der Aktien (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) Der Investor könnte zunächst dadurch gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 S. 1 WpHG verstoßen, dass er Aktien der Zielgesellschaft in Kenntnis seiner Absicht erwirbt, die Zielgesellschaft zu übernehmen. Diesbezüglich können die obigen Ausführungen zur Frage, ob der Erwerb von Derivaten gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstößt, fruchtbar gemacht werden. Beim sukzessiven Erwerb lässt sich der Investor von seiner Absicht leiten, die Gesellschaft zu übernehmen, so dass er die selbst geschaffene Insiderinformation über sein Fernziel „verwendet“. Da der Investor die sukzessiv erworbenen Aktien bei Kreditinstituten zwischenparkt, um den Beteiligungsaufbau heimlich vollziehen zu können, enthält er seinen Veräußerern und allen Aktionären, die in Unkenntnis der Übernahmeabsicht ihre Aktien abgeben, ihren Anteil an der Kontrollprämie vor. Er verschafft sich auf diese Weise schon beim Erwerb des ersten Aktienpakets zu Lasten der Aktionäre der Zielgesellschaft den persönlichen Vorteil eines verhältnismäßig billigen Beteiligungsaufbaus. Daher gilt auch für das Anschleichen unter Zuhilfenahme von Wertpapierdarlehen: Der Anschleicher verstößt gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wenn er sukzessive Aktienpakete in nicht meldepflichtiger Größe erwirbt, sofern er dabei in der Absicht handelt, die Gesellschaft später zu übernehmen, und diese Absicht im Zeitpunkt des Erwerbs hinreichend wahrscheinlich ist. (2) Unbefugte Mitteilung oder unbefugtes Zugänglichmachen von Insiderinformationen durch den Investor (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) Sofern der Investor die Banken als Darlehensnehmer über seine Übernahmepläne informiert, ist eine unbefugte Mitteilung im Sinne der Vorschrift anzunehmen.750 Dieser Fall wird indes praktisch nicht vorkommen. Der Anschleicher ist im Übrigen im Fall des Abschlusses von Wertpapierdarlehensverträgen auch gar nicht darauf angewiesen, dass die Banken um seine Übernahmeabsicht wissen: Aus dem Wertpapierdarlehensvertrag hat er einen Anspruch auf Rückübereignung von Aktien 750
Siehe oben 4. Kapitel C. IV. 1. b) aa) (2).
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4. Kap.: Rechtliche Bestandsaufnahme
gleicher Art und Güte, so dass er nicht bloß darauf hoffen muss, die Aktien bei Auflösung des Geschäfts zurückzuerhalten. Die Tatbestandsalternative des Zugänglichmachens ist hier noch viel weniger erfüllt als beim Einsatz von Derivaten: Da der Investor an eine Vielzahl von Banken herantritt und mit ihnen Wertpapierdarlehensverträge über weniger als 3 % der Aktien der Zielgesellschaft abschließt, besteht für diese noch nicht einmal Anlass, über eventuelle Absichten des Darlehensgebers zu sinnieren. Das gilt erst recht, wenn die Aktien in ein Wertpapierdarlehenssystem eingepoolt werden und somit in der Zwischenzeit für die Weiterreichung an andere Pool-Teilnehmer zur Verfügung stehen.751 In der Regel besteht damit für die einzelnen Banken nicht die Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Absichten des Darlehensgebers zu ziehen.752 bb) Erwerb von Aktien unter Verwendung von Insiderinformationen durch die Banken (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) Die Banken werden Aktien vom Investor in aller Regel erwerben, ohne über die Pläne ihres Darlehensvertragspartners im Bilde zu sein. Sie sind sich ihrer Funktion als „Parkhaus“ für die Aktien des Darlehensgebers nicht bewusst und erwerben daher die Aktien nicht „unter Verwendung“ der Insiderinformation. c) Ergebnis Der Investor verstößt durch seinen eigenen Aktienerwerb gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Voraussetzung ist indes auch hier, dass im Zeitpunkt des jeweiligen Paketerwerbs die Umsetzung der Übernahmeabsicht hinreichend wahrscheinlich ist, da anderenfalls eine Insiderinformation (noch) nicht vorliegt. Gegen das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstößt der Anschleicher nur dann, wenn er die Bank über seine Übernahmeabsicht unmittelbar in Kenntnis setzt. Der Aktienerwerb der Banken verstößt in der Regel nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, weil sie über ihre Funktion als Bestandteil eines Übernahmevorhabens nicht im Bilde sind und insofern nicht „unter Verwendung“ einer Insiderinformation handeln.
V. Ergebnis Das Ergebnis zur Analyse des Anschleichens an börsennotierte Gesellschaften fällt alles in allem ernüchternd aus: 751
Zu den Wertpapierdarlehenssystemen der Kreditinstitute siehe oben 2. Kapitel A. II. 2. a) aa) (4) (b) (cc). 752 Ganz abgesehen davon, dass selbst das die Voraussetzungen des Zugänglichmachens nicht erfüllen würde, siehe oben 4. Kapitel C. IV. 1. b) aa) (2).
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1. Die Vorschriften zur Anteilspublizität (§§ 21 ff. WpHG) vermögen die in diesem Zusammenhang eingesetzten Derivate mit cash settlement bzw. mit einem Erfüllungswahlrecht der Banken nicht zu erfassen. Auch sofern der Anschleicher seine Aktien über Wertpapierdarlehen bei Banken „parkt“, können ihm die daraus resultierenden Stimmrechte nicht zugerechnet werden. Der findige Investor kann daher tatsächlich unter dem Radar der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz hindurchfliegen. 2. Ebenso wenig werden die Derivate und Wertpapierdarlehen von § 30 WpÜG erfasst, so dass den Investor, selbst wenn er den faktischen Zugriff auf ein kontrollvermittelndes Aktienpaket hat, die Pflichten zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots an alle Aktionäre (§ 35 Abs. 2 WpÜG) nicht treffen. 3. Sofern der Anschleicher überhaupt eine Übernahme der Zielgesellschaft plant, hat er dies erst dann nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu veröffentlichen, wenn der gesellschaftsinterne Willensbildungsprozess zum Abschluss gekommen ist, was in der Regel dann der Fall ist, wenn ein dahingehender zustimmender Beschluss des Kontrollorgans vorliegt. 4. Allenfalls das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 S. 1 WpHG setzt dem Anschleichen Grenzen: Erwirbt der Anschleicher heimlich Derivate auf Aktien der Zielgesellschaft oder erwirbt er deren Aktien in nicht meldepflichtiger Größe, um sie anschließend darlehensweise wieder abzugeben, kann darin ein Verstoß gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG liegen. Dieses Ergebnis ist allerdings mit dem beträchtlichen Vorbehalt zu versehen, dass sich insbesondere beim sukzessiven Aufbau einer Derivatposition die Absicht zur späteren Übernahme der Zielgesellschaft u. U. erst in einem späten Stadium derart verfestigt, dass ihre Umsetzung in die Praxis hinreichend wahrscheinlich ist und somit eine Insiderinformation darstellt.
5. Kapitel
Diskussion de lege ferenda Die rechtliche Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass das Schwert des Gesetzes, das momentan im Kampf gegen das empty voting und die hidden (morphable) ownership zum Einsatz kommt, sehr stumpf ist. Grund dafür ist die mangelnde Transparenz der Phänomene. Angesichts der mit ihnen verbundenen Nachteile verwundert es nicht, dass in der jüngeren Vergangenheit immer wieder der Ruf nach Abhilfe in Form von Schaffung umfassender Transparenz ertönte. Wie diese Transparenzvorschriften idealerweise beschaffen sein sollten, ist Gegenstand des nun folgenden Kapitels. Dabei wird aus zwei Gründen zunächst das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften in den Blick genommen (dazu A.): Zum einen ist dieses Phänomen Gegenstand aktueller Regulierung; der seit September 2010 vorliegende Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wird hier als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen. Zum anderen können in diesem Rahmen bestimmte Aspekte geklärt werden, die auch für die Erörterung des empty voting von Bedeutung sind. Im Anschluss daran soll ein Vorschlag zur Regulierung des empty voting unterbreitet werden (dazu B.).
A. Hidden (morphable) ownership Angesichts der hierzulande gegenüber dem empty voting größeren praktischen Relevanz hat sich der deutsche Gesetzgeber nunmehr entschlossen, das Phänomen der hidden (morphable) ownership zu regulieren. Im Folgenden soll einleitend die Frage beantwortet werden, inwieweit ein Regelungsbedürfnis überhaupt besteht (dazu I.). Anschließend soll ein Blick in andere Rechtsordnungen zeigen, wie diese das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften mittels derivativer Finanzinstrumente und Wertpapierdarlehen zu unterbinden versuchen (dazu II.). Der dritte Abschnitt widmet sich schließlich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und unterzieht diesen einer Bewertung.
A. Hidden (morphable) ownership
391
I. Regelungsbedürfnis An der grundsätzlichen Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung kann – wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat – kein Zweifel bestehen.1 Der Einsatz von Derivaten und Wertpapierdarlehen zur Vermeidung der Offenlegung gemäß den §§ 21 ff. WpHG bewirkt eine Schwächung der Informationseffizienz des Kapitalmarkts, die wiederum eine Vielzahl negativer Implikationen zeitigt. Diese sind keineswegs auf Übernahmesachverhalte à la Continental/Schaeffler beschränkt2, sondern zeigen sich bei jeder Art von heimlichem Beteiligungsaufbau (z. B. CSX/ TCI). Unproblematisch sind lediglich solche Fälle, bei denen es nicht um ein Anschleichen geht, sondern beispielsweise lediglich um den Aufbau einer Derivatposition zu Arbitrage- oder Spekulationszwecken; hier besteht keine Verknüpfung zur zukünftigen Erlangung von mit Stimmrechten verbundenen Aktien, so dass eine diesbezügliche Information auch keine Kursrelevanz besitzt.3 Diese Tatsachen hat auch eine neue Offenlegungspflicht zu berücksichtigen. Eine solche ist dementsprechend nur insoweit gerechtfertigt, wie der Einsatz der modernen Finanzalchimie den tatsächlichen Erwerb der Aktien zur Folge hat. Während dies beim Einsatz von Wertpapierdarlehen aufgrund des Rückübertragungsanspruchs des Darlehensgebers stets der Fall sein dürfte, ist hinsichtlich des Einsatzes von Aktienderivaten eine differenzierte Betrachtung angezeigt: Eine gesetzliche Regelung hat dafür Sorge zu tragen, dass reine Arbitrage- oder Spekulationsgeschäfte eines Kapitalmarktteilnehmers, die nicht zu einem Stimmrechtserwerb führen sollen, von der Mitteilungspflicht nicht erfasst werden.4
1
A.A. Zetzsche, NZG 2009, 692, 696: „Regelungsgrund für weitere Transparenzpflichten nicht erkennbar“; ders., Research Paper, S. 7 ff., der 20 Gründe gegen das Erfordernis einer „economic-only disclosure“ auflistet und den europäischen Institutionen von der Umsetzung der CESR-Vorschläge dringend abrät; kritisch auch Chattopadhyaya, ECFR 8 (2011) 305, 327 ff. unter der Überschrift „If it ain’t broke, don’t fix it“. 2 So aber offensichtlich Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407, 409; in diese Richtung auch Cascante/Topf, AG 2009, 53, 71, die es indes bevorzugt hätten, wenn der Gesetzgeber vollständig von der Statuierung einer Mitteilungspflicht für Derivate mit cash settlement abgesehen hätte; wie hier Christ, S. 188 ff.; Hutter/Kaulamo/Plepelits, GS Gruson, S. 213, 246, die auf das „Gebot eines Level Playing Field of Information“ hinweisen; Seibt, CFL 2010, 502, 503. 3 Ebenso Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 472 f.; Christ, S. 186; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 21; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 113 ff.; Ostler, S. 332; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1531; insofern auch Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407; angedeutet auch bei CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 8; CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 10 f.; siehe auch schon oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (2). 4 Sehr deutlich Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 21 in Bezug auf CfDs: „[…] the market disturbance by the CfDs is not due to the economic positions but the structural link between the instruments and the voting rights carried by hedge shares. Importantly, the market needs to know about large CfD positions only if they are used as a surrogate for shareholdings in order to gain corporate control instead of or in addition to financial investment purposes.“
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
II. Rechtsvergleichender Rundblick Wie ein rechtsvergleichender Rundblick zeigt, haben Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden das Problem des Anschleichens an börsennotierte Gesellschaften auch in anderen Staaten auf unterschiedliche Art und Weise adressiert. Dabei wird allerdings der Erfassung derivativer Finanzinstrumente weitaus größere Beachtung geschenkt als der Erfassung von Wertpapierdarlehen. 1. Schweiz Bereits im Zusammenhang mit dem Implenia/Laxey-Fall sind die in den vergangenen Jahren erfolgten zahlreichen Änderungen des schweizerischen Systems der Anteilspublizität beschrieben worden.5 Die wesentlichen Aspekte des derzeit geltenden Melderegimes seien an dieser Stelle nochmals kurz zusammengefasst: Nach Art. 20 Abs. 1 BEHG muss derjenige, der direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer börsennotierten Gesellschaft erwirbt oder veräußert und dadurch näher bestimmte Schwellenwerte erreicht, über- oder unterschreitet, dies der Gesellschaft und den betreffenden Börsen mitteilen. Als indirekter Erwerb gelten gemäß Art. 20 Abs. 2bis BEHG auch Geschäfte mit Finanzinstrumenten, die es wirtschaftlich ermöglichen, Beteiligungspapiere im Hinblick auf ein öffentliches Kaufangebot zu erwerben. Auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 5 BEHG hat die FINMA in den Artt. 9 ff. BEHV-FINMA nähere Bestimmungen zur Offenlegung von Beteiligungen erlassen. Für derivative Finanzinstrumente enthält Art. 15 BEHV-FINMA seit Januar 2009 eine Sonderregelung, die den Rückgriff auf den indirekten Erwerb in Art. 20 Abs. 1 und 2bis BEHG entbehrlich macht und zunächst call options und put options mit physical settlement und Finanzinstrumente erfasst, die einen Barausgleich vorsehen oder zulassen (Abs. 1 lit. a-c). Andere als die genannten Finanzinstrumente unterliegen hingegen nur dann der Offenlegungspflicht, wenn sie es der berechtigten Person aufgrund ihrer Struktur ermöglichen, Aktien zu erwerben, und sie im Hinblick auf ein öffentliches Angebot abgeschlossen werden (Art. 15 Abs. 2 S. 1 BEHVFINMA). Letzteres wird vermutet, wenn die eingegangene Position in Zusammenrechnung mit anderen meldepflichtigen Positionen einen Stimmrechtsanteil von 15 % übersteigt (Art. 15 Abs. 2 S. 2 BEHV-FINMA). Die Mitteilungspflichten beim Abschluss eines Wertpapierdarlehens sind in Art. 14 BEHV-FINMA geregelt, nach dessen Abs. 2 lit. a indes nur der Borger, d. h. der Darlehensnehmer, meldepflichtig ist. Da somit die darlehensweise übertragenen Aktien beim Darlehensgeber gemeldet bleiben, soweit dieser zuvor selbst wegen des Erreichens oder Überschreitens der Eingangsmeldeschwelle von 3 % meldepflichtig war, hat dies zur Folge, dass die Stimmrechte aus den Aktien in diesem Fall doppelt 5 Siehe oben 2. Kapitel B. III. 1. d) bb); für einen Überblick siehe auch Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 850; Krause, AG 2011, 469, 471 f.
A. Hidden (morphable) ownership
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gemeldet werden. Völlig ins Leere geht die Regelung indes in dem hier interessierenden Fall des Anschleichens im Wege des Parkens von Aktienpaketen unterhalb der Eingangsmeldeschwelle bei diversen Darlehensnehmern. In diesem Fall trifft den Darlehensgeber vor der Übertragung der Aktien bereits keine Mitteilungspflicht, so dass auch den jeweiligen Darlehensnehmer nach der Übertragung keine Mitteilungspflicht nach Art. 14 Abs. 2 lit. a BEHV-FINMA treffen kann.6 2. Vereinigtes Königreich Bereits seit November 2005 besteht im Vereinigten Königreich7 die Pflicht, in Übernahmesituationen das wirtschaftliche Interesse an einer Zielgesellschaft offenzulegen, sofern dieses 1 % oder mehr beträgt (vgl. Rule 8.3 des Takeover Code). Erfasst werden davon insbesondere Aktienderivate. Weitergehend hat die FSA8 nach umfangreicher und überaus gründlicher Konsultation betroffener Marktteilnehmer9 ihre Disclosure Rules and Transparency Rules (DTR) mit Wirkung zum 01. Juni 2009 angepasst. Nach deren Rule 5.1.2 muss der Inhaber einer long position diese offenlegen, sobald er die Eingangsmeldeschwelle von 3 % erreicht oder überschreitet. Dabei ist es gleichgültig, ob er die long position durch den Erwerb von Aktien, durch den Erwerb bestimmter Finanzinstrumente oder durch eine Kombination beider erlangt hat. Es findet also eine Aggregation von Aktien und Finanzinstrumenten statt.10 Bei Überschreitung jedes weiteren Prozentpunkts besteht eine abermalige Veröffentlichungspflicht. Bezüglich der Frage, welche Finanzinstrumente erfasst werden, hat die FSA einen betont weiten Ansatz gewählt: Nach Rule 5.3.1 (1) (b) (ii) DTR sind auch solche Finanzinstrumente zu melden, die zwar formal keine physische Lieferung von stimmberechtigten Aktien vorsehen, bei wirtschaftlicher Betrachtung indes einen ähnlichen Effekt („similar economic effect“) haben.11 Einen solchen nimmt die FSA bei sämtlichen long positions bezüglich der Aktien eines Emittenten an, gleich ob das Instrument ein physical settlement oder ein cash settlement vorsieht. Dem liegt die 6
Vgl. Jutzi/Schären, ST 2009, 570, 574. Für einen Überblick zum Recht des UK siehe CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 29 f.; Christ, S. 147 ff.; CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 14 ff.; European Commission, SEC(2009) 611, Annex 9 Rn. 9.14; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 850 f.; Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 16 ff.; Krause, AG 2011, 469, 472; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682 f.; Veil/Veil, § 20 Rn. 25 f., 98 f. 8 Durch den Financial Services Act 2012 (c. 21) wurde die FSA mit Wirkung zum 01. April 2013 durch die Financial Conduct Authority (FCA) ersetzt. 9 Vgl. FSA, Disclosure of Contracts for Difference, Consultation Paper 07/20, November 2007; dies., Disclosure of Contracts for Difference: Feedback and policy statement on CP07/20, and further technical consultation, Consultation Paper 08/17, October 2008; dies., Disclosure of Contracts for Difference: Feedback on CP08/17 and final rules, Policy Statement 09/3, March 2009. 10 Dazu siehe noch später 5. Kapitel A. III. 2. c) cc). 11 Siehe dazu auch FSA, CfD PS 09/3, Rn. 2.1 ff.; ferner Christ, S. 149 f. 7
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
Erwägung zugrunde, dass der Inhaber der long position auch bei einem cash settlement leichten Zugang zu den vom Vertragspartner gehaltenen hedge-Aktien hat (vgl. Guidance 5.3.3 (2) (a)). Weitere technische Einzelheiten werden in Guidance 5.3.3 (2) (b) – (d) angesprochen, von denen teilweise noch an späterer Stelle zu handeln sein wird.12 3. Frankreich In Frankreich13 muss gemäß Art. L 233-7 Abs. 1 S. 1 Code de Commerce (C. Com.) jede Person, die mehr als den zwanzigsten Teil (d. h. mehr als 5 %) des Grundkapitals oder der Stimmrechte besitzt, die Gesellschaft über den gehaltenen Aktien- oder Stimmrechtsanteil informieren. Seit November 2009 sind gemäß Art. L 233-7 Abs. 1 S. 3 lit. c C. Com. darüber hinaus auch Finanzinstrumente der Offenlegungspflicht unterworfen, die für den Meldepflichtigen einen mit dem Aktienbesitz vergleichbaren wirtschaftlichen Effekt haben (effet économique similaire). Dazu zählt die französische Finanzmarktaufsicht Autorité des Marchés Financiers (AMF) gemäß Art. 223-14 Abs. 3 Nr. 3 des Livre II des Règlement Général solche Finanzinstrumente, die sich auf Aktien des Emittenten beziehen und dem Meldepflichtigen eine long position vermitteln. Beispielhaft nennt sie Differenzkontrakte und equity swaps mit Barausgleich sowie Finanzinstrumente, die einen Basket oder einen Aktienindex in Bezug nehmen, sofern diese nicht hinreichend breit aufgestellt sind. Aus der Formulierung des Art. L 233-7 Abs. 1 S. 3 C. Com. („en outre“) ergibt sich indes, dass die so beschriebenen Finanzinstrumente nur dann offenzulegen sind, wenn auch eine Meldepflicht nach dem Grundtatbestand des Art. L 233-7 Abs. 1 S. 1 C. Com. besteht. Die Meldepflicht für cash settlement-Derivate ist also akzessorisch zur Meldepflicht nach dem Grundtatbestand ausgestaltet worden.14 Eigenständige Meldeschwellen für Aktienderivate mit ähnlichem wirtschaftlichem Effekt sind nicht vorgesehen, so dass im Falle einer Meldepflicht auch kleinste Positionen offenzulegen sind. Aus der akzessorischen Ausgestaltung der Meldepflicht für Aktienderivate mit Barausgleich folgt, dass diese für das Überschreiten der Schwellenwerte irrelevant sind; eine Zusammenrechnung von Aktienderivaten mit cash settlement und Positionen aus selbstständigen Publizitätstatbeständen findet also im Gegensatz zur britischen Regelung nicht statt. Das ergibt sich auch aus Art. 223-11 des Livre II des Règlement Général: Nach dieser Vorschrift werden zur Ermittlung der Meldeschwellenüberschreitung neben den eigenen Aktien und Stimmrechten auch die nach 12
Für einen knappen Überblick siehe Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 851. Für eine knappen Überblick zum französischen Recht siehe CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 17; European Commission, SEC(2009) 611, Annex 9 Rn. 9.15; Fleischer/ Schmolke, NZG 2010, 846, 851; Krause, AG 2011, 469, 472 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 683. 14 Vgl. CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 31; CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 16 f.; European Commission, SEC(2009) 611, Annex 9 Rn. 9.15; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 851. 13
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Art. L 233-9 C. Com. gleichgestellten Aktien und Stimmrechte einbezogen. Dazu gehören gemäß Art. L 233-9 Abs. 1 Nr. 4 C. Com. insbesondere solche Aktien und Stimmrechte, welche der Meldepflichtige aufgrund eines Finanzinstruments ausschließlich auf eigene Initiative hin erwerben kann, was der deutschen Regelung in § 25 Abs. 1 WpHG entspricht. Aktienderivate mit Barausgleich hingegen sind in den Katalog des Art. L 233-9 Abs. 1 C. Com. nicht aufgenommen worden, so dass sie bei der Berechnung der Meldeschwellenüberschreitung nicht zu berücksichtigen sind. 4. Hong Kong Als Vorreiter hinsichtlich der Statuierung von Meldepflichten für Aktienderivate mit cash settlement muss man Hong Kong, die Sonderverwaltungszone auf chinesischem Territorium, bezeichnen.15 Dort bestehen bereits seit dem 01. April 2003 weitreichende Offenlegungspflichten (vgl. Part XV der Securities and Futures Ordinance – SFO), welche die Aufsichtsbehörde Securities and Futures Commission (SFC) in einem Outline-Dokument erläutert hat16. Nach sec. 310 – 312 SFO sind Gegenstand der Offenlegungspflicht sowohl long positions („interest“) als auch short positions. Bezüglich der long positions werden gemäß sec. 311 Abs. 2 SFO ausdrücklich auch durch Derivate eingegangene long positions erfasst. Die relevanten Eingangsmeldeschwellen liegen gemäß sec. 315 SFO für long positions bei 5 %, für short positions bei 1 %. Allerdings ist die Meldepflicht von short positions akzessorisch zur Meldepflicht von long positions ausgestaltet, d. h. eine Meldepflicht für short positions besteht nur dann, wenn auch eine Meldepflicht aus einer long position besteht.17 Weitere Meldepflichten sind sowohl für long positions als auch für short positions bei Über- oder Unterschreitung voller Prozentpunkte vorgesehen.18 Hinsichtlich der Frage, welche Aktienderivate von der Meldepflicht erfasst werden, betont die SFC im Anschluss an sec. 322 Abs. 8 lit. c SFO den weiten Anwendungsbereich des Begriffs „equity derivatives“.19 Erfasst werden neben Aktienoptionen und Aktienfutures mit Realerfüllung auch solche Derivate, die lediglich das Recht einräumen, im Falle eines steigenden Aktienkurses einen Geldbetrag zu erhalten (cash settlement)20, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Recht bedingt oder absolut ausgestaltet ist. Diese Derivate sind mit den übrigen long positions 15
Für einen Überblick zum Recht von Hong Kong siehe FSA, CfD CP 07/20, Rn. 4.26 ff.; Erwähnung findend auch bei CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 36; European Commission, SEC(2009) 611, Annex 9 Rn. 9.20. 16 Vgl. SFC, Outline of Part XV of the Securities and Futures Ordinance (Cap. 571) – Disclosure of Interest. 17 Vgl. SFC, Outline, 2.7.8, S. 15. 18 Vgl. SFC, Outline, 2.7.1 (iii) und (vi), S. 13. 19 SFC, Outline, 2.3.1, S. 7: „The term ,equity derivatives‘ is given an extended meaning in Part XV in order to ensure that all interests and short positions […] in shares of a listed corporation are disclosed.“ 20 Vgl. SFC, Outline, 2.3.2, S. 7 f.; siehe auch FSA, CfD CP 07/20, Rn. 4.28.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
zusammenzurechnen.21 Eine Aggregation mit short positions ist indes nicht erlaubt; ein sog. netting findet also nicht statt.22 Die Beteiligungstransparenzvorschriften Hong Kongs sehen im Übrigen eine Vielzahl von Tatbeständen vor, die von der Pflicht zur Offenlegung befreien. Diese können hier nicht im Einzelnen besprochen werden.23 An späterer Stelle wird jedoch noch auf die ein oder andere Ausnahme zurückzukommen sein.
III. Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts 1. Allgemeines Im internationalen Vergleich recht spät24 hat nun auch der deutsche Gesetzgeber auf die nationalen und internationalen Ereignisse reagiert: Im Anschluss an den Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums vom Mai 201025 hat die Bundesregierung am 22. September 2010 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vorgelegt. Das schon dem Diskussionsentwurf zugrunde liegende Konzept ist dabei unangetastet geblieben: In einem neuerlichen Versuch, das unbemerkte Anschleichen an börsennotierte Unternehmen zu unterbinden26, soll das Melderegime der §§ 21 ff. WpHG durch weitere umfangreiche Regelungen ergänzt werden. An einigen Stellen hat der Regierungsentwurf indes nicht unwichtige Änderungen bzw. Ergänzungen im Detail vorgenommen, auf die noch einzugehen sein wird. Im Rahmen der neuen Meldepflichten stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen ist zur Erfassung von Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten, die nicht bereits von § 25 WpHG erfasst werden und es dem Inhaber ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene Aktien eines Emittenten zu erwerben, mit § 25a WpHG 21
Vgl. SFC, Outline, 2.3.4, S. 8. Vgl. SFC, Outline, 2.6.3.1, S. 11. 23 Vgl. dazu SFC, Outline, 2.12, S. 21 ff. 24 Ähnliche Bewertung bei Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 847: „International ist Deutschland damit keineswegs Vorreiter.“ 25 Vgl. Diskussionsentwurf, Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (im Folgenden Begründung DiskE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz). 26 Vgl. Begründung RegE zum Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (im Folgenden Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz), BR-Drucks. 584/10, S. 20; siehe zuvor schon Begründung RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/ 2498, S. 28, 34; Begründung RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 8, 13. 22
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ein völlig neuer Tatbestand vorgesehen. Zum anderen soll der Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG auf „sonstige Instrumente“ ausgeweitet werden. Auf den folgenden Seiten werden diese Neuregelungen näher betrachtet und einer Bewertung unterzogen. 2. Einführung einer neuen Meldepflicht beim Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten (§ 25a WpHG-RegE) a) Regelungsgehalt Nach dem Grundtatbestand des § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG-RegE hat derjenige, der unmittelbar oder mittelbar Finanzinstrumente oder sonstige Instrumente hält, welche nicht bereits von § 25 WpHG erfasst sind und die es ihrem Inhaber aufgrund ihrer Ausgestaltung ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben, dies bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 % entsprechend § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der BaFin mitzuteilen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen von dieser Regelung sämtliche Instrumente erfasst werden, bei denen ein Stimmrechtserwerb aufgrund der ihnen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Logik zumindest möglich ist.27 Der zentrale Begriff der Ermöglichung des Aktienerwerbs in § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG-RegE wird in § 25a Abs. 1 S. 2 WpHG-RegE durch zwei Regelbeispiele konkretisiert. Danach ist ein Ermöglichen insbesondere dann gegeben, wenn die Gegenseite des Inhabers ihre Risiken aus den Instrumenten durch das Halten von Aktien des Emittenten ausschließen oder vermindern könnte (Nr. 1) oder die Instrumente ein Recht zum Erwerb von Aktien des Emittenten einräumen oder eine Erwerbspflicht in Bezug auf Aktien des Emittenten begründen (Nr. 2). Das erste Regelbeispiel adressiert alle Instrumente, bei denen ein hedging durch Erwerb der zugrunde liegenden Aktien möglich ist, und erfasst damit sämtliche Derivate mit cash settlement. Das zweite Regelbeispiel bezieht v. a. die bis dato nicht meldepflichtigen put options mit physical settlement ein; ebenfalls offenlegungspflichtig werden call-Optionen mit Realerfüllung, die von § 25 Abs. 1 WpHG deshalb nicht erfasst werden, weil eine Bedingung vorgesehen ist, auf deren Eintritt der Käufer keinen Einfluss hat.28 § 25a Abs. 2 WpHG-RegE regelt die Berechnungsgrundlage zur Bestimmung der jeweils mitzuteilenden Anzahl von Stimmrechten. § 25a Abs. 3 WpHG-RegE enthält 27 Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 23. 28 Das von Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296 f. zum Anschleichen über Derivate vorgeschlagene Alternativmodell der Vereinbarung eines Lieferanspruchs unter Kartellvorbehalt dürfte damit künftig keine Alternative mehr darstellen.
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eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, soweit diese im Rahmen der dauernden und wiederholten Emissionstätigkeit meldepflichtige Finanzinstrumente oder sonstige Instrumente auflegen. In § 25a Abs. 4 WpHG-RegE schließlich wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, die neue Mitteilungspflicht durch Rechtsverordnung zu konkretisieren. Die entsprechenden Ergänzungen des § 17 WpAIV sind in Art. 6 des Regierungsentwurfs enthalten. Die neue Regelung des § 25a WpHG-RegE wirft eine Vielzahl von Fragen auf, von denen die prominentesten nachfolgend beleuchtet werden sollen. b) Grundsätzliche Herangehensweise des Gesetzgebers aa) Fallgruppengeleitete vs. prinzipiengeleitete Regulierung In der Literatur ist im Vorfeld des Diskussionsentwurfs darüber gestritten worden, ob an der eher fallgruppengeleiteten Gesetzgebung der existierenden §§ 21 ff. WpHG festgehalten29 oder eine neue Regelung im Sinne einer Generalnorm eingeführt werden sollte (prinzipiengeleitete Regulierung)30.31 Der Regierungsentwurf entscheidet sich für einen mittleren Weg32 : Auf der einen Seite behält er den Aufbau des Regelungskomplexes bei und lässt insbesondere § 22 WpHG in seiner kasuistischen Form unangetastet. Auf der anderen Seite stellt der in § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG-RegE enthaltene Grundtatbestand bei der Begründung einer Meldepflicht für derivative Finanzinstrumente auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab und erklärt sämtliche Derivate für offenlegungspflichtig, die ihrem Inhaber den mit Stimmrechten verbundenen Aktienerwerb faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen. 29 Dafür Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 489; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 121 mit Fn. 101; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 298. 30 So vor allem Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 10 mit einem konkreten Formulierungsvorschlag, der allerdings einen uferlosen § 22 S. 2 Nr. 2 WpHG vorsieht; ebenso BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 4 ff.; Brouwer, AG 2010, 404, 406; CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 47: „CESR considers that a broad definition, based on the concept of similar economic effect to holding shares and entitlements to acquire shares is the only practicable way forward.“; Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 565; Sympathie bekundend auch Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 406 f. unter Hinweis auf Vor- und Nachteile eines solchen Ansatzes. 31 Zur principles-based und rules-based regulation im Kapitalmarktrecht jüngst Schneider, GS Gruson, S. 369 ff.; siehe auch Anzinger, WM 2011, 391, 394 f.; Christ, S. 207 ff.; Ferrarini, FS Hopt, S. 1803, 1819 ff. 32 Ebenso Heusel, WM 2012, 291, 292; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 683; Seibt, CFL 2010, 502, 504; wohl auch Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853, die auf das „kasuistisch-taxative[n] Regelungsmodell der §§ 21, 22 WpHG“ hinweisen und diesem den „offenen, generalklauselartigen Meldetatbestand“ des § 25a Abs. 1 WpHG-DiskE gegenüberstellen; von einem „fundamentalen Wechsel der Regelungstechnik“ bzw. von einem „Paradigmenwechsel“ sprechen hingegen C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; dies., WM 2012, 1213, 1217.
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§ 25a Abs. 1 S. 1 WpHG-RegE erhält damit den Charakter einer Generalnorm und ist offen für künftige, zum heutigen Zeitpunkt noch unbekannte Techniken.33 Der Regierungsentwurf findet mit diesem Ansatz meines Ermessens ein gesundes Mittelmaß zwischen den Extrempositionen.34 Er vermeidet zum einen, dass der Gesetzgeber bei zu fallgruppenlastiger Regulierung im vielfach bemühten Hase-IgelVergleich immer wieder den Marktentwicklungen hinterherlaufen muss35, und lässt sich zum anderen nicht auf das mit hoher Rechtsunsicherheit behaftete36 Experiment eines generalklauselartigen, allumfassenden Offenlegungstatbestands ein. bb) Kleine vs. große Lösung37 Ebenfalls zu begrüßen ist die Entscheidung des Regierungsentwurfs zugunsten einer „großen Lösung“, die sich nicht auf den Übernahmekontext beschränkt („kleine Lösung“), sondern eine generelle Mitteilungspflicht von Finanzinstrumenten vorsieht, soweit sie den Erwerb von Aktien ermöglichen.38 Der Fall CSX/TCI hat gezeigt, dass das Anschleichen auch unterhalb der Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG relevant sein kann. Im Übrigen bestehen die gegen das Anschleichen formulierten Bedenken mangelnder Transparenz auch in Bezug auf Konstellationen ohne Kontrollausübungsabsicht. Dementsprechend liegt sowohl den §§ 21 ff. WpHG als auch dem europäischen Gemeinschaftsrecht ein weiter Regelungsansatz zugrunde, der die Offenlegung bedeutender Beteiligungen nicht von einem etwaigen Übernahmevorhaben abhängig macht. Bezeichnend ist, dass der übernahmespezi-
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So auch Brouwer, AG 2010, 404, 406; DAI, NZG 2010, 778; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Merkner/Sustmann, NZG 2012, 241; Seibt, CFL 2010, 502, 504. 34 Ebenfalls zustimmend Brandt, BKR 2010, 270, 273; Brouwer, AG 2010, 404, 406; im Grundsatz auch DAI, NZG 2010, 778; siehe auch Schneider, GS Gruson, S. 369, 378, wonach das Kapitalmarktrecht beides braucht, originäre Prinzipien und für die wichtigsten Fälle kasuistische Regelungen; kritischer Anzinger, WM 2011, 391, 395 f. 35 Vgl. auch Brouwer, AG 2010, 404, 406; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 684; dazu siehe allgemein Schneider, GS Gruson, S. 369, 373 f., der allerdings auch darauf hinweist, dass Rechtsprinzipien und die damit verbundenen unbestimmten Rechtsbegriffe der Konkretisierung bedürfen, was wiederum zur schrittweisen Bildung von Fallgruppen durch Ausführungsverordnungen, Rechtsprechung und Literatur führt. 36 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 488; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 298; dies zugestehend auch Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 565; allgemein dazu Schneider, GS Gruson, S. 369, 373 f. 37 Begriffe nach Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1510. 38 Diesen Ansatz ebenfalls befürwortend Christ, S. 188 ff., 206 f.; Ostler, S. 333; Seibt, CLF 2010, 502, 503; ähnlich Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853: „gut vertretbar“; noch kritisch zur „großen Lösung“ dies., ZIP 2008, 1501, 1511; a.A. Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 21 ff., 36 ff., die sich für einen „intentions-based approach“ aussprechen und eine Offenlegungspflicht nur für solche Fälle befürworten, in denen der Inhaber des Finanzinstruments eine Übernahme oder anderweitig auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen beabsichtigt.
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fische Regelungsansatz sowohl in Großbritannien39 als auch in der Schweiz40 nur eine kurze Halbwertszeit hatte. In der Literatur wurde vor der Veröffentlichung des Diskussionsentwurfs die Befürchtung geäußert, mit einer generellen kapitalmarktrechtlichen Pflicht zur Offenlegung von cash settlement-Derivaten ließe sich die notwendige Differenzierung zwischen offenlegungsbedürftigen und nicht offenlegungsbedürftigen Sachverhalten nicht bewerkstelligen, was die Gefahr eines Informationsüberflusses heraufbeschwöre, der vom Kapitalmarkt nicht aufgenommen und erst recht nicht verarbeitet werden könne.41 Diese Stimmen standen der Einführung einer neuen Meldepflicht für cash settlement-Derivate kritisch42 bis ablehnend43 gegenüber. Meines Erachtens lassen sich die verschiedenen Stellschrauben einer Mitteilungspflicht jedoch so justieren, dass diese Bedenken ausgeräumt werden können. c) Verhinderung eines unüberschaubaren Meldeaufkommens Ob der Regierungsentwurf dabei indes in jeder Hinsicht richtig liegt, soll im Folgenden untersucht werden. aa) (Mögliche) Einschränkungen der und Ausnahmen von der Meldepflicht Eine erste Möglichkeit, einem Übermaß an Informationen entgegenzutreten und einem unüberschaubaren Meldeaufkommen zu begegnen, besteht darin, die Meldepflicht beim Halten weiterer Finanzinstrumente und sonstiger Instrumente in bestimmten Fällen einzuschränken bzw. gänzlich entfallen zu lassen. Leitender Gesichtspunkt muss dabei wie bereits erwähnt die Abgrenzung zwischen reinen Arbitrage- und Spekulationsgeschäften und solchen Geschäften sein, die ein Anschleichen an eine börsennotierte Gesellschaft ermöglichen sollen. (1) Möglichkeit des hedging durch Aktienerwerb Eine erste – eher versteckte – Einschränkung der generalklauselartigen Meldepflicht des § 25a Abs. 1 WpHG-RegE lässt sich bereits der Vorschrift selbst, genauer dem ersten Regelbeispiel, entnehmen, wonach ein Ermöglichen insbesondere dann 39
Vgl. oben 5. Kapitel A. II. 2. Vgl. dazu schon oben 2. Kapitel B. III. 1. d) bb) und abermals oben 5. Kapitel A. II. 1. 41 Brandt, BKR 2008, 441, 447; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 71; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1511; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 585; kritisch auch Kettunen/Ringe, Research Paper, S. 28 ff.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1481 f. unter Hinweis auf steigende Kosten und steigende Meldungszahlen in der Schweiz und in Großbritannien. 42 Brandt, BKR 2008, 441, 446 f.; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1511; Bedenken mitschwingend auch noch bei Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 408. 43 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 71; Eichner, ZRP 2010, 5, 7 f.; Noack/Zetzsche, FS Schwark, S. 569, 585 f.; Zetzsche, Research Paper, S. 7 ff. 40
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gegeben ist, wenn die short-Partei die Risiken aus ihrer short-Position durch das Halten von Aktien ausschließen oder vermindern könnte. Demnach ist ein hedging der Gegenpartei durch den Erwerb der Referenzaktien zwar nicht zwingende Voraussetzung für eine Erfassung des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments von der Meldepflicht, ein derartiges physisches hedging muss aber immerhin möglich sein44. Diese Einschränkung ist ebenso richtig wie selbstverständlich: Ratio der Beteiligungstransparenz ist die Offenlegung von bestehendem und möglichem Stimmrechtseinfluss. Ist ein solcher Stimmrechtseinfluss jedoch von vornherein ausgeschlossen, weil die short-Partei ihr Risiko gar nicht physisch durch den Erwerb der Referenzaktien, sondern nur durch den Erwerb weiterer Derivate hedgen kann, ist auch ein Anschleichen undenkbar.45 (2) Emittentenprivileg (§ 25a Abs. 3 WpHG-RegE) Nach § 25a Abs. 3 WpHG-RegE bleiben bei der Berechnung der Höhe des mitzuteilenden Stimmrechtsanteils solche Finanzinstrumente oder sonstigen Instrumente unberücksichtigt, welche von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehalten werden, soweit diese im Rahmen der dauernden und wiederholten Emissionstätigkeit des Unternehmens gegenüber einer Vielzahl von Kunden entstanden sind. Diesem sog. Emittentenprivileg liegt die zutreffende Erwägung zugrunde, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs eine Vielzahl von Finanzinstrumenten im Sinne der Vorschrift auflegen, die mit dem Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften in keinerlei Zusammenhang stehen. Ihre Offenlegung wäre der Informationseffizienz des Kapitalmarkts also nicht zuträglich, sondern stiftete im Gegenteil nur Verwirrung.46 Es ist daher grundsätzlich richtig, die von Wertpapierdienstleistungsinstituten im Rahmen ihres regelmäßigen Geschäftsbetriebs abgeschlossenen Derivatgeschäfte vom Tatbestand der neuen Meldepflicht auszunehmen.47 Vereinzelt wird bemängelt, es sei unklar, ob die Vorschrift hinsichtlich der Praxis des Anschleichens auch die von der Bank getätigten Absicherungsgeschäfte erfasst.48 Keine Zweifel bestehen, soweit sich die Bank durch den Erwerb der Referenzaktien absichert: In diesem Fall kommt von vornherein nicht § 25a Abs. 3 WpHG-RegE zur Anwendung, sondern § 21 Abs. 1 WpHG, wobei die Bank allerdings bei Vorliegen der Voraussetzungen die Vorteile des § 23 WpHG in Anspruch nehmen kann. Aber 44
Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 23. 45 Siehe auch Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853. 46 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 25; siehe auch Brandt, BKR 2010, 270, 274; Christ, S. 230; Merkner/ Sustmann, NZG 2010, 681, 687. 47 Brandt, BKR 2010, 270, 274; so schon ders., BKR 2008, 441, 447; jedenfalls ohne nennenswerte Kritik Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687. 48 Brandt, BKR 2010, 270, 274.
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auch wenn das hedging über den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte erfolgt, ist die Vorschrift meines Erachtens hinreichend deutlich. § 25a Abs. 3 WpHG-RegE macht die Nichtberücksichtigung der Finanzinstrumente nämlich davon abhängig, dass diese im Rahmen der dauernden und wiederholten Emissionstätigkeit des Unternehmens gegenüber einer Vielzahl von Kunden entstanden sind. Diese Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt, wenn das Institut einem einzelnen Kunden das Anschleichen an eine börsennotierte Gesellschaft dadurch ermöglicht, dass es für seinen Kunden in einem Einzelfall ein derivatives Finanzinstrument mit Bezug auf die Aktien der betreffenden Gesellschaft kreiert und sich anschließend durch den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte gegen das Risiko eines fallenden Kurses absichert. Die Anwendung des Emittentenprivilegs ist diesem Fall nicht gerechtfertigt, so dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 25a Abs. 1 WpHG-RegE meldepflichtig würde. Die Bundesregierung hat indes den in der Literatur zum Diskussionsentwurf geäußerten Vorschlag, eine dem § 23 WpHG vergleichbare Vorschrift auch bezüglich der Mitteilungspflicht aus § 25a Abs. 1 WpHG-DiskE einzuführen49, aufgegriffen und durch die Verordnungsermächtigung in § 25a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WpHG-RegE das Bundesfinanzministerium mit dieser Frage betraut.50 (3) Aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente Vom bewusst weit formulierten Wortlaut des § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG-DiskE sollten nach der Begründung des Diskussionsentwurfs ausdrücklich auch solche Finanzinstrumente erfasst werden, die sich auf einen Aktienindex oder einen Aktienkorb beziehen.51 In dieser Allgemeinheit war diese Auffassung des Ministeriums allerdings nicht frei von Zweifeln: Aktien eines bestimmten Unternehmens sind in Indizes oder Baskets in der Regel nur zu einem geringen Bruchteil enthalten52, so dass sich darauf bezogene derivative Finanzinstrumente nur sehr bedingt zum Anschleichen eignen; schließlich müsste ein Investor in diesem Fall ein Vielfaches desjenigen Betrags investieren, den er beim ausschließlichen Erwerb von Derivaten auf Aktien des in Augenschein genommenen Unternehmens aufbringen müsste, um Zugriff auf ein gleich großes Aktienpaket zu erhalten. Ist ein Anschleichen mittels Index- und Basketderivaten aber grundsätzlich nicht möglich, hat auch ihre Offenlegung keinen informatorischen Nutzen.53
49
Brandt, BKR 2010, 270, 274; so auch Christ, S. 229. Siehe dazu auch Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, S. 25. 51 Begründung DiskE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, S. 39. 52 Vgl. die Auflistung bei Brandt, BKR 2010, 270, 274 mit Fn. 27, nach der im Mai 2010 kein Unternehmen im Aktienindex DAX 30 stärker als 10 % gewichtet wurde. 53 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 498 f.; Brandt, BKR 2010, 270, 274; Cascante/ Bingel, NZG 2011, 1086, 1095; Christ, S. 231; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Krause, AG 2011, 469, 478; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 684; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 129; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1218. 50
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Das ist selbstverständlich dann anders, wenn ein Aktienkorb untypisch ausgestaltet wird und die Aktien eines Unternehmens den Großteil des Korbes ausmachen, so dass nahezu das gleiche Ergebnis erzielt wird, das auch beim Erwerb eines Derivats auf die Aktie eines Einzelunternehmens erzielt worden wäre. Höchstwahrscheinlich hatte das Finanzministerium eben diese Missbrauchskonstellation vor Augen, als es sich entschloss, auch solche Derivate einzubeziehen, die einen Index oder einen Basket referenzieren. Anderenfalls wäre eine Umgehung der neuen Mitteilungspflicht durch Index- und Basketderivate allzu leicht möglich gewesen.54 Zwischen den Extrempositionen – der Einbeziehung jeglicher Index- und Basketderivate und der gänzlichen Außerachtlassung solcher Instrumente – haben die Securities and Futures Ordinance (SFO) Hong Kongs sowie die Disclosure Rules and Transparency Rules (DTR) der britischen FSA im Grundsatz den richtigen Weg gewiesen: Eine Erfassung von auf einen Index oder einen Basket bezogenen Finanzinstrumenten ist dann angezeigt, wenn die Aktie eines bestimmten Unternehmens in dem Index oder Basket ein signifikantes, alle anderen Positionen erheblich übersteigendes Gewicht hat.55 Ob dies mit der FSA allerdings bereits dann angenommen werden kann, wenn die Aktien dieses Unternehmens 20 % oder mehr des Wertes der in dem Index oder Basket enthaltenen Aktien repräsentieren (so Guidance 5.3.3 (2) (c) DTR), ist zweifelhaft, da es hier noch an der herausragenden Stellung der betreffenden Aktie fehlt.56 Vorzugswürdig erscheint es, in Anlehnung an sec. 308 Abs. 5 SFO eine Index- bzw. Basketgewichtung der betreffenden Aktie von mindestens 30 % zu verlangen.57 Die Bundesregierung zeigt bei dieser Frage deutlich, dass sie sich mit den Anmerkungen der Wissenschaft und den Stellungnahmen der Verbände zum Diskussionsentwurf beschäftigt hat, denn begrüßenswerterweise stellt sie in der Begründung des Regierungsentwurfs klar, dass die Verordnungsermächtigung in § 25a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WpHG-RegE sich insbesondere auch auf die Festlegung von Mindestgrenzen für Anteile einzelner Aktien an Aktienkörben und Indizes erstreckt58. 54
Vgl. Brandt, BKR 2010, 270, 274; DAI, NZG 2010, 778, 779; Seibt, CFL 2010, 502, 505. Dieser Ansatz wird auch in der deutschen Literatur durchweg für angemessen gehalten, vgl. Brandt, BKR 2010, 270, 274; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 684; siehe auch CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 48; DAI, NZG 2010, 778, 779. 56 A.A. offenbar Krause, AG 2011, 469, 478, der die Regelung im UK als „geeignete[n] Orientierungspunkt“ bezeichnet; auch Christ, S. 232 spricht sich für eine 20 %-Schwelle aus. 57 So auch DAV, NZG 2012, 770, 772; für eine noch höhere Gewichtung der Aktien des bestimmten Unternehmens im Index oder Basket Brandt, BKR 2010, 270, 274 (50 % unter Hinweis auf die Verwaltungspraxis der BaFin zu Director’s Dealings); Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1095 (50 %, in keinem Fall aber weniger als 25 %); DAI, NZG 2010, 778, 779 (33,3 %). 58 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 25. 55
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
(4) Börslich gehandelte Derivate Der Gesetzgeber sollte zudem darüber nachdenken, cash settlement-Derivate dann von der Mitteilungspflicht des § 25a Abs. 1 WpHG-RegE auszunehmen, wenn sie an einer Börse gehandelt werden.59 Oben ist bereits geschildert worden, dass sich der terminbörsliche Handel vor allem durch zweierlei auszeichnet: zum einen durch den hohen Grad an Standardisierung der gehandelten Kontrakte, zum anderen durch die Existenz einer zentralen Gegenpartei, die bei jedem Geschäft als Vertragspartner auftritt und das Kreditrisiko des jeweiligen Kontrahenten übernimmt.60 Diese Faktoren lassen in aller Regel den späteren Zugriff des Inhabers der long position auf die Referenzaktien nicht zu, weil ihm der Inhaber der short position bzw. diejenige Person, die letztlich Aktien zum Zwecke des hedging hält, aufgrund der Standardisierung und Anonymisierung des börslichen Derivatehandels nicht bekannt ist.61 Auch dürfte das in der Praxis gelegentlich zu beobachtende Phänomen der Umwandlung der settlement-Methode kurz vor der Fälligkeit oder Kündigung des Vertrags zum Zwecke einer möglichst späten Offenlegung bei börslich gehandelten Derivaten praktisch unmöglich sein; ein an einer Terminbörse abgeschlossener Derivatkontrakt mit cash settlement kann mithin nicht mehr durch ein physical settlement ersetzt werden.62 Gleichwohl hat sich die FSA gegen eine Begrenzung der Offenlegungspflicht auf OTC-Derivate ausgesprochen und dies damit begründet, aufgrund der gängigen Marktpraxis bestehe trotz Standardisierung und Anonymisierung der börslichen Terminkontrakte die Möglichkeit zum erleichterten Erwerb des Basiswertes durch den Inhaber der long position.63 Die italienische Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (CONSOB) hat in einem Positionspapier vom 08. Oktober 2009 überdies zu bedenken gegeben, dass die alleinige Einbeziehung von OTC-Derivaten in eine Mitteilungspflicht Anlass zu verstärkter Arbitrage zwischen börslichen Terminmärkten und OTC-Terminmärkten geben könnte.64 (5) De minimis-Regelung Erwägenswert scheint zudem eine weitere Ausnahme, die dabei behilflich sein könnte, das zu erwartende höhere Meldeaufkommen in einem überschaubaren Rahmen zu halten: Der deutsche Gesetzgeber könnte nach dem Vorbild Hong Kongs eine de minimis-Regelung einführen, die unter engen Voraussetzungen von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Über- oder Unterschreitung einer Melde59 60 61
S. 21. 62
So insbesondere Renn, SZW 2010, 186, 189; Ryser/R. H. Weber, SZW 2010, 112, 123 f. Vgl. dazu oben 2. Kapitel A. II. 1. b) ff) (2). Ryser/R. H. Weber, SZW 2010, 112, 123; siehe auch CONSOB, Cash-settled Derivatives,
Ryser/R. H. Weber, SZW 2010, 112, 123; ähnlich Renn, SZW 2010, 186, 189. FSA, CfD PS 09/3, Rn. 2.6; diesen Vorbehalt äußernd auch CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 21; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853. 64 CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 21. 63
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schwelle gänzlich entbindet. Dadurch ließen sich Bagatellfälle aussortieren, die für die Marktteilnehmer ohnehin nicht von Interesse sind. In Hong Kong sieht sec. 313 Abs. 7 SFO eine Ausnahme von der Offenlegungspflicht vor, wenn sich die in Rede stehenden Positionen im gleichen Schwellenbereich wie die Positionen oder in einem niedrigeren Schwellenbereich bewegen als die Positionen, welche die letzte Meldung ausgelöst haben, und die in Rede stehenden Positionen um nicht mehr als 0,5 % der stimmberechtigten Aktien des betreffenden Unternehmens von den Positionen abweichen, welche die letzte Meldung ausgelöst haben. Zudem ist Voraussetzung des Befreiungstatbestands, dass sich sämtliche Veränderungen von an sich offenlegungspflichtigen Positionen seit der letzten Meldung innerhalb des 0,5 %-Rahmens bewegt haben. Die erstmalige Offenlegung einer meldepflichtigen Position gilt dabei nicht als „letzte Meldung“ und kommt daher nicht als möglicher Bezugspunkt in Betracht. Nach dieser Ausnahmeregelung müsste beispielsweise eine Unterschreitung der 10 %-Schwelle nicht gemeldet werden, wenn der Anteil offenlegungspflichtiger Positionen von 10,2 % auf 9,8 % fällt und die Meldung des 10,2 %Anteils nicht die erstmalige Meldung war. Auch eine anschließende abermalige Überschreitung der 10 %-Schwelle auf 10,6 % müsste nicht gemeldet werden: Zwar bedeutete das eine Erhöhung des Anteils um 0,8 %, seit der letzten Meldung (10,2 %) jedoch lediglich eine Erhöhung um 0,4 %, so dass die de minimis-Regel erfüllt wäre.65 Die Einführung einer solchen Bagatellklausel wäre indes gleichbedeutend mit der billigenden Inkaufnahme gewisser Ungenauigkeiten der Meldungen. Nicht verkannt werden darf zudem, dass die Regelung – jedenfalls in der in Hong Kong existenten Ausgestaltung – nicht leicht zu verstehen ist, was sich auch daran zeigt, dass die SFC den Tatbestand nicht abstrakt, sondern anhand eines Beispiels erörtert.66 Sie könnte daher zusätzliche unerwünschte Compliance-Kosten verursachen. Ein solches Feintuning der neuen Mitteilungspflicht sollte in jedem Falle der WpAIV (§ 25a Abs. 4 WpHG-RegE) überlassen bleiben und nicht in § 25a WpHG-RegE selbst geregelt werden. bb) Eingangsmeldeschwelle Als eine überaus wichtige Stellschraube zur Aussonderung nicht meldebedürftiger Fälle ist die Festsetzung der Eingangsmeldeschwelle zu nennen.67 Nicht meldebedürftig sind nach obiger Analyse68 solche Derivatgeschäfte, die lediglich zu Spekulations- oder Arbitragezwecken abgeschlossen werden, mit einem Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften also nicht im Zusammenhang stehen. Die vom Regierungsentwurf in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 1 WpHG bei 5 % festgesetzte 65
Näher zu alledem SFC, Outline, 2.12.6, S. 22 ff. SFC, Outline, 2.12.6.3, S. 22: „The de minimis exemption is best explained with the assistance of an example.“ 67 Vgl. Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 298. 68 Siehe 5. Kapitel A. I. 66
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Eingangsmeldeschwelle69 erscheint jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand70 als zu niedrig, weil reine Spekulations- und Arbitragederivatgeschäfte auf Aktien vermutlich auch jenseits dieser Schwelle abgeschlossen werden. Sollte die 5 %Eingangsschwelle beibehalten werden, stünde daher zu befürchten, dass auch eine ganze Reihe nicht meldebedürftiger Sachverhalte offengelegt wird, was zu einem unerwünschten information overflow führte, welcher der Informationseffizienz des Kapitalmarkts abträglich wäre. Dies lässt sich selbstverständlich in ganz besonderem Maße denjenigen Stimmen entgegenhalten, die gar für eine Eingangsmeldeschwelle von 3 % plädieren71. Angesichts dessen scheint es vorerst angemessen, die Eingangsmeldeschwelle für Finanzinstrumente, die ihrem Inhaber den Aktienerwerb lediglich ermöglichen, bei 10 % festzulegen.72 Damit würde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die bloße Ermöglichung des Aktienerwerbs (§ 25a Abs. 1 WpHG-RegE) von der gesicherten Aussicht auf den zukünftigen Erwerb (§ 25 Abs. 1 WpHG) qualitativ doch noch unterscheidet.73 Sollten weitere Forschungen allerdings ergeben, dass Spekulations- und Arbitragegeschäfte regelmäßig unterhalb der 5 %-Schwelle bleiben, könnte die Eingangsmeldeschwelle entsprechend angepasst werden. Nicht unerwähnt bleiben soll indes, dass ein rechtsvergleichender Rundblick eher für eine strenge Eingangsmeldeschwelle bei Derivaten mit Barerfüllung spricht.74 69 Für eine 5 %-Eingangsmeldeschwelle auch Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 495 f.; CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 41; ebenso – vorbehaltlich zukünftiger empirischer Erkenntnisse – Seibt, CFL 2010, 502, 505; ferner Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854, die dem Diskussionsentwurf bezüglich der Eingangsmeldeschwelle „in der Grundtendenz gerne beipflichten“ wollen; Ostler, S. 343, der in den existierenden § 25 Abs. 1 WpHG lediglich einen neuen S. 2 einfügen möchte. 70 Auf das Erfordernis weiterer Forschung hinweisend Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407; dies., NZG 2010, 846, 854; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 127. 71 BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 7; ders., Stellungnahme Anlegerschutz, S. 4 f.; DAI, NZG 2010, 778, 779; Schneider, AG 2011, 645, 651; wohl auch Anzinger, WM 2011, 391, 396: „Bevor man diesem Argument [Gefahr einer Meldeflut, Anm. d. Verf.] zu viel Raum einräumt, muss man sich die Dimensionen vor Augen führen. Bei großen börsennotierten Gesellschaften beziehen sich Geschäfte über 3 % der Anteile in der Regel auf eine Beteiligung mit einem Wert im Milliardeneurobereich. Meldefluten belangloser Informationen gibt es in diesem Bereich nicht.“; Brouwer, AG 2010, 404, 406. 72 So auch Brandt, BKR 2008, 441, 447; ders., BKR 2010, 270, 273; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 71; Christ, S. 223; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1532; Wansleben, StudZR 2009, 465, 488; ähnlich Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 127: Eingangsschwellenwert von 8 % oder 10 %; dies erwägend auch ESME, Cash settled derivatives, S. 2, 12, 13; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 686. 73 Zu diesem Aspekt siehe Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 495 f., die sich allerdings für eine 5 %-Eingangsmeldeschwelle aussprechen; Christ, S. 224 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854, nach denen der hypothetische Stimmrechtseinfluss nach § 25 WpHG durch das einseitige Erwerbsrecht eine „Verdichtung“ erfahren hat, die in den Fällen des § 25a WpHGDiskE nicht gegeben ist; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 127; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1531 f. 74 In Großbritannien (vgl. Rule 5.3.1 mit Verweis auf die allgemeinen Meldeschwellen) und in der Schweiz (vgl. Art. 9 Abs. 1 BEHV-FINMA unter Hinweis auf die in Art. 20 Abs. 1 BEHG
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cc) Keine Zusammenrechnung mit anderen long-Positionen Mit der Frage der Eingangsmeldeschwelle in engem Zusammenhang steht die Frage der Zusammenrechnung verschiedener long-Positionen. Nach dem Regelungsansatz des Regierungsentwurfs sind nunmehr drei Fälle zu unterscheiden75: Eine long position kann sich zunächst aus dem Halten oder aus der Zurechnung von tatsächlich bestehenden Stimmrechtsanteilen ergeben, die dem Meldepflichtigen selbst oder einem anderen aus Aktien zustehen (§§ 21, 22 WpHG). Bei § 25 WpHG geht es um das Halten von Finanzinstrumenten (und zukünftig auch sonstigen Instrumenten), die ihrem Inhaber den einseitigen Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien ermöglichen, also um hypothetische Stimmrechtsanteile, die der Meldepflichtige allerdings rechtlich an sich ziehen kann. Mit hypothetischen Stimmrechtsanteilen befasst sich auch die neue Meldepflicht des § 25a WpHGRegE, allerdings mit dem Unterschied, dass auch solche Finanzinstrumente zu melden sind, die keinen rechtlichen Anspruch auf den Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien gewähren. Spricht man sich – wie hier geschehen – für eine hohe Eingangsmeldeschwelle aus, liegt es auf den ersten Blick nahe, eine Zusammenrechnung sämtlicher longPositionen zu fordern, damit nicht trotz neuer gesetzlicher Regelung Investoren weiterhin unerkannt beträchtliche Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften aufbauen können. So wäre es unter der Annahme einer Eingangsmeldeschwelle von 10 % für Instrumente nach § 25a WpHG-RegE und bei gleichzeitigem Fehlen einer Aggregationsregel möglich, eine beträchtliche Beteiligung von 14,98 % (2,99 % gehaltene oder zugerechnete Stimmrechte nach §§ 21, 22 WpHG, 2 % Instrumente mit Recht zum Erwerb von Aktien nach § 25 WpHG, 9,99 % Instrumente, die im Sinne des § 25a WpHG-RegE den Erwerb der Aktien ermöglichen) ohne Pflicht zur Offenlegung aufzubauen. Der Diskussionsentwurf, der eine Aggregation noch ausdrücklich ausschloss76, hätte mit seiner Eingangsmeldeschwelle von 5 % den unbemerkten Aufbau einer Beteiligung in Höhe von immerhin knapp 10 % zugelassen. Es verwundert daher nicht, dass ein Teil der Literatur77, aber auch der BDI und genannten Schwellenwerte) haben sich die Befürworter einer 3 %-Eingangsmeldeschwelle durchgesetzt. In Hong Kong liegt die Eingangsmeldeschwelle bei 5 % (vgl. sec. 315 SFO). In Frankreich sind zwar auch kleinste Derivatpositionen offenzulegen, aufgrund der akzessorischen Kopplung an die Meldepflicht für stimmrechtsvermittelnde Aktien jedoch nur dann, wenn auch eine Meldepflicht nach dem Grundtatbestand besteht (vgl. Art. L 233-7 Abs. 1 S. 3 C. Com.). 75 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 24; siehe auch Begründung DiskE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, S. 40; Brandt, BKR 2010, 270, 273; ders., WM 2014, 543, 544; Heusel, WM 2012, 291, 297; Krause, AG 2011, 469, 480 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 683; Schneider, AG 2011, 645, 646; Seibt, CFL 2010, 502, 503 f.; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 172. 76 Vgl. Begründung DiskE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, S. 40. 77 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 496 (siehe allerdings auch die in Fn. 103 geäußerten Zweifel); Brouwer, AG 2010, 404, 406 f. (allerdings mit unkorrektem Zahlenbeispiel); Christ,
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das DAI78 für eine Zusammenrechnung sämtlicher long-Positionen plädierten, weil sie anderenfalls erhebliche Lücken im System der Anteilstransparenz befürchteten. Der Regierungsentwurf hat sich in Abkehr vom Diskussionsentwurf nunmehr ebenfalls dieser Ansicht angeschlossen (vgl. § 25a Abs. 1 S. 7 WpHG-RegE).79 Gleichwohl sprechen die besseren Gründe für einen Verzicht auf eine derartige Aggregationsregel.80 Wenig hilfreich war diesbezüglich indes der noch in der Begründung des Diskussionsentwurfs gegebene Hinweis, eine Aggregation hätte eine Vermischung der verschiedenen Meldekategorien zur Folge, was einen unzutreffenden Eindruck über die bestehenden Beteiligungsverhältnisse vermitteln würde81, denn dieses Problem hätte sich schließlich ganz leicht durch entsprechende Änderungen des § 17 Abs. 3 Nr. 2 WpAIV sowie des neuen § 17 Abs. 4 Nr. 2 WpAIVDiskE beheben lassen. Durch eine Verpflichtung, auch den auf die Aktien des Emittenten bezogenen Anteil aus der jeweiligen Position anzugeben, wäre der Kapitalmarkt stets darüber informiert, aus welchen Komponenten die long-position zusammengesetzt ist.82 Das hat auch der Regierungsentwurf ganz richtig erkannt und die letztgenannte Vorschrift gegenüber dem Diskussionsentwurf erweitert. Die Mitteilung nach § 25a Abs. 1 WpHG-RegE hat danach u. a. zu enthalten die Summe des Anteils aus gehaltenen Stimmrechten, des Anteils an Stimmrechten, der bestünde, wenn der Mitteilungspflichtige statt der Finanzinstrumente oder sonstigen Instrumente die Aktien hielte, die aufgrund der förmlichen Vereinbarung erworben werden können, und die Höhe des Stimmrechtsanteils, der bestünde, wenn der Mitteilungspflichtige statt der Finanzinstrumente oder sonstigen Instrumente die Aktien hielte, deren Erwerb die Finanzinstrumente oder sonstigen Instrumente ermöglichen.83 Entscheidend für die hier vertretene Auffassung spricht jedoch, dass S. 221 ff.; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 126; Seibt, CFL 2010, 502, 506; siehe auch Ostler, S. 344, nach dessen Regelungsvorschlag die Aggregationsregel des § 25 Abs. 1 S. 3 WpHG auch cash settlement-Derivate erfassen würde. 78 BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 7; ders., Stellungnahme Anlegerschutz, S. 3 f.; DAI, NZG 2010, 778 f. 79 Siehe dazu auch Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, S. 24. 80 So auch Brandt, BKR 2010, 270, 273; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 686; Renn, S. 356 f.; Wansleben, StudZR 2009, 465, 489; ebenfalls ESME, Cash settled derivatives, S. 13 mit der Begründung, eine Vollharmonisierung der Rechtsordnungen innerhalb der EU sei im Hinblick auf eine Aggregationsregel bis auf Weiteres aussichtslos. 81 Vgl. Begründung DiskE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, S. 40; dem folgend Brandt, BKR 2010, 270, 273; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 686. 82 Zu diesem Aspekt siehe BDI, Stellungnahme Anlegerschutz, S. 3; dezidiert gegen eine solche Vorgehensweise Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1528 f. 83 Siehe auch die prägnante Formulierung in Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, S. 24: „Im Rahmen der Mitteilung sind neben der Gesamtsumme der Anteile aus Stimmrechten nach §§ 21, 22 WpHG, Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten nach § 25 WpHG und weiteren Finanzinstrumenten
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allein sie dem Ziel der Verhinderung eines Übermaßes an Anteilspublizitätsmeldungen gerecht wird und gleichzeitig der Meldung von mehr Stimmrechten, als die Gesellschaft tatsächlich ausgegeben hat (sog. double counting), entgegenwirkt.84 Eine Aggregation sämtlicher long positions könnte jedoch genau das bewirken, da nicht nur der Inhaber der long position nach § 25a Abs. 1 WpHG-RegE zur Mitteilung verpflichtet wäre, sondern evtl. auch der Inhaber der short position, wenn er sich durch den Erwerb der referenzierten Aktien gegen das ihn treffende Risiko eines steigenden Aktienkurses absichert. Auch hier sei allerdings darauf hingewiesen, dass sich zahlreiche andere Rechtsordnungen ebenfalls für eine Zusammenrechnung sämtlicher long positions entschieden haben.85 Innerhalb der jeweiligen Instrumentenklasse muss selbstverständlich eine Aggregation erfolgen, d. h. sämtliche von § 25a Abs. 1 WpHG-RegE erfassten Instrumente müssen – sofern sie sich auf die Aktien desselben Emittenten beziehen – zusammengerechnet werden.86 Für Instrumente nach § 25 WpHG hat der Gesetzgeber dies in § 25 Abs. 2 WpHG ausdrücklich geregelt. Eine vergleichbare Vorschrift für den neuen § 25a WpHG suchte man im Diskussionsentwurf noch vergebens. Diesem Versäumnis hat der Regierungsentwurf jedoch in Form des neuen § 25a Abs. 2 S. 3 WpHG-RegE abgeholfen. dd) Berechnung des Stimmrechtsanteils (1) Berechnungsansätze Beim direkten Halten von stimmrechtsvermittelnden Aktien sind die aus diesen Aktien resultierenden Stimmrechte zu melden. Beim Halten derivativer Finanzinstrumente hingegen bereitet die Berechnung des meldepflichtigen Stimmrechtsanteils deswegen Probleme, weil es an einem direkten Zugriff auf die vom Vertragspartner zum Zwecke der Absicherung gehaltenen Aktien fehlt. In Betracht kommt zum einen die Heranziehung des Nominalwertes der dem Geschäft als Basiswert zugrunde liegenden Aktien, zum anderen ein sog. delta-adjustierter Ansatz.
und sonstigen Instrumenten nach § 25a WpHG auch die jeweiligen Einzelsummen aus den drei Bereichen anzugeben.“ 84 Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854. 85 Vgl. für das Vereinigte Königreich Rule 5.1.2 DTR; für Hong Kong SFC, Outline, 2.3.4, S. 8; für die Schweiz Art. 12 Abs. 1 lit. a BEHV-FINMA; siehe aber auch für Frankreich Art. L 233-7 Abs. 1 S. 3 C. Com., wonach die Meldepflicht für cash settlement-Derivate akzessorisch zur Meldepflicht nach dem Grundtatbestand ausgestaltet ist, eine Zusammenrechnung von Finanzinstrumenten mit gehaltenen Stimmrechtspositionen also nicht stattfindet. 86 So auch DAI, NZG 2010, 778 f.; Wansleben, StudZR 2009, 465, 489; für eine diesbezügliche Zusammenrechnung auch Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1529.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
(a) Nominalberechnung des Stimmrechtsanteils Eine Nominalberechnung des Stimmrechtsanteils würde bedeuten, dass der Inhaber des in Rede stehenden Instruments denjenigen Stimmrechtsanteil mitzuteilen hat, der durch die dem Instrument zugrunde liegenden stimmrechtsvermittelnden Aktien repräsentiert wird. Ein cash settled equity swap oder eine cash settled call option auf 100.000 Aktien wäre daher mit einem Stimmrechtsanteil von 100.000 Aktien zu melden.87 (b) Delta-adjustierte Berechnung des Stimmrechtsanteils Wesentlich komplexer ist die Berechnung des Stimmrechtsanteils auf der Grundlage eines delta-adjustierten Ansatzes, der darauf abstellt, wie viele Aktien der Ersteller des Derivats erwerben muss, um seine short position vollständig abzusichern. (aa) Equity swaps Bei equity swap-Geschäften ist die Wertentwicklung der jeweiligen swap-Position an die Wertentwicklung des Basiswertes gekoppelt und vollzieht diese eins zu eins nach: Für jeden Euro, um den der in Bezug genommene Aktienkurs steigt, gewinnt der Inhaber der long position einen Euro pro referenzierte Aktie, während der Inhaber der short position einen Euro verliert. Das delta, das allgemein gesprochen angibt, in welchem Ausmaß sich der Wert eines Aktienderivats im Verhältnis zum Aktienkurs verändert88, liegt bei equity swap-Geschäften daher stets bei 1. Der Inhaber der short position muss beispielsweise einen swap auf 100.000 Aktien mit 100.000 Aktien hedgen, um seine Position vollkommen glattzustellen. In Bezug auf equity swaps kommen der delta-adjustierte Ansatz und der Nominalansatz demnach zu identischen Ergebnissen: Der offenzulegende Stimmrechtsanteil entspricht der Zahl der stimmrechtsvermittelnden Aktien, die dem swap-Geschäft zugrunde liegen.89 (bb) Optionen Die Wertentwicklung von Optionen hingegen hängt nicht ausschließlich von der Entwicklung des Aktienkurses, sondern darüber hinaus von einer Vielzahl von Faktoren ab. In der Literatur werden neben dem aktuellen Aktienkurs fünf weitere den Optionspreis beeinflussende Faktoren genannt: der vor Abschluss des Opti87
Vgl. CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 56. Vgl. CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 58; FSA, CfD CP 08/17, nach Rn. 3.19; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 882 f. (2006); Hull, S. 338; Perridon/Steiner/ Rathgeber, C V 3 b dd, S. 362; Renn, S. 71; ders., SZW 2010, 186, 197 f.; Schneider, AG 2011, 645, 651 f.; Steiner/Bruns, S. 355; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419, 1422; Veranneman, GWR 2010, 337, 338. 89 Siehe FSA, CfD CP 08/17, Rn. 3.18; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 129; Renn, S. 303 f.; ders., SZW 2010, 186, 197; ders./Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 441, 443. 88
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onsgeschäfts vereinbarte Basispreis, die Restlaufzeit der Option, die Volatilität des Aktienkurses, der risikolose Zinssatz und die zukünftig erwarteten Dividendenzahlungen.90 Nicht von Relevanz ist im vorliegenden Zusammenhang, wie sich die jeweiligen Parameter im Einzelnen auf den Optionspreis auswirken.91 Entscheidend ist die Erkenntnis, dass sich das delta bei Optionen laufend ändern kann, dieses also keineswegs stets gleich 1 ist.92 Das wiederum hat Auswirkungen auf den hedgingMechanismus: Der Inhaber der short-Position wird Aktien zum Zwecke der Absicherung nur in einem für die vollkommene Glattstellung der Risikoposition erforderlichen Umfang erwerben, d. h. ein sog. delta-hedging betreiben.93 Beträgt das delta einer Option auf 100.000 Aktien beispielsweise 0,5, wird der Inhaber der short position lediglich 50.000 Stück der in Bezug genommenen Aktien zum Zwecke des hedging erwerben. Ändert sich aufgrund der Veränderung eines der oben genannten Faktoren das delta, wird der Inhaber der short position dementsprechend Aktien kaufen oder verkaufen.94 Ein delta-adjustierter Ansatz berücksichtigt das delta der Option und verlangt eine Offenlegung nur hinsichtlich der zum delta-hedging erforderlichen Aktien. Im soeben beschriebenen Beispiel müsste der Inhaber der call option seine long position nicht bezüglich der referenzierten 100.000 Aktien, sondern nur bezüglich der zum hedging der short position erforderlichen 50.000 Aktien mitteilen, sofern eine Meldeschwelle dann überhaupt noch berührt ist. Eine Änderung des delta und die damit einhergehende Veränderung des hedge-Aktienbestands kann zum Erreichen oder zur Über- oder Unterschreitung einer Meldeschwelle führen, so dass eine Mitteilungspflicht auch dann bestehen kann, wenn die Anzahl der vertraglich in Bezug genommenen Aktien sich nicht verändert hat. (2) Haltung des Regierungsentwurfs Der Regierungsentwurf entscheidet sich – wie schon der Diskussionsentwurf95 – nicht eindeutig für eine der beiden Varianten96 : § 25a Abs. 1 S. 3 WpHG-RegE 90 Vgl. Hull, S. 278 ff.; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 3 b aa, S. 350 ff.; Renn/Weber/ Gotschev, AG 2012, 440, 441 f.; Steiner/Bruns, S. 345 ff. 91 Für einen Überblick dazu siehe Hull, S. 278 ff.; Perridon/Steiner/Rathgeber, C V 3 b aa, S. 350 ff.; ausführlich zum Einfluss von Dividendenausschüttungen Steiner/Bruns, S. 350 ff. 92 Vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 498 mit Fn. 106; CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 58: „Options on the other hand have a delta that fluctuates.“; FSA, CfD CP 08/17, Rn. 3.18; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 129; Renn/Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 442 f.; Seibt, ZGR 2010, 795, 832; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419, 1422. 93 FSA, CfD CP 08/17, Rn. 3.18; Hull, S. 481 ff.; Renn, S. 76; ders., SZW 2010, 186, 198; ders./Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 441 f. 94 Beispiel nach Renn, SZW 2010, 186, 198; siehe auch CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 60; Hull, S. 481 ff.; Renn, S. 76. 95 Dies monierend auch Brandt, BKR 2010, 270, 274; DAI, NZG 2010, 778, 779; a.A. offensichtlich Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1529 mit Fn. 24.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
enthält die Aussage, bei Optionsgeschäften und diesen vergleichbaren Geschäften sei deren Ausübung zu unterstellen, was ebenso für einen nominalen Ansatz spricht wie § 25a Abs. 2 S. 1 WpHG-RegE, wonach sich die Höhe des mitzuteilenden Stimmrechtsanteils aus der Anzahl von Aktien ergibt, die der Inhaber aufgrund des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments erwerben kann. Auch § 25 WpHG liegt ein nominaler Ansatz zugrunde. Enthält das Finanzinstrument oder sonstige Instrument hingegen keine vertraglich fixierte Anzahl von Aktien, soll sich der mitzuteilende Stimmrechtsanteil gemäß § 25a Abs. 2 S. 2 WpHG-RegE nach der Anzahl derjenigen Aktien richten, welche die Gegenseite zum Zeitpunkt des Erwerbs des Instruments zu dessen vollständiger Absicherung halten müsste. Damit aber ist das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berechnete delta des Instruments angesprochen. (3) Meinungsstand Im Rahmen der Überarbeitung ihrer Disclosure Rules and Transparency Rules (DTR) im Jahre 2009 hat sich die FSA für eine delta-basierte Offenlegung ausgesprochen (vgl. Guidance 5.3.3 (2) (b) DTR). Dieser Ansatz habe gegenüber dem nominalen Ansatz zwei Vorteile: Zum ersten bilde er die Möglichkeit des Inhabers der long position, auf die von seinem Vertragspartner gehaltenen Aktien zuzugreifen, genauer ab, und zum zweiten verhindere er die Offenlegung zu hoher Stimmrechtsanteile, die den Kapitalmarkt in die Irre führen und daher der Informationseffizienz des Kapitalmarkts Schaden zufügen könnten.97 Mit dieser Auffassung steht die FSA – soweit ersichtlich – unter den nationalen Regulierungsbehörden allein auf weiter Flur98, und auch im Schrifttum findet sie nur vereinzelt Zustimmung99. Die herrschende Meinung in der Literatur hingegen lehnt den delta-adjustierten Ansatz ab.100
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So auch Christ, S. 228 mit Fn. 982; Seibt, CFL 2010, 502, 505 f. Vgl. FSA, CfD CP 08/17, Rn. 3.19; dies., CfD PS 09/3, Rn. 2.7 und 2.10. 98 Für die Zugrundlegung der vertraglich referenzierten Anzahl der Aktien Hong Kong, vgl. sec. 322 Abs. 9 lit. b SFO; SFC, Outline, 2.5.1 (ii), S. 10; wohl auch Frankreich und die Schweiz, deren einschlägige Regelungen (vgl. insbesondere Art. L 233-7 C. Com., Art. 223-14 des Livre II des Règlement Général; Artt. 12, 15 BEHV-FINMA) keine Hinweise auf das Erfordernis einer delta-Adjustierung enthalten. 99 Vehement für einen delta-adjustierten Ansatz streitend Renn, S. 161 f., 210 f.; 355 f.; ders., SZW 2010, 186, 198 f., 202; ders./Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 446 ff. 100 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 498 mit Fn. 106; Brandt, BKR 2010, 270, 274 f.; DAI, NZG 2010, 778, 779; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854; Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1053 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 883 (2006); Schneider, AG 2011, 645, 652; Seibt, ZGR 2010, 795, 832 f.; ders., CFL 2010, 502, 505 f.; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1529 f.; zurückhaltend auch Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1091; CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 59; Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 129. 97
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(4) Stellungnahme Richtig ist zweifelsohne, dass der Inhaber der long position nur auf solche Aktien zugreifen kann, die von seinem Vertragspartner auch tatsächlich gehalten werden. Sichert sich der Inhaber der short position, in den hier interessierenden Fällen also die Bank, auf einer delta-Basis gegen das Risiko eines Kursanstiegs ab, wird der Inhaber der long position in der Regel – d. h. solange das delta ungleich 1 ist – auf Aktien nicht in der dem Optionsvertrag als Basiswert zugrunde liegenden Höhe zugreifen können, sondern lediglich auf die jeweils gehaltenen Aktien. Eine Berechnung des Stimmrechtsanteils aus Finanzinstrumenten auf delta-adjustierter Grundlage ist also vermeintlich genauer.101 Betrachtet man indes die zahlreichen Fälle des Anschleichens, sind Zweifel angebracht, ob dies tatsächlich zutrifft, denn die Anschleicher waren letztlich auch bei Optionsverträgen in der Lage, denjenigen Aktienanteil zu erwerben, der diesen Verträgen als Basiswert zugrunde lag.102 Überdies existiert keine allgemeingültige Methode zur Berechnung des delta: Zum einen können neben den oben genannten Faktoren durchaus auch weitere Parameter eine Rolle spielen, zum anderen berechnen die Marktteilnehmer die Parameter teilweise selbst, so dass Divergenzen in den Berechnungen nahezu unvermeidlich sind.103 Sofern gegen einen delta-adjustierten Ansatz vorgebracht wird, dieser gehe mit einem beträchtlichen Mehraufwand für die Meldepflichtigen einher104, weist die Gegenansicht zu Recht darauf hin, dass der Inhaber der short position das delta seiner Positionen ohnehin laufend beobachten muss, um für ein adäquates hedging zu sorgen105. Nicht abgestritten werden kann indes, dass eine Offenlegung von Stimmrechtsanteilen aus Finanzinstrumenten auf delta-adjustierter Basis zu einem stark erhöhten Meldeaufkommen führen würde, weil sich das delta von Optionen täglich ändern kann.106 Für den Inhaber der Option stellt sich darüber hinaus eine 101 Diesen Vorteil reklamieren denn auch die Befürworter des delta-basierten Ansatzes für sich, vgl. FSA, CfD CP 08/17, Rn. 3.19; dies., CfD PS 09/3, Rn. 2.7; Renn, S. 161; ders., SZW 2010, 186, 202; ders./Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 447; siehe auch Krause, AG 2011, 469, 480. 102 Als Beispiele seien hier die Fälle Volkswagen/Porsche und Sulzer/Everest genannt, vgl. dazu Tschäni/Watter/Hinsen, S. 1, 7 auch mit Fn. 16. 103 Vgl. Brandt, BKR 2010, 270, 274; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854; Seibt, ZGR 2010, 795, 832 f.; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1530; dagegen Renn, S. 161, 356, nach dem eine subjektive, aber einigermaßen korrekte Berechnung des delta der Annahme eines delta von 1 für alle Optionen allemal vorzuziehen ist; ders./Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 450 f. 104 So Brandt, BKR 2010, 270, 274; anklingend auch bei CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 59; Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811, 883 (2006); dies teilweise konzedierend auch Renn/Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 448. 105 Renn, S. 211, 356; ders., SZW 2010, 186, 199. 106 Christ, S. 228; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 854; Seibt, ZGR 2010, 795, 832 f.; ferner Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 129; dagegen Renn, S. 161, nach dem sich die zusätzlichen Meldungen in Grenzen halten und angesichts der viel exakteren Abbildung der tatsächlichen Verhältnisse in Kauf genommen werden sollten; siehe aber auch ders./Weber/ Gotschev, AG 2012, 440, 449, die zugestehen, dass „der mögliche Anstieg der Zahl der Meldungen […] das größte Problem des Delta-adjustierten Systems“ ist.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
überaus wichtige praktische Frage, die weder von der FSA noch von den Anhängern ihres Ansatzes beantwortet wird: Wie kann der meldepflichtige Inhaber der long position diejenigen Informationen erhalten, die er zur Erfüllung seiner Mitteilungspflicht benötigt? Hat er gegen seinen Vertragspartner einen Anspruch auf Auskunft über die hedge-Aktienbestände? Überzeugender ist somit letzten Endes eine Offenlegung derivativer Finanzinstrumente auf nominaler Basis, also eine Behandlung sämtlicher Instrumente dergestalt, als hätten sie stets ein delta von 1. Im neuen § 25a Abs. 2 WpHG sollte daher unzweideutig klargestellt werden, dass der Inhaber eines Finanzinstruments oder sonstigen Instruments zur Offenlegung allein auf nominaler Basis verpflichtet ist. ee) Verordnungsermächtigung (§ 25a Abs. 4 WpHG-RegE) Schließlich wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung im neuen § 25a Abs. 4 WpHG Gelegenheit zur tatbestandlichen Feinsteuerung bietet.107 Dabei sollten das Finanzministerium (§ 25a Abs. 4 S. 1 WpHG-RegE) bzw. die BaFin (§ 25a Abs. 4 S. 2 WpHG-RegE)108 insbesondere weiteres Erfahrungswissen in Bezug auf derivative Finanzinstrumente sammeln und zur Bildung von Fallgruppen nutzen, in denen eine Offenlegung stets (black list) bzw. nie (white list) vorgenommen werden muss.109 Auf diese Weise könnten das Finanzministerium bzw. die BaFin zusätzlich Rechtssicherheit schaffen. Überdies könnten die oben bereits angesprochenen Fragen zur Erfassung von Baskets und indexbasierten Finanzinstrumenten110 sowie zur Einführung einer de minimis-Regelung im Rahmen der WpAIV angemessen gelöst werden. ff) Zwischenergebnis Sowohl dem Gesetz- als auch dem Verordnungsgeber bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur angemessenen Feinjustierung des neuen Mitteilungstatbestands. Angesichts dessen erscheint es durchaus realistisch, dass das Meldeaufkommen in überschaubaren Grenzen gehalten werden kann und den veröffentlichten Mittei107 Vgl. Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482; kritisch zur Konkretisierung durch Rechtsverordnung und Verwaltungspraxis Anzinger, WM 2011, 391, 396. 108 Der Diskussionsentwurf sah – entgegen der wohl versehentlichen Annahme von Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853 – noch keine Möglichkeit zur Übertragung der Detailkompetenz auf die BaFin vor. 109 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 25 f.; Christ, S. 233 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 846, 853; Renz/ Rippel, BKR 2011, 235, 238; Seibt, CFL 2010, 502, 504; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482; siehe auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 685 f.; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1481 zu Fallgestaltungen aus der M&A-Praxis. 110 Vgl. dazu auch Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, S. 25.
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lungen auch tatsächlich ein informatorischer Nutzen für die Anlageentscheidungen der Kapitalmarktteilnehmer zukommt. d) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Meldepflichten aa) Ordnungswidrigkeit Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht aus § 25a WpHG-RegE stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. f WpHG-RegE), die nach § 39 Abs. 4 WpHG-RegE mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 E belegt werden kann. Dadurch soll ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs sichergestellt werden, dass eine Nichtbefolgung der Pflicht auch bei größeren Übernahmetransaktionen und den mit diesen verbundenen hohen Gewinnmöglichkeiten mit einer spürbaren Geldbuße einhergeht und so eventuellen Umgehungen vorgebeugt wird.111 Daneben wird aus Gründen des Gleichlaufs mit der Bußgeldregelung bzgl. des § 25a WpHG-RegE der Bußgeldrahmen auch für Verstöße gegen die aus den §§ 21, 22 WpHG und § 25 WpHG resultierenden Offenlegungspflichten von derzeit maximal 200.000 E auf 500.000 E heraufgesetzt (vgl. § 39 Abs. 4 WpHG-RegE).112 Darin erblicken manche Literaturstimmen eine „signifikante Anhebung“113 und stimmen dadurch dem Regierungsentwurf indirekt in dessen Beurteilung zu, die Anhebung des Bußgelds entfalte eine hinreichende Abschreckungswirkung. Das ist indes überaus zweifelhaft, denn angesichts der beträchtlichen, durchaus im dreistelligen Millionenbereich liegenden Einsparungsmöglichkeiten des Anschleichers114 dürfte ein Bußgeld von im Vergleich dazu lächerlich geringen 500.000 E keinen Anreiz zu gesetzeskonformem Verhalten darstellen115. Ebenso zweifelhaft ist jedoch, ob dieses Problem durch eine weitere, wirklich signifikante Anhebung des Bußgeldrahmens adressiert werden sollte116. Völlig zu 111 Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 32. 112 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 32. 113 Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687. 114 Vgl. Renn, S. 184 unter Berufung auf die Börsen-Zeitung, der zufolge Schaeffler durch sein heimliches Vorgehen 145 Mio. E gespart haben soll. 115 Darauf hinweisend auch BDI, Stellungnahme Anlegerschutz, S. 5; Brouwer, AG 2010, 404, 407; ders., AG 2012, 78; Christ, S. 107, 235; DAI, NZG 2010, 778, 779; dies konzedierend auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687; siehe zur derzeitigen Bußgeldregelung Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 558: „[…] Geldbuße, die nach § 39 Abs. 4 WpHG bis zu 200.000 Euro betragen kann. Das ist im Vergleich zu möglichen Gewinnen des Meldepflichtigen, zum Schaden im Kapitalmarkt und zu den kartellrechtlichen Geldbußen lächerlich wenig.“ 116 So indes DAI, NZG 2010, 778, 779: „[d]rastische Erhöhung des Bußgeldes in Richtung einer aus dem Kartellrecht bekannten Gewinnabschöpfung“; Wansleben, StudZR 2009, 465, 489, der für eine Orientierung der Bußgeldhöhe am Volumen der abgeschlossenen Derivate plädiert.
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Recht haben C. Teichmann und Epe bezüglich des neu zu schaffenden § 25a WpHG117 darauf hingewiesen, dass das Zusammenspiel von extrem weitem Offenlegungstatbestand und bußgeldbewährter Ordnungswidrigkeit mit dem auch im Ordnungswidrigkeitsrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) konfligiert.118 bb) Alternative Sanktionsmechanismen Man wird daher nach alternativen Sanktionsmechanismen suchen müssen, will man das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften auch von der Rechtsfolgenseite her unattraktiv gestalten. (1) Erweiterung des Rechtsverlusts (§ 28 WpHG) An erster Stelle fällt auf, dass sowohl das Finanzministerium als auch die Bundesregierung – wie bei der Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG – davon abgesehen haben, als weitere (allerdings zivilrechtliche119) Sanktion eines Verstoßes gegen die Meldepflicht des § 25a WpHG-RegE den Rechtsverlust nach § 28 WpHG anzuordnen. Seit ihrer Einführung sieht sich die Vorschrift – insbesondere wegen ihres beschränkten Anwendungsbereichs120 und wegen des auf sechs Monate begrenzten Zeitraums des erweiterten Rechtsverlusts nach § 28 S. 3 WpHG121 – Kontroversen über ihre Effektivität ausgesetzt. In diesem Kontext ist auch der nun im Zusammenhang mit der Regulierung des Anschleichens formulierte Vorschlag zu sehen, den Rechtsverlust nach § 28 WpHG auszudehnen122. Dieser Vorschlag verdient vorbehaltlose Unterstützung.123 117
Bezüglich der Mitteilungspflichten aus §§ 21, 22 WpHG und aus § 25 WpHG bestehen unter diesem Gesichtspunkt weniger Bedenken, da diese Tatbestände enger umrissen sind. 118 C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482; dies., WM 2012, 1213, 1215; a.A. Seibt, CFL 2010, 502, 506. Bedenklich ist daher die weitaus strengere Bußgeldregelung in Art. 41 BEHG, die auch von schweizerischen Autoren als „drakonisch“ bezeichnet wird, vgl. Böckli, § 7 Rn. 59; Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 237. 119 Dazu siehe Tautges, BB 2010, 1291, 1295 m.w.N. zu beiden Ansichten. 120 Die Zurechnungstatbestände des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 – 6, Abs. 2 WpHG sowie die Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG werden von § 28 WpHG nicht erfasst, vgl. Brouwer, AG 2012, 78 f.; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 1373, 1377; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 28 Rn. 27; Heinrich/Kiesewetter, Der Konzern 2009, 137, 141 f.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 28 WpHG Rn. 12. 121 Vgl. dazu Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 6 f., 27g; ferner KölnKommWpHG/ Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 6. 122 BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 8; ders., Stellungnahme Anlegerschutz, S. 5; Brouwer, AG 2010, 404, 407; DAI, NZG 2010, 778, 779; Seibt, CFL 2010, 502, 507; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482; a.A. (gegen eine Ausdehnung des Stimmrechtsverlusts) Baums/Sauter, ZHR 173 (2009) 454, 501; Krause, AG 2011, 469, 482; unentschlossen Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 130 mit Fn. 136. 123 Kritisch zu § 28 WpHG schon Tautges, BB 2010, 1291, 1294 f.
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Selbstverständlich kann die Anordnung des Rechtsverlusts bei § 25a WpHGRegE ebenso wie bei § 25 WpHG nicht an aktuell gehaltene Stimmrechte anknüpfen, weil der Meldepflichtige (noch) keine stimmrechtsvermittelnden Aktien besitzt.124 Das bedeutet aber nicht, dass man in diesen Konstellationen auf das effektive Instrument des Rechtsverlusts verzichten muss, denn es ist rechtskonstruktiv durchaus möglich, den Rechtsverlust erst dann eintreten zu lassen, wenn der Meldepflichtige die Referenzaktien tatsächlich erwirbt. In eben diese Richtung sollte § 28 WpHG erweitert werden.125 In seiner jetzigen Ausgestaltung hingegen entfaltet die Vorschrift nicht die bezweckte Abschreckungswirkung, weil der gegen § 25 WpHG oder § 25a WpHG-RegE verstoßende Investor nicht befürchten muss, dass ihm die Stimmrechte aus den später erworbenen Aktien wieder entzogen werden.126 Sofern der Meldepflichtige seine Mitteilungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, tritt der gegenüber § 28 S. 1 WpHG erweiterte Rechtsverlust nach § 28 S. 3 WpHG ein. Der momentan dafür vorgesehene Zeitraum von sechs Monaten entfaltet jedoch ebenfalls keine hinreichende Abschreckungswirkung, denn die im Zentrum stehende Rechtsfolge der Suspendierung des Stimmrechts kommt praktisch überhaupt nicht zum Tragen, wenn innerhalb der verlängerten Frist eine Hauptversammlung nicht stattfindet.127 Eine Ausdehnung des Zeitraums auf zwölf Monate hingegen könnte die Attraktivität des versteckten Beteiligungsaufbaus abermals signifikant verringern.128 Die schweizerische Regelung in Art. 20 Abs. 4bis BEHG, die eine Suspendierung des Stimmrechts für die Dauer von bis zu fünf Jahren vorsieht, geht indes eindeutig zu weit.129 Ein derart schwerer Eingriff in das Aktieneigentum sähe sich erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.130 Die 124
Insofern richtig Brandt, BKR 2010, 270, 275; zuvor schon ders., BKR 2008, 441, 448: „rechtskonstruktiv schwer zu regeln“; Wansleben, StudZR 2009, 465, 489; a.A. Seibt, CFL 2010, 502, 507, nach dem der Stimmrechtsverlust schon vor dem tatsächlichen Erwerb der Aktien durch den Meldepflichtigen greifen soll, sobald dieser an sich Stimmrechte ausüben könnte oder auf ihre Ausübung tatsächlich Einfluss nehmen kann. 125 So BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 8; ders., Stellungnahme Anlegerschutz, S. 5; Brouwer, AG 2010, 404, 407; Christ, S. 236 f.; DAI, NZG 2010, 778, 779; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482; wohl auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687; siehe auch Brouwer, AG 2012, 78, 79, der darauf abstellt, dass der Rechtsverlust nach § 28 WpHG sämtliche Aktien erfasst, die der Meldepflichtige hält, und nicht nur diejenigen (auch zukünftigen), die zur meldepflichtauslösenden Schwellenberührung führen. 126 So auch Brouwer, AG 2012, 78, 82; Christ, S. 107; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482. 127 Vgl. dazu Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 6 f., 27g; siehe auch KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 6. 128 Für eine Ausdehnung des Zeitraums auf zwölf Monate auch Brouwer, AG 2012, 78, 83; Christ, S. 237; Seibt, CFL 2010, 502, 507. 129 Weniger deutlich, aber ebenfalls kritisch C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482 mit Fn. 83. 130 Kritisch denn auch Kunz, Liber Amicorum Watter, S. 229, 255: „M. E. sollte indes angesichts des gewichtigen Eingriffs in ein „aktienrechtliches Grundrecht“ die künftige Praxis eine angemessene Zurückhaltung entwickeln. Selbst einem pflichtverletzenden Investor soll
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
schweizerische Regelung hat gegenüber der deutschen Regelung indes einen nicht unwesentlichen Vorteil: Mittels der in Art. 20 Abs. 4bis BEHG angeordneten Suspendierung der Stimmrechtsausübung durch gerichtliche Entscheidung umgeht sie elegant das in Deutschland bestehende Problem der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses131 gestützt auf die Begründung, dem Meldepflichtigen sei die Ausübung der Stimmrechte wegen Verstoßes gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften nicht gestattet gewesen.132 Die Aufnahme einer Regelung in die Anfechtungsvorschriften des AktG, die eine auf eine fehlerhafte Ermittlung der Stimmrechte gestützte Anfechtung untersagt, sofern der Emittent die Stimmberechtigung anhand vorliegender Stimmrechtsmitteilungen bestimmt hat133, wäre zwar weniger elegant, aber ebenfalls geeignet, das Ziel der Anfechtungssicherheit des Stimmrechtsverlusts zu erreichen.134 (2) Untersagung eines Übernahmeangebots durch die BaFin Da der soeben erörterte Stimmrechtsverlust erst mit dem tatsächlichen Erwerb der dem Derivatgeschäft zugrundeliegenden Aktien eintritt, stellt sich die Frage nach einem effektiven Schutz vor diesem Zeitpunkt. Der Anschleicher wäre beispielsweise nicht an der Abgabe eines Übernahmeangebots gehindert, sondern lediglich nach dessen Durchführung an der Ausübung der Stimmrechte aus denjenigen Aktien, die den Derivatgeschäften als Basiswert zugrunde lagen. Ein dem Stimmrechtsverlust nach § 28 WpHG vorausgehender Schutz vor einem heimlichen Beteiligungsaufbau zur Vorbereitung einer Übernahme könnte darin bestehen, die Abgabe eines unter Verletzung der Beteiligungspublizitätspflichten abgegebenen Übernahmeangebots zu untersagen. Im Rahmen einer Ergänzung des § 15 WpÜG könnte der BaFin diese Befugnis eingeräumt werden.135 Dies hätte dann gemäß § 26 Abs. 1 WpÜG zur Folge, dass ein erneutes Angebot dieses Bieters vor Ablauf einer einjährigen Sperrfrist unzulässig wäre, was die Missachtung der Anteilstransparenzvorschriften abermals unattraktiver machen würde.
nicht mittelbar der „Aktionärsstatus“ abgesprochen werden.“ Art. 20 Abs. 4bis BEHG ist mit Wirkung zum 01. Mai 2013 ersatzlos gestrichen worden. 131 Siehe schon Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2120, der die Sanktion des sechsmonatigen Rechtsverlusts als ein „gefundenes Fressen“ für räuberische Aktionäre bezeichnet. 132 Siehe auch Christ, S. 237; C. Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1482. 133 Dafür BDI, Stellungnahme Anlegerschutz, S. 6; DAI, NZG 2010, 778, 779. 134 Zur anfechtungssicheren Ausgestaltung der Stimmrechtsmitteilungen siehe Brouwer, AG 2012, 78, 84 f. 135 So BDI, Stellungnahme Anlegerschutz, S. 6; Brandt, BKR 2008, 441, 448; ders., BKR 2010, 270, 275; Brouwer, AG 2010, 404, 407; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 298; Seibt, CFL 2010, 502, 507.
A. Hidden (morphable) ownership
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e) Offenlegung von short-Positionen Der Regierungsentwurf sieht in § 25a WpHG-RegE die Offenlegung solcher Finanzinstrumente und sonstiger Instrumente vor, die ihrem Inhaber den Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien ermöglichen, wobei ein derartiges Ermöglichen nach § 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG-RegE insbesondere dann gegeben ist, wenn die Gegenseite des Inhabers ihre Risiken aus diesen Instrumenten durch das Halten von Aktien ausschließen oder vermindern kann. Die Vorschrift bezweckt ergo lediglich die Offenlegung von long-Positionen; eine Offenlegung von short-Positionen ist nicht vorgesehen. Das ist im Hinblick auf das Phänomen der hidden (morphable) ownership136 konsequent, da short-Positionen einen Zugang zu stimmrechtsvermittelnden Aktien nicht gewähren. In keinem Fall sollte eine Verrechnung von short-Positionen mit long-Positionen (sog. netting) zugelassen werden137: Völlig unabhängig von der Größe der shortPosition hat der Anschleicher in Höhe der eingegangenen long-Position Zugang zu mit Stimmrechten verbundenen Aktien. Dieser Umstand ist Gegenstand der Mitteilungspflicht des § 25a WpHG-RegE. Das Verbot des netting verhindert, dass der Anschleicher seine offenlegungsbedürftigen long-Positionen durch den Aufbau von short-Positionen kleinrechnet. Es verwundert dementsprechend nicht, dass auch andere Rechtsordnungen ein netting nicht zulassen138 und eine getrennte Offenlegung von Kauf- und Verkaufspositionen vorschreiben, sofern letztere überhaupt offengelegt werden müssen139. 3. Ausdehnung des § 25 WpHG auf „sonstige Instrumente“ Neben der hier ausführlich diskutierten neuen Meldepflicht in § 25a WpHG-RegE sieht der Regierungsentwurf in § 25 WpHG-RegE eine Ausweitung der dort geregelten Meldepflicht auf „sonstige Instrumente“ vor. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs gelten als sonstige Instrumente im Sinne des § 25 WpHG-RegE alle Vereinbarungen, die ein Recht auf den Erwerb von mit Stimmrecht verbundenen Aktien gewähren, ohne vom Begriff des Finanzinstruments in § 2 Abs. 2b WpHG erfasst zu werden. Als Anwendungsfälle hat der Regierungsentwurf dabei v. a. den 136 Zum Erfordernis einer Offenlegung von short-Positionen zum Zwecke der Aufdeckung von empty voting-Positionen siehe aber unten 5. Kapitel B. 137 Ebenso BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 6; Brandt, BKR 2010, 270, 273; CESR, Major Shareholding Notifications, Rn. 42; ESME, Cash settled derivatives, S. 2, 12; Hu/Black, 61 Bus. Law. 1011, 1052 (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 882 (2006); Möritz, ZVglRWiss 109 (2010) 94, 128; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1530; a.A. allein Renn, S. 356 f. 138 Vgl. für die Schweiz Art. 12 Abs. 1 BEHV-FINMA; für das Vereinigte Königreich FSA, CfD CP 08/17, nach Rn. 2.14; für Hong Kong SFC, Outline, 2.6.3.1, S. 11. 139 In der Schweiz sind gemäß Art. 12 Abs. 1 BEHV-FINMA Erwerbspositionen und Veräußerungspositionen unabhängig voneinander zu berechnen und gleichzeitig zu melden. In Hong Kong ist die Offenlegung von short-Positionen an die Pflicht zur Offenlegung einer longPosition gekoppelt, vgl. SFC, Outline, 2.7.8, S. 15.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
Rückübertragungsanspruch des Darlehensnehmers eines Wertpapierdarlehens und die Rückkaufvereinbarung bei einem Repo-Geschäft (repurchase agreement) im Blick.140 Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass auch Wertpapierdarlehen ein unbemerktes Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften ermöglichen141, weil die ganz h.M. im Schrifttum und die Aufsichtspraxis der BaFin Rückübertragungsansprüche von § 25 Abs. 1 WpHG in seiner aktuellen Ausgestaltung mangels Finanzinstrumenteigenschaft nicht erfasst sehen142. Die Aufnahme derartiger Rückübertragungsansprüche in den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 WpHG ist aus zwei Gründen uneingeschränkt zu begrüßen143: Beließe der Gesetzgeber es bei einer Meldepflicht für Finanzinstrumente, welche den Aktienerwerb durch den Investor ermöglichen, stünde zu erwarten, dass Anschleicher auf die Wertpapierdarlehensalternative auswichen, um sich an eine potentielle Zielgesellschaft heranzupirschen. Das Ziel des Gesetzgebers, das Anschleichen zu unterbinden, lässt sich demnach nur dann wirksam erreichen, wenn sämtliche Optionen des unbemerkten Beteiligungsaufbaus unterbunden werden. Dafür besteht angesichts der negativen Implikationen des Anschleichens auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ein dringendes Bedürfnis. Zudem dürfte dadurch auch denjenigen Stimmen in der Literatur der Wind aus den Segeln genommen werden, die der BaFin eine widersprüchliche Aufsichtspraxis unterstellt haben.144 4. Ergebnis Der Regierungsentwurf eines Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes verdient – bezogen auf die angestrebte Ausgestaltung der Anteilspublizität – in seiner grundsätzlichen Herangehensweise Zustimmung. In den Detailfragen zum neuen Mitteilungstatbestand des § 25a WpHG-RegE besteht indes Nachbesserungsbedarf: Um eine allzu hohe Meldefrequenz zu vermeiden, die letztlich nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an Transparenz bedeutete, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Eingangsmeldeschwelle für Instrumente, die den Erwerb von stimmrechtsvermittelnden Aktien ermöglichen, auf 10 % angehoben und klargestellt werden, dass sämtliche derivativen Finanzinstrumente auf der Grundlage einer nominalen und nicht einer delta-adjustierten Berechnung zu melden sind. Wenig Aussicht auf Erfolg – weil erst durch den Regierungsentwurf in einem abweichenden 140 Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 23. 141 Siehe oben 2. Kapitel B. III. 2. 142 Siehe dazu oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (5) und C. I. 2. b). 143 So auch Brandt, BKR 2010, 270, 273: „konsequent“; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 687 f.; Seibt, CFL 2010, 502, 504; Voß, BB 2010, 3099, 3103; siehe zuvor auch schon Wansleben, StudZR 2009, 465, 486; kritisch F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 14a. 144 Siehe auch dazu oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (5).
B. Empty voting
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Sinne klargestellt – dürfte die Anregung haben, die Positionen aus § 25a WpHGRegE nicht mit anderen long-Positionen aus §§ 21, 22 WpHG und § 25 WpHG zusammenrechnen. Auf der Rechtsfolgenseite sollte der Gesetzgeber endlich den Mut zeigen, den Stimmrechtsverlust bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verstoß gegen die §§ 21 ff. WpHG auf zwölf Monate zu verlängern, um die derzeit fehlende Abschreckungswirkung herbeizuführen. Überdies sollte die BaFin in § 15 WpÜG ermächtigt werden, die Abgabe eines unter Verletzung der Beteiligungspublizitätspflichten abgegebenen Übernahmeangebots zu untersagen. Schließlich sollten die vom Finanzministerium zu erlassenden Ergänzungen der WpAIVeine Regelung dergestalt vorsehen, dass Finanzinstrumente auf Aktienkörbe oder Aktienindizes nur dann mitteilungspflichtig sind, wenn die Aktien eines börsennotierten Unternehmens in diesem Korb oder Index ein Gewicht von mindestens 30 % haben.
B. Empty voting I. Regelungsbedürfnis Das grundsätzliche Bedürfnis für eine Regulierung des risikoentleerten Abstimmens entspringt dem ihm anhaftenden Interessenkonfliktpotential, das die Vereinnahmung persönlicher Gewinne zu Lasten der Gesellschaft und der Mitaktionäre befürchten lässt.145 Wie weit eine solche Regulierung gehen sollte146, ist in einem wesentlichen Punkt bereits an anderer Stelle geklärt worden147: Die lex lata stellt den von empty voting betroffenen Aktionären insbesondere in Gestalt des Verbots des (Stimm-)Rechtsmissbrauchs und der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ein Instrumentarium zur Verfügung, das ihnen die Bekämpfung der schwerwiegenden Fälle des empty voting ermöglicht. Wie gezeigt besteht das Problem in der fehlenden Erkennbarkeit dieser Konstellationen. Hier sollte die Regulierung des empty voting ansetzen: Eine Vorschrift, die eine Offenlegung des Beteiligungsinteresses verlangte, könnte die betroffenen Gesellschaften und die Mitaktionäre in die Lage versetzen, sich auf diese besondere Situation einzustellen, und ihnen die für präventive oder repressive Maßnahmen gegen das empty voting benötigten Informationen an die Hand geben. Transparenz ist demnach das Gebot der Stunde.148 145
Ausführlich siehe oben 3. Kapitel A. II. Zur Option, gar nichts gegen das empty voting zu unternehmen, vgl. Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1074 ff. (2013). 147 Siehe oben 4. Kapitel B. III. 1. und B. III. 4. 148 Vgl. auch Barry/Hatfield/Kominers, 99 Va. L. Rev. 1103, 1110, 1149 ff. (2013); Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 454 ff., der in Transparenz indes nur einen ersten Schritt zu weiteren Maßnahmen erblickt; Frankel, 33 Seattle U. L. Rev. 931, 944 (2010): „[…] the various methods of these mechanisms [voting decouplings, Anm. d. Verf.] […] should be disclosed. And if their value is in their hidden effect, they should be disclosed to destroy this value. Their benefits should be in their effect and the judgment of this effect should not be left to the holders of empty 146
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
Darüber hinausgehender Maßnahmen, wie sie von Hu und Black in ihrer Aufsatzreihe vorgeschlagen worden sind149, bedarf es meines Erachtens jedenfalls für das deutsche Recht nicht.
II. Reichweite einer Regelung zur Offenlegung von short-Positionen Damit ist indes lediglich geklärt, dass es einer Regelung zur Offenlegung von short-Positionen bedarf. Auszuloten bleibt, wie weit die Offenlegung von shortPositionen gehen soll. 1. Offenlegung von Brutto-short-Positionen Eine erste Möglichkeit bestünde darin, jede short-Position in Aktien eines börsennotierten Unternehmens ab einer gewissen Schwelle zum Gegenstand einer eigenen, d. h. von der Mitteilung der long-Position unabhängigen Offenlegungspflicht zu machen.150 Dies erlaubte es der Gesellschaft, das Beteiligungsinteresse jedes Aktionärs, der seinen Stimmrechtseinfluss nach §§ 21 ff. WpHG offengelegt hat, relativ genau zu bestimmen. Insbesondere hätte dieser Ansatz eine Offenlegung von short-Positionen auch dann zur Folge, wenn der Aktionär insgesamt ein positives wirtschaftliches Interesse aufweist. Soweit er keine short-Position meldet, könnte die Gesellschaft davon ausgehen, dass das Beteiligungsinteresse im Wesentlichen – Ungenauigkeiten resultieren daraus, dass kleinere short-Positionen von der festzulegenden Eingangsmeldeschwelle nicht erfasst werden – proportional zum gemeldeten Stimmrechtsanteil ausgestaltet ist. Eine Pflicht zur Offenlegung der short position bestünde jedoch auch dann, wenn der Meldepflichtige keinerlei stimmrechtsvermittelnde Aktien oder Instrumente nach §§ 21 ff. WpHG hält oder die dort statuierten Eingangsmeldeschwellen nicht erreicht. votes.“; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 5; Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 76; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1087 f. (2013); Schouten, Working Paper, S. 52: „To enable ex post scrutiny, transparency is key. To begin, a disclosure obligation discourages empty voting driven by insincere motives, by increasing the risk of detection. Moreover, disclosure enables the market and the firm to detect actual abuse and commence litigation if need be.“; Theusinger/ Möritz, NZG 2010, 607, 610 f.: „Die Herausforderung beim Thema Empty Voting lautet Transparenz: Das Kernproblem liegt darin, Fälle von Empty Voting zu entdecken.“ (allerdings mit Bedenken auf S. 611); kritisch zu einer Offenlegungsregelung Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2120; Zetzsche, NZG 2009, 692, 696 f. 149 Vgl. Hu/Black, 61 Bus Law. 1011, 1055 ff. (2006); dies., 79 S. Cal. L. Rev. 811, 886 ff. (2006); dies., 156 U. Pa. L. Rev. 625, 694 ff. (2008); ferner Cohen, 45 Harv. J. on Legis. 237, 253 ff. (2008); Lee, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 883, 906 ff.; Überblick zu den zahlreichen Vorschlägen bei Bachmann, ZHR 173 (2009) 596, 639 ff.; Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 469 ff.; Seibt, ZGR 2010, 795, 822 ff. 150 So BDI, Stellungnahme Vorbeugung, S. 4.; Brouwer, AG 2010, 404, 405; DAI, NZG 2010, 739.
B. Empty voting
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2. Offenlegung von Netto-short-Positionen (§ 30i WpHG) Der deutsche Gesetzgeber hat sich indes kürzlich im Rahmen des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte151 dem Vorschlag des Committee of European Securities Regulators (CESR) für ein gesamteuropäisches short selling-Offenlegungsregime152 angeschlossen153 und sich somit für einen anderen Ansatz entschieden154: Nach § 30i Abs. 1 WpHG sind NettoLeerverkaufspositionen, die eine Höhe von 0,2 % der Aktien eines börsennotierten Unternehmens erreichen, überschreiten oder unterschreiten, bis zum Ablauf des nächsten Handelstages der BaFin mitzuteilen. Erreicht, überschreitet oder unterschreitet die Netto-Leerverkaufsposition eine Höhe von 0,5 %, ist sie nicht nur der BaFin mitzuteilen, sondern zusätzlich im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen.155 Nach der Legaldefinition des § 30i Abs. 2 WpHG liegt eine NettoLeerverkaufsposition dann vor, wenn eine Saldierung aller durch ihren Inhaber gehaltenen Finanzinstrumente ergibt, dass sein ökonomisches Gesamtinteresse an den Aktien des Unternehmens einer Leerverkaufsposition in Aktien entspricht.156 Ob die gehaltenen Finanzinstrumente auf der Basis ihres Nominalwertes oder unter Berücksichtigung ihres delta-Wertes157 berechnet werden, lässt § 30i WpHG offen. Auch die Begründung des Gesetzesentwurfs enthält auf diese Frage keine Antwort. Die herrschende Ansicht in der Literatur geht unter Hinweis auf die Praxis der BaFin zu ihrer Allgemeinverfügung zur Einführung einer Transparenzpflicht für NettoLeerverkaufspositionen vom 04. März 2010158 allerdings davon aus, dass die Finanzinstrumente mit ihrem delta-Wert berücksichtigt werden müssen.159 151 Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21. Juli 2010, BGBl. I 2010, S. 945; zu dessen Ähnlichkeit mit den Allgemeinverfügungen der BaFin vom 04. März 2010 und 18. Mai 2010 siehe Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419, 1420 f., 1424. 152 Vgl. CESR, Short Selling Model, Rn. 24 ff.; dass., Short Selling Details; zur letztlich verabschiedeten Leerverkaufsverordnung siehe unten 7. Kapitel B. II. 153 Vgl. Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 10, wo die Vorschläge des CESR ausdrücklich in Bezug genommen werden; siehe dazu auch Möllers/Christ/Harrer, NZG 2010, 1167, 1168. 154 Zu einem nochmals anderen Ansatz siehe CESR, Short Selling Model, Rn. 17 ff.; unschlüssig ESME, Short selling, S. 28 f. 155 Zu diesem zweistufigen Offenlegungssystem siehe CESR, Short Selling Model, Rn. 28 ff.; Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 10. 156 Vgl. zu den Einzelheiten CESR, Short Selling Model, Rn. 42 ff.; CESR, Short Selling Details, Rn. 11 ff.; Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 10. 157 Zu beiden Ansätzen siehe oben 5. Kapitel A. III. 2. c) dd). 158 Siehe FAQ-Liste zur Transparenzregelung für Netto-Leerverkaufspositionen (Stand: 23. 03. 2010), abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_179/nn_722758/SharedDocs/Artikel/DE/ Service/Aufsichts recht/faq__100304__vf__leervk__transparenz.html (zuletzt aufgerufen am 08. 10. 2010).
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
Durch das Abstellen auf die Netto-Leerverkaufsposition gestattet § 30i WpHG dem Meldepflichtigen ein sog. netting, d. h. die Verrechnung von long positions mit short positions: Eine Mitteilungspflicht (§ 30i Abs. 1 S. 1 WpHG) bzw. zusätzlich eine Veröffentlichungspflicht (§ 30i Abs. 1 S. 2 WpHG) entsteht erst dann, wenn die short-Positionen die long-Positionen um 0,2 % bzw. 0,5 % übersteigen. Um den Inhabern von Netto-Leerverkaufspositionen und der BaFin die Implementierung der Anforderungen der Neuregelungen in ihre bestehenden Systeme zu ermöglichen bzw. entsprechende Systeme aufzubauen160, hat der Gesetzgeber eine recht großzügige Umsetzungsfrist vorgesehen; die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten des § 30i WpHG treten erst am 26. März 2012 in Kraft. 3. Stellungnahme Das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte ist unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise161 mit heißer Nadel gestrickt worden: Zwischen demjenigen Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums, der erstmals Vorschriften zur Regulierung von Leerverkäufen enthielt162, und der Verabschiedung des Gesetzes vergingen nur etwas mehr als zwei Monate, so dass es nicht verwundert, dass das Gesetz in mehrfacher Hinsicht unausgewogen erscheint163. Hier seien lediglich die Implikationen der sich aus § 30i WpHG ergebenden Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten auf das empty voting angesprochen. 159 Vgl. Mittermeier, S. 138; Tyrolt/Bingel, BB 2010, 1419, 1422; Veranneman, GWR 2010, 337, 338. 160 Vgl. Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 11. 161 Vgl. Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 7: „Die Finanzkrise hat das Vertrauen in die Finanzmärkte erschüttert und die Notwendigkeit weiterer substanzieller Verbesserungen des Aufsichtsrechts zu Tage treten lassen. […] Es ist daher erforderlich, durch das gesetzliche Verbot bestimmter potenziell krisenverstärkender Transaktionen und eine verbesserte Transparenz diesen negativen Marktentwicklungen entgegenzutreten.“ 162 Skurrilerweise war das gerade nicht der Diskussionsentwurf des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, sondern der Diskussionsentwurf des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes vom 03. Mai 2010, dessen Regierungsentwurf oben (vgl. 5. Kapitel A. III.) bereits ausführlich beleuchtet wurde. Die Vorschriften zur Regulierung von Leerverkäufen (§§ 30h, 30i WpHG) wurden dann allerdings aus dem vorerwähnten Gesetz herausgelöst und in den Diskussionsentwurf des Gesetzes zur Stabilität der Finanzmärkte vom 25. Mai 2010 übernommen. Nur eine Woche später fanden sie schließlich im Diskussionsentwurf des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 02. Juni 2010 ihre endgültige Heimat. Dieses Gesetz wurde am 21. Juli 2010 vom Bundestag beschlossen und am 26. Juli 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet. 163 Vgl. die kritischen Stellungnahmen bei BDI, Stellungnahme Vorbeugung, S. 3 ff.; Brouwer, AG 2010, 404, 405; DAI, NZG 2010, 739 ff.
B. Empty voting
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Weder in den Berichten des CESR noch in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP findet das empty voting Erwähnung.164 Man wird daher davon ausgehen dürfen, dass sich weder das CESR noch der deutsche Gesetzgeber der Tatsache bewusst waren, dass sich ihre Maßnahmen im Zusammenspiel mit den Beteiligungstransparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG auch auf das empty voting auswirken: Teilt ein Aktionär, der eine der in § 21 Abs. 1 WpHG genannten Meldeschwellen erreicht oder überschritten und dies ordnungsgemäß gemeldet hat, der BaFin mit, er halte eine Netto-Leerverkaufsposition von 0,2 % oder mehr, ist der BaFin bewusst, dass der Aktionär ein negatives Beteiligungsinteresse hat und dementsprechend eine empty voting-Position bekleidet. Der Kapitalmarkt erhält die gleiche Information, wenn der Aktionär eine Netto-Leerverkaufsposition von 0,5 % erreicht oder überschreitet, da dieser dann zur Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger verpflichtet ist. § 30i WpHG bewirkt im Zusammenspiel mit den §§ 21 ff. WpHG mithin die Offenlegung des negativen Beteiligungsinteresses eines Aktionärs, sofern dieses die genannten Schwellen erreicht. Mithilfe des § 30i WpHG soll einerseits der BaFin die Möglichkeit gegeben werden, am Markt entstehende große Leerverkaufspositionen und hieraus folgende Gefahren frühzeitig zu erkennen und ggf. beseitigen zu können. Andererseits soll sichergestellt werden, dass die Marktteilnehmer wie auch die Emittenten über die Handelsaktivitäten anderer Marktteilnehmer informiert sind und auf diese angemessen reagieren können.165 So nachvollziehbar dies grundsätzlich sein mag, im Hinblick auf das Abstimmen ohne korrespondierendes Beteiligungsinteresse sind diese Maßnahmen nicht ausreichend166: Als schwerwiegende Fälle des empty voting sind die Ausübung des Stimmrechts bei negativem und bei neutralem Beteiligungsinteresse identifiziert worden. Eine Transparenzregelung in Bezug auf das empty voting muss als Minimum diese Konstellationen erfassen. Ein Aktionär beispielsweise, der mit 10 % an einer börsennotierten Gesellschaft beteiligt ist und sein wirtschaftliches Interesse vollständig gehedgt hat, muss zur Offenlegung dieser Tatsache verpflichtet sein. Zudem ist man verleitet, auch demjenigen Aktionär eine Offenlegungspflicht aufzuerlegen, der sich seines Beteiligungsinteresses weit überwiegend entledigt hat.
164 Vgl. allerdings Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 10, wo darauf hingewiesen wird, dass „[e]in solches ökonomisches Gesamtinteresse (economic exposure), bei welchem eine Gewinnchance aus dem Sinken des jeweiligen Aktienkurses folgt, […] bei Erreichen, Über- oder Unterschreiten der Schwellen der Regelung mitteilungs- bzw. mitteilungsund veröffentlichungspflichtig [ist].“ 165 Begründung FraktionsE zum Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 10; Möllers/Christ/Harrer, NZG 2010, 1167, 1168. 166 Ebenso Osterloh-Konrad, ZGR 2012, 35, 44 mit Fn. 18; vgl. auch Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1087 f.; Mittermeier, S. 125 f., 141, 174, 349 f.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass die Offenlegung von shortPositionen auf Brutto-Basis für das empty voting das bessere Rezept darstellt. Während das Netto-Prinzip zu kurz greift, geht das Brutto-Prinzip zu weit167, weil es auch solche Konstellationen erfasst, die unter Corporate Governance-Gesichtspunkten, d. h. unter dem oben ausführlich gewürdigten Aspekt des Interessenkonflikts, nicht wirklich problematisch sind bzw. die unter Umständen auch eher zufällig auftreten können. So wäre z. B. auch derjenige Aktionär meldepflichtig, der lediglich einen Anteil von 1 % der stimmrechtsvermittelnden Aktien hält und das Risiko daraus vollständig abgegeben hat. Es würden folglich auch solche Konstellationen offengelegt, die für den Kapitalmarkt keinerlei informatorischen Mehrwert haben. Ein derartiger Informationsüberfluss sollte jedoch tunlichst vermieden werden, weil er der Informationseffizienz des Kapitalmarkts abträglich ist. Auch wenn das empty voting als Nebenwirkung beider Ansätze mitgeregelt wird168, beabsichtigen doch beide Positionen letzten Endes die generelle Offenlegung von short-Positionen und sind nicht spezifisch auf das empty voting gerichtet. Insofern kann es kaum verwundern, dass sie für das empty voting keine befriedigende Lösung bereithalten. 4. Eigener Vorschlag a) Akzessorietät der Offenlegung von short-Positionen zur Offenlegung von long-Positionen Die Nachteile beider Ansätze in ihrer Anwendung auf das empty voting lassen sich jedoch eliminieren, indem man – in Anlehnung an die Regelung in Hong Kong169 – die Offenlegung der short position an die Offenlegung der long position koppelt.170 Eine Pflicht zur Mitteilung einer short position sollte nur dann bestehen, wenn auch eine Pflicht zur Mitteilung einer long position besteht, weil der Mitteilungspflichtige die Meldeschwellen der §§ 21, 25 WpHG und des § 25a WpHG-RegE171 erreicht oder überschritten hat. Dem liegt im ersten Schritt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass ein publizitätswürdiger Sachverhalt in Bezug auf long positions dann gegeben ist, wenn ein Aktionär 3 % der stimmberechtigten Aktien bzw. Instrumente hält, die ihm einen Anspruch auf Erwerb von 5 % der stimmberechtigten Aktien 167
So auch Mittermeier, S. 385. Siehe auch Mittermeier, S. 174 f. 169 Vgl. SFC, Outline, 2.7.8, S. 15; ähnlich wohl auch ECGF, Statement Empty Voting, Rn. 5: „A principle should then be introduced that where shareholders who have retained legal title to the shares and exercise the vote that goes with them but have ceded all or part of the economic interest should disclose this to the market above an appropriate threshold.“; auf ein Bedürfnis zur Erfassung von short positions hinweisend CONSOB, Cash-settled Derivatives, S. 5. 170 So auch Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1105 f., 1112 (2013); a.A. Mittermeier, S. 390 f., 393, der sich für eine Offenlegung nach dem Netto-Prinzip ausspricht. 171 Dazu ausführlich oben 5. Kapitel A. III. 2. 168
B. Empty voting
427
vermitteln oder ihm die Möglichkeit des Erwerbs von 5 % der stimmberechtigten Aktien eröffnen172. Wenn diese Schwellen erreicht oder überschritten werden, kann der Meldepflichtige aktuell oder zukünftig gewichtigen Einfluss in der Hauptversammlung ausüben.173 Ist dies aber der Fall, sollte er – im zweiten Schritt – auch zur Offenlegung von short positions verpflichtet sein, die ihm eine Abgabe des aus den Aktien oder anderen long-Positionen resultierenden wirtschaftlichen Interesses erlauben, um den Kapitalmarkt darüber zu informieren, dass er weiterhin gewichtigen Einfluss nehmen kann bzw. in Zukunft nehmen wird, ohne das wirtschaftliche Risiko daraus in Gänze zu tragen. b) Schwellenwert Um die Offenlegung winziger short-Positionen zu verhindern, die gegenüber der Größe der long-Position kaum ins Gewicht fallen, sollte ein angemessener Schwellenwert für die Offenlegung der short-Positionen eingeführt werden.174 Hong Kong hat diesen auf einen fixen Wert von 1 % festgelegt.175 Eine short-Position von 1 % fällt bei einer long-Position von z. B. 15 % jedoch weniger stark ins Gewicht als bei einer long-Position von lediglich 3 %. Relevante Informationen über die Corporate Governance der betreffenden Gesellschaft erhielte man dann, wenn der Schwellenwert in prozentualer Abhängigkeit der short position von der long position bemessen würde. So könnte beispielsweise eine short position, die mindestens 50 % der long position beträgt, zum Gegenstand der Mitteilungspflicht gemacht werden. Weitere Meldungen sollten bei einer Veränderung des Verhältnisses der short-Positionen zu den long-Positionen um jeweils weitere 5 % vorgesehen werden. Derartige Verhältnisveränderungen können entweder durch Veränderungen in den longPositionen oder durch Veränderungen in den short-Positionen hervorgerufen werden. Zugegebenermaßen mutet diese Lösung zunächst befremdlich an, da sie nicht dem gängigen Vorgehen im Rahmen der Beteiligungstransparenz entspricht. Sie bietet indes den Vorteil, dass nur solche short-Positionen erfasst werden, die im Hinblick auf die Corporate Governance der börsennotierten Gesellschaft tatsächlich von gewisser Bedeutung und somit kursrelevant sind. Zudem arbeitet man auch in anderem Zusammenhang mit flexiblen Prozentwerten, beispielsweise bei der Frage,
172
Ob die 5 %-Eingangsschwelle in Bezug auf sonstige Finanzinstrumente und Instrumente im Sinne des § 25a WpHG-RegE tatsächlich überzeugt, ist oben ausgeführt worden, vgl. 5. Kapitel A. III. 2. c) bb). 173 Für eine Anknüpfung lediglich an „die Transparenzpflicht des § 21 Abs. 1 WpHG […] und deren Erweiterungen nach § 22 WpHG“ unter Ausnahme des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG Mittermeier, S. 392. 174 So auch ECGF, Statement Empty Voting, Rn. 5 (vgl. das Zitat in Fn. 167); Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1095, 1098 f. (2013); für eine Wesentlichkeitsschwelle auch Mittermeier, S. 393. 175 Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1099 (2013) spricht sich für einen fixen Eingangsschwellenwert von 5 % aus.
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5. Kap.: Diskussion de lege ferenda
inwiefern Aktienkörbe und Aktienindizes in das neue Melderegime des § 25a WpHG-RegE einbezogen werden sollen176. c) Rechtssystematische Verortung Es stellt sich nun die Frage, wo eine derartige Offenlegungspflicht rechtssystematisch eingeordnet werden kann. Der BDI hat eine Erweiterung des § 27a WpHG um einen Tatbestand vorgeschlagen, der Informationen darüber liefern soll, ob und in welcher Höhe geliehene Stimmrechte zur Einflussnahme auf die Gesellschaft eingesetzt werden.177 Das überzeugt nicht: Zum ersten geht es im Tatbestand des § 27a Abs. 1 WpHG neben der Herkunft der verwendeten Mittel ausschließlich um die Offenlegung der Absichten des Meldepflichtigen. Die Information über die Höhe der short-Position beinhaltet kein subjektives Element, sondern stellt eine offenlegungsbedürftige Tatsache dar. Zum zweiten ist nach § 27a Abs. 1 WpHG nur derjenige meldepflichtig, der mindestens die Schwelle von 10 % der Stimmrechte aus Aktien erreicht oder überschreitet. Nach hier vertretener Ansicht sollte die Verpflichtung zur Offenlegung von short-Positionen jedoch akzessorisch zur Offenlegung von long-Positionen ausgestaltet werden, sofern erstere mindestens 50 % der letzteren betragen. Das lässt sich mit einer strikten 10 %-Schwelle nicht vereinbaren, ganz abgesehen davon, dass eine Schwelle von 10 % ohnehin viel zu hoch angesetzt wäre. Und schließlich – zum dritten – bezieht sich der Vorschlag des BDI lediglich auf die Ausübung geliehener Stimmrechte und verkennt damit die zweite Dimension des empty voting, die im Einsatz derivativer Finanzinstrumente besteht. Gleichwohl erscheint angesichts der Kopplung der Offenlegungspflicht für shortPositionen an eine Meldepflicht für long-Positionen eine Verortung im Rahmen der Vorschriften zur Anteilspublizität angezeigt. Mangels Alternativen kann dies nur in Form einer neuen Vorschrift geschehen, die systematisch als § 27b WpHG einzuordnen ist. § 28 WpHG ist auf die Meldepflicht des § 27b WpHG zu erstrecken178, um einer Nichtbefolgung der Vorschrift effektiv entgegentreten zu können. d) Verhältnis zu § 30i WpHG Die Einführung eines neuen § 27b WpHG hätte die Koexistenz zweier ähnlich gerichteter Offenlegungspflichten zur Folge. Gleichwohl wäre keine der beiden verzichtbar, denn jede Vorschrift deckte gewisse Konstellationen ab, die von der anderen nicht erfasst werden. Mitteilungs- bzw. veröffentlichungspflichtig wären nach § 30i WpHG auch Konstellationen reiner short-Positionen oder Konstellatio176
Dazu siehe oben 5. Kapitel A. III. 2. c) aa) (3). BDI, Transparenz am Kapitalmarkt, S. 11. 178 Im Hinblick auf die Transparenzrichtlinie ähnlich Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1109 ff. (2013), der allerdings für eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde im jeweiligen Einzelfall plädiert; zur Diskussion um die Erweiterung des Rechtsverlusts in § 28 WpHG siehe schon oben 5. Kapitel A. III. 2. d) bb) (1). 177
B. Empty voting
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nen, in denen eine long position unterhalb der Meldeschwellen der §§ 21 ff. WpHG besteht. In diesen Fällen würde § 27b WpHG nicht eingreifen können und wollen. Andererseits erfasst § 30i WpHG nur Netto-short-Positionen; § 27b WpHG hingegen erfasste wegen der separaten, wenngleich an die long position anknüpfenden Offenlegungspflicht für short-Positionen auch Fälle des neutralen oder noch positiven Beteiligungsinteresses. Grund für dieses Nebeneinander der Vorschriften sind ihre unterschiedlichen Zielsetzungen179 : Während § 30i WpHG generell die Publizität von short-Positionen verfolgt, hat § 27b WpHG die mit short-Positionen einhergehenden Corporate Governance-Probleme im Blick und verlangt eine Offenlegung dann, wenn allzu stark vom Grundsatz „one share, one vote“ abgewichen wird. 5. Ergebnis Der im Rahmen des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapierund Derivategeschäfte eingeführte § 30i WpHG, der ein Offenlegungsregime für Netto-short-Positionen enthält, reguliert zwar (unbewusst) auch empty votingKonstellationen, geht diesbezüglich jedoch nicht weit genug. Zur sachgerechten Offenlegung des empty voting bedarf es einer neuen Vorschrift, die systematisch als § 27b WpHG einzuordnen wäre. Sie sollte die Offenlegung von short-Positionen an die Offenlegung von long-Positionen koppeln und zur Vermeidung der Offenlegung von Bagatell-short-Positionen verlangen, dass die short position mindestens 50 % der long position, bezogen auf die Aktien des Emittenten, beträgt. Eine derartige Regelung ließe aussagekräftige Rückschlüsse über das Beteiligungsinteresse bedeutender Aktionäre zu.
179 Siehe auch Mittermeier, S. 124; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1100 ff. (2013) zur Leerverkaufsverordnung.
6. Kapitel
Zusammenfassung Abschließend sollen die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung zusammengefasst werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird dabei zwischen dem empty voting und der hidden (morphable) ownership unterschieden.
A. Allgemeines 1. Die Mitgliedschaft lässt sich als ein Paket von Rechten und Pflichten begreifen, aus dem einzelne Komponenten nicht herausgelöst werden können. Dieses sog. Abspaltungsverbot findet in § 717 S. 1 BGB Ausdruck und ist als allgemeines Prinzip des Verbandsrechts anerkannt. Dementsprechend kann auch das Stimmrecht des Aktionärs nicht Gegenstand isolierter Übertragung sein. Es gilt demnach der Grundsatz, dass das Stimmrecht an die Aktionärseigenschaft gekoppelt ist und das Stimmrecht und das wirtschaftliche Interesse aus der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft daher miteinander korrespondieren. 2. In jüngerer Zeit jedoch ist der Grundsatz, den Trägern der wirtschaftlichen Risiken auch das Stimmrecht zuzuweisen, in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften durch den vermehrten Einsatz moderner Finanzinstrumente in zunehmendem Maße unterwandert worden. Derivative Finanzinstrumente, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufe lassen es zu, das Stimmrecht des Aktionärs von der wirtschaftlichen Betroffenheit zu entkoppeln (sog. decoupling), was zur Folge hat, dass die Stimmrechtsmacht des Aktionärs seinem wirtschaftlichen Interesse aus der Beteiligung nicht mehr entspricht. 3. Die US-amerikanischen Wissenschaftler Henry T. C. Hu und Bernard Black haben in einer wegweisenden Aufsatzreihe zwei Grundtypen der Entkopplung des Stimmrechts von der wirtschaftlichen Betroffenheit ausgemacht: das empty voting und die hidden (morphable) ownership.
B. Empty voting 4. Der Begriff des empty voting bezeichnet die Abstimmung auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ohne korrespondierendes wirtschaftliches
B. Empty voting
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Risiko. Der Aktionär verfügt also über mehr Stimmrechtsmacht, als ihm unter Risikotragungsgesichtspunkten zusteht. 5. Dieser Zustand kann zum einen durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente herbeigeführt werden, die sich auf die Aktie des betreffenden Unternehmens beziehen. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu erfüllenden Derivatverträge sehen anstelle der physischen Lieferung der in Bezug genommenen Aktien (sog. physical settlement) in der Regel einen Barausgleich (sog. cash settlement) vor, den diejenige Partei erhält, welche die Entwicklung des Aktienkurses richtig eingeschätzt hat. Um sich des aus seiner Beteiligung resultierenden Risikos zu entledigen, kann sich der Aktionär Festgeschäfte, Optionsgeschäfte und swaps gleichermaßen zunutze machen. Er muss im Rahmen dieser Geschäfte allerdings die short position bekleiden und insofern auf einen sinkenden Aktienkurs setzen, um die sich aus der Beteiligung (long position) ergebenden Kursverluste kompensieren zu können. Je nach Größe der Derivatposition kann der Aktionär sein wirtschaftliches Interesse aus der Beteiligung beliebig ausgestalten: Neben einem positiven oder neutralen Beteiligungsinteresse ist es auch möglich, das Beteiligungsinteresse negativ zu stellen, so dass der Aktionär von negativen Kursentwicklungen profitiert. 6. Das risikoentleerte Stimmrecht kann auch im Wege des Wertpapierdarlehens erlangt werden. Der Darlehensnehmer erhält gegen eine Gebühr das Eigentum an Aktien auf Zeit und ist bei Ablauf der Vertragslaufzeit bzw. nach Beendigung des Vertrags verpflichtet, Aktien desselben Unternehmens an den Darlehensgeber zurückzuführen. Mit dem Eigentum geht auch das Stimmrecht auf den Darlehensnehmer über. Da er jedoch während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens anfallende Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte in Form von Kompensationszahlungen an den Darlehensgeber weiterzuleiten hat, trägt der Darlehensnehmer kein wirtschaftliches Risiko aus seiner Aktienbeteiligung. Durch den teilweisen Leerverkauf der darlehensweise erlangten Aktien ist es auch dem Darlehensnehmer möglich, sein Beteiligungsinteresse negativ auszugestalten. 7. Eine besondere Ausprägung des empty voting stellt die sog. record date capture dar. Der Aktionär muss seine Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts gegenüber der Aktiengesellschaft nachweisen. Das record date bezeichnet den Stichtag, auf den sich dieser Nachweis zu beziehen hat. In Deutschland ist für Inhaberaktionäre börsennotierter Gesellschaften der Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung als record date festgelegt worden (§ 123 Abs. 3 S. 3 AktG). Bei der record date capture macht sich der Kapitalmarktteilnehmer das Bestehen dieses Nachweiszeitpunkts zunutze, indem er kurz vor dem record date Aktien entweder im Wege des Kaufs oder – häufiger – im Wege des Wertpapierdarlehens erwirbt und diese im Zeitraum zwischen dem record date und der Hauptversammlung wieder abgibt. Aufgrund seiner Aktieninhaberschaft am record date ist der sog. record
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6. Kap.: Zusammenfassung
owner zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt, besitzt aber mangels Aktieninhaberschaft am Termin der Hauptversammlung kein Beteiligungsinteresse und wird daher von den Beschlüssen wirtschaftlich nicht betroffen. 8. Das empty voting befähigt den Aktionär, die Beschlussfassung zu den Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung zu beeinflussen, ohne die daraus resultierenden Risiken in einem seiner Stimmrechtsmacht entsprechenden Maße zu tragen. Dieses Phänomen ist im anglo-amerikanischen Rechtskreis insbesondere bei bedeutenden Hauptversammlungsentscheidungen aufgetreten, deren Ergebnis unmittelbare Auswirkungen auf den Aktienkurs der betreffenden Gesellschaft hat (z. B. Übernahmen und Verschmelzungen). Besitzt der empty voter einen für den Beschluss entscheidenden Aktienanteil (z. B. eine Sperrminorität, bei einer heiß umkämpften Frage genügt allerdings u. U. schon ein kleines Aktienpaket), kann er mit diesem das Beschlussergebnis und somit die Entwicklung des Aktienkurses in seinem Sinne vorherbestimmen. 9. Wer sein im Anteilsbesitz wurzelndes wirtschaftliches Interesse durch ein entgegengesetztes Derivatgeschäft schmälert oder zu eigenen Aktien weitere darlehensweise hinzuerwirbt, erhält ein überproportionales, weil seinem wirtschaftlichen Interesse nicht mehr entsprechendes Stimmrecht. Das empty voting stellt somit eine Abweichung vom Proportionalitätsprinzip („one share, one vote“) dar. Dieses findet seine ökonomische Berechtigung in dem Umstand, dass der Aktionär nur dann einen Anreiz hat, sein Stimmrecht im Sinne einer Steigerung des Unternehmenswertes auszuüben, wenn er wirtschaftlich auch die Konsequenzen der Hauptversammlungsentscheidungen tragen muss. Die Aktionäre einer Gesellschaft einigt demnach grundsätzlich das Ziel einer positiven Entwicklung der Gesellschaft und daraus resultierend einer Gewinnmaximierung ihrer Anlage. Dieser Anreizgleichlauf endet jedoch, wenn sich ein Aktionär mithilfe derivativer Finanzinstrumente oder mithilfe eines Wertpapierdarlehens die Möglichkeit verschafft, auf der Hauptversammlung der Gesellschaft abzustimmen, ohne in einem seinem Kapitalanteil entsprechenden Ausmaß wirtschaftlich von der Entscheidung betroffen zu sein. Dementsprechend sind seine Anreize zur Steigerung des Unternehmenswertes verzerrt. Gestaltet er das wirtschaftliche Interesse aus seiner Beteiligung neutral oder negativ aus, schlägt die Anreizverzerrung sogar in einen Interessenkonflikt um, da vom empty voter in diesen Fällen von vornherein kein interessengerechtes Stimmverhalten zu erwarten ist; er wird allein auf die Erlangung privater Sondervorteile und/oder auf die Erzielung von Gewinnen aus einem sinkenden Aktienkurs bedacht sein und sein Stimmrecht dementsprechend einsetzen. Man kann im Hinblick auf den Proportionalitätsgrundsatz somit zwischen dem empty voting mit positivem wirtschaftlichem Interesse als regelmäßig unproblematischem Fall und dem empty voting mit neutralem oder negativem wirtschaftlichem Interesse als den problematischen Fällen unterscheiden.
B. Empty voting
433
10. Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip tauchen auch in Form der stimmrechtslosen Vorzugsaktien, der Höchststimmrechte und der Mehrstimmrechte auf. Letztere gewähren – wie das empty voting auch – ein überproportionales Stimmrecht. Das empty voting hebt sich indes unter zwei Aspekten nochmals negativ von den Mehrstimmrechten ab: Zum einen hat der Mehrstimmrechtsinhaber selbst bei extremer Ausgestaltung seines Mehrstimmrechts stets ein positives wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft, so dass Fälle eines neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses nicht auftreten. Zum anderen verstößt das empty voting gegen den Grundsatz der Satzungsdispositivität des Proportionalitätsprinzips. Während stimmrechtslose Vorzugsaktien, Höchststimmrechte und Mehrstimmrechte – sofern sie heute überhaupt noch zulässig sind – nur durch die Satzung geschaffen werden können und ihre Existenz somit allen aktuellen und potentiellen Aktionären bekannt ist, fehlt eine statutarische Grundlage beim empty voting. Die Abweichung vom Proportionalitätsgrundsatz steht beim empty voting im Belieben des Kapitalmarktteilnehmers, so dass Transparenz nicht gegeben ist. 11. Sofern der empty voter ein positives Beteiligungsinteresse besitzt, ist es denkbar, dass die Stimmrechte von rational apathischen Aktionären zu einem gut informierten Aktionär wandern, der ihnen höhere Wertschätzung angedeihen lässt. Derartige Effizienzgedanken greifen bei den schwerwiegenden Fällen des empty voting nicht: Bei neutralem Beteiligungsinteresse wird der Aktionär von den Hauptversammlungsentscheidungen wirtschaftlich nicht betroffen, so dass es für ihn keinen Sinn macht, überhaupt Informationen über die unternehmenswertsteigernde Ausübung des Stimmrechts einzuholen. Er wird sich allein auf die Erzielung privater Sondervorteile konzentrieren. Bei negativem Beteiligungsinteresse holt der Aktionär zwar Informationen über die Ausübung des Stimmrechts ein, setzt diese jedoch zur Schädigung der Gesellschaft und der anderen Aktionäre ein, so dass das Stimmrecht von einem passiven auf einen zerstörerischen Aktionär übergeht. 12. Die vom Darlehensnehmer an den Darlehensgeber gezahlte Gebühr berücksichtigt nicht, dass die Aktien bei ihrer Rückübertragung an den Darlehensgeber u. U. dadurch in ihrem Wert empfindlich gemindert sind, dass der Darlehensnehmer als empty voter mit negativem Beteiligungsinteresse zu Lasten einer Unternehmenswertsteigerung abgestimmt hat. Der den Derivaten anhaftende Hebeleffekt lässt es zu, dass der Inhaber des Derivats bereits durch die Einzahlung eines bloßen Bruchteils des Kontraktwertes an den Kursveränderungen einer wesentlich größeren Vermögensposition partizipiert. Demnach kann sich der empty voter in beiden Varianten des risikoentleerten Abstimmens das Stimmrecht zu einem Preis verschaffen, der unter den gegebenen Umständen als zu niedrig eingestuft werden muss.
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6. Kap.: Zusammenfassung
13. Ein empty voter kann bei streitigen Hauptversammlungsbeschlüssen schon mit einem kleinen Aktienpaket den Ausgang der Entscheidung maßgeblich beeinflussen (sog. swing votes). Im Übrigen sorgt auch die rationale Apathie der Kleinaktionäre dafür, dass die von einem empty voter ausgeübten Stimmrechte ein besonderes Gewicht erhalten. 14. Sofern der empty voter ein positives Beteiligungsinteresse aufweist, liegt ein Interessenkonflikt in seiner Person nicht vor. Auch können diese Konstellationen unter Effizienzgesichtspunkten erwünscht sein. Daher ist das Abstimmen aus empty voting-Positionen mit positivem wirtschaftlichem Interesse grundsätzlich unbedenklich und daher zulässig. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf das empty voting mit neutralem und negativem Beteiligungsinteresse. 15. Das Abspaltungsverbot untersagt die Ablösung des Stimmrechts von der Mitgliedschaft. Davon kann beim Aufbau einer empty voting-Position keine Rede sein, weil der empty voter aus seiner Beteiligung sämtliche Rechte und Pflichten zu tragen hat und sich lediglich durch Verwendung von Derivaten oder Wertpapierdarlehen des wirtschaftlichen Risikos entledigt, welches mit der Mitgliedschaft normalerweise einhergeht. 16. Der Aufbau einer empty voting-Position verstößt auch nicht gegen das Verbot des Stimmenkaufs in § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG: Beim empty voting sind Stimmenkäufer und Abstimmender nicht – wie von der Vorschrift vorausgesetzt – personenverschieden. Außerdem übt der empty voter das Stimmrecht nicht in fremdem, sondern im eigenen Interesse aus. 17. Durch den Aufbau einer empty voting-Position an einer börsennotierten Gesellschaft verstößt der Kapitalmarktteilnehmer allerdings gegen das Insiderhandelsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Die Absicht zum empty voting stellt eine vom empty voter selbst geschaffene innere Tatsache dar, die als Insiderinformation in Betracht kommt. Die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung der Absicht liegt beim empty voting vor. Beim Erwerb von Aktien im Wege des Kaufs oder des Darlehens verwendet der Kapitalmarktteilnehmer zwar bereits die selbst geschaffene Insiderinformation, allerdings ist eine teleologische Reduktion des Tatbestands angebracht, so lange er ein positives Beteiligungsinteresse aufweist, da er die Information (noch) nicht zur Erlangung missbilligenswerter Sondervorteile einsetzen kann. Sobald er jedoch das Beteiligungsinteresse neutral oder negativ stellt, ist es ihm objektiv möglich, bei entsprechender Ausübung seines Stimmrechts Sondervorteile zu Lasten der Gesellschaft und aller anderen Aktionäre zu erlangen. Eine teleologische Reduktion lässt sich dann nicht mehr rechtfertigen. Indes lässt sich mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG das empty voting nicht verhindern: Stellt der Aktionär hinsichtlich seiner Absicht zum risikoentleerten Abstimmen die Bereichsöf-
B. Empty voting
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fentlichkeit her, nimmt er der Information den für die Anwendung des § 14 WpHG erforderlichen Charakter der Insiderinformation und kann aus den Aktien uneingeschränkt abstimmen. 18. Die Ausübung des Stimmrechts trotz neutralen oder negativen Beteiligungsinteresses verstößt nicht gegen § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG. Soweit der empty voter Derivate einsetzt, ergibt sich dies schon daraus, dass er zum Zeitpunkt der Abstimmung Eigentümer der Aktien ist und durch die Stimmrechtsausübung nicht die Aktien eines anderen benutzt. Für die record date capture gilt das gleiche, sofern der empty voter die Aktien erst nach dem Hauptversammlungstermin weiter- bzw. an den Darlehensgeber zurücküberträgt. Erfolgt die Weiter- bzw. Rückübertragung schon vor dem Hauptversammlungstermin, benutzt der empty voter auf der Hauptversammlung zwar die Aktien eines anderen; er ist aufgrund der Legitimationsvorschrift des § 123 Abs. 3 S. 6 AktG jedoch vertretungsbefugt. 19. Der Tatbestand des § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG ist ebenfalls nicht erfüllt. Soweit der empty voter Derivate einsetzt, ergibt sich dies wiederum aus dem Umstand, dass er zum Zeitpunkt der Abstimmung Eigentümer der Aktien ist und durch die Stimmrechtsausübung nicht die Aktien eines anderen benutzt. Dies gilt auch für die record date capture, sofern der empty voter die Aktien erst nach dem Hauptversammlungstermin weiter- bzw. an den Darlehensgeber zurücküberträgt. Bei Weiter- bzw. Rückübertragung noch vor dem Hauptversammlungstermin benutzt er zwar die Aktien eines anderen; allerdings stellt der an den Darlehensgeber gezahlte Darlehenszins keinen besonderen Vorteil im Sinne der Vorschrift dar. 20. Die Ausübung des Stimmrechts aus risikoentleerten Aktien kann auch nicht nach § 136 Abs. 1 AktG untersagt werden. Eine unmittelbare Anwendung der Norm scheidet von vornherein aus. Ebenfalls nicht in Betracht kommen eine Gesamtanalogie zu den Stimmrechtsverboten in § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG und eine Einzelanalogie zu § 136 Abs. 1 AktG selbst. 21. Derjenige Aktionär, der mit neutralem oder negativem wirtschaftlichem Interesse aus seiner Beteiligung abstimmt, verstößt gegen das Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen in § 243 Abs. 2 AktG. Der Hauptversammlungsbeschluss ist daher anfechtbar; der Hauptversammlungsleiter darf die Stimmen des empty voter nicht berücksichtigen. Da § 243 Abs. 2 AktG indes an den objektiv bestehenden Makel des Beschlusses anknüpft, bleibt der Beschluss selbst dann anfechtbar, wenn er auch bei Nichtberücksichtigung der Stimmen des empty voter zustande gekommen wäre. Allerdings ist die Risikoentleerung der Stimmrechte für den Hauptversammlungsleiter selbst in den gravierenden Fällen nicht feststellbar. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses wird ihm und den
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6. Kap.: Zusammenfassung
übrigen Aktionären daher regelmäßig verborgen bleiben. Der Anfechtungskläger hat die Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 AktG darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Vorsatz des empty voter kann dabei zwar vermutet werden, doch kann die Vorsatzvermutung nicht eingreifen, wenn über die wirtschaftliche Ausgestaltung der Position des empty voter keine Informationen vorhanden sind. 22. Dem Inhaber des Stimmrechts ist es untersagt, dieses rechtsmissbräuchlich auszuüben. Der mit neutralem oder negativem wirtschaftlichem Interesse abstimmende Aktionär verstößt gegen das Verbot des (institutionellen) Rechtsmissbrauchs, da die Rechtsordnung – wie sie in den aktienrechtlichen Stimmrechtsregelungen zum Ausdruck kommt – das Stimmrecht nicht zur Verfügung stellen möchte, wenn die Richtigkeit der Beschlussfassung durch Interessenkonflikte in der Person des Stimmrechtsinhabers gefährdet wird. Die rechtsmissbräuchlich abgegebenen Stimmen des empty voter dürfen bei der Ermittlung des Beschlussergebnisses nicht berücksichtigt werden. Da dem Hauptversammlungsleiter jedoch in der Regel keine Informationen über das wirtschaftliche Interesse der Aktionäre vorliegen, werden auch die Stimmen des empty voter mitgezählt. Das macht den Hauptversammlungsbeschluss wegen Verletzung des Gesetzes i.S.d. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Dem Anfechtungskläger hilft theoretisch die Vermutung des Stimmrechtsmissbrauchs bei neutralem oder negativem Beteiligungsinteresse, praktisch ist sie für ihn mangels Transparenz des Beteiligungsinteresses jedoch wirkungslos. 23. Das empty voting verstößt zudem gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht des Aktionärs, die ihn verpflichtet, in allen gesellschaftlichen Belangen auf das wohlverstandene Unternehmensinteresse der Gesellschaft sowie auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der Aktionäre angemessen Rücksicht zu nehmen. Die Treuepflicht kann zwar nur dann aktiviert werden, wenn nach umfassender Würdigung des Einzelfalls ein gravierender Eingriff in die gesellschaftlichen Belange oder in die Rechte der Mitaktionäre bejaht wird, der nicht durch die Verfolgung schützenswerter Interessen seitens des abstimmenden Aktionärs zu rechtfertigen ist. Ein derartiger Eingriff liegt im Falle des empty voting jedoch vor, sofern der Aktionär sein Beteiligungsinteresse neutral oder negativ ausgestaltet hat, da er persönliche Gewinne zu Lasten der Gesellschaft und seiner Mitaktionäre zu realisieren versucht. 24. Erreicht der empty voter durch im Wege des Wertpapierdarlehens erworbene Aktien die Eingangsmeldeschwelle des § 21 Abs. 1 WpHG, hat er seinen Stimmrechtsanteil offenzulegen. Die causa des Stimmrechtserwerbs, seine Absichten hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts und sein Beteiligungsinteresse muss er nicht offen legen (auch nicht nach § 27a WpHG). Den Darlehensgeber trifft keine Mitteilungspflicht: Mangels Stimmrechtseinflusses scheidet eine Zurechnung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG in der Regel aus.
B. Empty voting
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§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG greift nicht ein, weil der schuldrechtliche Anspruch auf Rückübereignung von Aktien gleicher Art und Güte von der Vorschrift nicht erfasst wird. Für eine Zurechnung nach § 22 Abs. 2 WpHG fehlt es regelmäßig bereits an einer Abstimmung. Schließlich stellt der schuldrechtliche Anspruch auf Rückübertragung von Aktien kein Finanzinstrument dar, so dass auch eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 WpHG ausscheidet. Für den Einsatz von Derivaten gilt im Ergebnis nichts anderes. 25. Überschreitet der empty voter die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG, so hat er dies nach § 35 Abs. 1 WpÜG zu veröffentlichen und allen Aktionären der Zielgesellschaft ein Angebot zu unterbreiten (§ 35 Abs. 2 WpÜG). Auch hier müssen der Erwerbsgrund, die Absichten des Bieters und sein wirtschaftliches Interesse nicht offengelegt werden. Da die Zurechnungsvorschriften des § 30 WpÜG tendenziell enger auszulegen sind als diejenigen des § 22 WpHG, greift auch hier keiner der Tatbestände ein, so dass Pflichten des Derivatvertragspartners bzw. des Darlehensgebers nach § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG nicht bestehen. 26. Die §§ 21 ff. WpHG und §§ 29 f., 35 Abs. 1 und 2 WpÜG schaffen somit umfassende Transparenz hinsichtlich der Anteilsveränderungen und hinsichtlich des Erwerbs der Kontrolle an einer börsennotierten Gesellschaft. Da die Vorschriften jedoch an die Stimmrechte und nicht an das wirtschaftliche Interesse anknüpfen, besteht hinsichtlich der Ausgestaltung des Beteiligungsinteresses keine Transparenz. 27. Der mit Wirkung zum 26. März 2012 in Kraft tretende § 30i WpHG verpflichtet den Inhaber einer Netto-short-Position in Höhe von 0,2 % der Aktien eines börsennotierten Unternehmens zur Mitteilung an die BaFin und den Inhaber einer Netto-short-Position in Höhe von 0,5 % zur Mitteilung an die BaFin sowie zur Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger. Zwar erfasst diese Vorschrift (unbewusst) auch das empty voting, indem sie den Aktionär, der sein Beteiligungsinteresse mittels des Einsatzes von Derivaten, Wertpapierdarlehen und Leerverkäufen mindestens in der genannten Größenordnung negativ gestellt hat, verpflichtet, dies der BaFin mitzuteilen und ggf. zu veröffentlichen. Allerdings kommt es für die Anwendung der Vorschrift allein auf die Netto-shortPosition an. Sie ist also nicht anwendbar im Falle des neutralen oder positiven Beteiligungsinteresses, obwohl insbesondere im erstgenannten Fall ein Offenlegungsbedürfnis besteht. 28. Das Gegenkonzept der Offenlegung von Brutto-short-Positionen verlangt eine Offenlegung von short-Positionen unabhängig von der Mitteilung der longPositionen. Das Brutto-Prinzip geht damit insofern zu weit, als es auch solche Konstellationen erfasst, die sich unterhalb der Eingangsmeldeschwelle des § 21 Abs. 1 WpHG abspielen, daher auf die Corporate Governance des Unterneh-
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6. Kap.: Zusammenfassung
mens keine nennenswerten Auswirkungen haben und somit auch nicht kursrelevant sind. 29. Um die nicht offenlegungsbedürftigen Fälle auszuscheiden und die offenlegungsbedürftigen zu erfassen, sollte mit § 27b WpHG ein neuer Offenlegungstatbestand eingeführt werden. Dieser sollte die Offenlegung von shortPositionen an die Offenlegung von long-Positionen koppeln, d. h. eine Pflicht zur Mitteilung einer short-Position sollte nur dann bestehen, wenn auch eine Pflicht zur Mitteilung einer long-Position besteht, weil der Mitteilungspflichtige die Meldeschwellen der §§ 21, 25 WpHG und des § 25a WpHG-RegE erreicht oder überschritten hat. Short-Positionen sollten allerdings nur dann überhaupt Gegenstand einer Offenlegungspflicht sein, wenn sie gegenüber der Größe der long-Position von gewisser Bedeutung sind. Daher sollten short-Positionen mitteilungspflichtig sein, wenn sie mindestens 50 % der long-Position betragen. Weitere Meldungen sollten bei einer Veränderung des Verhältnisses der shortPositionen zu den long-Positionen um jeweils weitere 5 % vorgesehen werden.
C. Hidden (morphable) ownership 30. Der Begriff „hidden ownership“ bezeichnet das Gegenstück zum empty voting und damit den Fall eines die Stimmrechtsmacht übersteigenden wirtschaftlichen Interesses. Der hidden owner ist zwar mangels Aktienbesitzes nicht Aktionär und daher auch nicht zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt, er ist jedoch wie ein Aktionär an der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft interessiert. Da diese Quasi-Eigentümerstellung verborgen bleibt, spricht man von „hidden ownership“. Sofern sich der hidden owner auch die Aktien inklusive des Stimmrechts ohne größere Probleme verschaffen kann und somit die Möglichkeit zur Umwandlung der Quasi-Eigentümerstellung in eine echte Eigentümerstellung besteht, spricht man von „morphable ownership“. 31. Ziel der Übernahme aktionärstypischer wirtschaftlicher Risiken ohne korrespondierendes Stimmrecht ist v. a. die Umgehung der kapitalmarktrechtlichen Anteilspublizitätsvorschriften (§§ 21 ff. WpHG), die nicht auf das wirtschaftliche Interesse, sondern allein auf die Stimmrechtsmacht abstellen. Durch den geschickten Einsatz von Derivaten bzw. Wertpapierdarlehen kann der hidden owner mithilfe von Finanzdienstleistern heimlich ein beträchtliches Aktienpaket anhäufen, ohne dies offenlegen zu müssen. Auf diese Weise kann er die Übernahme einer Gesellschaft vorbereiten. In der deutschen Literatur hat sich für dieses Vorgehen die Wendung „Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften“ etabliert. 32. Ein Investor kann sich durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente mit Barausgleich an eine Zielgesellschaft anschleichen, wobei er im Rahmen der
C. Hidden (morphable) ownership
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Derivatverträge nicht wie der empty voter die short position, sondern die long position einnehmen muss, denn nur dann ist er wie ein Aktionär von der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft betroffen. Der Derivatvertragspartner, regelmäßig eine Bank, hedgt seine short position durch den Erwerb von Aktien der betreffenden Gesellschaft und durch den Abschluss weiterer Derivatgeschäfte mit anderen Banken, die ihre Positionen wiederum durch den Erwerb von Aktien glattstellen. Wirtschaftliche Anreize der Banken sowie eine geschickte Vertragsgestaltung (insbesondere jederzeitiges Kündigungsrecht des Investors verbunden mit der Pflicht der Bank, ihre Sicherungspositionen in wirtschaftlich vernünftiger Weise aufzulösen) ermöglichen es dem Investor, bei Beendigung des Geschäfts die zur Risikoabsicherung von den Banken gehaltenen Aktien zu erwerben. 33. Ein Anschleichen lässt sich auch durch den Einsatz von Wertpapierdarlehen bewerkstelligen: Erwirbt der Investor Aktien unterhalb der Eingangsmeldeschwelle von 3 %, gibt dieses Aktienpaket im Wege des Darlehens an eine Bank ab und wiederholt dieses Procedere mehrere Male, kann er durch die simultane Kündigung der Darlehensverträge sämtliche Aktien auf einmal zusammenziehen und den Kapitalmarkt mit einer Paketmitteilung überraschen. 34. Die Information, dass ein Investor Zugriff auf ein Aktienpaket besitzt, das – hätte er es direkt erworben – nach § 21 Abs. 1 WpHG offenlegungspflichtig wäre, hat in der Regel erhebliche Kursrelevanz, weil damit Informationen über die künftige Anteilseignerstruktur, über eine bevorstehende größere Kapitalbewegung und über die Höhe der frei verfügbaren Aktien (free float) verknüpft sind. Werden dem Markt derart wichtige Informationen vorenthalten, nimmt die Informationseffizienz des Kapitalmarkts Schaden. In der Regel besteht auch keine Möglichkeit des Marktes, sich die kursrelevante Information anderweitig zu verschaffen. 35. Hinsichtlich des faktischen Zugriffs des Anschleichers auf ein beträchtliches Aktienpaket herrscht keine Transparenz. Dadurch wird verhindert, dass die Anleger diese Information bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen können. Aufgrund dessen ist nicht ausgeschlossen, dass die Anleger ihre finanziellen Mittel suboptimal investieren, beispielsweise Mittel aus der Zielgesellschaft abziehen, obwohl der neue Investor in Kürze seinen Einfluss positiv geltend macht und/oder durch eine bessere Überwachung des Managements das Prinzipal-Agenten-Problem abmildert. Insofern wird durch das Anschleichen die Allokationseffizienz des Kapitalmarkts beeinträchtigt. 36. Die Verpflichtung zur Offenlegung bedeutender Beteiligungen beschleunigt den Prozess der Einpreisung wesentlicher Informationen in den aktuellen Aktienkurs und verkleinert dadurch den Zeitraum, innerhalb dessen Insiderhandel möglich ist. Je länger der Anschleicher dem Kapitalmarkt Informationen zu
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6. Kap.: Zusammenfassung
seiner Übernahmeabsicht vorenthält, desto größer ist die Gefahr, dass auf der Grundlage dieser Information Insiderhandel getrieben wird. 37. Durch das heimliche stakebuilding verhindert der Anschleicher einen Anstieg des Aktienkurses, senkt so die nach § 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO zu zahlende Gegenleistung und verbilligt dadurch die Übernahme zu Lasten der Aktionäre. Wenngleich ein Interesse der Aktionäre der Zielgesellschaft auf Teilhabe an der Kontrollprämie nicht berechtigt und daher nicht anzuerkennen ist, begegnet der Kapitalmarkt dem Anschleichen mit Missgunst. Es wird offensichtlich als schwere Beeinträchtigung des Anlegerschutzes empfunden, dass der Anschleicher den Aktionären der Zielgesellschaft die Kontrollprämie vorenthält. Ein Kapitalmarkt, der Geheimaktionen wie den verdeckten Beteiligungsaufbau ermöglicht bzw. zulässt, wird ergo das Anlegervertrauen verlieren und in der Konsequenz Mittelabflüsse zu verzeichnen haben. 38. Die Auswirkungen des Anschleichens auf den Markt für Unternehmenskontrolle sind nicht eindeutig: Einerseits stellt es ein Hemmnis für den Unternehmenskontrollmarkt dar, weil sich ein Erstbieter durch den Erwerb eines beträchtlichen toehold einen Startvorteil verschafft, den ein Zweitbieter nur selten wettmachen kann, und konkurrierende Angebote dadurch weniger wahrscheinlich werden. Zudem wird das Management der Zielgesellschaft daran gehindert, nach konkurrierenden Angeboten zu suchen. Andererseits ist das heimliche stakebuilding von Vorteil, weil ein potentieller Bieter seine Informationen über die Zielgesellschaft nicht frühzeitig mit anderen teilen muss. Er kann sich dadurch nicht nur unliebsame Konkurrenzangebote vom Hals halten, sondern insbesondere auch die Übernahme nicht unwesentlich verbilligen, was ein entscheidender Anreiz zur Suche nach unterbewerteten Unternehmen sein kann. 39. Unter Corporate Governance-Gesichtspunkten ist das Anschleichen insofern bedenklich, als es dem Emittenten die Ermittlung der Identität der eigenen Aktionäre erschwert. 40. Zwar sind von vornherein nur Derivatgeschäfte mit cash settlement bei gleichzeitiger Risikoabsicherung des Vertragspartners überhaupt zum Anschleichen geeignet, doch werden diese von den Beteiligungstransparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG nicht erfasst. Eine Zurechnung der Stimmrechte aus den von den Banken gehaltenen Aktien zum Investor nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ist mangels Einflusses auf die Stimmrechtsausübung durch den Derivatvertragspartner nicht möglich; eine Zurechnung nach § 22 Abs. 2 WpHG (acting in concert) scheidet aus, weil der abgestimmte Aktienerwerb von der Vorschrift nicht erfasst wird; eine Meldepflicht gemäß § 25 WpHG vermeiden die Vertragsparteien durch die Vereinbarung eines cash settlement bzw.
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durch die Vereinbarung eines Erfüllungswahlrechts des Vertragspartners. Die Annahme einer Umgehung des § 25 WpHG setzte schließlich voraus, dass die Analogievoraussetzungen gegeben sind, was indes nicht der Fall ist. 41. Kommen Wertpapierdarlehen beim Anschleichen zum Einsatz, überschreiten die hin- und hergeschobenen Aktienpakete in der Regel nicht die Eingangsmeldeschwelle von 3 % der Stimmrechte, so dass weder der Anschleicher noch die Banken nach § 21 Abs. 1 WpHG meldepflichtig werden. Eine Zurechnung der während der Laufzeit des Darlehens von den Banken gehaltenen Stimmrechte zum Anschleicher als Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5, Abs. 2 WpHG sowie eine Meldepflicht des Darlehensgebers nach § 25 WpHG scheiden aus den zum empty voting vorgetragenen Gründen aus. 42. Eine Verpflichtung des Anschleichers zur Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG) und zur Abgabe eines Angebots (§ 35 Abs. 2 WpÜG) besteht nicht, da keiner der Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG erfüllt ist. Dies gilt für den Einsatz von Derivaten und den Einsatz von Wertpapierdarlehen gleichermaßen. 43. Die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots steht üblicherweise am Ende eines längeren Analyse- und Willensbildungsprozesses, an dem – sofern es sich beim Bieter um eine Gesellschaft handelt – mehrere Gremien beteiligt sind. Eine Entscheidung über die Abgabe eines Angebots i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist also in der Regel erst dann gefallen, wenn der Aufsichtsrat dem Vorhaben des Vorstands zugestimmt hat. Erst in diesem Zeitpunkt besteht eine Veröffentlichungspflicht des Bieters nach besagter Vorschrift. Die Frage, ob eine Entscheidung vorliegt, ist anhand von Indizien zu beantworten, die allerdings den eindeutigen und unmissverständlichen Schluss zulassen müssen, die Entscheidung sei durch Zustimmung aller notwendigen Organe gefallen. Derartige Indizien liegen weder im Abschluss von Derivatgeschäften bzw. dem Aufbau der Derivatpositionen noch im Erwerb kleinerer, nicht offenlegungspflichtiger Aktienpakete an der Zielgesellschaft bzw. im Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen mit Banken. 44. Die Absicht, eine Gesellschaft zu übernehmen, stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 Abs. 1 WpHG dar, sofern ihre Verwirklichung hinreichend wahrscheinlich ist. Unter dieser Voraussetzung verstößt der Investor durch den Aufbau einer Derivatposition in Aktien der Zielgesellschaft bzw. durch den sukzessiven Erwerb kleinerer Aktienpakete gegen das Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG: Er verwendet beim Erwerb der Derivate bzw. der Aktien die selbst geschaffene Insiderinformation. Eine teleologische Reduktion des Tatbestands scheidet aus, weil der Anschleicher schon durch den Erwerb der Derivate bzw. der Aktien seinen Informationsvorsprung zur Erlangung missbilligenswerter Sondervorteile ausnutzen kann: Er verbilligt die Übernahme zu
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Lasten der veräußernden Aktionäre, die um ihre Teilhabe an der Kontrollprämie gebracht werden. Ein Verstoß des Investors gegen das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG liegt nur dann vor, wenn er die Banken ausdrücklich über seine Absichten informiert. Die Banken verstoßen ihrerseits durch den Erwerb der Aktien nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, weil dafür entweder das hedging-Interesse und nicht die Insiderinformation kausal ist oder weil sie sich ihrer Funktion als „Parkhäuser“ von Aktien gar nicht bewusst sind. 45. Die Bundesregierung hat im September 2010 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vorgelegt, der das Regime der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz beträchtlich ausbaut. Zum einen erweitert er den Anwendungsbereich des § 25 WpHG um „sonstige Instrumente“ und erfasst damit insbesondere auch den Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübereignung von Aktien. Auf diese Weise soll in Zukunft ein Anschleichen mittels Wertpapierdarlehen verhindert werden. Zum anderen ist die Einführung eines neuen § 25a WpHG vorgesehen, nach dem derjenige, der Finanzinstrumente oder sonstige Instrumente hält, welche nicht bereits von § 25 WpHG erfasst sind und die es ihrem Inhaber aufgrund ihrer Ausgestaltung ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene Aktien eines Emittenten zu erwerben, dies bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 % unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der BaFin mitzuteilen hat. Diese Regelung soll sämtliche Instrumente erfassen, bei denen ein Stimmrechtserwerb aufgrund der ihnen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Logik zumindest möglich ist, also insbesondere sämtliche Derivate mit cash settlement. 46. Der Gesetzgeber hat bei der Regulierung der Transparenz derivativer Finanzinstrumente zu berücksichtigen, dass diese nur insoweit einer Offenlegungspflicht unterstehen sollten, wie sie das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften ermöglichen. Eine Offenlegung ist also nur dann gerechtfertigt, wenn der Einsatz der modernen Finanzalchimie den tatsächlichen Erwerb der Aktien zur Folge haben kann. Sofern eine Derivatposition lediglich zu Arbitrage- oder Spekulationszwecken aufgebaut wird (also ohne hedging der Gegenpartei), bedarf es der Offenlegung hingegen nicht. Diese Verknüpfung des Derivateeinsatzes mit der Erlangung stimmrechtsvermittelnder Aktien ist mithin von elementarer Bedeutung. 47. Der Regierungsentwurf beschränkt die Transparenz von cash settlement-Derivaten nicht auf den Übernahmekontext, sondern verfolgt den breiteren Ansatz einer generellen Mitteilungspflicht von Finanzinstrumenten, sofern sie den Erwerb von Aktien ermöglichen. Diese Herangehensweise des Regierungsentwurfs ist zu begrüßen.
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48. Der Regierungsentwurf setzt die Eingangsmeldeschwelle für das Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten bei 5 % fest. Es ist indes davon auszugehen, dass reine Spekulations- und Arbitragegeschäfte auch jenseits dieser Schwelle abgeschlossen werden, letztlich also auch nicht offenlegungsbedürftige Konstellationen von der Meldepflicht erfasst werden. Zur Vermeidung solch unerwünschter Überinformation des Kapitalmarkts wird hier einer 10 %-Eingangsmeldeschwelle das Wort geredet. 49. Die Frage, ob der Stimmrechtsanteil auf nominaler oder auf delta-adjustierter Basis berechnet werden sollte, beantwortet der Gesetzgeber nicht eindeutig. Erwirbt der Anschleicher ein Finanzinstrument, dessen delta nicht gleich 1 ist (z. B. eine call option), wird sein Vertragspartner Aktien der Zielgesellschaft zum Zwecke der Absicherung regelmäßig nur in einem für die vollkommene Glattstellung der Risikoposition erforderlichen Umfang erwerben, d. h. ein sog. delta-hedging betreiben. Dann aber hat der Anschleicher auch nur Zugriff auf Aktien in Höhe des hedge-Bestands. Die Berechnung des Stimmrechtsanteils auf delta-adjustierter Basis berücksichtigt dies und verlangt eine Offenlegung lediglich bezüglich derjenigen Aktien, auf die der Investor tatsächlich Zugriff hat. Für die Berücksichtigung des delta-Wertes von Derivaten mag man daher die höhere Genauigkeit dieses Ansatzes anführen. Da jedoch keine allgemeingültige Methode zur Berechnung des delta existiert und zudem die Marktteilnehmer den von einer Vielzahl von Faktoren abhängigen und permanenter Veränderung unterworfenen Wert selbst berechnen, wird dieser Vorteil bereits insofern relativiert. Überdies führt der delta-adjustierte Ansatz gegenüber einer nominalen Berechnung, d. h. der Mitteilung desjenigen Stimmrechtsanteils, der durch die dem Instrument zugrunde liegenden stimmrechtsvermittelnden Aktien repräsentiert wird, zu einem stark erhöhten Meldeaufkommen. 50. Um der Beachtung der Mitteilungspflicht aus § 25a WpHG-RegE, aber auch der übrigen Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG, auf der Rechtsfolgenseite Nachdruck zu verleihen, sollte der Rechtsverlust des § 28 WpHG grundsätzlich auf § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 – 6, Abs. 2 WpHG sowie auf § 25 WpHG und § 25a WpHG-RegE ausgeweitet werden. Die Abschreckungswirkung dieser Sanktion könnte zudem durch eine Verlängerung des erweiterten Rechtsverlusts aus § 28 S. 3 WpHG von derzeit sechs auf zwölf Monate erhöht werden. Um nicht räuberischen Aktionären ein neues Betätigungsfeld zu eröffnen, sollte in die Anfechtungsvorschriften des AktG eine Vorschrift aufgenommen werden, die den Hauptversammlungsbeschluss anfechtungssicher ausgestaltet. 51. Schließlich sollte der BaFin in § 15 WpÜG die Befugnis eingeräumt werden, das unter Verletzung der Beteiligungspublizitätspflichten abgegebene Übernahmeangebot des Bieters zu untersagen. Dadurch würde ein dem Erwerb der Referenzaktien und damit dem Stimmrechtsverlust nach § 28 WpHG voraus-
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6. Kap.: Zusammenfassung
gehender Schutz geschaffen, der dem Anschleicher nicht nur die Ausübung des Stimmrechts aus den erworbenen Aktien verwehrt, sondern bereits den Erwerb der Aktien unterbindet und auf diese Weise die Verletzung der Anteilspublizitätsvorschriften abermals unattraktiver macht. 52. Sofern die Aktie eines Emittenten Bestandteil eines Aktienkorbs oder eines Aktienindex ist, können auch darauf bezogene Finanzinstrumente zum Anschleichen an den Emittenten eingesetzt werden. Gleichwohl sollten auf einen Basket oder auf einen Index bezogene Instrumente nur dann von § 25a WpHGRegE erfasst werden, wenn die Aktie des Unternehmens in dem Index oder dem Basket ein wesentliches, alle anderen Positionen erheblich übersteigendes Gewicht hat. Dies ist bei einer Index- bzw. Basketgewichtung der betreffenden Aktie von mindestens 30 % anzunehmen. Eine derartige Regelung sollte Eingang in die zu erlassenden Ergänzungen der WpAIV finden.
7. Kapitel
Annex – jüngere Entwicklungen In jüngerer Zeit hat die intensiv geführte Diskussion der Phänomene des Anschleichens an börsennotierte Gesellschaften und des empty voting1 die Gesetzgeber weltweit zum Tätigwerden und insbesondere zur Einführung neuer Mitteilungspflichten für bis dato nicht offenlegungspflichtige Finanzinstrumente veranlasst. Dieses eigens für die Veröffentlichung der Arbeit angefertigte Kapitel zeichnet – in geraffter Form – die wesentlichen Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene nach.
A. Hidden (morphable) ownership I. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz Der im fünften Kapitel diskutierte Regierungsentwurf eines Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) trat in Bezug auf die hier interessierenden §§ 25, 25a WpHG zum 01. Februar 2012 in Kraft. Dem Vorbild anderer Staaten folgend2 hatte sich der deutsche Gesetzgeber entschieden, mit einer Reaktion auf die spektakulären Fälle des Anschleichens nicht weiter zuzuwarten, und damit das Risiko in Kauf genommen, dass aus der Verabschiedung der bereits zum damaligen Zeitpunkt in der Diskussion befindlichen Richtlinie zur Änderung der Transparenzrichtlinie abermaliger Anpassungsbedarf im deutschen Recht entstehen könnte. 1. § 25 n.F. WpHG Der Wortlaut und damit der Regelungsgehalt des § 25 WpHG ist seit dem Regierungsentwurf unverändert geblieben; die Vorschrift ist in der im fünften Kapitel dieser Arbeit diskutierten Form3 in Kraft getreten. Dementsprechend kann im Wesentlichen auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.
1 2 3
Siehe schon oben 1. Kapitel B. mit umfangreichen Nachweisen. Siehe schon oben 5. Kapitel A. II. Siehe oben 5. Kapitel A. III. 3.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
a) Wertpapierdarlehen Insbesondere wird von der Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 WpHG aufgrund der Erstreckung des Tatbestands auf „sonstige Instrumente“ nunmehr auch der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübertragung stimmrechtsvermittelnder Aktien erfasst.4 Ein unerkanntes Parken von Aktien bei mehreren Darlehensnehmern5 ist somit nur noch bis zur Eingangsmeldeschwelle von 5 % möglich. Sollte der Darlehensgeber ausnahmsweise Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer haben6, werden jenem die Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet, was mithin zu einer doppelten Erfassung der Stimmrechte – durch §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG einerseits, durch § 25 Abs. 1 WpHG andererseits – führt.7 Da den Darlehensnehmer zudem u. U. eine Offenlegungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG trifft8, werden die Stimmrechte im Ergebnis sogar dreifach erfasst.9 Dieses durch die Streichung des § 25 Abs. 1 S. 4 WpHG a.F.10 herbeigeführte Ergebnis wird in der Literatur gelegentlich kritisiert11, vom Gesetzgeber aber zugunsten der Erhöhung des Transparenzniveaus hingenommen12. b) Derivative Finanzinstrumente Neben dem Anspruch des Darlehensgebers auf Rückübertragung von Aktien fallen unter den Tatbestand des § 25 Abs. 1 WpHG auch Finanzinstrumente, die
4 BaFin, FAQ §§ 25, 25a WpHG; dies., Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.5.2.2, S. 116, und VIII.2.8.1.1, S. 135; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; Cascante/ Bingel, NZG 2011, 1086, 1092 f.; Götze, BKR 2013, 265, 268; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 38; Krämer/Kiesewetter, BB 2012, 1679, 1682; Krause, AG 2011, 469, 476; Merkner/ Sustmann, NZG 2012, 241, 244; dies., NZG 2013, 1361, 1364; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697, 1700; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 3, 21; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1216; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 129. 5 Vgl. dazu oben 2. Kapitel B. III. 2. sowie 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (5) und C. I. 2. b). 6 Eingehend dazu siehe oben 4. Kapitel B. III. 2. a) bb) (2) (b) (bb). 7 KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 38, 63; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1364; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 14; siehe auch BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.2, S. 137; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 62 ff. 8 Vgl. dazu oben 4. Kapitel B. III. 2. a) aa) (2) und C. I. 2. a). 9 Prägnant Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1093; siehe auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170, 1172. 10 Diese Vorschrift versuchte das Doppelmeldungsaufkommen dadurch einzudämmen, dass sie eine zusätzliche Mitteilung aufgrund Aggregation mit Beteiligungen nach §§ 21, 22 WpHG nur dann für erforderlich erklärte, wenn eine weitere Meldeschwelle des § 21 Abs. 1 WpHG erreicht, überschritten oder unterschritten wurde. 11 Vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 64; Renz/Rippel, BKR 2011, 235, 238. 12 Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 23; ferner Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 4; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 8; Seibt, CFL 2010, 502, 504; Voß, BB 2010, 3099, 3101.
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ihrem Inhaber das Recht zum einseitigen Aktienerwerb verleihen.13 Dazu zählen insbesondere futures und forwards als Festgeschäfte14 sowie call-Optionen15, nicht aber die Stillhalterposition einer put-Option, da der Stillhalter keine einseitige Erwerbsposition erlangt, sondern Aktien nur dann erwerben kann, wenn der Vertragspartner als Inhaber der Option von seinem Veräußerungsrecht Gebrauch macht16. In Abgrenzung zum neu eingefügten § 25a WpHG genügen auch weiterhin solche Finanzinstrumente nicht, die lediglich einen Anspruch auf Barerfüllung vorsehen17 oder dem Inhaber der short position ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Erfüllung einräumen18. Letzteres wird in Anbetracht der neuen Vorschrift des § 25a WpHG auch von Schneider nicht mehr in Abrede gestellt.19 Ebenfalls nicht von § 25 Abs. 1 WpHG erfasst werden Finanzinstrumente, deren Erfüllung von Umständen abhängt, auf deren Eintritt der Inhaber des Finanzinstruments keinen Einfluss nehmen kann (z. B. Erreichen bestimmter Kursziele, Erteilung kartellrechtlicher Genehmigungen).20 In all diesen Konstellationen kann der Inhaber des Finanzinstruments allerdings gemäß § 25a WpHG zur Meldung verpflichtet sein.
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Siehe dazu auch schon oben 4. Kapitel C. I. 1. a) aa) (1) und C. I. 1. c) ee). BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 134; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 35, § 25a Rn. 44; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 26; Marsch-Barner/ F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 61; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 26. 15 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 134; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 31, § 25a Rn. 43; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 26; Assmann/Schneider/ Schneider, § 25 Rn. 32. 16 KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 34; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 24; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 61; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 33; siehe auch BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 135, und VIII.2.9.1.1, S. 141. 17 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 134 f.; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 23; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 5; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 61; Assmann/Schneider/ Schneider, § 25 Rn. 22; ders., AG 2011, 645, 649 f. 18 Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 6; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 14. 19 Vgl. Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 42 ff.; zum Streitstand vor Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes siehe oben 4. Kapitel C. I. 1. c) ee) (4). 20 Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 31; Krause, AG 2011, 469, 474; Kämmerer/Veil/ders., S. 163, 167 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1367; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 7; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 18, 46 f.; ders., AG 2011, 645, 647, 651; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 128; vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 135. 14
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
2. § 25a n.F. WpHG Der Gesetz gewordene Text des § 25a WpHG stimmt ebenfalls weitestgehend21 mit dem Text des in dieser Arbeit diskutierten Regierungsentwurfs überein, so dass auch insofern zunächst auf die obigen Ausführungen22 verwiesen werden kann. a) Ermöglichung des Aktienerwerbs – Reichweite der Generalklausel Hinsichtlich der Frage, welche Instrumente im Einzelnen von der Generalklausel des § 25a Abs. 1 WpHG erfasst werden, besteht allerdings auch fast drei Jahre nach Inkrafttreten der Vorschrift noch keine absolute Klarheit. aa) Regelbeispiele (§ 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 WpHG)23 Unstreitig ist, dass das erste Regelbeispiel – unabhängig vom tatsächlichen Erwerb der referenzierten Aktien durch die Gegenpartei – insbesondere (Finanz-)Instrumente (futures und forwards, call-Optionen, swaps) mit cash settlement erfasst.24 Das zweite Regelbeispiel hat zum einen („Recht zum Erwerb“) futures/forwards und call-Optionen im Blick, die zwar eine physische Lieferung von Aktien vorsehen, aber deshalb nicht bereits unter § 25 WpHG fallen, weil die Lieferung der Aktien noch unter einer aufschiebenden Bedingung steht, deren Eintritt der Inhaber des Finanzinstruments nicht einseitig herbeiführen kann.25 Zum anderen („Erwerbspflicht“) erfasst § 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG Stillhaltepositionen aus put options mit Realerfüllung.26
21
Zu den beiden wichtigsten Änderungen siehe unten 7. Kapitel A. I. 2. b). Siehe oben 5. Kapitel A. III. 2. 23 Zu diesen siehe auch schon oben 5. Kapitel A. III. 2. a). 24 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 140 f.; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1090; Krämer/Kiesewetter, BB 2012, 1679, 1683; Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 169; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697, 1700; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 11a, 14 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 40, 44; ders., AG 2011, 645, 649 f.; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1217; Veil/Veil, § 20 Rn. 107; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 146, 148. 25 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 141; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 43; Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 169; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 16, 40; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 12, 26; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 43; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1218; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 147. 26 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 141; Krause, AG 2011, 469, 478; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 16, 56; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 29 f.; Renz/Rippel, BKR 2011, 235, 237; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 63; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 45; ders., AG 2011, 645, 650; C. Teichmann/ Epe, WM 2012, 1213, 1218; Veil/Veil, § 20 Rn. 108 f.; Voß, BB 2010, 3099, 3102; Habersack/ Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 147. 22
A. Hidden (morphable) ownership
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bb) Konkretisierung der Mitteilungspflichten Angesichts des bewusst weit gefassten Wortlauts des § 25a Abs. 1 WpHG besteht ein Bedürfnis nach Konkretisierung der Mitteilungspflicht. (1) Rechtsverordnung Dies hatte schon der Reformgesetzgeber erkannt und in § 25a Abs. 4 WpHG das Bundesfinanzministerium zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, die insbesondere nähere Bestimmungen zur Berechnung des Stimmrechtsanteils sowie Ausnahmen von der Mitteilungspflicht vorsehen kann.27 Von dieser Möglichkeit hat das Bundesfinanzministerium allerdings nur sehr zaghaft Gebrauch gemacht28 und im neuen § 17a WpAIV lediglich zwei Fälle von der Einbeziehung bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils freigestellt29 : zum einen Finanzinstrumente und sonstige Instrumente, die sich auf eigene Aktien des Emittenten beziehen und es diesem ermöglichen, solche Aktien zu erwerben, und zum anderen Anteile von Aktien eines Emittenten an Aktienkörben und Indizes, sofern bei der Berechnung des Preises des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments zum jeweiligen Erwerbszeitpunkt die Aktien mit höchstens 20 % Berücksichtigung finden30. (2) Auslegungshilfen der BaFin Die BaFin hingegen ist das Thema der neuen Meldepflichten von Beginn an recht offensiv angegangen: Bereits vor Inkrafttreten der §§ 25, 25a WpHG veröffentlichte sie auf ihrer Homepage eine Liste der häufigen Fragen zu den neuen Meldepflichten, in der sie erste Pflöcke zu deren Anwendung in der Praxis einschlug. Außerdem stellte sie Musterformulare (mit Erläuterungen) für Stimmrechtsmitteilungen gemäß §§ 25 Abs. 1, 25a Abs. 1 WpHG online31, deren Verwendung zwar nicht verpflichtend, mittlerweile in der Praxis aber durchaus nicht unüblich ist. Schließlich verlieh auch die Neuauflage des Emittentenleitfadens der BaFin im Jahr 2013 den 27
Siehe dazu schon oben 5. Kapitel A. III. 2. c) ee). Kritisch auch Götze, BKR 2013, 265, 269; Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 173; Merkner/Sustmann, NZG 2012, 241, 242; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 31; scharfe Kritik bei KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 90 („Das BMF […] ist damit seinem vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelungsauftrag in wesentlichen Punkten nicht nachgekommen.“); Merkner/ Sustmann, NZG 2013, 1361, 1366 („[…] die Erwartungen, die die Praxis im Hinblick auf eine Konkretisierung des bewusst weit gefassten Grundtatbestands und möglicher Ausnahmetatbestände an die Verordnungsermächtigung in § 25a IV WpHG geknüpft hatte, sind vollständig enttäuscht worden.“). 29 Erste Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung, BGBl. I 2012, S. 121. 30 Ausführlich zu letzterem siehe schon oben 5. Kapitel A. III. 2. c) aa) (3) m.w.N.; ferner Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1095 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 60; Krause, AG 2011, 469, 478; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 111 ff. 31 Abrufbar unter http://www.bafin.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/sc_071215_wa_ stimmrechte.html (zuletzt aufgerufen am 01. 10. 2014). 28
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
neuen Vorschriften schärfere Konturen und erleichterte den Marktteilnehmern auf diese Weise die Einschätzung des Eingreifens der Mitteilungspflichten. cc) Zweifelsfälle Wenngleich somit insbesondere die FAQ-Liste der BaFin sowie die Neuauflage des Emittentenleitfadens den Marktteilnehmern durchaus hilfreiche Guidance geben, sind jenseits der oben32 beschriebenen (und teilweise bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs genannten33) Fälle insbesondere die folgenden Konstellationen noch Gegenstand von Diskussionen: – Stillhaltepositionen aus Put-Optionen mit cash settlement34, – unwiderrufliche Zusagen eines Aktionärs zur Annahme eines Erwerbsangebots nach dem WpÜG (sog. irrevocable undertakings)35, – Vorkaufsrechte im Rahmen von Gesellschaftervereinbarungen36, – gewerbliche Pfandrechte i.S.d. § 1259 BGB an Aktien37, – tag along- (Mitveräußerungsrecht) und drag along-Klauseln (Mitveräußerungspflicht)38 sowie 32
Siehe 7. Kapitel A. I. 2. a) aa) und A. I. 2. a) bb) (1). Vgl. Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 23 f. 34 Für eine Meldepflicht BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 141; Heidel/ Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 56; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 31 f.; kritisch Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1089; Götze, BKR 2013, 265, 269; KölnKommWpHG/ Heinrich, § 25a Rn. 45; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1370. 35 Für eine Meldepflicht BaFin, FAQ §§ 25, 25a WpHG; dies., Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 141; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697, 1700; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 62; wohl auch Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1094 f.; Krämer/Kiesewetter, BB 2012, 1679, 1683; kritisch Brandt, CFL 2012, 110, 112; Krause, AG 2011, 469, 479; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 59; Merkner/Sustmann, NZG 2012, 241, 243; dies., NZG 2013, 1361, 1368; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 43 ff. 36 Für eine Meldepflicht BaFin, FAQ §§ 25, 25a WpHG; dies., Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 142; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 57; C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1219 f.; kritisch Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1096; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 48; Merkner/Sustmann, NZG 2012, 241, 243; dies., NZG 2013, 1361, 1367 f.; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 60; von Werder/Petersen, CFL 2012, 178, 181. 37 Für eine Meldepflicht des Pfandgläubigers bei Vorliegen einer Verfallvereinbarung BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 142; wohl auch C. Teichmann/Epe, WM 2012, 1213, 1218; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 156; kritisch Brandt, CFL 2012, 110, 111, 112 ff.; DAV, NZG 2012, 770, 772; KölnKommWpHG/ Heinrich, § 25a Rn. 53; Krämer/Kiesewetter, BB 2012, 1679, 1683; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1369; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 54 f.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 44 ff.; siehe auch Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 174 f. 38 Für eine Meldepflicht des veräußerungswilligen Gesellschafters BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 142, mit der Begründung, dieser ermögliche den Erwerb von 33
A. Hidden (morphable) ownership
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– Meldepflichten von Emissionsbanken39 im Rahmen von IPOs und Kapitalerhöhungen40. Für diese und weitere Zweifelsfälle wäre eine Klarstellung im Rahmen der WpAIV wünschenswert.41 b) Änderungen des Gesetzestextes gegenüber dem Regierungsentwurf Das weitere Gesetzgebungsverfahren seit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs hat noch zwei erwähnenswerte Änderungen im Wortlaut des § 25a WpHG hervorgebracht. Zum einen wurde die Meldepflicht gemäß § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG auf solche Fälle erweitert, in denen nicht dem Inhaber des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments, sondern einem Dritten der Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien ermöglicht wird. Diese Erweiterung42 gegenüber dem Wortlaut des Regierungsentwurfs dient der Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten43, wobei „Dritter“ in diesem Sinne nach BaFin-Lesart jede andere Person als die des Vertragspartners ist44. Wen in diesem Falle die Meldepflicht trifft – den Inhaber des Instruments oder den Dritten –, ist umstritten45, was angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 25a Abs. 1 mit Stimmrechten verbundenen Aktien durch einen Dritten; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 57; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 60 f.; kritisch Götze, BKR 2013, 265, 269; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 49; von Werder/Petersen, CFL 2012, 178, 182. 39 Zur begrenzten Reichweite des Ausnahmetatbestands für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 25a Abs. 3 WpHG) vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 86; Heidel/ Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 30; siehe dazu auch schon oben 5. Kapitel A. III. 2. c) aa) (2); zum Fehlen einer § 25 Abs. 1 S. 2 WpHG entsprechenden Vorschrift, die die Handelsbestandsausnahme des § 23 WpHG für anwendbar erklären würde (§ 25a Abs. 1 S. 6 WpHG nennt lediglich § 24 WpHG), vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.2, S. 146; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 87. 40 Für eine Meldepflicht je nach konkretem Einzelfall BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.1, S. 142; kritisch Brandt, WM 2014, 543, 552; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 34; siehe auch Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 171 f. Abgemildert wird diese Problematik indes dadurch, dass die BaFin eine Ausnahme von der Meldepflicht zulässt, wenn das Finanzinstrument bzw. das sonstige Instrument innerhalb von drei Handelstagen abgewickelt wird, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.1, S. 135 (für § 25 WpHG; für eine Erstreckung auch auf § 25a WpHG Brandt, WM 2014, 543, 547; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1367 und Fn. 54). 41 So auch Merkner/Sustmann, NZG 2012, 241, 242 f.; dies., NZG 2013, 1361, 1368 f.; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 31, 34, 54. 42 Zu ihren Auswirkungen auf die Meldepflichten der Konsortialbanken im Rahmen des Aktienemissionsgeschäfts siehe Brandt, WM 2014, 543, 546. 43 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1, S. 140. 44 BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1., S. 140. 45 Richtigerweise für eine Meldepflicht des Inhabers des Instruments Schneider, AG 2011, 645, 648; wohl auch Brandt, WM 2014, 543, 546; a.A. kurioserweise ebenfalls Assmann/ Schneider/Schneider, § 25a Rn. 24.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
S. 1 WpHG („Wer […] hält, […] hat dies […] mitzuteilen.“) verwundert. In § 25a Abs. 2 S. 1 WpHG ist im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens eine entsprechende Änderung aufgenommen worden. Die Fassung des Regierungsentwurfs des AnsFuG machte nicht hinreichend deutlich, ob für den Fall, dass das Finanzinstrument oder sonstige Instrument keine Angaben zu der Anzahl der Aktien enthält, deren Erwerb ermöglicht wird, eine Berechnung des Stimmrechtsanteils auf nominaler oder delta-adjustierter Basis zu erfolgen hat.46 In dieser Arbeit wurde eine Berechnung auf nominaler Basis (mit einem delta von stets 1) befürwortet und angeregt, dies im Rahmen des § 25a Abs. 2 WpHG klarzustellen.47 Dieser Empfehlung ist der Gesetzgeber dadurch nachgekommen, dass er dem § 25a Abs. 2 S. 2 WpHG einen zweiten Halbsatz angefügt hat, wonach „bei der Berechnung der erforderlichen Anzahl entsprechender Aktien […] ein Deltafaktor entsprechend § 308 Absatz 4 Satz 2 der Solvabilitätsverordnung mit einem Betrag von 1 anzusetzen“ ist.48 Die Bezugnahme auf § 308 Abs. 4 S. 2 SolvV ist allerdings seit dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der sog. Kapitaladäquanzrichtlinie IV (CRD IV)49 sowie seit Inkrafttreten der Kapitaladäquanzverordnung (CRR)50 und den damit einhergehenden umfangreichen Änderungen der SolvV nicht mehr zutreffend; § 25a Abs. 2 S. 2 Hs. 2 WpHG müsste nunmehr auf Art. 280 Abs. 1 lit. a) ii) und/oder Art. 329 Abs. 1 S. 5 der CRR verweisen. c) Umgehungsfestigkeit des § 25a Abs. 1 WpHG Trotz des generalklauselartigen Charakters und des auch vom Gesetzgeber betonten weiten Anwendungsbereichs der Norm bezweifeln Teile der Literatur, dass mit § 25a WpHG tatsächlich jede denkbare Gestaltung zur zukünftigen Vermeidung des Anschleichens erfasst wird.51 Mir erschließt sich nicht, welche Konstellationen die Vertreter dieser Ansicht im Blick haben könnten; meines Erachtens ist der Tatbestand des § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG durch den Begriff des Ermöglichens hin46
Siehe dazu oben 5. Kapitel A. III. 2. c) dd) (2). Siehe oben 5. Kapitel A. III. 2. c) dd) (4); vgl. auch Seibt, CFL 2010, 502, 506. 48 Vgl. dazu auch Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 25a WpHG Rn. 3; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1091; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 59 f.; ders., AG 2011, 645, 651 f.; Seibt, CFL 2010, 502, 505 f.; kritisch Renn/Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 445; ebenso KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 70. 49 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU Nr. L 176/338. 50 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. EU Nr. L 176/1. 51 Anzinger, WM 2011, 391, 396; Holfter, S. 194 (keine Todeserklärung für das Institut des Anschleichens), 196; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 13; ders., AG 2011, 645, 646; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527, 1535. 47
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reichend flexibel ausgestaltet worden, um derzeit noch unbekannte zum Zwecke des heimlichen Beteiligungsaufbaus eingesetzte Instrumente zu erfassen.52 Im Übrigen kreist die Diskussion derzeit eher um eine Einschränkung des von vielen als uferlos empfundenen Anwendungsbereichs des § 25a Abs. 1 WpHG53 als um die Frage, ob der Gesetzgeber sein Ziel, das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften unmöglich zu machen54, tatsächlich erreicht hat. 3. Rechtsfolgen: Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. f WpHG) Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. f WpHG stellt der vorsätzliche oder leichtfertige Verstoß gegen die Meldetatbestände der §§ 25, 25a WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. E geahndet werden kann. Der Bußgeldrahmen ist im Vergleich zum Regierungsentwurf55 nochmals angehoben worden, was allerdings das Grundproblem der mangelnden Abschreckungswirkung nicht zu beheben vermag.56 Im Übrigen ist die abermalige Heraufsetzung des Bußgeldrahmens in Kombination mit dem betont offen gefassten 52 Ähnlich Grunewald/Schlitt, § 7 I 2 e, S. 140 („Hierdurch [§ 25a WpHG, Anm. d. Verf.] wird die beschriebene Vorgehensweise daher kaum mehr möglich sein.“); Heuser, Der Konzern 2012, 308, 317 („[D]er vormals mögliche versteckte Beteiligungsaufbau (hidden ownership) […] wird hierdurch [§§ 25, 25a WpHG, Anm. d. Verf.] transparent.“); Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 5 („Diese Transparenzlücke […] wollte der Gesetzgeber mit dem neuen § 25a schließen. Dies ist gelungen.“); Veil, ZHR 177 (2013) 427, 432 f. („Seine mit der letzten Reform verfolgten Ziele hat der deutsche Gesetzgeber […] erreicht: Ein verdeckter Beteiligungsaufbau ist kaum noch möglich.“); so für die Schweiz auch Emmenegger, FS Hopt, S. 1763, 1786; mit einer ähnlichen Einschätzung für den UK Gower/Davies, Rn. 28-45: „Thus, a person seeking to exercise control over a company, but being aware of the restrictions in the Code, could have sought to circumvent its restrictions by exercising some or all of its control rights via CfDs. The changes made prevent that step.“ 53 Vgl. beispielsweise Götze, BKR 2013, 265, 269 („[…] dem bewusst generalklauselartig gefassten Tatbestand des § 25a WpHG eine Tendenz zur expansiven Auslegung innewohnt, die – gemessen am Postulat des Transparenzgewinns – leicht die Grenze des Kontraproduktiven zu erreichen droht.“); KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 7 („Der hiermit auch vom deutschen Gesetzgeber eingeschlagene Weg erfordert mit der Einführung einer in ihren Anwendungsfeldern praktisch „uferlosen“ Norm aber auch die Ausbalancierung für Instrumente, die für sich genommen keiner Offenlegung bedürfen.“). 54 Begründung RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BRDrucks. 584/10, S. 1 f., 20. 55 Vgl. dazu oben 5. Kapitel A. III. 2. d) aa). 56 Ebenso Brouwer, NZG 2014, 201, 206; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 70; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 78; wohl auch Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 18 Rn. 48, der die Sanktion des Rechtsverlusts als „die im Verhältnis zu den Ordnungswidrigkeitentatbeständen schärfere und wahrscheinlich auch effektivere Sanktionierung“ bezeichnet; a.A. offensichtlich Krause, AG 2011, 469, 482, der von einer „drastischen Erhöhung“ spricht; ähnlich Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 171: „deutliche Verschärfung“.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
Tatbestand des § 25a Abs. 1 WpHG aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unbedenklich.57
II. Änderungsrichtlinie 2013/50/EU zur Transparenzrichtlinie Bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2013/50/EU58 existierte keine § 25a WpHG entsprechende europarechtliche Verpflichtung zur Offenlegung von Finanzinstrumenten, die den Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien aufgrund ihrer wirtschaftlichen Logik lediglich ermöglichen. Wie bereits eingangs erwähnt59, hat die Überprüfung der Transparenzrichtlinie jedoch insofern auch auf europäischer Ebene zu einem Paradigmenwechsel geführt, der sich in der Richtlinie 2013/50/EU manifestiert60. Zudem hat eine Reihe von Vorschriften der geänderten Transparenzrichtlinie der ESMA den Auftrag erteilt, der Kommission (zum Zwecke der Vorbereitung entsprechender Level II-Maßnahmen61) bis zum 27. November 2014 Entwürfe technischer Regulierungsstandards (regulatory technical standards – RTS) zu übermitteln. Dem ist die ESMA bereits im September 2014 nachgekommen.62 Gleichzeitig hat die ESMA – dem Auftrag der Richtlinie 2013/50/EU entsprechend – eine Liste der ihrer Ansicht nach meldepflichtigen Finanzinstrumente vorgelegt. Die wichtigsten Änderungen des Beteiligungstransparenzregimes auf europäischer Ebene – sowohl die bereits feststehenden als auch die noch im Entwurfsstadium befindlichen – sollen nachfolgend dargestellt werden. Im diesem Zusammenhang wird auch ausgelotet, inwiefern jeweils auf nationaler Ebene gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. 57
Siehe auch dazu schon oben 5. Kapitel A. III. 2. d) aa). Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl. EU Nr. L 294/13. 59 Siehe oben 1. Kapitel B. 60 Prägnant zur Entstehungsgeschichte KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 15 ff. 61 Zum Lamfalussy-Verfahren und seinen vier Stufen vgl. Rötting/Lang, EuZW 2012, 8; Weber-Rey/Horak, WM 2013, 721; zur Rolle der ESMA im System der europäischen Kapitalmarktaufsicht siehe Walla, BKR 2012, 265. 62 Vgl. ESMA, Final Report on draft Regulatory Technical Standards on major shareholdings and an indicative list of financial instruments subject to notification requirements under the revised Transparency Directive, 29 September 2014, ESMA/2014/1187; dem vorausgehend ESMA, Consultation Paper on Draft Regulatory Technical Standards on major shareholdings and an indicative list of financial instruments subject to notification requirements under the revised Transparency Directive, 20 March 2014, ESMA/2014/300. 58
A. Hidden (morphable) ownership
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1. (Partielle) Vollharmonisierung a) Änderungen auf europäischer Ebene Einen gänzlich neuen Kurs schlägt die Transparenzrichtlinie insoweit ein, als sie nicht mehr nur eine Mindestharmonisierung vorsieht63, sondern einen (partiellen) Vollharmonisierungsansatz verfolgt64: Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine über die Anforderungen der Transparenzrichtlinie hinausgehenden Anforderungen statuieren.65 Dieser in Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 der Transparenzrichtlinie zum Ausdruck kommende Grundsatz wird allerdings in dreierlei Hinsicht durchbrochen: Zum ersten können die Mitgliedstaaten eine oder mehrere66 niedrigere Meldeschwelle(n) als die in Art. 9 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie genannte Eingangsmeldeschwelle (5 %) sowie ergänzende (Zwischen-)Meldeschwellen67 vorsehen (Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 i).68 Zum zweiten ist es den Mitgliedstaaten gestattet, die in Art. 12 der Transparenzrichtlinie enthaltenen Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Mitteilung und Veröffentlichung bedeutender Stimmrechtsanteile zu verschärfen (Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 ii).69 Und zum dritten dürfen die Mitgliedstaaten übernahmerechtliche Vorschriften beibehalten, die (u. a.) im Zusammenhang mit Übernahme63 Die Mitgliedstaaten durften daher zwar keine milderen, aber durchaus strengere Vorschriften einführen. Von dieser Befugnis zum sog. goldplating haben einige Mitgliedstaaten teilweise sehr weitgehend Gebrauch gemacht mit der Folge einer starken Zersplitterung des Rechts der Beteiligungstransparenz, vgl. Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1243; Seibt/ Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 547; Veil/Veil, § 20 Rn. 5, 25 ff., 42 ff., 97 ff., 120 ff. 64 Brinckmann, BB 2012, 1370, 1372; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19; Heidel/ Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 8a; Renn/Weber/Gotschev, AG 2012, 440, 446; Veil, WM 2012, 53, 56; ders., ECFR 10 (2013) 18, 28; Habersack/Mülbert/Schlitt/Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 52; allgemein zu den Konzepten von Mindest- und Vollharmonisierung im europäischen Kapitalmarktrecht sowie zu deren Vor- und Nachteilen vgl. Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241; Veil/Walla, § 4 Rn. 28 ff. 65 Diesen Ansatz grundsätzlich befürwortend Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241, 1246 f.; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 547; Veil, WM 2012, 53, 58; ders., ZHR 177 (2013) 427, 434; kritisch Brinckmann, BB 2012, 1370, 1373; DAV, NZG 2012, 770 f. 66 Vgl. Brinckmann, BB 2012, 1370, 1373; Veil, WM 2012, 53, 57 mit Fn. 60; ders., ECFR 10 (2013) 18, 31 mit Fn. 63. 67 Siehe dazu auch Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2013/50/EU; Parmentier, AG 2014, 15, 17 f.; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 548; a.A. auf Basis des Richtlinienentwurfs der Kommission Brinckmann, BB 2012, 1370, 1373; Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 309 f. (letztere allerdings bereits mit Ausblick, dass das Verbot zusätzlicher Mitteilungsschwellen wohl keinen Bestand haben wird). 68 Wohl aber keine höheren (insbesondere keine Schwellen bei 90 % oder 95 % zur Kenntlichmachung der Möglichkeit eines squeeze out), vgl. Brinckmann, BB 2012, 1370, 1373; Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 309; dies., ZIP 2014, 545, 548; a.A. Parmentier, AG 2014, 15, 17 mit Fn. 36; ebenso Veil, ZHR 177 (2013) 427, 439, 441, der dem deutschen Gesetzgeber die Einführung einer weiteren Meldeschwelle bei 90 % bzw. 95 % vorschlägt. 69 Insbesondere können die Mitgliedstaaten eine kürzere als die in Art. 12 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie vorgesehene Meldefrist von maximal vier Handelstagen statuieren, vgl. Parmentier, AG 2014, 15, 18.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
angeboten stehen, die Eigentumsverhältnisse oder die Kontrolle von Unternehmen betreffen und von den Behörden beaufsichtigt werden, die nach der Übernahmerichtlinie von den Mitgliedstaaten benannt worden sind (Art. 3 Abs. 1a UAbs. 4 iii).70 Wie Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2013/50/EU verdeutlicht, ist es „den Mitgliedstaaten weiterhin gestattet […], hinsichtlich des Inhalts (wie etwa der Offenlegung der Absichten der Anteilseigner) […] der Mitteilungen strengere als die in der Richtlinie 2004/109/EG vorgesehenen Verpflichtungen festzulegen“. Vorschriften wie beispielsweise § 27a WpHG sind von der Transparenzrichtlinie daher nicht betroffen.71 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Bezüglich der Meldeschwellen des § 21 Abs. 1 WpHG besteht jedenfalls aufgrund der Richtlinie 2013/50/EU72 kein Handlungsbedarf. Insbesondere ist die Eingangsmeldeschwelle von 3 % weiterhin zulässig. Nach dem oben Gesagten73 können auch die Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG sowie § 27a WpHG beibehalten werden. Nicht mehr zulässig sein dürften hingegen die jenseits der 75 %Schwelle der Transparenzrichtlinie liegenden zusätzlichen Meldeschwellen in § 11 Abs. 5 REITG.74
70
Diese Durchbrechung des Vollharmonisierungsgrundsatzes erfasst nicht nur Veröffentlichungspflichten auf Grundlage der Übernahmerichtlinie – was insoweit lediglich die Beschreibung einer Selbstverständlichkeit gewesen wäre –, sondern nach herrschender Ansicht in der Literatur auch „Zurechnungsnormen mit Übernahmetendenz“, so dass die Mitgliedstaaten beispielsweise über Art. 10 lit. a der Transparenzrichtlinie hinausgehende, weiter gefasste acting in concert-Tatbestände beibehalten dürfen, vgl. Parmentier, AG 2014, 15, 18 f.; Seibt/ Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 548 f.; Veil/Veil, § 20 Rn. 67; ders., ZHR 177 (2013) 427, 434; ferner Veil, WM 2012, 53, 57 f.; a.A. auf Basis des Richtlinienentwurfs der Kommission Seibt/ Wollenschläger, AG 2012, 305, 310 f. 71 KölnKommWpHG/Heinrich, § 27a Rn. 12; Parmentier, AG 2014, 15, 18; so auch schon auf Basis des Kommissionsvorschlags Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 310 mit Fn. 65; Veil, WM 2012, 53, 55, 59; ders., ECFR 10 (2013) 18, 36; a.A. Brinckmann, BB 2012, 1370, 1373. 72 Zu Bestrebungen, zum Zwecke der Erschwerung sog. low balling-(Übernahme- oder Pflicht-)Angebote mit anschließendem sog. creeping in im Bereich zwischen der 30 %- und der 50 %-Schwelle weitere Meldeschwellen einzuführen, vgl. Hitzer/Düchting, ZIP 2011, 1084, 1088 ff.; Veil, ZHR 177 (2013) 427, 438 f.; zu den übernahmerechtlichen Implikationen siehe auch Baums, ZIP 2010, 2374; Hirte, Der Konzern 2010, 599, 600 ff.; Kämmerer/Veil/Kalss, S. 139 ff., 154 ff.; Kämmerer/Veil/Krause, S. 163, 184 ff.; Merkt, NZG 2011, 561. 73 Siehe soeben 7. Kapitel A. II. 1. a) mit Fn. 70 und 71. 74 Vgl. Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 548; a.A. Parmentier, AG 2014, 15, 17 mit Fn. 36.
A. Hidden (morphable) ownership
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2. Mitteilungspflicht für bisher nicht meldepflichtige Finanzinstrumente a) Änderungen auf europäischer Ebene Zum Zwecke der Schließung von Transparenzlücken im bisherigen Beteiligungstransparenzregime75 hat auch die Richtlinie 2013/50/EU den Kreis der meldepflichtigen Finanzinstrumente erweitert: Wie schon bisher76 gilt die Mitteilungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a für Finanzinstrumente, die ihrem Inhaber bei Fälligkeit im Rahmen einer förmlichen Vereinbarung entweder das unbedingte Recht auf stimmrechtsvermittelnde Aktien oder ein Ermessen in Bezug auf sein Recht auf Erwerb von Aktien verleihen. Neu eingefügt wurde durch Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b allerdings die Pflicht, auch Finanzinstrumente zu melden, die eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die unter lit. a genannten Finanzinstrumente, und zwar unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf physische Abwicklung einräumen oder nicht. Der neue Art. 13 Abs. 1b der Transparenzrichtlinie enthält eine Aufzählung von Instrumenten, die unter den Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a oder b als Finanzinstrumente in diesem Sinne gelten. Die Vorschrift nennt insbesondere auch Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Differenzgeschäfte und alle anderen Kontrakte oder Vereinbarungen mit vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung, die physisch oder bar abgewickelt werden können. Die ESMA ist in Art. 13 Abs. 1b UAbs. 2 damit beauftragt worden, unter Berücksichtigung der technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten eine nicht erschöpfende Liste der Finanzinstrumente nach Art. 13 Abs. 1 zu erstellen und diese regelmäßig zu aktualisieren. In der generalklauselartigen Formulierung des Tatbestands („vergleichbare wirtschaftliche Wirkung“) spiegelt sich der Wille des Richtliniengebers wider, einen flexiblen Offenlegungstatbestand zu schaffen, um in Zukunft den heimlichen Erwerb von Aktienbeständen zu unterbinden77. Schärfere Konturen soll der Tatbestand insbesondere durch die genannte Liste der ESMA erhalten, die allerdings wiederum zum einen nicht erschöpfend sein und zum anderen regelmäßig aktualisiert werden soll. Diese indikative Liste der nach Art. 13 Abs. 1 meldepflichtigen Finanzinstrumente hat die ESMA gemeinsam mit den Entwürfen technischer Regulierungsstandards veröffentlicht78 ; rechtstechnisch handelt es sich bei dabei allerdings nicht um technische Regulierungsstandards i.S.d. Art. 10 der ESMA-Verordnung79, son75
Vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2013/50/EU. Vgl. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/109/EG sowie Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG. 77 Vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2013/50/EU; siehe dazu auch Parmentier, AG 2014, 15, 20 f. 78 Vgl. ESMA, Draft RTS Final Report, Rn. 138 ff., Annex VI. 79 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331/84. 76
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
dern lediglich um Empfehlungen i.S.d. Art. 16 der ESMA-Verordnung80. Die ESMA geht – sofern die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a oder b der Transparenzrichtlinie gegeben sind und sich die Instrumente auf stimmrechtsvermittelnde Aktien beziehen – insbesondere in den folgenden Fällen vom Vorliegen eines Finanzinstruments aus81: – Wandelschuldverschreibungen und Umtauschanleihen in Bezug auf bereits ausgegebene Aktien82, – Finanzinstrumente, die sich auf einen Aktienkorb oder einen Index beziehen und bestimmte in den RTS beschriebene Voraussetzungen erfüllen83, – Optionsscheine84, – Ansprüche auf Rückübertragung von Aktien aus einem Wertpapierdarlehen85, – rechtsgeschäftliche Vorkaufsrechte86, – bedingte Verträge oder Vereinbarungen (andere als Optionen und Terminkontrakte, die bereits von Art. 13 Abs. 1b der Transparenzrichtlinie erfasst werden)87 sowie – Gesellschaftervereinbarungen, die ein Finanzinstrument nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a oder b zum Gegenstand haben88. Im Hinblick auf die ebenfalls als Finanzinstrument geltenden Optionen (Art. 13 Abs. 1b UAbs. 1 lit. b) hat die ESMA klargestellt, dass der Begriff der Option sowohl call-Optionen als auch put-Optionen erfasst.89
80 So auch Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 33; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 550; Veil, WM 2012, 53, 58; ders., ECFR 10 (2013) 18, 35; näher zur Rechtsnatur von Empfehlungen siehe Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 10 f.; Walla, BKR 2012, 265, 267; WeberRey/Horak, WM 2013, 721, 724 f. 81 Vgl. ESMA, Draft RTS Final Report, Annex VI Ziff. 3. 82 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 182 ff.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 150 f. 83 Näher dazu siehe unten 7. Kapitel A. II. 4. b). 84 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 186 f. 85 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 190 f.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 152 f. 86 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 192 f. 87 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 194 f. (die als Beispiele für Bedingungen die Genehmigung einer Behörde, das Erreichen eines bestimmten Basiswertpreises oder den Eintritt eines bestimmten Datums oder Ereignisses nennt); dies., Draft RTS Final Report, Rn. 154 ff. 88 Siehe dazu ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 199; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 158 f. 89 Vgl. ESMA, Draft RTS Final Report, Annex VI Ziff. 2.
A. Hidden (morphable) ownership
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b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Der Deutsche Bundestag hatte die Bundesregierung aufgefordert, bei der Verhandlung der Richtlinie 2013/50/EU darauf hinzuwirken, dass die überarbeiteten Beteiligungstransparenzvorschriften in ihrer tatbestandlichen Reichweite nicht hinter den §§ 25, 25a WpHG zurückbleiben90, was auf den ersten Blick dafür spricht, dass die derzeitigen deutschen Vorschriften jedenfalls in ihren Grundtatbeständen unangetastet bleiben können. Dies dürfte auch im Ergebnis zutreffend sein91, wenngleich der deutsche Gesetzgeber § 25 WpHG und § 25a WpHG zu einem einheitlichen Meldetatbestand wird zusammenfassen müssen92. In terminologischer Hinsicht fällt auf, dass Art. 13 der Transparenzrichtlinie einheitlich den Begriff des „Finanzinstruments“ verwendet, während die deutschen Vorschriften von „Finanzinstrumenten“ und „sonstigen Instrumenten“ sprechen. Auch scheint das in § 25a Abs. 1 WpHG verwendete Tatbestandsmerkmal des „Ermöglichens“ weiter als das Merkmal der „vergleichbaren wirtschaftlichen Wirkung“ in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b der Transparenzrichtlinie und damit ein im Lichte der angestrebten Vollharmonisierung unzulässiges goldplating zu sein. Beide terminologischen Abweichungen dürften indes unschädlich sein und die deutschen Begrifflichkeiten nicht unzulässig machen93 : Zum ersten war der deutsche Gesetzgeber seinerzeit zum Zwecke der Erfassung von Rückübertragungsansprüchen aus Wertpapierdarlehen gewissermaßen gezwungen, dem Begriff des „Finanzinstruments“ einen neuen Begriff zur Seite zu stellen, weil ersterer für das gesamte WpHG in § 2 Abs. 2b WpHG einheitlich definiert ist und Ansprüche aus einem Wertpapierdarlehensvertrag auf Rückübertragung von Wertpapieren gerade nicht erfasst94. Der Richtliniengeber hingegen unterlag derartigen Zwängen nicht und konnte den (in der Transparenzrichtlinie nicht definierten) Begriff des „Finanzinstruments“ ohne 90
Vgl. Parmentier, AG 2014, 15, 20. So offensichtlich auch Brouwer, NZG 2014, 201, 206 („[…] enthält die Änderungsrichtlinie genügend Anknüpfungspunkte, die es dem deutschen Gesetzgeber ermöglichen, das derzeitige Transparenzniveau weitestgehend aufrechtzuerhalten.“); DAV, NZG 2012, 770, 772 („Die neue Regelung weist starke Parallelen zu § 25a WpHG […] auf. […] Ob es einer Konkretisierung der bereits [in Art. 13 Abs. 1b der Transparenzrichtlinie, Anm. d. Verf.] aufgeführten Instrumente überhaupt bedarf, ist auch zweifelhaft, da es sich im Wesentlichen um die Finanzinstrumente handelt, die bereits von §§ 25, 25a WpHG […] erfasst werden.“); Parmentier, AG 2014, 15, 20 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 11, 14; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 1 (in Bezug auf § 25 WpHG); a.A. Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 311 f.; dies., ZIP 2014, 545, 550; wohl auch Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1366 mit Fn. 50. 92 Näher dazu siehe unten 7. Kapitel A. II. 3. b). 93 So wohl auch Parmentier, AG 2014, 15, 19 f.; siehe auch Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 14, nach dem den Vorgaben der Richtlinie nicht nur durch eine Änderung des Wortlauts des § 25a WpHG, sondern auch durch eine Anpassung der Auslegung des Begriffs der Erwerbsmöglichkeit Rechnung getragen werden kann; a.A. DAV, NZG 2012, 770, 771 f.; Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 311 f.; dies., ZIP 2014, 545, 550. 94 Siehe dazu schon oben 5. Kapitel A. III. 3. und 7. Kapitel A. I. 1. a). 91
460
7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
weiteres auch auf die neu von der Meldepflicht nach Art. 13 erfassten Instrumente erstrecken.95 Zum zweiten überdehnt man meines Erachtens nicht den Wortsinn des Merkmals „vergleichbare wirtschaftliche Wirkung“, wenn man unter Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b der Transparenzrichtlinie auch Rückübertragungsansprüche aus Wertpapierdarlehensverträgen und Stillhaltepositionen aus put options subsumiert und auf diese Weise einen Gleichlauf mit dem deutschen Recht96 erreicht.97 Dieser Ansicht scheint offensichtlich auch die ESMA zuzuneigen, wenn sie bezüglich des Anspruchs auf Rückübertragung von Wertpapieren aus einem Wertpapierdarlehensvertrag grundsätzlich vom Vorliegen eines Finanzinstruments ausgeht und vom Begriff der Option in Art. 13 Abs. 1b UAbs. 1 lit. b der Transparenzrichtlinie sowohl call-Optionen als auch put-Optionen erfasst sieht.98 Und zum dritten erscheint eine weite Auslegung im Lichte der Zielsetzung der Richtlinie 2013/50/EU, Emittenten und Anleger vollständig über die Unternehmensbeteiligungsstruktur zu unterrichten99, geboten. Gleicht man Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 sowie die Aufzählung in Art. 13 Abs. 1b UAbs. 1 der Transparenzrichtlinie mit den nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers von den §§ 25, 25a WpHG erfassten Konstellationen ab, ergeben sich auch im Übrigen keine Widersprüche. Die deutschen gesetzlichen Regelungen bleiben weder hinter den Anforderungen der Transparenzrichtlinie zurück noch gehen sie darüber hinaus. Dies gilt insbesondere für die Erfassung sämtlicher Futures, Optionen, Swaps und CfDs, unabhängig davon, ob sie auf Real- oder Barerfüllung gerichtet sind. Im Ergebnis sind daher Änderungen des Wortlauts der Tatbestände der §§ 25 Abs. 1, 25a Abs. 1 WpHG nicht angezeigt. Da die indikative Liste der ESMA zu den nach Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie meldepflichtigen Finanzinstrumenten lediglich rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen enthält100, muss sie von den Mitgliedstaaten nicht in nationales Recht überführt werden. Gleichwohl ist es erfreulich, dass die ESMA hinsichtlich einiger auch in Deutschland umstrittener Konstellationen Leitlinien vorgibt, an denen sich die nationalen Behörden orientieren können. So bestätigt die ESMA beispielsweise die Auffassung der BaFin hinsichtlich des grundsätzlichen Bestehens einer Meldepflicht für rechtsgeschäftliche Vorkaufsrechte und Gesellschaftervereinbarungen, die ein Finanzinstrument nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a oder b der Transparenzrichtlinie zum Gegenstand haben.101 Zudem stellt die ESMA klar, dass auch solche Finanzinstrumente grundsätzlich meldepflichtig sind, bei denen der
95
Vgl. Parmentier, AG 2014, 15, 20. Siehe oben 7. Kapitel A. I. 1. a) und b). 97 A.A. Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 312; dies., ZIP 2014, 545, 550. 98 Siehe oben 7. Kapitel A. II. 2. a). 99 Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2013/50/EU. 100 Siehe oben 7. Kapitel A. II. 2. a). 101 Siehe dazu oben 7. Kapitel A. II. 2. a). 96
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Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien von einer Bedingung abhängt, auf deren Eintritt der Inhaber des Finanzinstruments keinen Einfluss hat.102 3. Meldesäulen und Aggregation von Stimmrechten a) Änderungen auf europäischer Ebene Auffallend ist, dass die Transparenzrichtlinie auch nach Einführung einer Meldepflicht für Finanzinstrumente mit vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung – anders als das deutsche Recht103 – weiterhin nur zwei Meldesäulen vorsieht: Neben der Meldepflicht für eigene (Art. 9) und zugerechnete Stimmrechte (Art. 10) besteht eine Meldepflicht für Finanzinstrumente (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a und b).104 Bezüglich der Meldepflicht für Finanzinstrumente schreibt Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 vor, dass diese in doppelter Weise aufzuschlüsseln sind: zum einen danach, ob es sich um Finanzinstrumente nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a oder lit. b handelt, zum anderen danach, ob sie einen Anspruch auf physische Abwicklung oder auf Barausgleich einräumen. Darüber hinaus sind alle Finanzinstrumente, die sich auf ein und denselben Emittenten beziehen, zusammenzurechnen (Art. 13 Abs. 1a UAbs. 1 S. 2). Schließlich sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13a Abs. 1 verpflichtet, eine Aggregation beider Meldesäulen vorzusehen, wobei bei einer auf einer solchen Zusammenrechnung beruhenden Mitteilung eine Aufschlüsselung zwischen den Meldesäulen zu erfolgen hat.105 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene § 25 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 WpHG sieht eine Zusammenrechnung mit den Beteiligungen nach den §§ 21, 22 WpHG und § 25a Abs. 1 S. 7 WpHG eine Zusammenrechnung mit den Beteiligungen nach den §§ 21, 22, 25 WpHG vor, so dass nach deutschem Recht bereits jetzt – wie von Art. 13a Abs. 1 UAbs. 1 der Transparenzrichtlinie gefordert – sämtliche Meldesäulen zu aggregieren sind.106 Der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die so aggregierten Stimmrechte nach Meldesäulen aufzuschlüsseln (Art. 13a Abs. 1 UAbs. 2 der Transparenzrichtlinie), genügt das
102
Siehe dazu oben 7. Kapitel A. II. 2. a) sowie die Nachweise in Fn. 87. Zu den drei Meldesäulen der §§ 21 ff. WpHG vgl. oben 5. Kapitel A. III. 2. c) cc) m.w.N. 104 Parmentier, AG 2014, 15, 21 f.; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551. 105 Vgl. auch Brinckmann, BB 2012, 1370, 1372; DAV, NZG 2012, 770, 773; Parmentier, AG 2014, 15, 22; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551. 106 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.1.2, S. 136 f., und VIII.2.9.1.2, S. 144 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 62, § 25a Rn. 19, 79; Krause, AG 2011, 469, 480 f.; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 13, § 25a WpHG Rn. 27; F. A. Schäfer/Hamann/ Opitz, § 25 WpHG Rn. 41, § 25a WpHG Rn. 88 f.; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 59 f., § 25a Rn. 62. 103
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
deutsche Recht durch § 17 Abs. 3 Nr. 2 – 2b und Abs. 4 Nr. 2 – 5 WpAIV.107 Die Anforderung der Richtlinie zur Aggregation aller Finanzinstrumente, die sich auf ein und denselben Emittenten beziehen (Art. 13 Abs. 1a UAbs. 1 S. 2), erfüllt das deutsche Recht durch die Regelungen in § 25 Abs. 2 WpHG108 bzw. § 25a Abs. 2 S. 3 WpHG109, jeweils in Verbindung mit § 25a Abs. 1 S. 7 WpHG. Schließlich ist dem deutschen Recht auch die in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 der Transparenzrichtlinie vorgesehene Aufschlüsselung von Finanzinstrumenten nach solchen mit unbedingtem Recht/Ermessen des Inhabers zum Erwerb von Aktien und solchen mit vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung bereits bekannt, denn diese Aufschlüsselung entspricht im Wesentlichen der in § 17 Abs. 4 Nr. 3 und 5 WpAIV vorgesehenen Aufschlüsselung nach Instrumenten i.S.d. § 25 WpHG und Instrumenten i.S.d. § 25a WpHG110.111 Bisher nicht in ausreichendem Umfang im deutschen Recht angelegt ist die von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 der Transparenzrichtlinie geforderte Aufschlüsselung von Finanzinstrumenten nach solchen mit physical settlement und solchen mit cash settlement: Zwar ist gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 7 WpAIV das Datum der Fälligkeit oder des Verfalls des Instruments in die Mitteilung aufzunehmen, und § 17 Abs. 4 Nr. 8 WpAIV verlangt die Angabe der ISIN des Instruments. Zum einen können beide Verpflichtungen jedoch nur dann greifen, wenn das Instrument datumsmäßige Angaben zu Fälligkeit oder Verfall enthält112 bzw. ihm eine ISIN zugeteilt worden ist.113 Und zum anderen genügen diese Vorschriften nicht der Transparenzrichtlinie, die wohl dahingehend zu verstehen ist, dass die Mitteilung selbst ausdrücklich benennen muss, ob das jeweilige Finanzinstrument auf physische Abwicklung oder auf Barausgleich gerichtet ist. Daher sollte § 17 Abs. 4 WpAIV um eine dieser Vorgabe entsprechende Nr. 5a ergänzt werden. Über diese Detailänderung hinaus macht es der Grundsatz der (partiellen) Vollharmonisierung erforderlich, die beiden für Finanzinstrumente und sonstige Instrumente bestehenden Meldetatbestände des deutschen Rechts – § 25 WpHG ei107
Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.8.2.2, S. 139, und VIII.2.9.2.2, S. 147 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 68, § 25a Rn. 83; Krause, AG 2011, 469, 481; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 67, § 25a Rn. 71. 108 Dazu vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 61; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 34; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 44 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, § 25 Rn. 55. 109 Dazu vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 78; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 25a WpHG Rn. 94. 110 Dazu vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.2.2, S. 147 f.; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 83; Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 67, 69, 71. 111 So auch DAV, NZG 2012, 770, 772. 112 Ist das nicht der Fall, sind nach Ansicht der BaFin freiwillige Beschreibungen der Modalitäten zu Fälligkeit und Verfall zwar zulässig und wünschenswert, aber nicht verpflichtend, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.2.2, S. 148. 113 Vgl. KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 83.
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nerseits und § 25a WpHG andererseits – zu einem einheitlichen Meldetatbestand zusammenzufassen. Das derzeit bestehende Drei-Säulen-System des deutschen Rechts führt nämlich in bestimmten Konstellationen zu einer Meldepflicht, die das Zwei-Säulen-System der Transparenzrichtlinie nicht vorsieht: So löst beispielsweise eine bloße Umschichtung innerhalb der Finanzinstrumente i.S.d. Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie keine Meldepflicht aus114, wohingegen die Ersetzung von § 25a WpHG-Instrumenten durch § 25 WpHG-Instrumente im Falle des Erreichens bzw. Unter- und Überschreitens von Meldeschwellen zu einer Herabmeldung bezüglich der § 25a WpHG-Instrumente und zu einer Heraufmeldung nach § 25 WpHG führt115. Auch zieht der Hinzuerwerb von § 25a WpHG-Instrumenten zu bereits gehaltenen § 25 WpHG-Instrumenten bzw. (umgekehrt) der Hinzuerwerb von § 25 WpHG-Instrumenten zu bereits gehaltenen § 25a WpHG-Instrumenten nach deutschem Recht per se eine Pflicht zur Meldung nach sich, und zwar selbst dann, wenn keine neue Meldeschwelle erreicht oder überschritten wird. Die Transparenzrichtlinie mit ihrem einheitlichen Meldetatbestand für Finanzinstrumente verlangt eine solche Meldung nicht. 4. Berechnung des Stimmrechtsanteils a) Berechnungsansatz aa) Änderungen auf europäischer Ebene Hinsichtlich der Frage, ob der Stimmrechtsanteil im Falle des Haltens von Finanzinstrumenten auf nominaler oder delta-adjustierter Basis zu berechnen ist, hat sich die Richtlinie 2013/50/EU für einen Mittelweg entschieden116: Gemäß Art. 13 Abs. 1a UAbs. 1 wird die Anzahl der Stimmrechte grundsätzlich unter Bezugnahme auf die volle nominale Anzahl der dem Finanzinstrument zugrunde liegenden Aktien berechnet, d. h. es wird stets ein delta von 1 angesetzt. Für den Fall, dass das Finanzinstrument ausschließlich einen Barausgleich vorsieht, schreibt die Richtlinie jedoch eine Berechnung des Stimmrechtsanteils auf delta-angepasster Basis vor.117 Diese Art der Berechnung erläutert die Richtlinie dahingehend, dass die nominale Anzahl der zugrunde liegenden Aktien mit dem delta des Instruments multipliziert wird (vgl. Erwägungsgrund 10 sowie Art. 13 Abs. 1a UAbs. 1 S. 1 a.E.). Mit diesem Ansatz soll ausweislich des Erwägungsgrunds 10 dafür gesorgt werden, dass „die
114
Parmentier, AG 2014, 15, 22; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551. Vgl. Assmann/Schneider/Schneider, § 25a Rn. 77a. 116 Siehe dazu auch KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 8d, 23; Parmentier, AG 2014, 15, 21; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 550 f. 117 Kritisch dazu Parmentier, AG 2014, 15, 21: Delta-Anpassung als „Fremdkörper“ im Meldesystem für sich abzeichnende Beteiligungen; für eine Nominalwertbetrachtung auch DAV, NZG 2012, 770, 772 f. 115
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
Informationen über die gesamten Stimmrechte, die dem Anleger zustehen, so genau wie möglich sind“. Die Festlegung der Methode zur Ermittlung des delta bleibt indes den RTS der Kommission vorbehalten (vgl. Art. 13 Abs. 1a UAbs. 2 lit. b), deren Entwürfe die ESMA der Kommission im September 2014 unterbreitet hat. Dabei hat sich die ESMA bewusst gegen die Festlegung spezifischer Berechnungsformeln für bestimmte Arten von Finanzinstrumenten und für einen prinzipiengeleiteten Ansatz entschieden, der es Investoren erlaubt, allgemein anerkannte Modelle zur Berechnung des Stimmrechtsanteils zu verwenden.118 Auf dieser Grundlage kommt es nach Art. 5 draft RTS für die Bestimmung des delta darauf an, ob das auf Barerfüllung gerichtete Finanzinstrument mit der zugrunde liegenden Aktie ein lineares, symmetrisches Auszahlungsprofil aufweist119 : Ist dies der Fall (wie z. B. bei futures), soll die Berechnung des Stimmrechtsanteils unter Annahme eines delta von 1 erfolgen (Art. 5 Abs. 1 draft RTS). Ist dies nicht der Fall (wie z. B. bei Optionen), sehen die draft RTS in Art. 5 Abs. 2 eine Berechnung des Stimmrechtsanteils auf delta-adjustierter Basis unter Anwendung eines allgemein anerkannten Standardpreismodells („generally accepted standard pricing model“) vor. Das Preismodell muss – um ein allgemein anerkanntes Standardpreismodell darzustellen – nach Art. 5 Abs. 3 draft RTS bei der Bewertung des Finanzinstruments mindestens fünf Parameter berücksichtigen: den Zinssatz, die Dividendenzahlungen, die Restlaufzeit, die Volatilität und den Preis der zugrunde liegenden Aktie.120 Die Anzahl der Stimmrechte ist nach diesem Bewertungsmodell täglich neu zu berechnen (Art. 5 Abs. 6 draft RTS).121 bb) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Seit dem Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes erfolgt die Berechnung des mitzuteilenden Stimmrechtsanteils in Deutschland unabhängig von der Art des Instruments unter Annahme eines delta von 1 (vgl. § 25a Abs. 2 S. 2 Hs. 2 WpHG).122 In Anbetracht des Textes der Richtlinie 2013/50/EU und der von der Kommission zu erlassenden RTS wird der deutsche Gesetzgeber in dem neuen einheitlichen Meldetatbestand für Finanzinstrumente und sonstige Instrumente123 eine Berechnung des Stimmrechtsanteils teilweise auf delta-adjustierter Basis zulassen müssen.124 118 Vgl. ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 87 ff.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 79 ff., 89. 119 Siehe dazu auch ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 96 ff.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 89. 120 Siehe dazu auch ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 102 f.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 91. 121 Siehe dazu auch Erwägungsgrund 7 draft RTS; außerdem ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 101; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 95. 122 Vgl. oben 7. Kapitel A. I. 2. b). 123 Vgl. oben 7. Kapitel A. II. 3. b).
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b) Aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente aa) Änderungen auf europäischer Ebene Ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Kommission überantwortet hat die Richtlinie 2013/50/EU die Frage, unter welchen Umständen bei der Erfüllung der Meldepflicht auch Finanzinstrumente zu berücksichtigen sind125, die einen Aktienkorb oder einen Aktienindex referenzieren (Art. 13 Abs. 1a UAbs. 2 lit. a). Da die ESMA derartige Finanzinstrumente nur dann für relevant hält, wenn entweder die in Rede stehenden Aktien in dem Aktienkorb oder dem Index ein gewisses Gewicht haben (und sie damit nicht lediglich Diversifizierungszwecken dienen) oder die durch das Finanzinstrument gehaltenen Stimmrechte eine Beteiligung an dem Emittenten von gewissem Gewicht repräsentieren126, sieht Art. 4 Abs. 1 draft RTS zwei alternative Schwellenwerte vor. Eine Pflicht zur Berücksichtigung aktienkorbund indexbasierter Finanzinstrumente besteht demnach nur dann, wenn mindestens eine der folgenden Konstellationen vorliegt: – Die durch aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente gehaltenen Stimmrechte an einem Emittenten repräsentieren 1 % oder mehr der Gesamtstimmrechte an dem Emittenten. – Die Aktien in dem Aktienkorb oder Index repräsentieren 20 % oder mehr des Wertes der Wertpapiere in dem Korb oder Index. Außerdem stellt Art. 4 Abs. 2 draft RTS klar, dass für den Fall, dass ein Finanzinstrument auf mehrere Aktienkörbe oder Indizes Bezug nimmt, die durch die einzelnen Aktienkörbe oder Indizes vermittelten Stimmrechte nicht aggregiert werden müssen. Dies bedeutet, dass solche Finanzinstrumente – sofern die Schwellenwerte von 1 % (der Gesamtstimmrechte des Emittenten) bzw. 20 % (des Wertes der Wertpapiere in einem Aktienkorb oder Index) in Bezug auf die einzelnen Aktienkörbe oder Indizes nicht erreicht werden – bei der Berechnung des melde-
124 KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19, 70; Merkner/Sustmann, NZG 2013, 1361, 1366 mit Fn. 50; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 8d, 23; Parmentier, AG 2014, 15, 21; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551. 125 Die ESMA (vgl. ESMA, Draft RTS Final Report, Rn. 67) betont in diesem Zusammenhang zweierlei: zum einen, dass es sich bei den von ihr vorgeschlagenen Regelungen nicht um eine Ausnahme von der Meldepflicht nach der Transparenzrichtlinie handelt, sondern um eine nähere Beschreibung der Berechnung der Stimmrechte im Falle von aktienkorb- und indexbasierten Finanzinstrumenten, und zum anderen, dass die von ihr vorgeschlagenen Schwellenwerte keine eigenständigen Meldeschwellen darstellen, sondern Schwellenwerte, deren Erreichen oder Überschreiten dazu führt, dass die aktienkorb- und indexbasierten Finanzinstrumente mit anderen Beteiligungen an demselben Emittenten zum Zwecke der Feststellung, ob eine Meldeschwelle erreicht worden ist, zusammenzurechnen sind. 126 Vgl. Erwägungsgrund 4; siehe auch ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 76, 78 ff.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
pflichtigen Stimmrechtsanteils selbst dann außer Betracht bleiben, wenn bei einer Zusammenrechnung einer der Schwellenwerte erreicht oder überschritten würde.127 bb) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Für aktienkorb- und indexbasierte Finanzinstrumente und sonstige Instrumente hält das deutsche Recht in § 17a Nr. 2 WpAIV zwar seit Januar 2012 einen Sondertatbestand bereit.128 Allerdings weicht dieser in zweierlei Hinsicht von Art. 4 Abs. 1 draft RTS ab: Erstens macht er die Berücksichtigung aktienkorb- und indexbasierter Instrumente nicht davon abhängig, ob die durch das Instrument gehaltenen Stimmrechte eine Beteiligung an dem Emittenten von gewissem Gewicht darstellen oder nicht. Zweitens besteht auch im Hinblick auf den von § 17a WpAIV geregelten Nichtberücksichtigungstatbestand eine Diskrepanz zu Art. 4 Abs. 1 draft RTS, denn wenn nach § 17a Nr. 2 WpAIV in die Berechnung des Stimmrechtsanteils nach § 25a Abs. 2 WpHG Anteile von Aktien eines Emittenten an Aktienkörben und Indizes nicht einzubeziehen sind, wenn bei der Berechnung des Preises des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments zum jeweiligen Erwerbszeitpunkt die Aktien mit höchstens 20 % Berücksichtigung finden, bedeutet dies, dass bei einem Anteil der betreffenden Aktien am Basket oder Index von exakt 20 % diese Aktien keine Berücksichtigung finden.129 Nach Art. 4 Abs. 1 draft RTS hingegen müsste das aktienkorb- und indexbasierte Instrument bei einem Anteil der Aktien am Aktienkorb oder Index von genau 20 % in die Berechnung des Stimmrechtsanteils einbezogen werden. 5. Ausnahmen von der Meldepflicht a) Änderungen auf europäischer Ebene Schon bisher sah Art. 9 Abs. 4 – 6 der Transparenzrichtlinie II – ergänzt durch weitere Regelungen der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG – drei zwingende sowie eine optionale Ausnahme von der Meldepflicht nach Art. 9 Abs. 1 vor130 : – zwingende Ausnahme für Aktien, die ausschließlich zum Zwecke der Abrechnung und Abwicklung (clearing and settlement) von Geschäften innerhalb des üblichen kurzen Abrechnungszyklus von maximal drei Handelstagen erworben werden (Art. 9 Abs. 4 Var. 1 der Transparenzrichtlinie und Art. 5 der Durchführungsrichtlinie), – zwingende Ausnahme für Verwahrstellen, die Aktien nur als Verwahrer halten (Art. 9 Abs. 4 Var. 2 der Transparenzrichtlinie), 127 Vgl. Erwägungsgrund 5; siehe auch ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 84; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 76 ff. 128 Siehe dazu oben 7. Kapitel A. I. 2. a) bb) (1). 129 Vgl. auch KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 73. 130 Siehe dazu auch Veil/Veil, § 20 Rn. 29 ff.
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– zwingende Ausnahme hinsichtlich der 5 %-Schwelle für Market Maker (Art. 9 Abs. 5 der Transparenzrichtlinie und Art. 6 der Durchführungsrichtlinie) sowie – optionale Ausnahme für Aktien, die im Handelsbestand von Kreditinstituten gehalten werden, sofern der Stimmrechtsanteil 5 % nicht übersteigt und die Stimmrechte nicht ausgeübt werden (Art. 9 Abs. 6 der Transparenzrichtlinie). Während Art. 9 Abs. 4 und 5 der Transparenzrichtlinie durch die Richtlinie 2013/ 50/EU nicht berührt wird, verliert die Ausnahme für Aktien im Handelsbestand von Kreditinstituten im Zuge der Neufassung des Art. 9 Abs. 6 ihren optionalen Charakter131, so dass die Mitgliedstaaten nunmehr zur Aufnahme einer solchen Ausnahme in ihr nationales Recht verpflichtet sind. Zudem beauftragt der neue Art. 9 Abs. 6b der Transparenzrichtlinie die ESMA mit der Erarbeitung technischer Regulierungsstandards zur Festlegung der Berechnungsmethode für die in der Market Maker- und der Handelsbestand-Ausnahme genannte 5 %-Schwelle. Artt. 2 und 3 draft RTS sehen insofern vor, dass von Artt. 9, 10 und 13 der Transparenzrichtlinie erfasste Beteiligungen zusammenzurechnen sind (horizontale Aggregation) und diese Zusammenrechnung auf Gruppenebene zu erfolgen hat (vertikale Aggregation).132 Über die pauschale Bezugnahme in Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie auf Art. 9 („Die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 9 gilt auch für …“) fanden schon bisher die in Art. 9 Abs. 4 – 6 genannten Ausnahmen von der Meldepflicht auch auf Art. 13 Anwendung. Nach der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 13 auf Finanzinstrumente vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung erklärt der durch die Richtlinie 2013/50/EU neu eingefügte Art. 13 Abs. 4 sämtliche in Art. 9 aufgeführten Ausnahmen auf die Mitteilungspflichten nach Art. 13 für entsprechend anwendbar. b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Sämtliche in Art. 9 Abs. 4 – 6 der Transparenzrichtlinie enthaltenen Ausnahmen – einschließlich der optionalen Ausnahme für den Handelsbestand von Kreditinstituten – hat der deutsche Gesetzgeber in § 23 WpHG umgesetzt: – Ausnahme für Aktien, die ausschließlich zum Zwecke der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage gehalten werden (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG)133,
131 Nicht zutreffend Parmentier, AG 2014, 15, 22, die meint, alle Ausnahmen verlören ihren bisher optionalen Charakter. 132 Siehe dazu auch Erwägungsgründe 2 und 3 der draft RTS; eingehend ESMA, Draft RTS Consultation Paper, Rn. 18 ff.; dies., Draft RTS Final Report, Rn. 13 ff. 133 Vgl. KölnKommWpHG/Hirte, § 23 Rn. 39 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 23 WpHG Rn. 12 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, § 23 Rn. 38 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 23 WpHG Rn. 8 ff.
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
– Ausnahme für Verwahrstellen, die Aktien nur als Verwahrer halten (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 WpHG)134, – Ausnahme für Market Maker (§ 23 Abs. 4 WpHG)135 sowie – Ausnahme für den Handelsbestand von Kreditinstituten (§ 23 Abs. 1 WpHG)136. Aus der Änderung des Art. 9 Abs. 6 der Transparenzrichtlinie und der nunmehr bestehenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Handelsbestandsausnahme resultiert für den deutschen Gesetzgeber daher kein Handlungsbedarf. Ein Bedürfnis gesetzgeberischen Tätigwerdens ergibt sich jedoch aus Art. 13 Abs. 4 der Transparenzrichtlinie. Bis dato sieht lediglich § 25 Abs. 1 S. 2 WpHG eine entsprechende Anwendung der Ausnahmetatbestände des § 23 WpHG vor; eine gleichlautende Vorschrift sucht man in § 25a WpHG vergebens.137 Bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist hat der Gesetzgeber daher die Ausnahmen des § 23 WpHG auch auf Instrumente nach § 25a WpHG zu erstrecken.138 6. Erweiterung der Sanktionsbefugnisse der nationalen Behörden Als Paradigmenwechsel kann man auch die Änderungen bezeichnen, welche die Richtlinie 2013/50/EU im Hinblick auf die von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Maßnahmen zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften mit sich bringt.139 a) Änderungen auf europäischer Ebene Nach Art. 28 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie II hatten die Mitgliedstaaten lediglich sicherzustellen, dass bei Verstößen gegen die zur Umsetzung der Richtlinie 134 Vgl. Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 23 Rn. 16; KölnKommWpHG/Hirte, § 23 Rn. 43 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 23 WpHG Rn. 15; Assmann/Schneider/Schneider, § 23 Rn. 44 ff. 135 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 23 WpHG Rn. 10 f.; KölnKommWpHG/ Hirte, § 23 Rn. 52 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 23 WpHG Rn. 17 ff.; K. Schmidt/Lutter/ Veil, Anh. § 22: § 23 WpHG Rn. 6. 136 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 23 WpHG Rn. 2 ff.; Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 23 WpHG Rn. 2; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 23 Rn. 7 ff.; Assmann/ Schneider/Schneider, § 23 Rn. 4 ff. 137 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 4. Aufl., VIII.2.9.1.2, S. 146; KölnKommWpHG/ Heinrich, § 25 Rn. 66, § 25a Rn. 87; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 28; F. A. Schäfer/ Hamann/Opitz, § 25 WpHG Rn. 54, § 25a WpHG Rn. 114 f.; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Weber-Rey/Benzler, HdbKapInfo, § 20 Rn. 169. 138 Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 28; Parmentier, AG 2014, 15, 22. 139 Von einer „neue[n] Ära“ spricht Veil, ZHR 177 (2013) 427, 444.
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erlassenen Vorschriften geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder zivil- und/ oder verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt werden können. Diese Maßnahmen mussten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Richtlinie 2013/50/ EU führt demgegenüber ein eigenes Kapitel VIA zu Sanktionen ein, das den Mitgliedstaaten in den Artt. 28 – 28c detaillierte Vorgaben zum Sanktionsregime macht, insofern allerdings nur einen Mindestharmonisierungsansatz verfolgt (vgl. Art. 28b Abs. 3 sowie Erwägungsgrund 16)140. Wenngleich unter der Überschrift „Bekanntmachung von Entscheidungen“ in einem eigenen Kapitel VIB geregelt, gehört auch der neu gefasste Art. 29 in diesen Kontext. Zu den wichtigsten Vorschriften nun im Einzelnen: aa) Anwendungsbereich (Art. 28a) Die nachfolgend erörterten Sanktionsbefugnisse gelten nach Art. 28a lit. b der Transparenzrichtlinie mindestens für Verstöße gegen die zur Umsetzung der Artt. 9, 10, 12, 13 und 13a erlassenen nationalen Vorschriften, d. h. für Verstöße gegen die §§ 21 ff. WpHG einschließlich der §§ 25, 25a WpHG. bb) Öffentliche Bekanntgabe von Sanktionen (Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) Gemäß Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. a der Transparenzrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten den zuständigen nationalen Behörden die Befugnis zur öffentlichen Bekanntgabe der verantwortlichen natürlichen oder juristischen Person und der Art des Verstoßes einräumen. Zudem haben die Mitgliedstaaten vorzusehen, dass die nationalen Behörden ihre Entscheidungen über die wegen eines Verstoßes verhängten Sanktionen und Maßnahmen unverzüglich bekanntmachen und dabei zumindest die Art und den Charakter des Verstoßes und die Identität der dafür verantwortlichen natürlichen oder juristischen Personen anführen (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1). In bestimmten Fällen können die nationalen Behörden die Bekanntmachung einer Entscheidung aufschieben oder lediglich in anonymisierter Form vornehmen (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a – c); die Möglichkeit, von der Bekanntmachung gänzlich abzusehen, ist in Art. 29 Abs. 1 nicht (mehr141) vorgesehen142.
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Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72 mit Fn. 160; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551; zum insofern unklaren Kommissionsentwurf siehe Brouwer, AG 2012, 78, 80; Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 314; Walla, BB 2012, 1358, 1360 einerseits (für Mindestharmonisierung); Veil, WM 2012, 53, 59; ders., ECFR 10 (2013) 18, 37 f. andererseits (für Vollharmonisierung). 141 Anders noch Art. 28b S. 1 des Richtlinienvorschlags der Kommission für den Fall, dass eine Bekanntmachung die Stabilität der Finanzmärkte ernsthaft gefährden würde, vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 683 endg. 142 Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 73; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; siehe auch Veil, WM 2012, 53, 60; ders., ECFR 10 (2013) 18, 39.
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Nach Art. 29 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie ist die nationale Behörde verpflichtet, die Information, dass gegen die bekanntgemachte Entscheidung Rechtsmittel eingelegt worden sind, bereits in die ursprüngliche Bekanntmachung aufzunehmen bzw. die Bekanntmachung entsprechend zu ändern. Das Zusammenspiel dieser Vorschrift mit der Verpflichtung aus Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 zur unverzüglichen Bekanntmachung der Entscheidung bedeutet, dass eine öffentliche Bekanntmachung bereits vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zu erfolgen hat.143 Die Sanktion der öffentlichen Bekanntgabe von Verstößen und der dafür Verantwortlichen wird plastisch als „naming and shaming“ bezeichnet.144 Sie ist in der juristischen Literatur wegen der mit ihr verbundenen „Prangerwirkung“145 und insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung bekanntgemacht werden muss, rechtspolitisch und verfassungsrechtlich überaus umstritten.146 cc) Finanzielle Sanktionen (Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. c der Transparenzrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, den nationalen Behörden die Befugnis zur Verhängung finanzieller Sanktionen einzuräumen.147 Der von den Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellende Sanktionsrahmen hängt dabei davon ab, ob es sich bei der zuwiderhandelnden Person um eine juristische oder natürliche Person handelt: Im ersten Fall muss er mindestens bis zu 10 Mio. E oder bis zu 5 % des jährlichen Gesamt(konzern)umsatzes148 betragen. Im Falle einer natürlichen Person muss die nationale Behörde die Kompetenz zur Verhängung von Geldbußen in Höhe von mindestens bis zu 2 Mio. E besitzen. Sowohl für juristische als auch für natürliche Personen ist alternativ vorgesehen, dass die Möglichkeit zur Abschöpfung des aufgrund des Verstoßes erzielten Gewinns bzw. vermiedenen Verlusts bis zu seiner zweifachen Höhe bestehen muss. Das Europäische Parlament und der Rat erhoffen sich von diesen, jedenfalls im Vergleich
143 Ebenso Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72 mit Fn. 165; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; Veil, WM 2012, 53, 60; ders., ECFR 10 (2013) 18, 40. 144 Vgl. Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19; Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 313; Veil, WM 2012, 53, 60; Walla, BB 2012, 1358, 1360; Fuchs/Waßmer, § 40b Rn. 4. 145 Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; siehe auch KölnKommWpHG/Altenhain, § 40b Rn. 8. 146 Vgl. Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 313; dies., ZIP 2014, 545, 553 jeweils m.w.N. 147 Siehe dazu Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551 f.; Veil, WM 2012, 53, 59 f.; ders., ECFR 10 (2013) 18, 38 f. 148 Kritisch dazu Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 312; Veil, WM 2012, 53, 60; ders., ECFR 10 (2013) 18, 38; wohl auch Parmentier, AG 2014, 15, 23.
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zum aktuellen deutschen Recht149 beträchtlichen Geldbußen150 die zur Förderung sauberer und transparenter Märkte notwendige Abschreckungswirkung.151 Wenngleich auf sämtliche Sanktionen des Art. 28b anwendbar, spielt die Sanktionszumessungsvorschrift des Art. 28c Abs. 1 der Transparenzrichtlinie im Rahmen der finanziellen Sanktionen eine besondere Rolle. Danach haben die Mitgliedstaaten u. a. dafür Sorge zu tragen, dass die nationalen Behörden bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße alle maßgeblichen Umstände berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die Schwere und Dauer des Verstoßes, der Grad der Verantwortung der zuwiderhandelnden Person, die Finanzkraft der Person, der aus dem Verstoß erzielte Gewinn, der Dritten entstandene Schaden und die Bereitschaft der Person zur Kooperation mit der nationalen Behörde. dd) Stimmrechtsaussetzung (Art. 28b Abs. 2) Die Transparenzrichtlinie macht den Mitgliedstaaten in Art. 28b Abs. 2 zur Auflage, dass ihr nationales Recht die Möglichkeit vorsehen muss, die Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien im Falle eines Verstoßes gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften (Artt. 9, 10, 12, 13 und 13a) auszusetzen. Damit wird den Mitgliedstaaten erstmals die Stimmrechtssuspendierung (als effektivste, weil schärfste Form der Sanktionierung der Verletzung der Beteiligungstransparenzvorschriften152) verpflichtend vorgeschrieben.153 Bei der Umsetzung dieser Anforderung belässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten jedoch einen weiten Spielraum154 : So entscheiden die Mitgliedstaaten darüber, ob der Stimmrechtsverlust durch die nationale Behörde angeordnet wird oder ob er – wie in Deutschland – kraft Gesetzes eintritt.155 In Anbetracht des Prinzips der Mindestharmonisierung im Bereich der 149
Siehe dazu oben 5. Kapitel A. III. 2. d) aa) sowie 7. Kapitel A. I. 3.; zu anderen europäischen Rechtsordnungen siehe Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 312 mit Fn. 82; Veil/ Veil, § 20 Rn. 140 ff. 150 Ähnlich Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 551. Die noch im Kommissionsentwurf der Richtlinie enthaltenen Sanktionsrahmen von bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes im Falle von juristischen Personen (Art. 28a Abs. 2 lit. d) und bis zu 5 Mio. E im Falle von natürlichen Personen (Art. 28a Abs. 2 lit. e) bezeichneten Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 312 als „drakonisch“. 151 Vgl. Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2013/50/EU. 152 Zur ordnungspolitischen Legitimation des Stimmrechtsverlusts vgl. KölnKommWpHG/ Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 4 ff.; Merkner, AG 2012, 199 (unter der Überschrift „Das Damoklesschwert des Rechtsverlusts“); Seibt, ZIP 2012, 797, 798 ff.; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 313 f.; siehe auch schon oben 5. Kapitel A. III. 2. d) bb) (1). 153 Dies befürwortend Brouwer, NZG 2014, 201, 206; Seibt, ZIP 2012, 797, 800; ders./ Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 554. 154 So auch Brouwer, AG 2012, 78, 80; KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19, 95; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 8 f.; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt, ZIP 2012, 797, 801; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 314. 155 Brouwer, NZG 2014, 201, 206; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 554; Veil/Veil, § 20 Rn. 154. Unklar noch Art. 28a Abs. 2 lit. c des Richtlinien-
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
Sanktionen (Art. 28b Abs. 3 der Transparenzrichtlinie)156 ist außerdem eine Verschärfung des Sanktionsrechts dahingehend möglich, dass dem verpflichtend einzuführenden Stimmrechtsverlust der Verlust weiterer Rechte zur Seite gestellt wird.157 Andererseits erlaubt Art. 28b Abs. 2 S. 2 der Transparenzrichtlinie den Mitgliedstaaten, die Stimmrechtsaussetzung nur für die schwerwiegendsten Verstöße einzuführen, womit insbesondere eine Differenzierung nach dem Verschuldensgrad zulässig sein dürfte.158 Zur Frage, wen der Stimmrechtsverlust treffen soll, wenn sich die Stimmrechte nicht bei der zuwiderhandelnden Person befinden, sondern bei einem Dritten, der selbst keine Meldepflichten verletzt hat, nimmt die Richtlinie nicht Stellung, so dass auch insofern ein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten bestehen dürfte.159 Ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt sind die Dauer des Stimmrechtsverlusts und der Kreis der von dem Stimmrechtsverlust betroffenen Aktien (sämtliche Aktien oder nur diejenigen Aktien, die zur meldepflichtauslösenden Schwellenüberschreitung führen).160 b) Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene Im deutschen Recht müssen aufgrund dieser europarechtlichen Vorgaben zahlreiche Änderungen vorgenommen werden: aa) Öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen (§ 40b Abs. 1 WpHG) Dies betrifft zunächst die Bekanntmachung von Maßnahmen der BaFin wegen Verstößen gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften. Derzeit begrenzt § 40b Abs. 1 WpHG den Kreis der veröffentlichungsfähigen Maßnahmen auf unanfechtbare Maßnahmen161 und räumt der BaFin zudem bezüglich der Bekanntmachung Ermessen ein162. Diese Regelung kann in Anbetracht der verschärften naming and vorschlags der Kommission, wonach die Mitgliedstaaten die Befugnis zur Aussetzung der Stimmrechte vorsehen sollten, falls die nationale Behörde einen Verstoß gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften feststellt, vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 683 endg.; dazu Brouwer, AG 2012, 78, 80; Seibt, ZIP 2012, 797, 801 ff.; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 314 f.; Veil, WM 2012, 53, 60 f.; ders., BB 2012, 1374, 1375. 156 Siehe schon oben 7. Kapitel A. II. 6. a). 157 Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt, ZIP 2012, 797, 801; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 314 f.; dies., ZIP 2014, 545, 554. 158 Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt, ZIP 2012, 797, 801; Veil/Veil, § 20 Rn. 154. 159 KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 95; Heidel/Nordholtz, § 25a WpHG Rn. 8 f.; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Seibt, ZIP 2012, 797, 800 f.; ders./Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 554. 160 Seibt, ZIP 2012, 797, 801; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 314. 161 Vgl. KölnKommWpHG/Altenhain, § 40b Rn. 11; Assmann/Schneider/Vogel, § 40b Rn. 5; Fuchs/Waßmer, § 40b Rn. 5. 162 Vgl. KölnKommWpHG/Altenhain, § 40b Rn. 16; Assmann/Schneider/Vogel, § 40b Rn. 8; Fuchs/Waßmer, § 40b Rn. 8.
A. Hidden (morphable) ownership
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shaming-Vorgaben der Richtlinie (Pflicht zur grundsätzlich unverzüglichen Bekanntgabe auch nicht rechtskräftiger Entscheidungen) nicht aufrecht erhalten werden.163 bb) Ordnungswidrigkeitstatbestand (§ 39 Abs. 4 WpHG) Die Sanktionsrahmen des Art. 28b Abs. 1 UAbs. 1 lit. c der Transparenzrichtlinie gehen nicht nur hinsichtlich der dort vorgesehenen absoluten Beträge von 10 Mio. E bzw. 2 Mio. E über den in § 39 Abs. 4 WpHG enthaltenen Bußgeldrahmen von bis zu 1 Mio. E hinaus, sondern enthalten außerdem mit dem jährlichen Gesamtumsatz und der Gewinnabschöpfung bis zur zweifachen Höhe alternative Bußgeldbemessungsparameter, die in das deutsche Recht zu übernehmen sind.164 Auch bietet das deutsche Recht derzeit keine Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung in doppelter Höhe: § 17 Abs. 4 OWiG, wonach die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat165, übersteigen soll und der es gestattet, das gesetzliche Höchstmaß zu überschreiten, falls es zur Abschöpfung des Vorteils nicht ausreicht, lässt nur die einfache, faktorlose Gewinnabschöpfung zu.166 Die in § 17 Abs. 3 OWiG enthaltenen Zumessungskriterien entsprechen inhaltlich indes den in Art. 28c Abs. 1 der Transparenzrichtlinie genannten Kriterien, so dass insoweit auf nationaler Ebene kein Handlungsbedarf besteht.167 cc) Rechtsverlust (§ 28 WpHG) Wie gesagt168 lässt die Transparenzrichtlinie den Mitgliedstaaten bei der konkreten Ausgestaltung des Stimmrechtsverlusts wegen Verstoßes gegen die zur Umsetzung der Vorgaben der Transparenzrichtlinie erlassenen nationalen Vorschriften weitgehende Freiheiten. Dem deutschen Gesetzgeber bleibt es daher unbenommen, die bisherige Konzeption des § 28 WpHG – Stimmrechtsverlust kraft
163 Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; ebenso zum Kommissionsentwurf bereits Veil, WM 2012, 53, 60; Walla, BB 2012, 1358, 1360. 164 Vgl. Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72; Walla, BB 2012, 1358, 1360. 165 Und der – insofern übereinstimmend mit den Anforderungen der Transparenzrichtlinie – auch in der Vermeidung von Verlusten und der Ersparnis von Aufwendungen bestehen kann, vgl. OLG Düsseldorf wistra 1995, 75, 76; Bohnert, § 17 Rn. 26; KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 120, 122. 166 Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1974, 1883 (wirtschaftlicher Vorteil grundsätzlich als „untere Grenze der Geldbuße“); Bohnert, § 17 Rn. 25 (Vorteilsabschöpfung als „Sockel der Sanktion“); KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 140; im hiesigen Zusammenhang ebenso Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 312 mit Fn. 87; dies., ZIP 2014, 545, 552 mit Fn. 91; Walla, BB 2012, 1358, 1360. 167 Ebenso Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57, 72; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 552. 168 Siehe oben 7. Kapitel A. II. 6. a) dd).
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
Gesetzes169 ; Erstreckung des Rechtsverlusts grundsätzlich auf alle Rechte aus Aktien170; Rechtsverlust grundsätzlich für die Dauer des Verstoßes/bis zur Erfüllung der Mitteilungspflicht171, bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit allerdings für weitere sechs Monate172 ; Rechtsverlust grundsätzlich bezüglich aller Aktien, nicht nur bezüglich der die Meldeschwelle überschreitenden Aktien173 ; kein Rechtsverlust ohne Verschulden174 – beizubehalten.175 Gleichwohl geht die Transparenzrichtlinie in zwei Punkten entscheidend über § 28 WpHG hinaus: Zum einen ordnet sie in Art. 28b Abs. 2 i.V.m. Art. 28a lit. b einen Stimmrechtsverlust für alle Fälle eines Verstoßes gegen die Beteiligungstransparenzvorschriften an. Abweichend hiervon sieht das deutsche Recht einen (wenn auch umfassenden) Rechtsverlust bisher nur im Falle eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1, 1a WpHG vor, nicht aber im Falle eines Verstoßes gegen die §§ 25, 25a WpHG.176 Jedenfalls die Sanktion des Stimm169 Vgl. KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 42; F. A. Schäfer/Hamann/ Opitz, § 28 WpHG Rn. 2, 11; Veil/Veil, § 20 Rn. 147; ders., ZHR 175 (2011) 83, 86; ders., BB 2012, 1374. 170 Vgl. Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 28 Rn. 30 ff.; Heidel/Heinrich, § 28 WpHG Rn. 7; KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 55 ff.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 28 WpHG Rn. 12 ff.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 51 ff.; Assmann/ Schneider/Schneider, § 28 Rn. 23 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 28 WpHG Rn. 13 f.; Veil/ Veil, § 20 Rn. 148. 171 Vgl. Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 28 WpHG Rn. 5; Habersack/Mülbert/Schlitt/ Götze, HdbKapInfo, § 28 Rn. 62; Heidel/Heinrich, § 28 WpHG Rn. 15; KölnKommWpHG/ Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 83; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 28 WpHG Rn. 38 f.; MarschBarner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 55; Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 27, 27l. 172 Vgl. Habersack/Mülbert/Schlitt/Götze, HdbKapInfo, § 28 Rn. 65 ff.; Heidel/Heinrich, § 28 WpHG Rn. 12 f.; KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 85 ff.; Assmann/ Schneider/Schneider, § 28 Rn. 27a ff. 173 Vgl. Bürgers/Körber/Becker, Anh § 22/§ 28 WpHG Rn. 3; Brouwer, AG 2012, 78, 79; KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 53; Merkner, AG 2012, 199, 202; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 28 WpHG Rn. 37; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/F. A. Schäfer, § 18 Rn. 54; Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 26; Veil/Veil, § 20 Rn. 150; ders., ZHR 175 (2011) 83, 90 f. 174 Wenngleich dies im Wortlaut keinen unmittelbaren Niederschlag findet, kommt nach h.M. ein Rechtsverlust nur im Falle der schuldhaften Nichterfüllung der Meldepflicht in Betracht, vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 28 WpHG Rn. 6; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 28 Rn. 16 ff.; Habersack/Mülbert/Schlitt/Götze, HdbKapInfo, § 28 Rn. 34 ff.; KölnKommWpHG/Kremer/Oesterhaus, § 28 Rn. 34 ff.; Merkner, AG 2012, 199, 204 f.; F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 28 WpHG Rn. 6 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 20 f.; Schwark/Zimmer/Schwark, § 28 WpHG Rn. 7. 175 Zur aktuell intensiv geführten Reformdiskussion vgl. jedoch Brouwer, AG 2012, 78, 80 ff.; Merkner, AG 2012, 199, 205 ff.; Seibt, CFL 2010, 502, 506 f.; ders., ZIP 2012, 797, 801 ff.; Veil, ZHR 175 (2011) 83, 98 ff.; ders., BB 2012, 1374; ders., ZHR 177 (2013) 427, 444 f.; siehe auch schon oben 5. Kapitel A. III. 2. d) bb) (1). 176 Unstreitig, vgl. Brouwer, AG 2012, 78, 79; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086, 1088; Habersack/Mülbert/Schlitt/Götze, HdbKapInfo, § 28 Rn. 29; KölnKommWpHG/Heinrich,
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rechtsverlusts wird der deutsche Gesetzgeber daher auch auf die Verletzung der Meldepflichten gemäß §§ 25, 25a WpHG zu erstrecken haben.177 Zum anderen werden nach § 28 S. 1 WpHG von dem Rechtsverlust nur die Aktien erfasst, die dem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 WpHG zugerechnet werden; nicht betroffen sind hingegen die Aktien, die dem Meldepflichtigen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 – 6 oder Abs. 2 WpHG zugerechnet werden.178 Auch von dieser Beschränkung wird sich der deutsche Gesetzgeber verabschieden müssen, denn Art. 28b Abs. 2 der Transparenzrichtlinie begrenzt den Kreis der vom Rechtsverlust betroffenen Stimmrechte nicht, sondern spricht ganz allgemein von der Aussetzung der Ausübung der Stimmrechte aus Aktien.179 7. Zusammenfassung Die Richtlinie 2013/50/EU hat das Rad der Beteiligungstransparenz keineswegs neu erfunden, sondern lediglich auf der Ebene der Mitgliedstaaten teilweise bereits existierende Regelungen zu einem ansehnlichen Gesamtpaket geschnürt. Der Richtliniengeber hat sich dabei gelegentlich auch am deutschen Recht orientiert, so dass es nicht verwundert, dass das Fundament des Melderegimes der §§ 21 ff. WpHG unangetastet bleiben kann. Gleichwohl ergibt sich für den deutschen Gesetzgeber reichlich Handlungsbedarf: Er muss nicht nur die zwei Meldesäulen für Finanzinstrumente und sonstige Instrumente zu einer einheitlichen Meldesäule verschmelzen und das Sanktionsregime (insbesondere den Rechtsverlust nach § 28 WpHG) neu fassen, sondern auch zahlreiche Änderungen im Detail vornehmen.
§ 25 Rn. 76, § 25a Rn. 94; Krause, AG 2011, 469, 482 f.; Merkner, AG 2012, 199, 201; Heidel/ Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 33, § 25a WpHG Rn. 72; Marsch-Barner/F. A. Schäfer/ F. A. Schäfer, § 18 Rn. 48 f.; Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 10; Veil, ZHR 175 (2011), 83, 86. 177 Ebenso KölnKommWpHG/Heinrich, § 25a Rn. 19, 95; Heidel/Nordholtz, § 25 WpHG Rn. 33, § 25a WpHG Rn. 72 mit Fn. 181; Parmentier, AG 2014, 15, 23; Veil/Veil, § 20 Rn. 154; so auf Basis des Kommissionsentwurfs auch schon Seibt, ZIP 2012, 797, 801; ders./Wollenschläger, AG 2012, 305, 314. 178 MünchKommAktG/Bayer, § 22 Anh, § 28 WpHG Rn. 8; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, § 28 Rn. 26 f.; Habersack/Mülbert/Schlitt/Götze, HdbKapInfo, § 28 Rn. 27, 45; Heidel/ Heinrich, § 28 WpHG Rn. 9; Merkner, AG 2012, 199, 201 f., F. A. Schäfer/Hamann/Opitz, § 28 WpHG Rn. 35 f.; Assmann/Schneider/Schneider, § 28 Rn. 42 ff.; Schwark/Zimmer/ Schwark, § 28 WpHG Rn. 12. 179 Missverständlich, aber so wohl auch Seibt/Wollenschläger, AG 2012, 305, 314 f. (noch auf Basis des Richtlinienentwurfs der Kommission).
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
B. Empty voting I. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 1. Wertpapierdarlehen Die Erstreckung des Tatbestands des § 25 WpHG auf „sonstige Instrumente“ im Rahmen des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes diente in erster Linie dem Ziel, das Anschleichen an börsennotierte Gesellschaften unter Einsatz des Wertpapierdarlehens unmöglich zu machen.180 Allerdings hat der Gesetzgeber dadurch unbewusst auch einen Teilaspekt des empty voting mitgeregelt.181 Während nach alter Rechtslage in der Regel lediglich eine Meldepflicht des Darlehensnehmers gemäß § 21 Abs. 1 WpHG (sofern er durch den darlehensweisen Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien eine Meldeschwelle erreichte oder überschritt) sowie eine korrespondierende Meldepflicht des Darlehensgebers bestand182, unterfällt der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers jetzt auch § 25 Abs. 1 WpHG, so dass dem Kapitalmarkt offengelegt wird, dass ein Anspruch auf den Erwerb von stimmrechtsvermittelnden Aktien besteht. Die Mitteilung des Darlehensgebers hat u. a. einen Hinweis auf den Zeitpunkt, an dem die Aktien erworben werden können (§ 17 Abs. 3 Nr. 5 WpAIV), sowie das Datum der Fälligkeit des Finanzinstruments oder sonstigen Instruments (§ 17 Abs. 3 Nr. 6 WpAIV) zu enthalten. Dies ist zweifelsohne ein begrüßenswerter Zugewinn an Transparenz, doch überrascht es angesichts der nur reflexartigen Erfassung des empty voting nicht, dass dieses Transparenzniveau bei weitem nicht ausreicht183 : Offengelegt werden müssen nämlich weder die Art des Finanzinstruments oder des sonstigen Instruments noch die Identität der Gegenpartei des Darlehensgebers. Zwar sieht das Formular der BaFin zur Stimmrechtsmitteilung gemäß § 25 Abs. 1 WpHG184 in Fußnote 10 zu Abschnitt B. 3. – „Sonstige Erläuterungen“ vor, dass der Meldepflichtige auch Angaben zur Art des Finanzinstruments machen soll; diese Angabe ist jedoch von § 17 Abs. 3 WpAIV nicht vorgeschrieben und damit zur gesetzeskonformen Erfüllung der Meldepflicht nicht erforderlich. Auch das Formular der BaFin weist dementsprechend darauf hin, dass es sich lediglich um eine zusätzliche Angabe handelt, die nicht veröffentlicht wird. Die Angabe zur Art des Finanzinstruments dient daher offensichtlich nur der Information der BaFin. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für den Kapitalmarkt weder erkennbar ist, dass der eine Heraufmeldung nach § 21 Abs. 1 WpHG machende Darlehensnehmer und der eine 180
Siehe oben 5. Kapitel A. III. 3. und 7. Kapitel A. I. 1. a). So auch KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 5. 182 Eingehend dazu oben 4. Kapitel B. III. 2. a). 183 Ähnlich KölnKommWpHG/Heinrich, § 25 Rn. 5: „[…] kann es Aufgabe kapitalmarktrechtlicher Beteiligungstransparenz sein, entsprechende Konstellationen jedenfalls erkennbar zu machen. Dies gelingt de lege lata […] nur sehr bedingt.“ 184 Zu den Musterformularen siehe bereits oben 7. Kapitel A. I. 2. a) bb) (2) mit Fn. 31. 181
B. Empty voting
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Herabmeldung nach § 21 Abs. 1 WpHG sowie eine Meldung nach § 25 Abs. 1 WpHG machende Darlehensgeber durch einen Wertpapierdarlehensvertrag miteinander verbunden sind, noch, dass der Darlehensnehmer aufgrund dieses Wertpapierdarlehensvertrags risikoentleerte Stimmrechte hält. 2. Derivative Finanzinstrumente Auch im Hinblick auf das empty voting unter Zuhilfenahme derivativer Finanzinstrumente hat das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz keine ausreichende Transparenz herbeigeführt: Zwar muss der Derivatvertragspartner des Aktionärs – über die alte Rechtslage185 hinausgehend – nunmehr gemäß § 25a Abs. 1 WpHG offenlegen, dass er als Inhaber einer aus einem Derivatekontrakt entspringenden long position die Möglichkeit zum Erwerb stimmrechtsvermittelnder Aktien hat, denn aus seiner Sicht kann die Gegenseite, d. h. der Aktionär, ihre Risiken aus dem Instrument durch das Halten der Aktien ausschließen oder vermindern (vgl. das Regelbeispiel in § 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG).186 Allerdings leidet die Mitteilungspflicht nach § 25a Abs. 1 WpHG hinsichtlich des empty voting unter den gleichen Defiziten wie die Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG, insbesondere verlangt § 17 Abs. 4 WpAIV weder die Offenlegung der Art des Finanzinstruments187 noch des Namens des Derivatvertragspartners, also des Aktionärs.
II. Leerverkaufsverordnung Die Leerverkaufsverordnung188, die am 25. März 2012 in Kraft trat und seit dem 01. November 2012 in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt189, hat ein zweistufiges Transparenzsystem für Netto-Leerverkaufspositionen eingeführt190 : Art. 5 Abs. 1 185
Vgl. oben 4. Kapitel B. III. 3. b). Diesen Effekt macht sich der Aktionär im Falle des Aufbaus einer empty voting-Position gerade zunutze, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen: Er schließt nicht – wie im Falle des Anschleichens üblich – zuerst das Derivatgeschäft ab und hedgt das sich daraus ergebende Risiko durch den Erwerb der Aktien, sondern erwirbt zuerst Aktien und entledigt sich anschließend des daraus resultierenden Risikos durch den Abschluss des Derivatgeschäfts. 187 Auch das Formular der BaFin zur Mitteilung gemäß § 25a Abs. 1 WpHG sieht in Fußnote 10 zu Abschnitt B. 3. – „Sonstige Erläuterungen“ vor, dass der Meldepflichtige Angaben zur Art des Finanzinstruments machen soll. Allerdings handelt es sich auch hier lediglich um eine zusätzliche Angabe, die nicht veröffentlicht wird und nur der Information der BaFin dient. 188 Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. EU Nr. L 86/1. 189 Vgl. Art. 48 der Leerverkaufsverordnung. 190 Siehe dazu Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 462; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 317; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1100 (2013); Veil/Walla, § 15 Rn. 20 ff. 186
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7. Kap.: Annex – jüngere Entwicklungen
und 2 der Leerverkaufsverordnung verpflichtet den Inhaber einer Netto-Leerverkaufsposition in Aktien eines börsennotierten Unternehmens zur Meldung gegenüber der zuständigen nationalen Behörde, wenn die Position die Schwelle von 0,2 % des ausgegebenen Aktienkapitals erreicht oder überschreitet. Netto-Leerverkaufspositionen in Höhe von 0,5 % oder mehr des ausgegebenen Aktienkapitals sind gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 der Leerverkaufsverordnung zusätzlich gegenüber der Öffentlichkeit offenzulegen. Art. 3 Abs. 4 der Leerverkaufsverordnung definiert den Begriff der Netto-Leerverkaufsposition als „Position, die gehalten wird, nachdem von den Short-Positionen, die eine […] Person im ausgegebenen Aktienkapital des betreffenden Unternehmens hält, jegliche Long-Positionen, die die […] Person in diesem Kapital hält, abgezogen wurden“. Die Absätze 1 und 2 des Art. 3 wiederum definieren die Begriffe „Short-Position“ und „Long-Position“ näher. Eine ShortPosition kann insbesondere aus dem Eintritt in eine Transaktion resultieren, durch die ein Finanzinstrument geschaffen wird oder die sich auf ein Finanzinstrument bezieht und deren Wirkung darin besteht, dass die Person, die diese Transaktion eingeht, im Falle einer Kurs- oder Wertminderung der Aktie einen finanziellen Vorteil erzielt (Art. 3 Abs. 1 lit. b der Leerverkaufsverordnung). Die Leerverkaufsverordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und bedarf an sich keines Umsetzungsaktes durch die nationalen Gesetzgeber. Gleichwohl war es konsequent, dass der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Leerverkaufs-Ausführungsgesetzes191 nicht nur die BaFin als zuständige Behörde i.S.d. Leerverkaufsverordnung bestimmt (§ 30h WpHG), sondern gleichzeitig auch § 30i WpHG192 ersatzlos gestrichen hat. Dieser war im Jahre 2010 – im Bewusstsein der zum damaligen Zeitpunkt bereits laufenden Initiativen auf europäischer Ebene – ins WpHG eingefügt worden und hatte einen mit den finalen Regelungen der Leerverkaufsverordnung nahezu identischen Ansatz verfolgt. Wegen des identischen Regelungsgehalts des alten § 30i WpHG und der genannten Vorschriften der Leerverkaufsverordnung kann hinsichtlich der Frage, inwieweit die Leerverkaufsverordnung auch empty voting-Konstellationen erfasst, auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.193 Zusammenfassend sei an dieser Stelle lediglich noch einmal festgehalten, dass auch die Leerverkaufsverordnung das empty voting nicht spezifisch im Blick hatte und nur reflexhaft mitregelt.194 Hinsichtlich des empty voting mithilfe derivativer Finanzinstrumente regelt sie nur Fälle eines negativen Beteiligungsinteresses von 0,2 % oder mehr, nicht aber die unter Corporate Governance-Gesichtspunkten ebenfalls regelungsbedürftigen Fälle des 191 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EU-Leerverkaufs-Ausführungsgesetz) vom 6. November 2012, BGBl. I 2012, S. 2286. 192 Zu dieser Vorschrift schon oben 5. Kapitel B. II. 2. 193 Vgl. oben 5. Kapitel B. II. 3. 194 Heuser, Der Konzern 2012, 308, 317 f.; siehe auch Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 462; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1101 f. (2013).
B. Empty voting
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neutralen Beteiligungsinteresses.195 Überhaupt nicht von der Leerverkaufsverordnung adressiert wird der Erwerb risikoentleerter Stimmrechte im Wege des Wertpapierdarlehens.196 Es besteht aufgrund dessen weiterhin Bedarf für eine das empty voting spezifisch adressierende Transparenzregelung. Ein entsprechender Vorschlag ist im 5. Kapitel dieser Arbeit unterbreitet worden.197
195 Clottens, ECFR 9 (2012) 446, 462 f.; Heuser, Der Konzern 2012, 308, 318; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1103 (2013). 196 Heuser, Der Konzern 2012, 308, 318; Ringe, 36 Seattle U. L. Rev. 1027, 1101 (2013). 197 Siehe 5. Kapitel B. II. 4.
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Stichwortverzeichnis Abspaltungsverbot 29, 38, 141, 145, 215 f. acting in concert 303 f., 319, 323, 352 ff. Aktienindex 63, 402 f., 414, 449, 465 f. Aktienkorb siehe Basket Aktionärsrechte-Richtlinie 98 ff. Allokationseffizienz des Kapitalmarkts 192 Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 34, 396 ff., 445 ff., 476 f. – Aggregation 407 ff. – Aktienindex 402 f.,449 – BaFin 414, 418 f., 449 – Basket 402 f., 449 – call option 397, 447, 448 – delta-Adjustierung 409 ff., 451 f. – Derivat 446 f. – drag along 450 – Emittentenprivileg 401 ff. – empty voting 476 f. – Festgeschäft 447, 448 – hidden (morphable) ownership 396 ff., 445 ff. – irrevocable undertakings 450 – Pfandrecht 450 – put option 447, 448, 450 – Rechtsverlust 416 ff. – Rechtsverordnung 414, 448 f. – Regelbeispiele 397, 448 – Regierungsentwurf 396 ff. – Sanktionen 415 ff., 453 – sonstige Instrumente 419 f., 446 – swap 448 – tag along 450 – Vorkaufsrecht 450 – Wertpapierdarlehen 419 f., 446 Anlegerschutzverbesserungsgesetz 221, 229, 374 Anreizverzerrung siehe empty voting, Anreizverzerrung Anschleichen – Abgrenzung 30 f. – siehe auch hidden (morphable) ownership
AnsFuG siehe Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz AnSVG siehe Anlegerschutzverbesserungsgesetz Arbitrage 52 f., 94 Axa/Mony 76 f., 173 f., 254, 274 Barerfüllung siehe cash settlement Basket 402 f., 449, 465 f. beneficial ownership 132 ff. Beteiligungstransparenz – empty voting 284 ff., 321 ff., 476 f. – hidden (morphable) ownership 114, 184 ff., 325 ff., 396 ff., 445 ff. Börsennotierung 36 f. Bundesgericht (Schweiz) 130 Bundesverwaltungsgericht (Schweiz) 130 call option – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 447, 448 – Begriff 60 f. – empty voting 66 – hidden (morphable) ownership 117 ff. – Transparenzrichtlinie 457 f. cash settlement – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 397, 448 – Begriff 51 – equity swap 63 f. – hidden (morphable) ownership 326 ff. – Transparenzrichtlinie 457, 461 f. Clearing-Stelle siehe Derivat, ClearingStelle Clearstream 82 f., 177 Continental/Schaeffler 33, 126 ff., 190 f., 202, 342, 347, 369 f., 371, 377 Contract for Difference (CfD) – Begriff 64 – Transparenzrichtlinie 457, 460
526
Stichwortverzeichnis
Corporate Governance 139 f., 208 f., 426 ff. CSX/TCI 132 ff., 348 f., 399 Darlehensgeber 84 f., 92 f. Darlehensnehmer 85 ff., 93 ff. debt decoupling 39 delta-Adjustierung – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 409 ff., 451 f. – Transparenzrichtlinie 463 f. Depository Trust Company (DTC) 175 f. Depotgesetz 177 f. Derivat – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 446 f., 477 – Arbitrage 52 f. – Basiswert 47, 49 – Begriff 45 ff. – Beteiligungstransparenz 114, 117 ff., 320 ff., 325 ff., 397 ff., 447 ff., 457 ff., 477 – call option siehe dort – cash settlement siehe dort – Clearing-Stelle 55, 70 f. – Entscheidung zur Abgabe eines Angebots 376 f. – Erscheinungsformen 56 ff. – Festgeschäft siehe dort – forward 58 – future 57 f. – gegenseitiger Vertrag 46 f. – hedging 51 f. – hinausgeschobener Erfüllungszeitpunkt 47 f. – Insiderhandelsverbot 227 ff., 378 ff. – Kreditrisiko 54 f. – Legaldefinition 45 f. – Optionsgeschäft siehe dort – over the counter (OTC) siehe dort – Pflichtangebot 323 f., 369 f. – physical settlement siehe dort – Preisänderungsrisiko 54 – put option siehe dort – Rahmenverträge 55 – Rechtsrisiko 56 – Risiken 54 ff. – Sicherheitsleistung 54, 71 f.
– Spekulation 53 – swap siehe dort – Systemrisiko 55 – trading 53 – Treuepflicht 275 ff. derivative Finanzinstrumente siehe Derivat Deutsche Börse/London Stock Exchange 108 ff. drag along 450
Eidgenössische Bankenkommission (EBK) 129 Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) 129 EMIR siehe European Market Infrastructure Regulation (EMIR) empty voting – Abspaltungsverbot 215 f. – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 476 f. – Anreizverzerrung 146 f., 148 f., 152 f. – Begriff 42 f. – Beispiele 29 f. – Derivate 29 f., 43 ff., 148 ff., 320 ff., 421 ff., 477 ff. – Diskussionsstand 32 ff. – European Securities and Markets Authority (ESMA) 35 – Funktionsweise 43 ff. – Gleichbehandlungsgebot 238 f. – Ineffizienz 163 ff. – Insiderhandelsverbot 220 ff. – Interessenkonflikt 146 f., 149 ff., 151 f., 153 f., 260 ff. – Mehrstimmrecht 155 ff. – Nutzung der Aktien eines anderen 239 ff. – Offenlegung 421 ff. – ökonomische Betrachtung 163 ff. – overvoting 175 ff. – Pflichtangebot 306 ff., 323 f. – securities lending surprise 175 ff. – Stimmenkauf 216 ff. – Stimmrechtsausschluss 248 ff. – Stimmrechtshandel 163 f. – Stimmrechtsmissbrauch 257 ff. – Transparenz 282 ff. – Treuepflicht 258 ff., 266 ff.
Stichwortverzeichnis – Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen 251 ff. – Wertpapierdarlehen 30, 78 ff., 151 ff., 284 ff., 476 f. – Zulässigkeit 213 ff. – Zweck 111 f. Entkopplung 31, 145 f. Entscheidung zur Abgabe eines Angebots 370 ff. equity decoupling 38 f. Eurex 69 ff. European Corporate Governance Forum (ECGF) 34 f. European Market Infrastructure Regulation (EMIR) 68 European Master Agreement (EMA) 68, 81, 84 f. European Securities and Markets Authority (ESMA) – empty voting 35 – Transparenzrichtlinie 457 f., 460 f., 464, 465 f., 467 Festgeschäft – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 446 f., 448 – Begriff 50, 56 ff. – hidden (morphable) ownership 332 ff. Financial Services Authority (FSA) 120, 342, 344 ff., 354, 393 f., 403 f., 412 forward siehe Derivat, forward Frankreich 394 f. free float 188 f. future siehe Derivat, future Georgakis-Entscheidung 226 Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte 423 f. Gesetzesumgehung 364 ff. Girosammelverwahrung 177 Gleichbehandlungsgebot 238 f. Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA) 81, 84 f., 89 ff., 136, 152, 303 golden shares-Rechtsprechung 160 Hebelwirkung 53 f. Hedging 51 f., 93 f., 119 ff., 400 f.
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Henderson Land/Henderson Investment 106, 153, 223, 253, 274 hidden (morphable) ownership – Allokationseffizienz des Kapitalmarkts 192 – Andienung von Aktien 121 ff. – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz siehe dort – Begriff 113 – Beispiel 30 – Beteiligungstransparenz 325 ff. – Derivate 117 ff., 136, 325 ff., 369 f., 376 f., 378 ff., 397 ff., 447 ff., 457 ff. – Diskussionsstand 32 ff. – Funktionsweise 117 ff. – Gesetzesumgehung 364 ff. – hedging 119 ff. – Informationseffizienz des Kapitalmarkts 185 ff. – Insiderhandelsverbot 192 f., 378 ff. – Interessenlage 121 ff. – Markt für Unternehmenskontrolle 193 ff. – Pflichtangebot 115 f., 369 f. – Vertragsgestaltung 124 – Wertpapierdarlehen 135 f., 368, 370, 377, 386 ff., 419 f., 446, 458 ff. – Zweck 114 ff. Höchststimmrecht 155, 156 f. Hong Kong 106, 395 f., 403, 404 f., 426 f. hybrid decoupling 39 f. Implenia/Laxey 129 ff. Informationseffizienz des Kapitalmarkts 185 ff. Insiderhandelsverbot – Absicht 220 ff., 378 f., 386 f. – Derivate 227 ff., 378 ff. – Drittbezug 222, 224 ff. – eigene unternehmerische Entscheidung 227 f., 380 f. – empty voting 220 ff. – hidden (morphable) ownership 192 f., 378 ff. – innere Tatsache 220 ff., 378 – Insiderinformation 220 ff., 378 f., 386 f. – Mitteilung 383 f., 387 f. – Scalping 224 ff.
528
Stichwortverzeichnis
– selbst geschaffene Information 224 ff. – Spector Photo-Entscheidung 230 f. – teleologische Reduktion 231 ff., 381 f. – Verwendung 227 ff., 380 f., 384 ff., 388 – Wertpapierdarlehen 234 f., 386 ff. – Zugänglichmachen 383 f., 387 f. – zukünftiger Umstand 222 f., 379 irrevocable undertakings 450 ISDA Master Agreement 55, 68, 117, 331, 335 f. Kassamarkt 47 f., 52 f., 93 ff. Kaufoption siehe call option Kollektivhandlungsproblem 181 ff. Kontrollprämie 139 f., 166, 194, 195, 198, 202 ff. Laxey Partners/British Land 105, 153, 223, 274 Leerverkauf 30, 94 f., 103, 153 f. Leerverkaufsverordnung 40 f., 477 ff. leverage effect 53 f. Lindner-Verfahren 88 ff., 95 f., 264 f., 293 long position – Allgemein 48 f., 66 – Axa/Mony 76 f. – call option 60 f. – Continental/Schaeffler 126 ff. – Festgeschäft 57 – hidden (morphable) ownership 113 f., 119 ff. – Leerverkaufsverordnung 477 ff. – merger arbitrage 108, 110 f. – Mylan/King 74 f. – put option 61 f. – swap 64 margin siehe Derivat, Sicherheitsleistung Markt für Unternehmenskontrolle 193 ff. Mehrstimmrecht 155 ff. merger arbitrage 107 ff. morphable ownership siehe hidden (morphable) ownership Mylan/King 72 ff., 110 f., 151, 223, 253, 274, 286 naming and shaming 469 f., 473 new vote buying 31 f.
Nutzung der Aktien eines anderen 244 ff.
240 ff.,
one share, one vote siehe Proportionalitätsprinzip Optionsgeschäft – Begriff 50, 58 ff. – delta-Adjustierung 411, 451 f., 463 f. – hidden (morphable) ownership 337 ff. – Transparenzrichtlinie 457 f. over the counter (OTC) 49 f., 55, 67 ff., 404 overvoting 175 ff. Pfandrecht 450 Pflichtangebot – empty voting 306 ff., 323 f. – hidden (morphable) ownership 115 f., 369 f. physical settlement – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 397, 447 f. – Begriff 51 – hidden (morphable) ownership 325 ff. – Transparenzrichtlinie 457, 461 f. Prinzipal-Agenten-Problem 180 ff. property rights-Theorie 141 ff. Proportionalitätsprinzip – Ausnahmen 155 ff. – Begriff 144 f. – ökonomische Herleitung 141 ff. – Satzungsdispositivität 161 f. put option – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 447 f., 450 – Begriff 61 – empty voting 66 – hidden (morphable) ownership 117, 326 – Transparenzrichtlinie 457 f. Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte 67 f., 331 Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen 81, 84 f., 89, 136, 303 rationale Apathie 167 ff., 181 ff. Realerfüllung siehe physical settlement Rechtsmissbrauch 257 ff. – Abgrenzung zur Treuepflicht 258 ff.
Stichwortverzeichnis – Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses 266 – Lindner-Urteil 264 f. – Rechtsfolgen 265 f. – Verbot der Stimmrechtsausübung 265 f. – Vermutung des Stimmrechtsmissbrauchs 266 – wirtschaftliches Interesse 262 f. Rechtsverlust 416 ff., 471 f., 473 f. record date 99 ff. record date capture 97 ff. – Beispiel 30 – Inhaberaktien 98 f. – Kaufvertrag 103 ff. – Namensaktien 97 f. – Nutzung der Aktien eines anderen 240 ff., 244 ff. – Wertpapierdarlehensvertrag 102 ff. regulatory technical standards (RTS) 464, 465 f., 467 Relativität der Rechtsbegriffe 311 f. residual claimants 141 ff. Richtlinie 2013/50/EU – Regelungen 454 ff. – siehe auch Transparenzrichtlinie Risikobegrenzungsgesetz 286, 304, 307, 357 f., 359 f. Sammelverwahrung 177 Scalping 224 ff. Schweiz 129 ff., 392 f. Securities and Exchange Commission (SEC) 34, 44 Securities Exchange Act 43 f., 132 ff. securities lending surprise 175 ff. short position – Allgemein 48 f., 66 – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 419 – Axa/Mony 76 f. – call option 60 f. – Continental/Schaeffler 126 ff. – empty voting 421 ff., 477 ff. – Festgeschäft 57 – hidden (morphable) ownership 119 ff. – Leerverkaufsverordnung 477 f. – merger arbitrage 108, 110 f. – Mylan/King 74 f.
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– put option 61 f. – swap 64 f. short selling siehe Leerverkauf soft parking 39 Sondervorteil 149 f., 151 f., 251 ff. Spector Photo-Entscheidung 230 f. Spekulation 53, 94 f. Stillhalter 59, 61 f., 80, 119, 326, 362, 447 Stimmrecht – Abspaltungsverbot 29, 38, 141, 145, 215 f. – Bedeutung 139 f. – Derivate 340 ff. – Gleichbehandlungsgebot 238 f. – Höchststimmrecht 155, 156 f. – Insiderhandelsverbot 220 ff. – Mehrstimmrecht 155 ff. – Nutzung der Aktien eines anderen 239 ff. – one share, one vote 144 ff. – Proportionalitätsprinzip 141 ff. – Stimmenkauf 216 ff. – Stimmrechtsausschluss 248 ff. – Stimmrechtshandel 163 f. – Stimmrechtsmissbrauch 257 ff. – Treuepflicht 266 ff. – Verwaltungsrecht 37 f. – Vorzugsaktie 155, 158 – Wert 165 ff., 174 f. – Wertpapierdarlehen 86 ff., 96 f., 292 ff. swap – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 397, 448 – equity swap 63 ff., 117 f. – hidden (morphable) ownership 339 f. – index swap 63 – Transparenzrichtlinie 457 swing votes 44 f., 173 f., 180, 254, 274 tag along 450 Terminmarkt 47 f., 52 f. toehold-Effekt 199 ff., 210 trading 53 Transparenzrichtlinie 454 ff. – Aggregation 461 – Aktienindex 465 f. – Basket 465 f. – call option 457 f. – Contract for Difference (CfD)
457, 460
530
Stichwortverzeichnis
– delta-Adjustierung 463 f. – European Securities and Markets Authority (ESMA) 457 f., 460 f., 464, 465 f., 467 – naming and shaming 469 f., 473 – put option 457 f. – regulatory technical standards (RTS) 464, 465 f., 467 – Sanktionen 468 ff. – Stimmrechtsaussetzung 471 f. – swap 457 – Transparenzrichtlinie I 300 f., 308 – Transparenzrichtlinie II 35, 288, 308, 361, 363, 366 f., 466 f., 468 f. – vergleichbare wirtschaftliche Wirkung 457 – Vollharmonisierung 455 f. – Vorkaufsrecht 458 – Wertpapierdarlehen 458 Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz 301 f., 359 ff., 366 f. Treuepflicht 266 ff. – Abgrenzung zum Rechtsmissbrauch 258 ff. – Abwägung 271, 274 ff. – Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses 281 – Anteilsbesitz 270 f., 274 – Derivate 275 ff. – Einzelfallbetrachtung 268 ff. – Funktion 266 f. – Inhalt 268 – Realstruktur der Gesellschaft 269 f., 271 f. – Rechtsfolgen 280 ff. – Schadensersatz 281 f. – Stimmrecht, Nichtigkeit 280 – Stimmrecht als uneigennütziges Recht 270, 272 ff. – Vermutung der Treuepflichtverletzung 280 – Wertpapierdarlehen 278 f. – Wirkungsrichtungen 267 f. Übernahmerichtlinie 160, 308 f., 455 f. UMAG 97 ff. USA – Beteiligungstransparenz 43 f., 132 ff.
– – – – –
CSX/TCI 132 ff. Depository Trust Company (DTC) 175 f. overvoting 176 Proportionalitätsprinzip 158 f. securities lending surprise 175 f.
Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen 251 ff. Vereinigtes Königreich 120, 342, 344 ff., 354, 393 f., 403 f., 412 Verkaufsoption siehe put option Vermögensrechte 38 Verwaltungsrechte 37 f. Vorkaufsrecht 450, 458 Vorzugsaktie 155, 158 vote buying 163 f., 218 ff. VW-Gesetz 160 VW/Porsche 188 Wertpapierdarlehen – Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 420, 446 – Bedeutung 80 – Begriff 78 ff. – Beteiligungstransparenz 113 f., 135 f., 284 ff., 368, 419 f., 446, 458 – Darlehensgeber siehe dort – Darlehensnehmer siehe dort – Direktgeschäfte 81 – empty voting 30, 78 ff., 151 ff., 284 ff., 476 f. – Entscheidung zur Abgabe eines Angebots 377 – Erscheinungsformen 81 ff. – Geschäfte unter Einschaltung Dritter 82 ff. – hidden (morphable) ownership 135 f., 368, 370, 377, 386 ff., 419 f., 446, 458 ff. – Insiderhandelsverbot 234 f., 386 ff. – Motive 92 ff. – Pflichtangebot 306 ff., 370 – Rahmenverträge 81, 84 ff. – Rechtsnatur 79 – Stimmrecht 86 ff., 96 f. – Treuepflicht 278 f. – Vertragsinhalt 84 ff. Wertpapierleihe siehe Wertpapierdarlehen
Stichwortverzeichnis wirtschaftliches Interesse – Allgemeines 213 f. – Beteiligungstransparenz 285 f., 289 ff., 331 ff. – Derivate, Verwendung 66 – empty voting, Ineffizienz 163 ff. – empty voting, Zweck 111 f. – Insiderhandelsverbot 232 ff. – Pflichtangebot 315
531
– Proportionalitätsprinzip 141 ff., 146 ff. – Rechtsmissbrauch 260 ff. – Treuepflicht 274 ff. wirtschaftliches Risiko siehe wirtschaftliches Interesse Zweites Finanzmarktförderungsgesetz 185, 192, 299 f.