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German Pages 103 [140] Year 1867
Emilia (Mottl Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen
von
Gotth. Ephr. Lessing.
Leipzig. G. I. Göschen'sche Verlagshandlung.
1866.
Buchdruckerei der I. G. Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart.
Schon im Herbste 1757, als die Bibliothek der schönen Wissenschaften
einen Preis für die beste Tragödie ausgesetzt hatte, beschäftigte sich Les sing mit dem Sujet einer bürgerlichen Virginia, der er den Titel Emilia
Galotti gegeben hatte. sieben Zeilen."
Er arbeitete sehr langsam, „alle sieben Tage
Was er davon fertig brachte, verwarf er in der Folge
wieder und kehrte erst zehen Jahre später, als er in Hamburg die Drama
turgie schrieb, zu dem Stoffe zurück.
Damals waren die drei Acte des
alten Entwurfes zwar schon auf die üblichen fünf erweitert, aber die Arbeit war so angelegt, daß sie nur gespielt, nie gedruckt werden sollte.
Es war noch keine Orsina in dem Stücke. In Wolfenbüttel nahm Lessing den Plan wieder auf.
Konnte er zwar
weder das alte Sujet, noch die Hamburger Ausarbeitung gebrauchen, so wird doch die Anlage im Allgemeinen geblieben sein, die Auflösung des Tochtermordes durch den Vater in modernere Verhältnisse, abgelöst von
dem politischen Beiwerk, das bei der freien Erfindung nur störend oder hemmend wirken konnte.
Erst in diese Bearbeitung wurde die Rolle der
Gräfin Orsina ausgenommen, in welcher die Hofleute in Braunschweig,
die Lessing nicht wohl wollten, Züge der Markise Branconi zu erkennen
meinten, ehe sie das Trauerspiel kennen konnten.
Denn Lessing ließ es
vor der Aufführung drucken, und was aus dem Theatermanuscript in Döbbelins Besitz verlauten mochte, konnte nur ungenau sein. Um dem Gerede ein Ende zu machen, sandte Lessing die fertigen Bogen bis in den vierten Aufzug direkt an den alten Herzog, und erbot sich, falls derselbe die Aufführung dieses Trauerspiels zum Geburtstage der Herzogin für unschicklich halte, dieselbe unter irgend einem leicht zu findenden Vorwande
zu hintertreiben, da er nicht gern das Geringste thun oder geschehen lassen wolle, von dem der Herzog wünschen könne, daß es gar nicht oder
anders geschehen wäre.
Der Herzog konnte begreiflicherweise nichts gegen
die Aufführung einwenden, ohne dem Gerede der Höflinge Nahrung zu geben. Daß kein Grund dazu vorhanden gewesen wäre, konnte damit nicht geleugnet sein; man wollte ihn nur nicht kennen.
Das Stück wurde
zum erstenmale am Geburtstage der Herzogin, 13. März 1772, von der Döbbelinschen Gesellschaft in Braunschweig aufgeführt und die Darstellung
soll zu Döbbelins besten gehört haben.
Lessing wohnte weder dieser, noch
den rasch nach einander folgenden Wiederholungen bei.
Auch in Berlin
IV wurde das Stück schon am 6. April von der Kochischen Gesellschaft ge
geben, doch bis 1781 nur neunmal.
Die Berliner Freunde hatten allerlei
Bedenklichkeiten, die zum Theil bis auf die Gegenwart immer wieder aufgeworfen werden. Aber das Stück ist gewaltiger gewesen, als alle Ein
würfe dagegen und hat sie alle überdauert.
Ja in der neueren Zeit hat
es vielleicht mehr beim Publikum von der Bühne gewirkt, als bei Lessings Zeitgenossen, die bei aller Schätzung für den Dichter doch nicht den Re
spect, der aus der Totalität von Lessings Leistungen entspringt, auf das
einzelne Stück übertrugen und, anstatt es gelten zu lassen und daran zu lernen, wo sie nicht bewundern konnten, aus diesem oder jenem theoreti schen System daran zu tadeln fanden.
Zwei Punkte sind unleugbar auch
gegenwärtig noch dem Zweifel zu unterziehen, das Verhältniß Emiliens
zum Prinzen und das Verhalten des Vaters gegen die Tochter.
Es ist
angedeutet, daß Emilia mit einer Neigung für den Prinzen zu ringen
habe und sich in sich selbst nicht sicher fühle, dieselbe auf die Dauer, trotz ihrer bessern Ueberzeugung, zu unterdrücken. Dann wäre der Vater viel leicht entschuldigt, daß er die halb schon mitschuldige Tochter trifft.
Aber
es ist durch nichts angedeutet, daß er von der beginnenden Mitschuld seines Kindes überzeugt ist, und dann hatte er keinen Grund, das schuld lose Mädchen zu ermorden, auf daß der Fürst kein Verbrechen der Ge
walt oder der Verführung an ihr begehen könne. Richter von Zalamea,
In dem Calderonschen
der in vielen Beziehungen mit dem Lessingschen
Stücke zusammentrifft, bittet die sogar schon entehrte Tochter gleichfalls um den Tod von Vaterhand; der Vater aber weigert denselben und weiß
sehr wohl, wen er als den Schuldigen zu treffen hat, nicht das Opfer
(und Emilia kann nur möglicherweise ein Opfer werden), sondern den Schlächter des Opfers. Dazu, daß Odoardo den Prinzen oder den Kuppler
und Mordstifter Marinelli ermordete, war Lessing bei aller Entschlossenheit doch nicht entschlossen genug.
Der Mord der Virginia durch die Hand
des Vaters, der ein Recht über Leben und Tod hatte, was Odoardo nicht
hat, blieb doch nicht ohne verwirrende Folgen für das deutsche Stück. — Ueber die Charaktere der übrigen Personen, mit Ausnahme des Angelo,
ist nichts zu sagen, als daß sie, je genauer sie studirt werden, desto mög
licher sich bewähren. — Der körnige Dialog hat immer Bewundrer gefun den.
Wie sollte er auch nicht, da alle Personen ohne Ausnahme in Les
sings dialektischem Stile reden, und dieser, wenn auch nicht der absolute Stil, doch ein durchaus individuell vollendeter ist. K. Goedeke.
Emilia (Mottl Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen.
1772.
Personen. Emilia Galotti.
. . > Galottr, Eltern der Ennlm. Claudra } Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla. Marinelli, Kammerherr des Prinzen. Camillo Rota, einer von des Prinzen Räthen. Conti, Maler. Graf Appiani. Gräfin Orsina. Angelo, Bandit. Pirro, und einige Bediente.
Erster Auszug. Erster Austritt. Die Scene: ein Cabinet des Prinzen. Der Prinz an einem Arbeitstische, voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft.
Klagen,
nichts
als
Klagen!
nichts als
Bittschriften,
Bittschriften! — Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! — Das glaub' ich, wenn wir allen helfen könn
ten: dann wären wir zu beneiden. — Emilia?
(Indem er
noch eine von den Bittschriften aufschlägt, und nach dem unterschriebenen
Namen
sieht.)
Eine
Emilia? — Aber
neschi — nicht Galotti.
eine
Emilia
Bru
Nicht Emilia Galotti! — Was
will sie, diese Emilia Bruneschi?
(Erliest.)
sehr viel. — Doch sie heißt Emilia.
Viel gefordert,
Gewährt!
schreibt und klingelt, worauf ein Kammerdiener hereintritt.)
(Er unter
Es ist
wohl noch keiner von den Räthen in dem Vorzimmer?
vcr Lammerdicncr. Dcr Prinz.
Nein.
Ich habe zu früh Tag gemacht. — Der
Morgen ist so schön.
Ich will ausfahren.
rinelli soll mich begleiten.
Laßt ihn rufen.
Marchese Ma (Der Kammer
diener geht ab.) — Ich kann doch nicht mehr arbeiten. — Ich
Lessing, Emilia Galotti.
1
2
Auszug 1.
war so ruhig, bild' ich mir ein, so ruhig. — Auf einmal muß eine arme Vruneschi Emilia heißen: — weg ist meine
Ruhe, und alles! —
Der
Kammerdiener (welcher wieder hereintritt).
Nach
Und hier ein Brief von der
dem Marchese ist geschickt.
Gräfin Orsina. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Prinz.
Der Kammerdiener.
Ihr Läufer wartet.
Ich will die Antwort senden,
Der Prinz.
wenn
es
einer bedarf. — Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener.
Sie
ist
gestern in die Stadt
gekommen. Der
sagen.
Prinz.
Desto
schlimmer
—
bester,
wollt'
ich
So braucht der Läufer um so weniger zu warten.
(Der Kammerdiener geht ab.)
Meine theure Gräfin! (Bitter, indem
er den Brief in die Hand nimmt.)
So gut als gelesen!
(und ihn
wieder wegwirft.) — Nun ja, ich habe sie zu lieben geglaubt!
Was glaubt man nicht alles!
Kann seyn, ich habe sie auch
Aber — ich habe!
wirklich geliebt.
Der Kammerdiener (der nochmals herein tritt). Der Maler
Conti will die Gnade haben---------D er Prinz.
men. — Das
Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkom
wird
mir
andere Gedanken in
den
Kopf
bringen. — (Steht auf.)
Zweiter Auftritt. Conti. Der Prinz.
Der Prinz.
Guten Morgen, Conti.
Was macht die Kunst?
Wie leben Sie?
2
Auszug 1.
war so ruhig, bild' ich mir ein, so ruhig. — Auf einmal muß eine arme Vruneschi Emilia heißen: — weg ist meine
Ruhe, und alles! —
Der
Kammerdiener (welcher wieder hereintritt).
Nach
Und hier ein Brief von der
dem Marchese ist geschickt.
Gräfin Orsina. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Prinz.
Der Kammerdiener.
Ihr Läufer wartet.
Ich will die Antwort senden,
Der Prinz.
wenn
es
einer bedarf. — Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener.
Sie
ist
gestern in die Stadt
gekommen. Der
sagen.
Prinz.
Desto
schlimmer
—
bester,
wollt'
ich
So braucht der Läufer um so weniger zu warten.
(Der Kammerdiener geht ab.)
Meine theure Gräfin! (Bitter, indem
er den Brief in die Hand nimmt.)
So gut als gelesen!
(und ihn
wieder wegwirft.) — Nun ja, ich habe sie zu lieben geglaubt!
Was glaubt man nicht alles!
Kann seyn, ich habe sie auch
Aber — ich habe!
wirklich geliebt.
Der Kammerdiener (der nochmals herein tritt). Der Maler
Conti will die Gnade haben---------D er Prinz.
men. — Das
Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkom
wird
mir
andere Gedanken in
den
Kopf
bringen. — (Steht auf.)
Zweiter Auftritt. Conti. Der Prinz.
Der Prinz.
Guten Morgen, Conti.
Was macht die Kunst?
Wie leben Sie?
3
Austritt 3.
Conti.
Prinz, die Kunst geht nach Brod.
Oer Prinz.
Das muß sie nicht; das soll sie nicht, —
in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht. — Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen. Conti.
Nur
Das ist seine Lust.
Arbeiten?
zu viel
arbeiten muffen, kann ihn um den Namen Künstler bringen.
Oer Prinz.
Ich
meine
nicht Vieles,
sondern viel;
aber mit Fleiß. — Sie kommen doch nicht
ein Weniges,
leer, Conti? Conti.
Ich bringe das Portrait,
befohlen haben, welches Sie
mir
gnädiger Herr.
welches
Sie
mir
noch eines,
Und
bringe
aber
weil es gesehen zu
nicht befohlen;
werden verdient —
Oer Prinz.
Jenes ist? — Kann ich mich doch kaum
erinnern — Conti.
Die Gräfin Orsina.
Oer Prinz.
Wahr! — Der Auftrag ist nur ein wenig
von lange her. Conti.
zum Malen.
Unsere
schönen Damen
sind
nicht
alle Tage
Die Gräfin hat seit drei Monaten gerade
Einmal sich entschließen können, zu sitzen. Oer Prinz. Conti.
Wo sind die Stücke?
In dem Vorzimmer: ich hole sie.
Dritter Auftritt. Der Prinz. Ihr Bild! — mag! — Ihr Bild ist sie doch nicht selber. — Und vielleicht
find' ich
in dem Bilde wieder,
was ich in der Person nicht mehr erblicke. — Ich will es
3
Austritt 3.
Conti.
Prinz, die Kunst geht nach Brod.
Oer Prinz.
Das muß sie nicht; das soll sie nicht, —
in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht. — Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen. Conti.
Nur
Das ist seine Lust.
Arbeiten?
zu viel
arbeiten muffen, kann ihn um den Namen Künstler bringen.
Oer Prinz.
Ich
meine
nicht Vieles,
sondern viel;
aber mit Fleiß. — Sie kommen doch nicht
ein Weniges,
leer, Conti? Conti.
Ich bringe das Portrait,
befohlen haben, welches Sie
mir
gnädiger Herr.
welches
Sie
mir
noch eines,
Und
bringe
aber
weil es gesehen zu
nicht befohlen;
werden verdient —
Oer Prinz.
Jenes ist? — Kann ich mich doch kaum
erinnern — Conti.
Die Gräfin Orsina.
Oer Prinz.
Wahr! — Der Auftrag ist nur ein wenig
von lange her. Conti.
zum Malen.
Unsere
schönen Damen
sind
nicht
alle Tage
Die Gräfin hat seit drei Monaten gerade
Einmal sich entschließen können, zu sitzen. Oer Prinz. Conti.
Wo sind die Stücke?
In dem Vorzimmer: ich hole sie.
Dritter Auftritt. Der Prinz. Ihr Bild! — mag! — Ihr Bild ist sie doch nicht selber. — Und vielleicht
find' ich
in dem Bilde wieder,
was ich in der Person nicht mehr erblicke. — Ich will es
4
Auszug 1.
aber nicht wieder finden. — Der beschwerliche Maler!
glaube gar, sie hat ihn bestochen. — Wär' es auch! ihr ein anderes Bild,
das mit andern Farben,
Ich
Wenn
auf einen
andern Grund gemalt ist, — in meinem Herzen wieder Platz machen will: — Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden.
Als ich dort liebte,
war ich immer so leicht,
so fröhlich,
so ausgelaffen — Nun bin ich von allem das Gegentheil. — Doch nein; nein, nein!
Behaglicher oder nicht behag
licher; ich bin so bester.
Vierter Austritt. Der Prinz.
Conti mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnt.
Conti (indem er das andere zurecht stellt).
Ich bitte, Prinz,
daß Sie die Schranken unserer Kunst erwägen wollen.
Vieles
von dem Anzüglichsten der Schönheit liegt ganz außer den
Grenzen derselben. — Treten Sie so!
Der Conti;
pr(nach einer kurzen Betrachtung).
—
ganz
vortrefflich! — Das
gilt
Vortrefflich, Ihrer Kunst,
Ihrem Pinsel. — Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti.
seyn.
Das Original schien dieser Meinung nicht zu
Auch ist es in der That nicht mehr geschmeichelt,
als die Kunst schmeicheln muß.
Die Kunst muß malen, wie
sich die plastische Natur — wenn Bild dachte:
ohne den Abfall,
es
eine
giebt — das
welchen der widerstrebende
Stoff unvermeidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpft.
Der Prinz.
Der denkende Künstler ist noch eins so
4
Auszug 1.
aber nicht wieder finden. — Der beschwerliche Maler!
glaube gar, sie hat ihn bestochen. — Wär' es auch! ihr ein anderes Bild,
das mit andern Farben,
Ich
Wenn
auf einen
andern Grund gemalt ist, — in meinem Herzen wieder Platz machen will: — Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden.
Als ich dort liebte,
war ich immer so leicht,
so fröhlich,
so ausgelaffen — Nun bin ich von allem das Gegentheil. — Doch nein; nein, nein!
Behaglicher oder nicht behag
licher; ich bin so bester.
Vierter Austritt. Der Prinz.
Conti mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnt.
Conti (indem er das andere zurecht stellt).
Ich bitte, Prinz,
daß Sie die Schranken unserer Kunst erwägen wollen.
Vieles
von dem Anzüglichsten der Schönheit liegt ganz außer den
Grenzen derselben. — Treten Sie so!
Der Conti;
pr(nach einer kurzen Betrachtung).
—
ganz
vortrefflich! — Das
gilt
Vortrefflich, Ihrer Kunst,
Ihrem Pinsel. — Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti.
seyn.
Das Original schien dieser Meinung nicht zu
Auch ist es in der That nicht mehr geschmeichelt,
als die Kunst schmeicheln muß.
Die Kunst muß malen, wie
sich die plastische Natur — wenn Bild dachte:
ohne den Abfall,
es
eine
giebt — das
welchen der widerstrebende
Stoff unvermeidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpft.
Der Prinz.
Der denkende Künstler ist noch eins so
5
Auftritt 4.
viel werth. — Aber das Original, sagen Sie, fand demungeachtet —
Conti. Person,
Verzeihen Sie, Prinz.
die meine Ehrerbietung
Das Original ist eine
Ich habe nichts
fordert.
Nachtheiliges von ihr äußern wollen.
Der prin).
So viel als Ihnen beliebt! — Und was
sagte das Original? Conti.
Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin, wenn ich
nicht häßlicher aussehe.
Dcr Prinz.
Nicht
häßlicher?
—
O das wahre Ori
ginal !
Conti.
Und
mit
einer Miene
sagte sie das — von
der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeigt.
Der Prinz.
Das
meint' ich
ja;
das
ist es
eben,
worin ich die unendliche Schmeichelei finde. — O! ich kenne
sie, jene stolze, höhnische Miene, die auch das Gesicht einer
Grazie
entstellen
würde! — Ich läugne
schöner Mund, der sich ein wenig selten
um so viel schöner ist.
nicht,
spöttisch
Aber,
ein
daß
verzieht,
nicht
wohl gemerkt,
ein
wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen,
wie bei dieser Gräfin.
Und Augen müssen über den wol
lüstigen Spötter die Aufsicht führen, —
Augen,
die gute Gräfin nun gerade gar nicht hat;
wie
sie
auch nicht ein
mal hier im Bilde hat. Conti.
Gnädiger Herr, ich bin äußerst betroffen —
Der Prinz.
Und
worüber?
Alles,
was
die Kunst
aus den großen, hervorragenden, stieren, starren Medusen -
äugen der Gräfin Gutes machen kann, das haben Sie, Conti,
redlich daraus gemacht. — Redlich, redlich, wäre redlicher.
sag' ich? — Nicht so
Denn sagen Sie selbst, Conti, läßt
sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schließen?
6 Und das sollte doch.
Aufzug I
Stolz haben Sie in Würde, Hohn
in Lächeln, Ansatz zu trübsinniger Schwärmerei in sanfte Schwermuth verwandelt.
Ah, mein Prinz, — wir Maler
(Konti (etwas ärgerlich). rechnen darauf,
daß das fertige Bild den Liebhaber noch
eben so warm findet, als warm er es bestellte.
mit Augen der Liebe:
Wir malen
und Augen der Liebe müßten uns
auch nur beurtheilen. Der Prinz.
Je nun, Conti; — warum kamen Sie
nicht einen Monat früher damit? — Setzen Sie weg. —
Was ist das andere Stück? Conti (indem er es holt, und noch verkehrt in der Hand hält).
Auch ein weibliches Portrait. Der Prinz. nicht sehen. Stirne)
—
So
möcht' ich
es
bald — lieber
gar
Denn dem Ideal hier (mit dem Finger auf die oder vielmehr hier (mit dem Finger auf das Herz),
kommt es doch nicht bei. — Ich wünschte, Conti, Ihre
Kunst in andern Vorwürfen zu bewundern.
Conti.
Eine
bewundernswürdigere
Kunst
giebt
es;
aber sicherlich keinen bewundernswürdigern Gegenstand als diesen.
Der Prinz.
So wett' ich, Conti, daß es des Künst
lers eigene Gebieterin ist. — (Indem der Maler das Bild um wendet.)
Was seh' ich? Ihr Werk, Conti? oder das Werk
meiner Phantasie? — Emilia Galotti!
Conti.
Wie, mein Prinz? Sie kennen diesen Engel?
Der Prinz (indem er sich zu fassen sucht, aber ohne ein Auge von dem Bilde zu verwenden).
So halb! — um sie eben wieder-
zukennen. — Es ist einige Wochen her, als ihrer Mutter
in
einer Vegghia
ich sie mit
traf. — Nachher
ist sie
mir nur an heiligen Stätten wieder vorgekommen, — wo
7
Auftritt 4.
das Angaffen sich weniger ziemt. — Auch kenn' ich ihren Vater.
Er ist mein Freund nicht.
Er
war es,
der sich
meinen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten widersetzte.
— Ein alter Degen,
und
stolz
sonst bieder
rauh,
und
gut! — Conti. Der Vater! Aber hier haben wir seine Tochter. —
Der Prinz. Bei Gott! wie aus dem Spiegel gestohlen! (Noch immer die Augen auf das Bild geheftet.)
O,
Sie wiffen es
ja wohl, Conti, daß man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein Lob vergißt.
Gleichwohl
Conti.
hat
mich dieses noch sehr unzu
—
Und doch bin ich wiederum
frieden mit mir gelaffen.
sehr zufrieden
mit meiner Unzufriedenheit mit mir selbst.
— Ha, daß wir nicht unmittelbar mit den Augen malen! Auf
langen Wege,
dem
aus dem Auge durch den Arm
in den Pinsel, wie viel geht da verloren! — Aber,
wie
ich sage, daß ich es weiß, was hier verloren gegangen, und wie es verloren gegangen, müssen:
und
warum es verloren gehen
darauf bin ich eben so stolz und stolzer,
als ich
auf alles das bin, was ich nicht verloren gehen laffen.
Denn
aus jenem erkenne ich mehr als aus diesem, daß ich wirk lich ein großer Maler bin,
daß
es aber meine Hand nur
lücht immer ist. — Oder meinen Sie, Prinz, daß Raphael
nicht das größte malerische Genie gewesen wäre, unglücklicher
Weise
ohne
Hände
wäre
geboren
wenn er worden?
Meinen Sie, Prinz! Der Prinz (indem er nur eben von dem Bilde wegblickt).
Was
sagen Sie, Conti? Was wollen Sie wiffen?
Conti.
merk' ich,
O nichts, nichts! — Plauderei! Ihre Seele, war
ganz
in Ihren Augen.
Seelen und solche Augen.
Ich
liebe
solche
8
Auszug I.
Der Prinz (mit einer erzwungenen Kälte). Also, Conti, rech nen Sie doch wirklich Emilia Galotti mit
zu den vorzüg
lichsten Schönheiten unserer Stadt? Conti.
Also? mit?
mit zu den vorzüglichsten? und
den vorzüglichsten unserer Stadt? — Sie spotten meiner,
Prinz.
Oder Sie sahen. die ganze Zeit eben
so wenig,
als Sie hörten. Der Prinz. Bild gerichtet)
Lieber Conti, — (die Augen wieder auf das
wie darf
unser
einer
seinen Augen
trauen?
Eigentlich weiß doch nur allein ein Maler von der Schön
heit zu urtheilen. Conti.
Und eines jeden Empfindung sollte
erst
auf
den Ausspruch eines Malers warten? — Ins Kloster mit
dem,
der es von uns lernen will,
was schön ist!
Aber
das muß ich Ihnen doch als Maler sagen, mein Prinz:
eine von den größten Glückseligkeiten meines Lebens ist es, daß
Emilia
Galotti
mir
gesessen.
Dieser
Kopf,
dieses
Antlitz, diese Stirne, diese Augen, diese Nase, dieser Mund,
dieses Kinn, dieser Hals, diese Brust, dieser Wuchs, dieser ganze Bau,
sind von der Zeit an mein einziges Studium
der weiblichen Schönheit. — Die Schilderei selbst, wovor sie
gesessen, hat ihr abwesender Vater bekommen. Aber diese Copie — Der Prinz (der sich schnell gegen ihn kehrt).
Nun, Contf?
ist doch nicht schon versagt?
Conti. Ist für Sie, Prinz, wenn Sie Geschmack daran finden.
Der Prinz.
Geschmack! — (Lächelnd.) Dieses Ihr Stu
dium der weiblichen Schönheit, Conti, wie könnt' ich bester
thun, als es auch zu dem meinigen zu machen? — Dort,
jenes Portrait nehmen Sie nur wieder mit; — einen Rah men darum zu bestellen.
9
Auftritt 6.
Conti.
Wohl!
Der Prinz. nur machen kann.
So schön, so reich, als ihn der Schnitzer Es soll in der Galerie aufgestellt wer
— Aber dieses — bleibt hier.
den.
Mit einem Studio
macht man so viel Umstände nicht; auch läßt man das nicht aufhängen, sondern hat es gern bei der Hand. — Ich danke Ihnen, Conti; ich danke Ihnen recht sehr. — Und wie ge sagt:
in meinem Gebiete soll
die Kunst nicht nach Brod
gehen; — bis ich selbst keines habe. — Schicken Sie, Conti,
zu meinem Schatzmeister und lasten Sie
auf Ihre Quit
tung für beide Portraits sich bezahlen, — was Sie wollen.
So viel Sie wollen, Conti. Sollte ich doch nun bald fürchten, Prinz, daß
Conti.
Sie so noch etwas anders belohnen wollen, als die Kunst.
Dcr prinz. O des eifersüchtigen Künstlers! Nicht doch! — Hören Sie, Conti, so viel Sie wollen.
(Conti geht ab.)
Fünfter Austritt. Der Prinz.
So viel er will! — (Gegen das Bild.)
Dich hab' ich für
jeden Preis noch zu wohlfeil. — Ah!
schönes Werk der
Kunst, ist es wahr, daß ich dich besitze? — Wer dich auch besäße, schöneres Meisterstück der Natur! — Was Sie dafür
wollen, ehrliche Mutter! Fordre nur! Zauberin,
Was du willst, alter Murrkopf!
Fordert nur! — Am liebsten kauft' ich dich,
von dir selbst! — Dieses Auge,
und Bescheidenheit!
voll Liebreiz
Dieser Mund! — und wenn er sich
zum Reden öffnet! wenn er lächelt!
Dieser Mund! — Ich
höre kommen. — Noch bin ich mit dir zu neidisch.
(Indem
9
Auftritt 6.
Conti.
Wohl!
Der Prinz. nur machen kann.
So schön, so reich, als ihn der Schnitzer Es soll in der Galerie aufgestellt wer
— Aber dieses — bleibt hier.
den.
Mit einem Studio
macht man so viel Umstände nicht; auch läßt man das nicht aufhängen, sondern hat es gern bei der Hand. — Ich danke Ihnen, Conti; ich danke Ihnen recht sehr. — Und wie ge sagt:
in meinem Gebiete soll
die Kunst nicht nach Brod
gehen; — bis ich selbst keines habe. — Schicken Sie, Conti,
zu meinem Schatzmeister und lasten Sie
auf Ihre Quit
tung für beide Portraits sich bezahlen, — was Sie wollen.
So viel Sie wollen, Conti. Sollte ich doch nun bald fürchten, Prinz, daß
Conti.
Sie so noch etwas anders belohnen wollen, als die Kunst.
Dcr prinz. O des eifersüchtigen Künstlers! Nicht doch! — Hören Sie, Conti, so viel Sie wollen.
(Conti geht ab.)
Fünfter Austritt. Der Prinz.
So viel er will! — (Gegen das Bild.)
Dich hab' ich für
jeden Preis noch zu wohlfeil. — Ah!
schönes Werk der
Kunst, ist es wahr, daß ich dich besitze? — Wer dich auch besäße, schöneres Meisterstück der Natur! — Was Sie dafür
wollen, ehrliche Mutter! Fordre nur! Zauberin,
Was du willst, alter Murrkopf!
Fordert nur! — Am liebsten kauft' ich dich,
von dir selbst! — Dieses Auge,
und Bescheidenheit!
voll Liebreiz
Dieser Mund! — und wenn er sich
zum Reden öffnet! wenn er lächelt!
Dieser Mund! — Ich
höre kommen. — Noch bin ich mit dir zu neidisch.
(Indem
10
Aufzug 1.
Es
er das Bild gegen die Wand dreht.)
Hätt' ich
ihn
doch
nicht
rufen
wird MaNNklli
lassen!
seyn.
für einen
Was
Morgen könnt' ich haben!
Lrchster Auftritt. Marinelli.
Marinelli.
Der Prinz.
Gnädiger Herr,
Sie werden verzeihen.
— Ich war mir eines so frühen Befehls nicht gewärtig.
Ich bekam Lust, auszufahren. Der Morgen
Oer Prinz.
war so schön. — Aber nun ist er ja wohl verstrichen, und
die Lust ist mir vergangen. —
(Nach einem kurzen Stillschweigen.)
Was haben wir Neues, Marinelli? Marinelli.
Nichts von Belang, das ich wüßte —
Die Gräfin Orsina ist gestern zur Stadt gekommen.
Hier liegt auch schon ihr guter Morgen.
Der Prinz.
Oder
was
es
Ich bin gar nicht neugierig darauf.
—
(Auf ihren Brief zeigend.)
sonst
seyn
mag!
Sie haben sie ge
sprochen? Bin ich leider nicht ihr Vertrauter? —
Marinelli.
Aber es
wenn ich
einkommt,
es wieder von
Sie in
gutem
einer Dame
Ernste
zu
werde,
lieben,
der
Prinz:
so----------
Der Prinz.
Nichts verschworen, Marinelli!
Marinelli.
Ja?
In der That,
Prinz?
Könnt' es
doch kommen? — O! so mag die Gräfin auch so Unrecht
nicht haben. Der Prinz.
Allerdings, sehr Unrecht! — Meine nahe
Vermählung mit der Prinzessin von Massa will durchaus,
daß ich alle dergleichen Händel fürs erste abbreche.
10
Aufzug 1.
Es
er das Bild gegen die Wand dreht.)
Hätt' ich
ihn
doch
nicht
rufen
wird MaNNklli
lassen!
seyn.
für einen
Was
Morgen könnt' ich haben!
Lrchster Auftritt. Marinelli.
Marinelli.
Der Prinz.
Gnädiger Herr,
Sie werden verzeihen.
— Ich war mir eines so frühen Befehls nicht gewärtig.
Ich bekam Lust, auszufahren. Der Morgen
Oer Prinz.
war so schön. — Aber nun ist er ja wohl verstrichen, und
die Lust ist mir vergangen. —
(Nach einem kurzen Stillschweigen.)
Was haben wir Neues, Marinelli? Marinelli.
Nichts von Belang, das ich wüßte —
Die Gräfin Orsina ist gestern zur Stadt gekommen.
Hier liegt auch schon ihr guter Morgen.
Der Prinz.
Oder
was
es
Ich bin gar nicht neugierig darauf.
—
(Auf ihren Brief zeigend.)
sonst
seyn
mag!
Sie haben sie ge
sprochen? Bin ich leider nicht ihr Vertrauter? —
Marinelli.
Aber es
wenn ich
einkommt,
es wieder von
Sie in
gutem
einer Dame
Ernste
zu
werde,
lieben,
der
Prinz:
so----------
Der Prinz.
Nichts verschworen, Marinelli!
Marinelli.
Ja?
In der That,
Prinz?
Könnt' es
doch kommen? — O! so mag die Gräfin auch so Unrecht
nicht haben. Der Prinz.
Allerdings, sehr Unrecht! — Meine nahe
Vermählung mit der Prinzessin von Massa will durchaus,
daß ich alle dergleichen Händel fürs erste abbreche.
11
Auftritt 6.
Marinelli. Wenn es nur das wäre: so müßte freilich
Orsina sich in ihr Schicksal eben so wohl zu finden wissen, als der Prinz in seines. Oer
Das
Prinz.
harter
unstreitig
ist,
als
ihres.
Mein Herz wird das Opfer eines elenden Staatsinteresie.
Ihres darf sie nur zurücknehmen,
aber nicht wider Willen
verschenken.
Marinelli.
Warum zurücknehmen?
Zurücknehmen?
fragt die Gräfin: wenn es weiter nichts als eine Gemahlin die dem Prinzen nicht die Liebe,
ist,
sondern die Politik
Neben so einer Gemahlin sieht die Geliebte noch
zuführt?
immer ihren Platz.
Nicht so
einer Gemahlin
fürchtet sie
aufgeopfert zu seyn, sondern----------
Der Prinz.
Einer neuen Geliebten. — Nun denn?
Wollten Sie mir daraus ein Verbrechen machen, Marinelli?
Marinelli. Ich? — O! vermengen Sie mich ja nicht,
mein Prinz, mit der Närrin,
deren Wort ich führe, —
aus Mitleid führe.
Denn gestern,
sonderbar gerührt.
Sie wollte von ihrer Angelegenheit mit
Ihnen gar nicht sprechen.
hat sie mich
wahrlich,
Sie wollte sich ganz gelasien und
Aber mitten in dem gleichgültigsten Gespräche
kalt stellen.
entfuhr ihr eine Wendung, eine Beziehung über, die andere,
die ihr gefoltertes Herz verrieth. sagte
sie
die
Mit dem lustigsten Wesen
melancholischsten Dinge,
und
wiederum die
lächerlichsten Poffen mit der allertraurigsten Miene.
zu den Büchern ihre Zuflucht genommen, und
Sie hat
ich fürchte,
die werden ihr den Rest geben.
Der Prinz.
So wie sie ihrem armen Verstände auch
den ersten Stoß gegeben.
—
Aber was mich vornehmlich
mit von ihr entfernt hat, das wollen Sie doch nicht brauchen, Marinelli,
mich wieder zu ihr zurückzubringen? — Wenn
12 sie aus Liebe närrisch wird,
Auszug 1.
so wäre sie es früher oder
später auch ohne Liebe geworden — Und nun genug von
ihr. — Von etwas anderm! — Geht denn gar nichts vor in der Stadt?
So gut,
Marinelli.
wie gar nichts. — Denn daß
die Verbindung des Grafen Appiani heute vollzogen wird, — ist nicht viel mehr als gar nichts.
Des
Oer Prinz.
Grafen
Appiani?
denn? — Ich soll ja noch hören,
wem
Die Sache ist sehr geheim gehalten wor
Marinelli. den.
mit
und
daß er versprochen ist.
Auch war nicht viel Aufhebens davon zu machen. —
Sie werden lachen, Prinz. — Aber so geht es den Empfind samen! Die Liebe spielt ihnen immer die schlimmsten Streiche.
Ein Mädchen ohne Vermögen und ohne Rang hat ihn in ihre Schlingen zu ziehen gewußt, — mit ein wenig Larve: aber mit vielem Prunk von Tugend und Gefühl und Witz,
und was weiß ich?
Der Prinz. und
Schönheit
Wer auf
sich
ihn
den Eindrücken,
machen,
ohne
so ganz überlasten darf; — ich dächte,
beneiden,
als
zu
die Unschuld
weitere
Rücksicht
der wär' eher zu
belachen. — Und wie heißt denn die
Glückliche? — Denn bei alle dem ist Appiani — ich weiß wohl, daß Sie, Marinelli, ihn nicht leiden können,
eben
so wenig als er Sie — bei alledem ist er doch ein sehr
würdiger junger Mann,
Mann,
ein schöner
ein Mann voller Ehre.
ihn mir verbinden zu können. Marinelli.
Mann,
ein
reicher
Ich hätte sehr gewünscht,
Ich werde noch darauf denken.
Wenn es nicht zu spät ist. — Denn so
viel ich höre, ist sein Plan gar nicht, bei Hofe sein Glück zu machen. — Er will mit seiner Gebieterin nach
seinen
Thälern von Piemont: — Gemsen zu jagen auf den Alpen
13
Auftritt 6.
und Murmelthiere abzurichten. — Was kann er besseres
thun? Hier ist es durch das Mißbündniß, welches er trifft, mit ihm doch aus.
Der Zirkel der ersten Häuser ist ihm
von nun an verschloffen — Oer Prinz.
Mit euern ersten Häusern! — in welchen
das Ceremoniel, der Zwang, die Langeweile, und nicht
selten die Dürftigkeit herrscht. — Aber so nennen Sie mir
sie doch, der er dieses so große Opfer bringt.
Marinelli.
Es ist eine gewisse Emilia Galotti.
Oer Prinz.
Wie, Marinelli? Eine gewisse —
Marinelli.
Emilia Galotti.
Der Prinz.
Emilia Galotti? — Nimmermehr!
Marinelli.
Zuverlässig, gnädiger Herr.
Der Prinz.
Nein, sag' ich, das ist nicht, das kann
nicht seyn. — Sie irren sich in dem Namen. — Das Ge schlecht der Galotti ist groß. — Eine Galotti kann es seyn;
aber nicht Emilia Galotti; nicht Emilia! Marinelli.
Der Prinz.
Emilia — Emilia Galotti! So giebt es noch eine, die beide Namen
führt. — Sie sagten ohnedem, eine gewisse Emilia Galotti —
eine gewisse. Von der rechten könnte nur ein Narr so sprechen — Marinelli.
Sie sind außer sich, gnädiger Herr. —
Kennen Sie denn diese Emilia?
Der Prinz.
Ich habe zu fragen, Marinelli; nicht Er.
— Emilia Galotti? Die Tochter des Obersten Galotti, bei
Sabionetta? Marinelli. Ser Prinz.
Eben die. Die hier zu Guastalla mit ihrer Mutter
wohnt? Marinelli. Der Prinz.
Eben die. Ohnfern der Kirche Aller-Heiligen?
14
Auszug I.
Marinelli.
Eben die.
Der Prinz.
Mit einem Worte — (indem er nach dem
Portrait springt und es dem Marinelli in die Hand giebt). —
Da!
— Diese? Diese Emilia Galotti? — Sprich dein verdamm
tes „Eben die" noch einmal, und stoß mir den Dolch ins
Herz! Marinelli. Ser Prinz.
Eben die.
Henker! — Diese? — Diese Emilia Ga
lotti wird heute---------Marinelli.
Gräfin Appiani!
(Hier reißt der Prinz dem
Marinelli das Bild wieder aus der Hand und wirft es bei Seite.)
Die Trauung geschieht in der Stille,
des Vaters bei Sabionetta. und Tochter,
auf dem Landgute
Gegen Mittag fahren Mutter
der Graf und vielleicht ein paar Freunde
dahin ab. Ser Prinz
(der sich voll Verzweiflung in einen Stuhl wirft)
So bin ich verloren! — So will ich nicht leben!
Marinelli.
Aber was ist Ihnen, gnädiger Herr?
Ser Prinz (der gegen ihn wieder auffpringt). Verräther! — was mir ist? — Nun ja, ich liebe sie; ich bete sie an.
Mögt ihr es doch wissen! mögt ihr es doch längst gewußt haben, alle ihr, denen ich der tollen Orsina schimpfliche Fesseln lieber ewig tragen sollte! —Nur daß Sie, Marinelli, der
Sie so oft mich Ihrer innigsten Freundschaft versicherten — O, ein Fürst hat keinen Freund! kann keinen Freund haben!
— daß Sie, Sie, so treulos, so hämisch mir bis auf
diesen Augenblick die Gefahr verhehlen dürfen,
die meiner
Liebe drohte: wenn ich Ihnen jemals das vergebe, — so
werde mir meiner Sünden keine vergeben! Marinelli.
Ich weiß kaum Worte zu finden, Prinz,
— wenn Sie mich auch dazu kommen ließen — Ihnen
15
Auftritt 6.
mein Erstaunen zu bezeigen.
lotti?
—
Schwur
denn
Sie lieben Emilia Ga-
—
gegen Schwur:
Wenn
ich
von
dieser Liebe das geringste gewußt, das geringste vermuthet habe: so möge weder Engel noch Heiliger von mir wissen!
— Eben das wollt' ich in die Seele der Orsina schwören. Ihr Verdacht schweift auf einer ganz andern Fährte. Oer Prinz.
So verzeihen
Sie mir, Marinelli; —
(indem er sich ihm in die Arme wirft) UNd bedauern Sie mich.
Marinelli.
Nun da, Prinz!
Erkennen Sie da die
Frucht Ihrer Zurückhaltung! — „Fürsten
haben
keinen
Freund! können keinen Freund haben!" — Und die Ursache,
wenn dem so ist? — Weil sie keinen haben wollen. — Heute
beehren sie uns mit ihrem Vertrauen, theilen uns ihre ge
heimsten Wünsche mit, schließen uns ihre ganze Seele auf; und morgen sind wir ihnen wieder so fremd, als hätten sie nie ein Wort mit uns gewechselt. Der Prinz.
Ah!
Marinelli,
wie
konnt', ich Ihnen
vertrauen, was ich mir selbst kaum gestehen wollte.
Marinelli. Und also noch weniger der Urheberin Ihrer
Qual gestanden haben? Oer Prinz.
Ihr? — Alle meine Mühe ist vergebens
gewesen, sie ein zweitesmal zu sprechen. —
Marinelli.
Und das erstemal —
Ser Prinz.
Sprach ich sie — O, ich komme von
Sinnen!
Und ich soll Ihnen noch lange erzählen? — Sie
sehen mich ein Raub der Wellen:
was fragen Sie viel,
wie ich es geworden? Retten Sie mich, wenn Sie können, und fragen Sie dann. Marinelli.
Retten? ist da viel zu retten? — Was
Sie versäumt haben,
gnädiger Herr, der Emilia Galotti
zu bekennen, das bekennen Sie nun der Gräfin Appiani.
16 Waaren,
Auszug 1.
die man aus der ersten Hand nicht haben kann,
kauft man aus der zweiten, — und solche Waaren nicht
selten aus der zweiten um so wohlfeiler. Der Prinz.
Ernsthaft, Marinelli, ernsthaft, oder —
MarineUi.
Freilich, auch um so viel schlechter---------
Der Prinz.
Sie werden unverschämt!
Marinelli.
Und dazu will der Graf damit aus dem
Lande. — Ja, so müßte man auf etwas anders denken. —
Der Prinz.
Und auf was? — Liebster, bester Ma
rinelli , denken Sie für mich.
Was würden Sie thun, wenn
Sie an meiner Stelle wären? Marinelli.
Vor allen Dingen eine Kleinigkeit als daß ich nicht
eine Kleinigkeit ansehen — und mir sagen, vergebens seyn wolle, was ich bin — Herr! Der Prinz.
Schmeicheln Sie mir nicht mit einer Ge
walt, von der ich hier keinen Gebrauch absehe. — Heute,
sagen Sie? schon heute? Marinelli.
Erst heute — soll es geschehen.
nur geschehenen Dingen ist nicht zu rathen. — (Nach kurzen Ueberlegung.)
Und einer
Wollen Sie mir freie Hand lasten, Prinz?
Wollen Sie alles genehmigen, was ich thue?
Der Prinz.
Alles, Marinelli, alles, was diesen Streich
abwenden kann. Marinelli.
So lasten Sie uns keine Zeit verlieren.
— Aber bleiben Sie nicht in der Stadt. gleich nach Ihrem Lustschloste, nach Dosalo. Sabionetta geht da vorbei.
Fahren Sie so
Der Weg nach
Wenn es mir nicht gelingt,
den Grafen augenblicklich zu entfernen, so denk' ich--------Doch, doch; ich glaube, er geht in diese Falle gewiß. Sie
wollen ja, Prinz, wegen Ihrer Vermählung einen Gesand ten nach Maffa schicken?
Lasten Sie den Grafen dieser
17
Auftritt 7.
Gesandte seyn; mit dem Beding, daß er noch heute abreist. — Verstehen Sie?
Der Prinz. Vortrefflich! — Bringen Sie ihn zu mir Gehen Sie, eilen Sie.
heraus.
Ich werfe mich sogleich
in den Wagen.
(Marinelli geht ab.)
Siebenter Auftritt. Der Prinz. Sogleich! sogleich! — Wo blieb es? — (Sich nach dem Portrait umsehend.)
Auf der Erde? das war zu arg!
(Indem er