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German Pages 922 [924] Year 2004
Gotthold Ephraim Lessing Werke in Einzelausgaben Herausgegeben von Winfried Woesler
Emilia Galotti
Max Niemeyer Verlag Tübingen ARCHIVEXEMPLAR Erscheinungsdatum Archivnummer
Gotthold Ephraim Lessing
Emilia Galotti Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen
Historisch-kritische Ausgabe Von Elke Monika Bauer
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2004
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT
Bibliogralische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliogralische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-10848-7 © Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2004 http://www.niemeyer.cle Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach
Inhalt Vorwort
VII
Benutzungshinweise
XV
Abkürzungen, Siglen und diakritische Zeichen Danksagung
XXI XXVI
TEIL 1: TEXT E m i l i a Galotti, ein Trauerspiel in fünf Aufzügen
3
TEIL 2: APPARAT Textträger
81
Handschriften
81
Drucke
90
Autorisierte Drucke
92
Nichtautorisierte Nachdrucke
100
Übersetzungen
119
Bibliogenetischer Zusammenhang
124
Die Reinschrift H 1
124
Die Druckvorlage H 2
125
Die Druckvorlage H 2 und ihre Beziehung zum Erstdruck D 1
131
Satzinterne Varianten
150
Die Beziehung der Drucke D1, D 2 und D 3 zueinander Textgrundlage
152 153
Begründung
153
Textgestaltung
157
Eingriffe in die Textgrundlage (D1'1)
157
Textgestaltung einzelner Stellen
157
Quellen
165
Der antike Virginia-Stoff und seine Bearbeitungen
165
Lessings Bezüge zu früheren Bearbeitungen des Virginia-Stoffes
169
Emilia Galotti in der Tradition literarischer Hofkritik
174
Historische und geographische Hintergründe
177
Entstehungsgeschichte
181
Berlin, Leipzig und Hamburg
181
Wolfenbüttel
186
VI
Inhalt
Wirkungsgeschichte
195
Wirkungsabsicht Lessings
196
Publikum
201
Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften
206
Reaktionen auf den Druck des Stückes
210
Bühnengeschichte
242
Braunschweig
243
Berlin und Leipzig
251
Hamburg
261
Wien
267
Weimar
273
E m i l i a Galotti: Ein Trauerspiel geht auf Reisen
275
Variantenapparat
287 TEIL 3: DOKUMENTE
Briefdokumente
369
Veröffentlichte Dokumente . .
427 REGISTER
Verzeichnis zeitgenössischer Lesungen und Aufführungen Lesungen Aufführungen 1772 (A 1 - A 3 6 )
717 717 718 718
1773 (A 3 7 - A 57)
726
1774 (A 5 8 - A 76)
730
1775 ( A 7 7 - A 8 7 )
733
1776 ( A 8 8 - A 1 1 9 )
735
1777 ( A 1 2 0 - A 1 4 4 )
742
1778 (A 145-A 179)
747
1779 ( A 1 8 0 - A 2 1 3 )
754
1780 ( A 2 1 4 - A 2 3 5 )
760
1781 ( A 2 3 6 - A 2 4 0 ) Verzeichnis der zeitgenössischen Dokumente
765 767
Verzeichnis der Briefdokumente
767
Verzeichnis der veröffentlichten Dokumente
779
Verzeichnis zeitgenössischer Personen
825
Literatur und Archivalien
871
Verzeichnis der Aufbewahrungsorte der verwendeten Theaterzettel
871
Verzeichnis der ausgewerteten Bearbeitungen des Virginia-Stoffes
872
Verzeichnis der ausgewerteten Dokumente
873
Literaturverzeichnis
889
Bildnachweise
897
Vorwort Über hundert Jahre sind seit der letzten historisch-kritischen Ausgabe von Gotthold Eph-
raim Lessings Trauerspiel Emilia Galotti vergangen. 1886 erschien das Stück im zweiten Band der dritten Auflage der Ausgabe Karl Lachmanns. Diese war von Franz Muncker
erneut durchgesehen und erweitert worden. Für die damalige Zeit war die Arbeit
Munckers, gemeinsam mit den Vorarbeiten Lachmanns, ein Meilenstein in der deutsch-
sprachigen Philologie. Die Lessingsche Lachmann/Muncker-Ausgabe (LLMA) bildet bis heute für viele Studien- und Leseausgaben die Textgrundlage. Nach über hundert Jahren
ist es aber an der Zeit, diesem für das deutschsprachige Theater so wichtigen Drama er-
neut Aufmerksamkeit zu schenken. Wer sich mit Editionen und speziell mit historisch-
kritischen Ausgaben noch nicht näher beschäftigt hat, findet dies möglicherweise über-
flüssig - schließlich scheint es >den Text< schon zu geben. Welche Gründe rechtfertigen also den Aufwand einer neuen historisch-kritischen Ausgabe?
Text ist eben nicht gleich Text. Die Methoden bei der Erstellung einer historisch-kriti-
schen Ausgabe und die Ansprüche an eine solche haben sich in den vergangenen hundert
Jahren gewandelt. Im Falle Emilia Galottis kam noch ein glücklicher Umstand hinzu: Mitte des 20. Jahrhunderts wurde im Mendelssohn-Nachlaß in Chicago die verloren ge-
glaubte Druckvorlage des Trauerspiels wiederentdeckt. Das Manuskript bietet wertvolle Einblicke in die Entstehung des Stücks und den Druckverlauf der ersten beiden Ausgaben
(s. TEXTTRÄGER: 125-152).
Lessing war zur Zeit der ersten Drucklegung der Emilia Galotti Bibliothekar in Wolfen-
büttel, das Stück wurde aber in Berlin gedruckt. Der Autor hatte für sich eine Reinschrift
erstellt und ließ dann von einem Schreiber ein Duplikat anfertigen. Diese Abschrift wurde
in mehreren Teilen nach Berlin geschickt. In Berlin wurde die erste Hälfte der Druckvorlage, die mit einer Sendung ankam, nochmals korrigiert. Der Berliner Korrektor war ver-
mutlich Lessings jüngerer Bruder Karl Lessing. Zahlreiche Varianten zwischen der Rein-
schrift und dem Erstdruck gehen auf die Änderungen Karl Lessings in der Druckvorlage zurück. Die Entstehung dieser Varianten war für Franz Muncker nicht einsehbar. Bisher ist
über diese so wichtige Handschrift nur ein kleiner Aufsatz von H. Stefan Schultz erschie-
nen, der 1949 in der Zeitschrift »Modern Philology« publiziert wurde. In der jetzt vorlie-
genden Ausgabe wird die Handschrift zum ersten Mal ausführlich beschrieben (Kapitel TEXTTRAGER) u n d a u s g e w e r t e t (Kapitel TEXTTRÄGER u n d VARIANTENAPPARAT).
Jeder Text hat seine Geschichte. Jeder Autor arbeitet anders, jedes Stück entsteht in
einem anderen Kontext. Lessing hatte sich mit dem Thema seines Trauerspiels etwa
15 Jahre auseinandergesetzt. Es gab, wie man aus Briefen weiß, mehrere Entwürfe und
verschiedene Konzeptionen für das Stück. Erhalten haben sich jedoch nur die Reinschrift,
die Druckvorlage und die Drucke. Doch welches Manuskript oder welcher Druck soll die
Vorwort Textgrundlage einer neuen Edition bilden? Präferiert man die Erstausgabe, weil jene Textfassung ediert werden soll, die beim zeitgenössischen Publikum die breiteste Wirkung hervorgerufen hat? Oder entscheidet man sich für die vielleicht vom Autor nochmals überarbeitete >Ausgabe letzter HandVermächtnis des Autors< zu edieren glaubt? Oder hält man sich lieber an die zweite Ausgabe, weil die erste der Zensur unterlag und erst die zweite den vom Autor gewollten Text bietet, oder soll man gar aus verschiedenen Handschriften und Drucken >den Text< konstruieren, der nach Ansicht des Editors vom Autor eigentlich intendiert war, den es aber aus den unterschiedlichsten Gründen so nie gab? Die Entscheidung hinsichtlich der Textgrundlage für diese Ausgabe fiel zu Gunsten der Erstausgabe E m i l i a Galottis. Damit ist der erste Unterschied zur LLMA bereits gegeben. Die LLMA hatte sich - wie damals üblich - für die >Ausgabe letzter Hand< (D3) entschieden. Die genaue Begründung zur jetzt erfolgten Wahl der Erstausgabe findet sich im Kapitel >Textgrundlageund< ein >nnd< steht, fällt die Antwort nicht schwer. Was macht man aber, wenn anstatt eines >und< ein >oder< steht, das genau an dieser Textstelle auch Sinn machen würde? Vielleicht hat der Autor die Variante bei der Korrektur der Aushängebogen bemerkt und fand sie besser, ließ die Änderung also absichtlich stehen. Vielleicht hat er die Abweichung aber auch schlichtweg übersehen. Eindeutig feststellen läßt sich dies in solchen Fälle meist nicht mehr. Mit Hilfe der Druckvorlage war es jetzt jedoch möglich, die zweifelhafte Entstehung mancher Varianten klar nachzuvollziehen. So kommt es häufiger vor, daß der Setzer sich in der Zeile geirrt hat, weil das gleiche Wort untereinander steht: Es findet sich im Druck dann anstatt eines anhörten, oder v i e l m e h r n i c h t a n h ö r ten, - wie es noch in der Druckvorlage heißt - nur noch das Wort a n h ö r t e n , wieder. Oder der Setzer ließ aus Versehen eine Wortwiederholung weg. In der Druckvorlage kann man noch ein doppeltes Nicht doch! N i c h t doch! lesen, im Druck aber lediglich ein einfaches Nicht doch!. Es gibt aber auch Varianten zwischen Lessings Reinschrift und der von ihr abgeschriebenen Druckvorlage. Übersah Lessing bei der Korrektur bestimmte Abweichungen, oder änderte er sie absichtlich nicht? Zum Beispiel steht in der Reinschrift genug, während der Schreiber in der Druckvorlage die damals ebenfalls geläufige Form g e n u n g verwendete. Diese Form wurde im Erstdruck übernommen. In den zwei weiteren autorisierten Drucken steht allerdings wiederum genug. Aus Briefen weiß man, daß Lessing nach Erhalt des Erstdruckes eine heute verschollene Liste mit Druckfehlern zusammentrug, die er seinem Bruder für einen neuen Druck zukommen ließ. Möglicherweise war dieses Wort darauf verzeichnet, denn in den Folgedrucken heißt es wieder genug. Egal wie klein und unbedeutend das Problem auch erscheint, der Editor muß eine Entscheidung treffen. Im Unterschied zur LLMA werden aber alle Abweichungen von der Textgrundlage an separater Stelle aufgeführt und, falls nötig, begründet (s. VARIANTENAPPARAT und TEXTGESTALTUNG). Zentrales Anliegen dieser Ausgabe ist, dem Benutzer einen zuverlässigen und lesbaren Text der E m i l i a Galotti zu bieten. Deswegen blieb Teil 1 allein dem edierten Text vorbe-
Vorwort
IX
halten. Orthographie und Interpunktion sind - im Gegensatz zu Studien- und Leseausgaben - nicht an die heutige Rechtschreibung angepaßt. Die Entscheidungen über Emendationen bzw. warum an bestimmten Textstellen auf eine Emendation verzichtet wurde, obwohl sie vertretbar gewesen wäre, sind im Kapitel >Textgestaltung< offengelegt. An dieser Stelle soll dem Benutzer der Ausgabe explizit Mut gemacht werden, den Variantenapparat zu nutzen. In ihm sind alle ermittelten Varianten der Handschriften sowie der autorisierten Drucke enthalten. Heutzutage gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, einen Apparat zu gestalten. Diese Ausgabe verfügt über einen genetischen Variantenapparat, der die Entwicklung einzelner Textstufen nachvollziehbar machen will. Neben dieser eher technischen Seite, die weiter unten in den >Benutzungshinweisen< genauer erläutert wird, bietet der Variantenapparat auch Anmerkungen zu den einzelnen Textstufen. Die Entstehung einzelner Varianten und die Gründe ihrer Entstehung kann anhand des Variantenapparats nachvollzogen werden. Neben der Arbeitsweise des Autors wird deutlich, welche anderen Personen zu Veränderungen des Textes beigetragen haben. Daß der Schlußsatz Emilia Galottis mit einem Fragezeichen endet (Ist es, z u m Unglücke so mancher, nicht genug, daß Fürsten Menschen sind: müssen sich auch noch Teufel in i h r e n F r e u n d verstellen?), ist gerade nicht dem Autor zu verdanken, sondern dem Setzer: Sowohl in der erhaltenen Reinschrift Lessings (s. Abb. 1) als auch in der Druckvorlage schließt das Stück mit einem Ausrufezeichen. Die Analyse der Druckvorlage schließt zahlreiche Wissenslücken hinsichtlich der Entstehung der Varianten. Nicht jede Variante konnte jedoch eindeutig einer Person zugeordnet werden. Mindestens drei, wenn nicht sogar vier Personen, waren an der Entstehung der Druckvorlage beteiligt. Erstens, der Schreiber des Manuskripts; zweitens. Lessing, der das Manuskript korrigierte; drittens, der Berliner Korrektor, vermutlich Karl Lessing, und viertens, eventuell noch eine nicht ermittelte Person - falls an den entsprechenden Stellen nicht doch Karl Lessing eingegriffen hat. Sicher ist nur, daß die fraglichen Änderungen in Berlin vorgenommen wurden und deshalb auf keinen Fall von Lessing stammen können. Die Zuordnung der verschiedenen Varianten in der Druckvorlage ist vor allem deshalb ein Problem, weil verschiedene Personen zum Teil die gleiche Tintenfarbe verwendet haben. Zum Beispiel benutzten sowohl Lessing bei seinen Korrekturen als auch der Schreiber der Druckvorlage braune Tinte. So kann es vorkommen, daß in der Reinschrift Lessings ein w e n n steht, der Schreiber der Druckvorlage sich aber verlesen und w a n n geschrieben hat. Das >e< wird schließlich in ein >a< korrigiert. Diese Korrektur kann der Schreiber selbst vollzogen haben, weil er sein Versehen entdeckt hat. Die Abweichung von der Reinschrift kann aber genau so gut erst Lessing bei der Korrektur der Druckvorlage aufgefallen sein. (Näheres zu diesem und ähnlichen Problemen findet sich im Kapitel TEXTTRÄGER.) Doch nicht nur für den Variantenapparat ist die wiedergefundene Druckvorlage ein Glücksfall, sondern auch für die Entschlüsselung des Druckverlaufs des Erstdrucks. Denn von den Bogenformen des Erstdrucks wurden zwei verschiedene Ausgaben hergestellt: Zum einen handelt es sich um eine Einzelausgabe (D11), zum anderen wurde der Druck mit veränderter Paginierung und entsprechend veränderter Bogensignatur (d.h. den Markierungen auf den Druckbogen für den Buchbinder) als drittes Stück dem Sammelband Trauerspiele (D1'2) beigebunden. Mit Hilfe der vom Setzer mit Rötelstift vorgenommenen
Vorwort
X
Markierungen der jeweiligen Druckbogen in der Druckvorlage und einer Druckanalyse
des Erstdrucks konnte der Druckverlauf rekonstruiert werden. So ist heute klar, in welcher
Reihenfolge die beiden Ausgaben gedruckt worden sind. Bei einer Druckanalyse werden
möglichst viele gleiche Exemplare eines Druckes miteinander verglichen, um Abweichun-
gen zu ermitteln. Das können einzelne Buchstaben (Pressvarianten) oder auch Wörter bzw. ganze Seiten (Kartons) sein.
Emilia Galotti ist nicht das erste Stück Lessings, an dem eine solche Druckanalyse vor-
genommen wurde. Martin Boghardt analysierte Mitte der 1970er Jahre die verschiedenen Drucke der M i n n a von Barnhelm. Dabei stellte sich ein völlig komplexer Druckverlauf
heraus. Ebenso wie bei der Emilia Galotti wurden bei der Minna zwei Ausgaben parallel
veröffentlicht: eine Einzelausgabe und eine Ausgabe, die in den Sammelband Lustspiele
eingebunden war. Bei der Minna stellte sich heraus, daß die ersten 22 Seiten der beiden
Ausgaben von zwei unterschiedlichen Drucksätzen stammen. Daraus konnte man schließen, daß der Verlag sich wohl erst während der Drucklegung der Lustspiele auch für die
Herausgabe einer Einzelausgabe entschieden hatte. Die Druckformen für die entsprechen-
den Seiten waren aber bereits aufgelöst worden und mußten deswegen für die Einzelaus-
gabe nochmals neu gesetzt werden. Die Folge war, daß es zu Abweichungen zwischen den beiden Ausgaben kam (s. BOGHARDT 1970). Da Lessing den Druck überwachte, kann
es sich bei den entstandenen Varianten sowohl um zufällige Lesefehler des Setzers als auch um gewollte Veränderungen durch den Autor handeln. Bei der Emilia hätte durchaus ein ähnlicher Befund zu Tage treten können, deswegen erschien eine Druckanalyse sinnvoll. Ganz so spektakulär wie bei der Minna waren die Ergebnisse letztlich nicht. Der
Druckverlauf und die Varianten, die D1"1 und D1'2 unterscheiden, konnten aber hinsichtlich
der im Band 22.2 der LLMA angegebenen Unterscheidungsmerkmale präzisiert und korrigiert werden (s. das Kapitel TEXTTRÄGER, in ihm finden sich - neben der Beschreibung aller
zeitgenössischen Textträger - im Unterkapitel >Bibliogenetischer Zusammenhang< die Ergebnisse der Analyse der Handschriften und autorisierten Drucke).
Neben diesen Kapiteln, die eher die »technische« Seite der Entstehung Emilia Galottis
betreffen, gibt diese Ausgabe aber auch einen Einblick in die Entstehung und zeitgenössi-
sche Wirkung des Stückes. Dieser »Einblick« gliedert sich in zwei große Bereiche: Erstens,
in den Bereich >Quellen-Entstehung-WirkungQuellen-Entstehung-Wirkung< ist in die genannten drei Kapitel gegliedert.
Die Quellen stellen dabei das größte Problem dar. Lessing selbst äußerte sich nur sehr
spärlich zu seinen literarischen und historischen Vorlagen. Er wollte eine von allem Staats-
interesse befreite Bearbeitung des römischen Virginia-Stoffes bieten. Man weiß, daß Les-
sing sich mit verschiedenen Virginia-Bearbeitungen befaßt hat. Von einigen ist gesichert,
daß Lessing sie kannte, bei anderen läßt es sich nur vermuten. Vieles ist in diesem Bereich Spekulation und bleibt der individuellen Interpretation vorbehalten. Trotzdem wird hier
auf das Thema der literarischen Quellen in entsprechend begrenztem Umfang eingegan-
gen. Des weiteren sind die Bezüge Emilia Galottis zur Gattung der hofkritischen Literatur ein Thema, denn daß Lessing ein streitbarer Geist war und dem Hof kritisch gegenüber
stand, ist schließlich kein Geheimnis. Lessing war ein aufmerksamer Beobachter seiner
Zeit, er beschäftigte sich mit der Vergangenheit und der Gegenwart. Deswegen lag es
Vorwort
XI
nahe, nach historischen Personen zu fahnden, die als Vorbild für die Personen des Stücks gedient haben könnten. Immerhin gehören die in Emilia Galotti vorkommenden Namen zu den vornehmsten Familien, die in Italien zwischen der Renaissance und dem 18. Jahrhundert gelebt haben. Selbst für die Nebenfigur des Malers Conti findet sich ein Zeitgenosse Lessings, der Wiener Maler und Kupferstecher Karl Conti (1740-1795). Ob dieser Lessing bekannt war, ist allerdings völlig ungewiß. Themen des Kapitels >Entstehungsgeschichte< sind die verschiedenen Entstehungsphasen Emilia Galottis, einschließlich der Drucklegung: Beginnend mit der ersten für uns heute noch greifbaren Auseinandersetzung Lessings mit dem Virginia-Stoff 1754 in der Theatralischen Bibliothek, über die erste Erwähnung des Namens Emilia Galotti in einem Brief vom Januar 1758, des weiteren die geplante dreiaktige Bühnenfassung während seiner Hamburger Zeit am Nationaltheater Ende der 1760er Jahre bis zur endgültigen Ausarbeitung des nun fünf Akte umfassenden Trauerspiels im Herbst, Winter und Frühjahr 1771/1772 in Wolfenbüttel. Die Drucklegung und Veröffentlichung des Erstdrucks in seinen zwei Ausgaben (D 1 ' 1 und D 1 ' 2 ) aus Sicht der Briefdokumente sind genauso Thema wie das Erscheinen des zweiten Drucks (D 2 ) und das Datierungsproblem der dritten Einzelausgabe (D3). Dem Kapitel >Wirkungsgeschichte< ist in dieser Ausgabe breiter Raum gewidmet. Ein Anliegen war die Einordnung der Rezeptionszeugnisse. Deswegen gibt es zum Beispiel ein Linterkapitel über das Pressewesen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Schließlich macht es einen Unterschied, ob eine Rezension in der damals auflagenstarken und international vertriebenen Staats- und Gelehrten Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten publiziert worden ist oder in den eher regional verbreiteten Bayreuther Zeitungen. Ein Artikel im damals wichtigsten Rezensionsorgan, der von Friedrich Christoph Nicolai herausgegebenen Allgemeinen Deutschen Bibliothek, hatte ohne Zweifel eine größere Breitenwirkung als eine Besprechung in der in Lemgo erschienenen Auserlesenen Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, die sich als Konkurrenzunternehmen zu Nicolais >Bibliothek< sah. Wichtig für eine Einordnung der Rezeptionszeugnisse sind aber auch die Rezipienten selbst. Welches Publikum wurde von einem Stück wie Emilia Galotti angesprochen, und was weiß man über dieses Publikum? Das Buch erreichte fraglos einen wesentlich kleineren Personenkreis als das aufgeführte Stück. Des Lesens mächtig waren nur wenige, und Bücher waren zudem teuer. Das Theater war dagegen jedem zugänglich, und die Preise für die billigen Plätzen waren auch für die kleinen Leute erschwinglich. Betrachtet man sich aber die entsprechenden Aufführungskritiken, so ergibt sich ein verzerrtes Bild von der Zusammensetzung des Publikums: Die Kritiken wurden im Prinzip von dem Personenkreis verfaßt, dem das Lesepublikum angehörte. Über das »ungebildete Publikums dem die Buchversion verschlossen blieb, wurde in den Zeitungen und Journalen nur sehr herablassend berichtet. Häufig findet sich dieser Personenkreis lediglich in Anekdoten wieder oder in Wehklagen über den schlechten Publikumsgeschmack. Die einfachen Leute gingen ins Theater, um sich zu amüsieren. Dafür eigneten sich seichte und lustige Stücke eher als ein Trauerspiel wie Emilia Galotti, bei dessen Vorstellungen sich weite Teile der Zuschauer langweilten. Emilia Galotti war für viele Bühnen ein Prestigestück, ein Publikumsrenner war sie zumindest auf den kleineren Wanderbühnen meist nicht.
XII
Vorwort Im Kapitel >Wirkungsgeschichte< sind aber auch die wichtigsten Rezensionen bespro-
chen. Falls vorhanden, sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Kritiken aufgezeigt. Interessant ist, festzustellen, wer Lessing zugetan war und wer nicht. Als wichtiges Stück wurde E m i l i a Galotti fast immer gelobt, häufig kam jedoch ein >aber< hinterher. Lessing habe als bekannter Autor eine Vorbildfunktion und müsse deswegen besonders scharf beurteilt werden, war wiederholt Tenor der Kritiker. Die >Bühnengeschichte< ist in der Ausgabe zweigeteilt. Im gleichnamigen Kapitel werden die wichtigsten Aufführungen angeführt. Die Uraufführung am 13. März 1772 in Braunschweig, die Aufführungen in Berlin, Hamburg, Wien und Weimar. Die Aufnahme des Stücks in der Provinz wird mit Hilfe der Rezeptionszeugnisse ebenfalls skizziert. Daneben gibt es im Registerteil ein Aufführungsverzeichnis, in dem alle ermittelten Vorstellungen, die zu Lebzeiten Lessings stattfanden, chronologisch aufgelistet sind. Grundlage für dieses Verzeichnis war Ursula Schulz' »Lessing auf der Bühne. Chronik der Theateraufführungen 1748-1789«. Die bei Schulz aufgelisteten Vorstellungen E m i l i a Galottis konnten aber um eine Vielzahl vermehrt sowie einige Angaben präzisiert werden. Angegeben wurden - falls bekannt - das Datum, der Ort, die Schauspieltruppe, das Theater, das Begleitprogramm, die Rollenverteilung sowie Hinweise auf die Erwähnung der jeweiligen Aufführung in zeitgenössischen Briefen oder Rezensionen. Die einzelnen Kapitel des zweiten Teils sollen auch für sich alleine stehen können. Deshalb ließen sich inhaltliche Wiederholungen und Überschneidungen nicht ganz vermeiden. Quellen haben selbstverständlich etwas mit der Entstehung eines Stückes zu tun. Die Entstehungsgeschichte ist wiederum nicht unbedingt mit der ersten Veröffentlichung des Werks beendet. Neue veränderte Ausgaben folgen in einer Zeit, in der die öffentliche Rezeption eines Werkes längst eingesetzt hat. Der Bereich >Quellen-Entstehung-Wirkung< soll aber auch Lust machen, im Dokumentationsteil (Teil 3 der Ausgabe) zu stöbern. Denn nicht alles, was bemerkenswert ist, konnte in den genannten Kapiteln erwähnt werden. Der gesamte dritte Teil der Ausgabe besteht aus edierten Rezeptionszeugnissen des Zeitraumes 1757 bis 1781 (d.h. von der ersten Nennung der Vorarbeiten zur E m i l i a Galotti bis zum Sterbedatum Lessings, dem 15. Februar 1781). Die darin wiedergegebenen Dokumente umfassen in einem ersten Teil sowohl Briefe als auch andere Bemerkungen von Zeitgenossen zur E m i l i a Galotti, die aber nicht zeitnah veröffentlicht wurden. Der zweite und weitaus größere Teil bietet die im genannten Zeitraum publizierten Dokumente zur E m i l i a Galotti. In der Sammlung sind sehr lange und sehr kurze Dokumente aufgenommen. Die Auswahl folgt keinem bestimmten Kriterium. Was bei der Recherche gefunden wurde, ist ediert worden: Ein Grund für dieses Vorgehen ist, daß die Beurteilung schwer fällt, was für den späteren Nutzer der Dokumente wichtig sein könnte und was nicht. Der eine mag sich eher für die zeitgenössischen Interpretationen des Stücks interessieren, der andere Interessiert sich für Gedichte über Schauspielerinnen oder Bücheranzeigen. Angesichts der Vielzahl an Zeitungen, Zeitschriften, Theaterjournalen und Almanachen im ausgehenden 18. Jahrhundert, kombiniert mit dem Bekanntheitsgrad E m i l i a Galottis und ihres Verfassers, ist eine Vollständigkeit der Dokumente nicht zu erwarten. Gezeigt wird aber auf jeden Fall das Spektrum, in dem das Trauerspiel behandelt wurde: So gibt es Rezensionen zum Stück allgemein, Aufführungskritiken, Bücher- und Aufführungsanzeigen, Anekdo-
Vorwort
XIII
ten, Gedichte an Schauspielerinnen und Schauspieler in einer der Rollen Emilia Galottis, Prologe sowie Epiloge zu Aufführungen des Trauerspiels. Emilia Galotti wird häufig als Beispiel für ein gutes Theaterstück genannt: Es gibt zahlreiche Vergleiche zwischen Emilia Galotti und anderen Bühnenwerken. Lesslngs Stück findet aber auch in zeitgenössischen literarischen Werken Beachtung. Berühmte Beispiele sind Johann Wolfgang Goethes Die Leiden des jungen Werthers oder auch Traugott Benjamin Hases Gustav Alder-
mann. Den Grundstock der Rezeptionszeugnisse bildeten die einschlägigen Sammlungen Julius Brauns, Horst Steinmetz', Richard Daunichts und Hans Hennings. Weitere Hinweise boten die Arbeit Wulf Rüskamps, die Bibliographie »Theaterperiodika des 18. Jahrhunderts«, herausgegeben von Wolfgang F. Bender, Siegfried Bushuven und Michael Huesmann sowie die Sammlung von Rezeptionszeugnissen zu Lessing der Lessing-Akademie, Wolfenbüttel. Alle gefundenen Zitate wurden nochmals am Original überprüft. Darüber hinaus wurden zahlreiche Jahrgänge verschiedener Zeitungen und Zeitschriften nach neuen Funden durchsucht. Die Briefdokumente sind nach der jeweils zuverlässigsten Edition wiedergegeben. Verwiesen sei hier auch auf die im Herbst 2003 erscheinende umfangreiche Dokumentesammlung: Wolfgang Albrecht. Lessing im Spiegel zeitgenössischer Briefe. Ein kommentiertes Lese- und Studienwerk. 2 Bde. Kamenz 2003. Lessings Todestag als Stichtag für die Dokumentesammlung zu nehmen, ist rein pragmatischer Natur. Schließlich gab es 1781 noch manche Rezension, die aufzunehmen sich gelohnt hätte, z.B. Heinrich Wilhelm Seyfrieds 1781 erschienene Frankfurter Dramaturgie. Der in einem fiktiven Briefwechsel gehaltene Text bietet unter anderem lesenwerte Äußerungen zu einer Emilia-Galotti-Vorstellungen im Herbst 1780 in Frankfurt am Main. Darüber hinaus wurde Emilia Galotti zu Ehren Lessings nach dessen Tod des öfteren aufgeführt. Diese Aufführungen wurden in mehreren zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften besprochen. Ein umfangreicher Registerteil steht dem Nutzer am Ende der Ausgabe zur Verfügung. Das Verzeichnis der Briefdokumente« und das »Verzeichnis der veröffentlichten Dokumente« soll helfen, sich einen schnellen Überblick über die Dokumentesammlung zu verschaffen. In beiden Verzeichnissen wird neben Angaben wie Datum, Verfasser, Adressat (bei Briefen) etc. ein kurzer Hinweis auf den Inhalt des jeweiligen Dokuments sowie, falls vorhanden, auf Fortsetzungen und Bezüge zu anderen Dokumenten gegeben (s.a. BENUTZUNGSHINWEISE). Ein »Verzeichnis der ausgewerteten Dokumente« enthält bibliographische Informationen über die ausgewerteten Zeitungen, Zeitschriften und Einzelwerke sowie eine Standortangabe des jeweils verwendeten Exemplars. Das »Verzeichnis der ausgewerteten Bearbeitungen des Virginia-Stoffes« enthält die bibliographischen Angaben der Werke, die im Kapitel »Quellen« ausgewertet wurden. Des weiteren gibt es ein »Verzeichnis zeitgenössischer Personen«, das alle zeitgenössischen Personen, die in Teil 2 und 3 genannt werden, umfaßt. Bei einigen Personen waren die Lebensdaten nicht zu ermitteln. Manchmal gibt es zwischen den einzelnen Quellen auch beträchtliche Unterschiede in den Angaben. Vor allem trifft dies auf die Schauspielerinnen und Schauspieler zu. Häufig ist nur der Nachname bekannt und das Debütdatum. Personen, die nicht ermittelt werden konnten, wurden trotzdem aufgenommen und mit einem entsprechenden Hinweis versehen (s.a. BENUTZUNGSHINWEISE).
XIV
Vorwort
Diese historisch-kritische Ausgabe versteht sich als eine Art Grundlagenforschung zu Lessings Emilia Galotti. Sie möchte nicht interpretieren, sondern Material zur Interpretation zur Verfügung stellen. Selbstverständlich ist die Arbeit trotzdem an vielen Stellen subjektiv. Dazu waren zu viele Entscheidungen zu treffen. Jedoch bestand immer das Bemühen, diese Entscheidungen zu begründen. Auf einen Kommentar zum Stück wurde bewußt verzichtet. Er hätte zum einen den Rahmen der Arbeit gesprengt, zum anderen sollte die Kommentierung des Stückes lieber einer Studienausgabe vorbehalten bleiben.1 Kommentierenswert wären sicherlich die Dokumente gewesen. Wird in ihnen doch häufig auf Begebenheiten und Zusammenhänge angespielt, die dem heutigen Nutzer oftmals unbekannt sein dürften. So wird zum Beispiel ein nicht musikalisch Interessierter hinter dem Namen >Vauxhall< im Begleitprogramm zu einer Emilia-Galotti-Aufführung kaum ein Ballett oder Musikstück vermuten, das eigens für die Aufführungen im Londoner >Vauxhall Garden< komponiert worden ist. Trotz allem wurde versucht, an möglichst vielen Stellen Hilfeleistungen zu geben und Zusammenhänge aufzuzeigen. Letztlich erging es der Editorin nicht anders als Lessing selbst. Dieser ließ in der Vorrede zu seiner 1770 erschienenen Edition des Berengarius Turonensis den Leser wissen: Besonders merke ich nun wohl, daß es mir ergangen, wie es fast immer ergeht, wenn man von der Hand weg schreibt. Man wird zugleich zu kurz, und zu lang: man sagt zugleich zu viel, und zu wenig. (LLMA 11: 59)
1
Verwiesen sei an dieser Stelle auf die kurz nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienene, von Klaus Bohnen herausgegebene Studienausgabe »Gotthold Ephraim Lessing. Werke. 17701773«. Frankfurt am Main 2000 (= »Gotthold Ephraim Lessing. Werke und Briefe in zwölf Bänden«. Band 7. Herausgegben von Wilfried Barner, Frankfurt am Main 1988ff.). Die darin enthaltene Edition der Emilia Galotti basiert ebenfalls auf dem Erstdruck, ist aber wie bei Studienausgaben üblich in Orthographie und Interpunktion >vorsichtig< normalisiert. Diese Ausgabe enthält einen Stellenkommentar sowie eine literaturhistorische Einführung in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Stückes.
Benutzungshinweise Teil 1 Der edierte Text folgt in Orthographie und Interpunktion der Textgrundlage (D1'1; s. Kapitel TEXTGRUNDLAGE). Die Paginierung der Textgrundlage ist in spitzer Klammer am Textrand angegeben. Die genaue Stelle des Seitenumbruchs wird im Text durch einen senkrechten Strich (I) angezeigt. Die Regieanweisungen und Oberschriften wurden vereinheitlicht. Regieanweisungen beginnen immer in der der Wortart entsprechenden Groß-/Kleinschreibung und enden ohne Punkt. Die Abweichungen der Regieanweisungen zwischen ediertem Text und den autorisierten Textträgern finden sich im Variantenapparat. Interpunktionsabweichungen bei Aufzugs- und Auftrittsangaben zwischen den einzelnen Textträgern wurden nicht berücksichtigt (z.B. Erster Auftritt ] Erster Auftritt. H1). Interpunktionsvarianten nach Personenangaben bei den Rollenbezeichnungen (z.B. Conti. ] Conti D 1 ) zwischen Textgrundlage und ediertem Text stehen im Kapitel >Textgestaltung einzelner Stellend Sie wurden nur deswegen aufgenommen, weil sie zum Teil einen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Erstdrucks in seinen zwei Ausgaben geben. Bei den restlichen autorisierten Textträgern wurden diese Abweichungen nicht aufgenommen.
Teil 2 Kennzeichnung von Zitaten Quellenzitate und zeitgenössische Titelangaben sind in der Antiqua-Schrift Walbaum wiedergegeben. Unter Quellenzitaten werden alle Zitate von Zeitgenossen verstanden. Also auch Berichte von Zeitzeugen, die erst nach Lessings Tod entstanden sind, wie z. B. ein Bericht Christoph Friedrich Nicolais aus dem Jahr 1807 über eine 1773 stattgefundene Emilia-Galotti-Aufführung in Weimar oder Zitate aus der 1794 erschienenen Hamburgischen Theater-Geschichte des Schriftstellers Johann Friedrich Schütze. Zitate und Titelangaben aus späterer Sekundärliteratur, die nicht mehr von Zeitzeugen verfaßt wurde, sind mit Anführungszeichen gekennzeichnet und stehen in der Herausgeberschrift.
Textträger Die Benutzungshinweise für das Unterkapitel >Drucke< befinden sich auf den Seiten 90 bis 92. Die Nummern vor den angegebenen Bibliotheken sind die offiziellen Bibliothekssig-
XVI
Benutzungshinweise
len, die jede Bibliothek in Deutschland besitzt, z. B. (23) Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel. Die Beschreibung der Drucke basiert auf den jeweils kursiv hervorgehobenen Exemplaren.
Variantenapparat Lessing kürzte in den Manuskripten häufig und mit u. ab. Ebenso verwendete er oft die Geminationszeichen m und n für m m und nn. Alle drei Formen wurden stillschweigend, wenn nicht anders vermerkt, aufgelöst bzw. nicht als Variante berücksichtigt. Die Versalien >l< und >J«, die in Frakturbuchstaben nicht unterschieden werden, sind nach heutigem Gebrauch wiedergegeben. Im Textteil sind, wie oben erwähnt, die Regieanweisungen vereinheitlicht worden. Im Variantenapparat sind die Abweichungen zwischen den einzelnen Textträgern vermerkt. Zum Beispiel: (er ] (Er D 3 oder: geht) ] geht.) H 1 . Ist in einem Manuskript ein Wort nur durch Oberschreiben eines (oder mehrerer) Buchstaben und nicht durch Streichung geändert worden, ist dies durch die Buchstabengröße kenntlich gemacht. Wenn zum Beispiel aus einem dann durch Überschreiben des Buchstaben >a< ein denn wurde, dann steht im Apparat (1) dann (2) denn. Die nicht veränderten Buchstaben werden in Petit wiedergegeben. Die Aufschlüsselung der verwendeten diakritischen Zeichen und einzelnen Schreibersiglen finden sich im Kapitel >Abkürzungen, Siglen und diakritische Zeichen« unter Punkt IV und Punkt V.
Teil 3 Ausgewählt wurden Rezeptionszeugnisse zwischen Oktober 1757 (der ersten Erwähnung des Stückes) und dem 15. Februar 1781 (Sterbedatum Lessings). Die Dokumente sind aufgeteilt in, erstens, nicht zeitnah veröffentlichte, aber im angegebenen Zeitraum verfaßte Dokumente, den sogenannten >Briefdokumenten< (Briefe, Billette, Tagebucheintragungen) und, zweitens, in während des angegebenen Zeitraums veröffentlichte Dokumente« (Rezensionen, Aufführungskritiken, Erwähnung in anderen Stücken etc.). Die Dokumente sind chronologisch geordnet. Wenn das genaue Entstehungs- oder Veröffentlichungsdatum nicht bekannt ist, dann ist das Dokument jeweils am Ende des in Frage kommenden Zeitraumes eingeordnet. Hervorhebungen sind einheitlich kursiv dargestellt, egal wie in den verschiedenen zitierten Ausgaben die Hervorhebungen markiert sind. Es gibt zu beiden Gruppen im Registerteil ein Verzeichnis (s.u. BENUTZUNGSHINWEISE, Verzeichnis der Briefdokumente« und Verzeichnis der veröffentlichten Dokumente«).
Briefdokumente Die Briefe von und an Lessing sind - wenn nicht anders angegeben - nach der LLMA zitiert. Die anderen Dokumente sind, soweit vorhanden, nach historisch-kritischen Ausgaben wiedergegeben. War dies nicht möglich, dann wurde nach der jeweils besten zu-
XVII
Benutzungshinweise
gänglichen Ausgabe bzw. Edition der Briefpassage zitiert. Passagen, die in den Briefen in lateinischer Schrift und nicht in deutscher Schrift geschrieben sind, sind in der Schrift Egyptienne dargestellt. Unter dem edierten Dokument stehen eventuell vorhandene Anmerkungen zu dem Dokument sowie die Literaturangabe zur zitierten Ausgabe. In der runden Klammer wird der Umfang des gesamten Dokumentes in der zitierten Ausgabe angegeben. Sind im Dokument Personen nicht mit Namen, sondern mit Bezeichnungen wie >unser Freund< oder abgekürzt angegeben, wird in spitzer Klammer und in Herausgeberschrift der Name der Person in den edierten Text eingeblendet. Das Gleiche gilt für abgekürzte oder unvollständige Datumsangaben im edierten Dokument. Sind Abkürzungen im Text in der zitierten Ausgabe aufgelöst, geschieht das auch in dieser Ausgabe. Die Einfügungen werden aber einheitlich in spitzer kursiver Klammer und in Herausgeberschrift angegeben. Veröffentlichte Dokumente Die chronologische Ordnung gestaltete sich bei den veröffentlichten Dokumenten stellenweise als schwierig. So gibt zum Beispiel das Theater-Journal für Deutschland in seinem Vorwort zum ersten Band an, daß das Journal unregelmäßig erscheinen werde. Die nachfolgenden Bände sind denn auch nur teilweise datiert. Da das Journal aber viermal im Jahr erschienen ist, wurde bei der Einordnung der Dokumente jeder Band, aus pragmatischen Gesichtspunkten heraus, immer am Ende eines Jahresquartals eingeordnet. Almanache und Kalender sind - wenn nichts anderes bekannt ist - am Ende des Vorjahres eingeordnet (z.B. der Theater-Kalender auf das Jahr 1778 ist Ende 1777 eingeordnet, denn beim Theater-Kalender sind die Vorworte jeweils mit dem Dezember des Vorjahres datiert). Ist eine genaue Datierung aufgrund des Titelblattes o.a. nicht möglich, aber zum Beispiel eine datierte Rezension vorhanden, so ist das Dokument unmittelbar vor das Erscheinungsdatum der Rezension eingeordnet. Wurde ein Dokument mehrmals abgedruckt, findet man den vollständigen Text bei der Wiedergabe der ersten Veröffentlichung. Im Anschluß an das edierte Dokument sind die Varianten des oder der anderen Wiederabdrucke angebeben. Ist dies nicht der Fall, wird gesondert darauf hingewiesen. Handelt es sich nur um einen Ausschnitt aus einem längeren Text, dann ist in spitzer Klammer die Überschrift und der Gesamtumfang des Dokuments (falls dieser von der Seitenzahl des zitierten Textabschnitts abweicht) angegeben. Es gibt allerdings Ausnahmen, da von manchen Dokumenten nur die Kopie der Seite mit dem zitierten Ausschnitt vorlag, der Titel und der Gesamtumfang aber nicht ermittelt werden konnten. Seiten- und Zeilenverweise auf Teil 1 (Textband) sind in spitzer Klammer in Herausgeberschrift eingeblendet, wenn im Dokument die Zitate aus Emilia Galotti mit der Paginierung der Trauerspiele (D1,2) versehen sind. Ist in der Rezension die Paginierung des ersten Einzeldruckes vermerkt (also der Textgrundlage), kann man die Stelle im Textband leicht finden, denn dort ist die Paginierung von D1'1 angegeben (s.o. BENUTZUNGSHINWEISE ZU »Teil 1Teil 3< in »Teil 2< zitiert oder wird auf ein Dokument verwiesen, sieht die Angabe in »Teil 2< zum Beispiel so aus: (R 69,175, d.h. Rezension Nr. 69, Seite 175 (Seitenangabe des Originals, die im Dokument angegeben ist). Somit kann das Zitat im edierten Dokument in »Teil 3< schnell gefunden werden.
Register Verzeichnis zeitgenössischer Lesungen und Aufführungen Die Verzeichnisse der Lesungen und Aufführungen sind jeweils chronologisch geordnet. Ist anstatt des genauen Aufführungsdatums nur der Monat, das Jahr oder die Jahreszeit bekannt, dann ist die Aufführung jeweils am Ende des fraglichen Zeitraumes eingeordnet. Angegeben sind, falls ermittelt: Datum, Aufführungsort (Ortsnamen werden in der zeitgenössischen und deutschsprachigen Form angegeben), Theatergesellschaft, Aufführungsstätte, Begleitprogramm, Besetzung und Hinweise auf Dokumente in »Teil 3Teil 3< edierten Dokumente sind hier in zwei chronologisch geordneten Verzeichnissen aufgelistet (zur Chronologie der Dokumente s. BENUTZUNGSHINWEISE ZU >Teil 3Briefdokumente< (s. BRIEFDOKUMENTE in »Teil 3< und VERZEICHNIS DER BRIEFDOKUMENTE)
B 8*
Aus anderen Zeugnissen erschlossener, aber heute verschollener Brief
L 1, L 2 etc,
Siglen der E m i l i a - G a l o t t i - L e s u n g e n (s. VERZEICHNIS DER ZEITGENÖSSISCHEN LESUNGEN).
R 1, R 2 etc.
Siglen der veröffentlichten Dokumente (s. VERÖFFENTLICHTE DOKUMENTE in »Teil 3< u n d VERZEICHNIS DER VERÖFFENTLICHTEN DOKUMENTE)
TEXT/VARIANTEN: Verweis auf eine Stelle im Textband und Variantenapparat: Seite 1, Zeile 5 1,5 oder T/V: 1,5 Text^ 1,5
Verweis auf eine Stelle im Textband: Seite 1, Zeile 5
IV. Siglen der Textträger und Abkürzungen die Textträger betreffend H1
Sigle der von Lessing gefertigten Reinschrift Emilia Galottis (s. TEXTTRÄGER, >HandschriftenHandschriftenHandschriftenFrutiger< Textpassagen in Quellentexten, die in den Originaldrucken in Antiqua
Text, Text
gesetzt sind und in den Handschriften in lateinischer Schrift, werden in der Schrift E g y p t i e n n e dargestellt Hervorhebungen sind in den Quellentexten und im Herausgebertext
Text
durch die jeweilige Kursive gekennzeichnet. Ausnahme: Aufzugs-, Auftritts- und Personenangaben der Handschriften und Drucke der Emilia Galotti im edierten Text in Teil 1 und im Variantenapparat Normalerweise werden Hervorhebungen in einer bereits hervorgehobe-
(s. XY)
nen Stelle nicht gekennzeichnet (z.B. bei Überschriften), außer diese zweite Hervorhebung ist von Bedeutung. Dann wird sie durch eine gesperrte Kursive gekennzeichnet Ergänzungen und Hinweise der Editorin werden innerhalb von Zitaten
[...]
in spitze Klammern gesetzt Auslassungen durch die Editorin werden durch eckige Klammern kennt-
Text
lich gemacht
Unsichere Lesungen einzelner Buchstaben werden Im Variantenapparat
xx, x - x
durch Unterpunktierung kenntlich gemacht Kennzeichen für nicht entzifferbare Buchstaben bzw. Wörter im Varian-
(1)
tenapparat Ziffern in Klammern kennzeichnen im Variantenapparat verschiedene Textstufen einer Textstelle dann ] (1) denn H1 (2) dann H2
Text
Unveränderte Worte oder Buchstaben in unterschiedlichen Textstufen, aber innerhalb eines Textträgers werden im Variantenapparat in Petit wiedergegeben in meinem Gebiethe soll ] (1) in meinem soll
[Text]
(2) in meinem Gebiethe soll H1 Im Beispiel wurde in einer Änderungsstufe, innerhalb H1 Gebiethe ergänzt, in meinem soll aber nicht erneut hingeschrieben Texttilgung durch Streichung wird im Variantenapparat durch in Petit
A b k ü r z u n g e n , Siglen und diakritische Zeichen
XXV
gesetzte eckige Klammern gekennzeichnet. Die Tilgung wird immer eine Textstufe vorher angegeben, d.h. wenn (1) [ M a l e r ] (2) Z e i c h n e r steht, bedeutet dies, daß in Textstufe (2) die Textstufe (1) gestrichen wurde und die Änderung stattfand [-r- ] : 11 T e x t 11:
Kennzeichnung einer Texttilgung durch Rasur im Variantenapparat Kennzeichnung einer Texttilgung, die durch Unterpunktierung aufgehoben wurde
Sofortkorrektur
Korrektur fand vor der Niederschrift des nachfolgenden Textes statt
*Sofortkorrektur Korrektur fand möglicherweise vor der Niederschrift des nachfolgenden Textes statt 11
Zeilenwechsel innerhalb eines Wortes im Variantenapparat (wird nur angegeben, wenn der Zeilenwechsel für die Entstehung einer Variante von Relevanz ist)
|: |
Seitenwechsel innerhalb eines Wortes im Variantenapparat (wird nur angegeben, wenn der Seitenwechsel für die Entstehung einer Variante von Relevanz ist)
f
Zeichen für Schaft-s in der Handschrift (wird nur wiedergegeben, wenn das Schaft-s für die Variante von Relevanz ist). Beispielsweise macht es bei einer Worttrennung einen Unterschied, ob >s 11 s< oder >f 11 s< getrennt wird; das erstere ist die Trennung eines normalen >ssß
Last but not least< möchte ich mich besonders herzlich bei Herrn Dipl.-Kfm. Hans Thomas bedanken. Er war mir in der Zeit ohne Stipendium ein wunderbarer und einzigartiger Chef. Für die Drucklegung möchte ich mich beim Max Niemeyer Verlag bedanken, insbesondere bei Herrn Dr. Thomas Ehlen, der den Druck mit viel Geduld begleitet hat. Darüber hinaus soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Ausgabe in ihrer jetzigen Form ohne einen großzügigen Druckkostenzuschuß seitens des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort nicht möglich gewesen wäre. Auch dieser Institution gebührt mein Dank. Diese Arbeit wurde im Dezember 2000 am Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Berichterstatter waren Herr Prof. Dr. Bodo Plachta, Amsterdam und Herr Prof. Dr. Winfried Woesler, Osnabrück. Marburg, im Juni 2003
Teil I Text
Textgrundlage: Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Von Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, bey Christian Friedrich Voß, 1772. Exemplar: SUB Göttingen [8° Poet. Dram. III 2545 Rara]
Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen.
Personen
EMILIA GALOTTI. ODOARDO u n d
„
L
F
„
.
n
.
_
...
GALOTTI. Aeltern der Emilia.
CLAUDIA > 5 HETTORE GONZAGA. P r i n z v o n G u a s t a l l a .
MARINELLI. Kammerherr des Prinzen. CAMILLO ROTA. Einer von des Prinzen Rathen. CONTI. Maler. G R A F APPIANI. 10 GRÄFINN ORSINA.
ANGELO, und einige Bediente.
Erster Aufzug Die Scene, ein Kabinett des Prinzen.
Erster Auftritt DER PRINZ,
an einem Arbeitstische, voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft.
Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! — Die traurigen Geschaffte; und man beneidet uns noch! — Das glaub' ich; wenn wir edlen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden. — Emilia ? (indem er noch eine von den Bittschriften aufschlägt, und nach dem unterschriebenen
sieht) Eine Emilia ? — Aber eine Emilia Bruneschi — nicht Galotti. Nicht | Emilia Galotti! — Was will sie, diese Emilia Bruneschi ? (er lieset) Viel gefodert; sehr viel. — Doch sie heißt Emilia. Gewährt! (er unterschreibt und klingelt; worauf ein Kammerdiener hereintritt) Es ist wohl noch keiner von den Räthen in dem Vorzimmer? Namen
DER KAMMERDIENER.
Nein.
Ich habe zu früh Tag gemacht. — Der Morgen ist so schön. Ich will ausfahren. Marchese Marinelli soll mich begleiten. Laßt ihn rufen, (der Kammerdiener geht ab) — Ich kann doch nicht mehr arbeiten. — Ich war so ruhig, bild' ich mir ein, so ruhig — Auf einmal muß eine arme Bruneschi, Emilia heißen: — weg ist meine Ruhe, und alles! —
DER PRINZ.
(welcher wieder herein tritt) Nach dem Marchese ist geschickt. Und hier, ein Brief von der Gräfinn Orsina.
DER KAMMERD.
DER PRINZ.
Der Orsina? Legt ihn hin.
DER KAMMERD.
Ihr Läufer wartet.
Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf. — Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa? I
DER PRINZ.
DER KAMMERD.
Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
6
Erster Aufzug
Desto schlimmer — besser; wollt' ich sagen. So braucht der Läufer um so weniger zu warten, (der Kammerdiener geht ab) Meine theure Gräfinnl (bitter, indem er den Brief in die Hand nimmt) So gut, als gelesen I (und ihn wieder wegwirft) — Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann seyn, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber — ich habe!
DER PRINZ.
DER KAMMERD. (der nochmals herein tritt)
Der Maler Conti will die Gnade
haben — — Conti? Recht wohl; laßt ihn herein kommen. — Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen. — (steht auf)
DER PRINZ.
Zweyter Auftritt CONTI. DER PRINZ. DER PRINZ. CONTI.
Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?
Prinz, die Kunst geht nach Brodt. |
Das muß sie nicht; das soll sie nicht, — in meinem kleinen Gebiethe gewiß nicht. — Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen.
DER PRINZ.
(6)
Arbeiten ? Das ist seine Lust. Nur zu viel arbeiten müssen, kann ihn um den Namen Künstler bringen.
CONTI.
Ich meyne nicht vieles; sondern viel: ein Weniges; aber mit Fleiß. — Sie kommen doch nicht leer, Conti?
DER PRINZ.
Ich bringe das Porträt, welches Sie mir befohlen haben, gnädiger Herr. Und bringe noch eines, welches Sie mir nicht befohlen: aber weil es gesehen zu werden verdient —
CONTI.
DER PRINZ. CONTI.
Jenes ist? — Kann ich mich doch kaum erinnern —
Die Gräfinn Orsina.
DER PRINZ.
Wahr! — Der Auftrag ist nur ein wenig von lange her.
Unsere schönen Damen sind nicht edle Tage zum malen. Die Gräfinn hat, seit drey | Monathen, gerade Einmal sich entschließen können,
(Ein
Sratterfptel tn
fünf
Siufjügeit. S3on
Abb. 5: D3, Titelblatt. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4528
Textträger D2
99
Emilia Galotti, Einzelausgabe 1772 (s. Abb. 4) Emilia Galotti. | (Doppelstrich, dick-dünn) | Ein Trauerspiel | in | fünf Aufzügen. | Von | Gotthold Ephraim Lessing. | (Holzschnittvignette: Göttin in Wolken) | (Zierleiste) | Berlin | bey Christian Friedrich Voß, 1772. KOLLATION: 8°: A s - I 8 , K 4 = S. [1-3], 4-152 INHALT S. [1]: Titel, S. [2]: Personen. S. [3]-152: Text BOGENNORM: keine TYPE: Fraktur BIBLIOGRAPHIE: LLMA 22.2: 432f. (= 1772c); Seifert Nr. 425 ERSCHEINUNGSDATUM: [Juli] 1772 REZENSIONEN/ANKÜNDIGUNGEN: B 50, B 65, B 75, B 83; R 61 (?)
EXEMPLARE: (384) UB Augsburg (Fürstlich Oettingen-Wallerstein'sche Bibliothek): 021 111.8.2.1597, (37) SStB Stadt Augsburg: H 1343, (1) SB Berlin-PK: YR 1482 R [»Ex bibliotheca: Kar. Hartw. Georgii de Meusebach«]; Yr 1482/1 R [»Exlibris Ernst Magnus«], (11) BHU Berlin: Yq 18003 (vermißt), (5) ULB Bonn: Fa 698/13 Rara, (F25) BFDH Frankfurt a.M.: VI E 1112, (9) UB Greifswald: Bn 66, (3) ULB Halle: Dd 2888°/2, (18) SUB Hamburg: A/9954, (16) UB Heidelberg: G 5772-7, (8) UB Kiel: J 7552, (15) UB Leipzig: Lit. germ. 37571, (12) BSB München: Res/P. o. germ. 826x, (23) HAB Wolfenbüttel: Lo 4529 - ZB Zürich KstUB. Schweiz: XXV 566, ÖNB Wien. Österreich: 845.000-A.Th 222 D3
Emilia Galotti, Einzelausgabe 1772 (s. Abb. 5) Emilia Galotti. | (Doppelstrich, dick-dünn) | Ein Trauerspiel | in | fünf Aufzügen. | Von | Gotthold Ephraim Lessing. | (Holzschnittvignette: Kartusche) | (Zierleiste) | Berlin, | bey Christian Friedrich Voß, 1772. KOLLATION: 8°: A 8 - l 8 , K * = S. [1-3], 4-152 INHALT: S. [1]: Titel, S. [2]: Personen. S. [3]-152: Text BOGENNORM: keine TYPE: Fraktur BIBLIOGRAPHIE: LLMA 22.2: 432f. (= 1772d); Seifert Nr. 425 ERSCHEINUNGSDATUM: nicht ermittelt (nach LLMA 22.2: 432 vor 1778) REZENSIONEN/ANKÜNDIGUNGEN: keine ermittelt KOMMENTAR: Eine Mitwirkung Lessings läßt sich aufgrund der Varianten bei diesem Druck nicht nachweisen. Als Druckvorlage diente eindeutig ein Exemplar von D 2 . Ob D 3 wirklich als autorisiert anzusehen ist, bleibt fraglich. Das Erscheinungsdatum des
100
Apparat Druckes ist, trotz der verzeichneten Jahreszahl 1772, unbekannt (s. BIBLIOGENETISCHER ZUSAMMENHANG: 152). Hillen gibt in seinem Kommentar als Kennzeichen dieses Drukkes eine Abweichung im Personenverzeichnis an: Gräfinra Orsina (s. LGA 2: 700). Diese Angabe hat sich in keinem der untersuchten Exemplare bestätigt. Was nicht ausschließt, das es ein Exemplar mit dieser Schreibweise gibt. In den eingesehenen Exemplaren stand an dieser Stelle immer das fehlerhafte Gräfin Grsina EXEMPLARE: (1) SB Berlin-PK: Yr 1482/2 R. (11) BHU Berlin: Yq 18005 (vermißt), (14) LB Dresden: D. O. 221,124, (29) UB Erlangen-Nümberg: Sch. L. 555, (F25) BFDH Frankfurt a.M.: VI E 1113, (18) SUB Hamburg: A/16404, (23) HAB Wolfenbüttel: Lo 4528, (62) StB Wuppertal: 69 LI 58 - ÖNB Wien. Österreich: 627.467-A.Th; 5.978-A Nichtautorisierte Nachdrucke
d1
Emilia Galotti, Theater der Deutschen 1772 (s. Abb. 6 und 7) Theater | der | Deutschen. | (Titelkupfer) | Zwölfter Theil. | (Zierleiste) | Königsberg und Leipzig, | bey Johann Jacob Kanter, | 1772. KOLLATION: 8°: n1# A-2M 8 = s. [i-ii], [1 -3], 4-567 INHALT: S. [i]: Gesamttitel, S. [iij: vakat, S. [1J-567: Text, S. 568: Inhalt, S. [569-570]: vakat TEILINHALT A{ = S. [1]: Zwischentitel: I. | Emilia Galotti, | Ein | Trauerspiel | in fünf Aufzügen. Bogennorm: XII. Band. Bogensignatur: A A , = S. [2]: Personen., A ^ - H * = S. [ 3 ] - 1 2 6 : Text BOGENNORM: XII. B a n d .
TYPE: Fraktur BIBLIOGRAPHIE: L L M A 22.2: 435; Seifert Nr. 4 2 6
ERSCHEINUNGSDATUM: [wahrscheinlich Ostermesse Leipzig] 1772 (nach R82) REZENSIONEN/ANKÜNDIGUNGEN: R 8 2 , R 1 6 4 , R 2 4 5 , R 2 9 3
KOMMENTAR: Die Bände 1, 3, 5 und 6 der Reihe Theater der Deutschen (TDD, 17681783) erschienen in Berlin und Leipzig bei Johann Heinrich Rüdiger. Rüdiger war der Sohn von Lessings ehemaligem Verleger Johann Andreas Rüdiger und Schwager von Lessings späterem Verleger Christian Friedrich Voß. Rüdiger hatte seine Berliner Buchhandlung 1768 an den Königsberger Verleger Johann Jakob Kanter verkauft, bei dem die Bände 2, 4, 7-18 des TDD erschienen sind. Rüdiger verlegte bereits in den Jahren 1749-1752 den 4.-6. Teil von Rollins Römischer Historie in der Übersetzung Lessings. Damals hatte Rüdiger seinen Verlag noch in Danzig. In den von Rüdiger herausgegebenen Bänden des TDD erschienen von Lessing Philotas, Minna von Barnhelm (beide Bd. 5) und Der Freigeist (Bd. 6). Zumindest bei diesen Bänden stellt sich die Frage, ob die Stücke mit Wissen und Billigung Lessings in der Reihe erschie-
Textträger
Abb. 6: d 1 , Gesamttitelblatt. Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek: Y g 18545:F8
102
Apparat
I.
Annita ©oiotti, (Sin
Scauerfpiei in fünf Aufsögen»
XII. 33ant>.
H
Abb. 7: d', Zwischentitelblatt. Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek: Y g 18545:F8
Textträger
103
€müia@aiotft. 6 in Z i a n t x i p i el t n
fünf 5lufsuöem iß o n
®off()oit> FlatschenDruck< soll hierbei als Grundbegriff für die Gesamtheit aller A b z ü g e von einem Drucksatz definiert werden und >Ausgabe< als >Faktum der Veröffentlichung« eines durch den Druck in einer bestimmten Auflagenhöhe vervielfältigten Schriftwerkes (s. BOGHARDT 1977: 20, 37). Der Erstdruck der E m i l i a Galotti existiert als Einzelausgabe u n d ist gleichzeitig als drittes Stück dem Band Trauerspiele beigefügt. Diese Vorgehensweise ist durchaus nichts Ungewöhnliches für Drucke des 18. Jahrhunderts. Schließlich war das Herstellen der Druckformen aufwendig. Wie der Druckverlauf genau vonstatten ging und welche Unterschiede es trotzdem zwischen den beiden A u s g a b e n gibt, darum soll es nun gehen. In den meisten Lessing-Ausgaben wird der Sammelband Trauerspiele (D 1 ' 2 ) als Erstdruck bzw. Erstausgabe der E m i l i a G a l o t t i angegeben. Die Ursache dafür liegt wohl darin, daß die Studienausgaben meistens der dritten von Franz Muncker überarbeiteten Auflage der Ausgabe Karl Lachmanns folgen. Muncker schreibt: »Das Drama erschien zuerst gedruckt 1772 in den Trauerspielen, S. 2 4 1 - 3 9 4 (= 1772a (entspricht hier D 1 ' 2 )): in dem selben Jahre in einer Einzelausgabe (Berlin bei C. F. Voß; 152 Seiten 8°), deren 140 erste Seiten von dem gleichen Drucksatz wie die Gesamtausgabe g e n o m m e n sind (= 1772b (entspricht hier D 1 ' 1 » « (LLMA 2: 377). Gerd Hillen vertritt in den Erläuterungen zur Emilia G a l o t t i in der von Herbert G. Göpfert herausgegebenen Studienausgabe (LGA) die A n sicht: »Erstdruck in >Trauerspiele von Gotthold Ephraim LessingGöttin in Wolken< (hier: D 2 »« (HENNING 1981: 412). Diese beiden Ausgaben stellt er dann der Ausgabe »der >Trauerspiele< (1772)« (hier: D1'2) gegenüber, ohne weiter auf den drucktechnischen Befund einzugehen. Da weder Muncker noch Hillen noch Henning eine Definition von Druck und Ausgabe geben, ist es schwierig zu beurteilen, welche Meinung sie genau vertreten. Legt man die oben angegebenen Definitionen zu Grunde, dann ergeben sich folgende drei Ausagen: Munker geht von vier verschiedenen Ausgaben aus. Da die ersten beiden Ausgaben nach Muncker auf den ersten 140 Seiten druckidentisch sind, handelt es sich bei ihm insgesamt aber nur um drei Drucke. Hillen spricht von vier verschiedenen Drucken. Bei Henning ergeben die ersten beiden Einzelausgaben den Erstdruck, und daneben gibt es noch die Ausgabe der Trauerspiele. Alle drei Ausagen enthalten Fehler. Das ergab die Analyse der einzelnen Drucke bzw. Ausgaben sowie der Druckvorlage. Um die Ergebnisse der Analyse der Druckvorlage (H2) und des Erstdruckes (D1'1 und D ' ) verständlicher zu machen, soll an dieser Stelle kurz auf den Buchdruck im 18. Jahrhundert eingegegangen werden. Bücher wurden bogenweise gedruckt. Bei den Drucken der Emilia handelt es sich um ein Oktavformat, d.h., auf einen Papierbogen wurden 16 Seiten gedruckt - acht auf die Vorderseite und acht auf die Rückseite. Normalerweise wurden die Druckformen nach zwei bis drei Bogen wieder aufgelöst, weil die Buchstabenmenge der Druckerei begrenzt war. Pro Bogen benötigte man zwei Formen, die sogenannte Schöndruckform für die Seiten 1, 4, 5, 8, 9, 12, 13, 16 und die Widerdruckform für die Seiten 2, 3, 6, 7, 10, 11, 14, 15 (s. u. Schaubild). Das genau diese Seiten zur jeweiligen Druckform gehören, ergibt sich durch die spätere dreimalige Faltung des Bogens. Jeder Bogen erhielt eine Signatur, die Bogensignatur (A, B, C, etc.). War das Druckeralphabet einmal durch - es bestand nur aus 23 Buchstaben (J, V, W wurden nicht verwendet) - ging es mit >Aa, Bb, Cc< weiter. Bei Oktavformaten erhielt jeweils die Vorderseite der Blätter 1 bis 5 (also die Seiten 1, 3, 5, 7, 9) eine entsprechende Bogensignatur (z.B. A, A 2 , A3etc.). Diese Signaturen ermöglichten dem Buchbinder nachher, die richtige Reihenfolge der Bogen und Blätter einzuhalten. 12
Schematische Aufteilung eines in der Schöndruckform gedruckten Bogens im Oktavformat: 5 (A3)
12
9(A 5 )
8
4
13
16
1(A)
Textträger
133
Schematische Aufteilung eines in der Widerdruckform gedruckten Bogens im Oktavformat: 7 (A4)
10
11
6
2
15
14
3(A 2 )
Der Setzer markierte nach einem gesetzten Bogen mit Rötelstift die entsprechende Textstelle in der Druckvorlage. Wie er dabei vorging, ist in dem Orthotypographischen Handbuch Christian Gottlob Täubeis von 1785 nachzulesen. Er schrieb über das sogenannte >Auszeichnenm gebfent? —
2Benn barum bet? ifjm nur
»iei ju (>olen reäre! —
Sßetm fahren bie junge
Seute narf)? Pirro, 2ingelo. Pirro.
©egen Wittag. tDiit viei Begleitung ? einem einjigen Sffiagen: bie \Diut*
ter, bic Scuter unb ber ©raf.
(Ein *J>aar §reun»
be f'ommen au$ ©abionetta alä 3e«9en> 2ingelo, Pirro.
Unb Söebiente? 3?ur jn>et> ; außer mir, ber i ein«: roeffen
ifl bie Equipage ? 3 { t tö eure? ober bei ©rafen? Pirro,
© e i ©rafen.
©
3
2fogelo.
Abb. 24: D 1 2 , S. 277. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4441. - Fehler im Kolumnentitel: Galiotti anstatt Galotti
136
Apparat
Emilia
©allotti.
SS
auf b?r ©pur, unb roo nur ntd)f — unferm gan? je» »nfd>lagc! W t i , was in btefer einfamen genb von $Bienfd>en tfl, f>ac fici) um fle »erfammeit; unt> jeder Witt btr fepn, bcr ii)V ben ®eg weifet. on getagt, baß ber eijj t(f> nid)t. —
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Jen ©ie'ti)un? mannelH.-£ag fef)en! —
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nicfct einladen, wenn fie reeig, ba§ bie Softer i;iec Ijl? —
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nncb fingen tttad)eu, wenn fte bat ®oif bei) bem ©djaföcn fM)t. — feyn.
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«ucft fo gar eine weibliche, ©te l)6ren alle auf ju fcfireyen, wenn fie nidjt m?br i&nnen. —
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i i iji boci) einmal bie Butter, bie wir auf unferer ©eite haben mi*t(Tri!r,en &u f?t>n, fcbmetd)eit bie meiften, — Sap fi? fommen, S5atti(ia, lag fie fommew! ^itmfi«.
JpSren ©ie! &6ren ©ie! S 3
Abb. 25: D1 \ S. 85. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4527. Fehler im Kolumnentitel: G a l i o t t i anstatt G a l o t t i
137
Textträger
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b a ß © i e ( j i e r f m b , w e f g id> nici)t. — lett © i e
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e ß i f l b o d ) e i n m a l bie S ö h n t e t / b i e m i r a u f u n f e r e t ©eite
fyaben
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S B e n n i d ) bie
Butter
fo e t r o a ß ö o n e i n e r © d j r o i e g e r m u t t e t : j u f e p n , fcf>meid)elt bie m e i j l e n .
S a g fte f o m r n e n , Äatttff«.
—
—
S ö a t t t j l a , l a g fte f o m m e n ! ^>6ren © i e ! 3c
f)oren
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3
Abb. 26: D 1 2, S. 325. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4441. - Fehler im Ko-
lumnentitel: Galiotti anstatt Galotti
138
Apparat
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Abb. 27: H 2 , S. 123 (Detail). Freies Deutsches Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum: Hs. Bd. 96/11/15767. - In der Ecke rechts o b e n sieht man die Auszeichnung für die Prima der Bogen K (D 1 ' 1 ) und Bb (D 1 ' 2 ). Im Text ist die Stelle ich g l a u b ' markiert. In D 1 1 beginnt der Bogen K mit ich g l a u b ' (s. Abb. 28), in D 1 2 lauten die ersten Worte des B o g e n Bb jedoch d i e g u t e S i b y l l e (s. Abb. 29). Der dem B o g e n K vorausgegangene B o g e n I von D 1 ' 1 wurde also vor d e m B o g e n Aa (D 1 ' 2 ) gesetzt (s. TEXTTRAGER: 146ff.)
Textträger
139
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145
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l i u i i b e ? © m i t ess bag alltägliche 'Peffenfpiti w ä r e ? ffißenn fte es n i $ t wert!) w ä r e ,
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§ ü r fte
rotll icf) beim f ü r fie tijtui? —
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J j a b ' tcf> baß Jpcrj,
S a betiE' tcf> fo m a ß :
tö m i r j u fageti? — • ms,
tr.aß jidj n u r benfeit l ä g t ! —
ftort,
fort!
©0
(¿u-äglid)!
w i l l (te nicf)t ermatten. Sftein!
—
(oeatn den gtmmrf) 2Ber fle unfcfyuibig i n tiefen M t flrunb
gejiurjt f)at,
ber jiefje fte roieber b e r a u b
2 ß a s i r a u d j t er meine J j a n b b a j u ?
g o r t ! bitte €>ie. —
Sieber
Saffen i
au
(le felbft f ) i n ; unb w e n n tt>c ba nicfjt m i t ber àujjer; jten 2 l $ t u n g begegnet w i r b , n i d j t s gegolten.
fo ()abey
t r r , föb
brln< gen
Abb. 29: D 1 2 , S. 383. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4441
Textträger
141
144
E m i l i a
»
,
(Ie bod)
gerne »or&er.
SDer $ o b beö © r a f e n ift if)r noc$
unbefannt.
©ie
wirb
tticfjt begreifen
f5nnen,
w a r u m roan (ie v o n ifyren L e i t e r n trennet. jenen a u f gute 2Crt bepjttbtingen; nung
wegen ju b e r u h i g e n : —
2ii)r
(ie biefer ? r e n »
mufj idj (ie fpre»
cfyen, gndbiger £ e r r , m u ß t , bie S o d j t e r f a n n aud> wofjl
j u bem 23ater f o m m e n . —
Jpier, unter uier
g e n , b i n idj gtelcij m i t if)r fertig,
©enben
©ie
w i r (ie n u r , g n i b i g e r Jg>err. 3 D « Pein?.
2iudj ba«! —
O ©aiotti, wenn
© j e m e i n ß r e u n b , m e i n S t i r e r , m e i n 93ater fetm Wellten!
(
W r o und SRacincKi «eixn ab.)
(Seeths
Abb. 32: D 1 2, S. 384. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: We 236. Abb. 30 und 31)
(Vgl.
144
Apparat
143
(¡Emilia
©ftlotti. . ,
t
(Döoacöo.
... ^
göflen © i e mid) batan beufett;
unb id} bin m f ) i g ! £)ec p r m j . rinclit!
S e i n 2Bort »on ©eflingnifj, SDJw
#
-fjier i(i bie ¡Strenge bot ©efefce m i t b u
2ld)tung gegen unbefdjoltetie í u g e n b leicht ja verein «igen.
S B e n n (Emilia i n befonbcre 8 3 m » a ( ) n i n g
gebraut
nwröen m u £ : fo weijj id> fcfyoa —
aUeranfMnbigfie.
Sa«
d e i n e n SBtberfprud),
bie
meineöÄanjterg. ©iarinetti! —
35a
—
will
iá¡ fie felbft Einbringen, ba w i l l tdj fie bec Jiuffic^t «inet bec » ä t b i g f U n S a m e n ú&frgeben. m i r für fie bürgen, »eit,
SKarineUi,
meljr »etiaugen. —
(>aften.
—
S i e foil
© i e ge^en ¿ u
jDÍrííi, (ftaietti,
meinen Ä a n j l e r @ r i n « l b i , unb feine (9em«(>llmt? (Döoart>o
2 B a ö fotlr icf) ttídjt? «Segar bie
Uebenstcurbigen $ M > t < r Dieje« ebeln >Paare« fentf id>.
36er íennt fie nfdjt? —
metn ^>err,
geben © i e b a ¿
oum*inrat)
Stein,
niefct jh.
2Ben»
ct »erben tr.uft: fo müfle fie i n ben tiefjien Äetcvt «et wahret ¡»erben, b a r a u f ; iá> bitte © i e . — »itte!
alter ÖJccf! —
©ringen ©te
$f>or, m i t meinet 3 a n>ol)l &at (ie3ved)t bie
Abb. 33: D 1 \ S. 142. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 4527 Der Druckfehler G r i n a l d i wurde noch während des Druckverlaufs der Einzelausgabe (D 1 1 ) in G r i m a l d i korrigiert (s. Abb. 34)
Textträger
145
142
€ m t l i a
Ö a l o t u .
j^jJh-cjQB*1 * * *
1
(Pdoar&o.
•———»—
1
üaffen ® i e m i d ) b a r a n b e t i f e n ;
unb id) b i n r u l ) i g ! JDcc prin*. rineüi!
Ä e i n 5 3 o r t t>on Oiefdngniji, «JJZa»
ift bte © t r e r i g e bcv ©efefce m i t bec
2{d>tung gegen unbefdjoltene l u g e n b leicht j u m i t * nigen.
9 ß e n n ( i m i i i a i n befonbere S J e r w a l j r u n g
gehabt
roerbcn
mug:
aüeranfr&nbiflfte. Äeinett
fo teeifj id) fd)on —
bie
© a « SpautS meineö .Kanzlers.
5Btberi"prnd),
«Oiarinetli!
—
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—
»wH
fcf> fie felbft A n b r i n g e n , ba w i l l icf> fie ber X u f f i d j t einet ber rotirbigjlen S a m e n dberge6en. mir
für
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fie b ü r g e n ,
SDiarineUi,
giften.
—
e t e ge&en j u
wirflidj ju w e i t ,
n«i>t »erlangen. —
2>ie foH
roeim
©ie
© i e f e n n e n bod>, (Maiotti,
m e i n e n Ä a n j l e r @ r i m a l b i , u n b feine ( M e m a l ) l m n ? (l)öoati>o.
5 B a « f o ü r id)
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mein J j e t r ,
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geben e t e
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S m i l i a » e m a i j r t werben m u g :
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tlefften Ä e r f e r »errealjret w e r b e n ,
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Abb. 34: D1'1, S. 142. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen Anhalt: Dd 2888°. - Vgl. Abb. 33
146
Apparat
Ausgabe gesetzt. Es wurden also nicht zuerst die kompletten Trauerspiele gesetzt und gedruckt, sondern der Druck ging Bogen für Bogen vor sich. Ein Druckfehler im Kolumnentitel - Galiotti anstatt Galotti - auf der Bogenseite S3 (Trauerspiele) bzw. C 3 (Einzelausgabe), der sich drei Bogen später im Kolumnentitel von X 3 bzw. F 3 wiederholt (s. Abb. 23-26), mag ein Hinweis darauf sein, daß im Falle der Emilia die Druckformen nach drei Bogen wieder aufgelöst wurden. Dieser kleine Fehler wäre dann wieder drei Bogen später bei Bogen Aa 3 bzw. I 3 zu erwarten gewesen. Dort findet man ihn aber nicht. Beim Druck dieses Bogens geschah jedoch Verschiedenes, was die Entdeckung und Beseitigung des Fehlers im Kolumnentitel erklären mag. Wie im Kapitel >Entstehungsgeschlchte< erläutert wird, legen die Briefdokumente den Schluß nahe, daß zwar immer zuerst an der Trauerspiele-Ausgabe (D1'2) gedruckt, gegen Ende aber zuerst die Einzelausgabe (D1'1) fertiggestellt wurde. Dies deckt sich mit dem Befund der Druckvorlage und der beiden Ausgaben des Erstdrucks: Die Auszeichnung in der Druckvorlage für den Beginn des Bogen Bb (D1'2) und K (D 11 ) lautet Pr. Bb oder K | p. 385 oder 145 (s. Abb. 27) Die Markierung im Manuskript ist an der Stelle ich glaub' (s. Abb. 27; TEXT: 74,9). Diese Stelle ist in der Einzelausgabe (D1'1) auch wirklich, wie zu erwarten, der Beginn des Bogens K (s. Abb. 28, = S. 145). Ganz anders in der Trauerspiele-Ausgabe. Dort beginnt der Bogen Bb mit der Textstelle die gute Sibylle (s. Abb. 29; TEXT: 73,15). In der Einzelausgabe entspricht die erste Seite des Trauerspiele-Bogens Bb dagegen der Vorderseite von l 8 (= S. 143). Daraus kann Verschiedenes geschlossen werden: Da die Auszeichnung in der Druckvorlage (H2) nach dem Setzen eines Bogens vorgenommen wurde, kann davon ausgegangen werden, daß zuerst der Satz des Bogens I für die Einzelausgabe fertig war denn die Auszeichnung der Prima für den darauf folgenden Bogen K deckt sich mit dem Beginn des Bogens K im Druck. Zum Zeitpunkt der Auszeichnung war auch noch geplant, den Satz des Trauerspiele-Bogens Aa identisch zu gestalten - denn die oben angeführte Auszeichnung beinhaltet auch den Beginn des nächsten Trauerspiele-Bogens Bb. Es muß also irgend etwas passiert sein, daß der geplante Satz geändert wurde. Bei näherer Betrachtung des Trauerspiele-Bogens Aa fällt auf, daß er, anstatt der bei einem Oktavformat zu erwartenden acht Blätter, nur sieben Blätter hat. Dagegen ist der entsprechende Bogen I der Einzelausgabe mit acht Blättern regelmäßig. Und auch die Bindung des Trauerspiele-Bogens erfolgte bei allen untersuchten Exemplaren nach dem dritten Blatt und nicht wie üblich nach dem vierten. So kommt es, daß die Buchbinder das letzte Blatt des Bogens Aa wegen des fehlenden Gegenblattes entweder an das vorletzte Blatt des Bogens oder an das erste Blatt des Folgebogens Bb ankleben mußten. Zur Verdeutlichung ein kleines Schaubild:
Textträger Blatt 1 2 3 4
147 5 6 7 8
Bindung eines normalen Oktavbogens
Blatt0 1 2 3
4 5 6 7
Bogen Aa: Das erste Blatt fehlt (hier: 0), deswegen hat Blatt 8 (hier: 7) kein Gegenblatt und muß an ein anderes Blatt angeklebt werden.
Martin Boghardt, mit dessen Hilfe die Analyse des Erstdruckes vorgenommen wurde, hält es für möglich, daß das fehlende Blatt des Bogens Aa, das Gesamttitelblatt der T r a u e r spiele geworden ist. Dafür sprechen folgende Punkte: Das Gesamttitelblatt der T r a u e r spiele (s. Abb. 3) ist ein vorgesetztes Blatt, es gehört nicht zum Bogen A der TrauerspieleAusgabe. Dieser beginnt mit dem Zwischentitel für das Trauerspiel M i ß S a r a S a m p s o n . Darüber hinaus hat sich bei den untersuchten Exemplaren herausgestellt, daß immer dann in der linken oberen Ecke das Wasserzeichen des Druckpapiers sichtbar ist, wenn dies auch beim letzten Blatt des Bogens Aa der Fall ist. Entsprechend erscheint das Gegenzeichen auf beiden Blättern, genauso wie es bei Faltung des Papierbogens zu erwarten ist. Der Buchbinder hat also immer das Titelblatt der T r a u e r s p i e l e aus dem Bogen Aa herausgetrennt und an entsprechender Stelle eingebunden. Ein endgültiger Beweis ist dies zwar nicht. Aber ein Brief von Lessings Verleger Voß unterstützt diese These. A m 10. März 1772 schrieb V o ß als Begleitbrief zu den ersten Exemplaren der Einzelausgabe, die er an Lessing
nach Wolfenbüttel schickte: Binnen einigen Tagen werden nun auch die Trauerspiele fertig. Ich habe den Titel so eingerichtet, wie vor die Lustspiele, und die Nahmen der S t ü c k e d r a u f gesetzt (B 27). Die letzten Teile der Druckvorlage (H 2 ) wurden am 1. März 1772 in Wolfenbüttel abgesandt (s.o. S. 131). Nachdem man nun in Berlin über die restliche Länge des Stückes Bescheid wußte, entschloß man sich vermutlich, den Gesamttitel der T r a u e r s p i e l e auf den Bogen Aa zu setzen. Teile des Textes von Bogen Aa bzw. des Bogen I der Einzelausgabe kamen erst mit dieser letzten Sendung in Berlin an. Dadurch, daß nun das erste Blatt auf dem Trauerspiele-Bogen A a durch den Gesamttitel vergeben war, rutschten die letzten beiden Seiten in die entsprechende Schön- und Widerdruckform des nächsten Trauerspiele-Bogens Bb. Dies war wahrscheinlich der Grund, warum die Auszeichnung des Setzers für den Beginn des Bogens Bb nicht mit dem Druck konform ging, sehr wohl aber mit dem Bogen K der Einzelausgabe. Denn die Auflagenhöhe des Bogen I der Einzelausgabe war bereits erreicht. Der letzte Bogen der Einzelausgabe D 1 ' 1 ist der Bogen K. Es handelt sich dabei um einen halben Bogen, also um vier Blätter. Auffällig an diesem Bogen ist, daß ab der Vorderseite des zweiten Blattes (K^ = S. 148; TEXT 75,26) der Zeilendurchschuß deutlich reduziert wurde. Parallel dazu finden sich in der Druckvorlage (H2) a m Rand in sehr regelmäßigen Abständen Rötelstriche (s.o. S. 88). Es war üblich, den letzten Bogen grob einzuteilen, um abschätzen zu können, wieviel Papier noch benötigt wurde. Der Abstand zwischen den Rötelstrichen umfaßt ungefähr das Textvolumen einer Seite, wenn man den bisherigen Zeilendurchschuß beibehalten hätte. Bei dieser Einteilung wurde deutlich, daß man
148
Apparat
für den restlichen Text vier Blätter (gleich einen halben Bogen) und etwa eine halbe Seite benötigt hätte. So kam man wohl zu dem Entschluß, durch ein Einbringen des Durchschusses, d. h. eine Verkleinerung desselben, diese halbe Seite einzusparen - was auch gelang. Ganz anders verhielt es sich bei der Trauerspiele-Ausgabe: Dort kam man mit einem halben Bogen auf keinen Fall mehr hin, denn man hatte ja noch zusätzlich das durch den Gesamttitel nach hinten auf Bogen Bb verschobene Blatt unterzubringen. Die Rückseite des ersten Blatts des Trauerspiele-Bogens Bb (Bb" = D1'2, S. 384; s. Abb. 32) ist die erste Seite, auf welcher der Seitenumbruch der beiden Ausgaben nicht mehr identisch ist. Während sich auf der entsprechenden Seite der Einzelausgabe (Ig = D1'1, S. 144; s. Abb. 30) noch die ersten fünf Zeilen des sechsten Auftrittes des fünften Aufzuges (D1'1:144,16-21; TEXT 72,23-26) befinden, wurden diese in D 1 ' 2 auf die nächste Seite verschoben, so daß das zweite Blatt des Bogens Bb (Bb^) mit dem sechsten Auftritt beginnt. Zusätzlich wurde der für die Einzelausgabe eingebrachte Zeilendurchschuß von Bb" bis Bbj (= D1'2, S. 384394) wieder auf die ansonsten im Druck vorherrschende Durchschußgröße ausgebracht, d. h. vergrößert. Bedruckt wurden von diesem letzten Bogen nur sechs Blätter. Daß es sich trotzdem um einen ganzen Bogen gehandelt hat, sieht man wiederum an der Bindung der einzelnen Exemplare. Sie fand, wie beim Oktavformat zu erwarten, nach dem vierten Blatt statt. Die letzten zwei Blätter sind leer. In den untersuchten Exemplaren, bei denen diese letzten beiden Blätter fehlten, waren die entsprechenden gegenüberliegenden Blätter Bb! und Bb2 entweder an das letzte Blatt des Bogens Aa oder an das dritte Blatt des Bogens Bb angeklebt. Trotz der verschiedenen Seitenumbrüche auf den letzten Seiten, die durch den unterschiedlichen Zeilendurchschuß entstanden sind, handelt es sich bei beiden Ausgaben vollständig um den gleichen Drucksatz. Diese letzten Seiten wurden also nicht, wie bei der eingangs von Muncker zitierten These, neu gesetzt. Es gibtallerdingseinige satzinterne Varianten, d. h., während des Druckvorganges wurde in den stehenden Satz eingegriffen. Beispielsweise konnten Satzfehler korrigiert werden, indem die fehlerhaften Lettern aus dem Satz genommen und durch korrekte ersetzt wurden. Der Rest des Satzes blieb bestehen. Bisher sah man diese Preßvarianten als Kennzeichen von Einzel- und Sammelausgabe an: So ordnet Muncker den Satzfehler Grinaldi (D11:142,15 = I / T E X T 73,9) der Einzelausgabe zu, während das korrigierte Grimaldi der Trauerspiele-Ausgabe (D1'2: 382,15 = Aa?) vorbehalten bleibt (vgl. LLMA 22.2: 433). Dies hat sich bei der Analyse des Erstdruckes nicht bestätigt. Zwar hatten alle untersuchten Trauerspiele-Exemplare Grimaldi, es fand sich aber auch ein Einzelexemplar, daß ebenfalls das korrekte Grimaldi anstatt des Druckfehlers Grinaldi vorweisen kann (s. Abb. 33 und 34). Zur Übersicht folgt eine Tabelle der bei der Druckanalyse mit Hilfe des >Hinman-Collators< gefundenen Varianten. Komplett kollationiert wurden folgende Exemplare der Trauerspiele (D1'2) und der Einzelausgabe (D 11 ): Referenzexemplar war jeweils das Exemplar D 1 ' 1 der SUB Göttingen: [8° Poet Dram III 2545 Rara]: D11:
ULB Halle: Dd 2888°
D11:
HAB Wolfenbüttel: Lo 4527
D1'2: D 1 2:
HAB Wolfenbüttel: Lo 4441 (das letzte Blatt fehlt) StB Eutin: Rq 2
D1'2:
Privatexemplar, Osnabrück
Textträger
149
A n Einzelstellen wurden folgende Exemplare der Einzelausgabe (D 1 ' 1 ) überprüft: 2 1
SB Berlin - PK: 19ZZ6119 (»Ex libris: Ernst Magnus«)
3
ULB Halle: D d 2888°
6
ULB Münster: 1 E 8455 Sondermag.
7
SUB Göttingen: Poet.Dram.lll 2545
15
UB Leipzig: Litt. Germ. 37570
23
HAB Wolfenbüttel: Lo 4527
30
StUB Frankfurt: W 180
35 F 25 N 1 N 1
Niedersächsische LB Hannover: Lh 3606 BFDH Frankfurt/M.: VI E 11/1 BGN Nürnberg: 8° N 1146 BGN Nürnberg: L. 1215" [36]
ÖNB
Österreichische NB Wien: 627466 A Th-S
DBW
Doos'sche Bibliothek Wilsten D 47
A n Einzelstellen wurden folgende Exemplare der T r a u e r s p i e l e (D 1 ' 2 ) überprüft: 1
SB Berlin - PK: 329023 R (Das Exemplar ist in zwei Bände gebunden: 1. Bd.: M i s s S a r a S a m p s o n und P h i l o t a s ; 2. Bd.: E m i l i a G a l o t t i . Das letzte, leere Blatt fehlt), Yr 1581aR (»Bibliothek Gotthilf Weisstein, Berlin«), Bibl. Diez 8° 8510 (das letzte leere Blatt fehlt), Bibl. Diez 8° 8511
37
StSB Augsburg: S 937
5
ULB Bonn: Fa 697/9
6
ULB Münster: 1 E 2534 Sond.-Mag.
7
SUB Göttingen: Poet.Dram.lll 2492 (»Ex Libris Lucy Spiegl«, die beiden letzten leeren Blätter fehlen)
8
UB Kiel: J 7834 (15 col 1) (»Aus der Bücherei von J. E. Paul Toeche«, das letzte leere Blatt fehlt)
9 11
UB Greifswald: KI.Nstr. 1206 [Wm 772] B der Humboldt-Universität Berlin: Yq 12519
12
BSB München: P.o.germ.840
15
UB Leipzig: Litt. Germ. 37478 (die beiden letzten leeren Blätter fehlen)
23
HAB Wolfenbüttel: Lo 4411 (das letzte leere Blatt fehlt)
23
HAB Wolfenbüttel: W e 236
32
H A A B Weimar: Dd,3: 170 JS
32
H A A B Weimar: N 5048 (letztes leeres Blatt fehlt)
34
LMB Kassel: D. L. 6546
46
SUB Bremen: R ger 642.3 306
61
ULB Düsseldorf: D.Lit. 18702
138
LB Eutin: Rq 2
188
BFU Berlin: 14 L 154
F 25
BFDH Frankfurt a. Main: VI C/3
Hs 2
B des Gleimhauses Halberstadt: 2615 (die beiden letzten leeren Blätter fehlen)
2
Die Ziffern entsprechen den offiziellen Bibliothekssiglen.
Apparat
150 M 36 ÖNB
StB München: H 10409 (die beiden letzten leeren Blätter fehlen) Österreichische NB Wien: 1.343-A.AIt (die beiden letzten leeren Blätter fehlen); 627463 A-Th-S (die beiden letzten leeren Blätter fehlen) Satzinterne V a r i a n t e n
Der A u f b a u der Information ist: Seiten- + Zeilenangabe, in Klammern: Bogensignatur + Druckform [S = Schöndruckform, W = Widerdruckform], Variante, Bibliothekssiglen (sind in einer Bibliothek mehrere Exemplare vorhanden, steht die Signatur des Exemplars in Klammern). Der Variantenbefund allein, läßt die Frage nach Korrektur oder Korruptele oftmals offen. Wie das erste Beispiel verdeutlichen soll: Korrektur? 290,Kustos (TW) 290, Kustos ( T W ) 50, Kustos ( D W )
Höf Höf= Höf=
1 (alle), 23 (We 236), F 25 23 (Lo 4441), ÖNB (beide) 23 (Lo 4527), F 25, Ö N B (sehr schwach)
Korruptele?
290, Kustos (TW)
Höf= Höf= Höf
131, Kustos (IW)
Odoaido.
50,Kustos (DW) 290, Kustos (TW)
23 (Lo 4527), F 25, ÖNB (sehr schwach) 23 (Lo 4441), ÖNB (beide) 1 (alle), 23 (We 236), F 25 1, 6, 7, 15, 23, 30, 35, DBW, F 25, N 1 (beide), ÖNB
131,Kustos (IW)
Odoar=
371, Kustos (2AS)
Odoar=
3 1 (alle), 5, 6, 7, 8, 9,11,12,15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61,138, 188, F 25, Hs 2, M 36, 37, ÖNB (beide)
136,6 (IS)
DerPrinz
1, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB
136,6 (IS) 376,6 (2AW)
Der Prinz Der Prinz
3 1 (alle), 5, 6, 7, 8, 9,11,12,15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61, 138, 188, F 25, Hs 2, M 36, 37, ÖNB (beide)
136,18(15)
unter
1, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB
136,18 (IS) 376,18 (2AW)
| unter I unter
3 1 (alle), 5, 6, 7, 8, 9,11,12,15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61, 138, 188, F 25, Hs 2, M 36, 37, ÖNB (beide)
138,4 (IW)
Marinelli.
1, 3, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB
3
1 entspricht hier einem sichtbaren Spatium im Druck.
151
Textträger 378,4 (2AS)
Marinelli.
23 (Lo)
378,4 (2AS)
Marinelli, [schwach]
378,4 (2AS)
Marinelli, [sehr schwach]
1 (Yr), 15,61, 188, Hs 2 1 (BD-11), 5, 8, 9, 11, 46, F 25, M 36, 37, ÖNB (Th-S)
378,4 (2AS)
Marinelli
138,21 138,21 378,21 378,21
(bitter) (bitter) [schwach] (bitter)
(IW) (IW) (2AS) (2AS)
(bitter) [schwach]
142,15 (IW)
Grinaldi
1 (32, BD-10), 7, 6, 12, 23 (We), 32 (beide), 34, 138, ÖNB (Alt) 1, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, DBW, ÖNB 3 1 (Yr), 9, Hs 2, N 1 (beide), ÖNB (Th-S) 1 (32, BD-10, BD-11), 5, 6, 7, 8, 11, 12, 15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61, 138, 188, F 25, M 36, 37, ÖNB (Alt) 1, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB 3
142,15 (IW)
Grimaldi
382,15 (2AS)
Grimaldi
144,16 (IS)
gehen gb.
384,16 (2BW)
gehen gb. 5
1 (32, BD-11), 5, 6, 9, 11, 15, 23 (Lo), 61, Hs 2, ÖNB (Th-S)
384,16 (2BW)
gehen ab.
1 (Yr, BD-10), 7, 8, 12, 23 (We), 32 (beide), 34, 46, 138, 188, F 25, M 36, 37, ÖNB (Alt)
148,19 (KS)
beyden — beiden
1, 3, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB
389,9 (2BW)
beiden — beiden
1 (alle), 5, 6, 7, 8, 9,11,12, 15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61, 138, 188, F 25, Hs
1 (alle), 5, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 15, 23 (beide), 32 (beide), 34, 46, 61, 138, 188, F 25, Hs 2, M 36, 37, ÖNB (beide) 1, 3, 6, 7, 15, 23, 30, 35, F 25, N 1 (beide), DBW, ÖNB
2, M 36, 37, ÖNB (beide) Alle untersuchten Exemplare haben auf den Bogen S3 (= D 1 ' 2 : 277) und C3 (= D 1 ' 1 : 37), X3 (= D 1 ' 2 : 325) und Fj (= D 1 ' 1 : 85) im Kolumnentitel den Satzfehler Galiotti anstatt Galotti (s. Abb. 23-26) Als Fazit läßt sich sagen, daß es sich sowohl bei der Ausgabe der Trauerspiele (D ' ) als auch bei der Einzelausgabe (D 1 ' 1 ) der E m i l i a Galotti um den Erstdruck handelt. Beide Ausgaben sind auf allen Seiten, bis auf wenige satzinterne Varianten auf den Bogen Aa bzw. I und Bb bzw. K, satzidentisch - auch wenn auf den letzten Seiten der Seitenumbruch nicht mehr übereinstimmt. Die einzig wirkliche Preßvariante, die D 1 ' 1 und D 1 ' 2 un4
Alle untersuchten Exemplare haben, wenn diese Variante vorhanden ist, gleichzeitig eine Verringerung des Durchschusses zwischen den Zeilen 13 und 14 (s. Abb. 30). 5 Alle untersuchten Exemplare haben, wenn diese Variante vorhanden ist, gleichzeitig eine Verringerung des Durchschusses zwischen den Zeilen 13 und 14 (s. Abb. 31 und 32).
152
Apparat
terscheidet (nach dem bisherigen Befund), ist die Änderung von beyden - beiden (D 11 : 148,19) zu beiden - beiden (D1'2: 389,9). Entscheidend ist aber, daß nicht die TrauerspieleAusgabe (D12), sondern die Einzelausgabe (D1'1) zuerst herausgegeben wurde. Dafür sprechen neben den oben ausgeführten drucktechnischen Argumenten und der Auszeichnung der Druckvorlage (H2) auch die entstehungs- und wirkungsgeschichtlichen Dokumente (vgl. ENTSTEHUNG: I89ff.).
Die Beziehung der Drucke D1, D2 und D3 zueinander Die zweite Einzelausgabe D 2 (Vignette: Göttin in Wolken) erschien im Juli 1772 (s. ENTSTEHUNG: 192). Sie basiert auf einem kompletten Neusatz. Grundlage für D2 war ein Exemplar von D1'1, nicht die handschriftliche Druckvorlage (H2). Dies geht zum einen aus dem fast gleichen Seltenumbruch (nur die Seite 3 bricht anders um) und dem weitgehend Identischen Zellenumbruch hervor. Des weiteren gibt es einige Varianten, die D 2 zwar mit D1'1 gemein hat, beide aber an diesen Stellen von der Druckvorlage (H2) abweichen. Es lassen sich In jeder Druckform (der größten setzerischen Einheit) Beispiele dafür finden (s. VARIANTENAPPARAT). Hier seien stellvertretend nur zwei Stellen genannt: O Claudia! (D1"1 D2) anstatt H2: O Claudial Claudia! (s. T/V: 24,12) und: Aber wer mehr? Auch die Mutter? (D 11 D ) anstatt H : Aber wer mehr? Wer wird es mehr glauben? Auch der Vater? Auch die Mutter? (s. T/V: 51,2f.). Das genaue Erscheinungsdatum der dritten Einzelausgabe D3 läßt sich nicht bestimmen (s. ENTSTEHUNG: 192f.). Die auf komplettem Neusatz beruhende Ausgabe gibt zwar auf dem Titelblatt - wie die beiden vorausgegangenen Einzelausgaben - die Jahreszahl 1772 an, doch es ist sehr unwahrscheinlich, daß der Druck wirklich 1772 herauskam. Laut Munkker, der sich auf die Bezeichnung des Verlages bezieht, erschien die Ausgabe vor 1778 (vgl. LLMA 22.2.: 434). Sicher ist nur, daß als Druckvorlage ein Exemplar von D 2 diente, denn in den wenigen Zeilenumbrüchen, bei denen D 2 von seiner Vorlage D1'1 abweicht, folgt D 3 dem zweiten Druck. Es seien auch hier nur zwei Beispiele genannt: Q u i t | | u n g s (D1-1: 15,20f.; T/V: 10,31) zu Quit||tung (D2 D3: 15,20f.) und Diese || (D1'1: 23,17; TEXT: 14,9) zu Die||se (D2 D3: 23,l7f.). Darüber hinaus zeigen sie zahlreiche übereinstimmende inhaltliche Varianten abweichend zu D1'1. Als Beispiele seien hier genannt: daraus (D1'1: 19,4; T/V: 12,11) zu durchaus (D2 D3: 19,4) und Ueberraschung (D 11 : 33,6; T/V: 19,15f.) zu Uebereilung (D2 D3: 33,6). Abschließend läßt sich sagen, daß Munckers Ansicht, die Emilia der Trauerspiele-Ausgabe und die der ersten Einzelausgabe seien nur auf den ersten 140 Seiten satzidentisch (s.o. S. 131), falsch ist. Hillen beurteilt die Druckgeschichte ebenfalls nicht korrekt, wenn er schreibt, daß dem Erstdruck der Trauerspiele noch drei weitere Drucke bei Voß folgten (s.o. S. 131). Und auch Henning hat mit seiner oben angeführten Aussage (s.o. S. 131 f.) nur insoweit recht, daß er die erste Einzelausgabe (D1,1) als Erstdruck bezeichnet. Er irrt aber, wenn er dieses Privileg auch der zweiten Einzelausgabe (D2) zuschreibt.
6
II steht für Zeilenumbruch.
Textgrundlage Die Textgrundlage dieser Edition ist der Erstdruck von Gotthold Ephraim Lessings Tragödie
Emilia Galotti in seiner ersten Ausgabe (D1'1; Beschreibung s. TEXTTRÄGER: 92-95). Als Vorlage verwendet wurde das Exemplar der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen mit der Signatur: 8° Poet Dram III 2545 Rara.
Begründung Sechs Textträger kommen als Textgrundlage für eine Emilia-Galotti-Ausgabe in Frage. Es gibt die beiden erhaltenen Handschriften H 1 und H 2 und die vier gedruckten Ausgaben ( D 1 \ D 1 2 , D 2 und D 3 ), die im Verlag von Christian Friedrich Voß in Berlin erschienen sind. Bei H 1 handelt es ich um eine Reinschrift von Lessings Hand. Die Druckvorlage H 2 ist eine von Lessing korrigierte, aber von unbekannter Hand geschriebene Abschrift von H 1 (Beschreibung von H 1 und H 2 s. TEXTTRÄGER: 81 -89). Der Erstdruck (D1), von dem es zwei Ausgaben gibt (eine Einzelausgabe D 1 ' 1 und eine Ausgabe, die als drittes Stück dem Band Trauerspiele beigegeben ist D 1 ' 2 ), kam im März bzw. April 1772 auf den Markt, der zweite Druck (D 2 ) folgte im Juli 1772. Das genaue Erscheinungsdatum des dritten Druckes (D 3 ) ist trotz der Jahreszahl 1772 auf dem Titelblatt unbekannt (Beschreibung der Drucke s. TEXTTRÄGER: 90-100). Zu Zeiten der letzten historisch-kritischen Emilia-Galotti-Ausgabe (LLMA, Bd. 2, 1886: 377-450) war es üblich, die >Ausgabe letzter Hand< als Textgrundlage zu wählen. Dies wäre dem ersten Augenschein nach D 3 , dieser Druck liegt der LLMA auch wirklich zu Grunde. Doch der damalige Herausgeber Franz Muncker hegte bereits Zweifel an seiner Entscheidung: Die Korrektur der Ausgaben 1772abc (hier: D 1 ' 1 D 1 ' 2 D 2 ) las Karl Lessing; der Dichter Oberwachte jedoch, wie wir aus seinen Briefen sehen, bis zu einem gewissen Grade die Arbeit seines Bruders und suchte besonders auf die Ausgabe 1772c (hier: D 2 ) Einfluß zu gewinnen, indem er die wichtigsten Fehler des vorausgehenden Druckes für Karl zusammenstellte. Dagegen ist von einem ähnlichen Bemühen für die Ausgabe 1772d (hier: D 3 ) nichts bekannt. Sie bringt denn auch keine Verbesserung gegenüber 1772c, wohl aber mehrere Druckfehler. Deswegen könnte man zweifeln, ob statt ihr nicht vielmehr 1772c, die letzte Ausgabe, an der nachweislich Lessing selbst noch einigen Anteil nahm, dem Druck in Band II (LLMA 2: 377-450) zu Grunde gelegt sein sollte. (LLMA 22.1: 39) Die nun vorliegende Edition folgt Muncker uneingeschränkt in seiner Ansicht, was den dritten Einzeldruck (D 3 ) betrifft, und schließt ihn deswegen als Textgrundlage aus. Neben der nicht nachgewiesenen Einflußnahme Lessings und dem sich daraus ergebenden Au-
154
Apparat
torisationsproblem bleibt eben auch das ungeklärte Erscheinungsdatum (s. ENTSTEHUNG: 192f.). Muncker hätte sich also möglicherweise lieber für den zweiten Druck als Textgrundlage entschieden, weil er die letzte sicher von Lessing autorisierte Fassung des Textes repräsentiert. Auf diesen Druck hatte Lessing bewußt Einfluß genommen. So wurden in ihm Änderungen berücksichtigt, die Lessing in den Aushängebogen zum Erstdruck angemerkt hatte (s. B 23). Zum anderen wurden eine Reihe von Druckfehlern beseitigt, die der Autor parallel zum Erscheinen der ersten Ausgabe des Erstdruckes in Zeitungen annoncieren ließ (s. R 18 und R 30). Darüber hinaus stellte Lessing eine heute verschollene Korrekturliste für den zweiten Druck zusammen, die er an den Verlag nach Berlin sandte (s. B 65). Über den Inhalt der Liste weiß man allerdings so gut wie nichts. Nur eine Änderung, die einzige, die laut Karl Lessing, der den ersten und zweiten Druck in Berlin überwachte, keine Berücksichtigung in D 2 fand, ist namentlich bekannt (s. TEXTGESTALTUNG: 7,16 und B 75). Der zweite Druck enthält jedoch auch zahlreiche neue Druckfehler, so daß man nicht sagen kann, daß diese Fassung den >besseren< oder den dem Autorwillen näheren Text gegenüber D1 bietet. Den Ausschlag, die Erstausgabe (D 11 ) als Textgrundlage für diese historisch-kritische Ausgabe zu wählen und nicht D 2 , gab letztendlich die wirkungsgeschichtliche Komponente. Denn mit Erscheinen der ersten Ausgabe setzte sofort eine umfangreiche Rezeption des Trauerspiels ein (s. das Kapitel >Wirkungsgeschichte< und das Verzeichnis der zeitgenössischen DokumenteVariantenapparat< nachzuschauen, denn die jeweiligen Varianten sind jeweils auf unterschiedliche Weise in den Text gekommen (Abschreibefehler, Druckfehler etc.).
15,8
sie ] Sie H 2 D 1 D 2 D 3 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,6)
15,11
i h n e n ] I h n e n D 1 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,6 u n d VARIANTEN: 15,11)
(s. VARIANTEN: 14,32).
sie ] Sie D 1 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,6 u n d VARIANTEN: 15,11)
Wort mit uns gewechselt ] Wort gewechselt D ' . Im Beytrag zum ReichsPostreuter vom 23. April 1772 heißt es: Wir hoffen bey unsern Lesern Dank zu verdienen, wenn wir ihnen ein Verzeichniß einiger wenigen, von Herrn Lessing selbst am Rande angemerkten, beträchtlichen Druckfehler, die einen Mißverstand veranlassen könnten, liefern. [...] S. 25. Z. 4 vom Ende, statt ein Wort gewechselt, 1. ein Wort mit uns gewechselt (R 30,4). 15,13
Ach! ] Ah, H 1 Ah! H 2 Ach! D1 D 2 D 3 . In seinen Anmerkungen zu Steinbachs deutschem Wörterbuch bemerkt Lessing: Ah! Diese Interjection verdienet auf alle Weise aus der französischen Sprache in die deutsche übergenommen zu werden, weil sie sich weder durch unser Ach, noch durch unser O geben läßt, und fast der natürliche Ton bey gewißen Ausruffungen des Verdrußes
160
Apparat
und Widerwillens ist, m i t welchem weder Schmerz noch Verwunderung verknüpft ist, daß sie dort durch Ach und hier durch O ausgedrückt werden könnte (LLMA 16: 8). M a n kann also davon ausgehen, daß Lessing sehr bewußt Ah und nicht Ach gewählt hat. Auf eine Emendation an dieser Stelle wurde verzichtet, weil Ach im Druck nicht mehr von Lessing korrigiert wurde (s.a. TEXTGESTALTUNG: 19,10 u n d 25,12).
15,24
ist da ] da ist D 1 " 1 . Lessing bemerkte zu dieser Stelle bei der Korrektur der Aushängebogen in einem Brief an Karl Lessing vom 1. März 1772: Retten? d a ist viel zu retten! muß es heißen: ist da viel zu retten? (B 23).
16,13
Dosalo ] Dosala D 1 ' 1 . In den beiden Handschriften H 1 und H 2 sowie den Drucken D 2 und D 3 heißt es an dieser Stelle Dosalo, aber auch an allen anderen S t e l l e n in D 1 (s. TEXT 33,12; 43,11; 53,27; 54,8; 54,10; 56,4; 56,5). D e r h i s t o r i s c h e
Ort in Italien, zwischen Sabionetta und Guastalla in der Emilia Romagna gelegen, heißt dagegen Dosolo (s. QUELLEN: 177 und Abb. 35). 16,171
Lassen bis seyn ] In H und H steht Laßen Sie den Grafen dieser Gesandte seyn. In H 1 wurde die Stelle durch den Berliner Korrektor (wahrscheinlich Karl Lessing) mit roter Tinte in Lassen Sie den Grafen diesen Gesandten seyn abgeändert (s. VARIANTEN: 16,i7f.). Lessing schrieb seinem Bruder Karl Lessing zu dieser Stelle nach Korrektur der Aushängebogen am 1. März 1772: Lassen Sie den Grafen diesen Gesandten seyn. So habe ich ganz gewiß nicht geschrieben, und es ist undeutsch. Es muß heißen: Lassen Sie den Grafen dieser Gesandte seyn (B 23).
16.28
genung ] genug H1 genung H2 D1 genug D 2 D 3
17,30
geschehen ] gesehen D 1 . In H 2 hatte der Schreiber irrtümlich gesehen abgeschrieben, was der Setzer dann in den Druck übernahm. Lessing mahnte diesen vermeintlichen Druckfehler in seinem Brief vom 1. März 1772 bei seinen Bruder Karl Lessing an: [...] wo es für gesehen, heißen muß geschehen (B 23). Karl Lessing sah daraufhin offensichtlich nochmals in die Druckvorlage (H2) und unterstrich das Wort gesehen mit dunkler Tinte (s. VARIANTEN: 17,30 und SCHULTZ 1949: 96, Anm. 41). In der Neuen Braunschweigischen Zeitung vom 2. April 1772 heißt es: Wir schliessen mit einer von dem Hrn. Verfasser uns mitgetheilten Anzeige der erheblichsten Fehler in dem Abdrucke dieses Trauerspiels: [...] S. 31. Z. 12. für gesehen lies geschehen (R 18,4)
19,10
A c h ! ] A h ! H 1 H 2 A c h ! D 1 D 2 D 3 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,13)
19,19
s i e ] s i e H 1 S i e H 2 D 1 D 2 D 3 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,6)
20,6
Fehltritt'! - ] (s. VARIANTEN: 20,6)
21,24 21,30
Pirro. ] Pirro D 1 ' 1 wenn fahren die junge Leute ] wenn fahren die jungen Leute H1
22,22
ewig! ] ewig? D1 D 2 D 3 . In H1 steht eindeutig ewig!, in H 2 ist das Ausrufezeichen etwas >verunglücktck< geschrieben ist. Man hätte entsprechend zur Textstelle herrschet (s. TEXTGESTALTUNG: 13,19) emendieren können.
30,4
Nun! ] Nun? H1 H2
30,12
Thränen - ] Thränen! - H1 H 2 (s. VARIANTEN: 30,12)
31,31
Pirro. ] Pirro D 1 1
32,20
sollte ] solle H1 H 2
33,11 33,24
Marinelli. ] Marinelli D 1 ' 1 den Prinzen ] Die LPOA hat an dieser Stelle dem (s. LPOA 2: 125,16). Alle untersuchten Textträger haben aber den. Möglicherweise lag den Herausgebern ein Exemplar mit einer Preßvariante an dieser Stelle vor.
34.17 35.8
ihn ] ihn D1 D 2 D 3 Nicht doch! ] - Nicht doch! Nicht doch! H 1 H 2
37,3f.
ihm verdenken? ] ihm auch verdenken? H1 H2
37,4
wichtigers ] wichtigeres H1 H2
37,19f.
mehr als halbes Weges ] In H 1 und H 2 stand mehr als halben Weges. Der Berliner Korrektor (wahrscheinlich Karl Lessing) änderte mit roter Tinte halben in halbes (s. VARIANTEN: 37,19f.).
37,31
einen Wagen ] ein Wagen H 1
38,22
Während des Handgemenges ] In H1 H 2 stand Während dem Handgemenge. Der Berliner Korrektor (wahrscheinlich Karl Lessing) änderte mit roter Tinte in des H a n d g e m e n g e s (s. VARIANTEN: 38,22).
39,10
mit dem Grafen ] mit dem Grafen H 1 mit den Grafen H 2 D 1 mit dem Grafen D D . Es handelt sich um einen Abschreibefehler in H 2 , der vom Setzer des ersten Druckes übernommen wurde. Emendiert wurde, weil Lessing die Präposition >mit< sonst nur mit Dativ verwendet.
40,1 42.9
weinen! ] weinen, H1 H2 ihnen ] Ihnen D 1 D 2 D 3 (s. TEXTGESTALTUNG: 15,6)
42.18
aus dem Wagen ] aus den Wagen H 1 H 2 (s.a. TEXTGESTALTUNG: 45,29f.)
43.28
sie ] Sie H 1 H 2 D 1 sie D 2 D 3 . Lessing beachtete an dieser Stelle die von ihm in H 1 ansonsten sehr bewußt verwendete Groß-/Kleinschreibung nicht. Da die Stelle in D 2 aber korrigiert wurde, kann man wohl von einem Schreibversehen Lessings ausgehen (s.a. VARIANTEN: 65,12 und TEXTGESTALTUNG 15,6).
162
Apparat
44.10
anhörten, ] anhörten, oder vielmehr nicht anhörten,
44.14
günstigen Glückes erklären, — ] günstigen erklären, — D1. In der Neuen Braunschweigischen Zeitung v o m 2. April 1772 heißt es: Wir schliessen mit einer von dem Hrn. Verfasser uns mitgetheilten Anzeige der erheblichsten Fehler in dem Abdrucke dieses Trauerspiels: [...] S. 83. Z. 7. fehlt nach günstigen das Wort Glückes. — (R 18,4). Und im Beytrag zum Reichs-Postreuter konnte m a n a m 23. April 1772 lesen: Wir hoffen bey unsern Lesern Dank zu verdienen, wenn wir ihnen ein Verzeichniß einiger wenigen, von Herrn Lessing selbst am Rande angemerkten, beträchtlichen Druckfehler, die einen Mißverstand veranlassen könnten, liefern. [...] S. 83. Z. 8 statt eines günstigen erklären, 1. eines günstigen Glücks erklären (R 30,4). endlichen ] endlichen H1 H2 redlichen D1 endlichen D2 redlichen D3. In der Neuen Braunschweigischen Zeitung v o m 2. April 1772 heißt es: Wir schliessen mit einer von dem Hrn. Verfasser uns mitgetheilten Anzeige der erheblichsten Fehler in dem Abdrucke dieses Trauerspiels: [...] S. 83. Z. 7. [...] E. D. Z. Y.2 für redlichen lies endlichen (R 18,4). U n d im Beytrag zum ReichsPostreuter konnte m a n a m 23. April 1772 lesen: Wir hoffen bey unsern Lesern Dank zu verdienen, wenn wir ihnen ein Verzeichniß einiger wenigen, von Herrn Lessing selbst am Rande angemerkten, beträchtlichen Druckfehlern, die einen Mißverstand veranlassen könnten, liefern. [...] S. 83. Z. 8. [...] eben daselbst, Z. 10.3 statt redlichen, endlichen (R 30,4). Karl Lessing teilte be-
H 1 H 2 . Da die Stelle in den
Folgedrucken nicht mehr korrigiert wurde, ist hier nicht emendiert worden.
44.15
reits a m 12. M ä r z 1772 nach Sichtung der Erstausgabe (D 1 ' 1 ) seinem Bruder mit:
S. 83. redlichen Verurtheilung, statt endlichen 45,29f.
49,5 51,2f.
Verurtheilung
(B 30).
aus dem Wagen ] aus den Wagen H 1 H 2 (s. TEXTGESTALTUNG: 42,18) Der Prinz. ] Der Prinz D1 1 Aber wer mehr? Auch die Mutter? ] Aber wer mehr? Wer wird es mehr glauben? Auch der Vater? Auch die Mutter? H 1 H 2 . In H 2 ist der Setzer offensichtlich nach mehr? eine Zeile tiefer gerutscht, denn das Auch steht g e n a u eine Zeile darunter ebenfalls nach einem Fragezeichen. Da die Stelle in den Folgedrucken nicht mehr korrigiert wurde, ist hier nicht emendiert worden.
51.11
51,20f.
2 3
gemußt ] gewußt D 1 . Im Beytrag zum Reichs-Postreuter v o m 23. April 1772 heißt es: Wir hoffen bey unsern Lesern Dank zu verdienen, wenn wir ihnen ein Verzeichniß einiger wenigen, von Herrn Lessing selbst am Rande angemerkten, beträchtlichen Druckfehler, die einen Mißverstand veranlassen könnten, liefern. [...] S. 96. Z. 11 statt gewußt, 1. gemußt (R 30,4). ein kleines stilles Verbrechen, ein kleines heilsames Verbrechen ] ein kleines stilles Verbrechen, ein kleines heilsames Verbrechen H1 H2 ein kleines Verbrechen, ein kleines heilsames Verbrechen D1 ein kleines Verbrechen, ein kleines stilles heilsames Verbrechen D2 D3. In der Neuen Braunschweigischen
E . D. Z. Y. ] gemeint ist: Eben daselbst (sprich: S. 83), Zeile 9. Z. 10. ] Der Druckfehler befindet sich auf S. 83, Z. 9 von D 1 ' 1 .
Textgestaltung
163
Zeitung vom 2. April 1772 heißt es: Wir schliessen mit einer von dem Hrn. Verfasser uns mitgetheilten Anzeige der erheblichsten Fehler in dem Abdrucke dieses Trauerspiels: [...] S. 96. Z. 2. v. u. fehlt stilles nach dem Worte kleines (R 18,4). Karl Lessing teilte seinem Bruder bereits am 12. März 1772 nach Sichtung der Erstausgabe (D 1 ' 1 ) mit: S. 96. Nur, guter Freund, muß es ein
kleines Verbrechen; statt daß es heißen sollte: muß ein kleines stilles Verbrechen seyn. Denn bleibt hier stilles weg, so ist der Nachsatz sehr unschicklich (B 30, s.a. VARIANTEN: 51,20f.).
52,16 53,3
wenn ] wann H H Battista geht ab ] Battista ab H1 H2
54,3
ist der Gräfmn ] (s. VARIANTEN: 54,3)
54,21
vom ] Die LPOA hat an dieser Stelle von (s. LPOA 2: 142,31). Diese Variante kommt in keinem der untersuchten Textträger vor. Möglicherweise diente der LPOA ein Exemplar mit einer Preßvariante an dieser Stelle als Vorlage.
57.12
Hab' ich, hab' ich wirklich? ] Hab' ich? Hab' ich wirklich? H1 Hab' ich? hab' ich wirklich? H2 Orsina. ] Orsina D1'1 unglückliche Braut ] Unglückliche Braut D1. Nur in D1 ist unglückliche groß
57,14 58,23
geschrieben. Insofern liegt ein Druckfehler nahe. Man könnte aber auch argumentieren, daß die Großschreibung der Betonung diene. 60.13
60,31 61,12
dem ] den D 1 D 2 Uebels ] Übles H1 H2 nach Ihrem Wagen ] nach Ihren Wagen H2 D1 D2 nach Ihrem Wagen D3. In H 1 ist nicht eindeutig zu erkennen, ob es Ihrem oder Ihren heißt.
63,1
unsers ] unsres H1 H 2 unserer ] unsrer H1 H 2 wollten ] wollen D1 D 2 D3
65,3
Nun? ] Nun D 1 D 2 D 3 (s.a. VARIANTEN: 65,3)
62,28
66,23 67,1
außer meinen Gebiethe ] außer meinem Gebiethe H1 D2 D3 alte Neidhart, ] Die Stelle heißt in H 2 alte garstige Neidhart wie auch zuerst in H 1 . In H 1 strich Lessing später das Wort garstig. Er schrieb zu dieser Stelle am I . M ä r z 1772 an seinen Bruder Karl Lessing: Wenn Act. 5. Sc. 1 noch nicht
gedruckt ist, so laß aus den Worten des Marinelli: Der alte garstige Neidhardt,4 das garstig weg; der alte Neidhardt ist genug (B 23). Die LLMA, der H2 nicht zur Verfügung stand, bemerkt hierzu: »[hinter >alteSprachrohrMissionar< in kritischem Denken lag seine Hoffnung darin, daß sich die Anzahl der selbstuntersuchenden Leser vermehre und hernach der gesunde Geschmack durchdringe und allgemeiner werde. Trotz aller Kritik wollte er jedoch keinesfalls den Eindruck erwecken, dem verdienten Ruhm dieses vortreflichen Schriftstellers Abbruch zu thun, deren wir uns außerordentlich schämen würden (R 69,164). Mauvillon sah den Hauptfehler des Stückes bereits in seinem Plan. Emilia als vermeintliche Hauptperson war ihm zu wenig präsent, wie überhaupt die Ausbildung der Charaktere für Mauvillon wichtiger war als die Handlung selbst. Nach Mauvillon mußte ein theatralisches Stück seine Ordonnanz haben wie ein Gemälde. Es mus in demselben die Hauptfigur oder wenigstens die Hauptgruppe seyn, die gleich in die Augen fält, und
220
Apparat
sich vor allen andern hebt. Die übrigen müssen nach dem verschiednen Antheil, den sie an der Sache haben, in ihr gehöriges Licht gesetzt seyn, und dennoch alle sämtlich zur Hebung der Hauptperson oder Gruppe concurriren (R 69,165). Dies sei aber hier überhaupt nicht der Fall, denn der Prinz, der wirklich die Hauptperson ist, auf den kau,
wegen des gehässigen Lichtes, in welchem sich seine Leidenschaft zeigt, kein Interesse fallen (ebd.). Um echte Rührung zu erzeugen, hätten seiner Meinung nach Emilia und Appiani die Hauptgruppe bilden müssen. Und der Zweck aller übrigen Figuren hätte nach diesem Konstrukt darin bestanden, darauf hinzuarbeiten, diese Figuren im G e m ä l d e herauszuheben (R 69,166). Einen weiteren H a u p t f e h l e r des Stückes entdeckte er darin,
daß der Gegenstand dessen, was man zu fürchten hat, nicht bestirnt ist (R69,167f.). Der Zuschauer sei nur ungenügend auf die Unglücke im Stück vorbereitet, er sei gespannt, was der Prinz sich wider die Hochzeit einfallen lasse. Nun aber, da durch Appianis Tod
sich gleich zeiget, daß die Heirath nicht vor sich gehen wird, so geräth der Leser in eine ganze Ungewisheit, über dem was sich noch zutragen wird. Ja das Stück verfält dadurch in den Hauptfehler, daß es sich in zwei Theile zerschneidet, da bei dem zweiten ein ganz neues und anderes Interesse anfängt (R 69,168). Da Appiani nun tot sei, wisse der Leser gar nicht mehr, von woher er eine Catastrophe erwarten sol (ebd.). Ebensowenig war Mauvillon die Rolle des Conti einsichtig. Er verstand nicht, warum so
viel Fäden angesponnen werden, die zu nichts führen (R 69,172). In diesem Zusammenhang erachtete er auch die Figur der Orsina als überflüssig. Aufgenommen wurde diese Besprechung gänzlich unterschiedlich. Der Leipziger Prediger Georg Joachim Zollikofer bewertete Mauvillons Kritik positiv und ganz im Sinne des Übersetzers und Kritikers Christian Garve, wie er diesen am 10. November 1772 wissen ließ (s. B 91). Lessing selbst soll, wenn man dem Brief des Braunschweiger Predigers Christian Günther Rautenberg an Ludwig August Unzer Glauben schenken darf, gesagt haben,
daß der Recensent (Mauvillon) nach seinen (Mauvillons) Grundsätzen richtig, aber nach sehr falschen Grundsätzen raisonnire (B 97). Dieses Urteil gab Unzer etwas >verkürzt< an
seinen Freund Mauvillon weiter: Lessing hat über Ihre Critik der Galotti gesagt: der Verfasser habe nach seinen Grundsätzen geurtheilt (B 98). Unzer zeichnete auch für eine zweiteilige Besprechung der Auserlesenen Bibliothek in der Neuen Braunschweigischen Zeitung verantwortlich. Diese erschien in den Nummern 175 und 176 am 10. und 12. November 1772. Über Mauvillons Beurteilung war damals im zweiten Teil zu lesen: D i e K r i -
tik über die Emilia Galotti ist durchgedacht, und mit nicht gewöhnlicher Einsicht abgefaßt. Wie weit läßt sie das Gewäsche hinter sich, womit uns einige Briefe in den neuen Hamburger Zeitungen beschenkten! (R75). Mit Gewäsche waren die Briefe Wesselys (s. R 3 2 u.a.) wenig freundlich umschrieben. Durch dies Urtheil, das m i t w e n i g
Worten sehr viel sagt wurde Eschenburg auf jene so gepriesene Kritik neugierig (R 76,3). Er erhoffte sich von der Lektüre, auf ihm bislang noch unbekannte Schönheiten des Trauerspiels aufmerksam gemacht zu werden. Für den Fall, daß der Kritik e t w a Tadel
eingemischt wäre, rechnete Eschenburg immerhin noch auf scharfsichtige Bemerkungen und einsichtvolle B e l e h r u n g e n des Kenners (R 76,3). Doch seine Erwartungen wurden jäh enttäuscht. Eschenburg, der seine eigene - wie oben erwähnt - im März und April 1772 erschienene mehrteilige Besprechung der Tragödie (s. R 8 u.a.) nun als in der ersten
Wärme der Empfindungen über dies damals noch ganz neue Meisterstück geschrieben
Wirkungsgeschichte
221
(R 76,3) bezeichnete, fühlte sich verpflichtet, den von Mauvillon vorgebrachten, angeblichen Mängeln des Stücks nachzugehen und das Gegenteil zu beweisen. Die vierteilige Erwiderung des Lessingfreundes wurde zwischen dem 3. und 8. Dezember 1772 ebenfalls
in der Neuen Braunschweigischen Zeitung abgedruckt (s. R 76 bis R 79). Das Argument Mauvillons, daß ein Theaterstück wie ein Gemälde aufgebaut sein müsse, d.h., die Neben-
figuren sollten sich um die deutlich erkennbare Hauptfigur oder Gruppe von Hauptfiguren formieren, läßt Eschenburg nicht gelten. Ganz im Gegenteil, er versuchte den Unterschied zwischen der Kunst der Malerei und der Kunst der Dramaturgie herauszuarbeiten:
Die Verschiedenheit der Mahlerey und Poesie in Ansehung der coexistirenden und succeßiven Vorstellung der Gegenstände ist bekannt genug. Eben, weil die Mahlerey nur Gegenstände der erstem Art darstellen, weil sie dies nicht anders als durch natürliche Bezeichnung, durch ein unsern Augen aufgestelltes Bild thun kan, so fodert der mahlerische Theorist Hauptfigur und Unterordnung der Nebenfiguren. Aber im Drama, wo die Begebenheit nach und nach in ihren Veranlasssungen, Umständen und Folgen sichtbar wird, wo man oft die erstem aus den letztern errathen kan, wo die Worte der That zu Hülfe kommen, hier fodert der Kenner nichts weiter als — was freylich jenen Erfodernissen in der Mahlerey, den gedachten Unterschied zum Grunde gelegt, völlig entspricht Haupthandlung und Unterordnung der Nebenhandlungen. Nicht durchaus eine Hauptperson, die am meisten spricht, am meisten handelt; denn das kömmt auf die Beschaffenheit der Handlung an, welche zum Grunde liegt. Diese kan oft von der Art seyn, daß die Person, welche am meisten dabey intereßirt ist — wenn man will, immerhin die Hauptperson — nicht viel selbst mit ins Spiel kömmt, wenn sich gleich das Spiel beständig um sie dreht, und wir sie, auch wenn sie lange von der Bühne bleibt, bey dem, was auf derselben vorgeht, niemals aus den Gedanken verlieren. (R 76,4) Für Eschenburg stand es außer Frage, wer die Hauptfigur des von Mauvillons verurteilten
Trauerspiels ist: Emilia bleibt es allemal; das heißt, Emiliens Schicksal ist die Haupthandlung, für die alle Triebfedern des Stücks in Bewegung gesetzt werden, Emiliens Schicksal ist es, was den Prinzen, den Kammerherrn, den Vater, die Mutter, die Gräfinn, u.s. f. in Handlung setzt; alles, was vorgeht, bezieht sich auf Emilien, als einen G e g e n s t a n d v o n d e r L i e b e d e s P r i n z e n , [ . . . ] (R77,3). Und auch Mauvillons zweiten zentralen Einwand, daß in dem Stück nach der Ermordung Appianis ein Bruch sei und danach
ein ganz neues und anderes Interesse anfange (R 69,168), vermochte Eschenburg nicht nachzuvollziehen:
Es wäre doch arg, wenn ein solcher Dichter einen solchen Fehler, der mit Recht ein Hauptfehler heisse, hätte begehen können. Aber wir mögen umhersuchen, wo wir wollen, so finden wir diese Zerschneidung des Stücks, dies getheilte Interesse nirgends anders, als in dem Kopfe unsers Kunstrichters und in seiner »durchgedachten« Recension. (R 77) Ganz im Gegenteil, die Ermordung Appianis setze den Zuschauer noch mehr in Erwartung
der Katastrophe: Als ob die Anwendung eines solchen Mittels uns nicht alles für Emilien fürchten liesse! als ob nicht eben dadurch unsre Besorgniß für sie um ein grosses v e r m e h r e t w ü r d e ! (R 77,4). Ebenso waren Eschenburg die Einwände wider die von Lessing gewählte Exposition ein Rätsel. Die Leidenschaft des Prinzen sei der Hauptgrund, worauf
das Interesse des Stücks beruhen solle: womit macht uns aber der Dichter gleich Anfangs
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Apparat
anders bekannt, als mit beyden, mit dieser Leidenschaft, und ihrem Gegenstande? (R 78). Desgleichen teilte er Mauvillons Meinung nicht, daß die Contl-Szene zu nichts führe und die Figur der Orsina überflüssig sei (s. R 78). Mauvillons letzter Kritikpunkt bezog sich auf die Sprache. Lessing versuche in der E m i l i a , alte deutsche Wörter wiederzubeleben:
Die Wörter Traun, Bieder, und dergleichen sind im gemeinen Leben nicht üblich, kein Mensch gebraucht sie, warum sol man sie auf die Bühne bringen? Das ist wider die Natur der Sache. Auch die Exclamationen Huyl Husch, Husch! und dergleichen scheinen uns pöbelhaft und in dem Munde von Personen von Emiliens und Marineiiis Stande ungeziemend. (R 69,187) Die Verwendung fremder Wörter wie Villa und Vegghia sah Mauvillon ebenfalls nicht ein: Last m a n auf deutschen Bühnen Italiäner Deutschsprechen, so kan man sie diese Sachen auch deutsch sagen lassen. So ein italiänischer Brocken trägt zur Wahrheit nichts bei, und ist kein besondrer Zierrath (R 69,187). Eschenburg vertrat dagegen die Ansicht, daß man nirgends besser als auf der Bühne alte Worte wieder g a n g b a r m a c h e n
könne und schloß mit der Frage: wer kann das mit glücklicherm Erfolge thun, als ihr
erster Dichter? (R 79). Die Sprache E m i l i a Galottis spielte in den wenigsten Beurteilungen eine Rolle, und wenn, dann eher im Umfang des oben Angegebenen. Einzig Johann Friedrich Heynatz beschäftigte sich im dritten Teil seiner Briefe die D e u t s c h e S p r a c h e betreffend, der im Oktober 1772 erschienen war, ausführlich mit diesem Punkt (s. R 73). Gewicht bekommen die Anmerkungen Heynatz' durch eine Aussage Lessings. Dieser schrieb am 5. Dezember
1772 an seinen Bruder Karl Lessing: Kennst D u denn den Rector Heynatz? Was er von der Sprache meines Stückes (gemeint ist Emilia Galotti) sagt, ist in vielen Stücken wahr (B 94). Heynatz lobte die sparsame Verwendung von Inversionen, wodurch die Schönheit dieses Stilmittels noch stärker zum Ausdruck komme: D i e s Gesetz der S p a r s a m -
keit verräth den Meister, jede Verschwendung oder vielmehr Verquistung den Anfänger, der alles thut, was er Macht hat, Schönheit auf Schönheiten, Nachdruck auf Nachdruck ladet, und darüber schal und matt wird. Nicht so Herr Lessing. Ihm ekelt vor der gewöhnlichen Sprache der Söhne Teuts nicht (R 73,62). Doch Heynatz, der 1770 eine Deutsche Sprachlehre zum Gebrauch an Schulen herausgegeben hatte, untersuchte die Sprache E m i l i a Galottis akribisch. Neben mehreren Zweifelsfällen, in denen er sich nicht sicher war, ob er eine Inversion angeraten fand und zur Nachahmung empfehlen konnte, nannte er Stellen - er verwendete dazu die Seitenangaben der T r a u e r s p i e l e (D 1 ' 2 ) - , an denen er auf sie verzichtet hätte: S. 348 (TEXT 57,5f.) jetzt halten Sie länger u n d S. 350 (TEXT 57,33f.) Schade,
daß ich über diese (dieser) Lüge
sich nicht
Sie ertappen
auf,
muß. I n
den mittlem beiden Stellen hat doch wol nicht der Zusammenlauf der Wörter Sie und sich H r n . L e s s i n g h a r t g e d ü n k t ? (R 73,63). Er lobte die natürliche und ungezwungene Sprache des Stücks (s. R 73,63) und führte die seiner Meinung nach neuen Wörter auf, die
Lessing in E m i l i a Galotti anbrachte: Ich blickte mich um (S. 286) (TEXT 26,9; die Stelle im Text heißt eigentlich: Ich blickte mich nicht um) scheint mir dahin zu gehören. Edler wäre es freilich etwas, als ich sah mich um, und ausdrückender ist es viel; denn es zeigt die öftere Wiederholung und die Furchtsamkeit an. Der Tolldreiste (S. 313) (TEXT 39,13) ist von dem Tollkühnen sehr, und
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von dem Wagegehalse (sie!) etwas unterschieden. Endlich Mitbewerber ist in vielen Fällen unstreitig besser zu gebrauchen, als Nebenbuhler.; so wie in dem, worinn es hier zuerst gebraucht ist (S. 289) (TEXT. 27,32). Dies sind, wie gesagt, die Wörter alle, die mir neu vorgekommen sind. (R 73,64) Des weiteren analysierte Heynatz Wörter oder Redewendungen, die seiner Meinung nach alt und nicht mehr in Gebrauch oder mundartlich waren. Unter anderen bemerkte er zu dem immer wieder in der Kritik stehenden Ausdruck >SchnickschnackvonFehlers19ten dennoch nicht. Schröders
264
Apparat
A n g e l o desto mehr, berichtet Meyer (1819: 230). Trotzdem ist Schröder in den nachfolgenden bekannten Aufführungen wieder als Marinelli aufgetreten. Laut Meyer änderte die T o n a n g e b e r i n später ihre Meinung. Schröder war inzwischen nach längerer Abwesenheit als anerkannter Künstler nach Hamburg zurückgekehrt. Die namentlich nicht genannte Person drängte dem Schauspieler, der in der Zwischenzeit in Berlin, Wien, München und Mannheim gefeiert worden war, ihre Bewunderung auf. » G l e i c h w o h l , « erwiederte dieser, » w ü r d e ich jetzt den M a r i n e l l i u m kein H a a r breit anders spielen, als vor zehn Jahren. A u c h der, den es I h n e n d a m a l s beliebte so hoch über, jetzt so tief unter m i r zu erblicken, ist noch der er war. N i c h t wir h a b e n u n s r e Fertigkeit, S i e h a b e n I h r e Ansicht v e r ä n d e r t . « (MEYER 1819: 231), schließt Meyer die Anekdote. Im Altonaer B e y t r a g z u m Reichs-Postreuter, der - wie bereits erwähnt - wegen seines Redakteurs Wittenberg ohnehin gegen Schröder eingestellt war, erhielt die erste Hamburger Aufführung im Ganzen noch Beifall. Schröder selbst natürlich nicht: A m 15ten (Mai 1772) war Emilia Galotti auf der Hamburgischen Bühne zum erstenmal mit vielem Beyfalle aufgeführt (s. A 11). Den Schauspielern und Schauspielerinnen machte diesmal ihr Spiel fast durchgehends Ehre, ausser Schrödern, der sich zum Marinelli eben so wenig, als zum Westindier schickte, Wolfram (Georg Friedrich Wolfram), der den Camillo Rota verdarb, und einem paar andern, die Nebemollen spielten, und nie auf der Bühne erscheinen sollten. (R41) Drei Tage später konnte man in einer Fortsetzung lesen: H e r r n Schröders
A n s t a n d ent-
sprach d e m K a m m e r h e r r n g a n z u n d gar nicht; er sprach dabey ziemlich u n v e r n e h m lich, aber er war n u n e i n m a l K a m m e r h e r r , u n d m u ß t e folglich auch die A n r e d e halten (R44). Gemeint war hier der Prolog Bocks in der Rolle des Marinelli. Dabei lobte der Schröder-Biograph und Augenzeuge Meyer unter anderem dessen Aussprache: Schrödern begünstigten seine Gestalt, seine vollendete Declamation, die Gewalt über jede seiner Bewegungen, mit Bedeutung aufzutreten ohne Einspruchsvoll, mit körperlicher Ausbildung ohne geziert zu erscheinen, und Sicherheit und Gewandtheit des Benehmens zu verbinden. Er schmückte Marinelli's Verdorbenheit nicht, aber er war weit entfernt sie zu übertreiben. D e n Meister bezeichneten besonders die Züge, aus denen eine Spur nicht ganz vertilgter Menschlichkeit hervorbricht. »Gestern, wahrlich hat sie mich sonderbar gerührt usw. — Sie sind außer sich, Gnädiger Herr — Aber was ist Ihnen? — Erkennen Sie die Frucht Ihrer Zurückhaltung —« und Alles was dahin zu rechnen ist, vornämlich aber: »Ah, mein Prinz, sobald Sie wieder Sie sind, bin ich mit ganzer Seele wieder der Ihrige!« hatten in seinem Munde einen Anklang, der den Vertrauten empfahl, und dem Zuschauer begreiflich machte, daß der Gebrauch eines Dieners, der keinen andern Willen hat als den seines Herrn, leichter zu tadeln als zu entbehren ist. Ein doppelter, geschmackvoller und reicher Anzug vollendete die Erscheinung. ( M E Y E R 1819: 234)
Auch wenn Meyer augenscheinlich Schröder sehr verbunden war und die Begebenheit, an die er sich erinnerte, beinahe dreißig Jahre zurücklag, so dürfte Schröder den Marinelli doch ganz gut gegeben haben. Er spielte die Rolle des Marinelli zum letzten Mal am 23. Juli 1773 in Hamburg (s. A 4 8 und MEYER 1819: 257). Nach Meyer erreichten auch die beiden Ackermannschen Schwestern das Ideal des D i c h t e r s (MEYER 1819: 234), und der Prinz schien f ü r B r o c k m a n n geschrieben, u n d konnte nicht liebenswürdiger g e d a c h t
Abb. 42: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen. G o t h a 1775. Niedersäch-
sische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
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Apparat 6.
Abb. 43: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothai scher Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen. Gotha 1775. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
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Wirkungsgeschichte
werden (MEYER 1819: 234f.). Borchers als Odoardo, Sophie Reinecke als Claudia sowie ihr Mann Johann Friedrich Reinecke als Appiani machten ihrer Bestimmung Ehre, und die Nebenpersonen waren seiner Meinung nach - im Gegensatz zu der des Reichs-Postreuters - glücklich besetzt (MEYER 1819: 235). Darüber hinaus verrieten Decorationen, vorbereitende und vermittelnde Tonstücke eine sorgfältige Auswahl derselben (MEYER 1819: 235). Die Dekoration fand auch bei Schütze in seiner Hamburgischen Theater-Geschichte Beifall: Der Theatermahler Zimmermann, [...] hatte zu dieser Vorstellung ein trefliches modernes Staatszimmer gefertigt, das, als der Vorhang aufrollte, mit Händeklatschen bebeifallt ward (SCHÜTZE 1794: 388). Zimmermann wurde in späteren Jahren für seinen 1778 für das Hamburger Theater gestalteten Theatervorhang gelobt, auf dem unter anderem die sterbende Emilia zu sehen war, wie sie in die Arme ihres Vaters sank, welcher der Wahrheit seinen blutigen Dolch zuwirft (R 283, s.a. R 293). Bekannt sind für das Jahr 1772 fünf Aufführungen der Ackermannschen Gesellschaft: am 15. Mai (A11), 19. Mai (A13), 25. Mai (A14), 16. Juni (A 17) und am 19. August (A 23). Nach Ursula Schulz (1977: Nr. 306) gab die Gesellschaft noch mindestens eine Aufführung zwischen dem 13. März und 11. April 1772 in Schleswig (s. A7), das hieße dann vor der Hamburger Erstaufführung. Bestätigen ließ sich die Aussage durch zeitgenössische Quellen nicht. Für das Jahr 1773 konnten zwei Aufführungen nachgewiesen werden (s. A 4 8 und A 54), für 1774 fünf (s. A60, A61, A63, A 65, A69), für 1775 eine in Hamburg (s. A 81) und zwei in Schleswig (s. A 77 und A79), für 1776 keine, für 1777 zwei (s. A 139 und A 140), für 1778 drei (s. A 147, A 152 und A 160), für 1779 eine (s. A205) und für 1780 eine (s. A218). Im Jahr 1781 fand bis zu Lessings Tod am 15. Februar keine Aufführung statt, aber nach seinem Tode wurde Emilia Galotti nicht nur in Hamburg ihm zu Ehren mehrmals aufgeführt. Wien Bei der Wiener Erstaufführung am Samstag, den 4. Juli 1772 hob sich der Vorhang in Anwesenheit des Kaisers Joseph II. Eva König, die sich zu dieser Zeit geschäftlich in Wien aufhielt, war Zeugin der Premiere und schrieb Lessing nach Wolfenbüttel, daß das Stück mit außerordentlichem und allgemeinem Beyfall drei Tage nacheinander aufgeführt worden sei (B 79; s. A 19, A 20 und A 21). Der Kaiser habe es zweimal gesehen und es sehr gelobt. Das muß ich aber auch gestehen, hat er gesagt, daß ich in meinem Leben in keiner Tragödie so viel gelacht habe (B 79). Sie selbst mußte zugeben, daß sie in ihrem ganzen Leben in keiner Tragödie so viel habe lachen hören; zuweilen bey Stellen, wo, meiner Meinung nach, eher hätte sollen geweinet, als gelacht werden (B 79). Eva König war der Meinung, daß die Vorstellung nur sehr mittelmäßig ausgefallen sei. Lob hatte sie lediglich für die Jugendbekanntschaft Lessings aus Leipziger Tagen, Christiane Friederike Lorenz, übrig, die in der Zwischenzeit eine verheiratete Huber war. Die Huberin hatte den Part der Claudia inne. Nach Eva König spielte sie in der größten Vollkommenheit, und wenigstens ich habe in meinem Leben keine Rolle so ausführen sehen, und bey keiner das empfunden, was ich bey der empfand (B 79). Ganz anders beurteilte sie die schauspielerische Leistung Christian Gottlob Stephanies. Stephanie d.Ä. spielte den Prinzen: ich möchte fast sagen: so schlecht wie möglich (B 79), war Eva Königs Urteil.
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Apparat
Die Szene mit Conti und Hettore Gonzaga im vierten Auftritt des ersten Aufzugs verlor ihrer Meinung nach hier ihren ganzen Werth. Denn die spielt der Prinz und der Mahler, beyde zugleich so abgeschmackt, daß man sie möchte mit Nasenstübern vom Theater schicken (B 79). Stephanie werde täglich affektierter und unerträglicher, besonders in den wortlosen Aktionen: Was thut er zuletzt in Ihrem Stücke? Er reißt sein ohnedem großes M a u l bis an die Ohren auf, streckt die Zunge lang mächtig aus dem Halse, und leckt das Blut von dem Dolche, womit Emilia erstochen ist. Was m a g er damit wollen? Ekel erregen? Wenn das ist, so hat er seinen Endzweck erreicht, schließt sie ihren Bericht. Durch Eva Königs Ausführungen erhielt Lessing einen sehr negativen Eindruck von der Wiener Premiere. Er antwortete ihr am 29. Juli 1772: Nach allem, was Sie m i r davon schreiben, muß sie ganz abscheulich ausgefallen seyn. Der abscheuliche Kerl, der Stephanie! Und das alles lassen sich die Wiener so gefallen? (B 85). Zwar seien ihm die Wiener Zuschauer schon längst eben so verdächtig, als die Akteurs. Daß sie indeß hier und da in m e i n e m Stücke gelacht haben, ob es gleich eine Tragödie seyn soll, verdrießt mich nun wohl nicht: aber freylich, wenn die Akteurs alles Ihrige dazu beygetragen, daß die Zuschauer da lachen müssen, wo sie sicherlich hier bey uns nicht gelacht haben, so hat es der Kaiser wohl schwerlich zum Lobe des Stückes gesagt, daß er in keiner Tragödie mehr gelacht habe, als in dieser (B 85). Eva Königs Brief bot Lessing einen Anlaß, an Tobias Freiherrn von Gebler über die Wiener Aufführung zu schreiben. Dieser hatte Lessing versprochen, Eva König bei ihren Wiener Geschäften behilflich zu sein. Es handelte sich dabei um den Verkauf zweier Fabriken ihres verstorbenen Mannes Engelbert König. Gebler, der selbst literarisch tätig war und Lessing seine Produkte zur kritischen Beurteilung zukommen ließ, hatte durch Eva König ein Exemplar des Erstdruckes der Emilia erhalten (s. B 32*, B 33 und ENTSTEHUNG: 190). Gebler hatte die Tragödie in einem heute verschollenen Brief vom Mai 1772 (s. B 72*) gegenüber Lessing sehr positiv begutachtet (s. B 89). Lessing antwortete erst am 25. Oktober 1772. In seinem Brief - er hatte wohl inzwischen auch Zeitungskritiken gelesen - kam er nochmals auf die Wiener Aufführung zu sprechen: Daß meine Emilia auch bey der Vorstellung in Wien nicht mißfallen, ist mir sehr lieb gewesen. Aber über einen einzigen Umstand dabey kann ich mich unmöglich enthalten, mein äußerstes Befremden zu bezeugen. Wien hat jetzt die einzige Person, von welcher ich glaube, daß sie die Orsina würde gut gemacht haben; und diese einzige Person hat gerade diese Rolle nicht gemacht, hat überhaupt keine Rolle in dem Stücke gemacht. Was soll ich davon denken? Entweder ist das Wiener Theater auf einer Staffel der Vollkommenheit, von der ich mir keinen Begriff machen kann; oder auf einer Staffel der Mittelmäßigkeit, von der ich mir keinen Begriff machen will. Ich bin kein persönlicher Freund von Madame Hänselin (Sophie Friedericke Hensel). Aber ich muß ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich noch keine Actrice gefunden, die das, was sie zu sagen hat, mehr versteht, und es mehr empfinden läßt, daß sie es versteht. Wo man dieser Vollkommenheit, die ich für die höchste eines Schauspielers halte, ein wenig mehr Jugend und Schönheit, ein wenig mehr Anstand, ein wenig mehr von dem elenden Dinge, das man a i r der großen Welt nennet, vorziehen kann, da ist man sicherlich in der Empfindung des Wahren noch sehr weit zurück. Ich will nicht glauben, daß dieses so ganz der Fall in Wien ist: aber! aber! des Hrn. von Sonnenfels (Joseph Reichsfreiherr
Wirkungsgeschichte
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von Sonnenfels) kritische Blätter über das Wiener Theater haben mich schon längst so etwas besorgen laßen. — Doch ich enthalte mich, mich weiter darüber zu erklären. Was in meiner Aeußerung Beleidigendes für das Wiener Publicum seyn dürfte, will ich gar nicht, oder nur zu einem Freunde im Vertrauen gesagt haben. (B 89) Außerdem war Lessing besorgt, weil er befürchtete, daß irgendwelche Änderungen im Stück vorgenommen worden waren. Er gab seiner Meinung über diese wohl gängige Wiener Vorgehensweise deutlich Ausdruck: Denn daß man ein Stück von mir in Wien ohne Veränderungen aufführen werde, das habe ich nach dem, WEIS meine Stücke beständig daselbst erfahren, gar nicht zu erwarten. Selbst aus dem einen Theater-Kalender habe ich gesehen, daß man noch kein einziges aufgeführt, ohne daß es nicht dieser oder jener Herr entweder überarbeitet, oder verkürzt, oder für das dasige Theater eingerichtet hätte. (B 89) Die Wiener Blätter reagierten zunächst sehr spärlich. Einer kleinen Notiz im Wienerischen Diarium vom 8. Heumonat (= Juli) 1772 (s. R 57), die am 16. Juli 1772 nochmals in der Berlinischen privilegirten Zeitung zu lesen war (s. R 59) konnte man entnehmen: Das am abgewichenen Samstage auf allhiesige Schaubühne zum erstenmale gebrachte Trauerspiel Emilia Galotti, ein Werk des vortreflichen Lessings, und ein würdiges Geschwister der Minna von Barnhelm, ist von dem Publiko mit entschiedenen Beyfalle, und mit allgemeiner Empfindung beehret worden. (R 57) In einer Anzeige der Realzeitung der Wissenschaften, Künste und Kommerzien vom 11. Juli 1772 hieß es lapidar: Den 4. zum erstenmale das neue Trauerspiel des Herrn Justizrath Lessings: Emilia Galotti, welches den 5. und 6. wiederholet wurde. Davon ein wenig weitläuftiger das Nächstemal (R 58). Dieses Nächstemal sollte eine Woche später sein, am 18. Juli 1772. Zunächst erfolgte eine allgemeine Kritik des Dramas, die sich in ihrem ersten Teil mit der Wiedergabe des Urteils der Auswärtigen von unserer Emilie befaßte und dabei weitgehend aus zwei Kritiken der Berlinischen privilegirten Zeitung (s. R 12) und der Hamburgischen Neuen Zeitung (s. R 21) zitierte (s.o. S. 208). Im zweiten Teil der Kritik, der am 25. Juli 1772 erschien, beschäftigte sich der Rezensent mit der Wirkung des Trauerspiels auf das Wiener Publikum: Bey den mannigfaltigen Schönheiten dieses Trauerspiels kann man leicht auf den Eindruck schließen, den es auf ein gefühlvolles Publikum gemacht haben wird. In der That empfand es alles, was nur der Dichter hineingelegt hat. Viel gesagt, wird man mir zur Antwort geben. Wo ist dies Publikum? Und ich darf zuversichtlich Wien nennen, noch da, wenn es auch nicht so treflich gespielet worden wäre, als hier der Fall war. Man wünschte sich von allen Seiten, der Dichter und Dramaturgist Leßing möchte sich der neuen Luftmaschinen bedienet, und auf einen Abend die Vorstellung seiner Emilie mit eingesehen haben. (R 65,462f.) Der Kritiker gab allerdings zu, daß natürlich jeder die Theatergesellschaft der eigenen Stadt den auswärtigen Gesellschaften vorziehe: Nothwendig sind wir für unsere Schauspieler, und die Auswärtigen sind es für die ihrigen. Wo ist das gute wahre, der Natur gemäße Spiel? Entweder hier nicht, und dort; oder dort und hier nicht, oder einzeln
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Apparat
hier, einzeln dort. Das werde ich hier schwerlich in der Geschwindigkeit ausmachen (R 65). Eine genauere Kritik der einzelnen Akteure blieb er aber schuldig. Am 30. August 1772 stand Emilia Galotti wieder auf dem Spielplan. Diesmal begleitete das Singspiel L'Americano von Niccolò Piccini die Aufführung. Nach Gustav Zechmeister war diese Emilia-Aufführung das »erste sichere Zeugnis von der Funktion der Musik als Ouverture, Zwischenaktmusik und musikalischem Finale« (ZECHMEISTER 1971: 317f.). Als Zeuge gilt ihm Carl Burney, welcher der Aufführung am Wiener Kärntnertortheater beiwohnte. Burney berichtete in dem Tagebuch seiner musikalischen Reisen, es habe eine Anfangssymphonie sowie zwischen den Akten Stücke gegeben, u.a. von Joseph Haydn und Leopold Hoffman. Das Orchester sei stark besetzt gewesen, und die Musikstücke seien sehr gut aufgeführt worden, so daß sie eine sehr schöne Wirkung gemacht hätten (s. R 371). Die Emilia-Galotti-Aufführung am 24. Oktober 1772 (s. A 37), ebenfalls am Kärntnertortheater, ist ein weiteres Beispiel dafür, daß vor und zwischen den Akten verschiedene neue Symphonien gespielt wurden und bestätigt die Annahme, »von nun an hätte sich - obgleich diesbezügliche Nachrichten rasch versiegen - die Verwendung der Musik im Sprechstück eingebürgert« (ZECHMEISTER 1971: 708f.). In der Realzeitung vom 7. Wintermonat (= November) 1772 konnte man lesen, daß diese Aufführung wieder unendlich viel Vergnügen machte, nebst e i n e m neuen großen Rallete, genannt: die Krönung der Königinn von Golkonda (R 74). Wien war die Stadt, in welcher Lessing seine Tragödie fast drei Jahre nach ihrem Erscheinen am 19. April 1775 zum ersten Mal aufgeführt sehen sollte (s. A 80). Wie Gebler in einem Brief vom 15. Juli 1775 an Nicolai versicherte, erschallte nach der Aufführung der laute Ruff: Viva Lessing] Unverständige die glauben mochten, der Autor befinde sich auf d e m Theater, f ü g t e n hinzu: Forai Ich hoffe, unser F r e u n d werde eben so zufrieden m i t Wien seyn, als Wien entzückt über seine Gegenwart war (B 121, s.a. R 163). Lessing soll, nach einer Aussage Johann Friedrich Müllers, Johanna Sacco als Emilia Beifall bezeugt haben und m i t der Vorstellung i m Ganzen g e n o m m e n , sehr zufrieden gewesen sein (MÜLLER 1802: 97). Lessing war an der Donau ein gern gesehener und geschätzter Gast. Seine Ankunft in Wien vermeldete das Wiener D i a r i u m am 5. April 1775 mit einer kleinen Notiz: Der berühmte Herr Lessing, herzoglich-Braunschweigischer Rath und Bibliothekar, dessen Emilia Galotti, Minna von Barnhelm, und Sara Sampson, auch Wien so oft entzückt haben, und dessen Name den Begrif des Litterators, Altenthümerkenners, Dramaturgisten, und zugleich Meisters der dramatischen Kunst, mit sich führt, ist vor einigen Tagen hier angekommen. (R 141) Ebenso hatte die Realzeitung eine Nachricht von seiner Ankunft eingerückt, in welcher sie die ihm zu Ehren abgehaltenen Stücke erwähnte (s. R 144). Kaiserin Maria Theresia gewährte Lessing 1775 sogar eine Audienz (s. Brief an Karl Lessing vom 7. Mai 1775; LLMA 18: 138, Nr. 438). In Wien stand E m i l i a Galotti zu Lessings Lebzeiten mindestens einmal pro Jahr auf dem Spielplan: 1773 dreimal (s. A 46, A 49 und A 54), 1774 einmal (s. A 65), 1775 einmal (s. A82), 1776 dreimal (s. A 8 7 , A 9 7 und A 101), 1777 einmal (s. A 128), 1778 einmal (s. A 161), 1779 einmal (s. A 181) und 1780 dreimal (s. A 221, A 223 und A 231).
Wirkungsgeschichte
Abb. 44: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen. Gotha 1775. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
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Apparat
Abb. 45: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen. Gotha 1775. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
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Wirkungsgeschichte Weimar
Am vorletzten Tag des Jahres 1772 kam das neue Stück Lessings noch im Weimarer Schloß-
theater auf die Bühne (s. A35). In einem Sendschreiben über die Ekhofische Schauspieler-Gesellschaft in Weimar, welches im Magazin zur Geschichte des Deutschen Theaters veröffentlicht wurde, hatte man sich schon ob des späten Aufführungstermin gewundert:
Sie werden erstaunen, wenn ich Ihnen sage, daß Emilia Galloti, welche von Wäsern (Johann Christian Wäser), Abt (Karl Friedrich Abt) und Marchand
(Theobald Marchand)
schon parodirt worden, bey dieser Gesellschaft im October 1772 noch nicht aufgeführet w a r (R 89). Wie Karl Lessing bereits gemutmaßt hatte (s. B 46), spielte der berühmte Hans Konrad Dietrich Ekhof den Odoardo, und es sollte wirklich eine seiner Paraderollen wer-
den. In der Chronologie des deutschen Theaters bemerkte man 1775 dazu: Emilia Galotti prangt nun auf allen unsern Bühnen; aber Herr Eckhof ist der einzige wahre Odoardo (R 155). Nicolai hielt sich im Mai 1773 einige Tage in Weimar auf, unter anderem
um die Rolle des Odoardo in Lessings Emilia Galotti von Eckhof spielen zu sehen; dessen Talent mir Lessing so oft, als einzig in seiner Art, gepriesen hatte (NICOLAI 1807: 31). Nicolai war von Ekhofs Spiel derart angetan, daß er sich über dreißig Jahre später doch noch sehr lebhaft der wunderbaren Wirkung dieses Spiels erinnerte (NICOLAI 1807: 35). Als Beispiel für die Ausstrahlungskraft, die Ekhof besaß, gab Nicolai folgende Szene wieder, die er bei der Aufführung am 25. Mai 1773 in Weimar (s. A46) erlebte:
In der vortrefflichen Szene, (in des vierten Akts siebentem Auftritte,) zwischen Orsina und Odoardo, wo dieser, nachdem er von der Gräfin den Dolch empfangen hat, erst nach und nach erfährt, wer sie ist, fing Eckhof während dieser Entdeckung an, mehreremale Ein seinem | in der linken Hand vor sich habenden Federhute zu zupfen, indem er (36) die Gräfin von Zeit zu Zeit bedeutend von der Seite ansah. Man verstand sehr klar aus seinem stummen Spiele, daß der Gedanken, den er in einer folgenden Szene auspricht: »Was hat die gekränkte Tugend mit der Rache des Lasters zu schaffen?« ihn innerlich ergriff, und immer desto mehr, je wüthender Orsina ihre Rache ausdrückt. In der Folge, im 3ten Auftritte des 5ten Aufzuges, da Marinelli ihn merken läßt, Emilia sollte wider seinen Willen dennoch nach der Stadt gebracht werden, wird er darüber indignirt; aber in dem sinnvollen Monolog des vierten Auftritts gebeut (sie!) er sich selbst Ruhe. In dem folgenden vortrefflichen Auftritte, zwischen dem Prinzen Marinelli und Odoardo, sucht der letztere, so viel möglich, sich in | äußere Ruhe zu setzen. Da ihn (37) darauf der Prinz mit Hof-Höflichkeit betäubt, vergißt er sich, den Marinelli mit einer Art von Triumph zu fragen: »Nun, mein Herr?« dieser entfaltet nunmehr seinen hinterlistigen Plan nach und nach. Odoardo erkennet dann das schreckliche Geheimniß, und da Marinelli endlich die Stirn hat, zu sagen: »Er habe Verdacht, daß ein Nebenbuhler des Grafen Appiani ihn habe aus dem Wege räumen lassen,« so verliert Odoardo alle Fassung, sträubt sich aber doch, es nicht merken zu lassen, so daß er halb im Hinbrüten ist. Hier fing Eckhof abermahl das gleichsam bewußtlose Zupfen am Federhute an, und als Odoardo's innerer Unwillen, den er doch verbergen muß, aufs höchte stieg, nachdem der Prinz in der Folge von einer besondern Verwahrung spricht, pflückte Eckhof konvulsivisch eine einzelne Fe|der aus der Hutbesetzung. Alles war in seinem Spiele so zusammenstim- (38) mend, seine inneren Empfindungen entwickelten sich durch kleine äußerliche Bewegun-
274
Apparat
gen so unvermerkt und doch so schrecklich deutlich, daß bei dem Herausreißen dieses Federchens den Zuschauern ein kalter Schauder überlief. Der sonst gute Schauspieler Borchers, welcher bald nach Eckhof die Rolle des Odoardo spielte, unterließ nicht in dieser Szene auch fleißig am Hute zu zupfen, aber das Federchen flog weg, ohne daß ein Mensch es bemerkte. (NICOLAI 1807: 3 5 - 3 8 ) Bereits a m 19. Juni 1773 schrieb Nicolai über seine Eindrücke, die W e i m a r e r A u f f ü h r u n g betreffend, an Ramler:
Den Dienstag Abend (den 25. Mai 1773) sähe ich Emilia Galotti (s. A46). Den Odoardo von Eckhoff. Mein bester Freundl Ich hatte alles Vorurtheil für diesen großen Mann mitgebracht, meine ganze Imagination angespannt, um mir ein Ideal, das einem Eckhoff gleich käme zu machen, aber wie ward ich von diesem wahren Roscius überrascht! Wie weit blieb mein Ideal hinter seinem Spiele zurück, so sehr als alle Schauspieler die ich kenne hinter Eckhoffen zurückbleiben. Es ist mir schmeichelhaft, daß er den Odoardo auf die Art gespielt hat, wie ichs mir vorstellte, daß er müste gespielt werden, nämlich ganz simpel und natürlich, obgleich weit vortrefflicher, weit illusorischer als ich mir je hätte vorstellen können. Sie müssen wahrhafftig nach Weimar um diesen großen Mann zu sehen, ehe er stirbt. Es scheint mir unmöglich, daß Garrick größer seyn könnte. [...] Dies ist einmahl ein Schauspieler der seinen Autor versteht. Ich versichere Sie, daß durch sein Spiel der ganze Vierte und Fünffte Act der Emilia eine ganz andere Gestalt hat. Wenn Mad. Starkin die Claudia gemacht hätte (obgleich Mad. Bock die Claudia nicht schlecht machte) so wäre die Scene zwischen Claudia Odoardo und Orsina ganz vortreflich gewesen. Denn Mad. Seiler hat die Orsina sehr gut gemacht: ob ich gleich gestehe, daß es mir scheint, sie habe den Charakter nicht so erschöpft als Eckhoff den seinigen. Die furiosen Stellen, machte sie meisterhaft. H. Böck machte den Prinzen ziemlich gut. Mad. Mecour die Emilie ziemlich mittelmäßig und Hr. Brandes quod mirum den Kammerherrn wie — einen Kammerdiener. Doch sagte er quod abermals mirum hin und wieder einige Worte natürlich, viel besser als Brückner. Im 3. Stück des 1. Bandes des v o n Christoph M a r t i n W i e l a n d h e r a u s g e g e b e n e n Teutschen Merkurs schrieb dieser über die A u f f ü h r u n g e n in W e i m a r : Wir müssen es unsrer Gesellschaft zum Ruhme nachsagen, sie wurde, besonders beym zweyten male (am 11. Januar 1773, s. A 38), vortreflich gespielt (R 92). U n d im 3. Stück des 2. Bandes schob er in seine A n m e r k u n g e n z u m Artikel Unvollkommene Schauspieler-Gesellschaften könnten auch die muthigsten Genien abschrecken noch die B e m e r k u n g ein: Leßings Emilia Galotti wird zu Weimar (ungeachtet die dasige — so wie jede andere — Gesellschaft sich bescheiden wird, daß sie noch lange nicht vollkommen ist) so gespielt,
5
Den Hinweis auf diesen Brief verdankt die Herausgeberin W o l f g a n g Albrecht. Leider konnte der Brief nicht mehr in die Dokumentesammlung aufgenommen werden. Er wird aber im Herbst 2003 veröffentlicht in: Wolfgang Albrecht. Lessing im Spiegel zeitgenössischer Briefe. Ein kommentiertes Lese- und Studienwerk. 2 Bde. Kamenz 2003 und ist dort zitiert nach Vossische Zeitung, Berlin, 17. Dezember 1893, Sonntagsbeilage Nr. 51. Den hier abgedruckten Text stellte Herr Albrecht freundlicherweise vorab zur Verfügung.
Wirkungsgeschichte
275
daß d e m Dichter selbst vielleicht wenig dabey zu wünschen übrig bleiben dürfte (R 9 8 ) .
In Weimar wurde Emilia Galotti bis zum Brand des Schloßtheaters im April 1774 neunmal gegeben: 1772 (s. A 35), 1773 (s. A 38, A 40, A 45, A 46, A 51, A 52), 1774 (s. A 58, A 62). Danach fand die Theatergesellschaft unter der Leitung Ekhofs eine neue Bleibe am Gothaer Hoftheater, an dem Emilia Galotti am 9. Juli 1774 zum ersten Mal gespielt wurde (s. A 67). E m i l i a Galotti: Ein Trauerspiel geht auf Reisen Wie schon bei den Rezensionen zum Buch zeigt sich auch bei den Aufführungsorten in den Anfangsjahren ein deutliches Nordost-/Südwestgefälle. Eine Ausnahme bildete hier wieder der österreichisch-habsburgische Raum. 1776 fanden die ersten bekannten Aufführungen in Bayreuth (s. A 97), Ulm (s. A 98), Nürnberg (s. A 100 und A 101) sowie Augsburg (A 112 und A 115) statt. Frankfurt am Main folgte 1777 mit einer Emilia-Galotti-Vorstellung der Seylerschen Gesellschaft (s. A 123), die bis dato in Weimar und Gotha gastierte. In Mannheim konnte man das Trauerspiel erst 1778 bewundern (s. A 151), genauso wie in Stuttgart (s. A 170). Den Weg auf einen Münchner Spielplan fand Lessings Emilia Galotti sogar erst am 5. März 1779 (s. A 184), fast auf den Tag genau sieben Jahre nach Erscheinen der Tragödie. Allerdings sind die Münchner Spielpläne aus den Jahren 1772 bis 1778 nur sehr bruchstückhaft erhalten. Man kann also nicht sicher sagen, daß in den Monaten davor keine Aufführung stattgefunden hat, denn Lessingstücke wurden durchaus gegeb e n (s. L E G B A N D 1 9 0 4 : 4 2 0 - 4 3 5 ) .
Zeitgenössische fremdsprachige Aufführungen sind nur wenige bekannt. Am 12. Januar 1778 versuchten sich Gymnasiasten aus Celle an einer lateinischen Emilia Galotti (s. A 146), die zuvor unter Mithilfe des Rektors Johann Heinrich Steffens übersetzt und gedruckt worden war (dU3; s. TEXTTRÄGER: 120f.). Immerhin brachte die auflagenstarke Staats- u n d Gelehrte Z e i t u n g Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten am 3. Februar 1778 eine positive Besprechung über diese Aufführung heraus (s. R251). Die Übersetzung (d u3 ) fand aber unter den Kritikern nicht nur Fürsprecher (s. R291, R 334). Neben der lateinischen Vorstellung sind zwei dänische Aufführungen in Kopenhagen belegt. Die erste erfolgte wahrscheinlich im Dezember 1778 (s. A 176 und B 131), die zweite am 2. Februar 1781 (s. A 237). Des weiteren weiß man von einer Lesung des französischen Schriftstellers und Advokaten Louis-Sébastian Mercier am 23. Dezember 1779 (s. L 5). Mercier hatte selbst eine Virginia verfaßt, die 1767 in Paris erschienen war. A n jenem 23. Dezember las er aus einer noch nicht veröffentlichten französischen Übersetzung der Emilia Galotti. Ein Ereignis, von dem sowohl die Litteratur- und Theaterzeit u n g (s. R 363) als auch das Deutsche M u s e u m (s. R 369) berichteten - der >Korrespondent< war allerdings in beiden Fällen der gleiche, denn die Artikel sind zum Teil identisch. Aufführungen der Emiila Galotti boten immer wieder Anlaß zu ausführlichen Besprechungen, in denen die einzelnen Rollen und ihre Darstellung kritisch oder wohlwollend hinterfragt wurden. Die Schauspieler der verschiedenen Truppen wurden miteinander verglichen, wodurch sich der jeweilige Schreiberwohl zugleich auch immer als guter Kenner der deutschen Bühnen ausweisen wollte. Das gilt zum Beispiel für den Schauspieler Fried-
276
Apparat
rieh Wilhelm Schütze, der in seinem Dramaturgischen Briefwechsel über das Leipziger T h e a t e r i m S o m m e r 1779 anläßlich einer E m i l i a - G a l o t t i - A u f f ü h r u n g am 30. Juni 1779 (s. A 193) schrieb:
Madame Reinecke, die ihre sonstige Rolle als Claudia abgegeben, hatte dargegen die Gräfinn Orsina übernommen. Wer an den heftigen Aktionen der Madame Brandes Pat di deux< spricht? oder der mir die Aufführung der Emilia Galotti mit Pauken- und Trompetenschall ankündigt: »Zu Ehren und zur schuldigsten Danksagung werden die hiesigen Schauspieler, filr die ihnen so huldreich und großgünstigst ertheilte Erlaubniß aufführen, ein mit Trompeten- und Paukenschall begleitetes, von dem Herrn Leßing verfertigtes großes Trauerspiel Emilia Galotty, oder der hintergangene Fürst etc.« Die Pauken (schrieb mir mein Korrespondent) waren zwey Trommeln hinter einem Vorhange, weil die Kirchen-Inspektoren Bedenken getragen hatten, die Pauken der Kirchenmusik aufs Theater zu leihen. (R 339) Die Aufführungen der Emilia Galotti wurden nicht nur der Kritik wegen besprochen. Das Stück war zugleich beliebtes Beispiel, um auf bestimmte Zustände beim Theater hinzuweisen, wie die Qualität der Schauspieler, Dekorationen und Kostüme etc. Darüber hinaus wurden in den Journalen Prologe und Epiloge abgedruckt, die in den verschiedenen Rollen der Emilia von Schauspielern vorgetragen wurden. Ebenfalls beliebt waren an bestimmte Schauspielerinnen und Schauspieler in ihren Rollen gerichtete Gedichte. Im Falle Emilia Galottis sind neben dem bereits erwähnten Prolog (in der Rolle des Marinelli) und Epilog (in der Rolle des Odoardo) von Bock, ein Epilog i m Charakter des Angelo (s. R 198) und ein Prolog in der Rolle der Emilia (s. R 177, R 181) erhalten. Letzteren hielt Anna Reichart am 12. Juli 1777 in Ulm. In der Allgemeinen Bibliothek für Schauspieler und Schauspielliebhaber konnte man 1776 folgende zwei Gedichte lesen: An M a d a m Reinwald als Claudia Galotti. Leipzig 1774 (s. R 190 und A70) und An Mamsell Döbbelin (Karoline Maximiliane Döbbelin) als Emilia Galotti. Leipzig 1774 (s. R 192 und A 70). Im zweiten hieß es: Nimm für Dein schönes Rosenpflücken / O Spielerinn des Dichters Dankt / Nimm meinen Dank für das Entzücken, / Das tief in meine Seele drang, / Als Du i m bangen Tod erbleichtest, / Gleich der zerknickten Lilie / Dein blasses Haupt zur Erde neigtest / Ganz — ganz Leßings Emilie (R 192). Der Theater-Kalender auf das Jahr 1778 druckte in der Rubrik Gedichte an Schauspieler ein Poem namens An
282
Apparat
Madam Reinecke: als Claudia in Emilia Galotti, im siebenten Auftritt des dritten Aufzuges: den 21. Apr. 1775 (s. R 160 und A 43) ab. Eine weitere Art der Gedichtform Obermittelte die Düsseldorfer Zeitschrift Bagatallen. Litteratur und Theater am 24. Juni 1777 vom Berliner Theater:
Den 17ten May (1777) nahm Mamsell Huber (Sophia Huber) den rührendsten Abschied vom Publiko, und gieng zum Hoftheater nach Dresden. Sie hätte sich keine beßre Rolle wählen können, um länger im Andenken zu bleiben, als die Emilia Galotti (s. A 125), in der sie zum letztenmal mit der größten Vollkommenheit agirte. Nach Endigung dieses Trauerspiels trat sie noch einmal unter dem größten Klatschen der Zuschauer hervor, und recitirte folgende Abschieds-Zeilen, die sie auf Karten-Blätter hatte drucken laßen, und ins Parterr warf: Emilia Galotti starb Doch deiner Huber Dank bleibt leben; Der Beyfall, den Sie sich durch deine Huld erwarb Wird ewig ihr Entzücken gebenl Vergiß es nicht, das arme Mädchen Das stets, dir zu gefallen, sann: Und nimm dies Lebewohl, dies Blättchen Von ihrer tiefsten Ehrfurcht an. Wer hätte nicht Thränen vergießen sollen, über die innigste Rührung, die diese junge Schauspielerin beym Scheiden von einem Publikum empfand, dem sie immer so werth gewesen war? Unsre deutsche Bühne hat Ursach, um Sie so lange zu trauren, bis ihre Stelle wiederum ersetzt ist! — (R 219) Das Theater-Journal für Deutschland vom Jahre 1777 druckte das Gedicht in seinem zweiten Heft ebenfalls ab (s. R221). Andere Gedichte hatten die Moral der Schauspieler zum Thema. Leopold Friedrich Günther von Göckingk veröffentlichte im Theater-Kalen-
der auf das Jahr 1776 ein Gedicht mit dem Titel Als eine Kokette die Aemilia Galotti vorstellte: Wie täuscht ihr künstlich Spiel! denn, glaubt nicht jedermann / Daß diese Dinge wirklich so geschehen? / Doch, trüg ihr in der That ein Prinz so etwas an, / Ey! ey! da würden wir ein artig Schauspiel sehen! (R 161). Ein gewisser F. setzte sich im Namen Abel Seylers mit der Frage auseinander, vor welchem Publikum deutsche Schauspieler in Deutschland spielen müßten: [ . . . ] / Ein Ohr,
das sich beym Possenspiele spitzt, / Verdient es nicht, daß es am Menschenkopfe sitzt; / Und solche Mäulerchen, die bey Emilia lachen, / Soll Jupiter zu Papageyen machen. [...] (R234). Das Stück war schwierig zu spielen. Die Schauspieler verstanden offensichtlich des öfteren ihre Rollen selbst nicht so genau. Ein Punkt, über den immer wieder Klage geführt wurde und der immer wieder Anlaß zu Gelächter bot. So berichtete die Zeitschrift Olla Potrida 1778 über eine Emilia-Galotti-Aufführung der Gesellschaft Nathan Ernst Hündebergs in Riga oder Petersburg (s. A 156):
Bey der ersten Vorstellung verdarb die Madam Hindebergin (Adelheid Hündeberg), die die Gräfin Orsina völlig im unrechten Lichte vorstellte, in etwas sein (Herrn Sauerweids) Spiel. Im dritten Auftritt des vierten Aufzuges bey dem schauervollen Ge-
Wirkungsgeschichte
Abb. 48: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen. Gotha 1775. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
283
Apparat
284
Abb. 49: Kupferstich von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) aus: Gothaischer Hoikalender zum Nutzen und Vergnügen. Gotha 1775. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: (F 3387) LS gen 700/005
Wirkungsgeschichte
285
lächter der Gräfin lachte das Parterre laut mit; so schielend war das Spiel der M a d a m e
Hindebergin.
Statt der verliebten, wütenden, vor Liebe wahnsinnigen, sich unterdrückt und
verachtfühlenden Gräfin, wars eine jetzt rasende, jetzt sich lustigmachende Dame. Aber sie fühlte bald den ganzen Schimpf dieses unzeitigen Gelächters, und besserte ihr Spiel bey der nächsten Vorstellung. (R 269,347f.) E m i l i a Galotti war, wie sich gezeigt hat, durchaus Thema in der damaligen Zeit. Es gab kaum eine Zeitung oder ein Journal, das nicht über das Stück berichtete. Die Dokumente zeichnen ein vielfältiges Bild der unterschiedlichen Inszenierungen. Ermittelt werden konnten von der Uraufführung am 13. März 1772 in Braunschweig bis zur letzten Aufführung zu Lebzeiten des Autors am 7. Februar 1781 in Bonn ungefähr 240 Vorstellungen. Ungefähr deshalb, weil nicht alle Aufführungen gänzlich gesichert sind, und wahrscheinlich sind noch längst nicht alle ermittelt. Von manchen weiß man nur das Aufführungsjahr und die Gesellschaft, nicht aber den Ort oder umgekehrt. V o n anderen wiederum ist das gesamte Begleitprogramm inklusive der Schauspielerinnen und Schauspieler bekannt. Einzelheiten dazu finden sich im »Verzeichnis der Aufführungen«. Dort sind alle bekannten Daten zur jeweiligen Vorstellung aufgelistet und mit Hinweisen auf die dazugehörigen Dokumente versehen. Gesagt werden kann wohl, daß Lessings zweites bürgerliches Trauerspiel von den Gesellschaften immer wieder als Prestigestück in das Programm aufgenommen wurde, auch auf die Gefahr hin, damit nicht das große Geld einzuspielen. Lessing selbst soll 1778 über sein Theaterstück gesagt haben: M e i n e E m i l i a liebe ich herzlich: indessen h a b e n doch der dritte u n d der A n f a n g des 4ten Actes zu viel L a n g weiliges (SEYFRIED 1781: 107).
Variantenapparat 4.1
Personen ] Personen.
4.2
Galotti. ] Galotti
4,5
Hettore ] Buchstabe unter dem H durch Rasur getilgt.
4,8
Maler ]
Gonzaga ] Gonza (1) Mahler (3) Maler
D1
H2A
H
2Kr
Gräfinn ] Gräfin Orsina ] Grsina
4.11
H2A
H1
(2) Ma[h]ler 4.10
H1 H2 D1 D 2 D3
H1
H1 D3
Angelo, und einige Bediente. ] (1) Angelo, [und einige Bediente],
H 2A
(2) Angelo,
Pirro, Bedienter des Odoardo Battista, Bedienter des Marinelli
H 2Ub
(3) Angelo, :||und einige Bediente|j:. Pirro, Bedienter des Odoardo Battista, Bedienter des Marinelli
H2Ub
Anmerkung zu den Textstufen (2) und (3): Schultz (1949: 94) führt diese Variante in einer »list of Lessing's corrections in dark ink« auf. Der Schrift nach ist die Änderung keinesfalls von Lessing. Sie dürfte zeitgleich mit zwei weiteren Varianten (s. 19,4 und 19,5) entstanden sein. Vermutlich stammen sie von Karl Lessing oder einem Verlags- bzw. Druckereimitarbeiter. 5,2
H1 H2 D1 D 2 D 3
Die ] (Die
Kabinett ] Kabinet
H1
Anmerkung: In H 2 wurde das zweite t möglicherweise erst nachträglich mit dunkelbrauner Tinte ergänzt. H1 H2
Prinzen. ] Prinzen) 5,7
Geschaffte ] H1
(1) Geschäfte (2) Geschäfte
H2*
(3) Geschaffte
H2Kr
(4) Geschaffte (5) Geschäfte glaub' ] glaub ich; ] ich,
D3
D D3 2
d V D3
Prinzen.)
D1 D2 D3
288 5.8
Apparat dann ] (1) denn (2) dann
H 2A H 2A oder H 2Lb
5.9
(indem ] (Indem H1 H 2 unterschriebenen ] unterschriebnen
5.10
sieht) ] sieht.) H H D D D Galotti ] Gallotti D1 D 2
5.11
(er ] (Er H1 H2 lieset) ] lieset.) H1
5.12
heißt ] heist D 2 D 3 (er ] (Er H1 H2
5.13
Kammerdiener ] Kammerdiner hereintritt) ]
1
(1) herein tritt.) (2) hereintritt.) wohl ] wol D 2 D 3 5,18
2
1
2
H1 H2
3
D2
H1 H2 d ' D 2 D3
rufen ] (1) ruffen H1 (2) ru[ff]en H 2A (3) rufen H 2Kr (der ] (Der H1 H 2 ab) ] ab.) H1
5.20
arme ] (1) armene H1 (2) armel-ne-] H 2A (3) arme H 2 A oder H 2Lb Anmerkung zu Textstufe (2) und (3): Ob Lessing oder der Abschreiber die Tilgung vornahm, ist nicht zu entscheiden (s.a. LLMA, 2: VI, SCHULTZ 1949: 97). heißen: ] (1) heis| |fen: H 2A (2) heif||fen: H 2Kr (3) heißen: D1 D 2 (4) heißen; D 3 Ruhe, ] Ruhe D 3
5.21
Kammerd. ] Kammerdiener herein tritt) ]
H1 H 2
(1) hereintritt.) H1 (2) herein tritt.) H2 D1 D 2 D 3 5,24
Anmerkung zu Textstufe (1): Die Zusammenschreibung ist nicht eindeutig. Kammerd. ] Kammerdiener. H1 H 2 Läufer ] U-Bogen wurde mit brauner Tinte nachgebessert. H 2Lb
5,27
Kammerd. ] Kammerdiener.
6,1
besser ] (1) beßer
H1
H1 H2
289
Variantenapparat
6.2
(2) beßer
H 2A
(3) besser
H 2Kr
(der ] (Der H1 ab) ] ab.) H1 H2 theure ] (1) theüre H 2A (2) theure H 2 L b
6.3
(bitter ] (1) (Bitter (2) (bitter
H1 H 2A H^ oder H2Lb
(3) (Bitter nimmt) ]
6.4
(1) nimmt,)
H1
(2) nimmt.) wegwirft) ]
H2
(1) wegwirft.)
H1
(2) weg(-f-) (3) Sofortkorrektur wegwirft.) (4) wegwirft.) D1 D 2 D 3 sie ] Sie H1 H 2 6.5
sie ] Sie
6.6
Kammerd. ] Kammerdiener (der ] (Der D 1 D 2 D 3
H1 H 2
herein tritt) ] hereintritt.) Maler ] (1) Mahler
H 2A
H 2A
(2) haben = = H 2 K r herein kommen ] hereinkommen
6.9
(steht ] (Steht H H auf) ] auf.) D 1 D 2 D 3
6.10 6,13
Zweyter ] Zweyte Brodt ]
1
(1) Brod
6,16
H1
(3) Maler H 2Kr haben — — ] (1) haben
6.8
H1 H 2
H1
(2) Math Her 6.7
H2A
(2) Brod (3) Brodt müssen ] (1) müßen
H1 H2A H2Kr H1
(2) müßen H ^ (3) müssen H 2 K r kann ] kein D 2
2
H1
H1 H2
Apparat
290 6,18
vieles ] Vieles H1 H 2 sondern ] (1) sonder H1 (2) sonder[n] H2* (3) sonder
H 2Lb
Anmerkung zu den Textstufen (2) und (3): Die Streichung des n ist nicht eindeutig. Es könnte sich auch um eine Nachbesserung handeln. Weniges ] (1) weniges H2A (2) Weniges
6.20
6.21
6.22 6.26
(3) Malen
6.27
6,30
7.4
H 2Kr
Monathen ] (1) Monaten (2) Monaten
H1 H 2A
(3) Monathen
H 2Kr
entschließen ] entschliessen H1 hole ] (1) hohle H1 (2) ho[h ]le H 2 A (3) hole
7.3
H 2Kr
Anmerkung zu Textstufe (1): Die Groß-/Kieinschreibung ist nicht eindeutig. Porträt ] (1) Portrait H1 (2) Portrait H ^ (3) Porträtt H2Kr (4) Porträt D1 (5) Porträtt D2 D3 befohlen: ] (1) befohlen: H2A (2) befohlen haben: H2Kr (3) befohlen: D1 (4) befolen: D2 Anmerkung zu Textstufe (2): Siehe auch Schultz (1949: 92f.): »He (Karl) tried to improve Lessing's elliptic diction by inserting [...] haben after welches Sie mir nicht befohlen. The red ink is, however, so faint that the printer obviously overlooked the addition.« verdient ] verdienet H1 H2 malen ] (1) Mahlen H1 (2) Math ]len H2A
H 2Kr
Bild! ] (1) Bild: (2) Bild? H1 find' ] finde H1
291
Variantenapparat 7,5f.
Maler ] (1) Mahler H1 (2) Ma[h]ler H2A H2Kr
(3) Maler
7.6
ihr ] (1) [ihm] (2) ihr H1 (3) ihm H2A (4) i h r
H2Lb
Anmerkung zu den Textstufen (2) und (4): Die Änderung in H1 erfolgte nach der Abschrift von H 2 . Ob Lessing aber erst H 2 korrigierte und dann nochmals in H1 nachbesserte oder umgekehrt, läßt sich nicht klären. 7.7
andern ] Möglicherweise andren; Lesung nicht sicher. H1 gemalet ] (1) gemahlet H1 (2) gemalh ]let H2A H2Kr
(3) gemalet
7.8
ist, - in ] (1) ist, - in H1 (2) istU - in H2A H2istVermischten Schriften« und >Trauerspiele< gemahnt« (LESSING, LLMA, Bd. 20, 1905: 97, Nr. 432, Anm. 3). Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 97, Nr. 432 (S. 97).
30 B 9 Gotthold Ephraim Lessing an Christian Friedrich Voß. Wolfenbüttel, 24. Dezember 1771.
Sie können vors erste darauf rechnen, daß Sie noch vor Ablauf der ersten Hälfte des Januars meine neue Tragödie in Händen haben sollen. Ich bin wirklich so gut als fertig damit; fertiger, als ich noch mit keinem Stücke gewesen, wenn ich es habe 5
Siehe oben Anm. 4.
372
Briefdokumente
anfangen laßen zu drucken. Laßen Sie nur fleißig in dem Bande der Trauerspiele drucken; und wenn die Sara fertig ist, nur gleich mit dem Philotas fortfahren; an dem ich nichts zu ändern habe. Mit meinem neuen Stücke hätte ich vor, es auf den Geburthstag unsrer Herzogin 5 (Philippine Charlotte von Braunschweig), welches der lOte März ist, von Döbblinen hier zum erstenmale aufführen zu laßen (s. A 1). Nicht Döbblinen zu Gefallen, wie Sie wohl denken können: sondern der Herzoginn, die mich, so oft sie mich noch gesehen, um eine neue Tragödie gequält hat. In diesem Falle müßte ich Sie aber bitten, es zu verhindern, daß Koch sie nicht etwa vor besagten lOtn März spielte. Denn sonst würde 10 das Kompliment allen seinen Werth verlieren. Ich kann itzt meine Arbeit mit aller Zuversicht zusagen: denn ich fühle mich gesund, und hoffe, daß es eine Weile damit dauern soll. Auch bin ich über diese neue Tragödie fast wieder in den Geschmak des Dramatischen gekommen, und wenn die Lust anhält (und eine einzige ganz eigne Verhinderung nicht dazu kömmt) so verspre15 che ich Ihnen auf den Sommer einen ganzen neuen Band zu den Lustspielen. [...] Leben Sie wohl, liebster Freund, und seyen Sie nochmals versichert, daß ich in allen, was ich Ihnen hier versprochen, Wort halten werde. Lessing, LLMA, Bd. 17, 1904: 422f., Nr. 331 (S. 422f.).
20
B 10 Gotthold Ephraim Lessing an Karl Gotthelf Lessing. Wolfenbüttel, 31. Dezember 1771.
Mit meiner Tragödie geht es so ziemlich gut, und künftige Woche will ich Dir die ersten drey Acte übersenden. Mich verlangt, was Du davon sagen wirst. Mache nur, daß sogleich daran kann gedruckt werden. 25
Lessing, LLMA, Bd. 17, 1904: 427, Nr. 333 (S. 426-428).
B 11
Karl Gotthelf Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 11. Januar 1772.
Deine Tragödie möchte ich, wie Du Dir leicht vorstellen kannst, gern recht bald lesen, und sobald nur Manuscript da ist, soll mit dem Drucke nicht gezögert werden. 30 [...] Du bist doch nicht böse, wenn Deine Tragödie hier von Koch gespielt wird? Es versteht sich, nicht eher als Du es haben willst (s. A4). Wie glaubst Du denn, daß Döbbelin damit fertig werden wird? (s. A 1) Glückt es ihm damit so gut, wie mit der Minna, so hat er Dir vielleicht mehr zu danken, als Du glaubst. 35
Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 116, Nr. 444 (S. 114-116).
B 10—B 14
373
B 12 Karl Gotthelf Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 14. Januar 1772.
Aus beyliegenden Aushängebogen wirst Du sehen, daß fleißig an Deinen Trauerspielen gedruckt wird; aber leider! wirst Du auch sehen, daß ich in einem Bogen einen Fehler 5 stehen lassen, der, weil er so grob ist, sogleich in die Augen fällt. Diesem abzuhelfen, wird wohl ein Carton gemacht werden müssen. Wie steht es mit Deiner neuen Tragödie? Wenn D u auch noch nicht fertig bist, so wirst Du doch wohl schon so weit mit ihr zu Rande seyn, daß Du den ersten Akt schicken kannst? Denn ich werde alle Tage lüsterner darnach. 10
Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 117, Nr. 445 (S. 117f.).
B 13 Gotthold Ephraim Lessing an Eva Katharina König. Berlin, 14. Januar 1772.
Einen Brief an den Staatsrath Gebier will ich Ihnen (nach Wien) mitgeben (s. B 32*). Er hat sehr verbindlich an mich geschrieben, und mir zwey neue Stücke geschickt. 15 Indeß Sie hinkommen, wird auch mein neues Stück gedruckt seyn, welches Sie ihm mitbringen sollen. Lessing, LLMA, Bd. 18, 1907: 9, Nr. 338 (S. 7 - 9 ) .
B 14 Gotthold Ephraim Lessing an Karl Gotthelf Lessing. Wolfenbüttel, 25. Januar 1772.
20 Die erste Hälfte meiner neuen Tragödie wirst D u nun wohl haben; und ich bin sehr begierig, Dein Urtheil darüber zu vernehmen. Ich habe über keine Zeile derselben eine Seele, weder hier noch in Hamburg, können zu Rathe ziehn: gleichwohl muß man wenigstens über seine Arbeit mit jemand sprechen können, wenn man nicht selbst darüber einschlafen soll. Die bloße Versicherung, welche die eigene Kritik uns gewährt, daß man 25 auf dem rechten Wege ist und bleibt, wenn sie auch noch so überzeugend wäre, ist doch so kalt und unfruchtbar, daß sie auf die Ausarbeitung keinen Einfluß hat. Binnen acht Teigen, wenn ich mit dem Abschreiben nicht aufgehalten werde, soll der Rest folgen. Nun bitte ich Dich nur, auf die Correctur allen Fleiß zu wenden. Am besten würde es seyn, wenn Du Dir das Manuscript bey der Correctur könntest vorlesen 30 lassen. In der Orthographie der Namen andre nichts, und besonders bleibe mir mit dem R**schen (Karl Wilhelm Ramler) K daraus weg, welches mich schon in den Abhandlungen über das Epigramm choquirt hat. Die Namen sind italienisch, und müssen also auch ihre italienischen Buchstaben behalten. Lessing, LLMA, Bd. 18, 1907: 10, Nr. 339 (S. 9-11).
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Briefdokumente
B 15 Gotthold Ephraim Lessing an Christian Friedrich Voß. Wolfenbüttel, 25. Januar 1772.
Die erste Hälfte meiner neuen Tragödie, werden Sie nun wohl in Händen haben. Ich habe Ihnen eine neue Tragödie versprochen; aber wie gut oder wie schlecht — davon 5 habe ich nichts gesagt. Je näher ich gegen das Ende komme, je unzufriedner bin ich selbst damit. Und vielleicht gefällt Ihnen auch schon der Anfang nicht. — Was bey dem Drucke zu beobachten, habe ich an den Bruder geschrieben. Ob ich sie vor dem Drucke hier noch spielen laße, wird darauf ankommen. Döbblin könnte sie zwar nothdürftig besetzen: aber ich kann wohl sagen, daß seine ewige und unendliche 10 Windbeuteley mich gar nicht geneigt macht, ihm irgend einen Gefallen zu erweisen (s. A 1). Lessing, LLMA, Bd. 18, 1907: 11f., Nr. 340 (S. 11f.).
B 16 Eva Katharina König an Gotthold Ephraim Lessing. Hamburg, 28. Januar 1772.
15 — Und da ich nun so viel später reise, so hoffe ich, wird auch Ihr neues Stück fertig seyn? Ich wünschte es recht sehr. Denn wenn ich Geblern dies überbrächte, so brauchte ich keiner weitern Empfehlung. Ich mag Sie nicht fragen, was es für ein Stück ist? Wenn Sie es hätten sagen wollen, hätten Sie es ohnedies gesagt. Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 123, Nr. 450 (S. 121-124).
20
B 17 Gotthold Ephraim Lessing an Eva Katharina König. Braunschweig, 31. Januar 1772.
Meine neue Tragödie dürfte schwerlich um diese Zeit 6 schon abgedruckt seyn. Aber ich hoffe doch, sie Ihnen noch nachschicken zu können, ehe Sie in Wien angekommen sind. 25
Lessing, LLMA, Bd. 18, 1907: 13, Nr. 341 (S. 12-14).
B 18 Karl Gottheit Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 1. Februar 1772.
Für ein halbes Vergnügen sollte wohl nur ein halber Dank seyn; da aber dieses halbe Vergnügen so groß gewesen ist, so nimm meinen ganzen Dank dafür. Arbeitest Du seit 30 einem Vierteljahre an diesem Trauerspiel? oder seitdem Du die Minna fertig hast? Welche Feile! — Ohne allen Zusatz! ganz rein gediegenes Silber! Welche Scene mit dem Maler, einem Maler, der seine Kunst versteht, auch ein wenig Enthusiast ist: denn das gehört mit zur Vollkommenheit der Kunst; kurz, welche Exposition! Du scheinst 6
Gemeint ist der um den 16. Februar 1772 geplante Aufenthalt Eva Königs in Braunschweig (s. Brief Eva Königs an Lessing vom 28. Januar 1772 (LLMA, Bd. 20, 1905, Nr. 450: 122).
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dieses der Kritik, und nichts Deinem Genie zuzuschreiben. Ich will es glauben; aber der Himmel hat Dir gerathen, zu sagen: Deiner eignen Kritik; nicht der, welche wir gleichsam vom Hörensagen haben, wenn sie auch die allerbeste wäre. Die Kenntniß von der Malerey, so wie hier, wird gewiß nicht gelehrt. Und die Scene mit dem 5 Ministerl — Bruder, wenn ich heute Zeit hätte, würde ich Dir in drey Seiten sagen, wie sehr sie mir gefallen hat. Lebe wohl! Vergnügt mußt D u allerdings seyn, da D u über einem vortrefflichen Werke bist. Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 124f„ Nr. 451 (S. 124f.).
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B 19 Karl Gotthelf Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 3. Februar 1772.
In Deiner Emilia Galotti herrscht ein Ton, den ich in keiner Tragödie, so viel ich deren gelesen, gefunden habe; ein Ton, der nicht das Trauerspiel erniedrigt, sondern nur so herunterstimmt, daß es ganz natürlich wird, und desto leichter Eingang in 15 unsere Empfindungen erhält. Ich besinne mich wohl, daß D u in Deiner Dramaturgie aus dem Bankschen Trauerspiele Elisabeth oder Essex einige Scenen in eine solche Sprache übersetzt hast; aber wer diese Scenen im Originale suchen will, (denn ich habe es gelesen) — der muß seyn, was D u bist. Doch Recht! D u hast selbst erinnert, daß Banks Sprache bald platt, bald schwülstig ist. Ich bin begierig, ob D u Dich in 20 diesem Tone bis an das Ende erhalten wirst. S. 41. {TEXT/VARIANTEN: 27,17), in der Scene, wo die Tochter der Mutter ihren Vorfall in der Kirche erzählt, hat der Abschreiber einen Fehler gemacht. Er hat die Worte:
Die Furcht hat ihren besondern Sinn, der Emilia in den Mund gelegt, welche sie in ihrer furchtsamen Fassung nicht sagen kann; sie kommen der Claudia zu. 25 Aber die Wahrheit der Charaktere, die D u zeichnest, muß ich noch über die Schönheit der Sprache setzen. Der Prinz von Guastalla ist, wie unsere guten Prinzen, klug, verständig, zurückhaltend, von heftigen Leidenschaften, verliebt oder ehrgeitzig — diesen Leidenschaften opfern sie alles auf, so menschlich sie auch sonst sind. Die Scenen zwischen Rota und dem Prinzen, ingleichem die mit dem Maler werden Deine 30 Kenntniß dieser Menschen Zeile für Zeile bezeichnen. Marinelli, ein wahrer feiner Kammerherr! Und die Scene, wo er dem rechtschaffenen Appiani die Gesandtenstelle im Namen des Prinzen anträgt — wie die bey der Vorstellung gefallen wird, bin ich begierig. Meinen völligen Beyfall hat sie; aber leider! habe ich die Erfahrung, daß dasjenige, was mir außerordentlich gefallen hat, oft von dem Publicum sehr kalt aufge35 nommen worden ist. Nur wider die Emilia Galotti habe ich etwas auf dem Herzen. Ich sollte zwar gar nicht mit meiner Kritik herausrücken; denn vermuthlich wird Emilia in den letzten Acten thätiger seyn, und sich also auch ihr Charakter deutlicher entwickeln. Aber warum soll ich Dir meine Ratte verbergen? Noch hast D u sie nur als fromm und 40 gehorsam geschildert. Aber ihre Frömmigkeit macht mir sie — aufrichtig! — etwas verächtlich, oder, wenn das zu viel ist, zu klein, als daß sie zum Gegenstand der Lehre,
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des edlen Zeitvertreibs und der Kenntniß f ü r so viele tausend Menschen dienen könnte. D u wirst zwar sagen: so werden die Mädchen in Italien erzogen; so denken sie; so handeln sie; noch hat sich keine Spur von Freydenkerey in ihre Religion eingeschlichen. Alles gut, lieber Bruder. Allein über das Locale sollte m a n nicht höhere Zwecke vergessen. Jede gute Person, die ein einnehmendes Muster f ü r die Zuhörer seyn soll, könnte zwar ihre Mutterreligion haben; aber sie müßte nicht solche Punkte derselben äußern, die einen gar zu kleinen Verstand, gar zu wenig Selbstdenken verrathen: sondern nur das, was die allgemeine Religion aller rechtschaffnen und denkenden Menschen billigt und auszuüben trachtet. Emilia geht in die Messe. — Sie ist eine Katholikin. — Mag sie doch! Sie redet aber von den Bedeutungen der Perlen im Traum. Auch daß sie sogar ängstlich thut, weil sie der Prinz in der Messe angeredet, macht m i r keinen großen Begriff von ihrem Verstände; und ein gar zu kleiner Verstand m i t dem besten Herzen deucht mir f ü r die edlen Personen des Trauerspiels unter der Würde desselben. Und n i m m t m a n vollends Rücksicht auf die Zuschauer in Berlin, die unter den freyer denkenden Deutschen die freydenkendsten sind, so glaube ich — hätte ich Recht. Vorausgesetzt, daß Deine Emilia in den letzten Acten keine anderen Vorzüge zeigt. Deine Minna, Deine Miß Sara, Deine Juliane sind auch fromm; aber sie haben nicht das Pedantische der Religion, sie haben das, was m a n an seinem geliebten Gegenstände zu finden wünscht. Aber mache nur, daß ich das Trauerspiel bald ganz lesen kann. Ich will doch nicht hoffen, daß D u Deiner Arbeit überdrüßig bist? Ich dächte, es wäre ein sehr großes Vergnügen, f ü r Anderer Vergnügen zu arbeiten. Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 127-129, Nr. 453 (S. 127-129).
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B 20 G o t t h o l d Ephraim Lessing an Karl Gottheit Lessing. Braunschweig, 10. Februar 1772.
Es ist mir recht sehr lieb, daß Dir mein Ding von einer Tragödie noch so ziemlich gefallen hat. Und Deine Anmerkungen darüber sind mir sehr willkommen gewesen « (LICHTENBERG, Briefwechsel, Bd. 1, 1983: 270, Anm. 1). 30 Die Bemerkung bezieht sich auf den 3. Band von Geblers Theatralischen Werken, Prag und Dresden 1773.
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Briefdokumente
rathsam. Zudem ist die Materie wol der Untersuchung werth. Schicken Sie mir nur Ihre Antwort, sie soll bald ans Licht. Mauvillon 1801: 52, Nr. 5 (S. 50-53).
B 110 5 Christoph Friedrich Nicolai an Karl Ludwig von Knebel. Berlin, 28. Juni 1773.
Ich habe von Leipzig aus eine Reise nach Jena, Weimar, Erfurt, Dessau gethan. Von meiner persönlichen Bekanntschaft mit Herrn Wieland, und von dem weimarischen Theater (wo Eckhoff den Odoardo über allen Glauben vortrefflich spielte (s. A 46), und wo ich auch die Alceste des H e r r n Wieland nach der Composition des Herrn Schwei10 zers habe aufführen sehn) verspare ich die Nachricht, bis ich mündlich mit Ihnen davon sprechen kann, welches, wie ich hoffe, bald geschehen wird. Varnhagen van Ense/Mundt 1840: 150f. Nicolai an Knebel Nr. 2 (S. 150f.).
B 111 Christoph Friedrich Nicolai an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 13. August 1773.
15 Ich hätte Ihnen noch viel von meiner Reise nach Weimar zu sagen, wo ich Herrn Wieland habe kennen lernen. Der Mann gewinnt ungemein viel, wenn man ihn persönlich kennen lernt. Besonders aber wünschte ich mit Ihnen mündlich über eine Vorstellung der Emilia Galotti (s. A46) zu sprechen, weil ich nicht alles schreiben kann. Eckhoff als Odoardo hat alles Vortreffliche, was ich mir von ihm vorgestellt 20 hatte, weit übertroffen. Ganz simpel, aber ganz Natur! Er war das Individuum Odoardo! Madame Hensel hat mir als Orsina ziemlich, aber nicht so gut wie Eckhoff gefallen. Gleich der erste Eintritt war zu ruhig. Mich dünkt, Orsina müßte nicht allein unruhig seyn, sondern es müßten sich auch gleich im Anfange Spuren ihrer Schwärmerey und Abwesenheit des Geistes zeigen. Die Mecour als Emilie gefiel mir gar nicht. Die 25 andern spielten leidlich; auch Brandes als Marinelli, ob er gleich eher wie ein Kammerdiener, als wie ein Kammerherr aussah. Aber Eckhoff\ Es ist wirklich eine Schande, daß dieser Mann unter uns so verkannt wird. Garrik kann kaum m e h r seyn als Er! Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 276, Nr. 540 (S. 273-276).
30 B 112 Gottfried August Bürger an Heinrich Christian Boie. [Gelliehausen, September 1773].
Die Frau GeheimteRäthin von Hagen will gern für einen L o u i s d ' o r Bücher kaufen und hat mir übertragen ihr solche auszusuchen. Was kauft m a n n u n wohl dafür? Etwa Gesch.(ichte) der Fräulein von Sternheim. Sophiens Reise ist wohl zu theüer. Also 35 außer der Sternheim ppter. f ü r 1 Rthlr. gute theatralische Sachen, worunter Aemilia Gallotti seyn kann. Auch kann ein interessantes übersetztes Buch mit drunter seyn.
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Ich bin in re belletristica nicht recht bewandert, also substituiré ich Sie zum Gevollmächtigten für einen Louisd'or hübsche angenehme Varietäten auszusuchen. Strodtmann 1874: 163, Nr. 118 (S. 163).
B 113 5 Johann Jakob Bodmer an Johann Georg Sulzer. [Zürich?], 15. Oktober 1773.
Jüngst schrieb ich Odoardo, Emiliens Vater, ein Pendant zu Lessings Emilia Galotti, ein Schauspiel in einem Aufzug (s. R 229). Fürchten Sie nicht, daß ich das Ding herausgebe; es soll in meinem Pult vermodern. Nicht, daß ich Lessing fürchte; ich kann ihn nicht ärger beleidigen, als er sich schon von mir beleidiget hält. Und ich erkenne 10 Lessings Genie in der Galotti. Aber er verdirbt die Sitten, er erlaubt sich Widersprüche, falsche sentimens, er gibt Laster für Tugenden. Mit welcher schamlosen Stirne hat der deutsche Petronius (Johann Jakob Wilhelm Heinse)31 das Laster geradezu angepriesen. Meissner 1904: 118 (S. 118).
B 114 15 Karl Gottheit Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 20. November 1773.
Leute, die uns lästig sind, machen doch meistens den Anfang ihres Besuchs mit den Worten: Lassen Sie sich nicht stören. Auch ich fange damit an; denn ich habe gehört, daß Du jetzt Tag und Nacht über der Vollendung eines deutschen Lexikons schwitzest. Da ich nun so ein Buch zu meinem eignen Unterrichte und zu meiner Bequemlichkeit 20 in der größten Vollkommenheit wünsche, so soll es mich gar nicht verdrießen, wenn Du meinen Brief, wie der Prinz Gonzaga, ungelesen lassest und in der Endigung des Z fortfährst. Lessing, LLMA, Bd. 20, 1905: 289, Nr. 549 (S. 289f.).
B 115 25 Karl Gottheit Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 14. Februar 1774.
Daß Du meine Komödien noch nicht gelesen, dabey gewinne ich. Aber daß Deine Anfälle zum Theater so kurze Zeit dauern, und Dir dann den größten Ekel erwecken, wahrhaftig! das ist mir allezeit die unangenehmste Nachricht. Deine beyden letzten Stücke sind zwar für Dich von keiner andern Folge gewesen, als Deine ersten, allein 30 doch für den deutschen Geschmack. Daß Deine Emilia nicht so aufgenommen wurde, als Deine Minna, daran ist die Art des Spiels und die Art des Stücks Schuld. Unsern Acteuren geräth Ellies ziemlich gut, was in der rohen plumpen stephanieschen Manier, oder nicht viel weiter hinauf ist. Lessing, LLMA, Bd. 21, 1907: 13, Nr. 560 (S. 10-16). 31
Nach Meissner (1904: 118).
Briefdokumente
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B 116 Christoph Martin Wieland an Tobias Philipp Freiherr von Gebler. Belvedere, bei Weimar, 19. Mai 1774.
E m p f a n g e n S i e also theuerster F r e u n d , m e i n e n lebhaftesten D a n k f ü r jedes M e r k m a l 5 Ihres Wohlwollens u n d A n d e n k e n s , daß Sie m i r diese Zeit h e r g e g e b e n haben, besonders f ü r die überschickte s c h ö n e M u s i k z u m T h a m o s , f ü r die französische Ü b e r s e t z u n g dieses edlen Stücks, u n d f ü r A d e l h e i d von S i e g m a r , die m i r etliche T a g e vor E m p f a n g Ihres letzten P a q u e t s bereits d u r c h den Verleger zugefertigt worden war. D a ich keinen Brief dabey erhielt, so g l a u b t e u n d h o f f t e ich anfangs, daß es d a s Werk eines neuen Diehlo
ters sey, den u n s die N a c h e i f e r u n g der göttlichen E m i l i a unsers L e s s i n g s erweckt habe. [...] N o c h i m m e r m a n g e l t es I h r e r Diktion, I h r e m Styl, I h r e m A u s d r u c k a n einer M e n g e von Kleinigkeiten, d e r e n j e d e b e y n a h e an sich nichts ist, die aber z u s a m m e n g e n o m m e n sehr viel sind. N o c h i m m e r spricht der Dichter zu o f t aus I h r e n Personen, u n d die
15 w a h r e N a t u r s p r a c h e der L e i d e n s c h a f t e n ist dadurch verfehlt. E s ist u n g l a u b l i c h , a u f welche Kleinigkeiten es h i e r b e y a n k ö m m t ; aber f r a g e n Sie den D i c h t e r der E m i l i a Galotti, ob ich nicht hierin R e c h t habe. Wieland, Briefwechsel, Bd. 5, 1983: 260, Nr. 278 (S. 260-263).
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Karl Gotthelf Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 11. Juli 1774.
D e i n e E m i l i a Galotti h a t m a n w i e d e r zweymal hinter e i n a n d e r g e g e b e n (s. A 64); aber die E m i l i a u n d der Prinz w u r d e n von Personen gespielt, die — freylich in Operetten großen B e y f a l l haben, weil d a Verstand, richtiges Spiel m i t G e s t e n u n d M i e n e n eben in keine große B e t r a c h t u n g k o m m t . Nur etwas von dieser n e u e n E m i l i a . I h r e ganze 25 K l e i d u n g u n d ihr B e t r a g e n w a r das einer koketten H o f d a m e , die von keiner a n d r e n R o t h e als der S c h m i n k e weiß, u n d Z e u g schwatzt, das weder sie noch A n d r e verstehen. Der Prinz aber, ein großer j u n g e r B a u e r l ü m m e l , der reitzendste Operettensänger! U n d über solche Personen vergißt mein eine Starkin! Aber es sollte m i c h ärgern, w e n n m a n sie nicht vergäße. U n d Dir, liebster Bruder, w ü r d e es doch nicht die L u s t verleiden, 30 wieder eine T r a g ö d i e zu schreiben. Ich weiß von der G ü t e eines Stücks keinen größern Beweis, als w e n n alle s c h a l e Kritiken und alle elenden S c h a u s p i e l e r von g a n z D e u t s c h land, deren Z a h l L e g i o n ist, es doch nicht ganz verderben können. Lessing, LLMA, Bd. 21, 1907: 35, Nr. 571 (S. 34f.).
B 118 35 Christoph Martin Wieland an Johann Karl Wezel. Weimar, 28. Oktober 1774.
Ihr Vertrauen zu m i r r ü h r t m i c h ; aber ich wünschte S i e hätten m i r eine a n d r e Gelegenheit es zu verdienen g e g e b e n , als den A u f t r a g I h n e n m e i n e M e y n u n g von I h r e m T r a u e r s p i e l 3 2 zu s a g e n . 32
Bezieht sich auf Wezeis Der Graf von Wickham. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, Leipzig 1774.
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Alle was ich einsweilen für Sie thun kan, ist dafür zu sorgen, daß Sie im teutschen Merkur so glimpflich als möglich ist, behandelt werden. Und doch, wenn Sie es nicht wären, wenn Tobias Knaut nicht Ihr Fürsprecher wäre! — Aber künftig, mein lieber 5 Freund, lernen Sie vorsichtiger seyn, und hüten Sie Sich, die Bahn des Verfassers der Emilia Galotti zu betreten, ehe sie mit vollkommenster Gewisheit wissen, was das auf sich hat davus ne loquatur an Heros. W i e l a n d , Briefwechsel, Bd. 5, 1983: 310, Nr. 325 (S. 310f.)
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J o h a n n A n d r e a s Cramer an Gottfried A u g u s t Bürger. Leipzig, 6. N o v e m b e r 1774.
Uebrigens ist der ganze Sommer über mir die angenehmste Zeit in meinem ganzen Leben gewesen. So viel Freude als ich diesen Sommer genoßen habe finde ich nimmer wieder auf einem Haufen beysammen. Die Schönheit der dortigen Gegend (um Lübeck), die Gastfreyheit der Einwohner, der vortrefliche Umgang einer ziemlich großen 15 Anzahl von Familien, die Liebe die mein vor mich hat, und das Meer von Vergnügungen aller möglichen Art in dem ich versenkt gewesen bin kann ich Dir nicht beschreiben. An D. Buchholz habe ich einen vortreflichen Mann an Geist und Herzen und einen wahren unzertrennlichen Freund gefunden. Sein Haus, Dora ihres, die mehr als je meine Schöne ist, und einige andre in denen Lust und Scherz herrscht sind meine 20 eignen Häuser gewesen. Ich habe Leben und Weben hineingebracht, die Cartenspiele abgeschaft, Sprüchwörterspiel eingeführt, sogar mit D. Buchholz ein gesellschaftliches Theater errichtet auf dem wir mit Emilia Galotti debütirt haben (s. A 68). S t r o d t m a n n 1874: 215, Nr. 159 (S. 2 1 4 - 2 1 6 ) .
B 120 25 J o h a n n G e o r g Sulzer a n J o h a n n Jakob Bodmer. [Berlin?], 24. D e z e m b e r 1774.
Jezt, da Sie auch das Bekenntniß thun, daß Sie Leßings Stärke in dem Pathos erkennen, will ich auch Ihnen bekennen, daß ich in dem, was Sie an der Emilia Galotti aussetzen, besonders in dem Punkte, da Sie Emilia zu schwach finden, an ihre eigene Tugend zu glauben, völlig Ihrer Meynung bin (s. B 113). Dieses ist mir dem Charakter der Emilia 30 immer anstößig gewesen. Jetzt will ich aber noch allgemeiner sagen, daß es mir scheinet, Leßing habe, seiner wirklich großen Talente ungeachtet, die Gabe, ein vollkommener dramatischer Dichter zu seyn, von der Natur nicht empfangen. Ich glaube wenigstens in allen seinen Stücken, doch in der Emilia am wenigsten, etwas Zwang und etwas Gesuchtes, oder Studirtes in der Sprache der handelnden Personen zu entdecken; 35 etwas das undramatisch ist. Aber seine Anlagen des Ganzen zeigen Geschick zum Drama. Körte 1804: 422 (S. 421 - 4 2 8 ) .
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B 121 Tobias Philipp Freiherr von Gebler an Christoph Friedrich Nicolai. Wien, 15. Juli 1775.
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Wo unser vortreflicher Lessing von dem man gegen das gemeine Sprüchwort sagen kann: Praesentia äuget f a m a m dermalen sich befindet, weiß ich nicht. Er hat mit mir verabredet, seine Correspondenten anzuweisen, ihre Briefe an mich zu addressiren. Es sind auch dergleichen Briefe eingelauffen ich weiß aber nicht, wohin ich sie ihm nachschicken soll. Ich nehme es inzwischen für ein gutes Zeichen an, daß wir diesen wahrhaft grossen und liebenswürdigen Gelehrten, wie selten sind sie! bald wieder auf der Rückreise hier sehen werden. Das Gerücht läuft dermalen, daß er an Hagedorns Stelle nach Dreßden komme, und die Reißkische Wittwe (Ernestine Reiske) heyrathe. Was an einem und anderm ist, kann ich nicht sagen: das aber weiß ich, daß, wenn unsere Akademie der Wißenschaften zu Stande kömmt, und ich etwas dazu beytragen kann, Wien eine so grosse Zierde zu verschaffen, ich es gewiß nicht unterlassen werde. Nie ist noch ein deutscher Gelehrter hier mit solcher Distinction aufgenommen worden, als unser vortreflicher gemeinschaftlicher Freund; und dies, von unserm Souverains angefangen, bis auf das allgemeine Publikum herab. Als Emilia Galotti in seiner Gegenwart vorgestellt wurde (s. A 80), erschallte der laute Ruff: Viva Lessing\ Unverständige die glauben mochten, der Autor befinde sich auf dem Theater, fügten hinzu: Fora! Ich hoffe, unser Freund werde eben so zufrieden mit Wien seyn, als Wien entzückt über seine Gegenwart war. Ich habe sie so viel genossen, als bey meinen Geschäften, und den täglichen Einladungen eines Fremden, um den sich jedermann stritte, nur möglich war. S** (Joseph Reichsherr von Sonnenfels), von dem fast niemand mehr spricht, oder doch nicht allezeit so spricht, wie er es fordert, soll über diese grossen Distinctionen äusserst eifersüchtig gewesen seyn. Lessing hat, wie billig, vermieden mit demjenigen in Bekanntschaft zu kommen, von dem er in den Briefen an Klotzen so freventlich angegeriffen worden. Werner 1888: 67f„ Nr. 20 (S. 66-69).
B 122 Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg an Henriette Friederike Gräfin von Bernstorff. 30 Weimar, 26. November 1775. Diesen Abend sind wir hier angekommen und haben auch schon unsern lieben Göthe wiedergesehen. In Gotha ist uns die Zeit lang geworden. Gestern Abend aßen wir bei Gotter, den wir schon vorher kannten. Eckhof aß mit uns, der berühmte beste deutsche Schauspieler. Er las uns Scenen aus der Emilia Galotti (s. L4); so schön werde ich nie 35 vorstellen sehen als er liest. Uns Allen kam ein Schauder an, als er in seine Tasche zum Dolch griff; Du erinnerst Dich wohl, daß Odoardo ein paar Mal gegen den Prinzen den Dolch zu zücken bereit ist. Wie dem alten Manne noch die Natur zu Gebothe steht! Wie er zürnen konnte; wie ihm schnell das Blut in das Gesicht stieg und er wieder bleich ward! Auch gar herrlich las er uns die Rolle des alten Camillo Rota. 40
Janssen 1877: 61 (S.61).
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B 123 Karl Gotthelf Lessing an Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, I.Juni 1776.
Hast Du Lenzens neue Arria gelesen? Du kannst daraus sehen, was Deine MalerScenen in der Emilia Galotti auf ihn für Wirkung gehabt. Man bat mich, meine 5 Meynung darüber schriftlich aufzusetzen. Ich that es, und man hat sie gedruckt. Ich lege sie Dir bey. Göthe ärgert mich nicht, aber sein Nachahmer! Lessing, LLMA, Bd. 21, 1907: 104, Nr. 640 (S. 103f.).
B 124 Christoph Friedrich Nicolai an Gotthold Ephraim Lessing. Leipzig, 10. Oktober 1777.
10 Ihr Scharfsinn verläßt Sie nie! Orsina kann nicht feiner distinguiren, als Sie die verschiedenen Arten der Volkslieder. Indessen wäre ich doch zufrieden gewesen, wenn Sie mir lieber einen guten Stoß voll Bücher, die allerhand Arten enthalten, mit der Post nach Berlin
g e s c h i c k t h ä t t e n ; u n d ich bitte Sie noch es zu
thun.
Lessing, LLMA, Bd. 21, 1907: 174, Nr. 724 (S. 174-176).
15 B 125 Friedrich Ludwig Schröder an Friedrich Wilhelm Gotter. [Hamburg], 23. Dezember 1777.
Freytag
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D a ist kein Aufwallen, das den Leser begeisterte, das den der Hamlet, und Othello und Emilia Galotti kennt, das Herz beklemmte. R 209 THEATER-JOURNAL FÜR DEUTSCHLAND v o m Jahre 1777. G o t h a . 1. Stück. S. 4 3 , 4 6 , 4 8 . Verfasser: 10
W i l h e l m Ferdinand (?) Halter. 60
(»6. Nachrichten, die Rigaische B ü h n e betreffend.« S. 41-50) Herr Strödel. Spielt ernsthafte Liebhaber und gesetzte Charaktere. [...] Im Fache der komischen Bedienten arbeitet Hr. Strödel mit vielem Glück. In allen aber zeigt sich der denkende Künstler, der sich durch treues Studium und durch immer richtige De15 klamation auszeichnet, wovon er als Prinz in Emilia Galotti (s. A 84), als Clavigo u. a. m. deutliche Proben giebet. [,..]|[...]
(44-46)
Madeime Strödel. [...] Heftige Charaktere sind ihr Fach, und wenn von ohngefehr so etwas an sie kömmt; so wird m a n mit Vergnügen gewahr, wie sie durch Natur und 20 Temperament unterstützt wird. Die Gräfinn Orsina hat sie in Königsberg meisterhaft gespielt (s. A 118), die Rolle hätte ihr nicht müssen genommen werden. [...]|[...] (47 - 48) Madame Engelmeyer spielt alte ehrliche Hausmütter, nur keine D a m e von Stande, die sie auch nur im Nothfalle übernimmt. WEIS kann sie dafür, wenn ihr die Claudia 25 in Emilia Galotti aufgedrungen (s. A84) und unter zween Uebeln nicht das kleinste beliebet wird — sie von Mad. Sauerweid spielen zu lassen? R 210 THEATER-JOURNAL FÜR DEUTSCHLAND v o m Jahre
1777. Gotha.
I.Stück. S.76.
Verfasser:
G******
(»10. Miscellanien.« S. 76-83)
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Als Emilia Galotti erschien, fiel alles darüber her; große und kleine Gesellschaften führten es auf, eine jede nach ihrer Weise, brachten auch eine jede nach ihrer Weise verschiedene Wirkungen mit dem Meisterstück der dramatischen Muse beym Publik u m hervor: Bewunderung hier, Langeweile und Gelächter dort. Ein einziger Direktor 35 einer deutschen Gesellschaft, nachdem er Emilia Galotti gelesen und dabey die Kräfte 60
Nach dem 6. Stück des T h e a t e r - J o u r n a l s f ü r D e u t s c h l a n d v o m J a h r e 1778 (S. 89) war Herr Halter ein Musikus, der ein Verhältnis mit Madame Strödel unterhielt. Eventuell handelt es sich bei Herrn Halter, dessen Vorname nicht genannt wird, um Wilhelm Ferdinand Halter, einen Komponisten aus Königsberg (s. PERSONENREGISTER).
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seiner Schauspieler erwogen, schrieb in sein Exemplar: noli m e tangere. Wie vielen unserer Herren Schauspiel-Direktoren, Impressarien, Entrepreneurs und Heerführern wohlstudirter Schauspieler wäre eine solche Bescheidenheit zu wünschen! Möchten sie doch alle samt und sonders, bevor sie Rollen ausschreiben lassen und austheilen, die 5 Kräfte ihrer Leute und das n o n o m n i a p o s s u m u s o m n e s beherzigen, wir würden so manches vortrefliche Stück nicht verhunzt sehen.
R 211 BAGATELLEN. LITTERATUR UND THEATER. Düsseldorf. 38. Stück. Dienstag, 13. Mai 1777. S. 298. Verfasser: nicht ermittelt. 10
(»Leipzig bey Schwickert: über den Prolog von C. F. Cramer, 1776,
S. 56, 8.« S. 2 9 6 - 2 9 9 ) Von Regeln sowohl als von der ganzen Geschichte des Prologs erfährt m a n wenig oder gar nichts, weil der Verfaßer eigentlich jetzo schreibt, u m sein eignes Beispiel zu empfehlen, und uns zu sagen, daß er noch mehrere dito im Pulte bewahre. Ob er 15 gleich selbst (S. 19) bekennen muß, daß dergleichen Prologe a m besten von den Verfaßern der Stücke selbst gemacht würden, so hat er doch welche zur Emilia Galotti 6 1 — unter andern auch zu Clavigo gemacht.
R 212 BAGATELLEN. LITTERATUR UND THEATER. Düsseldorf. 39. Stück. Freitag, 16. Mai 1777. S. 312. 20 Verfasser: nicht ermittelt. Salzburg. Die Schopfische Gesellschaft fährt fort, uns durch Aufführung guter Stücken zu ergötzen. Darunter rechnen wir vorzüglich den verbesserten Hamlet. Die Mediceer von Hr. Brandes, Aemilia Galotti (s. A 125) und andere deutsche Originale. [...] Im ganzen 25 genommen sind wir mit unserer Gesellschaft sehr zufrieden.
R 213 BERLINISCHE PRIVILEGIRTE ZEITUNG. 59. Stück. Samstag, 17. Mai 1777. S. 299. Verfasser: nicht ermittelt. Heute wird die von Sr. Königl. Majestät in Preussen allergnädigst privilegirte Döbbeli30 nische Gesellschaft deutscher Schauspieler aufführen: Emilia
Gallotti. Ein Trauerspiel
in 5 Akten, von Herrn Lessing. Den Beschluß macht das pantomimische Ballet: der
gestörte Schlaf, (s. A 124)
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Die erwähnten Prologe zur Emilia Galotti sind in der vorliegenden Dokumentesammlung nicht ediert.
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R 214 BERLINISCHES LITTERARISCHES WOCHENBLATT. Berlin u n d Leipzig. I . B a n d , 21. Stück. Samstag,
24. Mai 1777. S. 331 -333. Verfasser: nicht ermittelt.
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Eulalia. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Leipzig bey Weygand. 1777. (7 gr.) Trotz der Kälte mit der unser Publikum Emilia Galotti (dieses erste Trauerspiel unter allen, was je von Deutschen gedacht und geschrieben worden) aufnahm, denn es war für ihn zwanzig Jahre zu früh geschrieben; und wir haben unter allen Schauspielern, womit Deutschland überschwemmet ist, etwa — doch wir wollen die Zahl nicht angeben — die Emilia verstehn, und die darinn vorkommenden Karaktere, mit Geist und Leben darstellen können, und der Kritiker die so ein Meisterstück zu schätzen, und mit ganzer Seele zu fühlen vermöchten, kaum sechse unter den ganzen Schwärm Journalisten, Zeitungsschreiber usw. Trotz dem allen, fanden sich Dichtergehirnlein genug, die Emilia Galotti plünderten, da einen Zug, da eine Wendung stahlen und sie unter ihren jämmerlichen Sauerteig knäteten — das denn ein ganzes gab: Rat|ten und Mäuse zu vergiften. Da wurden die Claudien, die Odoardos, die Orsinen (332) in jedem Trauerspiel hineingezogen — und so zerkratzt, so verstellt in ihren Sudeleyen hingekleckts, daß es jedem Leser weh und übel wurde! Sobald aber Göthe mit seinem Götz kam, siehe da, auf einmal laberynthische, romantisch über alle Gränzen der Natur ausschweifende Schauspiele, nach großem historischen Zuschnitt, ohne Zeug und Kopf von Göthen zu haben. — Gottlobl dachten wir — so entweihen sie doch Emilia Galotti nicht mehr, so werden sie doch die nicht mehr nachsudeln wollen. Aber zu früh gefreut, da erscheint diese Messe: Eulalia nichts mehr und nichts weniger, als eine Copie von Emilia Galotti. Zwar gehört der Verfasser nicht zu den gemeinen Trosse der Nachahmer — er hat eigne Schönheiten die gute Hofnung von ihm geben — aber doch Plan und Karaktere Mutatis Mutandis sind meistens Lessings. Der Herzog ist Hettore Gonzago,
d e r Marquis;
Marinelli,
d i e Marquise,
d i e G r ä f i n Orsina,
G r a f Brünow,
Graf
Appiani. Der ganze Ton ist Leßingen abgeborgt, ganze Scenen ihm abgeliehen, sogar bis auf Worte und Ausdrücke im Dialog. Mein darf nur aufmerksam lesen und man wird das finden. Das abgerechnet ist Eulalia immer eines der wichtigsten Produkte 30 fürs Theater, was diese Messe geliefert. Der Dia|log ist geschmeidig und der Natur der (333) Sache gemäß. Und selbst bey der offenbaren Nachbildung der Lessingschen Charakteren, kann man das dramatische Genie des Verfassers nicht verkennen. Er suche nur selbst zu erfinden — studire die Welt mehr, als alle Bücher, und sich selbst mehr als die Welt. Denn wird er gewiß die gute Hofnung erfüllen, die seine Eulalia giebt, und 35 wir werden in ihm einen brauchbaren dramatischen Dichter bekommen, deren wir — so sehr auch alles fürs Theater Zeit und Pappier verdirbt — nur noch sehr wenige haben.
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R 215 BERLINISCHES LITTERARISCHES WOCHENBLATT. Berlin und Leipzig. I.Band. 22. Stück, Samstag, 31. Mai 1777. S. 343. Verfasser: nicht ermittelt.
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(»Theater-Journal für Deutschland vom Jahre 1777, Erstes Stück. Gotha bey Ettinger. 6. Bogen in 8. 8gr.« S. 341-345) Nachrichten, die Rigaische Bühne betreffend (s. R 209). Hier haben wir recht sehr lachen müssen, als wir lasen, daß Madam Engelmeyer die Claudia in Emilia Galotti spiele (s. A 84). Ein Spital-Mütterchen und eine vornehme Dame — so die Engelmeyern und die Claudia! — R 216 BERLINISCHES LITTERARISCHES WOCHENBLATT. Berlin und Leipzig. 1. Band. 23. Stück. Samstag, 7. Juni 1777. 361f., 365. Verfasser: nicht ermittelt.
(»Theaternachrichten.« S. 3 5 9 - 3 6 6 ) Die Gesellschaft (Abel Seylers) gieng darauf (nach Schließung der Bühne in Leipzig am 15 5. Mai 1777) nach Frankfurt am Mayn, woselbst ihre drei ersten Vorstellungen, als Emilia Galotti (s. A 123), Alceste, und Henriette von Großmann mit vielem Beyfall aufgenommen worden. Auf zukünftigen Winter ist sie bereits in Maynz engagirt, und so wird sie im Reich von einem Ort zum andern itzt ihr Glück suchen müssen. An die Stelle der abgegangenen Glieder hat Hr. Seyler folgende Personen, die alle noch in Leipzig debutirt 20 haben, bekommen: [...] | [...] Madam Franken (als Emilia Galotti.) (362) [...]|[...] (563 - 365) Die Schopfische Gesellschaft spielt in Salzburg, und ergötzt das Publikum durch Aufführung guter Stücke, worunter vorzüglich der verbesserte Hamlet, die Mediceer, Emilia Galotti (s. A 125) und andere deutsche Originale gerechnet werden. 25
R 217 TEUTSCHE CHRONIK. Ulm und Augsburg. 46. Stück. Montag, 9. Juni 1777. S. 368. Verfasser: nicht ermittelt.
(»Theater.« S. 367f.) Sie (Theatergesellschaft Franz Grimmers in Ulm) wollen uns noch die Emilia Gallotti 30 liefern (s. A 126), und denke, man dürfte zufrieden seyn, wenn sie solche beym ersten Versuch nur halbweg herausbringen. R 218 BAGATELLEN. LITTERATUR UND THEATER. Düsseldorf. 47. Stück. Freitag, 13. Juni 1777. S. 372. Verfasser: nicht ermittelt.
35 Hamburg. Von daher wird gemeldet, daß die Seylersche Gesellschaft gleich nach der Meße, Leipzig verlassen habe. Vor der Hand würde die Gesellschaft in Frankfurt und in Maynz spielen. (Nachrichten zu folge: soll Hr. Seyler in Frankfurt seine Bühne mit der Aemilia Galotti eröfnet haben!) (s. A 123)
R 215-R 220
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R 219 BAGATELLEN. LITTERATUR UND THEATER. Düsseldorf. 50. Stück. Dienstag, 24. Juni 1777. S. 400. Verfasser: nicht ermittelt (teilweise identisch mit R221).
(»Berlin, den 3ten Juni 1777.« S. 394-400) 5 Ein Verlust, den das hiesige deutsche Theater erlitten, ist zu merkwürdig, als daß er in ihren Blättern mit Stillschweigen übergangen werden könnte, wie ich überhaupt die merkwürdigsten Vorfalle bey unsrer Bühne immer gelegentlich mit anzeigen werde. Den 17ten May