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German Pages 88 [172] Year 2022
Emilia Galotti Eia Trauerspiel in fünf Aufzügen
von Gotthold Ephraim Lessing.
Berlin, 1788Dey LhriKiaa Friedrich Voß «ad Sohn.
Emilia (Arlotti. Odoardo unb| K > Galottr. Stcltern derEmllra. Claudia j
^ettore Gonza. Marrneüi.
Camillo
Prinz von Guastalla.
Kammerherr des Prinzen.
Rota.
Einer
von
Räthen.
Conti.
Maler.
Graf Appiani. Gräfinn Orsr'na»
Zlngelo, und einige Bediente.
deS
Prinzen
Erster Aufzug. (Dir Scene, ein Kabinet des Prinzen.)
Erster Auftritt. DsrPktNj, an einem Arbeitstische, -oller Brief
schaften und Papiere, deren einige er durchlauft»
lagen, nichts als Klagen! Bittschrift
ten,
nichts als Bittschriften!
Die traurigen Geschäfte; uns noch! —
und man. beneidet
Das glaub" ich; wenn wir ak
len helfen kennten: dann wären wir zu benei den»
Emilia? (indem er noch eine von den Bitt»
A 2
s»rif-
Emilia Galotti.
4
schnfceu aufschlagt, und nach dem unterschriebenen Na men steht.) Eine Emilia? —
Aber eine Emu
Nicht Emir
lia Bruneschi — nicht Galotti.
WaS will sie, diese Emiliä
lia Galotti! —
Bruneschi ?
viel. —
(er liefet)
Viel gefedert \
Doch sie heißt Emilia.
sehr
Gewährt!
(er unterschreibt und klnigelc; worauf eilt Kammerdiener
hcreintntk.) Es ist wohl noch keiner von den Rär
then in dem Vorzimmer? Der Dammerdiener.
Der Prinz. macht. —
Der Morgen ist so schön.
will ausfahren»
begleiten.
Nein.
Zch habe zu früh Tag get
Ich
Marchese Marinelli soll mich
Laßt ihn rufen.
Kammerdiener geht
ab) — Ich kann doch nicht mehr arbeiten. —
Ich war so ruhig, bild' ich mir ein, so nix hig — Auf einmal muß eine arme Bruneschi, Emilia heißen: —
weg ist meine Ruhe, und
alles.' — Der Dammerd.
(welcher wieder Here,» tritt.)
Nach dem Marchese ist geschickt.
Und hier, «in
Brief von der Gräfinn Orsina» Der
Emilia Galottk.
5
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Lammerd. Ihr Läufer wartet. Der Prinz.
Ich will die Antwort senden;
wenn es einer bedarf. — Wo ist sie? Zn der Stadt? oder auf ihrer Villa? Der Lqmmerd. Sie ist gestern in die Stadt gekommen,
Der Prinz.
Desto schlimmer —
besser;
So braucht der Läufer um so
wollt' ich sagen.
weniger zu warten,
(der Kammerdiener gehr ab.)
Mein« theure Gräfinn! (bitter, indem er de» Brief
in die.Hand nimmt) So gut, als gelesen! (und ihn
wieder wegwirst) —
Nun ja ; ich habe sie zu
lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles?
Kann seyn, ich habe sie auch wirklich geliebt.
Aber — ich habe!
Der Lammerd.
(der nochmals herein tritt)
Der Maler Conti will die Gnade haben--------Der Prinz.
Conti? Recht wohl; laßt ihn
herein kommen. — DaS wird mir andere Ge« danken in den Kopf bringen. — (st-ht auf.)
A 3
Zwey-
6
Emikka Gakottk. Zweyter dlnftritt.
Conti. Der Prins..
Der Prinz.
Guten Morgen,. Conti. Wit
leben Sie? Was macht die Kunst? Canti.
Prinz, die Kunst geht nach Brodt.
Der Prinz.
Das muß sie nicht; das soll sie
Nicht, ---
in meinem kleine«: Gebiethe getvist
nicht. —
Aber der Künstler muß auch arbeite«»
Vollen. Conti. Arbeiten 7 Das ist stine Lust. Nur zu viel arbeiten müssen,. kann ihn nm dm Namen
Künstler bringen.
Der Prinz. Zchmeynemcht vieles; sondern viel: ein Weniges; aber mit Fleiß. — Sie komr
men doch nicht leer, Lenti? Conti.
Zch bringe das Portrait, «vekcheS
Sie mir befohlen habe», gnädiger Herr. Bringt- noch eines, befohlen:
Und
weiches Sie mir nicht
aber «veil es gesehen zu «»erden
verdient — Der
Emilia Galotti. Der Prinz.
7 w*
Jenes ist? —. Kann ich mich
-och kaum erinnern —
Conti.
Die Gräfinn Orsina.
Der Prinz.
Wahr!
Der Auftrag ist
nur ein wenigvon langher.
Conti. Unsere schönen Damen sind nicht alle Die Gräfinn hat, seit drey
Tage zum waten.
Monathen, gerade Einmal sich entschließen könr nen, zu sitzen.
Der Prinz.
Conti.
Wo sind die Stücke?
In dem Vorzimmer:, ich hole sie.
Dritter Auftritt. Der Prinz. Ihr Bild? —’
mag! —■
ße doch nicht selber.
ich
—
Ihr Bild, ist
Und vielleicht find'
in dem Bilde wieder, was ich in der Per
son nicht mehr erblicke. —
nicht wiederfinden. —
Ich will cs aber
Der beschwerliche Ma,
kr! Ich glaube gar, sie hat ihn bestochen. — War' es auch! Wenn ihr ein anderes &i(6, das mit
andern.
Farben,
auf einen andern
A4
Eirund
Emilia Galotti.
R
Grund gemalet ist, — in meinem Herzen wieder Platz machen will: — Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden. Als ich dort liebte, war ich immer so leicht, so fröh« lieb, so ausgelassen— Nun bin ich von allem das Gegentheil. — Doch nein; nein, nein! Behäglicher, oder nicht behäglicher: ich bin so besser.
Vierter Auftritt. Der Prinz.
Conti f mit den Gemälden, von er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet.
wo
Conti, (indem er das andere zurecht stellet.) Ich bitte, Prinz, daß Sie die Gränzen unserer Kunst erwägen wollen. Vieles von dem Anzüglichsten der Schönheit, liegt ganz ausser den Gränzen der« selben. — Treten Die so! —
Der Prinz. (n«dj einer kurzen Betrachtung.) Dortreflich, Conti; — ganz vortreflich! — Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. — Aber
Emilia Galotti,
9
Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich gtt schmeichelt! Conti. Das Original schien dieser Meyr nung nicht zu seyn. Auch ist es in der That nicht mehr geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die Kunst muß malen, wie sich die plar stische Natur, — wenn es eine giebt — daS Bild dachte: ohn« den Abfall, welchen der wir derstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen a« kämpfet. Der Prinz. Der denkende Künstler ist noch «ins so viel werth.— Aber daS Original, sagen Sie, fand dem ungeachtet — Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Orit ginal ist eine Person, die meine Ehrerbietung federt. Ich habe nicht« nachtheiliges von ihr äuffern wollen. Der Prinz. So viel als Ihnen beliebt! —Und was sagte das Original? Conti. Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin», wenn ich nicht häßlicher aussehe. A 5
Der
io.
Cmklka Gakottk.
Der Prinz.
Nicht häßlicher? —
0 da«
wahre Original!
Conti, lind miteiner Mene sagte siedas, —•
von der freylich dieses ihr Bild keine Spur, feit jien Verdacht zeiget. Der Prinz.
Das meynt'ichja; das ist e#
eben, ivctimi ich die unendliche Schmeicheley
O! ich kenne fie, jene stolze höhnie
finde. —
fche Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstellen würde! —
Zch leugne nicht, daß
ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch
verziehet,
nicht selten um so viel schöner ist.
Aber, wohl gemerkt, ein wenig: die Verzier hnng muß nicht bis zur Grimasse gehen, wi«
bey dieser Gräfinn.
Und Augen müssen über
den wollüstigen Spötter di« Aufsicht führen, —
Augen,
wie sie die gute Gräfinn nun gerade
gar nicht hat.
Auch nicht einmal hier im ViK
de hat.
Conti.
Gnädiger Herr, ich bin äusserstbe«
troffen — Der- Prinz. Und worüber? Alles, was M< '
Kunst
11
Emilia Galoktt.
Kunst aus dengroßon, hervorragenden, stieren,
starren Medusenaugen der Gräfinn gutes machen kann, das haben Sie , Conti , redlich daraus ger
Nicht so redr
macht. — Redlich, sag' ich ?
lich, wäre redlicher. Denn sagen Sie selbst, Com
ti , läßt sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schließen ? Und das sollte doch. Stolz
haben Sie in Würde, Hohn in Lächeln, 2(w sah zu trübsinniger
Schwarmorey in simsta
Schwermuth vert-uandelk.
Conti. (etwas al § erlich) Zlh, mein Prinz, wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bil
den Liebhaber noch eben so warm findet, als warm
er es. bestellte.
Wir malen mitAugen der Liebe
und Augen der Liehe, müßten uns auch nur urtheilen,. Der Prinz.
Za nun,
Conti ; —
wa^r
um kamen Sie nicht seinen Monath früher damit? — Setzen Sie weg. — ,Was ist da andere Stück?
Conti,
(ur-eyr er es holt^
uu» noch vcrkchr-t
im
la
Emilia Galotkk
in »er Hand hält.) Auch rin weibliches Pop ndtt. Der Prinz. So möcht' ich es bald liebex gar nicht sehen. Denn dem Ideal hier, (mit »e* Singer auf Sie Stirne) — oder vielmehr hier, (mit fern Singer auf das Herz) kömmt eS doch Nicht bey. —> Ich wünschte, Conti, Ihxe Kunst in andern Vyre würftn zu bewundern. Conti. Eine bewundernswürdigere Kunst giebt es; aber sicherlich keinen bewundernswüp digern Gegenstand, als diesen, Der Prinz. So wett' ich, Conti, daß es des Künstlers eigene Gebietherinn ist. —• (indem der Maler da« Bild umwendet) Was seh' ich? Ihr Werk, Conti? oder das Werk meiner Phantcu sie? — Emilia Galotti! Conti, Wie, mein Prinz? Sie kennen dies sen Engel? Der Prinz, (luden, er sich zu fassen sucht, aber phne ein Auge bon dem Bilde zu verwenden.) So halb! um sie eben wieder zu kennen. — Es ist einige Wochen her, als-ich sie mit ihrerWritter in
Cmilia Galotti.
*3
in einer Vegghia traf. — Nachher ist sie mir huv an heiligen Staken wieder vorgekvmt wen, wo das An gaffen sich weniger ziel Met. Auch kenn ich ihren Vater. Er ist Wein Freund nicht. Er wat es, der sich weit Uen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten wir dersetzte. Ein alter Degen; stolz und rauh; sonst bieder und gut! —* Conti. Der Vater! Aber hier haben wir feine Töchter. — Der Prinz. Bey Gott! wie aus dem Spiegel gestohlen! (noch ickmer die Äugen -ufdaBild geheftet.) Ö, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß man den Künstler dann erst recht tvbt, wenn man über sein Werk sein Lob vergißt. Conti. Gleichwohl hat mich dieses Noch sehr Unzufrieden mit mir gelassen. -— Und doch bin ich wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzur stiedenheit mit wir selbst. Ha! daß wie Nicht unmittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen Wege, aus dem Auge durch den Arm
Emilia Galottk. ............ yj'j...........................................
Arm in den Pinsel, wie viel geht da verlor ren! -— Aber, wie ich fage, daß ich eS weiß, was hier verloren gegangen, und wie cs verlor ren gegangen, und warum «S verloren gehe» Müssen; daraus bin ich eben so stolz, und stolr zer, als ich auf alles das bin , was ich nicht verloren gehen lasse«. Denn aus jenem erken ne ich, mehr als auS diesem, daß ich wirklich rin großer Maler bi»; daß eS aber meine Hand Nur nicht immer ist. — Oder meynen Sie, Prinz, daß Raphacl nicht das größte malrrische Genie ger wesen wäre , wenn er unglücklicher Weis« ohn« Hände wäre geboren worden? Meynen Sir, Prinz? Der priNZ» (indem ei' nur eben re» tetr. Diidr trege tttfe.) WaS sagen Sie, Conti ? Was wollen Sie wissen? Conti. 0 nichts, Nichts! Plauder bey! Ihre Seele, merk' ich, war ganz in Ähren Augen. Ich liebe solche Serie» , und solche Augen. Der Prinz, (mit einer er;l»»i'jen^i Kä!re) Al, so.
Emilia Galotki.
i$
so, Conti, rechnen Sie doch wirklich Emilia Galotki mit zu den vorzüglichsten Schönheiten unserer Stadt? Conti. Also? mit? mit zu den vorzügt ltchsten? und den vorzüglichsten unserer Stadt? — Sie spotten meiner, Prinz. Ober Sie sahen, die ganze Zeit, eben sowenig, als Sie hörten. Der Prinz. Lieber Conti,— (sie Äugt» «Dictier «nf das Dil» geratet.) wie darf unser eil Ner seinen Augen trauen? Eigentlich weiß doch nur allein ein Maler von der Schönheit zu urtheilen. Conti. Und eines jeden Empfindung sollt« erst auf den Ausspruch eines Malers warten? — ZnS Kloster mit dem, der eS von uns lerne» will, waS schön ist! Aber das muß ich Ihnen doch al- Maler sagen, mein Prinz: eine von den größten Glückseligkeiten meines Lebens ist e-, daß Emilia Galotti mir gesessen. Dieser Kopf, dieses Antlih, diese Stirn, diese Augen, diese Nase, dieser- Mund, dieses Kinn, dieser HalS,
i6
Emilia Galottü
Hals, diese Brust, dieser Wuchs, dieser ganze Bau, sind, von der Zeil an, mein einziges Studium der weiblichen Schönheit. —> Dir Schilderey selbst, wovor sie gesessen, hak ihr abwesender Vater bekommen. Aber dies« Kopie — Der Prinz, (der sich schnell gegen ihn k-hrtt.) Nun, Conti? ist doch nicht schon versagt? Conti. Ist für Sie, Prinz; wennSieGer schmack daran finde». Der Prinz. Geschmack! — (lächelnd) Dieses Zhr Studium der weiblichen Schönheit, Conti, Wie könnt' ich besser thun, als es auch zu dem meir vigen zu machen? ■— Dort, jenes Porträltnehr #wn Sie nur wieder mit, — einen Rahmen bare nm za bestellen. Conti. Wohl! Der Prinz. Sv schön, so reich, als ihn der Schnitzer nur machen kann. Es soll in der Gaüerie aufgestrllet werden. — Aber dieses bleibt hier. Mit einem Studio macht man so viel Umstände nicht: auch läßt man da« nicht auf«
Emilia Valokkl.
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aufhangen; sondern hat es gern bey der Hand. — Ich danke Ihnen, Conti; ich dam ke Ihnen recht sehr. — Und wie gesagt; in meinem Gebiethe soll die Kunst nicht nach Brodt gehen; — bis ich selbst keines habe. — Schicken Sie, Conti, zu meinem Schatzmeie strr, und lassen Sir, auf Ihre Quitung, für beide Porträtte sich bezahlen, — was Sie wol» len. So viel Sie wolle», Conti.
Conti. Sollte ich doch nun bald fürchten, Prinz, daß Sie so, noch etwa- anders belohnen wollen, als die Kunst.
Der Prinz. O des eifersüchtigen Künstlers! Nicht doch! — Hören Sie, Conti; so viel Sie wollen. (Conti geht
ab.)
Fünfter Auftritt.
Der Prinz. So viel er will! —- (gegen d«e Bild) Dich hab' ich für jede» Preis noch zu wohlfeil. — Ah! schönes Werk der Kunst, ist es wahr, baß D ich
t8
Emilia Galottl.
ich dich besitze?
Wer dich auch besäße,
—
schönres Meisterstück der Natur! —
Was
Sie dafür wollen, ehrliche Mutter! Was du
willst, alter Murrkopf! Fodre hur! — liebsten kaust' ich dich,
Zauberinn-
Am
von dir
Dieses Auge voll Liebreiz und Der
selbst! —
scheidenheit! Dieser Mund! und wenn er sich zum reden öffnet: Mund! —
wenn er lächelt!
Ich höre kommen.
ich Mit dir zu neidisch,
Dieser
Noch bin
(urSeui er vaö Bild gesell
die Wand drehet.) Es wird Marinelli seyn.
Hätt'
ich ihn doch nicht rufen lassen! Was für einett Morgen könnt' ich haben)
Sechster Auftritt.
Marinelli. Marinelli.
Der Prinz.
Gnädiger Herr, Sie werden
verzeihen. — Ich war mir eines so frühen Dee
fehls nicht gewärtig. Der Prinz.
Ich bekam Lust, auszufahren.
Der Morgen wat so schön. — Aber nun ist er ja
wohl verstrichen; und die Lust ist mir vergaiu
gen. —
Cmilia Galottü 1 ' ——
r-
gen. — (nach einem kurzen Stillschweigen) Was haben wir Neues, Marinelli? UTnvhieUi.
wüßte. —
Nichts von Belang, das ich
Die Gräfinn Orfina ist gestern zur
Stadt gekommen» Der Prinz.
Hier liegt auch schon ihr guter
Morgen, (aufchren Bnefze:genv) oder was es sonst seyn mag! Ich bin gar nicht neugierigdarauf. —
Sie haben sie gesprochen?
: ?j Marinelli.
Din ich ^leidet , nicht ihr Derr
trauter?— Aber, wenn ich es wieder von einer
Dame werde, der e6 einkömmt, Sie in gutem
Ernste zu lieben, Prinz: so---------
.
Der Prinz.
Nichts verschworen,
Marir
ne Ui I Marinelli.
Ja? Zn der That, Prinz?
Könnt'es doch kommen? — 01 so magdieGrär auch so Unrecht nicht haben.
Der Prinz.
Allerdings, sehr Unrecht; —
Meine nahe Vermählung mit derPrinzeffinn von Massa, will durchaus, daß ich alle dergleichen
Händel fürs erste abbreche.
D 2
Ma-
EmLlia Galotti.
2o
Wenn es mir das wäre:
Marinelli.
s»
müßte freylich Orsina fich in ihr Schicksal eben
fe wohl zu sindm wissen,
als der Prinz in
seines.
DaS unstreitig härter ist, als
Der prin;. ihres.
Mein Herz wird das Opftr eines «lene
den Staatsintereffe. rücknehmen:
Ihres darf sie nur zur
aber nicht wider Willen
vere
schenken. Marinelli. Znrücknehmen? Warum zurück/ nehmen?
fragt bi« Gräfinn: wenn es weiter
nichts, als eine Gemahlinn ist, die dem Prim zen nicht die Liebe, ,sondern die Politik zuführ
ret? Neben fo einer Gemahlinn sieht die Ger liebte noch immer ihren Platz.
Nicht so einer
Gemahlinn fürchtet sie aufgtopfert zu sey», sonr der»------ -*
Der prin;.
Einer neuen Geliebten. --
Nun denn? Wollten Sie mir daraus ein Verr
brechen machen, Marinelli? Marinclle.
Ja ? —
0! vermengen Sie
mich ja nicht, mein Prinz, mit der Närrinn, deren
Emilia Galotti. -------- »Mgrp».. deren Wort id) führe, -—
re.
aus Mitleid füh
Denn gestern, wahrlich, hat sie mich fönt
derbar gerührct.
Sie wollte von ihrer Angele»
genheit mit Ihnen gar nicht sprechen.
Sie
wollte sich ganz gelassen und kalt stellen.
Aber
mitten in dem gleichgültigsten Gespräche, ent
so werde mir meiner Sünden kein»
vergeben!
Marinelli.
Ich weiß kaum Worte zu ßn«
den, Prinz, —
wenn Sie mich auch dazu
kommen ließen — Ihnen mein Erstaunen zu bejeigen. —
Sie lieben Emilia Galotti?• —-
Schwur dann gegen Schwur: Wenn ich
dieser Liebe das geringste gewußt,
ringst« vermuthet habe;
vor
das ge«
so möge weder En«
gel noch Heiliger von mir wissen! —
Eben
das wollt' ich in die Seel« der Orstna schwören. Ihr Verdacht schweift auf einer ganz anders
Fährte.
Der prin;. So verzeihen Sie mir, Mari«
Nelli; — (indem er sich ihm in die Anne wirft) und bedauren Si« mich. Marinelli.
Nun da, Prinz! Erkennen
Sie da die Frucht Ihrer Zurückhaltung! -„Fürsten haben keinen Freund!
„tun Freund haben!,, —
können kci«
Und di« Ursache, wenn
28
Emilia Galotti.
wenn dem f» ist? — Weil Sie keinen Hai -en wollen. — Heute beehren Sie uns mit ihrem Vertraue« , theilen uns ihre geheim« sten Wünsche mit, schließen uns ihre ganze Seele auf: und morgen sind wir Ihnen wie« -er so fremd, als Hütten Sie nie ein Wort ger wechselt. Der Prinz. Ach! Marinelli, wie konnt' ich Ihnen vertrauen , was ich mir seihst kaum ge« stehen wollte? Marinelli, Und also wohl noch weniger der Urheberinn Ihrer Quaal gestanden haben? Der Prinz, Ihr? — Alle meine Mühe ist vergebens gewesen! sie ein zweyttsmal zu h>rechen. — Marinelli. Und das erstemal — Der Prinz. Sprach ich sie — 0, ich komme von Sinnen! Und ich soll Ihnen noch lange er« zählen ? — Sie sehen mich einen Raub der Wel« len: was fragen Die viel , wie ich es geworden? Retten Sie mich, wenn Sie können: und fra: gen Sie dann. Mari«
Emilia Galotti.
ag
-------- »Mgrp».. Marinelli. Retten ? da ist viel zu retten? —
Was Sie versäumt haben, gnädiger Herr, der Emilia Galotti zu bekennen, das bekennen Sie
nun der Gräfinn Appiani.
Waaren, die man
aus der ersten Hand nicht haben kann, kauft man ans der zweyten: —
und solche Waa»
»en nicht selten aus der zweyten um so viel
wohlfeiler.
Der Prinz. Ernsthaft, Marinesti, ernsthaft,
oder — Marinelli. Freylich, auch um so viel schlecht ter — -Der Prinz.
Marinelli.
Sle werden unverschämt!
Und dazu will der Graf damit
aus dem Lande. •— Ja, so müßte man auf ett
was anders denken. — Der Prinz.
Und auf was?
Liebster,
bester Marinelli, denken Sie für mich.
Was
würden Sie thun, wenn Sie an meiner Stelle
wären?
Marinelli. Vor allen Dingen, eineKleinig«
keit als eine Kleinigkeit ansehen; —
und mir
sa»
?o
Emilia Galottk.
sagen, -aß ich nicht vergebens seyn woll«, Wa ich bin — Herr'. Oer Prinz. Schmeichelen Sie mir nicht mir einer Gewalt, von der ich hier feinen Gebrauch ab sehe. — Heute sagen Sie? schon heute? Marinelli. Erst heute — soll e- gesche» hen. Und nur geschehenen Dingen ist nicht jU rathen. — (»ich e.uer fuejew Ikberkgune) Wollen Sie mir sre.e Hand lasse», Prinz? Wollen Sie alles genehmigen» was ich thue? Der Prinz. Alles, Marinelli, alles, wtlticfcn S tveiel) abwenden kann. Marinelli. So lassen Sie nnS keine Zeit Verlieren. — Aber bleiben Sie nicht in der Stadt. Fahren Sie sogleich nach Ihrem Lust» scblosse, nach Dosala. Der Weg nach Sabio» netto geht da vorbey. Wenn eS mir nicht gei fingt, den Grasen augenblicklich zu entfernen; so denk' ich — Doch, doch; ich glaube, er geht in diese Falle gewiß. Sie wollen ja, Prinz, wegen Ihrer Venuählung einen Ger sand»
Emilia Galotti.
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sandten.nach, Massa schicken? Lassen Sie den Grafen diesen Gesandten seyn; mit dem Bee dinge, daß er noch heute abrciset. — Derster hen Sie? Der Prinz. Vortreflich! — Bringen Sie ihn zu mir heraus. Gehen Sie, eilen Sie. Ich werf« mich sogleich in -en Wagen. (SR«mellt geht ad.)
Siebenter? Auftritt»
Der Prinz-. Sogleich ! sogleich! —
Wo blieb eS? ; (sich, nach dem Ponratte umsehend) Auf der Erbe? daSwar zu arg! (rndemeresausbcbt) Doch betrach ten? betrachten mag ich dich fürs erste nicht mehr. — Warum sollt' ich mir den Pfeil Noch tiefer in die Wunde drücken? (seht es bey Seite) — Geschmachtet» geseufzet hab' ich lange genung, — langer als ich gesollt Hatter aber nichts gethan! und über die zärtliche Uni thatigkeit bey einem Haar' alles verloren! *** Und wenn nun doch alles verloren wäre? Wenw Mai
Zs
Emilia Galotti.
Marinelli nichts auSrichtet« ? — Warum will ich mich auch auf ihn allein verlassen? ES fällt mir «in, sm diese Stunde, (»ach die Uhr sehend) um diese nehmliche Stunde pflegt daS ftvmme Mädchen alle Morgen bey den Do» minikann n die Messe zu hören, — Wie wenn ich sie da zu sprechen suchte? — Doch heute, heut' an ihrem Hochzeittag«, — heut« wer« den ihr andere Ding« am Herzen liegen, als die Messe. — Indeß, wer weiß? — ES ist ein Gang» (er klingelt > uns indem «r eins» gt HiNi Sen Papieren auf Sem Tischs hastig zustMme«
tri« Her Kammerdiemr herein) Laßt V0ks fahren l — Ist noch keiner von -en Rät then da? DerRammerd. Camillo Rota. Der Prinz. Er soll herein kommen. (r«r St»mmeedienrr-thk ad) Nur anfhalten muß er mich nicht wolle«. Dasmal nicht r — Ich steh« gern seine« Brdenklichkeiten «in andermal um so viel langer zu Diensten. — Da war j» noch die Bittschrift «iner Emilia Bruneschi rafft,
Emr'lka Galoklk.
33
(sie suchend) Die ist«. — Aber gute DruueSchk, wo deine Vorsprccherinn-------
Achter Auftritt. Camillo Rota, Schrifttn iu -er Hütt-.
Der Prinz» Der Prinz. Kommen Sie, 9vota, kommen Sie. — Hier ist, was ich diesen Morgen erbror chen. Nicht viel Tröstliches.' — Sie werden von selbst sehen, waö darauf zu verfügen. — Nehr men Sie nur» Camillo Rom.
Gut, gnädigerHerr.
Der Prinz. Noch ist hier eme Bittschrift einer Emilia Galot 11 Druneschi will ich far gen. — Ich habe meine Bewilligung zwar schon bcygeschrieben. Aber doch — die Sache ist keir ne Kleinigkeit — Lassen Sie die Ausfertigung noch anstehen. — Oder auch nicht anstehen: wie Sie wollen. Camillo Rom. ger Herr.
Nicht wie ich will, gnadü C
Der
34
Emilia Galotti.
Der Prinz. Was ist sonst? Etwas zu unten schreiben? Camillo Nota. Ein TodeSurtheil wäre zu unterschreiben. Der Prinz. Recht gern. — Nur her! ge» schwind. Camilla Nota, (stuhig lind 6en Prinjen (teer an sehend) Ein TodeSurtheil, sagt' ich. Der Prinz. Zch höre ja wohl. — ES könnt« schon geschehen seyn. Zch bin eilig. Catnillo Nota, (feine Schrift!» nachsehend) Nun hab'ich eS doch wohl nicht mitgenommen.'----- Verzeihen Sie, gnädiger Herr. — ES kann Ane stand damit haben bis morgen. Der Prinz. Auch das! — Packen Sie nur zusammen: ich muß fort — Morgen, Rota, ein MchreS.' (gehe -i>) Camillo Nora, (den Kopf schüttelnd, indem er die Papiere zu fiel) nimmt und abgeht) Recht gern ? — Ein Todesurtheil recht gern? — Ich hätt' eS ihn in diesem Augenblicke nicht mögen unter» schreiben lassen, und wenn eS den Mörder tu tu nes
Emilia Galotti.
35
neS einzigen SohneS betroffen hätte. — Recht
gern! recht gern! —
Es geht mir durch die
Seele dieses gräßliche Recht gern I
•frfr fr-fr fr-fr-fr-fr.
Zweyter Aufzug. lDie Scene» ein Saal in dem Hause der Galotti.)
Erster Auftritt»
Claudia Galotti, Pirrv. (laudier. (im Heraustreteu zu Pirro, der von der ««der» (Seite herein tritt)
Wer sprengte da in den
Hof? pivro.
Unser Herr > gnädige Frau»
Llgndla. Mein Gemahl? Ist es möglich?
pirro.
Llaudia.
Er folgt mir auf dem Fuße. So nnveklnuthet? — (ihm entgt*
ten eilend) Ach l mein Bester ! —•
C r
Zwey-
Emilia
36
Galotti.
Zweyter Auftritt. Odoardo Galotti, UNd die Vorigen.
Odoardo. Guten Morgen, meine Liebe! — Nicht wahr, das heißt überraschen? Claudia. Und auf die angenehmste Art! — Wenn es anders nur eine Überraschung fcptt
soll. Odoardo. Nichts weiter! Sey unber sorgt. — Das Glück des heutigen Tageweckte mich so früh; der Morgen war so schön; der Weg ist so kurz; ich vermuthete euch hier so geschäfftig — Wie leicht vergessen Sie etwas: fiel mir ein. — Mit einem Worte: ich komme, und sehe, und kehre sogleich wieder zurück. — Wo ist Cmilia? Unstreitig beschäftigt mit dem Putze? — Claudia. Ihrer Seele! — Sie ist in der Messe. — Ich habe heute, mehr als jeden cnu dern Tag, Gnade von oben zu erflehen : sagte sie, und ließ alles liegen, und nahm ihren Schleyer, und-eilte — Odoardo. Ganz allein?
Emilia Galotti. ei1
—■
37 .i
».
Llaudia. Die wenigen Schritte------Odoardo. Einer ist genug zu einem Fehlt tritt'! — Claudia. Zürnen Sie nicht, mein Bester; und kommen Sie herein, — einen Augenblick ausjuruhen, und, wann Sie wollen, eine Erfrü schuug zu nehmen. Odoardo. Wie du meynest, Claudia. —* Aber sie sollte nicht allein gegangen seyn. — > Llaudia. Und Ihr, Pirro, bleibt hier in dem Vorzimmer, alle Besuche auf heute zu ve« bitten.
Dritter Auftritt» Pirro, und 6el> darauf AnAtlo» pirro. Die sich nur auö Neugierde mel< den lassen. — Was bin ich seit einer Stunde nicht alles auSgefragt worden! — Und wer kömmt da? Angelo, (noch bald hinter der Seen«, in einem kurzen Mantel, den er über dar! Erficht gezogen, de»
Huk in die Stirne) Pjrr»! — Pirrv!
C 3
Pitt
Emilia Galotti.
z8
^arTg".-.:. L— pirro.
H
I
r Pirro. Und auch bey diesem Verbrechen soll ich dein Mitschuldiger seyn? Angelo. Du reitest vorauf. Reite doch, reit te! und kehre dich an nichts!
C5
P«w
Emilia
Galotti.
. pivvo.
Nimmermehr!
Angelo. Wre? ich glaube gar, du willst den Gewissenhaften spielen. — Bursche! ich denke,
du kennst mich. — Wo du plauderst! Wo sich ein einziger Umstand anders findet, als Lu mir ihn angegeben! — Piero.
Aber, Angelo, um des Himmels
willen! Thu, was du nicht lassen kannst.!
Angelo.
(geht ab)
Pivvo. Ha! Laß dich den Teufel bey Einem
Haare fassen; und du bist sein auf ewig? Zch Unglücklicher!
Vierter Auftritt. Odoardo un» Claudia Galotti. Odoardo.
Sie
bleibt
mir
Pirro. zu
lang'
aus — Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo! Es würde sie schmerzen, deines Anblicks so zu verfehlen.
Odoardo.
Ich muß auch bey dem Grafen
noch
Emilia Galottl. LJ., ■■,!—. .
45
-
noch einsprechen. Kaum kann ichs erwarten, die^
sen würdigen jungen Mann meinen Sohn zu nenr yen.
Alles entzückt mich an ihm.
Und vor allem
der Entschluß, in seinen väterlichen Thalern sich
selbst zu lebenClaudia.
Das Herz bricbt mir, wenn ich
hieran gedenke. — So ganz sollen wir sie wvlitf
ken, diese einzige geliebte Tochter? (pdoardo,
Was nennst du, sie verlieren?
Sie in den Armen der Liebe zu wissen? Verr
menge dein Vergnügen an ihr, nicht mit ihrem Glücke. —
Du möchtest meinen alten Arg*
wohn erneuern: — daß es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war, als die Nothwendigkeit, unser per Tochter eine anständige Erziehung zu geben,
was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu
bleiben; — fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.
Claudia.
Wie ungerecht, Odoardo! Aber
laß mich heute nur ein einziges für diese Stadt, für diese Nähe des Hofes sprechen, die deiner
strem
Emilia Galotti,
44
strengen Tugend so verhaßt sind.
—
Hier,
nur hier konnte die Liebe zusammen bringen, was für einander geschaffen war.
Hier nur
konnte der Gras Emilien finden;
und fand
sie.
Odoardo.
Das räum'ich ein.
Aber, gur
te Claudia, hattest du darum Recht, weil dir
der Ausgang Recht giebt? —
Gut,
daß eS
mit dieser Stadtcrzichnng so abgclaufen! Laß
uns nicht weise seyn wollen, wo wir nichts, als
glücklich gewesen! Gut, daß cs so damit abger
laufen! —
Nun haben sie sich gefunden, die
füreinander bestimmt waren: nun laß sie zier
hen, wohin Unschuld und Ruhe sie rufen. — Was sollte der Grafhier? Sich bücken, schmeir cheln und kriechen, und die Marinellis auSzur
stechen suchen? um endlich ein Glück zu ma, chen, dessen er nicht bedarf? um endlich einer
Ehre gewürdiget zu werden i die für ihn keine
wäre? — Pirro! pirro.
Hier bin ich.
Odoardo.
Geh und führe mein Pferd
vor
Emilia Galottt. vor das HauS des Grafen.
45
Ich komme. nach,
und will mich da wieder aufschen. (Pirr» z-hr et) — Warum solider Graf hier dienen, wenn
er dort selbst befehlen kann? —
Dazu bedem
kest du nicht, Claudia, daß durch unsere Toch« ter er es vollends mit dem Prinzen verderbt.
Der Prinz haßt mich — Llaudia.
Vielleicht weniger,
als du btt
sorgest.
Odoardo.
Besorgest I
Ich besorg' auch
so was I
Llaudia.
Denn habe ich dir schon gesagt,
daß der Prinz unsre Tochter gesehen hat?
Odoardo. Der Prinz? Und wo das? Llaudia.
In der letzten Vcgghia,
bey
dem Kanzler Grimaldi, die er mit seiner Get
genwart beehrte.
Er bezeigte sich gegen sie ss
gnädig--------
Odoardo. Llaudia.
So gnädig? Er unterhielt sich mit ihr s»
lange — —
Odoardo.
Unterhielt sich mit ihr? Llam
46
Emilia Galotti.
Claudia. Schien von ihrer Munterkeit und Ihrem Witze so bezaubert-----Odoardo. So bezaubert? — Claudia. Hat von ihrer Schönheit mit f» vielen Lobeserhebungen gesprochen —---Odoardo. Lobeserhebungen ? lind das alieerzählst du mir in einem Tone der Entzückung? O Claudia! eitle, thörichte Mutter! Claudia. Wie so? Odoardo. Run gut, NUN gut! Auch da ist so abgelaufen. *— Hä! wenn ich mir eitV bilde — Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödtiichsten zu verwunden bin! '
Claudia. Was ist vir, meine Tochter? was
ist
dir? Emilia.
Nichts, nichtS —
Claudia. Und blickest so wild um dich?
Und
zitterst an jedem Gliede? Emilia.
wo,
Was hab' ich hören müssen? Und
wo hab' ich es hören müssen?
Claudia.
Zch habe dich in der Kirche ger
glaubt — Emil,a. Eben dal Was ist dem Laster Kirch*
vnd Altar? -!— Ach, mein« Mutter! (sich ihr in k:e Ärrüe weifens) Claudia.
Rede, meine Tochter! — Mach
meiner Furcht «in Ende. —
Was kann dir
da, an heiliger Stäke, so schlimmes begegnet
seyn? Emilia.
Nie häkle meine Andacht inniger,
brünstiger seyn sollen, als heute: nieistsieweni» gcr gewesen, was sie seyn sollte. Clandia.
Wir sind Menschen,
Emilia.
Die Gab« zu beten ist nicht immer in unserer Gewalt.
beten.
Dem Himmel ist beten wollen, auch Emü
Emilta Galokti. -SL-—----Emilia. Und sündigen wolle», auch sün» digen.
Llaudia. DaS hat meine Emilia nicht wollen! Emilia. Nein, mein« Mutter; so tiefließ mich die Gnade nicht sinken. — Aber daß frem des Laster uns, wider unsern Willen, zu Mit» schuldigen machen kann! Llandia. Fasse dich!— Sammle deine Ge danken, so viel dir möglich.— Sag' «S mir mit «ins, was dir geschehen.
Emilia. Eben hatt' ich mich — weiter von dem Altare, als ich sonst pflege, — denn ich kam zu spät — auf meine Knie gelassen. Eben fing ich an, mein Herz zu erheben: alS dicht hinter mir etwas seinen Platz nahm. So dicht hinter mir! — Ich konnte weder vor, noch zur Seite rücken, — so gern ich auch wollte; aus Furcht, daß eines andern An» dacht mich in meiner stören möchte. — An» dacht! dar war das schlimmste, was ich be D sorg»
JO
Emilia Galottk. —
■
■ ■ i
——— d»
svrgte. — Aber es währle nicht lange, so hört' ich, ganz nah' an meinem Ohr«, — nach einem tiefen Seufzer, — nicht den Namen einer Heiligen, — den Namen, — zürnen Sie nicht, meine Mutter — den NamenZH« rer Tochter! — Meinen Namen! — O daß laute Donner mich verhindert hatten, mehr zu hören! — ES sprach von Schönheit, von Liebe — E< klagte, daß dieser Tag, welcher mein Glück mach«, — wenn er eS anders mache — sein Unglück auf immer entschei« de. — ES beschwot mich — hören mußt' ich dieß alles. Aber ich blickte nicht um; ich woll« te thun, als ob ich es nicht hörte. — Was konnt' ich sonst? — Meinen guten Engel bitt ten, mich mit Taubheit zu schlagen: und wann auch, wann auch auf immer! — Das bat ich; das war daS einzige, was ich beten könn« te. — Endlich ward es Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt gieng zu Ende. Ich zitterte, mich umzukehren. Ich zitterte, ihn zu erblicken, der sich den Frevel erlauben
Emilia Galokti. »
—
—
dürft«.
ST •
Und da ich mich umwandle, da ichihst
erblickte — Llandia. Emilia.
Wen, meine Tochter? Rachen Sie, meine Mutter; rar
chen Sie — Ich glaubte in die Erd« ju finken. — Ihn selbst. Llandia. Emilia.
Llandia.
Wen, ihn selbst k Den Prinzen.
Den Prinzen! — 0 gesegnet fetz
die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war,
und dich nicht «-warten wollte! Emilia. Mein Vater hier? — und wollte
mich nicht erwarten? Llandia.
Wenn du in deiner Verwirrung
auch ihn da« hättest hören lassen! Emilia.
Nun, mein« Mutter? — Was
hätt' er an mir strafbares finden können? Llandia.
mir.
Nicht«; eben so wenig, als an
Und doch, doch — Ha, du kennest deir
nen Vater nicht! Zn feinem Zorne hätt' er, de» unschuldigen Gegenstand des Verbrechens mit dem Verbrecher verwechselt.
D
a
Zn seiner Wut
hätt
52
Emilia Galotti. ------
Hätt' ich ihm geschienen, das veranlaßt zu har den, was ich weder verhindern noch vvrherse» hen können. — Mer weiter» meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen erkanntest ■— Ich will hoffen- daß du deiner mächtig genug wärest, ihm in Einem Blicke alle die -Verachtung zu bezeigen, die er verdienet. Emilia. Das war ich nicht, mein« Mutter! Nach dem Blicke, mildem ich ihn erkannte, hatt' ich nicht das Herz, einen zweyten auf ihn zu rich ten. Ich floh' — Llau-ia. Und der Prinz dir nach Lmilia. Wa§ ich nicht wußte, bis ich in der Hall« mich bey der Hand ergriffen fühlte. Und von ihm.' Aus Scham mußt'ich Stand halten: mich von ihm ioszuwinden, würde die Worbcygehenden zu aufmerksam auf uns ge» macht haben. Daß war die einzige Ueberle« gung, deren ich fähig war — oder deren ich Nun mich wieder erinnere. Er sprach ; und ich hab' ihm geantwortet. Aber, was er sprach, was ich ihm geantwortet; — fällt mir «s noch
Emilia Galotti.
53
-----noch bey, so ist es gut, so will ich es Ihnen
sagen, meine Mutter.
allen nichts. srn. —
Itzt weiß ich von dem
Meine Sinne hatten mich verlast
Umsonst denk' ich nach, wir ich von
ihm weg, und aus der Halle gekommen.
Ich
finde mich erst auf der Straße wieder; und hör ve ihn hinter mir Herkommen; und höre ihn mit
mir zugleich in das Haus treten, mit mir dir Treppehinauf steigen —
Claudia.
Die Furcht hat ihren besondern Ich werbe es nie
Sinn, meine Tochter! —
vergessen, mit welcher Gebehrde du hereinstürzr test. —
Nein, so weit durfte er nicht wagen,
dir zu folgen. —
daß der Prinz dich jüngst
nicht ohne Mißfallen gesehen! —
rlchig,
wenn dein
Wie wild er schon war,
Vater das wüßte! — als er nur hörte,
Gott!
Gott!
meine Tochter!
Indeß, sey
Nimm es für einen
Traum, was dir begegnet ist
noch weniger Folgen haben,
Auch wird ei
als ein Traum.
Du entgehest heute mit eins allen Nächstes, lungen.
D 3
emi*
Emilia Galotti.
54 Emilia.
Aber,
meine
nicht,
Mutter?
Zhm muß ich et
Der Graf muß das wissen.
sagen. Claudia.
Um alle Welt nicht! —
Wo«
ju? warum? Willst du für nichts, und wieder für nichts ihn unruhig machen? Und wann er
es auch itzt nicht würd«:
wisse, mein Kind,
daß ein Gift, welches nicht gleich wirket, dar
um kein minder gefährliches Gift ist.
WaS
auf den Liebhaber keinen Eindruck macht, kann
ihn auf den Gemahl machen.
Den Liebhaber
könnt' eS sogar schmeicheln, einem so wichtigen Mitbewerber de» Rang abzulaufen. Aber wenn
et ihm den nun einmal abgelaufen hat: ahl
mein Kind, —
so wird aus dem Liebhaber
oft rin ganz anderes Geschöpf.
Dein gutes Ger
stirn behüte dich vor dieser Erfahrung. Emilia.
Sie wissen, meine Mutter, wie
gern ich Ihren bessern Einfichten mich in allem unterwerfe. —
Aber, wenn er es von einem
andern erführe, daß der Prinz mich heut« g« fprochen? Würde mein Verschnzeigen nicht, früh oder
Emilia Galottr. -------- »Mgrp»..
oder spät, seine Unruhe vermehren? — Ich dächte doch, ich behielt« lieber vor ihm nichtauf dem Herzen. Llaudia. Schwachheit! rrrliebte Schwächt heit! — Nein, durchaus nicht, meine Tochr ter! — Sag' ihm nichts. Laß ihn nichtmerken! Emilia. Nun ja, meine Mutter! Ich har 6c keinen Willen gegen den Ihrigen. — Aha! (mit einem tiefen Athemzuge) Auch wird mir wieder ganz leicht. — Was für ein alberne-, furchte sames Ding ich bin! — Nicht, meine Mut» ter? — Ich hätte mich noch wohl ander- dar bey nehmen können, und würde mir eben so wenig vergeben haben. Llaudia. Ich wollt« dir das nicht sagrn, mein« Tochter, bevor dir es dein eigner gesunr der verstand sagte. Und ich wußte, er würde dir es sagen, sobald du wieder zu dir selbst ger kommen. — Der Prinz ist galant. Du bist die unbedeutende Sprache der Galanterie z« wenig gewohnt. “'
77 i
Marinelli. 2(6*—i
. ........
.
hi*.
Geh, Battista, und suche nur
Marinelli.
ihre neugierigen Begleiter zu entfernen.
Auftritt.
Siebenter Claudia Galotti. Llandia.
Marinelli.'
(die in die Thür« tritt, indem Bat-'
eist« heran« gehen
will.)
Ha!
der hob sie all
Der führte sie fort!
dem Wagen! kenne Dich.
Battista.
Wo ist sie?
Ich trt
Unglücke
Sprich-
licher! Battista.
Da- ist mein Dank?
Llaudta.
O,
Ntst:
(in
einem
wenn
gelinden
du. Dank
‘tone) —
verbiet
so vei'jett
he mir, ehrlicher Mann! — Wo ist sie? — Laßt mich sie nicht länger entbehren.
W0
ist sie?
Dqttista.
0, Ihre Gnaden, Sie känntt
in dem Schoöße der Seligkeit nicht aufgehobner
seyn. — Hier mein Herr wird Ihre Gnaden zu ihr führen, (gegen einige Leute, welche nachdrin gen wollen) Zurück da! ihr!
Emilia Galotti»
96 ■* ■—
iur8>“'
i
Achter Austritt»
Naüdia Galotti. Llandi».
dDein Herr? —
^rärrneLkt und fährt zurück)
Herr? —
Marinelli.
Ha! —
(erblickt den
D«s dein
Sie hier, mein Herr? Und hier
meine Tochter? Und Sie, Sie sollen mich zn
ityc führen? rNar-inelli.
Mit vielem Vergnügen, gn&
dige Frau.
Hatten Sie! — Eben fallt mir
Claudia.
es bey — Sie waren es ja — nicht? — Der den Grafen diesen Morgen in meinem Hause
aufsuchte? mit dem ich ihn allein ließ? mit dem er Streit bekam?
Marinelli.
Streit? -—
Was ich nicht
wüßte: ein unbedeutender Wortwechsel incherr-
schastlichenAngelegen'hetten — Claudia. Und Marinelli 'heißen Sie? Marinelli.
Claudia. Sie Hoch,
Marchese Marinelli.
So ist es richtig. —
Herr Marchese. —
Hören
Marinelli wat
—
Emilia Galotti.
97
-----Ivar — der Name Marinelli war — begleit
tet mit einer Verwünschung — Nein, daß ich den edeln Mann nickt verleumde! '— tet mit keiner Verwünschung — wünschung denk' ich hinzu. —
begleit
Die Verr
Der Name
Marinelli war das lehre Wort deS sterbenden Grafem
Marinelli.
Des sterbenden Grafen ? Grat
fen Appiani? —
Sie hören, gnädige Frau,
was mir in Ihrer seltsamen Rede am meisten
auffällt. —
DeS
sterbenden Grafen? —
Was Sie sonst sagen wollen,
verstehe ich
Nicht. Claudia.
(Cutter ’mio langsam)
Der Name
Marinelli war das letzte Wort des sterbenden
Grafen! —
Verstehen Sie nun? —
verstand es erst auch nicht:
Ich
ob schon mit eir
'nem Tone gesprochen ■— mit einem Tone! —* Ich höre ihn noch! ne,
Wo waren meine Sim
daß sie diesen Ton nicht sogleich vett
standen? Marinelli.
Nun, gnädige Frau? — Zch
G
war
Emilia Galotti.
98
-----war von je her des Grafen Freund ; sein vertrau« test« Freund. Also, wenn er mich noch im Ster, den nannte —
Llandia.
Mit dem Tone? —
ihn nicht nachmachen;
Ich kann
ich kann ihn nicht
beschreiben: abeb er enthielt alles!
alles! —
Was? Räuber wären es gewesen, die uns an, Mörder waren es; erkaufte Möri
fielen? — der! —
Und Marinelli, Marinelli war daS
letzte Wort des sterbenden Grafen! Mit ei, nem Tone!
Mit einem Tone ?—
Marinelli.
Ist es
«hört, auf einen Ton, in einem Augenblicke
des Schreckens vernommen, die Anklage eines rechtschaffnen Mannes zu gründen?
Claudia.
Ha,
könnt' ich ihn nur vor
Gerichte stellen, diesen Ton! —
Doch, weh
mir! Ich vergesse darüber meine Tochter. — Wo ist sie? —
Wie? auch todt? —
Was
konnte meine Tochter dafür, daß Appiani dein
Feind war?
Ma-
Emilia Galotti.
99
-----Marinelli. Ich verzeihe öer bangen Mutt ter. — Kommen Sie, gnädige Frau — Ihre Tochter ist hier; in einem von den nächt sten Zimmern: und hak sich hoffentlich von ihr rem Schrecken schon völlig erholt. Mit der zärtlichsten Sorgfalt ist der Prinz selbst um sie beschäfftiget — Llandia. Wer? — Wer selbst?
Marinelli. Der Prinz.
Llandia. Der Prinz? — Sagen Sie wirklich, der Prinz?— Unser Prinz? Marinelli.
Welcher sonst?
Llaudia. Nun dann! — Ich unglückselige Mutter! — Und ihr Vater! ihr Vater! — Er wird den Tag ihrer Geburt verfluchen. Er wird wich, verfluchen. Marinelli. Um des Himmels willen, gnät bige Frau! Was fällt Ihnen nun ein?
Llandia. Es ist klar! — Zst es nicht? — Heute im Tempel! vor den Augen der AUerrekr tieften! in der nähern Gegenwart des Ewtt G 2 gen! —
Emilia Galotti.
ICO
-----gen! — es aus!
begann das Bubenstück; (gegen den Marinelli)
feiger, elender Mörder!
da brach
Ha, Mörder!
Nicht tapfer genug,
mit eigner Hand zu morden: aber nichtswür-
dig genug, zu Befriedigung eines fremden Kitt zrlS zn morden! —
morden zu lassen! —
Abschaum aller Mörder!
—
Was
ehrliche
Mörder sind, werden dich unter sich nicht dul
den! Dich! Dich! —
Denn warum soll ich
dir nicht alle meine Galle, allen meinen Geifer Mit einem einzigen Worte ins Gesicht speyen? —
Dich! Äich Kuppler! Marinelli. Sie schwärmen, gute Frau. — Aber mäßigen Sie wenigstens Ihr wildes Ge
schrey, und bedenken Sie, wo Sie sind. Llandia. bin? —
Wo ich bin? Bedenken, wo ich
Was kümmert es die Löwinn,! der
man die Zungen geraubet, in wessen Walde sie
brüllet? Emilia,
(innerhalb)
Ha, meine Mutter! Zch
höre meine Mutter! Lla»-
Emilia Galotti.
Ihre Stimme?
Llaudia.
ioi
Das ist sie!
Sie hat.mich gehört; sie hat mich gehört. Uni» ich sollte nicht schreyen? — Wo bist du, mein
Kind? Ich komme, ich komme! (Sie stürzt in das Aüwner, und Marinelli ihr nach) -fr-fr-fr-fr-fr-fr-fr-fro 'fr:-#--#* -#-#--#•
Vierter Aufzu g. (Die Scene bleibt.)
Erster Auftritt. Der Prinz. Der Prinz, kommend.)
Marinelli.
(alt aut dem Zimmer von Emilie»
Kommen Sie,
Marinelli!
Ich
muß mich erholen — und muß Licht von Ih
nen haben.
Marinelli.
Q der mütterlichen Wut! Ha!
ha! ha!
G 3
Der
102
Emilia GalotÄ.
Der Prinz.
Sie lachen?
Marinelli. Wenn Sie gesehen hätten, Prinz, wie toll sich hier, hier im Saale, die Mutter gebehrdete — Sie hörten sie ja wohl schreyen! — und wie zahm sie auf einmal ward, bey dem ersten Anblicke von Zhnen-------- Hal ha! — Das weiß ich
ja wohl, daß keine Mutter einem Prinzen die Augen auskraht, weil er ihre Tochter schön findet. Der Prinz. Sie sind ein schlechter Beobr achter! — Die Tochter stürzte der Mutr ter ohnmächtig in die Arme. Darüber vergaß die Mutter ihre Wuth: nicht über mir. Ihre Tochter schonte sie, nicht mich; wenn sie es nicht lauter, nicht deutlicher sagte, —
was ich lieber selbst nicht gehört, nicht verftam den haben will. Marinelli.
Der Prinz. Heraus damit. wahr?
Was, gnädiger Herr?
Wozu die Verstellung? '—
Ist es wahr? oder ist es nicht Mar
Emilia Galotti. < 1—
---------
103 1
Marinelli. Und wenn es denn wäre! Der Prinz. Wenn es denn wäre? — Also ist cs?— Er ist todt? todt?— (drohend) Mat rinelli! Marinelli! Marinelli.. Nun? Der Prinz. Bey Gott! bey dem allgcrech« ten Gott! ich bin unschuldig an diesem Dlue te. — Wenn Sie mir vorher gesagt hätten, daß es dem Grafen das Leben kosten werde —Nein, nein! und wenn es wir selbst das Leber» gekostet hatte! — Marinelli. Wenn ich Ihnen vorher gesagt hätte? — Als ob sein Tod in meinem Plar ne gewesen wäre! Ich hatte es dem Angelo auf die Seel« gebunden, zu verhüten, daß niemanden Leides geschahe. Es würde auch ohne die geringste Gewaltthätigkeit abgelaur fen seyn, wenn sich der Graf nicht die erste erlaubt hätte. Er schoß Knall und Fall den ei» nen nieder. Der Prinz. Wahrlich; er hätte sollen Spaß verstehen l MaG 4
104
Emilia Galottr. ------
Marinelli. Daß Angelo sodann in Wuth» kam, und den Tod feines Gefährten rächte —-
Der Prinz. Freylich, türlich !
daS ist sehr na
Marinelli. Ich hab' e4 ihm geuug vevt wiesen. Der Prinz. Verwiesen? Wie freundschaftt lich! — Warnen Sie ihn, daß er sich in meinem Gebiethe nicht betreten läßt. Mein Verweis möchte so freundschaftlich nicht seyn. Marinelli. Recht wohl! — Ich und. Angelo; Vorsatz und Zufall r alles ist eins. —*. Zwar ward cs voraus bedungen, zwar ward eS voran- versprochen, daß keiner der Un» glück-fälke, die sich dabey eräugnen könnten, mir zu Schulden kommen solle —
Der Prinz. Die sich dabey eräugnen—könnt len, sagen Sie? oder sollten? Marinelli. Immer besser! — Doch, gnädiger Herr, — eh« Sie mir eS mit dem trockt
Emilia Galstti.
105
trocknen Wort« sagen, wofür Sie mich Hal« ten — «ine einzige Vorstellung! Der Tod des Grafen ist mir nichts weniger, als gleichgültig. Ich hatt« ihn ausgefodert; er war mir Genug« thunng schuldig, er ist ohne diese au» der Weib gegangen; und meine Ehre bleibt belcidi« get. Gesetzt, ich verdiente unter jeden an« dern Umständen den Verdacht, den Sie gegen. Mich Hägen: aber auch unter diese«? — (mit thut angenommenen Hihc) Wer das von Mir d«Nt ken kann! — Der Prinz, gut —
(»achz-b-n») Nun gut, nun
Marinelli. Daß er noch lebte! 0 daß er noch lebte! Alles, alles in der Welt wollte ich darum geben — (bitter) selbst die Gua« d« meines Prinzen, — diese unschätzbare, nie }u verscherzende Gnade — wollt' ich bMN geben!
Der Prinz. Ich verstehe. — Nun gut, nun gut. Sein Tod war Zufall, bloßer 3qi G 5 fall.
io6
Emilia Galotti. Sie versichern es; und ich, ich glaub'
fall.
es. —
Aber wer mehr?
Auch die Mutter?
Auch Emilia? — Auch die Welt?
Marinelli, Der Prinz.
(falt)
Hub
Schwerlich.
wenn
man
eS
nicht
glaubt, was wird man denn glauben? —* Sie
zucken die Achsel? —
Ihren Angelo
wird
man für das Werkzeug, und mich für denThäs
ter halten — Marinelli.
(uoch
satter)
Wahrscheinlich
genug. Der Prinz. Mich! mich selbst!— Oder ich
muß von Stund an alle Absicht ausEmilien auf
geben —
Marinelli,
(höchst gleichgültig)
auch gewußt hätten —
Was
Sie
wenn der Graf noch
lebte. — Der Prinz,
(heftig,
fassend) Marinelli! —
aber sich gleich wieder
Doch, Sie sollen mich
nicht wild machen. —
Es sey so —
Es ist
so! Und das wollen Sie doch nur sagen: der Tod des Grafen ist für
mich eiy Glück — Das
Emilia Galotti.
107
DaS größte Glück, was mir begegnen konnt te, — das einzige Glück, was meiner Liebe zu statten kommen konnte. Und als dieses, Mag er doch geschehen seyn, wie er will! -nEin Graf mehr in der Welt, oder weniger ! Denke ich Ihnen so recht? — Topp! auch ich erschrecke vor einem kleinen Verbrechen nicht. Nur, guter Freund, muß cs ein kleines Vert brechen, ein kleines heilsames Verbrechen seyn. ITnö sehen Sie, unseres da, wäre nun gerat be weder stille noch heilsam. Es halte den Weg zwar gereiniget, aber Zugleich gesperrt. Jedermann würd« eS uns auf den Kopf zm sagen, — und leider hätten wir es gar Nicht einmal begangen! — DaS liegt doch wohl nur blos an Ihren weisen, wunderbat ren Anstalten? Marinelli. Wenn Sie so befehlen — Der Prinz. Woran sonst? — Ich will Rede! Marinelli. Es kömmt mehr auf meine Recht nung, waS nicht darauf gehört.
Der
log
Emilia Galotti»
Der Prinz. Redewill.ich! Marinelli. Nun dann. Was läge an Weinen Anstalten? daß den Prinzen bey bi« sein Unfälle ein so sichtbarer Verdacht trifft? — An dem Meisterstrciche liegt das, den er selbst meinen Anstalten mit einzumengen die @nai de hatte.
Der Prinz. Ich? Marinelli. Er erlaube mir, ihm zu sagen, daß der Schritt, den er heute Morgen in der Kirche gethan, — mit. so vielem Anstande er Ihn auch gethan — so unvermeidlich er ihn auch thun mußte — daß dieser Schritt dennoch Nicht in den Tanz gehörte.
Der Prinz. Was verdarb er denn auch? Marinelli, Freylich nicht den ganzen Tanz; aber doch voritzo den Takt. Der Prinz. Hm! Versteh'ich Sie? Marinelli. Als», kurz, und einfältig. Da ich
Emilia Galotti.
109
ich die Sache übernahm, nicht wahr, da wußt te Emilia von der Liebe des Prinzen noch nichts?
Emiliens Mutter noch weniger.
Wenn ich
nun auf diesen Umstand baute? und der Prinz
indeß den Grund
umett
meines Gebäudes
grub? —
Der Prinz, (sich vor die Stirne schlagen») Bert
wünscht! Marinelli.
Wenn er es truti felbstverrieth,
was er im Schilde führe? Der Prinz.
Verdammter Einfall !
Marinelli.
Und wenn er cs nicht selbst vctt
rathen hätte? — Traun! Ich möchte doch wist
sen,
aus welcher meiner Anstalten,
Mutter
dder Tochter den geringsten Argwohn gegen ihtt
schöpfen könnte? Der Prinz.
Daß Sie Äecht habe»!
Marinelli.
Daran thu' ich freylich sehr
Unrecht — Sie werden verzeihen,
gnädiger
Herr —
Zwey-
ho
Emilia Galotti.
Zweyter Auftritt» Battista»
Dacrista. sinn an.
Der Prinz.
(eiligst)
Marinelli.
Eben kömmt die Grär
Der Prinz. Die Gräfinn'? Was für eint Gräfinn? Barrista. Orslnk» Der Prinz. Orsina? — Marinelli! — Öi'jma ?— Marinelli! Marinelli. Ich erstaüne darüber - nicht wer Niger als Sie selbst. Der Prinz. Geh, lauf, Battista: sie soll Nicht aussteigen. Ich bin nicht hier. Ich bin für sie nicht hier. Sie soll augenblickr lid) wieder umkehren. Geh, lauf! — (Dartiftst gebt ab) Wav will die Närrinn? Was
untersteht sie sich? Wie weiß sie, daß wir hier finti ? Sollte sie wohl auf Kundschaft kommen? Sollte sie wohl schon etwas Dtr* kommen haben? — Ah, Marinelli! So
reden Sie, so antworten Sie doch!
Ist er
Emilia Galotti.
in
er beleidiget der Mann, der mein Freund seyn will? Und durch einen elenden Wortt wechsel beleidiget? Soll ich ihn um Vcrzeir hung bitten?
Marinelli. Ah, mein Prinz, so bald Sie wieder Sic sind, bin ich mit ganzer Seele wie» der derZhrige! — Die Ankunft der Orsina ist mir ein Räthsel, wie Ahnen. Doch abwei» sen wird sie schwerlich sich lassen. Was wollen Sie thun?
Der prin;. Sie durchaus nicht sprechen; Mich entfernen — Marinelli. Wohl! und nur geschwind. Ich will sie empfangen —
Der prin;. Aber blos, um sie gehest zu heißen. — Weiter! geben Sie mir ihr sich nicht ab. Wir haben andere Dinge hierzü thun — Marinelli. Nicht doch, Prinz! Diese andern Dinge sind gethan. Fasson Sie doch Muth! Was noch fehlt, kömmt sicherlich »ost
112
Emilia Galotti.
»on selbst. — Aber hör' ich sie nicht schon? —> Eilen Sie, Prinz! — Da, («uf em Körner jet» geuO, rn welches fich der Prinz begiel-k) WeNnSlewolt
len, werden Sie uns hören können. — Ich fürchte, ich fürchte, sie ist nicht zu ihrer besten Stunde auLgefahren.
Dritter Auftritt. Die Grästnn Orsina. Srsttt^.
MarmM.
(ohne Den Marinelli aufansö zu eröli
cken) Was ist das? — Niemand kömmt Ynir entgegen, außer ein Unverschämter, der vj:‘r lieber gar den Eintritt verweigert hätte? — Ich bin doch zu Ddsalo? Zu dem Dofalo, wo ititv sonst ein ganzes Heer geschäfftiger Augem htehev entgegen stürzte ? wo wich sonst Lieb und Entrücken erwarteten? — Der Ort ist eS: ober, aber! —• Sieh' da, Marinelli! — Recht gut, daß der Prinz Sie mitgenommen. -*■ Nein, nicht gut! AZüS ich mit ihm auSzumae chen hätte, hatte ich nur mit ihm ausjurnar chen — Wo ist er?
Emilia Galotti. Marinelli.
Der Prinz,
«13
meine gnädige
Gräfinn? Orsina.
Wer sonst?
Marinelli.
Sie vermuthen ihn also hier?
wissen ihn hier? — Er wenigstens ist der Grät sinn Orsina hier nicht verwuthend.
Orsina.
Nicht? So hat er meinen Brief
heute Morgen nicht erhalten?
Marinelli. Ihren Dries? Doch ja; ich er< innere mich, daß er eines Briefes von Ihnen
erwähnte. Orsina.
Nun? habe ich ihn nicht in die«
fern Briefe auf heute um eine Zusammenkunft hier auf Dosalo gebeten? —
Es ist wahr,
es hat ihm nicht beliebet, mir schriftlich zu anv Worten.
Aber ich erfuhr, daß er eine Stunde
darauf wirklich nach Dosalo abgefahren.
glaubte,
das sey Antworts genug:
Ich
und ich
komme. Marinelli.
Orsina.
daß
es
Ein sonderbarer Zufall! Zufall? —
verabredet
worden.
Sie
hören
So gut,
ja
als
n4
Emilia Galott».
verabredet. Don meiner Seite, der Brief: von seiner, die That. — Wie er da steht, der Herr Marchese? Was er für Augen macht! Wundert sich das Gehirnchen? und worüber denn? Maiinelli. Sie schienen gestern so weit entr fernt, dem Prinzen jemals wieder vor die Au« gen zu kommen. Grsina. Beßrer Rath kömmt über Nacht. — Wo ist er? wo ist er? — WaS gilt-, er ist in dem Zimmer, wo ich daS Ger quicke, das Gekreusche hörte? — Ich woll« U herein, und der Schurke vom Bedienten trat vor. Marinelli. Mein« liebste, beste Grii« sinn — Orfiiia. ES war ein weibliches Gekreu« sche. WaS giitS, Marinelli? — 0 sagen Sie mir doch, sagen Sie mir — wenn ich anders Ihre liebste, beste Gräfinn bin — Verdammt, über das Hofgeschmeiß! So viel Worte, so viel Lügen! — Nun, was liegt
Emilia Galottk«
”5
liegt daran, ob Sie mir es voraus sagen, ober
Ich werd' es ja wohl sehen,
nicht?
(teilt
gehen.) Marinelli, ( der sie zuräckhale) Wohin?
Orsina. Wo ich langst seyn sollte. — Dem ken Sie, daß eS schicklich ist, mit Ihnen hier in dein Vorgemache einen elenden Schnickschnack
zu halten; indeß der Prinz in Lern Gemache
auf mich wartet? Marinelli.
sinn.
Sie irren sich, gnädige Grär
Der Prinz erwartet Sie nicht.
Der
Prinz kann Sie hier nicht sprechen,— will Sie
nicht sprechen. Orsina. Und wäre doch hier? und wäre doch auf meinen Brief hier? Marrneüi. Nicht auf Ihren Brief — Orsina.
Den
er
ja
erhalten,
sagen
Sie —
Marinelli.
Erhalten, aber nicht gelesen.
Drsina. (heftig) Nicht gelesen? —
H 2
(min/ »er
Emilia Galottk.
ii 6
der hefktg)
Nicht gelesen? —
(wehmüthig,
und
Nicht einmal
eine Thrän« aus dem Auge wischend)
gelesen?
Aus Zerstreuung, weiß ich, —
Marinelli.
Nicht aus Verachtung»
Orsina.
Verachtung? — Werdentt
daran? —
Wem -rauchen Sie das zu fax
gen? — Sie sind ein unverschämter Tröster, Marinelli! — Verachtung! Verachtung! Mich verachtet man auch! mich! — Tone
der
Schwermut!))
nicht mehr.
(gelinder, bis zu«
Freylich
liebt er mich
Und an
Das ist ausgemacht.
die Stelle der Liebe trat in seiner Seele el-
Das ist natürlich.
was anders.
um denn eben Verachtung? nur Gleichgültigkeit zu seyn.
Aber war-
Es braucht ja
Nicht
wahr,
Marinelli? Marinelli.
Grsina.
Allerdings, allerdings.
(höhnisch)
Allerdings? —
0 des
weisen Mannes, den inan sagen lassen kann, was man will! —
Gleichgültigkeit! Gleichgülr
Emikia Galottl.
117
^Äs gültigkeit an die Stelle der Liebe? —
Das
heißt, Nichts an die Stelle von Etwas. Denn
lernen Sie,
uachplauderndes Hofmännchen,
lernen Sie von einem Weibe, daß Eleichgütr tigkeit ein leeres Wort, ein bloßer Schall ist, dem nichts, gar nichts entspricht.
Gleichgülr
iig ist die Seele nur gegen das, woran sie nicht
denkt; nur gegen ein Ding, das für sie kein Ding ist.
Und nur gleichgültig für ein Ding,
das kein Ding ist,
das ist so viel, als gar
nicht gleichgültig,
Ist dir das zu hoch,
Mensch?
Marinem.- (vor sich) 0 weh! wie wahr ist
es, was ich fürchtete,
Orstva.
Was murmeln Sie da?
Marinelli. Lauter Bewunderung! —- Und
wem ist es nicht bekannt, gnädige Gräfinn, daß
Sie eine Phitosophinn sind? Orsina.
bin eine. —
Richt wahr? —
Ja, ja; ich
Aber habe ich mir es itzt merken
lassen, daß ich eine bin? —
H 3
0 pfuy, wenn
ich
Emilia Galottk.
h8
ich mir eS habe merken lassen; nnd wenn ich mir es öftrer habe merken lassen! Ist es wohl noch Wunder, daß mich der Prinz verachtet?
Wie kann ein Mann ein Ding lieben,
daS,
ihm zum Trohe, auch denken will? Ein Fraul enzimmer, das denket, ist eben so ekel als ein
Mann,
der sich schminket.
Lachen soll es,
nicht- als lachen, um immerdar den gestrengen
Herrn der Schöpfung, bey guter Laune zu err halten. —
Nun,
worüber lach' ich denn
gleich, Marinelli? —
Ach, ja wohl! Ueber
den Zufall! daß ich dem Prinzen schreibe, er
soll nach Dosalo kommen; daß der Prinz meü nen Brief nicht liefet, und daß er doch nach
Dosalo kömmt.
Ha! ha! ha! Wahrlich ein
sonderbarer Zufall!
risch! —
Sehr lustig,
sehr nar
Und Sie lachen nicht mit, Marie
nelli? — Mitlachen kann ja wohl der gestrem
ge Herr der Schöpfung, ob wir arme Ges
schöpfe gleich nicht mitdenken dürfen. — (ent haft und befehlen-) So lachen Sie doch!
Ma-
Emilia Galottk