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German Pages [385] Year 2022
EMIL SAUDEK (1876–1941) Ein Übersetzer und Kulturvermittler zwischen Metropole und Provinz
LUCIE MERHAUTOVÁ, VÁCLAV PETRBOK, MICHAL TOPOR (HG.)
:: Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert Herausgegeben von Steffen Höhne (Weimar-Jena), Alice Stašková (Jena) und Václav Petrbok (Prag)
Band 21
Emil Saudek (1876–1941) Ein Übersetzer und Kulturvermittler zwischen Metropole und Provinz
Herausgegeben von Lucie Merhautová, Václav Petrbok und Michal Topor
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Die Publikation entstand im Rahmen des Projekts »Emil Saudek and Jewish, Czech and German Interactions in the ›creative milieu‹ of Vienna« (Nr. 18-06264S), das von der Grantagentur der Tschechischen Republik (GA CR) finanziert wurde.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Emil Saudek um 1900 (Privatnachlass Emil Saudek) © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Lektorat: doc. Mgr. Jozef Tancer, Ph.D.; Mgr. Veronika Jicínská, Ph.D. Korrektorat: Annette Kraus; Lucie Merhautová; Václav Petrbok; Michal Topor Satz: Reemers Publishing, Krefeld Vandenhoeck & ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52497-5
Inhaltsverzeichnis Vorwort................................................................................................................. 7 Lucie Merhautová I. Emil Saudek und die Vermittlung tschechischer Literatur im Wien der Jahrhundertwende.................................................................... 16 Václav Petrbok II. „Verleger für ganze Bücher aus dem Tschechischen finden sich sehr schwer“: Übersetzerinnen und Übersetzer von Buchpublikationen aus dem Tschechischen ins Deutsche.................. 63 Vratislav Doubek III. Parlamentarische Berichterstatter und kulturelle Vermittler: Gustav Eim, Josef Penížek und Bedřich Hlaváč.................................. 95 Lucie Merhautová IV. „Ein großer Heide, strahlender Verteidiger des irdischen Lebens und dessen Möglichkeiten“: Emil Saudek und der Dichter Josef Svatopluk Machar...................................................................................... 113 Josef Vojvodík V. Ein Bote, Übersetzer, Interpret? Emil Saudek und Otokar Březina: zwischen Übersetzung und Exegese....................................... 148 Michal Topor VI. Von Ruce zu Hände: Entstehung, Propagation und Rezeption............ 180 Štěpán Zbytovský VII. Saudeks Březina-Übersetzungen im Vergleich...................................... 213 Štěpán Zbytovský VIII. Expressionistische Konnexe und Kontexte Emil Saudeks................. 234 Lucie Merhautová IX. Loyalität und Misstrauen: Emil Saudek und die Übersetzung von Masaryks Schrift Nová Evropa.......................................................... 263
Inhaltsverzeichnis
Ines Koeltzsch X. Literarisches Übersetzen als Akt staatsbürgerlicher Loyalität: Emil Saudeks Übersetzung von Vojtěch Rakous’ jüdischen Dorfgeschichten nach dem Ersten Weltkrieg........................................ 281 Michal Topor XI. Erik A. Saudek – ein „vaterbegabter und erudierter“ Vermittler...... 305 Emil Saudek. Chronologie................................................................................. 322 Abkürzungen....................................................................................................... 326 Literaturverzeichnis............................................................................................ 327 Ortsregister.......................................................................................................... 364 Register der Zeitschriften und Zeitungen....................................................... 367 Personenregister ................................................................................................. 370 Adressen der Reihenherausgeber und der Mitglieder des Forschungsteams................................................................................................. 383
Vorwort Die vorangehenden Bände der Reihe Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert befassen sich mit wichtigen Vertretern des literarischen, intellektuellen und politischen Lebens (Bernard Bolzano, Otokar Fischer, Franz Kafka, Arnošt Vilém Kraus, Fritz Mauthner, August Sauer, Franz Spina u. a.) aus den böhmischen Ländern. Mit diesem Band wird nun ein fast unbekannter Übersetzer tschechischer Literatur ins Deutsche vorgestellt. Warum? Emil Saudeks Übersetzertätigkeit fand in verschiedenen kultur- und literaturgeschichtlichen Kontexten statt, die neben Wien, wo er von 1895 bis 1922 lebte, auch Prag und Deutschland umfassten. An seinem Beispiel lässt sich die Bedeutung transnationaler Netzwerke nachweisen, die für das literarische Übersetzungswesen zwar typisch sind, aber in der Übersetzerforschung noch stärkere Aufmerksamkeit verdienen. Dass Saudeks Übersetzungstätigkeit bislang nicht adäquat betrachtet wurde, hängt mit der in der Geschichtswissenschaft marginalisierten Perspektive jüdischer Übersetzer zusammen. Saudeks Vermittlungsversuche, die sich vor und während des Ersten Weltkriegs und kurz nach dem Kollaps der Habsburgermonarchie abspielten, gerieten so nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik langsam – und nach dem Holocaust fast vollständig – in Vergessenheit. Die Monographie ist das Ergebnis des Forschungsprojektes Found in Translation. Emil Saudek und die jüdisch-tschechisch-deutschen Interaktionen im ‚kreativen Milieu‘ Wiens, das in Zusammenarbeit zwischen dem Masaryk-Institut und Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (MÚA AV ČR) und dem Institut für Literaturforschung (IPSL) durchgeführt und von der Grant agentur der Tschechischen Republik (GA ČR) finanziert wurde. Die Mitglieder des interdisziplinären Forschungsteams verfolgten die verstreuten Spuren von Emil Saudek in tschechischen, österreichischen und deutschen Archiven sowie in etlichen Zeitschriften und Zeitungen. Besonders hilfreich war darüber hinaus der Privatnachlass, den die Erben von Emil und Elsa Saudek sowie ihres Sohns Erik Adolf Saudek – František Saudek, Anna Třeštíková und Vladimír Saudek – dankenswerterweise zur Verfügung stellten. Die Enkelkinder hatten nicht die Möglichkeit, ihre Großeltern väterlicherseits persönlich kennenzulernen, da Emil Saudek 1941 in Prag verstorben und seine Ehefrau Elsa 1944 im KZ Auschwitz ermordet worden war. So lebten in der Familie eher die Erinnerungen an die Vorfahren der Mutter weiter: Die Übersetzerin und Redakteurin Věra Saudková (1921–2015) war eine Tochter von Otilie
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Vorwort
Davidová, bekannt als Franz Kafkas jüngste Schwester Ottla (1892–1943). In welchem Versteck die Schachtel mit dem Saudek-Nachlass den Krieg überlebte, ist nicht überliefert. Aufgrund weiterer Archivquellen, vor allem Korrespondenzen, ist klar, dass dieser Nachlass nur fragmentarisch erhalten ist, Judaica oder die Briefwechsel mit österreichischen Schriftstellern wie Hugo von Hofmannsthal oder Stefan Zweig wurden höchstwahrscheinlich aus Sicherheitsgründen in der Nazizeit vernichtet. Erhalten geblieben sind Quellen, die Emil Saudek wohl am teuersten waren – Briefe von Otokar Březina und das umfangreiche Manuskript einer Březina-Monographie – sowie sonstige Korrespondenzen, Zeitungsausschnitte und Fotografien.
Hochzeitsfoto von Emil Saudek und Elsa Groag vom 27. Dezember 1903 in Linz (ES).
Vorwort
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In der bisherigen, spärlichen Sekundärliteratur wurde Saudek ausschließlich im Zusammenhang mit den Übersetzungen der Dichtung des Symbolisten Otokar Březina besprochen (Jähnichen 1972; Nezdařil 1985; Binder 1999; Binder 2003). Am Anfang des Forschungsprojekts stand die Annahme, dass Saudeks Übersetzung von Březinas Gedichtsammlung Ruce (Hände) im Jahr 1908 ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Übersetzung tschechischer Literatur ins Deutsche markiert, das eng mit Saudeks Kontakten und Initiativen in Wien zusammenhängt. Die dreijährige Forschungsarbeit förderte viele weitere Funde und Überraschungen zutage, die in den einzelnen Kapiteln vorgestellt werden. Das einleitende Kapitel von Lucie Merhautová Emil Saudek und die Vermittlung tschechischer Literatur im Wien der Jahrhundertwende beleuchtet Saudeks Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeit zunächst vor dem Hintergrund vorangegangener und teilweise paralleler Vermittlungs- und Übersetzungsversuche, die von Wien ausgingen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den Periodika sowie der mehrbändigen Ausgabe Poesie aus Böhmen von Eduard Albert gewidmet. Der zweite Teil konzentriert sich auf den interaktiven Charakter von Saudeks Vermittlungsarbeit, die sich im tschechischsprachigen progressiven Milieu und im Geflecht von Vereinen, Medien und urbanen Räumen wie Vortragssälen, Kaffeehäusern und Galerien, aber auch in etlichen Privatwohnungen entfaltete. Im Fokus stehen deshalb nicht nur Übersetzungen, sondern auch Saudeks Vorträge, Rezensionen und Artikel, genauso wie die vielfältigen personellen Bezüge quer über die Sprachgrenzen hinweg, die sich größtenteils in einer dynamischen transnationalen Zone von linksliberalen und sozialistisch orientierten Intellektuellen abspielten. Emil Saudek wurde in eine jüdische Familie geboren und verbrachte seine Kindheit auf dem Land, im Dorf Pelles auf der böhmischen Seite der böhmisch-mährischen Grenze in der Nähe von Saar. Eine ländliche Herkunft von Übersetzern und Übersetzerinnen aus dem Tschechischen ins Deutsche stellte keine Ausnahme dar, wie unter anderem auch das zweite Kapitel „Verleger für ganze Bücher aus dem Tschechischen finden sich sehr schwer“ von Václav Petrbok zeigt. Es setzt sich mit Paul Eisners These von der Vorrangstellung jüdischer Übersetzer aus Prag auseinander und belegt, dass die Typologie der Übersetzerinnen und Übersetzer literarischer Buchveröffentlichungen im Zeitraum zwischen 1880 und 1945 eine viel größere Bandbreite aufweist. Dabei werden u. a. die Schwierigkeiten thematisiert, mit denen Buchübersetzungen aus der tschechischen Literatur bei Verlagen sowie auf dem Buchmarkt konfrontiert waren. Außerdem stehen die unterschiedlichen Motivationen von Übersetzerinnen und Übersetzern im Fokus. Als Beilage folgt eine Bibliographie der
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Übersetzer und Übersetzerinnen mit den in Buchform publizierten literarischen Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche zwischen 1880 und 1945. Saudek sympathisierte mit der linksliberalen und sozialistischen Parteien und teilte deren Oppositionshaltung zur nationalliberalen Politik. Im dritten Kapitel widmet sich Vratislav Doubek einem bis jetzt vernachlässigten Typus der in Wien tätigen Mittler – den Parlamentsberichterstattern der tschechischen Presse, vor allem des einflussreichsten Organs der Jungtschechen (Freisinnige Nationalpartei) Národní listy, aber auch des Tagblatts Čas, herausgegeben von den Realisten um Tomáš G. Masaryk. Am Beispiel der ersten Wiener Korrespondenten Gustav Eim, Josef Penížek und Bedřich Hlaváč werden die vielschichtigen Rollen untersucht, die die bilateralen Berichterstatter zwischen Metropole und Provinz einnahmen. Sie bewegten sich in verschiedenen, politisch nicht unbedingt kompatiblen Kreisen, arbeiteten für unterschiedliche Blätter und erfüllten neben ihren journalistischen Aufgaben auch eine besondere Funktion als Fürsprecher tschechischer kultureller, politischer und ökonomischer Interessen in Wien. Saudek konzentrierte sich vor allem auf die Übersetzung und Auslegung der Werke von zwei wichtigen Vertretern der frühen tschechischen literarischen Moderne: Otokar Březina und Josef Svatopluk Machar. Lucie Merhautová widmet sich im Kapitel „Ein großer Heide, strahlender Verteidiger des irdischen Lebens und dessen Möglichkeiten“ den Facetten von Saudeks Beziehung zu Machar, der seit 1889 in Wien lebte und für Saudek in vielerlei Hinsicht ein Vorbild darstellte. Zunächst projizierte Saudek in den Dichter eine Vaterfigur, die ihm dabei half, seine Identitätskrisen nach dem Umzug nach Wien 1895 zu überwinden. Die persönliche Bekanntschaft mit Machar datiert erst ab 1905, kurz darauf setzte sich Saudek mit dessen Geschichtsphilosophie, wie sie in den Gedichtbänden V záři hellenského slunce (Im Strahl der hellenischen Sonne), Jed z Judey (Gift aus Judäa, beide 1906, dt. 1919) und in Feuilletons aufschien, auseinander. 1907 übersetzte er für den Prager Verlag Grosman & Svoboda das Feuilletonbuch Řím (Rom), das ein gewisses Echo bei der Wiener Kritik fand. Saudek löste sich zwar vom Judentum, Glaube und Religion blieben für ihn jedoch drängende Lebensprobleme, die er mithilfe der Kunst zu überwinden versuchte. Dabei war für ihn Machars kritische Einstellung gegenüber dem österreichischen Katholizismus von Bedeutung – der Antiklerikalismus zählte in Saudeks Augen zu den zeitgenössischen Reformbewegungen, die für ein neues Österreich kämpften. Seit der ersten persönlichen Begegnung im Jahr 1903 nahm Březinas Werk in Saudeks Leben und in seinem literarischen Schaffen eine dominante Posi-
Vorwort
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tion ein. Für Saudek war Březina Religionsdenker, dichtender Philosoph und Mystiker in einer Person. Über Jahre hinweg kehrte er immer wieder zu dessen Œuvre zurück und verfasste sogar ein Buch darüber, dessen Manuskript allerdings bis heute nicht veröffentlicht wurde. Březina war jedoch weder Religionsdenker noch „Dichterphilosoph“, und auch kein Mystiker im herkömmlichen Sinn. Josef Vojvodík zeigt in seinem Kapitel Ein Bote, Übersetzer, Interpret? Emil Saudek und Otokar Březina: zwischen Übersetzung und Exegese, dass Saudeks Interpretationen sich erstaunlicherweise dennoch an zahlreichen Stellen dem Wesen der dichterischen (Welt-)Bilder – oder, in Saudeks Terminologie, der „Weltanschauung“ – von Březinas Gedichten nähern. „Weltanschauung“ und „Mystik“ sind auch die grundlegenden Begriffe für Saudeks hermeneutische Lesart der Gedichte und Essays von Březina. Es geht in diesem Kapitel um eine Eingliederung von Saudeks Březina-Interpretationen und Reflexionen in den Kontext des Mystizismus, des Neomythologismus und des Neovitalismus der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mit deren gedanklichen und philosophischen Ausgangspunkten und Traditionen Saudek sehr gut vertraut war. So gesehen repräsentiert Saudek mit seinen Březina-Übersetzungen, Reflexionen und Kommentaren eine Art idealer Symbiose von Übersetzer und Interpret. Als im Jahr 1908 in Wien in einer exklusiven und graphisch aufwendigen Buchgestaltung des Graphikers und Bildhauers František Bílek die Übersetzung von Březinas letztem Gedichtzyklus Hände (Ruce, 1901) erschien, wurde sie von österreichischen und deutschen Autoren (u. a. Stefan Zweig, Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Camill Hoffmann, Johannes Schlaf) mit großem Interesse, sogar mit Begeisterung aufgenommen. Die Übersetzung von Emil Saudek ebnete Březinas Werk den Weg zur internationalen Anerkennung. Im sechsten Kapitel fokussiert Michal Topor auf die Entstehungsgeschichte der Übersetzung und charakterisiert Saudek als begabten Organisator und Propagator. Außerdem werden die Umstände und Ereignisse umrissen, die in den Jahren 1908/1909 das Resonanzfeld dieser Übersetzung bestimmten. Saudek setzte vor allem auf direkten Kontakt mit bedeutenden Akteuren des literarischen Lebens im Zentraleuropa; so gewann er etwa in Stefan Zweig einen exklusiven und einflussreichen Verbündeten. Er führte intensive Korrespondenzen, versandte Rezensionsexemplare und verfolgte zugleich aufmerksam, teilweise auch mit Vorbehalten, die Aufnahme von Březinas Dichtung seitens der deutschsprachigen Kritik. Die Übersetzung von Ruce und die aktive Propagation halfen Saudek jedenfalls, seine Position eines Mittlers zu festigen und seine Beteiligung am literarischen Leben quer durch das tschechisch- sowie deutschsprachige Milieu zu erweitern.
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Vorwort
Im darauffolgenden Beitrag Saudeks Březina-Übersetzungen im Vergleich legt Štěpán Zbytovský eine Übersicht der Březina-Nachdichtungen der 1910er und 1920er Jahre vor. Die Autoren waren Otto Pick, Albert Ehrenstein, Paul Eisner, Rudolf Fuchs sowie Emil Saudek in Zusammenarbeit mit Franz Werfel. Teil der Untersuchung ist daneben die Auswertung kritischer Reaktionen auf diese Übersetzungen (einschließlich der Stellung, die Saudek dabei einnimmt) und eine kritische Translationsanalyse. Saudek trat während seiner intensiven Vermittlungstätigkeit gleichsam notwendig in Kontakt mit Autoren und weiteren Akteuren des expressionistischen Literaturbetriebs. Štěpán Zbytovský befasst sich im Kapitel Expressionistische Konnexe und Kontexte Emil Saudeks mit der Bedeutung der österreichischen Expressionisten Hugo Sonnenschein und Albert Ehrenstein für Saudeks Schaffen und sein Literatursowie Selbstverständnis. Außerdem fokussiert er auf die Stellung der Wiener expressionistischen Zeitschriften als gelegentliche Publikationsplattformen für Saudeks Übersetzungen. Schließlich wird das Verhältnis zwischen ‚Revolution‘ als Schlüsselbegriff expressionistischer Programmatik und Poesie einerseits und der von der Březina-Lektüre stark geprägten Vorstellung Saudeks über die zukünftige Welt- und Menscherneuerung andererseits erörtert. Zwei weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Wandel von Saudeks Anschauungen und mit den Funktionen seiner Übersetzungen in der Umsturzzeit von 1917 bis 1922. Lucie Merhautová konzentriert sich im Kapitel Loyalität und Misstrauen: Emil Saudek und die Übersetzung von Masaryks Schrift Nová Evropa auf das Scheitern von Saudeks Hoffnungen auf eine Reform der Habsburgermonarchie sowie seines Konzepts von Wien als „Brücke nach Europa“ während des Ersten Weltkrieges. Saudek bezog antimilitaristische und antimonarchische Positionen und unterstützte Tomáš G. Masaryks Idee von der Neuordnung Zentraleuropas und der Schaffung eines tschechoslowakischen Staates. Infolgedessen kam es zu einer zeittypischen Nationalisierung von Saudeks Ausdrucksweise. 1919 begann er mit der Übersetzung von Nová Evropa (Das neue Europa) – für Saudek war die Übersetzung des Werks aus der Feder des tschechoslowakischen Gründungspräsidenten, den er persönlich kannte, ein Ausdruck der Loyalität gegenüber dem neuen Staat. Saudek hoffte, die Übersetzung würde ihm und seiner Familie die Übersiedlung nach Prag erleichtern. Entgegen seinen Erwartungen half ihm die Zusammenarbeit mit Masaryk jedoch nicht bei der Integration in die Prager kulturellen Kreise. Stattdessen sah sich Saudek mit Misstrauen und antisemitischen Stereotypen über ‚jüdischen Eigennutz‘ konfrontiert, verdächtigte jedoch seinerseits deutschsprachige jüdische Journalisten und Intellektuelle aus Prag auf der Basis von teilweise identischen Ansichten.
Vorwort
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Das Kapitel Literarisches Übersetzen als Akt staatsbürgerlicher Loyalität. Emil Saudeks Übersetzung von Vojtěch Rakous’ jüdischen Dorfgeschichten nach dem Ersten Weltkrieg von Ines Koeltzsch unterstreicht diesen komplexen Wandel Saudeks im Zuge der tschechoslowakischen Staatsgründung. Auf den ersten Blick scheinen Emil Saudeks Übersetzungen der populären jüdischen Dorfgeschichten Vojtěch Rakous’ aus seinem übersetzerischen Gesamtwerk zwar herauszufallen, hatte er sich doch bis dato allein der Übersetzung der tschechischen literarischen Moderne gewidmet. Gleichwohl verbinden Übersetzer und Autor nicht nur ihre Herkunft aus ländlich-jüdischen Familien und ihre vielfältige Migrationserfahrung, sondern auch ihre Unterstützung von Tomáš G. Masaryks realistischem Programm nach 1900. Während Saudek über zwei Jahrzehnte in Wien das ideale Zentrum seiner Vermittlungstätigkeit sah, nahm er gegen Kriegsende eine dezidiert tschechisch-nationale Position ein. Vor diesem Hintergrund sind auch Saudeks Übersetzungen der Erzählungen von Vojtěch Rakous, einem bekannten Aktivisten der tschechisch-jüdischen Integrationsbewegung, zu interpretieren, denn Saudek interessierte weniger die Literarizität als vielmehr die ethisch-politische Botschaft der Geschichten um Modche und Resi. Saudeks Rakous-Übersetzungen sind daher vor allem Ausdruck seiner staatsbürgerlichen Loyalität gegenüber der neuen Republik, kurz nachdem diese in einem Prager staatsnahen Verlag in zwei Bänden erschienen. Zunächst wurden sie jedoch bereits 1919 in der zionistisch orientierten Wiener Morgenzeitung veröffentlicht, da die Erzählungen wegen ihrer Literarizität mehrdeutig und somit auch für Zionistinnen und Zionisten in Zeiten des erneuten Umbruchs anschlussfähig waren. Paradoxerweise fungierte Wien somit zum letzten Mal als Drehscheibe für Saudeks Übersetzungstätigkeit, die in Prag nach seinem Umzug jedoch zum Erliegen kam. Im Sommer 1922 siedelte Saudek nach Prag über, wo er eine Prokuristenstelle in der Anglo-Tschechoslowakischen Bank antrat (Elsa und Erik Adolf Saudek folgten ihm ein Jahr später). Mit dem Übersetzen hörte Saudek auf, wofür es mehrere Gründe gab. Vor dem Krieg hatte sich seine Übersetzungsund Vermittlungsarbeit auf ein Konzept gestützt, das eng mit dem multikulturellen und multilingualen Charakter Wiens, mit Saudeks sozialen und kulturellen Interaktionen und mit den Ansprüchen der tschechischen Minderheit zusammenhing. Das Konzept von Wien als Brücke nach Europa, das Saudek auch als tägliche kulturelle Praxis verstand, war im Wien der Nachkriegszeit nicht wiederholbar und konnte auch nicht auf Prag übertragen werden. Saudek konzentrierte sich so erneut auf die Auslegung von Otokar Březinas Werken und publizierte literarische Aufsätze auf Tschechisch. 1930 verließ er die Anglo-Tschechoslowakische Bank und trat in die Redaktion des pro-tschecho-
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Vorwort
slowakischen Finanzblattes Prager Börsen-Courier ein. Seine Übersetzungsarbeit fand jedoch einen wichtigen Nachfolger in seinem Sohn Erik A. Saudek (geb. 1904 in Wien als einziges Kind von Emil und Elsa Saudek, gest. 1963), dem das abschließende Kapitel von Michal Topor gewidmet ist. Darin werden die Voraussetzungen für Erik A. Saudeks spätere Karriere als Übersetzer geschildert, die vor allem mit seinem mehrsprachigen sozialen Umfeld in Kindheit und Jugend zusammenhängen. Des Weiteren skizziert Topor die wichtigsten Stationen seiner Laufbahn: Nach dem Abitur nahm Erik A. Saudek 1925 das Philologiestudium an der Prager Karlsuniversität auf, in dessen Rahmen er sich bereits intensiv der Literatur- und Kunstkritik widmete und an ersten Übersetzungsprojekten teilnahm, etwa an der Übersetzung von Goethes Werken unter der Patronage Otokar Fischers. Im Laufe der 1920er Jahre verlegte er seine Tätigkeit mehr und mehr in die Welt des Theaters. Erik A. Saudeks persönliche Kontakte überlappten sich, oft indirekt, mit dem Netzwerk seines Vaters. In den 1930er Jahren trieb er seine Karriere vor allem mit der Übersetzung von Shakespeare-Stücken wie beispielsweise Julius Caesar voran. Im Protektorat Böhmen und Mähren setzte Erik A. Saudek seine Übersetzungstätigkeit fort, konnte jedoch nur noch unter Pseudonymen veröffentlichen. Der vorliegende Band ist eng mit der parallel erscheinenden tschechischen Publikation Emil Saudek. Nalezen v překladu [Emil Saudek. Found in Translation] verknüpft: Während die vorliegende deutsche Publikation in thematisch orientierte Kapitel gegliedert ist und den Schwerpunkt auf Emil Saudeks Tätigkeit in Wien setzt, folgt das tschechische Buch einem chronologischen Schema und ist als ‚Patchwork‘ aus Erläuterungen, Dokumenten (Aufsätze, Briefwechsel) und Bildmaterial angelegt. Die Kapitel I. bis VI., IX. und XI. hat Lukáš Motyčka aus dem Tschechischen übersetzt. In diesen Kapiteln – wenn nicht anders angegeben –, stammen die Übersetzungen in eckigen Klammern vom Übersetzer, in den Kapiteln VII., VIII. und X. von Štěpán Zbytovský und Ines Koeltzsch. Wenn eine publizierte deutsche Übersetzung eines zitierten tschechischen literarischen Werkes vorliegt, wird der Titel kursiv in runden Klammern angegeben, andernfalls werden wiederum eckige Klammern verwendet. Unser Dank gebührt in erster Linie allen Mitgliedern des Forschungsteams. Für sein Vertrauen möchten wir uns herzlichst bei František Saudek bedanken, in dessen Haus wir Stunden verbrachten, um uns mit Emil Saudeks Nachlass vertraut zu machen, der letztendlich im Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik deponiert wurde.
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Unser Dank gehört auch Eva Jelínková, die am Anfang dazu beigetragen hat, das Projekt ins Leben zu rufen, sowie den Studierenden Anežka Libánská, David Sogel und Monika Zunová, die uns bei Recherchen und dem Ordnen des Nachlasses geholfen haben. Für die Unterstützung bedanken wir uns bei der Grantagentur der Tschechischen Republik (GA ČR), für den Zugang zu Materialien aus zahlreichen Nachlässen beim Literaturarchiv des Museums der tschechischen Literatur (LA PNP) in Prag, für das gute Arbeitsumfeld bei der Leitung des Masaryk-Instituts und Archivs der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Für die Übersetzung sind wir Lukáš Motyčka dankbar, Annette Kraus für das sorgfältige Korrektorat, Veronika Jičínská und Jozef Tancer für ihre kritische Lektüre, Steffen Höhne und Alice Stašková für die Aufnahme der Publikation in die Reihe Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert und Svenja Lilly Kempf aus dem Böhlau Verlag für die freundliche Betreuung und allerhand Hilfe beim Entstehen des Buches. Lucie Merhautová im Namen der Herausgeber, September 2021
Lucie Merhautová
I. Emil Saudek und die Vermittlung tschechischer Literatur im Wien der Jahrhundertwende
Cítíme stále víc, jak jest těžko nějakou odbornou nebo etickou otázku navždy odbýt; všechno zůstává problémem, jehož řešení je dílem celého života. (Saudek: 1912h) [Wir spüren immer mehr, wie schwer es ist, eine fachliche oder ethische Frage für alle Zeiten zu erledigen; alles bleibt ein Problem, dessen Lösung das ganze Leben in Anspruch nimmt.]
1. Einleitung Im Juli 1895 legte Emil Saudek am deutschen Gymnasium Iglau das Abitur ab und siedelte im September aus seinem Heimatdorf Pelles nach Wien über, wo er ein Jura-Studium aufnahm. Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen, die ebenfalls jüdischen Familien aus Böhmen oder Mähren entstammten und sich in Wien bereits im Laufe ihres Studiums der Vermittlung tschechischer Literatur widmeten (s. u.), publizierte Saudek zunächst nicht. Seine erhalten gebliebenen handschriftlichen Aufzeichnungen aus den 1890er Jahren1 belegen ein intensives Verhältnis zur modernen Literatur, das sich jedoch im Privaten entwickelte. In der Literatur suchte er Antworten auf seine Identitätskrise, die er v. a. auf einer religiösen und sozialen Ebene erlebte. Öffentlich in Erscheinung trat Saudek erst nach zehn in Wien verbrachten Jahren. Er war zu diesem Zeitpunkt dreißig Jahre alt und bereits Doktor der Rechte, angestellt in der Anglo-Österreichischen Bank, verheiratet und Vater eines kleinen Sohns. Für den Beginn seiner Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeit war die persönliche Beziehung zu den tschechischen Dichtern Otokar Březina und J. S. Machar entscheidend, sowie die sozialen und interkulturellen Interaktionen, die in diversen privaten sowie öffentlichen Räumen der Donaumetropole stattfanden. 1
Im Privatnachlass Emil Saudeks (ES).
I. Emil Saudek und die Vermittlung tschechischer Literatur im Wien der Jahrhundertwende
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Im Fall von Saudek begegnen wir einer anderen Kreativität als bei vielen Vertretern der Wiener Jahrhundertwende, deren Betätigung in den jeweiligen Bereichen (sei es in Kunst, Wissenschaft, Philosophie oder Politik) oft Paradigmenwechsel mit sich brachten und auf die sich die historischen Interpretationen meistens konzentrieren. Diese setzen sich üblicherweise mit dem ‚Masternarrativ‘ von Carl E. Schorske auseinander (Schorske 1980, zur Revision dieses Paradigmas vgl. Beller 2001), das u. a. einen interdisziplinären Umgang mit den Beziehungen zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik zur Folge hatte. Eine interdisziplinäre Perspektive ist auch für Saudek relevant, bei ihm geht es allerdings nicht um die Geburt neuer Kunstformen oder Denkkonzepte, sondern um Reaktionen auf Kunstwerke, geistige Strömungen sowie auf soziale Bedingungen im „kreativen Milieu“ Wiens (Brix 1993). Für die Deutung dieser Einflüsse und Impulse ist immer noch die Auffassung von Edward Timms inspirierend, der das Wien der Jahrhundertwende als ein dynamisches, vernetztes System aus einander überlappenden Kreisen denkt, die die medialen sowie urbanen Räume durchdringen (Periodika, Kaffeehäuser, Vereine, Konzert-, Ausstellungs- und Vortragssäle usw.), wobei in den Mittelpunkten der so gedachten Kreise Schlüsselpersönlichkeit stehen (Karl Kraus, Sigmund Freud, Arnold Schönberg, Arthur Schnitzler, Gustav Klimt, Adolf Loos, Rosa Meyreder, Victor Adler u. a.). Dieses Modell akzentuiert nicht nur die interaktive Geburt neuer Konzepte,2 sondern konzentriert sich auch auf Schnittmengen, Wechselwirkungen und Überlappungen und somit auf die wichtige Rolle der Vermittler. Die Perspektive der literarischen Übersetzung und der Kulturvermittlung bereichert den Blick um weitere, nicht nur deutschsprachige Persönlichkeiten,3 die interaktive Perspektive auf jüdische Akteure in sozialen Geflechten setzt sich daher in der Erforschung der jüdischen Kulturgeschichte der Jahrhundertwende bereits seit längerer Zeit durch (zusammenfassend Hödl 2007). Saudek nutzte die günstige Situation Anfang des 20. Jahrhunderts und machte seine eigenen literarischen Interessen innerhalb einer bestimmten, sich erweiternden Zone geltend, in der verschiedene „Weltverbesserer“ (Saudek 1911b) und „ethical humanists with varying degrees of social reformist commitment“ (Boyer 1995: 175) aufeinandertrafen. Noch mehr als die Vor2
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„Diese Kreise lassen sich daher als ein verdichtetes elektromagnetisches Netzwerk darstellen. Bestimmte Schlüsselfiguren gehörten zwei oder drei Zirkeln an, was für die rasche Verbreitung neuer Ideen und eine wechselseitige Befruchtung sorgte. Solche Wechselwirkungen erzeugten erstaunliche Synergien.“ (Timms 2013: 16) Einen erweiternden Blick auf Bezüge zwischen den slawischen Modernisten und der Wiener Moderne bietet Simonek (2002 u. 2016).
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Lucie Merhautová
stellung von vernetzten, jedoch abgegrenzten Kreisen eignet sich für die Kontextualisierung von Saudeks Aktivitäten das Konzept einer offenen dynamischen Zone ohne klare Konturen. Er wurde vom Umfeld der Reformintellektuellen angezogen, deren politische Einstellungen von linksliberalen über sozialdemokratische bis zu anarchistisch-kommunistischen Ansichten reichten.4 Ihre Aktivitäten kreuzten, ergänzten und diversifizierten einander in einem dichten Vereinsgefüge, in dem Universitätsprofessoren, Sozialreformer und Politiker, Journalisten, Künstler und Künstlerinnen, Ökonomen, Juristen, Vertreterinnen der Frauenbewegung und Studenten genauso wie Beamte wie etwa Saudek anzutreffen waren. Einen Teil dieser dynamischen Zone bildeten auch viele jüdische Intellektuelle, und Saudek war einer von ihnen.5 Die Sekundärliteratur beschäftigt sich v. a. mit den deutschsprachigen Reformern (u. a. Holleis 1978; Hacohen 2002: 23ff.; Emanuely 2020), Saudeks Übersetzer- und Publikationslaufbahn schöpft hingegen aus dem Wiener tschechischen Umfeld einer jungen Generation von Fortschrittlern und Sozialdemokraten. Diese waren gegenüber den jüdischen Akteuren (insbesondere den Anhängern der tschechisch-jüdischen Bewegung) sowie dem breiteren interkulturellen, literarischen und gedanklichen Austausch offen eingestellt und wurden von der tschechischen realistischen Bewegung oft beeinflusst, deren führender Vertreter T. G. Masaryk (auch ein sozialer und religiöser Reformer) eine enge Beziehung zu Wien hatte. Die Vermittlungsprozesse stellen ein transkulturelles Phänomen dar, das auf den interethnischen, multikulturellen und multilingualen Interaktionen gründet, die für die Metropole Wien charakteristisch waren (vgl. auch Csáky 2010). Mit dem Begriff der Übersetzungszone (translation zone) arbeitet die Übersetzungswissenschaft im Zusammenhang mit der Entwicklung der Spatial studies seit mehreren Jahren. Gerade der vielsprachige Raum der Großstadt repräsentiert eine ihrer Ausprägungen. Sherry Simon verwendet sogar den Begriff „translational city“ für eine Beobachtungsperspektive, die es ermögliche, Übersetzungsprozesse zu erforschen und sich über die Grenzen klarer ethnischer und nationaler Differenzen hinwegzusetzen: What I am calling the translational city proposes a new angle of approach to the multilingual city, accentuating the movement, complexity and texture of urban language interactions. […] In the translational city […] languages connect as they move across space, are dominant in certain zones, less so in others. Border zones are scenes of especially intense 4 5
Die Lebensreformbewegung am Anfang der Jahrhundertwende inspirierte auch verschiedene völkische, und rassistische Projekte, was jedoch Saudeks Tätigkeit und somit unsere Fragestellungen nicht betrifft. Zum Anteil der Juden an der Wiener Moderne vgl. Beller (1989).
I. Emil Saudek und die Vermittlung tschechischer Literatur im Wien der Jahrhundertwende
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interaction. Translation tracks language flows and interactions among variously entitled communities – those which have historic claims as migrants, exiles or sojourners. (Simon 2012: 406f.)
Simon schlägt also vor, Übersetzungen und die übersetzerische Aktivität auf der Alltagsebene, in Stadträumen sowie in den Medien als eine Antwort („response“) auf „different constellations of linguistic forces [aufzufassen], shaped by moments of violence and conquest, patterns of immigraton, diasporic networks, political jurisdictions, emergent or declining cultural loyalties. These texts put into play translational responses“ (Simon 2016, siehe auch Cronin/Simon 2014). In den folgenden Kapiteln wird Saudeks Tätigkeit aus zwei Perspektiven interpretiert. Die erste bezieht sich auf Übersetzungs- und Annäherungsprojekte mit Organisations-, Verlags- oder Autorhintergrund in Wien. Es wird somit der Kontext beleuchtet, den Saudek mit seiner Betätigung betrat und den er individuell weiter mitgestaltete. Der zweite Teil beschreibt Saudek aus der Perspektive der künstlerischen, kulturellen und sozialen Interaktionen in verschiedenen öffentlichen sowie privaten urbanen Räumen, wobei der Akzent auch auf den Querverbindungen zwischen diversen Kunstformen (Literatur, Theater, bildende Kunst, Musik) liegt. Berücksichtigt werden u. a. die Thesen von Michaela Wolf, deren Arbeiten sich mit der Institutionalisierung der Übersetzung und mit der Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie beschäftigen (Wolf 2012). Sie beschreibt Wien „as crossing point of multiple translation processes“ (Wolf 2020: 52) und legt dar, dass Übersetzungen kulturelle sowie politische Konflikte, die im hohen Maße als sprachlich bedingt verstanden werden, auf einer legislativen und administrativen Ebene noch verschärfen können. Somit würden eher die Forderungen der jeweiligen Nationalgemeinschaften entblößt, was zu einer gegenseitigen Distanzierung führe. Man könnte annehmen, dass die literarische Übersetzung eine kulturverbindende Funktion hat, sie lässt sich jedoch gleichermaßen als Annäherungswie auch Differenzierungsprozess auffassen. Deutschsprachigen Rezipienten dürften deutsche Übersetzungen tschechischer Literatur den unliebsamen Anspruch der Tschechen auf kulturelle Anerkennung vor Augen geführt haben. Andererseits riefen positive Reaktionen aus dem deutschsprachigen Umfeld auf Übersetzungen tschechischer Literatur bei der tschechischen Literaturkritik ambivalente Reaktionen hervor (wie es sich auch im Fall von Saudeks Březina-Übersetzungen zeigte). Auf der einen Seite freute man sich über den Erfolg, da die nationalmotivierten Ambitionen befriedigt wurden, auf der anderen Seite deuten die Titel der Besprechungen wie etwa „Březina
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im fremden Gewand“, „Březina im deutschen Gewand“ (Klíma 1908; Vlček 1909) auf eine Unsicherheit hin, was genau eigentlich mit der Dichtung während des Übertragungs- und Rezeptionsprozesses geschehen ist, und ob das Werk auch nach dem Sprachwechsel noch ein Teil der tschechischen Literatur bleibt. Das Deutsche war im dargestellten Zeitraum für die Tschechen die nächste ‚Weltsprache‘, die Internationalisierung der tschechischen Kultur qua Deutsch war allerdings in Hinsicht auf kulturelle Asymmetrien und nationalpolitische Forderungen problematisch. Um die Jahrhundertwende bewegte sich die Übersetzung auch in einer Grenzzone zwischen Literatur – und den ihr inhärenten ästhetischen Standpunkten – und der Kulturpolitik. Jede Übertragung sagt nicht nur viel über die ästhetischen Präferenzen der Übersetzerinnen und Übersetzer aus, sondern auch über deren Positionierung im komplizierten tschechisch-deutschen/deutsch-tschechischen Miteinander in Wien und in der Habsburgermonarchie. Auch zur Zeit der Etablierung der künstlerischen Moderne, die die Emanzipation von außerästhetischen und traditionalistischen Kriterien dezidiert anstrebt sowie Regeln für das literarische Feld formuliert und durchsetzt (Bourdieu 1999), wird die Übersetzung zwischen Tschechisch und Deutsch nach wie vor kulturpolitisch instrumentalisiert, und zwar sogar sehr oft von Literaturkritikern, die doch andere Werke und Übersetzungen aus anderen Sprachen primär aus einer ästhetischen Perspektive beurteilen. Wenn wir uns anhand von Saudeks Beispiel die Übersetzungsprozesse in diversen Kommunikationszentren der oben erwähnten offenen, von den Aktivitäten der progressiven Intellektuellen gefüllten Zone ansehen, ist der literarischen Übersetzung aus dem Tschechischen ins Deutsche eine literarische, kulturelle und soziale Bedeutung zu eigen. Um 1910 trifft Saudek auf den Glauben der Wiener frühen Expressionisten an die Geburt eines neuen Menschen, zu der Sozialreformen beitragen könnten. Der von Březinas dichterischen mystischen Verbrüderungsvisionen und vom Aktivismus der Expressionisten (A. Ehrenstein, H. Sonnenschein) gesättigte Perspektivismus ist prägend für Saudeks Vorkriegsvorstellungen über das neue Österreich. Ziel dieses ersten Kapitels ist es, die literarischen und kulturpolitischen Positionen nachzuzeichnen, die Saudek durchgehend vertrat, und zu erklären, inwiefern sich sein Konzept von „Wien als Brücke nach Europa“ gerade auf die Übersetzung als Alltagspraxis der gebildeten Wiener Eliten in mehrsprachigen Räumen der Metropole bezieht. Auch wenn Saudek sich eindeutig der Übersetzung und Propagation der tschechischen Literatur verschrieben hatte, ist bei ihm auch eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Konzepten der
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eigenen Identität erkennbar, wie sie Lisa Silverman und Deborah Holmes in ihrer Reflexion des Konzepts der „situativen Ethnizität“6 von Till van Rahden beschreiben: How fluid the self-identification of Austrian Jews could be. – Jews should no longer be understood in terms of schematic categories such as „exclusion“, „assimilation“ or „hybridity“. Instead, it is important to consider how Jews and others simultaneously took on different roles and identities, depending at all times on the specific social situation and constellation in which they found or positioned themselves. (Silverman/Holmes 2016: 5)
2. Vorgänger Isidor(e) Singer und die Allgemeine Österreichische Literaturzeitung Betrachtet man das Wien der 1880er Jahre im Hinblick auf die Vermittlung der tschechischen Literatur ins Deutsche und auf deutsch-jüdisch-tschechische Interaktionen, wirkt das Ergebnis im Vergleich zum ersten Jahrzehnt, in dem Saudek seine erste Übersetzungen und Beiträge publizierte, sehr bescheiden. Manfred Jähnichen führt nur zwei literarische Zeitschriften an, die zeitweilig in Wien erschienen und der tschechischen Literatur offenstanden: Österreichische Rundschau (1883) und Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung (1885–1886) (Jähnichen 1972). Das zweitgenannte Periodikum steht für die Grenzen der Vermittlung sowie für den zentralen Anteil jüdischer Intellektueller an der Formulierung von Annäherungskonzepten bereits an der Schwelle zur Moderne. Die Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung wurde von Isidor(e) Singer (1859–1939), einem jüdischen Journalisten und Intellektuellen aus Mährisch Weißkirchen, gegründet.7 Bereits Anfang der 1880er Jahre reflektierte er besorgt den Antisemitismusstreit in Berlin (Singer 1882a; 1882b) und interpretierte den Antisemitismus als schädlichen Import aus Deutschland, während er Wien als tolerante und kosmopolitische Stadt hervorhob (Wistrich 2006: 251). Die Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung sollte ein „Zentralorgan“ sein (der Untertitel lautete Literarisches Zentralorgan für die österreich.-ungar. Monarchie), mit dem Ziel, „vom einheitlichen Standpunkt den allgemeinen Fort6 7
Rahden 2008. 1887 ging er nach Paris (wo er später Dreyfus öffentlich verteidigte), Anfang des 20. Jahrhunderts gab er in New York die Jewish Encyclopedia heraus (Hödl 2004).
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schritt in der Wissenschaft und in der Cultur“ zu veranschaulichen (Anonym 1885b), und die Gelehrten nicht nur innerhalb der Habsburgermonarchie, sondern auch international zu vernetzen. In Werbeanzeigen wurden 350 Mitarbeiter angekündigt, die (erweiterten) Verzeichnisse direkt in der Zeitschrift wiesen mehrere Dutzend aus. Der fortschrittliche Standpunkt öffnete den Raum auch für „die nichtdeutschen Nationen“ der Monarchie, und gerade deren Miteinbeziehung sollte die Zeitschrift von den Fachzeitschriften in Deutschland unterscheiden. Singer verband seine Zeitschrift zudem konzeptionell mit einer Vorstellung von Österreich-Ungarn als Vermittler zwischen dem westlichen und dem östlichen Kulturraum: Die Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung wird sich von den in Deutschland erscheinenden Literaturblättern namentlich dadurch unterscheiden, daß sie ein großes Gewicht auf die hervorragendsten wissenschaftlichen und literarischen Erzeugnisse der nichtdeutschen Nationen der österreichisch-ungarischen Monarchie legen wird. Die Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung wird auf diese Weise der großen kulturellen Mission der österreichisch-ungarischen Monarchie, die Vermittlerin zwischen der westlichen und östlichen Kultur Europas zu bilden, auf literarischem Gebiete gerecht zu werden bestrebt sein. (Anonym 1885a)
Dieser publizistische Niederschlag von der humanistischen Idee einer übernationalen Gelehrtenrepublik konnte jedoch nicht mit dem dominierenden nationalen Kulturverständnis der Zeit konkurrieren.8 In einem programmatischen Artikel, der am 1. Juli 1886, mehr als ein Jahr nach der Gründung des Periodikums erschien, wird der Auftrag der Zeitschrift bereits als Präsentation der deutschen Wissenschaft umrissen (Anonym 1886). Über die tschechische Literatur berichtete in dem Blatt nicht etwa ein Wiener (z. B. aus den Reihen der Slawisten), sondern der zweisprachige böhmische Journalist und Schriftsteller Karl Müller, der sich seit den 1870er Jahren für die Vermittlung tschechischer Literatur engagierte (Jähnichen 1972: 84ff.; Merhautová 2016: 49ff.). Er bemühte sich, seine Übersetzungen und Beiträge in quasi jeder beliebigen deutschsprachigen Zeitschrift in Österreich-Ungarn und Deutschland unterzubringen, die dazu bereit war. Seine Erfahrungen kommentierte Müller 1886 in der tschechischen Zeitschrift Rozhledy literární, als er forderte, dass die tschechische Öffentlichkeit ihre Einstellung zur Propagation tschechischer Literatur auf Deutsch ändern müsse. Die Tschechen sollten sich an die Tatsache gewöhnen, dass das Deutsche in der Literatur ein geeignetes Medium zur Durchsetzung national-emanzipatorischer For8
Vgl. den kritischen Kommentar in der deutsch-liberalen Montagsrevue aus Böhmen: „Zudem ist es nicht wahr, daß ein Bedürfnis nach einem Zentralorgan besteht, wenigstens schließt sich die Mehrzahl der deutschen Schriftsteller an die naturgemäßen Centren der deutschen Literatur an.“ (Anonym 1885b: 9)
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derungen sein könne, obwohl es im kulturpolitischen Diskurs als feindlich angesehen werde. Müllers Beispiel illustriert, dass es den Vermittlern in den 1880er Jahren v. a. darum ging, die tschechische literarische bzw. kulturelle Reife zu demonstrieren. Da Übersetzungen die Emanzipationsansprüche sichtbar machten und deutsche Leser darauf möglicherweise mit nationalistischer Ablehnung reagieren könnten, hielten sich nicht-tschechische Verleger mit der Herausgabe von Übersetzungen aus dem Tschechischen zurück. Laut einer von Müller wiedergegebenen Korrespondenz mit Isidor Singer reagierte die deutschnationale Presse kritisch auf den ersten Teil von Müllers Studie über die tschechische Literatur, und zwar konkret in Person der beiden Politiker und Redakteure des Wiener Tagblatts Deutsche Zeitung Heinrich Reschauer und Heinrich Friedjung. Wie Singer Müller weiter brieflich mitteilte, war das Bestehen der Zeitschrift zugleich abhängig von den Abonnements der nichtdeutschen Leser – im Vergleich mit den Polen, Ungarn oder den Südslawen hielten die Tschechen sich dabei aber zurück (Müller 1886). Die Veröffentlichung von Übersetzungen aus der tschechischen Literatur von finanzieller Unterstützung abhängig zu machen, war nichts Ungewöhnliches. Die umfassendste Zusammenarbeit konnte Müller mit der Leipziger Zeitschrift Auf der Höhe aufbauen, deren Herausgeber, der österreichische Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch, für regelmäßige Berichte und für Übersetzungen aus der tschechischen Literatur einen Zuschuss von 3000 Gulden für zwei Jahre verlangte (Merhautová 2016: 65). Die Kurzlebigkeit der Zeitschriften, mit denen Müller zusammenarbeitete (neben den oben erwähnten war es auch die Triester Zeitschrift Von Pol zu Pol), macht deutlich, dass das Programm zur Verteidigung allösterreichischer Interessen nicht genügend Abonnenten anzog und sehr leicht in die Darstellung einzelner nationaler Interessen abzugleiten drohte.
Eduard Albert und sein liberales Übersetzungsprojekt Übersetzungen tschechischer Literatur in Buchform zu publizieren, war an sich schon ein Erfolg, v. a. wenn es gelang, einen Verleger in Deutschland oder wenigstens in Wien zu gewinnen.9 Zu einem Ereignis wurde die vierbändige Auswahl tschechischer Poesie aus dem 19. Jahrhunderts, Poesie aus Böhmen, mit einem Schwerpunkt auf aktuellen Strömungen, die zwischen 1893 und 1895 von Eduard Albert in Wien herausgegeben wurde (1900 kamen noch die eigenständige Edition von Erbens Kytice /Der Blumenstrauß/ und eine 9
Siehe Kapitel II. von V. Petrbok.
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bescheidenere Auswahl tschechischer Poesie unter dem Titel Lyrisches und Verwandtes hinzu). Der berühmte Chirurg, Universitätsprofessor und Vorstand der I. Chirurgischen Klinik, Hofrat Eduard Albert (Kokešová 2021), war im Vergleich mit Müller ein Vermittler ganz anderen Typs. Im Unterschied zu dem mittellosen Journalisten war Albert ein erfolgreicher Mann (auf dem Gebiet der Wissenschaft bzw. Medizin), mit zahlreichen Kontakten zu politischen Spitzenvertretern, er verfügte daher über das erforderliche soziale, symbolische und ökonomische Kapital. Der wichtigste Anlass für sein Übersetzungsprojekt, den er im Vorwort zum ersten Band explizit erwähnt, war der unerwartete Erfolg des tschechischen Nationaltheaters bei der Theaterausstellung in Wien 1892, wo v. a. Bedřich Smetanas Oper Prodaná nevěsta (Verkaufte Braut) begeistert aufgenommen wurde (Šubert 1892; Reittererová/ Reitterer 2004). Bei dieser Gelegenheit wurde Wien als geeigneter Ort für die Internationalisierung der tschechischen Kunst entdeckt. „Das Czechische Landes- und Nationaltheater Prags wurde in den ersten Junitagen des Jahres 1892 geradezu für Europa entdeckt“, schrieb der Theaterkritiker Oscar Teuber im Ausstellungskatalog (1894: 307). Die Musik und das Theater waren auch Vorläufer für die Literatur, und der in Wien lebende Albert mag den begeisterten Kommentaren entnommen haben, dass Kunst einen bedeutenden kulturpolitischen Einfluss haben kann. Politisch vertrat er liberale Positionen und stand der konservativeren Alttschechischen Partei nah. Seiner Meinung nach bildete die Kunst auch ein gewisses Gegengewicht zur aufziehenden, weitaus nationalistischeren und radikaleren Politik der Jungtschechischen Partei. Albert war Anhänger eines vernünftigen Ausgleichs zwischen Tschechen und Deutschen, laut Arnold Jirásek war es seine Absicht, für die Tschechen „Räume zu öffnen und Wege zu ebnen“ (1946: 327). In seinen Anthologien zeichnete Albert das Bild einer entwickelten tschechischen Poesie, die v. a. im Werk von Jaroslav Vrchlický (ferner von Svatopluk Čech und Julius Zeyer) ihren Höhepunkt erreichte. Gerade am Beispiel von Vrchlický, „dem tschechischen Goethe“, und seiner Poesie, der ein eigener Band gewidmet wurde, zeigt Albert das nicht-nationalistische, europäische Gesicht der tschechischen Kultur, deren Qualität bereits Weltrang erreicht. Die Bände waren aufwendig gestaltet, zu den wichtigsten Rezipienten zählten politische und kulturelle Eliten etwa aus den höchsten Regierungskreisen, Vertreter des Adels, Wissenschaftler und Schriftsteller (Kokešová 2021: 81). Zentral erscheint in unserem Kontext, dass Albert eine Reihe von Übersetzern und Übersetzerinnen für sein Projekt engagierte. Der erste Band Poesie aus Böhmen beinhaltete Texte von Autoren, deren Schaffen bereits abgeschlossen war (F. L. Čelakovský, K. H. Mácha, K. J. Erben u. a.); für die
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Übersetzungen sorgte Albert einerseits selbst, andererseits machte er auch von den älteren Übersetzungen von Josef Wenzig Gebrauch. Im Fall von Nerudas Písně kosmické (Kosmische Lieder, dt. 1881) griff Albert auf die Übersetzung von Gustav Pawikovski zurück. Für den zweiten Band nutzte er die relativ rege Übersetzungstätigkeit, die bereits Mitte der 1880er Jahre einsetzte. Ein Pionier in diesem Kontext war v. a. Edmund Grün, dessen Übersetzungen zwar nicht unbedingt gelungen waren, der es aber dennoch schaffte, diese auch in Buchform zu publizieren und damit, sowie anhand diverser in Zeitschriften publizierter Kommentare und Interpretationen den Grundstein zur Deutung der tschechischen Literatur als Literatur von europäischem Rang zu legen. Albert führte diese Deutungslinie fort. Bei der Vorbereitung der Neueren Poesie aus Böhmen half ihm v. a. Vrchlickýs Freund, der Prager deutschsprachige Schriftsteller und Übersetzer Friedrich Adler, der ein Jahr später in Zusammenarbeit mit dem Dichter eine Gedichtauswahl bei Reclams Universal-Bibliothek veröffentlichte (1894, Petrbok 2010). Adler vermittelte den Kontakt zu einem Vrchlický-Übersetzer, Bronislav Wellek, der zu dieser Zeit an der Prager deutschen Jurafakultät studierte. Dieser wiederum gewann einen weiteren Studenten für die Zusammenarbeit, den späteren Dichter aus der Gruppe Jung-Prag, Ottokar Winicky, der zu einer großen Stütze des gesamten Projekts wurde. Winicky übersetzte Texte von Vertretern der sog. nationalen Schule (Adolf Heyduk), mehrere Teile aus den zu dieser Zeit lebhaft diskutierten Písně otroka (Lieder eines Sklaven, dt. 1897) von Svatopluk Čech, ferner Genrelyrik von Antonín Klášterský sowie Gedichte des Symbolisten Antonín Sova. Dank Albert fanden einige Übersetzerinnen und Übersetzer endlich eine Möglichkeit zu publizieren – etwa die deutsche Dichterin Ottilie Malybrok-Stieler, die Schwierigkeiten hatte, für ihre Übersetzungen von Julius Zeyers Werken einen Verleger zu gewinnen. Unter den bekannteren Mitarbeitern Alberts findet sich zum Beispiel auch die Schriftstellerin und Lehrerin Marie Kwaysser, einige Gedichte Vrchlickýs wurden von Leopold Pick sowie Louise Breisky übertragen. Auffällig ist, dass die Übersetzer und Übersetzerinnen mehrheitlich in Böhmen, nicht in Wien ansässig waren. Als Vertreter aus der Residenzstadt können neben Louise Breisky (1900 erschien ihre Übersetzung von Vrchlickýs Lustspiels Láska a smrt /Minnehof/ im Braumüller Verlag) noch der Bohemien Zdenko Fux-Jelenský genannt werden, der Svatopluk Čech übersetzte (in Buchform veröffentlichte er 1892 das Märchen Petrklíče /Himmelschlüssel/ im Wiener Dirnböck Verlag). Ein weiterer Beteiligter in der Donaumetropole war Alberts Freund, der Schulrat Wenzel Ernst, der mehrere Volkslieder
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übersetzte. Der Dichter J. S. Machar war ein bedeutender Wiener Berater bei der Autoren- und Textauswahl (Kostrbová 2011a: 229ff.). Grundlegend war die Unterstützung von Alfred Hölder, dessen Universitätsbuchhandlung auf Lehrbücher und wissenschaftliche Texte spezialisiert war. Albert veröffentlichte bei ihm mehrere Titel, u. a. Diagnostik der chirurgischen Krankheiten und Die Erfolge des Messers (1892). Nur dank dieser wissenschaftlichen Zusammenarbeit und Alberts Stellung erklärte sich Hölder bereit, die Anthologien herauszugeben, allerdings auf Alberts eigene Kosten (Jirásek 1946: 326). „Die ganze Auflage wurde größtenteils verschenkt“, schrieb der Bauunternehmer und Mäzen Josef Hlávka rückblickend an Bronislav Wellek, später habe es Hölder rundheraus abgelehnt, tschechische Literatur zu publizieren.10
Die Progressivität der Moderne – Die Zeit Die oben erwähnte Theaterausstellung machte auch Hermann Bahr auf die tschechische Literatur aufmerksam, er konzentrierte sich jedoch auf die literarische Moderne und deren in Wien lebenden Vertreter J. S. Machar, den er bereits im Juni 1892 kennen lernte (Kostrbová/Ifkovits/Doubek 2011: 97ff.). Der tschechische Dichter gab Bahr einen ersten Überblick über die tschechische Literatur des 19. Jahrhunderts, von der dieser zuvor nur oberflächliche Kenntnisse hatte. Im Frühjahr 1893 lieh Bahr sich außerdem die beiden ersten Bände von Poesie aus Böhmen11, und als er ein Jahr später Mitarbeiter für das Wochenblatt Die Zeit suchte, die in der Lage waren, das Programm des Jungen Wiens und sein Konzept der „guten Europäer“ zu entfalten, verhandelte er nicht nur mit Machar über eine potenzielle Zusammenarbeit, sondern auch mit Albert. Dieser war gerade bei der Vorbereitung der beiden Bände Neueste Poesie aus Böhmen, die auch modernere Strömungen reflektierten, ohne dafür allerdings den Begriff der „Moderne“ zu verwenden; der Abschlussband trägt den Untertitel Die der Weltliteratur conformen Richtungen. 10 J. Hlávka an B. Wellek, 01.10.1906, LA PNP, Fonds B. Wellek. 11 „Bahr hat sich von mir beide Teile ausgeborgt, den ersten hat er mir schon zurückgegeben und er sagte, daß Prof. Albert das tschechische Volk den Deutschen in so einem bezaubernden Licht zeigt, wie das sämtliche 39 jungtschechische Abgeordnete nicht innerhalb von 20 Jahren schaffen würden. – Und er hat recht – nicht wahr? / Wenn er Deine Anthologie fertiggelesen hat, werde ich Dir schreiben, was er mir sagt. Ich bin wirklich neugierig auf sein Urteil, weil ich ihn sehr hoch schätze.“ (Kostrbová/Ifkovits/Doubek 2011: 280; J. S. Machar an J. Vrchlický, 28.04.1893)
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Der Redaktionssitz der Zeit befand sich in der Günthergasse unweit der Votivkirche, nur einige Dutzend Meter vom Maximilianplatz (heute Rooseveltplatz) entfernt, wo Eduard Albert mit seiner Familie in einer geräumigen bürgerlichen Wohnung in einem Eckhaus lebte und auch zahlreiche Gäste empfing (Kokešová 2021: 95f.). Während Alberts Projekt Poesie aus Böhmen auf die Ringstrasse und den ersten Bezirk, auf die politische Elite, die Intelligenz, den Adel und das Großbürgertum zielte, war Die Zeit ein oppositionelles Blatt. Für die finanzielle sowie geistige Unabhängigkeit bürgte Isidor Singer (1857–1927), ein Statistikprofessor an der Universität Wien, der aus Budapest stammte. Er war der „alleinige Geldmann“ der Zeitschrift,12 in die er das Kapital einbringen konnte, das seine Familie in der Textilindustrie erwirtschaftete. Die Opposition der Zeit richtete sich gegen die Wiener liberale Presse (v. a. die Neue Freie Presse) sowie gegen die Blätter, die der Christlichsozialen Partei (CSP) nahestanden (Bahr hatte die Redaktion der Deutschen Zeitung verlassen, die damals von der CSP beherrscht wurde, Shapira 2016: 73). Daneben grenzte sich die Wochenschrift auch von der Sozialdemokratie ab. Die politische Linie der Zeit orientierte sich politisch an der gemäßigt linken Fabier-Gesellschaft, die 1893 nach britischem Vorbild in Wien gegründet worden war und sich 1896 in eine kleinere Intellektuellenpartei, die Sozialpolitische Partei, transformierte (Holleis 1978), deren Mitglieder (der Abgeordnete Julius Ofner, der Ökonom Eugen von Philippovich u. a.) Beiträge für die Zeit schrieben. Bahr, der für die Kulturrubrik verantwortlich war und in den vorausgegangenen Jahren in Berlin und Paris die modernen Kunstströmungen kennengelernt hatte (Sprengel/Streim 1998: 45ff.), wollte die Zeit in das Netzwerk der europäischen modernistischen Periodika integrieren und sowohl das Bewusstsein über die Wiener literarische Moderne (der engere Autorenkreis um den jungen Hofmannsthal) als auch über „Das junge Österreich“ stärken. Im Vergleich zum „mährischen“ Isidor(e) Singer und der Allgemeinen Oesterreichischen Literaturzeitung ging es nicht nur darum, die Zeitschrift den slawischen Nationen der Monarchie zu öffnen und dafür deren Dankbarkeit und finanzielle Unterstützung zu erwarten. Eine gleichwertige Eingliederung der sog. nicht-deutschen Nationen war ein Element von Bahrs Konzept des Jungen Österreichs. Während Verleger wie z. B. Alfred Hölder die Publikation von tschechischer Literatur auf Deutsch als mutiges Zeichen begriffen, ging die Zeit genau umgekehrt vor. Die Präsenz von tschechischen Beiträgen wie auch die Texte anderer slawischer Autoren (Ivan Franko, Matija Murko, Stanisław 12 Ebd.: 281; H. Bahr an Alois Bahr, 13.05.1894.
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Przybyszewski u. a.) sollten bei den Lesern absichtlich eine Schockwirkung erzielen. Bahr hielt sein Konzept für egalitär, bei den beteiligten Tschechen, Ruthenen oder Slowenen rief die Zusammenarbeit jedoch viele Fragen, Spannungen und Missverständnisse hervor, wobei das erste Problem möglicherweise bereits in der Präsentation „subalterner Kulturen“ auf Deutsch lag (Simonek 2013). Die angesprochenen tschechischen Modernisten sahen allerdings in der Publikationsmöglichkeit eine einmalige Gelegenheit, so dass Bahr und Machar ein Netzwerk von Mitarbeitern aus dem Umkreis der tschechischen Periodika Čas, Naše doba und Rozhledy aufbauen, und die tschechische Literatur und Politik aus deren Perspektive präsentieren konnten (Kostrbová/ Ifkovits/Doubek 2011). Während es gelang, Beiträge über tschechische Literatur, Politik und Wirtschaft ins Blatt zu holen, war es hinsichtlich literarischer Übersetzungen problematisch. Die Wochenschrift brachte am Schluss jeder Nummer eine Leseprobe aus der gegenwärtigen Prosa, häufig in Übersetzung. Machar konnte Bahrs Nachfrage nicht nachkommen und kämpfte v. a. im Bereich der Prosa mit einem Mangel an Übersetzern und Übersetzerinnen. Während der Vorbereitungen für die neue Zeitschrift schrieb er an Masaryk: Bahr möchte auch Übersetzungen von gegenwärtigen Sachen. Aber es gibt keine Übersetzer. Der Übersetzer Vrchlickýs, Grün, kann nicht tschechisch und deutsch angeblich gar nicht. Fux-Jelenský ist ein fauler Hund, Prof. Albert blieb, glaube ich, bei Vrchlický stecken und dann ist es ein wenig bedenklich, denn er hält sich in allem für einen unfehlbaren Hofrat – und Bahr könnte im Lauf der Zeit sagen: diese und diese Übersetzung reicht nicht und dies und das möchte ich nicht – Bahr geht zwar morgen hin, aber auf eigene Faust. Ich habe ihm diese Situation geschildert. Und so hat man also keine Übersetzer. (ebd.: 282f., Machar an Masaryk, 17.06.1894)
Der Generationenkonflikt, den Machars Beitrag über den Dichter Vítězslav Hálek vom Oktober 1894 auslöste (Merhaut 2021: 141ff.), machte die Zusammenarbeit mit Albert unmöglich. Machars Bemühungen Bronislav Wellek oder andere Übersetzer der Neuesten Poesie aus Böhmen zu gewinnen, blieben erfolglos; tschechische Literatur war in der Zeit unterrepräsentiert. Die erste Leseprobe, Zeyers Erzählung Král Kofetua (König Kofetua), musste gezwungenermaßen der Kritiker F. V. Krejčí übersetzen, obwohl dessen Deutsch für eine literarische Übersetzung nicht gut genug war (auch seine Artikel mussten anfangs erheblich korrigiert werden). Mitte der 1890er Jahre konnte Machar weder in Prag noch in Wien einen Übersetzer oder eine Übersetzerin für seinen Versroman Magdalena (1894) finden, für dessen Publikation sich Hermann Bahr bei S. Fischer in Berlin einsetzen wollte (Kostrbová 2011a: 276ff).
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Eine langsame Verbesserung der Situation begann mit dem Zuzug jüdischer Übersetzerinnen und Übersetzer aus den böhmischen Ländern nach Wien in der zweiten Hälfte der 1890er. In der Zeit äußerte sich diese Veränderung zunächst in Rezensionen und Beiträgern, die unterschiedliche ästhetische und politische Präferenzen widerspiegelten. Adolf Donath (geb. 1876), der im gleichen Jahr wie Emil Saudek zum Studium nach Wien kam, publizierte in der Zeit Referate über Dichter aus dem Umkreis der Prager Zeitschrift Moderní revue. Er interessierte sich für die tschechische symbolistische und dekadente Lyrik, blieb aber zugleich ein Bewunderer von Jaroslav Vrchlický. Donath kommunizierte auch auf tschechisch (der Maler Max Švabinský war sein lebenslanger Freund), Deutsch war jedoch seine literarische Sprache, in der er auch Gedichte und Literaturkritiken verfasste. Relativ schnell knüpfte er in Wien literarische Kontakte, z. B. auch im Café Griensteidl, wo er sich mit Peter Altenberg oder Karl Kraus traf. Später lernte er auch Stefan Zweig und Camill Hoffmann kennen.13 Donath war Anhänger des Zionismus und publizierte in Herzls Wochenschrift Die Welt genauso wie in der Neuen Freien Presse (Bensimon 2001). Seine Annäherungsversuche an die Vertreter der tschechischen Moderne waren nur von kurzer Dauer. Anfang des 20. Jahrhunderts ging Donath nach Berlin und wurde zu einem bedeutenden Kunstsammler. Ein weiterer Student war Vítězslav/Viktor Stein aus Pribram (geb. 1876). Er engagierte sich bereits in den 1890er Jahren in der österreichischen Sozialdemokratie und übersetzte Victor Adlers Reden vor den „böhmischen Ziegelarbeitern“ ins Tschechische.14 Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts trat Stein in die Redaktion des tschechischen sozialdemokratischen Tagblatts Dělnické listy ein und verkehrte auch mit Saudek (1909 sollte er ihn sogar mit dem Schriftsteller Ivan Olbracht, einem neuen Redakteur, bekannt machen).15 Nach 1910 war Stein Anhänger des zentristischen Flügels der österreichischen Sozialdemokraten, in der Zwischenkriegszeit gehörte er zu den prominenten Mitgliedern der Partei. In der Zeit konzentrierte er sich v. a. auf Machar. Er beschäftigte sich detailliert mit dessen Satire über die jungtschechische Politik Boží bojovníci [Gotteskämpfer] und brachte daraus auch Übersetzungen kurzer Passagen.16 1897 schrieb Stein eine Reihe kürzerer Besprechungen über Neuerscheinungen, u. a. über die Sammlung dekadenter Lyrik Vybouřené smutky 13 Jaromír Doležal erwähnt ihn auch im Umkreis der jungen Slawisten in Wien (Doležal 1926: 114). 14 Siehe den Eintrag zu Viktor Stein auf dasrotewien.at. 15 Vgl. Saudek 1932. 16 Sämtliche tschechische Beiträge in der Wochenschrift Die Zeit werden in der Bibliographie in Kostrbová/Ifkovits/Doubek (2011: 375ff.) präsentiert.
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[Entladene Trauer] von Antonín Sova, über einen Band intimer Lyrik mit dem Titel V zimním slunci [In der Wintersonne] von J. V. Sládek, einem Vertreter der älteren Generation, sowie über Erzählungen von František Herites und Julius Zeyer. Ein politisch-kulturelles Literaturverständnis sowie Masaryks Einfluss sind für Heinrich Herbatschek (geb. 1877) charakteristisch. Er stammte aus dem mährischen Wsetin und studierte in Wien, vorübergehend auch in Prag, Jura (Hájek 2009; Budňák 2020). In der böhmischen Hauptstadt besuchte Herbatschek bereits 1896 Vorträge von Masaryk, 1902 übersetzte er dessen Schrift Ideály humanitní (Ideale der Humanität) ins Deutsche, nachdem er bereits zuvor Masaryks Engagement im Polnaer Prozess verfolgt hatte (Herbatschek 1900). In der Zeit veröffentlichte Herbatschek v. a. politische Publizistik bzw. Besprechungen von Publikationen, die aus dem realistischen Kreis um Masaryk kamen. Der literarischen Übersetzung widmete er sich erst nach 1900 und verstand sie vor allem als Mittel zur Kulturannäherung und Thematisierung von sozialen und politischen Fragen. Der politische Berichterstatter von Čas, Naše doba und Union Bedřich Hlaváč (geb. 1868) übersetzte nur gelegentlich tschechische Literatur. Er siedelte wahrscheinlich 1897 von Prag nach Wien über, Machar und Masaryk versuchten ihn erfolglos als festen Redakteur der Zeit durchzusetzen. Hlaváčs wichtigste Leistung auf dem Gebiet der Übersetzung war die Übertragung des Romans Jan Maria Plojhar von Julius Zeyer für die in Prag von J. Otto herausgegebene Slavische Romanbibliothek. Ins Tschechische übersetzte er ein Stück eines anderen Journalisten und Kritikers aus dem Umkreis der Zeit – Felix Salten.17 1901 kam Hlaváčs Cousine Anna Auředníčková (geb. 1873) von Kuttenberg nach Prag. Ihr Vater Ignác Schick, Hlaváčs Onkel, war Herausgeber des Prager Tagblatts Politik. Während Hlaváč, der mit Schulden und einem schlechten Ruf zu kämpfen hatte, aus privaten Gründen nach Wien kam (Doubek 2021), zwangen Auředníčková antisemitische Hassattacken zum Umzug in die Donaumetropole: Ihr Ehemann Zdenko Auředníček hatte im Polnaer Prozess Leopold Hilsner verteidigt, und auch in Wien trat er weiterhin für dessen Begnadigung ein, u. a. in Zusammenarbeit mit dem bereits erwähnten Juristen und Abgeordneten Julius Ofner (Kovtun 1994: 546ff.). Auředníčková war die erste Übersetzerin aus dem Tschechischen, die in der Zeit publizierte. Im Gegensatz zu den bisher Genannten übte sie zeitlebens den Beruf der Übersetzerin aus, nach dem Tod ihres Mannes 1932 auch aus ökonomischer Notwendigkeit. Sie konzentrierte sich auf Prosa, wobei 17 Siehe Kapitel III. von V. Doubek.
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ihr Geschmack von dem literarischen Umfeld geprägt war, das sie noch in Prag kennengelernt hatte. Ihre Lieblingsautoren waren František Herites und Ignát Herrmann, die beide nicht unbedingt als Modernisten zu bezeichnen sind. Auředníčková übersetzte unterhaltende Erzählungen und Genrebilder der beiden Autoren u. a. für die Tagblätter Reichswehr und Wiener Abendpost (die Abendausgabe der Wiener Zeitung). Eine Auswahl von Herrmanns Erzählungen in Auředníčkovás Übersetzung erschien auch als Buch, abermals in der Slavischen Romanbibliothek. Für die Zeit übersetzte sie die Kurzgeschichten zweier Vertreter der literarischen Moderne, in deren Schaffen Einflüsse von Naturalismus, Impressionismus und Symbolismus zusammenkommen: Josef Karel Šlejhar18 und Vilém Mrštík. Diese Übersetzungen wurden erst 1904, im letzten Existenzjahr der Wochenschrift Die Zeit abgedruckt, dabei hätten die Autoren viel früher vorgestellt werden können – beide waren übrigens Unterzeichner des Manifests Česká moderna [Tschechische Moderne] von 1895, das für die Zeit umgehend übersetzt und unter Akzentuierung der tschechischdeutschen kulturpolitischen Annäherung kommentiert wurde.19 Im Jahr 1900 ergänzte Camill Hoffmann (geb. 1878) die Reihen der Wiener Übersetzer tschechischer Literatur. Er kam aus Prag nach Wien, um an der Universität zu studieren, schloss sein Studium jedoch nicht ab. Seinen Unterhalt verdiente er sich von Anfang an als Journalist und wurde 1902 fest angestellter Redakteur beim neu gegründeten Tagblatt Die Zeit, publizierte aber zugleich in der gleichnamigen Wochenschrift (Vojtěch 2013). Als Übersetzer stellte Hoffmann dort 1904 das erste Mal eine tschechisch schreibende Autorin vor, und zwar Růžena Svobodová (F. V. Krejčí hatte ihren Roman Ztroskotáno [Gescheitert] allerdings bereits 1897 besprochen). Von den bereits erwähnten Übersetzern und Übersetzerinnen legte Hoffmann am meisten Wert auf ästhetische Kriterien. Er schrieb selbst Gedichte, Kunstkritiken und war auch als Übersetzer aus dem Französischen tätig (Baudelaire). Hinsichtlich der Propagation tschechischer Literatur war Hoffmann ein Vermittler in beide Richtungen. In tschechischen Zeitschriften (Moderní revue, Rozhledy) informierte er über deutschsprachige Literatur, über tschechische Literatur 18 Übersetzungen von Šlejhars Erzählungen publizierte Auředníčková auch in der Wiener Abendpost (vgl. Šlejhar 1903 u. 1904). 19 „Dem deutschen Leser wird ohne Zweifel das Wichtigste zu sein scheinen, was die czechische Moderne über die Nationalitätenfrage und den Ausgleich mit den Deutschen denkt. Das, was das Manifest hierüber sagt und was oben zitiert wurde, bedarf keines weiteren Kommentars. Das ist klar und verständlich, und lässt nichts anderes zu wünschen übrig, als dass es der czechischen Moderne gelinge, auch der jungen deutschen Generation Österreichs auf diesen Wegen zu begegnen“ (Krejčí 1895: 90).
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schrieb er in der Wiener Presse (vor der Anstellung bei der Zeit schrieb er auch für Die Wage oder die Wiener Abendpost). Hoffmann bemühte sich gezielt, die tschechische literarische Moderne in Deutschland vorzustellen. Seine Übersetzungen konnte er in der Zeitschrift Aus fremden Zungen, seine Buchbesprechungen im Berliner Zweiwochenblatt Das literarische Echo unterbringen (Merhautová 2016: 174ff., 281ff.). Im Magazin für Litteratur, einer Berliner Zeitschrift mit langer Tradition, erschien 1902 in Hoffmanns Übersetzung die Erzählung Ein schlechtes Kind (Theer 1902, Špatné dítě) aus der Feder seines tschechisch schreibenden Altersgenossen und Prager Freundes Otakar Theer. Im gleichen Jahrgang finden sich Gedichte Hoffmanns sowie Texte seiner Freunde Stefan Zweig (Zweig 1902) und Paul Leppin (Leppin 1902), der führenden Persönlichkeit der Gruppe Jung-Prag. Bei Zweigs Veröffentlichung handelte es sich um das Vorwort zu einer von ihm zusammengestellten Auswahl der Poesie von Paul Verlaine, an der sich eine Reihe deutscher Dichter wie Richard Dehmel, Franz Evers, Richard Schaukal und Johannes Schlaf mit Übersetzungen beteiligt hatten (im selben Jahr erschien auch eine Baudelaire-Werkauswahl, die Zweig und Hoffmann zu zweit vorbereiteten).20 Emil Saudek sprach nach der Übersetzung von Březinas Ruce auf Zweigs Anraten Dehmel und Schlaf an. Schlaf übersetzte zu dieser Zeit Walt Whitman und Zweig Émile Verhaeren, zwei Dichter, mit denen auch Březina in Rezensionen verglichen wurde, darunter in Hoffmanns Essay im Literarischen Echo.21 Hoffmann und Zweig vertraten beide einen ästhetischen Übersetzungsbegriff mit einer starken Gewichtung der künstlerischen Qualität und einem Bewusstsein für die Wechselwirkungen europäischer Literaturen. Im Bezug auf das Übersetzen aus der kleinen tschechischen Literatur wurde dieser grundsätzliche Standpunkt der ästhetischen Moderne allerdings von kulturpolitischen Forderungen übertönt – sowohl auf der Seite der tschechischen Autoren, die Hoffmanns Besprechungen kritisch gegenüberstanden, als auch auf der Seite der deutschen Verlage, bei denen sich Hoffmann vergeblich um die Herausgabe einer Anthologie moderner tschechischer Prosa bemühte.
Die Wage und Österreichische Rundschau Bei der Vermittlung tschechischer Literatur nahmen Die Wage und Österreichische Rundschau unter den Wiener fortschrittlichen Periodika des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Position ein. 20 Zu Zweigs Übersetzungen vgl. Reisinger (2019). 21 Siehe Kapitel VI. von M. Topor.
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Rudolf Lothar gründete „die Wiener Wochenschrift“ Die Wage 1898 mit einer links-liberalen Ausrichtung. Im Vergleich zur Zeit konzentierte sie sich mehr auf innenpolitische, soziale und wirtschaftliche Themen in Wien und in der Monarchie, die Ideale der Französischen Revolution bildeten die Inspirationsquelle.22 Lothar redigierte die ersten vier Jahrgänge selbst, ab dem fünften (1903) zeichnete der Journalist und Politiker Ernst Viktor Zenker (gebürtig aus dem böhmischen Postelberg) als verantwortlicher Redakteur. Laut seiner Erinnerungen beteiligte er sich ab dem ersten Jahrgang an Herausgabe der Zeitschrift auch finanziell.23 Von 1892 bis 1897 hatte Zenker in Wien das Freie Blatt. Zur Abwehr des Antisemitismus redigiert, das mit dem 1891 von Arthur Gundaccar von Suttner gegründeten Verein zur Abwehr des Antisemitismus verbunden war (Zenker 1935: 93f.; Kornberg 1995).24 Zenkers Ziel war die Legalisierung des Freimaurertums in Österreich-Ungarn. Er selbst war ein bedeutendes Mitglied mehrerer Logen, zugleich pflegte er Kontakte mit diversen Fortschrittsvereinen, die sich für die Säkularisierung der Bildung sowie des öffentlichen Lebens einsetzten, etwa mit der Freien Schule oder dem Freidenkerbund. 1911 wurde Zenker Abgeordneter im Reichsrat (Boyer 1995: 181f.; Emanuely 2020: 177ff.). Weitere Redakteure der Wage aus dem linksliberalen Spektrum waren Carl Colbert (der spätere Herausgeber des links orientierten Tagblatts Der Abend, in dem auch Saudek mehrmals publizierte), Eduard Goldbeck und Rudolf Strauss. Es waren v. a. die Wiener Beiträger, die über tschechische Literatur berichteten oder sie übersetzten – neben den bereits erwähnten Hoffmann, Herbatschek und Donath waren das auch Emil Saudek, und um 1910 auch der Maler Arnošt/Ernst Mandler, der einer jüdischen Familie in Humpoletz entstammte. Spezifisch ist, dass Herbatschek, Saudek wie auch Mandler sich auf J. S. Machar konzentrierten, den sie in Wien kennenlernten,25 in Mandlers Fall vermittelte Machar persönlich den Abdruck seiner Übersetzungen (Mandler 1914: 69). Nur Hoffmann schrieb aus einer Überblicksperspektive über tschechische Lyrik und über Březinas Sammlung Ruce, dies jedoch lediglich im Jahre 1901. 22 Illustrativ erwähnen lässt sich die Solidaritätsnote für Émile Zola, die nach dessen Auftritt in der Dreyfus-Affäre formuliert und auf Initiative der Wage in den Wiener Kaffeehäusern und Vereinen von 16.000 Menschen unterschrieben wurde (Emanuely 2020: 153ff.). 23 Vgl. Zenker (1935: 118ff.). 24 Nach Kornberg (1995: 154) ergriff der Abwehrverein weniger Partei für die Juden, sondern für den österreichischen Liberalismus. Die Vereinsgründer sahen im Antisemitismus eine von vielen Gefahren für den liberalen Rechtsstaat. 25 Siehe Kapitel IV. von L. Merhautová.
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Die bescheidene Präsentation der tschechischen Literatur in der Wage sticht umso mehr ins Auge, wenn man sie mit den relativ regelmäßigen Berichten über die deutschsprachige Literatur aus den böhmischen Ländern vergleicht (Besprechungen über bildende Kunst lieferte Julius Leisching, der Direktor des Mährischen Gewerbemuseums in Brünn, Viktor Joß versorgte das Blatt mit Musikkritiken). Dank der Rezensionen von Jakob Fürth, Julius Kraus, Hans Wantoch und Otto Pick konnten die Leser sich über ein breites Spektrum an Autoren und Autorinnen informieren (Friedrich Adler, Hugo Salus, Hedda Sauer, Paul Leppin, Oskar Wiener, Max Brod, Gustav Meyrink u. a.). Das Wochenblatt Österreichische Rundschau knüpfte an das Wochenblatt Die Zeit an. Gegründet wurde es 1904 von dem Kritiker, Dramaturg und Theaterdirektor Alfred von Berger und dem Literaturhistoriker Karl Glossy, ab 1909 zählte auch der Kunstkritiker Hugo Haberfeld zu den Redakteuren des Blatts. Im Vergleich zur Wage handelte es sich um eine eher auf Kultur, Kunst und Wissenschaft fokussierte Revue. Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig u. v. m. waren unter den Beiträgern, häufig auch Ferdinand Gregori und Felix Braun, die Saudek nach der Übersetzung von Březinas Ruce kennengelernt hatte. Die Österreichische Rundschau war allerdings keine Plattform für angehende Expressionisten, die in der ersten Phase auf Zeitschriften in Deutschland angewiesen waren (Sprengel/Streim 1998). Die Präsentation tschechischer Literatur in dem Blatt war abwechslungsreicher, wobei die Frequenz der Rezensionen ebenfalls nicht an das Niveau der Zeit heranreichte. Die Österreichische Rundschau stand nicht mehr unter dem Einfluss der Realisten um T. G. Masaryk. Trotzdem finden sich auch politische Kommentare von Bedřich Hlaváč und häufig auch Beiträge von Masaryk, ferner lieferte F. V. Krejčí weiterhin Besprechungen über tschechische Literatur. Außerdem publizierten in dem Blatt Vertreter der Jungtschechischen Partei, z. B. Karel Kramář oder der Wiener Berichterstatter der Zeitung Národní listy Josef Penížek. Nach 1910 lieferte Willi Handl von Prag aus Berichte über das tschechische Nationaltheater. Anna Auředníčková und auch Irma Hoffmann, Camill Hoffmanns Frau, publizierten in der Österreichischen Rundschau Übersetzungen. Im Laufe des Jahres 1908 wurden Krejčís Übersichtsartikel immer seltener, Erwähnungen der tschechischen Literatur finden sich nur noch gelegentlich (wie etwa die Studie von Franz Spina /Spina 1914/). Umso wichtiger erscheint der Essay von Stefan Zweig über Otokar Březina vom Juni 1909 (Zweig 1909). Es handelt sich um einen der ersten längeren Texte über tschechische Literatur in der Revue aus der Feder eines Autors, der in Wien geboren wurde und bislang fast keine Beziehung zur tschechischen Literatur hatte (er war allerdings durch Camill Hoffmann in Kontakt mit dem
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Kreis um Jung-Prag wie auch mit Max Brod, 1907 korrespondierte er auch mit J. Vrchlický).
3. Emil Saudek und Wien Saudeks Publikationsmöglichkeiten Um das Jahr 1906 betrat Emil Saudek das oben beschriebene Feld, das von seinen Wiener Vorgängern und durch parallele Übersetzungs- sowie Vermittlungsaktivitäten vorbereitet worden war. Zunächst gehörte er jedoch nicht zu den Übersetzern, die proaktiv die Redaktionen deutschsprachiger Zeitschriften mit ihren Beiträgen oder Übersetzungen ansprachen. Saudeks Vermittlungsaktivitäten formten sich in einem progressiven Wiener Umfeld, zunächst vor allem durch Vereine, Tagblätter und Zeitschriften. Er publizierte einerseits in der tschechischen Wiener Presse (Vídeňský deník, Dělnické listy, Vídeňský národní kalendář, Ročenka Vídeňské matice), andererseits in den Prager Blättern, die mit dem Verleger Gustav Dubský und teilweise auch mit der sog. realistischen Bewegung in Verbindung stand (Čas, Čechische Revue, Novina, Union). Seine ersten Übersetzungen tschechischer Poesie publizierte Saudek daher nicht in den genannten Wiener Zeitschriften, sondern schickte sie an das Monatsblatt Čechische Revue nach Prag. Zu verdanken hatte er dies der Bekanntschaft mit Miloslav Hýsek, der im akademischen Jahr 1906/07 an der Wiener Universität studierte und den Kontakt zu Arnošt V. Kraus herstellte, seinem Professor an der tschechischen Universität in Prag und zugleich Redakteur der Čechischen Revue (Vodrážková-Pokorná 2006; Merhautová 2021a). Hier trat Saudek im Frühjahr 1907 als Übersetzer von Otokar Březina auf den Plan, ab 1907 publizierte die Čechische Revue auch seine Übersetzung von Machars Feuilletonbuch Řím (Rom) in Fortsetzung.26 Auch die Wiener Wochenschrift Die Wage übernahm im Juni 1908 einen Auszug aus Rom (Machar 1908b), es handelte sich allerdings um die einzige Publikation Saudeks in dieser Revue.
26 Siehe Kapitel IV. von L. Merhautová.
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Emil Saudek um 1900 (ES).
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In Saudeks Korrespondenz wird auch die Österreichische Rundschau als wünschenswertes Publikationsorgan erwähnt, das v. a. Texte von Březina, aber auch Růžena Svobodová und F. X. Šalda vorstellen könnte. Obwohl Saudek Březinas Essay Nebezpečí sklizně (Die Gefahren der Fechsung) als Begleittext zu Zweigs Essay über Březina für die Österreichische Rundschau übersetzte (Zweig 1909),27 publizierte die Zeitschrift ihn nicht, da sie nur Originalbeiträge zu drucken pflegte. Dieser Grundsatz stand jedoch im Widerspruch zu Saudeks Vorhaben, Werke zu präsentieren, die bereits im tschechischen literarischen Kontext eine gewisse Resonanz erfahren hatten und somit als repräsentativ galten. Trotz wiederholter Bitten gelang es ihm nicht, ein unveröffentlichtes Manuskript von Svobodová zu bekommen (obwohl er bereits eine Publikationszusage der Redaktion hatte).28 Der Plan, einen Essay aus Šaldas Buch Boje o zítřek [Kämpfe um Morgen] zu übersetzen, konnte ebenfalls nicht realisiert werden, womit die Gelegenheit vertan war, das ästhetische Denken des bedeutenden tschechischen Kritikers auf Deutsch zu präsentieren. Saudek konnte sich zwar weder in der Wage noch in der Österreichischen Rundschau als Autor durchsetzen, nachdem seine Übersetzung von Březinas Ruce (Hände) als Buch erschienen war, entstanden jedoch freundschaftliche Beziehungen zu Wiener Kritikern, die in diesen und auch anderen Zeitschriften regelmäßig publizierten (z. B. Stefan Zweig, Otto Hauser, Ferdinand Gregori und Felix Braun). Saudek nutzte diese Kontakte, indem er sich unter ihrer Vermittlung für eine intensivere internationale Rezeption von Březinas Werk einsetzte.29 Im November 1910 verschaffte sich Saudek, wahrscheinlich über den Redakteur, Journalisten und Übersetzer Jaroslav Zajíček-Horský, Zugang zum Slavischen Tagblatt, einer neuen deutschsprachigen Zeitung in Wien mit austroslawischer Ausrichtung (der Untertitel lautete Unparteiisches Organ zur Wahrung und Förderung slavischer Interessen), die neben politischen Themen auch Übersetzungen aus den slawischen Sprachen der Habsburgermonarchie brachte. Von den Wiener Übersetzern und Übersetzerinnen steuerten etwa Anna Auředníčková und Zdenko Fux-Jelenský Beiträge bei, Emil Saudek konnte in dem Blatt zwei Übersetzungen von Růžena Svobodovás Erzählungen und die Übersetzung von Machars Feuilleton Benedek unterbringen. Zudem verfasste er mehrere Beiträge für das Blatt, u. a. den bemerkenswerten Essay Kulturbastard über Hugo Sonnenschein. Das Slavische Tagblatt wurde jedoch kein Jahr alt, es erschien im Zeitraum vom 7. November 1910 bis Ende August 1911. 27 E. Saudek an O. Březina, 03.05.1909, LA PNP, Fonds O. Březina. 28 E. Saudek an R. Svobodová, 28.10.1909, LA PNP, Fonds R. Svobodová. 29 Siehe Kapitel VI. von M. Topor.
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Pokrokový klub [Fortschrittlicher Klub] und Akademický spolek ve Vídni [Akademischer Verein in Wien] Saudeks Publikationen gehen auf diverse persönliche Begegnungen zurück, die in verschiedenen Räumen in Wien stattfanden, u. a. in Vereinsräumlichkeiten und -sälen. Sein erster öffentlicher Auftritt in der Stadt steht im Zusammenhang mit dem Pokrokový klub [Fortschrittlicher Klub], der 1906 auf Initiative von František Drtina und weiteren Anhängern Masaryks und der Realistischen Partei gegründet wurde. Ziele des Vereins waren Selbstbildung und Aufklärung der Wiener Tschechen, vor allem der unteren Mittelschicht und der Arbeiter (Pentagon 1907). Die Tätigkeit des Vereins „überschritt die Reihen der eigenen Mitglieder nicht“ (ebd.) und beschränkte sich wohl v. a. auf Vorträge, die im Saal des Vereins Svatopluk Čech in der Grünangergasse 4 im ersten Bezirk veranstaltet wurden.30 Vorsitzender des Vereins Svatopluk Čech wie auch des Fortschrittlichen Klubs war Innocenc Hošťálek (Anonym 1907b), daneben war er auch im Komenský-Verein aktiv. Neben seinem Vereinsengagement übersetzte er zahlreiche Aphorismen von Peter Altenberg und Josef Popper-Lynkeus ins Tschechische – Saudek erinnerte sich später, dies sei auf seine Anregung hin geschehen (s. u.). Emil Saudek besuchte Vorträge im Pokrokový klub und hielt dreimal selbst einen Vortrag, das erste Mal am 20. Oktober 1906 über Machar. Bei dieser Gelegenheit lernte er Miloslav Hýsek kennen, worauf beide Ende April 1907 gemeinsam über Březina referierten, der dritte Vortrag vom 29. Mai desselben Jahres befasste sich wiederum mit Machar (Anonym 1906c; 1907b). Die Vorträge wurden zum Ausgangspunkt mehrerer Studien, die Saudek anschließend in der Tageszeitung Vídeňský deník und in der Monatsschrift Moravsko-slezská revue publizierte. Der Pokrokový klub war zu dieser Zeit auch personell mit dem Akademický spolek ve Vídni [Akademischer Verein in Wien] verbunden, der im ersten Bezirk ansässig war, seit 1901/02 in der Neudeggergasse. Saudek war nie Mitglied, wohl auch deshalb, weil die Tätigkeit des Vereins zur Zeit seines Studiums mehr oder weniger ruhte31, und erst ein Jahrzehnt nach seiner Immatrikulation eine Atmosphäre entstand, die die Aufnahme von Nichtakademikern zuließ. Auch jüdische Studenten, die mit der tschechisch-jüdi30 Der Verein verfügte über die größte tschechische Leihbibliothek in Wien, im Jahre 1906 hatte sie einen Bestand von 3000 Bänden (Anonym 1907a: 134). 31 Obwohl sich der Historiker und Politiker Kamil Krofta gerade im Zeitraum von 1896 bis 1899 an die Bedeutung des Vereinslesesaales und Treffen der Mitglieder erinnerte (Krofta 1925).
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schen Bewegung sympathisierten, betätigten sich aktiv am Vereinsleben. Es ist nicht eindeutig zu klären, unter welchen Umständen Saudek in den Mitgliederkreis des Vereins geriet, ob der Weg über den Pokrokový klub führte oder ob möglicherweise Machar vermittelte – nach einem Beitrag von František Brychta veranstaltete der Verein 1906 eine Protestversammlung gegen die „Juda-Affäre“, auf der Machar sprach.32 Brychta erwähnt u. a. auch die mehrheitliche Einstellung der Mitglieder „gegen die reaktionären klerikalen Tendenzen“ in der „Wahrmund-Affäre“ (Brychta 1909), wogegen sich die universitären Vereinigungen der deutschsprachigen Studenten 1908 entschieden gegen Wahrmund positionierten (Boyer 1995: 193). Noch zuvor, auf der Vereinsversammlung im März 1908, wurde über die Mitgliedschaft jüdischer Studenten und die Beziehung des Vereins zur tschechisch-jüdischen Bewegung diskutiert. Die Debatte war laut einer Notiz in Vídeňský deník so heftig, dass sie erst nachts um drei viertel zwölf ein Ende fand. Zwei Studenten meldeten sich mit antisemitischen und radikal nationalistischen Meinungen zu Wort, eine Reihe anderer Diskussionsteilnehmer widersprach ihnen jedoch. Geleitet wurde die Debatte vom Vereinsvorsitzenden, dem Jurastudenten Jindřich Suczek. Unter den tschechisch-jüdisch gesinnten Studenten war auch der Mediziner Hugo Zuckermann, Vereinsvorstand im vorangegangenen akademischen Jahr 1906/07, außerdem traten Bohuš Vybíral, Pavel Popper, Josef Štelovský, Václav Hrubý u. a. als Diskutanten auf (Anonym 1908b). Die meisten der Genannten finden sich später unter den Herausgebern und Beiträgern eines Almanachs, der 1909 anlässlich des 40. Vereinsjubiläums herausgegeben wurde. Überraschenderweise war auch der Dichter Hugo Sonnenschein unter den Herausgebern, vier seiner Gedichte wurden für den Almanach von Vybíral ins Tschechische übertragen. Sonnenschein studierte nicht an der Universität, sondern besuchte lediglich im akademischen Jahr 1908/09 ein paar Wochen die Schauspielschule des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Wilde 2002: 116). Zu den Studenten des Akademischen Vereins stieß er wohl über Jaromír Doležal, vielleicht auch über Brychta, dem er sein Gedicht Ecce Homo im Almanach widmete. Emil und Elsa Saudek freundeten sich etwa zu dieser Zeit mit Sonnenschein an, zwischen 1910 und 1922 widmete Saudek ihm einige sowohl auf Tschechisch als auch auf Deutsch verfasste Texte,33 außerdem machte er ihn mit Otokar Březina bekannt.34 Im Gegensatz zu den tschechischen Autoren Březina und 32 Siehe Kapitel IV. von L. Merhautová: 131. 33 Siehe Kapitel VIII. von Š. Zbytovský: 239–245. 34 Sonnenschein stand in Briefkontakt mit Březina und widmete ihm sein Gedicht Der Weg der Brüder in der Sammlung Geuse Einsam von Unterwegs (1912).
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Machar war Sonnenscheins Werk ein ständiger Anstoß zur Reflexion über die von dem Dichter thematisierte vielfältig sprachliche und kulturelle Identität, zu der auch das Judentum und die mährische Heimat gehörten. Im oben genannten Essay Kulturbastard von 1911 charakterisierte Saudek die provokante Selbststilisierung Sonnenscheins und beschäftigte sich mit der Bedeutung eines ethnischen und kulturellen „Bastardentums“ für die Entstehung neuer literarischer Formen (Saudek 1911a). Zugleich setzte er sich für die Einzigartigkeit des Kunstwerks ein und betonte, dass es unter außerästhetischen (ideologischen, politischen, didaktischen) Gesichtspunkten nicht zu verstehen sei. Anhand von Sonnenschein machte Saudek positiv auf interkulturelle Lebensentwürfe aufmerksam, die „an der Schnittstelle von Geisteskulturen lebten“, wie er 1920 rückblickend in der tschecho-jüdischen Zeitschrift Rozhled anmerkte: Česká Vídeň přispěla mohutně k jeho [Sonnenscheinově] vývoji. Jeho básně dříve než byly tištěny německy, nacházely mezi českými studenty v Akademickém spolku vídeňském překladatele a Almanach tohoto spolku zdobil se jeho květy v překladech Vybíralových. Básník-začátečník byl svou bujnou kšticí, svým krásným jovišovským vzhledem, svým milým bohémstvím a hlavně svou jasnou, milující povahou – miláčkem nás všech. Jeho osobnost byla vyhraněna; jeho verše byly upřímné, neznal žádného inkognita, zval se hrdě „Ichgott“ nebo „Geuse Einsam“ nebo i stručně a výstižně „Kulturbastard“. Nezapíral svého židovství, svého slováctví, svého anarchistického přesvědčení. Představme si: básník, píšící skvělé německé básně, mluví celý den česky, stýká se jen s Čechy a žije a dýchá pro české naděje! Takové kuriózum žilo mezi námi a nacházelo četné podobně založené srdce, mnoho typů žijících na rozhraní duchových kultur, mnoho národních zanícenců kotvících v mořích lidskosti i cizích národů. (Saudek 1920a) [Das tschechische Wien trug erheblich zu seiner /d. h. Sonnenscheins/ Entwicklung bei. Noch bevor seine Gedichte auf Deutsch gedruckt wurden, fanden sie Übersetzer unter den tschechischen Studenten im Akademischen Verein in Wien, und der Almanach dieses Vereins prunkte mit seinen Versen in Vybírals Übersetzung. Dieser Dichter-Anfänger mit seinem üppigen Haarwuchs, mit seiner schönen Jupiter-Erscheinung, mit seinem ansprechenden Bohemientum und vor allem mit seinem klaren, lieblichen Gemüt war unser aller Liebling. Seine Persönlichkeit war ausgeprägt; seine Verse waren aufrichtig, er kannte kein Inkognito, nannte sich stolz „Ichgott“ oder „Geuse Einsam“, oder kurz und prägnant „Kulturbastard“. Er verneinte weder sein Judentum, noch seine mährisch-slowakische Herkunft, noch seine anarchistische Überzeugung. Stellen wir uns Folgendes vor: Ein Dichter, der exzellente deutsche Gedichte schreibt, spricht den ganzen Tag tschechisch, er verkehrt nur mit Tschechen und lebt und atmet nur für tschechische Hoffnungen! Solch ein Kuriosum lebte unter uns und fand mehrere ähnlich veranlagte Herzen, viele Existenzen, die an der Schnittstelle von Geisteskulturen lebten, viele national Begeisterte, die in den Ozeanen der Menschlichkeit sowie fremder Völker verankert waren.]
Saudek ist im Almanach des Akademischen Vereins nicht zu finden, der Verein war jedoch Veranstalter seines Vortrags über Otokar Březina, der am
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3. Mai 1912 in der Slovanská beseda [Slawisches Klubhaus] im Český dům [Tschechisches Haus], dem Hotel Post in der Drachengasse, abgehalten wurde. Gekauft wurde das Hotelgebäude erst 1910, die Mittel dafür sammelte und verwaltete mehrere Jahre eine eigens zu diesem Zweck gegründete Genossenschaft. Trotz des Finanzaufwands war der erwünschte Standort im ersten Wiener Bezirk von einem symbolischen und strategischen Wert, vor allem angesichts der zeitgenössischen national-territorialen Denkweise, wie z. B. im Vídeňský národní kalendář betont wurde: „Český dům má ovšem státi, má-li splniti poslání své, v samém srdci Vídně, tedy v I. okresu, což činí uskutečnění jeho velice nákladným“ [Das tschechische Haus soll aber – wenn es seine Aufgabe erfüllen soll – im eigentlichen Herzen von Wien stehen, also im ersten Bezirk, was die Realisierung sehr kostspielig macht] (Anonym 1912a: 112). Im großen und kleinen Saal fanden Vorträge, Literatur- und Musikabende sowie Theatervorstellungen statt, es gab Klubräume, eine Bibliothek und einen Lesesaal. Das Český dům war auch Gastgeber einer Abendveranstaltung, die von Offenheit gegenüber der tschechisch-jüdischen Bewegung zeugte – Anfang 1914 fand hier die Gründungsversammlung des tschechisch-jüdischen Vereins Rozvoj [Fortschritt] statt (Anonym 1913c).35 Die Anfänge von Rozvoj sind übrigens im Café Central zu suchen (Anonym 1914/15), einem kosmopolitisch, literarisch und politisch überparteilich kodierten Raum, in dem u. a. auch tschechische Sozialdemokraten verkehrten. Hier lernte Saudek Ivan Olbracht kennen, der das Kaffeehaus „wahrscheinlich jeden Samstag“ aufsuchte.36 Über Saudeks Březina-Vortrag im Akademischen Verein berichtete der damalige Vereinsvorsitzende František Brychta detailliert und mit Begeisterung. Demnach habe Saudek die Gelegenheit genutzt, und Březina im für ihn einzig wichtigen Sinne, nämlich als Mystiker und Religionsdenker präsentiert.37 – „Der alleinige Gegenstand der Poesie von Otokar Březina ist das Problem der Religion“, erklärte Saudek zu Beginn seines Vortrags, der anschließend als selbstständige Publikation erschien (Saudek 1912h: 5). Das Thema Religiosität, gelebt außerhalb der institutionalisierten Kirche und zugleich unverzichtbar für den modernen Menschen, war Bestandteil der zeitgenössischen Dis35 An der repräsentativen Versammlung nahmen viele tschechische links- sowie rechtsorientierte Politiker teil. Der Abend wurde von einem der führenden Vertreter der tschechojüdischen Bewegung, Jindřich Kohn, eröffnet. Für die Agrarpartei sprach der Abgeordnete Josef Dürich, im Publikum saßen u. a. Ivan Olbracht und weitere Redakteure der Dělnické listy. 36 Vgl. Saudek 1931; zu den tschechischen Gästen im Café Central vgl. Machát (1946: 386). 37 Siehe Kapitel V. von J. Vojvodík.
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kussionen, darüber hinaus betrachtete der Vortrag das Problem in einer für die Zuhörer innovativen Weise aus der Perspektive der tschechischen Dichtung. Saudek gelang es, Březina mit dem Alltag in Verbindung zu bringen, indem er ihn als Dichter vorstellte, der im Gegensatz zu den Positivisten und Monisten, die den Glauben mit Naturwissenschaften begründeten, Wissenschaft und Religion nicht getrennt voneinander denke: „Březina hat uns einen Weg der Religiosität aufgezeigt, der in unserem Zeitalter des Positivismus und Monismus keineswegs unmöglich ist“, heißt es bei Brychta. Die Besprechung zeigt auch den Respekt, den er Saudek für sein tiefes Verständnis von Březina und seine ansprechende Vortragsweise entgegenbrachte: Při sledování Březinových myšlenek zmocňuje se člověka závrať. Dr. Saudek referoval o nich s jistotou, jež předpokládá velkou znalost předmětu. Přednes sám byl takový, že jsme měli přímo plastický dojem mluvených slov. Již na přízvukování bylo patrno, že přednášející nejen věděl o každém slově své psané přednášky, ale že i sám prožíval představu svých slov. (Brychta 1912: 1) [Verfolgt man Březinas Gedanken, wird es einem schwindlig. Dr. Saudek referierte über sie mit einer Sicherheit, die eine große Kenntnis des Gegenstands voraussetzt. Seine Vortragsart war so, dass man geradezu eine plastische Vorstellung der gesprochenen Worte hatte. Bereits die Betonung offenbarte, dass der Redner nicht nur jedes Wort seines geschriebenen Vortrags kannte, sondern dass er auch selbst die Vorstellung seiner eigenen Worte durchlebte.]
Die Broschüre mit dem Vortrag verkaufte der Verein an mehr als hundert Interessenten (Gymnasial- und Universitätsprofessoren, Journalisten, tschechische Abgeordnete u. v. m.), womit sie eine repräsentative und eine unterstützende Funktion zugleich erfüllte. Bei einigen Adressaten ließ sich die Zahlung nicht nachweisen, andere wiederum erstatteten einen erheblich höheren Betrag als die verlangten 50 Heller.38
Die tschechische Sektion des Freidenkerbundes in Wien und Saudeks Präsentation der Sozialphilosophie von Josef Popper-Lynkeus Der Březina-Vortrag wurde noch im Dezember 1912 auch in der Zeitschrift Volná myšlenka [Freier Gedanke] abgedruckt. Saudek war bereits ein Jahr zuvor zu den Freidenkern gestoßen, und zwar auf Vermittlung von J. S. Machar, dem ersten Vorsitzenden der tschechischen Sektion des Freidenkerbundes in Wien (Topor 2022a). Auf Einladung von Machar hielt Saudek am 21. März 1911 bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung einen Vortrag mit dem Titel Cena 38 Abonnentenliste, Archiv des Akademischen Vereins in Wien, Hotel Post, Wien.
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lidské existence [Die Bewertung menschlicher Existenzen]. Der Vortragssaal des Wiener Kassenverbands in der Königseggasse 10 im sechsten Bezirk war voll besetzt, im Laufe des Abends trat auch der Gesangverein Tovačovský auf und Machar rezitierte sein Gedicht Hus. Saudeks Vortrag sei „geist- und gedankenreich, in seinen Schlussfolgerungen originell“ gewesen (Traub 1911/12). Was war jedoch so originell? Saudek präsentierte dem tschechischsprachigen Publikum v. a. die Sozialethik von Josef Popper-Lynkeus, wie dieser sie in seiner Schrift Das Individuum und die Bewertung menschlicher Existenzen (1910) formuliert hatte. Der Vortrag ging höchstwahrscheinlich auch auf Gespräche zurück, die Saudek im Herbst 1908, vielleicht auch noch später mit Popper-Lynkeus geführt hatte, u. a. über Březinas Mystik, die Evolution des Kosmos und den Menschen.39 Ende 1909 publizierte Saudek in der Monatsschrift Novina einen längeren Aufsatz zur Neuausgabe der Phantasien eines Realisten, wahrscheinlich der längste tschechische, Popper-Lynkeus gewidmete Text dieser Zeit (Topor 2022b). In diesem Kontext erscheint auch Saudeks spätere Behauptung relevant, er habe Innocenc Hošťálek zur Übersetzung der Phantasien eines Realisten ins Tschechische veranlasst (veröffentlicht größtenteils in der Beilage Besídka Dělnických listů 1910 bis 1913). Im Vortrag bewegte sich Saudek zwischen Paraphrasen und ins Tschechische übersetzten Zitaten aus Popper-Lynkeus‘ Schrift. Diese ergänzte er mit einem Zitat aus Březinas Gedicht Stráž nad mrtvým (Totenwache), dessen intensive Bildlichkeit seiner Meinung nach den elementaren Willen zum Leben einfing. Saudek folgte Popper-Lynkeus’ Grundbehauptung: „Das Individuum ist ein Etwas, das nicht aufhören will zu sein, und auch nach seiner Art zu sein.“ (Popper 1928: 51) Karl Wagner erklärt die Grundzüge von Popper-Lynkeus‘ Individualkultur folgendermaßen: Das Gefühl „der höchsten Achtung vor der Existenz eines jeden menschlichen Individuums“ ist die Grundlage von Poppers Individualkultur. Sie kann nur glücken, wenn die fundamentalste Gleichheitsinstitution gesichert ist. Das ist dann der Fall, wenn „die Erhaltung der physischen Integrität jedes Individuums“, also die materielle Sicherung seiner Existenz gewährleistet wird. (Wagner 2000: 259)
Den Wert des Individuums („ohne Rücksicht auf die geistige Reife“, Saudek 1911b) versteht Saudek als Hauptprämisse. Popper-Lynkeus stellte seine Auffassung sowohl den naturwissenschaftlichen Individuumskonstrukten (Determinierung durch Naturgesetze, Evolutionslehre des Kampfes ums Dasein), als auch den religiösen Konzepten gegenüber, in denen der Mensch die Nichtigkeit im Verhältnis zur Ewigkeit erlebe. „Die Freude über das fließende Leben und das Schaffen, dies ist am Ende unser wertvollster Besitz“, 39 E. Saudek an O. Březina, 25.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina.
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erklärt Saudek. Das Individuum dürfe weder durch Ideologien manipuliert noch durch Institutionen missbraucht werden. Die Institutionen, nicht das Individuum, sollten nach Popper-Lynkeus einen ethischen Fortschritt durchlaufen, denn „der Fortschritt der Institutionen manifestiere sich allein in der steigenden Achtung vor der Existenz eines einzelnen Individuums“ (Wagner 2000: 259). Diesen Anspruch vermittelte Saudek auch in seinem Vortrag, an dessen Ende er betonte: Jedná se tedy o to, aby ona zásada o nenahraditelnosti individua stala se všeobecnou a základem našeho společenského řádu, jádrem všech veřejných zařízení. (Saudek 1911b: 50) [Es geht also darum, dass jener Grundsatz von der Unersetzlichkeit des Individuums allgemein und zum Hauptbaustein unserer gesellschaftlichen Ordnung, zum Kern aller öffentlicher Einrichtungen werde.]
Popper-Lynkeus‘ Gedanken verbreiteten sich vor allem im Umfeld der Vereine, mit denen der Sozialphilosoph in Wien persönlich in Verbindung stand. Dies waren die Fabier- Gesellschaft, die Ethische Gesellschaft, der Monistenbund, der Freidenkerbund und die Freie Schule (die auch sein Neffe, der spätere Philosoph Karl Popper besuchte, vgl. Hacohen 2002), ferner auch unter Schriftstellern und Wissenschaftlern wie Ernst Mach, Arthur Schnitzler oder Sigmund Freud (Belke 1978; Wagner 2000). Saudek übertrug Popper-Lynkeus‘ Gedanken in einen neuen, tschechischen Kontext und adressierte sie an die tschechischsprachigen Freidenker und Sozialdemokraten. Das Postulat vom Primat des menschlichen Lebens in der Beziehung zu den Institutionen dürfte auch bei der anarcho-kommunistischen Jugend gut angekommen sein, der Sonnenschein angehörte. Der Text Cena lidské existence erschien genauso wie der Březina-Vortrag in der Zeitschrift Volná myšlenka.
Theater – das Stück Maryša der Gebrüder Mrštík Im April 1908 sagte das tschechische Nationaltheater die Teilnahme an den Gastspielen zum sechzigsten Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph im Theater an der Wien ab. Auslöser waren die vorangegangene nationalistische Hetzkampagne in der Wiener Presse und Straßenkrawalle. Damit war es nicht möglich, an die erfolgreiche Gasttournee von 1892 anzuknüpfen und in Wien moderne dramatische Dichtung vorzustellen (gezeigt werden sollten das Stück Maryša von den Gebrüdern Mrštík, Shakespeares Hamlet und Tschechows Drei Schwestern), die Wiener Tschechen mussten auf tschechische Aufführungen verzichten. Hermann Bahr kritisierte den Einfluss „des Gesin-
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dels“40 auf die Kunst, im Mai 1908 fuhr er nach Prag, um dort vor allem die Maryša-Vorstellung zu besuchen.41 Ein Jahr später setzte er sich für die Aufführung des Stücks im Wiener Raimundtheater ein (Ifkovits 2007: 33), und zwar in der deutschen Übersetzung seines Freundes Karl Michael von Levetzow, einem Dichter, Dramatiker und Librettisten, dessen Familie ein Schloss im südmährischen Dorf Diwak besaß, wo auch die Gebrüder Mrštík lebten. Levetzow lernte die beiden wahrscheinlich schon Anfang der 1890er Jahre kennen (Sedláček 2004 u. 2006). Die Uraufführung fand am Dienstag, den 16. März 1909 in Anwesenheit der Autoren vor ausverkauftem Haus statt, im Publikum saßen „viele tschechische Zuschauer aus allen Gesellschaftsschichten“, einschließlich der Minister Jan Žáček und Albín Bráf (al. 1909). Der tschechische Teil des Publikums erlebte eine nationale Satisfaktion („die Applaussalven wollten kein Ende nehmen, die Schauspieler wurden nach jedem Akt unzähliger Mal aufgerufen“, ebd.), die Inszenierung und die Leistungen der Schauspieler wurden jedoch auch von den Kritikern deutschsprachiger Wiener Blättern positiv besprochen. Die Aufführung hatte ein beeindruckendes Bühnenbild, an dem der Maler Joža Uprka, ein Freund der Gebrüder Mrštík, mitgewirkt hatte.42 Maryša beeindruckte jedoch nicht nur als folkloristisches Drama aus der mährisch-slowakischen Bauernwelt, sondern vor allem durch seine Dramatik, Psychologie und die weibliche Hauptfigur, die zur Mörderin ihres Ehemannes wird. „Diese Maryscha hätte ins Burgtheater gehört“, urteilte der Theaterkritiker im vornehmen Wiener Salonblatt, der sich auch als „Verehrer Vrchlickys und Nerudas“ zu erkennen gab (J. C. L–n. 1909). Auch Saudek besuchte die Premiere, ging in seiner Besprechung aber nicht auf die nationalen Kämpfe ein, sondern nur auf seine persönlichen „Eindrücke“ von der Vorstellung – die Darstellung des mährischen Landlebens, die ihm, selbst an der böhmisch-mährischen Grenze geboren, nahe stand. Saudek nahm sie nicht auf einer realistischen oder naturalistisch deskriptiven 40 Bahr schrieb in einem Brief an Jaroslav Kvapil: „Mir tut es sehr leid, daß Sie schließlich doch nachgegeben und sich vor dem Gesindel zurückgezogen haben, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie tief ich mich, gerade als guter Deutscher, der ich bin, der ganzen Geschichte schäme, über die ich übrigens schon noch öffentlich meine Meinung sagen zu können hoffe.“ (Ifkovits 2007: 81f.; H. Bahr an J. Kvapil, 18.04.1908) 41 Siehe die Dokumentation ebd.: 466–483. 42 „Eine vorzügliche, lebendige Inszenierung, Dekoration, die von Uprka herrührt, geben den Vorgängen schon gleich Farbigkeit, eine rustikale Atmosphäre, echt slawische Dorfstimmung“ (h. m. 1909). Uprka stellte auch in Wien aus, bereits 1900 hatte er eine Ausstellung in der Miethke-Galerie, seine Bilder waren regelmäßig im Hagenbund zu sehen (Kačer 2011: 162ff.; Musilová 2011).
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Ebene wahr, sondern als ein dichterisches Bild. Üblicherweise wurden im Raimundtheater vor allem Operetten gegeben, Maryša war das erste dramatische Stück nach einer längeren Pause. Vielleicht nutzten die Schauspieler und der Regisseur Eugen Jensen, der zugleich die Rolle des Francek übernahm, auch deshalb die Gelegenheit. Saudek zufolge war ihr Spiel nüchtern, und brachte sowohl die Psychologie der Figuren als auch deren tiefere Symbolik und Typizität zum Ausdruck. Laut Saudek war Maryša auch in der deutschen Übersetzung wirkungsvoll, die er als „musterhaft und originaltreu“ bezeichnete (Saudek 1909b). Im Nachgang der Aufführung lernte Saudek die Gebrüder Mrštík auch persönlich kennen, vermutlich auf Vermittlung von Jaromír Doležal. Dieser beteiligte sich von Wien aus an der Redaktion der von Vilém und Alois Mrštíks herausgegebenen Moravsko-slezská revue, in der Saudek ebenfalls im Frühjahr 1908 einen umfangreicheren Text über Machar publizierte (Saudek 1907/08). Saudek sprach auch mit Camill Hoffmann über die Maryša-Aufführung,43 der diese sehr wohlwollend im Literarischen Echo rezensierte, und damit auch die Berliner Presse auf die Inszenierung aufmerksam machte (Hoffmann 1908/09). Anschließend übersetzte Saudek die Erzählung Stařečkův poslední soudný den (Grossvaters letzter Gerichtstag) von Alois Mrštík für die Čechische Revue (Mrštík A. 1909/10).
Wohnungstreffen und öffentliche Veranstaltungen: Literaten – Musiker – bildende Künstler Viele Treffen, an denen Saudek, oft auch gemeinsam mit seiner Frau Elsa Saudek, teilnahm, fanden in Privatwohnungen statt. „Am häufigsten [war er] Gast bei Machars“, bemerkte Jaromír Doležal (Pseudonym J. K. Pojezdný), der als Slawist, Journalist und Übersetzer aus den slawischen Sprachen ins Tschechische tätig war (Doležal 1914: 81). Ein Foto aus dem Jahr 1910, eine Momentaufnahme, entstand in Doležals Wohnung in der Langen Gasse 24 im achten Bezirk. Wer hinter der Kamera stand, wissen wir nicht, die Aufnahme zeigt neben Doležal Personen aus dem Umkreis des Akademický spolek, des Pokrokový klub und verschiedener tschechischer Periodika in Wien: Bohuš Vybíral, Miloslav Hýsek, Hugo Sonnenschein, Emil Saudek und das 43 „Včera jsem mluvil s Hoffmannem. Četl znova Maryšu a je jí nadšen. Mrzí ho, že nebyla v Zeitu řádně oceněna.“ [Gestern sprach ich mit Hoffmann. Er hat Maryša erneut gelesen und ist begeistert. Es tut ihm leid, dass sie in der Zeit nicht angemessen gewürdigt wurde.] (E. Saudek an Vilém u. Alois Mrštík, 05.05.1909, LA PNP, Fonds V. u. A. Mrštík.)
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Ehepaar Josef und Melanie Karásek. Doležal publizierte die Aufnahme in seiner Monografie über Josef Karásek (Doležal 1926: 128–129), auch in Emil Saudeks Nachlass und im Splitternachlass von Hugo Sonnenschein im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek sind Abzüge erhalten. In dem Kalender Dunaj für das Jahr 1923, der auf das tschechische Leben im Wien der Vorkriegszeit zurückblickt, ist ein ähnliches Foto von einer Silvesterfeier abgedruckt, abermals in Doležals Wohnung, doch in anderer Personenkonstellation: Anwesend sind Doležal, der Dramatiker Rudolf Krupička (Saudek übersetzte später sein Stück Velký styl /Der große Stil/), Ivan Olbracht und seine Lebensgefährtin, die Schriftstellerin Helena Malířová, die Künstlerin Minka Podhajská, der Medailleur Jan Čejka mit seiner Frau, Emil und Elsa Saudek, auf dem Tisch steht eine Gipsbüste von Hugo Sonnenschein. Doležals Wohnung war ein Treffpunkt für Journalisten (sowohl aus Vídeňský deník, als auch aus Dělnické listy), Literaten und bildende Künstler. Hier entstand 1913 u. a. auch der Verein tschechischer bildender Künstler in Wien Volná skupina 1913 [Freie Gruppe 1913]: „Nach Neujahr kamen mehrere von uns bei Pojezdný zusammen“, konstatierte der Maler Vilo Hemerka, ein Absolvent der Wiener Akademie, „da zeigte sich, dass dieser und jener, ohne von dem anderen zu wissen, die gleichen Schmerzen im Kopf hatte, die gleichen Pläne für die Zukunft“ (Janča 1913; vgl. auch Doležal 1926: 142ff., zu Hemerka Váhala 1912). Tatsächlich fand vom 11. Mai bis zum 11. Juni 1913 eine Ausstellung der Volná skupina im Český dům statt, parallel mit einer Ausstellung slowakischer Stickerei und Keramik. Für die Samstage waren – wahrscheinlich ebenfalls bei Doležal – drei Musik- und Literaturabende geplant. Laut Vídeňský deník spielte Zlatko Baloković am 7. Juni Kompositionen von Otakar Ševčík, dem bekannten Geigenpädagogen und Professor an der Wiener Akademie für Musik und bildende Kunst, Doležal, Josef Karásek, Josef Zdeněk Raušar u. a. lasen aus ihren literarischen Arbeiten. Am 24. Juni wurde das Drama Plagiát von Jan Janča gegeben, außerdem war ein Vortrag des slowakischen Schriftstellers Svetozár Hurban-Vajanský angekündigt. Am letzten Abend hätte Saudek aus seinen belletristischen Werken lesen sollen, auf dem Programm standen weitere literarische Beträge von Jaroslav Sutnar, Bohuš Vybíral, Josef Cipr und Zdeněk V. Přibík (eig. Josef Kopáček, wie Saudek Bankbeamter), für den musikalischen Teil sollten der Komponist Josef Bohuslav Foerster und der Geiger František Ondříček sorgen. Saudek, ein regelmäßiger Leser von Šaldas Novina und der Berliner Neuen Rundschau,44 be44 „Meine deutsche Lieblingszeitschrift“, nannte Saudek die Neue Rundschau im Schreiben an R. Svobodová (E. Saudek an R. Svobodová, 02.09.1909, LA PNP, Fonds R. Svobodová).
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In der Wiener Wohnung von Jaromír Doležal um 1910, von links sitzend: Hugo Sonnenschein, Josef Karásek, Melanie Karásková, Josef Zdeněk Raušar, stehend: Bohuš Vybíral, Jaromír Doležal, Miloslav Hýsek, Emil Saudek (ES).
urteilte die künstlerische Qualität der literarischen Beiträge am ersten Abend sehr kritisch. Während er eine Reihe bedeutender tschechischer Musiker in Wien ausmachte, blieb Machar für ihn dort der einzige bedeutende tschechische Schriftsteller, dieser war jedoch bei den Abenden nicht zugegen (Saudek 1913c). Infolge des Desinteresses von Seiten des Publikums sowie angesichts der finanziellen Verluste (Doležal 1926: 144) fand der dritte Abend letzten Endes gar nicht statt, und auch die Ausstellung war nicht besonders erfolgreich. Ausgestellt wurden an die 180 Bilder und Plastiken, die meisten davon auf Amateurniveau, wie einem Bericht von Arnošt Mádl zu entnehmen ist. Die Ambition der Veranstalter, die tagtäglich in Vídeňský deník beworben wurde, war jedoch, dass die Ausstellung nicht nur in großer Zahl die tschechischen Vereine in Wien, sondern auch deutschsprachige Kunstkritiker und Journalisten anziehen sollte. Die Ausstellung verfolgte somit repräsentative, künstlerische und pädagogische Ziele. Mádl zufolge entsprach die Präsentation als „Ausstellung der slawischen Künstler an der Donau“ aber nicht der
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In Jaromír Doležals Wohnung, wahrscheinlich während einer Silvesterfeier 1912; von links: Ivan Olbracht, Rudolf Krupička, Minka Podhajská, Jaromír Doležal, Frau Čejková, Helena Malířová, Elsa Saudek, Emil Saudek, stehend: Jan Čejka, auf dem Tisch eine Büste von Hugo Sonnenschein (Váhala 1922: 126).
Realität, da die hervorragendsten Vertreter der tschechischen Kunst in Wien gar nicht vertreten seien (Mádl 1913). Damit meinte Mádl, dessen Bruder der bedeutende tschechische Kunsthistoriker Karel B. Mádl war, diejenigen Künstler, deren Reproduktionen u. a. auch der Vídeňský národní kalendář veröffentlichte [Wiener Nationalkalender],45 den er von 1906 bis 1915 redigierte (Saudek publizierte hier mehrere Gedichte). Dazu zählten z. B. Ludvík Kuba, seit 1905 Mitglied im Hagenbund, oder die in Wien geborene Minka Podhajská, die in den Jahren 1898 bis 1906 die Wiener Frauenakademie absolvierte und mit der Wiener Werkstätte zusammenarbeitete. Ihre Werke stellte sie u. a. 1908 auf der Kunstschau als Mitglied der Klimt-Gruppe aus, 1912 gründete sie in Wien eine Handwerksschule für tschechische Kinder (Bendová 2021).46 Der Hagenbund profilierte sich als Verein für moderne österreichische Kunst, der den einzelnen nationalen Varianten offen gegenüberstand. Er bildete nicht nur ein europäisches Netzwerk der Moderne, in dem der Prager Verein Mánes und seine Mitglieder 45 Verleger war Jan Otto, der in der Innenstadt eine Buchhandlung besaß. 46 Besprechungen von Podhajská über die Ausstellungen im Hagenbund, signiert mit Minka, finden sich auch in Vídeňský deník.
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eine wichtige Position einnahmen (Husslein-Arco/Boeckl/Krejci 2014; Prahl 1997; Lahoda 2014), sondern spielte auch eine besondere Rolle im Leben der Wiener Tschechen. Als breitere Plattform der „gemäßigten Moderne“, die einen Platz zwischen dem konservativen Künstlerhaus und der elitären Wiener Secession suchte, wollte der Hagenbund die junge bildende Kunst einem breiteren Publikum vermitteln, zu dem dank der nationalen Offenheit des Vereins auch die Wiener Tschechen gehörten. Die tschechische Presse in Wien berichtete regelmäßig von den Ausstellungen und der 1907 gegründete tschechische Osvětový svaz dolnorakouský [Niederösterreichischer Kulturverband] veranstaltete Exkursionen, die meistens von Kuba geleitet wurden. Die Führungen wurden in der Presse angekündigt, der Eintritt betrug 20 Heller.47 Auch Arnošt Mádl organisierte beliebte Exkursionen in Galerien und Museen, an denen manchmal sogar hunderte von Interessenten teilnahmen (Anonym 1923). Einen Schwerpunkt auf bildende Kunst legte auch der Vídeňský národní kalendář. Er brachte Reproduktionen der in Wien ansässigen Landschaftsmaler Bohumír František Zvěřina und Jindřich Tomec (Hagenbund- sowie Kunsthausmitglied), die Arbeiter- und Handwerkerstudien von Hanuš Schwaiger,48 sowie mit Kuba, Mandler, Podhajská und dem Bildhauer Vojtěch Eduard Šaff auch Angehörige der jüngeren Generation. Weiterhin verteten waren Künstler aus dem Verein Mánes (Felix Jenewein, Quido Kocian, Václav Radimský, Uprka u. a.).
Tschechische Dichtung im Akademischen Verband für Literatur und Musik Einige der tschechischen bildenden Künstler (Podhajská, Šaff, Čejka, Tomec) steuerten auch Beiträge für den Sammelband J. S. Macharovi [Für J. S. Machar] bei, der 1914 anlässlich des fünfzigsten Geburtstags des Dichters zusammengestellt wurde. Neben Saudek (Saudek 1914b) gehörte auch Ernst Mandler zu den Beiträgern. Er malte mehrere Porträts von Machar sowie von dessen Töchtern, und übersetzte Machars Gedichte aus dem Zyklus Svědomím 47 So berichtete z. B. J. Doležal im April 1907 über eine Exkursion zur Frühlingsausstellung. Kubas Erläuterungen veranlassten ihn, seine früheren Urteile über einige Werke zu revidieren (Doležal 1907). 48 Schwaiger machte in Wien 1898 mit seiner ersten Ausstellung auf sich aufmerksam, die Zeitschrift Ver Sacrum. Organ der Vereinigung der bildenden Künstler in Österreich widmete ihm die Augustnummer. Eine weitere Ausstellung hatte er Anfang 1913 in der von Hugo Haberfeld geleiteten Miethke-Galerie.
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věků. Das Junggesellenatelier des Malers und Schriftstellers war seit 1910 ein regelmäßiger Treffpunkt für Mandler, die Eheleute Machar und Emil und Elsa Saudek (demgegenüber verfügte z. B. Doležal nicht über einen solchen direkten Kontakt zu Machar, der die Veranstaltungen der tschechischen Minderheit nur gelegentlich besuchte, Doležal 1914). Mandler freundete sich mit dem angehenden böhmischen Architekten Rudolf Wels (Mandler 1914: 67) an, der ebenfalls an der Wiener Akademie der bildenden Künste studierte, und ab 1912 auch Schüler von Adolf Loos an der Loos Bauschule war (Rund 2006). Resultat dieser freundschaftlichen Kontakte war am 17. Januar 1912 ein denkwürdiger zweisprachiger Abend, veranstaltet vom Akademischen Verband für Literatur und Musik im Vereinshaus des Ingenieur- und Architektenvereins in der Eschenbachgasse 9 im ersten Bezirk. Machar trug seine Gedichte auf Tschechisch vor, Mandler las die deutschen Übersetzungen. Der Akademische Verband spielte in Wien eine grundlegende Rolle für den Aufstieg der modernen Architektur (Adolf Loos), der modernen Musik (Arnold Schönberg) und des künstlerischen Expressionismus (Schweiger 1983; Wallas 1994: 53f.; Timms 2013: 23f.); ursprünglich hätte an dem Abend der Vortrag Das Bewußtsein der Gesichte von Oskar Kokoschka stattfinden sollen, der jedoch auf den 26. Januar verschoben wurde.49 Während Kokoschka mit seinem Werk und seinem Vortragsstil eine Kontroverse unter Gegnern sowie Verteidigern auslöste,50 herrschte bei dem Machar-Abend eine „herzliche Atmosphäre“, wie Vídeňský deník berichtete: Básník zahájil večer několika německy pronesenými slovy; vybízel ku poznávání pěkné české kultury, jejíž oblast je Vídni tak blízka a vyslovil naději, že se oběma národům podaří přiblížit se sobě bez pánů u zeleného stolu. […] Překladatel četl z manuskriptu prostě a výstižně. – Obecenstvo bylo četné a skládalo se také z Čechů a jiných Slovanů. Dojem básní byl silný a jevil se nadšeným potleskem. (Anonym 1912b) [Der Dichter leitete den Abend mit ein paar auf Deutsch vorgetragenen Worten ein; er rief zur Beschäftigung mit der schönen tschechischen Kultur auf, deren Raum Wien so nah liege, und sprach die Hoffnung aus, dass es beiden Völkern gelingen möge, einander auch ohne die Herren am grünen Tisch näher zu kommen. /…/ Der Übersetzer las aus dem Manuskript in einer schlichten und prägnanten Weise. – Das Publikum war zahlreich und bestand auch aus Tschechen und anderen Slawen. Die Wirkung der Gedichte war stark und es folgte ein begeisterter Applaus.]
49 Siehe die Anzeige: Akademischer Verband für Literatur und Musik. – In: Neues Wiener Tagblatt 46, 17.01.1912, 15. 50 Adolf Loos und wahrscheinlich weitere Personen aus dem Kraus-Kreis gehörten zu den Verteidigern, aus deren Reihen Zwischenrufe ertönten wie „Ruhe! Das ist ein Skandal! Wir sind nicht im Parlament!“ (Anonym 1912c).
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Machar hatte auch den Nimbus einer umstrittenen Persönlichkeit, vor allem auf dem Gebiet der Kulturpolitik. Der Machar-Abend vom 17. Januar 1912 war die einzige zweisprachige Veranstaltung, die während des fast dreißigjährigen Aufenthalts des Dichters in Wien organisiert wurde. Es handelte sich eindeutig um einen demonstrativen kulturvermittlenden Akt des Verbands, um der tschechischen Sprache Gehör zu verschaffen. In diesem Sinn berichtete auch Emil Saudek in Čas über die Veranstaltung (Saudek 1912ch). Im Archiv des Akademický spolek ve Vídni hat sich die tschechische Einladung für diesen Abend erhalten, und auch die in Rezensionen erwähnte Teilnahme tschechischer und slawischer Besucher macht eine Zusammenarbeit der beiden akademischen Vereine wahrscheinlich.
Literarische Abende im Beethovensaal – Jaroslav Vrchlický und die „mährischen Dichter“ Oskar Rosenfeld und Hugo Sonnenschein Im Jahr 1911 war Saudek – wohl auf Vermittlung von Popper-Lynkeus, Machar, Heinrich Herbatschek oder eines anderen Reformers und Wiener „Weltverbesserers“ – an der Entstehung eines anderen Vereins beteiligt, des Deutsch-czechischen Komitees. Gründer dieses Vereins war Fritz Telmann, geboren 1873 in Wien in der Familie des bedeutenden Juristen und Pädagogen Theodor Theumann, der aus Austerlitz stammte. Wie sein Altersgenosse Saudek absolvierte Telmann die juristische Fakultät der Universität Wien. Mehr als die Jura zog ihn allerdings die Kunst an, er interessierte sich v. a. für das Theater, schrieb Theaterkritiken und belletristische Texte. Zur Zeit der Gründung des Komitees war Telmann auch Dramaturg des Intimen Theaters in Wien (Offenthaler 2014). 1900 trat er aus der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien aus. Er engagierte sich auf dem Gebiet der Volksbildung (v. a. für das Arbeitertheater) und verkehrte mit Sozialisten genauso wie mit Pazifisten und Freidenkern. Vor der Gründung des Deutsch-czechischen Komitees hatte Telmann den Sekretärposten im 1908 gegründeten Austroitalienischen Freundschaftskomitee inne, dem als erste Vorsitzende Bertha von Suttner vorstand. Im Juni 1911 veröffentlichte Telmann einen Aufruf zur Gründung eines tschechisch-deutschen Annäherungsvereins in der Neuen Freien Presse (Telmann 1911), die Gründungssitzung des Komitees wurde für Ende Oktober in der Wohnung von Heinrich Herbatschek angesetzt, der zu den eifrigsten Mitgliedern des Vereins gehören sollte (Telmann 1921). Auf Oktober 1911 datieren auch „Leitsätze und Arbeitsprogramm des Deutschczechischen Komitees“ (Telmann 1914). Zum obersten Ziel wurde die „all-
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gemeine kulturelle Annäherung“ deklariert (ebd.: 44), der Verein sollte einen Schutzwall gegen den anwachsenden Nationalismus bilden. „Solche Komitees schaffen nicht den Frieden, aber sie schaffen eine Stimmung, in der das Friedenswerk allein möglich ist,“ hieß es in den Leitsätzen (ebd.: 45). Als Ursache der bestehenden Konflikte wurden die ungleichen sozialen Bedingungen angesehen; die Mitglieder glaubten, dass der nationale Konflikt durch soziale Maßnahmen und Reformen zu lösen sei. Das Komitee sollte deutsch- und tschechischsprachige Intellektuelle und Politiker zusammenbringen, wobei die Öffentlichkeit v. a. mit Hilfe von Publikationen und Veranstaltungen angesprochen werden sollte. Außerdem wurde das Komitee Mitglied im Bureau international permanent de la paix. Die Leitsätze führen Telmann als Komiteepräsident, Heinrich Herbatschek als Vizepräsident auf, in der Ausschussleitung saßen Max Ried, zu dieser Zeit Vorstand des Wiener Akademischen Friedensvereins,51 und Wilhelm Börner, der u. a. in der Gesellschaft für ethische Kultur und im Deutsch-Österreichischen Volksbildungsverein tätig war. Gründer und Vorsitzender der beiden letztgenannten Organisationen war der Philosoph Friedrich Jodl. Der personelle Kern des Deutsch-czechischen Komitees illustriert die bereits erwähnte Verflechtung der diversen Volksbildungs-, Freidenker- und Friedensorganisationen, die sich auch international zu vernetzen versuchten. „Der Schriftsteller Emil Saudek“ gehörte dem Exekutivkomitee an. Telmann beschrieb die Personenkonstellation der Gründungsmitglieder im Frühling 1913 in der Revue Dokumente des Fortschritts von Rudolf Broda wie folgt: Ich habe in den Herren Wilhelm Börner, Sekretär der Ethischen Gesellschaft in Wien, dem Rechtsanwalt Dr. Herbatschek, der als Übersetzer der Werke Vrchlickys und Machars schon früher gute Beziehungen zu den Tschechen unterhielt, in dem tschechischen Gelehrten und Mitarbeiter von Masaryks Čas Dr. Saudek, und in dem Wiener Philosophen Ermers arbeitsfreudige und opferwillige Mitarbeiter gefunden. (Telmann 1913: 151)
Telmann hatte ferner Interesse an einer Allianz mit der tschechischen Realistischen Bewegung, der T. G. Masaryk vorstand. Laut dem Verzeichnis am Ende der Leitsätze konnten der Philosoph František Krejčí, der Philosoph und Abgeordneter der Realistischen Partei František Drtina, der Advokat und Realist Václav Bouček und der Sozialdemokrat und Literaturkritiker F. V. Krejčí als Mitglieder gewonnen werden (Telmann 1914: 46). Herbatschek und Saudek waren angesichts ihrer Kontakte zu Masaryk und Machar geeignete Mitarbei-
51 Der Wiener Akademische Friedensverein wurde 1892 gegründet; A. H. Fried, Bertha von Suttner und Heinrich Lammasch waren Ehrenmitglieder (Fried 1913: 291).
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ter, genauso wie aufgrund ihrer bisherigen Übersetzungstätigkeit und ihres Wohnsitzes in Wien.52 Saudeks Engagement im Komitee konzentrierte sich v. a. auf die Vorbereitung eines Abends zur Ehren Jaroslav Vrchlickýs. Der Dichter war am 9. September 1912 verstorben, worauf auch einige Gedenkfeiern in Wien veranstaltet wurden, u. a. am 26. Oktober vom Osvětový svaz dolnorakouský im Český dům. Auch Saudek besuchte diese Veranstaltung vermutlich, denn er verfolgte die Aktivitäten des Osvětový svaz regelmäßig. Das Publikumsinteresse war nicht unbedingt groß, wie Bohuš Vybíral am Ende seines eingehenden Berichts anmerkte, die einzelnen Programmpunkte beurteilte er allerdings positiv (Vybíral 1912). Die Vrchlický-Feier des Deutsch-czechischen Komitees war viel erfolgreicher, laut Saudeks Bericht erschienen 400 Besucher. Als wären die Zeiten von Eduard Albert zurück, entschieden sich die Veranstalter für eine Wohltätigkeitsveranstaltung im repräsentativen Beethovensaal in der Innenstadt, der normalerweise musikalischen Veranstaltungen vorbehalten war. Eingeladen wurde die politische und kulturelle Elite – Regierungsmitglieder, Abgeordnete des Reichsrats und der Landesräte, Vertreter diverser Kulturinstitutionen und auch Journalisten. In den Rezensionen wird die Teilnahme von Fürst Karl Franz von Seilern und Baron Oskar Villani erwähnt. Ministerpräsident Graf Karl von Stürgkh und einige Minister ließen sich zwar entschuldigen, hatten dem Komitee aber zuvor „ihre wärmste[n] Sympathien ausgesprochen“ (Anonym 1912d). Im Saal wurde auch eine Büste des Dichters aufgestellt und Vrchlický erfüllte gewissermaßen die repräsentative Aufgabe, für die er geeignet war. Allerdings handelte es sich nicht um eine unkritische Verherrlichung seines Werkes. Der Germanist Otokar Fischer schlug bereits im Eröffnungsvortrag einen moderneren Ton an, der junge Dozent der tschechischen Universität in Prag war der Einladung Saudeks und Herbatscheks gefolgt.53 In seiner Rede erläuterte Fischer einerseits die Diskrepanz zwischen dem kosmopolitischen Charakter und der nationalen Tradition in Vrchlickýs Werk, andererseits auch die Gründe für die Kritik vonseiten der tschechischen literarischen Moderne. Auf den engagierten Vortrag verwiesen im Anschluss Berichte in der Wiener Zeitung (Anonym 1912e), in Dělnické listy sowie Saudek selbst mit einer Rezension in Čas (Saudek 1912i). 52 Čas informierte bereits am 27. Oktober 1911 über die Gründung des Komitees (Anonym 1911a). 53 Briefe an O. Fischer vom 06. und 07.11.1912 sowie Briefe von H. Herbatschek an O. Fischer vom 07. und 11.11.1912, LA PNP, Fonds O. Fischer.
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Der auf deutsch veranstaltete Abend stellte selbstverständlich die Rolle der Übersetzer in den Vordergrund – die ausgewählten Texte wurden von dem Prager Dichter Friedrich Adler und dem in Wien lebenden Bronislav Wellek übersetzt. Beide Übersetzer waren zugleich Mitglieder im Komitee, „Sektionsrat Dr. Wellek“ nahm auch selbst an der Veranstaltung teil (Anonym 1912d). Für die Rezitation der Gedichte wurden Schauspieler von Wiener Theatern engagiert – die Schauspielerin Della Zampach vom Burgtheater und Eduard Sekler vom Theater in der Josefstadt. Auch Musik fehlte nicht, die Sängerin Olga Dubská trug Lieder von Antonín Dvořák und Vrchlický-Gedichte in der Vertonung des Komponisten Jindřich Jindřich vor, außerdem trat der Geigenvirtuose František Ondříček auf, der zu dieser Zeit auch das Neue Wiener Konservatorium leitete. Die Musikdarbietungen und die Rezitationen fanden einen „rauschenden Beifall“ (ebd.). Laut Saudek spielte das Komitee eine bedeutende Rolle im Kampf gegen den Chauvinismus, der seiner Meinung nach eine gefährliche Massenemotion darstellte. Es sei deshalb wichtig, kleinere Intellektuellengruppen zu bilden und zu hoffen, dass das Komitee soustředí bohdá brzo ve svém středu všechny osobnosti, jimž se po novém stavu věci stýská a které doufají, že nové Rakousko bude nejvhodnějším a nejvíce nasnadě ležícím útvarem takového snažení. (Saudek 1914b) [hoffentlich bald in seiner Mitte alle Persönlichkeiten versammelt, die sich nach einem neuen Zustand der Dinge sehnen und die hoffen, dass das neue Österreich die geeignetste und zugänglichste Ausprägung dieses Bestrebens sein wird.]
Für die Verwirklichung der Vision eines neuen Österreichs könnten Versöhnungkomitees, gegründet auf dem Einvernehmen zwischen „gebildeten Vertretern verschiedener Nationen“, von großer Bedeutung sein, wie sie in einigen von Saudeks Vorkriegstexten auftauchen. Bei der Vrchlický-Veranstaltung kündigte Heinrich Herbatschek den nächsten Literaturabend an, diesmal für den Dichter J. S. Machar, der jedoch nicht realisiert wurde. Als eine Art Fortsetzung ließe sich allerdings eine andere Veranstaltung auffassen, die am 10. März 1913, diesmal im kleinen Beethovensaal organisiert wurde. Saudek war möglicherweise bei der Vorbereitung eingesprungen und verfasste auch einen Bericht für Čas über diesen Abend.54 Diesmal lasen ausschließlich in Wien wirkende Schriftsteller selbst aus ihren 54 Einen losen Zusammenhang zwischen beiden Abenden deutet auch Saudeks Bericht an, der im ersten Teil auf der Grundlage von Telmanns Artikel (Telmann 1913) über das Deutsch-czechische Komitee, ferner über die Vrchlický-Veranstaltung informiert, und im zweiten Teil weitere Informationen zum zweiten Abend bringt.
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Werken vor: Hugo Sonnenschein und Oskar Rosenfeld (später ein bedeutender Zionist und u. a. auch Übersetzer aus dem Jiddischen). Saudek schickte auch Fischer eine Einladung: Přikládám pozvánku k jeho [Sonnenscheinovu] večírku. Rosenfeld, autor Vierte Gallerie, je také takový Němec, v jehož duši slovácký kraj a lid (i s tamními židy) zaručil českému elementu vliv na německé dílo.55 [Ich füge die Einladung zu seinem /Sonnenscheins/ Abend an. Rosenfeld, der Verfasser der Vierten Gallerie, ist auch solch ein Deutscher, in dessen Seele das mährisch-slowakische Land und Volk (einschließlich der dortigen Juden) dem tschechischen Element einen Einfluss auf das deutsche Werk garantierten.]
Die Eintrittskarten wurden in den Buchhandlungen Hugo Heller und Jan Otto verkauft, was einerseits die Verbindung der beiden Dichter und der Veranstaltung zum Wiener Expressionismus illustriert, andererseits auch zu den tschechischen Intellektuellen in Wien, zu denen auch Saudek zählte. Die Veranstaltung trug den Titel „Zwei mährische Dichter“ (Anonym 1913a), so wurde sie auch von Saudek in Čas besprochen. Genau wie im Falle der Brüder Mrštík war der Bezug zur mährischen ländlichen Heimat ein wichtiges Thema. Im Unterschied zum Brief an Fischer (und zum Essay Kulturbastard) deutete er das Judentum beider Autoren hier nur vage an, mit dem Hinweis auf die „mährische Atmosphäre“. Saudek betonte v. a. deren slawische/mährischslowakische Inspiration und den Einfluss der tschechischsprachigen Kultur: V pondělí 10. března byl pořádán zajímavý večírek pod názvem Zwei mährische Dichter. Dva němečtí literáti, rodáci moravští (z Kyjova a Koryčan) vystoupili v malém Beethovenově sále. Zajímavý zjev pro nás tím, že oba zdůrazňují veřejně onen duševní fond, který si přinesli z moravského ovzduší a z české kultury. Jsou to Oskar Rosenfeld, pozoruhodný novelista a milovník moravské domoviny, a české veřejnosti známý již lyrik Hugo Sonnenschein, jehož českou literaturou a živly slováckými v důležitých bodech podmíněné umění jest čím dál tím ryzejší a hutnější. Tento mladý básník přednášel svoje vize s nevšední hereckou dokonalostí. Úspěch byl překvapující i četnou návštěvou i nadšeným potleskem. Mnoho zdejších Čechů se také dostavilo. Proslýchá se, že Sonnenschein uspořádá jednu ze svých recitací také v Praze. (Saudek 1913a)56 [Am Montag, dem 10. März, wurde ein interessanter Abend mit dem Titel Zwei mährische Dichter veranstaltet. Zwei deutsche Literaten aus Mähren (aus Gaya und Koritschan) traten im kleinen Beethovensaal auf. Für uns sind beide deswegen interessant, da sie öffentlich ihre geistige Basis betonen, die sie der mährischen Atmosphäre und der tschechischen Kultur verdanken. Es handelt sich um Oskar Rosenfeld, einen bemerkenswerten Novellisten und Freund der mährischen Heimat, und um den der tschechischen Öffentlichkeit bereits 55 E. Saudek an O. Fischer, 25.02.1913, LA PNP, Fonds O. Fischer. 56 Im Brief an Fischer kommentierte Saudek: „Sonnenscheins Abend lief sehr gut. Er hat einen großen Eindruck gemacht.“ (E. Saudek an O. Fischer, 14.04.1913, ebd.)
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bekannten Lyriker Hugo Sonnenschein, dessen in der tschechischen Literatur sowie in mährisch-slowakischen Elementen gründende Kunst immer ursprünglicher und konziser wird. Dieser junge Dichter trug seine Visionen mit einer nicht alltäglichen schauspielerischen Präzision vor. Der Erfolg war auch angesichts der großen Besucherzahl und des begeisterten Beifalls überraschend. Viele hiesige Tschechen stellten sich ebenfalls ein. Es heißt, Sonnenschein werde auch einen Rezitationsabend in Prag veranstalten.]
Im Vergleich zu den nur ein paar Monate zuvor beim literarisch-musikalischen Abend im Český dům präsentierten Werken zeigte sich, dass Sonnenscheins und Rosenfelds literarisches Schaffen von deutlich höherer künstlerischer Qualität war, dank ihrer Ästhetik und der Deutschsprachigkeit waren beide Künstler attraktiver für das tschechisch- wie auch deutschsprachige Wiener Publikum, das sich für neue literarische Strömungen interessierte. Für Saudek leisteten diese Werke dennoch einen gewissen Beitrag zur slawisch-deutschen Vermittlung, es handele sich bereits an sich um eine tschechisch-deutsch-jüdische Synthese, die ausschließlich mährische (Land-)Juden hervorbringen könnten.
Wien als „Brücke nach Europa“: Saudeks Konzept der Übersetzung als Kulturpraxis Im Februar 1910 berichtete Saudek Růžena Svobodová von der Möglichkeit, sich in Prag mit Stefan Zweig zu treffen. Es überraschte ihn, dass Svobodová es als bekannte tschechische Schriftstellerin für unmöglich hielt, mit ihrem Mann, ebenfalls Schriftsteller, den deutsch kodierten Raum der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten zu besuchen, wo Zweig einen Vortrag über Verhaeren halten sollte: My ovšem do jeho přednášky, třikrát žel, jíti nemůžeme. Poměry jsou zle napjaté a my příliš známí, abychom si to mohli beztrestně dovolit.57 [Wir dürfen allerdings seinen Vortrag – was wir dreimal bereuen – nicht besuchen. Die Verhältnisse sind sehr gespannt und wir sind zu bekannt, als dass wir es uns straflos erlauben könnten.]
Zweig besuchte die deutschen und tschechischen Räume in Prag also separat – das Ehepaar Svoboda zuhause in seinem Haussalon, mit Jaroslav Kvapil war er im Nationaltheater. Saudek kannte Prag aus eigener Erfahrung nicht und präsentierte im Essay Zwei Tage in Prag ein idealisiertes Bild der Stadt (Saudek 1909c). Die nationale Polarisierung, die sich in Prag auch territorial 57 R. Svobodová an E. Saudek, 25.02.1910, ES.
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manifestierte, widersprach weitgehend Saudeks Wiener Erfahrungen. Zwar fanden auch in Wien periodisch nationalistische Demonstrationen statt, z. B. vor den tschechischen Schulen des Komenský-Vereins, zugleich illustrieren Saudeks Trajektorien die Möglichkeit, sich quer durch diverse Räume zu bewegen, die nicht immer unbedingt klar national kodiert sein mussten. Saudek identifizierte sich nicht ausschließlich mit den Einstellungen der tschechischen Minderheit in Wien, auch wenn er überzeugt war, dass die tschechische Kultur Anerkennung verdiene. Interessant erscheint gerade sein individueller und individualistischer Weg, der die Pluralität der Identitätsbildung offenbart, zugleich aber auch seine persönliche Integrität, die sich in der überlegten Auswahl der Übersetzungen und Themen spiegelt, über die er schrieb. Saudek glaubte an Aufklärung und humanistische Perspektiven, die dem Individuum das Recht auf eine eigene Existenz „nach seiner Art“ verbürgten, genauso wie an Březinas Vision einer mystischen Verbindung der gesamten arbeitenden Menschheit. In der Besprechung des Vrchlický-Abends findet sich eine bemerkenswerte Passage: V přítulném koutu kavárny, v příjemném interiéru klubu rodí se zcela jiný rytmus vzruchů, to vzruchů osobnějších, prostých odkazů a svodů skryté slepé dravosti hromadných vzájemných sugescí. Ozývá se uklidněný hlas čisté lidskosti. – Tací lidé, schopni přijímati a dávati navzájem poučení, říkají, že tohle Rakousko neobstojí ve svém boji o život, neosvojí-li ve své veřejné životosprávě – tudíž ve velkém – metodu těchto komitétů. Mají zcela pravdu. Rakousko ujařmující, umlčující a zanedbávající své národy nemá práva ani naděje na existenci. Zato Rakousko přející plnému rozvoji imanentních kulturních možností svých národů smí se nadíti rozmachu a rozkvětu netušeného a málokde uskutečněného. (Saudek 1912i) [In der gemütlichen Ecke des Kaffeehauses, im angenehmen Interieur des Klubs wird ein ganz anderer Reizrhythmus geboren, Reize persönlicherer Art, Reize der simplen Andeutungen und Verlockungen von verborgener blinder Begierde gegenseitiger massenhafter Suggestionen. Eine ruhige Stimme der reinen Menschlichkeit ertönt. – Diese Menschen, die zugleich eine Belehrung erteilen und empfangen können, behaupten, dass dieses Österreich in seinem Lebenskampf nicht bestehen könne, wenn es sich nicht für seine öffentliche Lebensführung – d. h. im Großen – die Methode dieser Komitees aneigne. Sie haben völlig Recht. Ein Österreich, das seine Völker unterjocht, zum Schweigen bringt und vernachlässigt, hat weder Recht noch Hoffnung auf Existenz. Ein Österreich hingegen, dass sich die volle Entfaltung der immanenten kulturellen Möglichkeiten seiner Nationen wünscht, darf auf einen ungeahnten und selten verwirklichten Aufschwung und Aufstieg hoffen.]
Die gleichen Motive finden sich im Artikel Jeden z úkolů českého inteligenta ve Vídni [Eine der Aufgaben des tschechischen Intellektuellen in Wien], der in Ročenka Vídeňské matice von 1911 (redigiert vom Juristen František Váhala) erschien. Saudeks Text war Teil eines kleineren Almanachs kurzer Texte mit
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dem Titel Z vedety na Dunaji. Příspěvky literátů česko-vídeňských [Von der Vedette an der Donau. Beiträge tschechischer Literaten aus Wien]. Das Bild einer Vedette an der Donau verwendete Machar in den 1890er Jahren ursprünglich als poetische Selbststilisierung, Ende der 1910er Jahre verbreitete es sich jedoch als Metapher für alle Wiener Tschechen, die auf einem nationalen Vorposten stünden und außerhalb ihrer Heimat für ihre Rechte kämpften. Trotzdem war für die Ročenky, genauso wie für den erwähnten Vídeňský národní kalendář, nicht nur diese defensive Haltung charakteristisch, sondern auch die Vorstellung von der Donaumetropole als Heimat der tschechischen Einwohner, die das Recht haben sollten, sich am Leben der Stadt zu beteiligen und ihren Charakter auf allen Ebenen zu beeinflussen, einschließlich Literatur und Kultur. „Es kann keine Rede mehr davon sein, dass Wien für uns Ausland ist,“ schreibt Saudek zu Beginn seines Artikels (Saudek 1911c: 34). Die tschechisch-deutsche Annäherung sei, so Saudek, ein Mittel, das zum ersehnten Ziel der Anerkennung der tschechischen Nationalkultur führe. Die Nation begreift Saudek als eine „gesunde Kraft“, die sich zu Recht „nach Macht und verdientem Ruhm sehnt“. Die Propagation der tschechischen Kunst müsse eine Frage tagtäglicher Bemühungen sein. Saudeks Vorschläge, wie dies zu verwirklichen sei, waren dabei sehr konkret. Es ging ihm nicht mehr nur um Übersetzungen literarischer Texte, sondern um eine alltägliche Agitationspraxis, in der jeder Intellektuelle seine üblichen Kontakte zu den deutschsprachigen Wienern nutzen sollte: Známosti s Němci dávají nám zde příležitost ukázati jim dle okolnosti český obraz, českou plastiku, upozorniti je na překlady, na informační články a časopisy (Čechische Revue), zazpívati nebo zahráti jim národní nebo jinou píseň atd., seznámiti je s vynikajícími českými lidmi! (Saudek 1911c: 35) [Die Beziehungen zu Deutschen ermöglichen uns, ihnen je nach den Gegebenheiten ein tschechisches Bild, eine tschechische Plastik zu zeigen, sie auf Übersetzungen, Informationsartikel und auf Zeitschriften (Čechische Revue) aufmerksam zu machen, ihnen ein nationales oder ein anderes Lied vorzusingen oder vorzuspielen usw., sie mit vortrefflichen tschechischen Persönlichkeiten bekannt zu machen!]
Als Musterbeispiel für einen Vermittler wird J. S. Machar angeführt, der gerade im Alltag „durch Gespräche eine reiche Saat in die deutschen Seelen streute“ (ebd.: 36). Der Artikel zieht auch Bilanz und rekapituliert einige bedeutendere Vermittlungsversuche und Vermittler, wobei Saudek allerdings nicht bei der Vorstellung von Wien als einem Raum ständiger Begegnungen und Auseinandersetzungen verharrt. Dem Bild der Wiener Tschechen als Verteidigungsvorposten stellt er sein Konzept der Brücke gegenüber – Wien, die „Großwerkstatt der menschlichen Werte“, sei ein Transitraum, durch
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den Werke in andere Nationalkulturen gelangten. Die Kulturbrücke sei dabei nicht nur ein Bogen zwischen Wien und Europa (eigentlich Deutschland), zum Kulturtransfer komme es bereits in den alltäglichen Interaktionen der mehrsprachigen gebildeten Schichten in Wien. Saudeks Konzept betont die Rolle der tschechisch-wienerischen Vermittler (implizit im Gegensatz zu den Vermittlern aus anderen Zentren), die „Geschäftsvertreter“ sowie „Vertraute“ der tschechischen Kultur seien, die die Lage vor Ort gut kennen und diese für die Interessen der tschechischen Kunst zu nutzen wissen. Die Kulturvermittlung als Alltagspraxis wirke sich positiv vor Ort auf das Prestige der tschechischen Kultur aus, dadurch mildere sie die negativen Einstellungen zu den Wiener Tschechen und könne auch die Frage des tschechisch-deutschen Ausgleichs positiv beeinflussen. In diesem Sinne schrieb Saudek auch im Oktober 1913 an Otokar Fischer: „Literaten, Gelehrte, Künstler können bereits jetzt die erhoffte Versöhnung vorbereiten, die Politiker werden ihnen folgen, sobald sie es dürfen.“58 Saudek bemühte sich in der Vorkriegszeit, die Postulate seines Konzepts praktisch zu entfalten. Im Artikel Důležitý úkol [Eine wichtige Aufgabe] vom November 1911 rief er tschechische Institutionen zur finanziellen Unterstützung von Übersetzungen auf (Saudek 1911d). Die Zuteilung der Subventionen konnte er freilich nicht beeinflussen. Saudeks nachfolgende Aktivitäten zeigen, dass er sich nicht mehr nur auf die Subskriptionen und die Opferbereitschaft der Verleger verlassen wollte (wie im Falle von Moriz Frisch und der Herausgabe von Březinas Ruce). Er wandte sich an Verleger in Deutschland und pflegte seine Kontakte, etwa zu Eugen Diederichs, indem er die Editionen deutscher Mystiker (Johannes Tauler, Angelus Silesius) und die Gedichtsammlungen von Ernst Lissauer rezensierte, die allesamt im Eugen Diederichs Verlag erschienen waren. Dank der Zusammenarbeit mit Otto Pick konnte Saudek einen ambitionierten Plan für die Herausgabe von Březinas Schriften im Leipziger Verlag von Kurt Wolff vorbereiten (Zbytovský 2020), und Wolff war auch der potenzielle Verleger des thematisch breit angelegten Almanachs Aus dem modernsten Böhmen (Petrbok 2022b). Die Kulturvermittlung wies allerdings auch andere Momente auf – im Artikel Jeden z úkolů českého inteligenta ve Vídni betonte Saudek, dass die perfekte Kenntnis des Deutschen die Bedingung für die Annäherungsarbeit und für die Förderung tschechischer Positionen in der Metropole sei („Dies alles erfordert allerdings perfekte Deutschkenntnisse, das dürfen wir nicht vernachlässigen“, Saudek 1911c: 35). Er selbst begann dann auch tschechische Lehrer 58 E. Saudek an O. Fischer, 23.10.1913, LA PNP, Fonds O. Fischer.
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und Beamte in Deutsch zu unterrichten, wie er im Oktober 1913 an Fischer schrieb: Těším se velké oblibě jako učitel němčiny, poněvadž učím způsobem zde neobvyklým. Hlásí se mně tolik žáků, že nebýt banky, měl bych celý den co dělat. Organizoval jsem si tuto práci však tak, že řídím jeden kurz zdejších českých učitelů a druhý bankovních úředníků. / Věřte, je to tvůrčí práce, která nadmíru blaží. Konám přitom sám zajímavá studia z mluvnice (má v ní zálibu), z literatury atd. Je to více řízení diskuse než vyučování; žáci jsou, jak vidím, nadšeni. Honorář je skvělý. / Ten styk s lidmi, tu nutnost vyjadřovati se co nejlépe, nenahradí žádná jiná duševní práce. / To je ale jen článek mých plánů. Musíme zde dobýti české pozice, odpovídající našemu významu.59 [Ich erfreue mich einer großen Beliebtheit als Deutschlehrer, da ich auf eine Weise unterrichte, die hier nicht üblich ist. Es melden sich so viele Interessenten für meinen Kurs, dass ich – wenn die Bank nicht wäre – den ganzen Tag zu tun hätte. Ich habe diese Arbeit jedoch so organisiert, dass ich einen Kurs für hiesige tschechische Lehrer und einen anderen für Bankbeamte leite. / Glauben Sie mir, es ist eine kreative Arbeit, die mich über die Maßen beseelt. Ich stelle dabei selbst interessante Studien aus der Grammatik (ich finde Gefallen an ihr), der Literatur usw. an. Es ist eher eine gesteuerte Diskussion als Unterricht; die Schüler sind, wie ich sehe, begeistert. Das Honorar ist exzellent. / Den Kontakt mit Menschen, die Notwendigkeit, sich möglichst gut auszudrücken, wird keine andere Geistesarbeit ersetzen können. / Das ist allerdings nur ein Teil meiner Pläne. Wir müssen hier eine tschechische Position erringen, die unserer Bedeutung entspricht.]
Ein anderer, undatierter Brief an Fischer lässt Saudeks „ungewöhnliche Art“ des Unterrichtens erahnen, dessen schöpferische Essenz in der sprachlichen und literarischen Analyse deutscher literarischer Texte bestand. Von Fischer inspiriert, las er mit seinen Studenten etwa Kleists Novelle Michael Kohlhaas, der Unterricht bekam somit auch literarische und ästhetische Dimensionen.60 Saudek setzte seine pädagogische Tätigkeit auch während des Krieges fort. Den Anzeigen in Dělnické listy ist zu entnehmen, dass die Kurse von Gewerkschaften, konkret von Odborová komise českoslovanská [Die tschechoslawische Gewerkschaftskommission] organisiert wurden. Sie fanden zweimal wöchentlich statt, insgesamt an 26 Abenden. In der Anzeige hieß es, „ein bekannter Spezialist, Dr. Saudek wird unterrichten“.61 Auch der Unterrichtsraum ist bemerkenswert. Es handelte sich um den Saal im Wirtshaus von H. Heger im fünften Bezirk, Margaretenplatz 7. Das Haus war im Besitz der Sozialdemokratischen Partei, unter der gleichen Adresse war auch die Redaktion von Dělnické listy ansässig. Die Redakteure – einschließlich Olbracht – sol-
59 E. Saudek an O. Fischer, 25.10.1913, ebd. 60 E. Saudek an O. Fischer, s. d., ebd. 61 Z. B. Dělnické listy 25.05.1915, 27.10.1917 u. a.
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len das Wirtshaus oft besucht haben.62 Mit Olbracht sind auch weitere Orte auf Saudeks Vorkriegstrajektorien in Wien verbunden; gemeinsam mit dem jungen Schriftsteller erkundete er etwa das beinahe ländliche Wien der Vorstädte und Arbeiter wie auch die weitere Umgebung.63 Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren Saudek und seine Familie in Wien zu Hause. Saudeks Einstellung zu der Metropole veränderte sich jedoch gerade während des Kriegs diametral. Obwohl er weiter an die vereinigende Kraft künstlerischer und interkultureller Interaktionen glaubte, bedeutete der Krieg für ihn das Ende seiner Hoffnungen auf ein neues Österreich. Saudeks Aktivismus richtete sich nun auf ein neues Ziel, nämlich auf die Entstehung des selbstständigen tschechischen/tschechoslowakischen Staates.
62 „In Wien besuchte er gerne kleinere Kneipen, v. a. die Heger-Kneipe“ (Saudek 1932). 63 Ebd.
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II. „Verleger für ganze Bücher aus dem Tschechischen finden sich sehr schwer“64: Übersetzerinnen und Übersetzer von Buchpublikationen aus dem Tschechischen ins Deutsche65
1. Einleitung Anlässlich der zweiten, erweiterten Ausgabe der Werkauswahl Jaroslav Vrchlickýs in der Übersetzung von Friedrich Adler äußerte sich der Kritiker, Publizist und Übersetzer Paul/Pavel Eisner in dem treffend betitelten Beitrag Unsere Vorgänger, die tschechische Dichtung und die Deutschen usw. auch zu den bisherigen übersetzerischen Leistungen aus dem Tschechischen ins Deutsche: Das erste Buch wirklicher deutscher Verse aus der tschechischen Dichtung ist Friedrich Adlers Vrchlický-Anthologie (Reclam 1895). Hier ist der historische Wendepunkt: ein qualifizierter deutscher Dichter gießt tschechische Dichtungen in deutsche Verse um. Und es ist kein Zufall, daß dieser deutscher Dichter ein Prager Jude ist. Denn fast alles, was auf diese Tat folgt und von Belang ist, kommt von Prager deutschen Juden, die in dieser Mittlung eine schöne Kulturaufgabe erblicken, daneben auch – bewußt oder unbewußt – eine innere Notwendigkeit. (Eisner 1927)
Eisner zufolge verdienen also mehrere deutsch-jüdische Dichter aus Prag Anerkennung, die dem tschechisch-deutschen kulturellen bzw. literarischen Vermitteln nicht nur im ästhetischen, sondern auch im kulturpolitischen Sinne eine gewisse Brisanz verliehen hätten. Wie bereits mehrmals bemerkt wurde (Krolop 1967: 41f.; Petrbok 2014: 75) – zuletzt bei der Prager Tagung Found in Translation? Ästhetische und soziokulturelle Funktionen literarischer Übersetzungen 64 C. Hoffmann an G. Štorch, 29.03.1905, LA PNP, Fonds G. Štorch. Zum Kontext vgl. Merhautová (2016: 206). 65 Die Vorbereitung dieser Studie ermöglichte auch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung.
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in Europa zwischen 1890 und 193966 – sollte Eisners selbstlegitimierende Äußerung mit Vorsicht genossen werden; das illustriert auch die Auswahl der Übersetzer, auf die er sich konzentriert (Camill Hoffmann, Otto Pick, Franz Carl Weiskopf, Rudolf Fuchs). Gewiss gehören die genannten Übersetzer und Kulturvermittler zu den wichtigsten Akteuren der tschechisch-deutschen Vermittlung in den böhmischen Ländern. Es fehlen allerdings weitere wichtige Namen wie etwa Max Brod, der Janáčeks Opern propagierte und deren Libretti übersetzte, und heute daher möglicherweise bekannter ist als die oben genannten Übersetzer. Nicht erwähnt wird auch Franz Werfel, der das Vorwort zur Übersetzung von Petr Bezručs sozialkritischen Gedichten verfasste und an der Fertigstellung der Übersetzungen von Březinas mystisch-symbolischen Gedichten aus der Sammlung Winde von Mittag nach Mitternacht (Větry od pólů) bzw. der Essaysammlung Musik der Quellen (Hudba pramenů) beteiligt war.67 Die Gründe liegen auf der Hand. Wiewohl zweifellos die Ausgangsgattung der Übersetzung problematisiert werden darf (Eisner spricht von „Dichtung“, es ist allerdings nicht eindeutig klar, ob er diesen Begriff in der breiteren Bedeutung der „Dichtkunst“ bzw. Literatur verwendet), betrachtete Eisner Brod doch als Konkurrenten; er führte mit ihm sogar mehrere öffentliche Debatten über die Vermittlungsstrategien der tschechischen Kultur und über die Interpretation der Werke Franz Kafkas, wie Brod sie vertrat (Escher 2011). Ebenso müssen die Adjektiva „Prager“ und „Pragerisch“ einer Revision unterzogen werden. Ohne die enorme Rolle von Prag in Frage zu stellen, wäre es dennoch irreführend, in diesem Zusammenhang ausschließlich über die böhmische (tschechoslowakische) Metropole zu sprechen. Sehen wir uns die zentrale Figur der vorliegenden Publikation an: Emil Saudek, der Übersetzer von Otokar Březina und J. S. Machar, stammte aus Iglau, lebte und arbeitete in Wien. Ein anderes Beispiel ist Karl Eisner von und zu Eisenstein, der ausgezeichnete Übersetzer Antonín Sovas, der nicht jüdisch war und nur zeitweise in Prag wohnte. Allein diese beiden Biographien zeigen deutlich, dass Eisner auf suggestive Weise versuchte, im damaligen kulturellen und gesellschaftlichen Kontext seine Perspektive und seinen ausgeprägten ästhetischen Geschmack durchzusetzen. Von der (neu)romantischen Vorstellung der übergeordneten Stellung der Lyrik gegenüber anderen Gattungen geleitet, nahm Eisner die breite Produktion von Übersetzungen in anderen 66 Vgl. die Textauswahl dieser Konferenz (30.–31.05.2019 im Österreichischen Kulturforum Prag), erschienen in der Zeitschrift Slovo a smysl 17/33 (2020) mit einer Einleitung von Lucie Merhautová (2020a). 67 Siehe Kapitel VII. von Š. Zbytovský, in dem auch die Vorbehalte von Miloslav Hýsek und Emil Saudek gegenüber Eisners Behauptungen analysiert werden.
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Genres, wie etwa Prosa und Theater, nicht wahr. Es muss jedoch wiederum daran erinnert werden, dass Eisner sich hier nicht von seinem Konkurenten Max Brod unterschied, der ähnlich selektiv vorging, wenn er etwa eine geistige Verwandtschaft der Prager deutschschreibenden Autoren suggerierte und diese später als Gruppe (den sog. Prager Kreis) interpretierte, oder wenn er die Werke seines Freundes Franz Kafka deutete (Weinberg 2017). In diesem Text werde ich mich nicht mit dem ‚Glanz und Elend‘ der kulturellen Vermittlung, deren Verlauf und Rezeption sowie deren Auswirkungen in der Ausgangs- und Empfangskultur beschäftigen. Dieser mühsamen und umfangreichen Aufgabe widmeten sich u. a. bereits Ladislav Nezdařil (1952, überarbeitete und gekürzte Ausgabe 1985) und Manfred Jähnichen (1967, 1972), außerdem ein Sammelband mit monographischen, populärwissenschaftlich orientierten Texten, die anlässlich der Ausstellung Praha – Prag 1900–1945. Literaturstadt zweier Sprachen, vieler Mittler (Džambo 2010) entstanden sind. Zu nennen sind weiterhin eine Reihe von unterschiedlich ausgerichteten Studien (Vassogne 2009; Šrámková 2010; Kasten 2016; Kokešová 2021) sowie Sammelbände zu konkreten Persönlichkeiten (Koeltzsch/Kuklová/Wögerbauer 2011; Höhne/Johann/Němec 2013), deren Tätigkeit sich keineswegs auf Kulturvermittlung und Übersetzung beschränkte. Besonders hervorzuheben ist das anhaltende Interesse der Literaturhistorikerin Lucie Merhautová (Kostrbová), die sich mit der Vermittlung tschechischer Literatur in Wien (Kostrbová 2011a) und in Zeitschriften der deutschen Moderne beschäftigt (Merhautová 2016). Erwähnenswert ist auch das Interesse am Verhältnis zwischen slawischen und deutschsprachigen Literaturen, das der Freiburger Slawist Peter Drews (2017) mit Hilfe bibliographischer Verzeichnisse von in Büchern und Zeitschriften erschienenen Übersetzungen (bezeichnenderweise mit Ausnahme der Übersetzungen aus der tschechischen Literatur) erfasst, allerdings nicht gänzlich plausibel interpretiert hat. Ziel dieser Studie ist es, auf der Grundlage von verstreuten, teilweise auch schwer zugänglichen oder gar nicht vorhandenen Quellen die Persönlichkeiten zu charakterisieren, die in der Zeitspanne von ca. sieben Jahrzehnten (1880–1945) mindestens eine deutsche Übersetzung tschechischer Belletristik in Buchform veröffentlicht haben. Die Überlegungen zu den kulturvermittelnden und übersetzerischen Aktivitäten Emil Saudeks – dessen Persönlichkeit und Schaffen im Zentrum des vorliegenden Bandes stehen – im vielschichtigen Kontext der tschechisch-deutsch-jüdisch-österreichischen gesellschaftlichen und politischen Rivalität vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg werfen Fragen genereller Art auf. Aufgrund bisher nicht genauer analysierter, bisweilen schwierig erschließbarer soziokultureller Zu-
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Václav Petrbok
sammenhänge zu den einzelnen Übersetzerinnen und Übersetzern, möchte ich im Folgenden die Hintergründe für ihr Interesse an tschechischer Literatur beleuchten, gegebenenfalls auch die individuellen Voraussetzungen für die Übersetzung tschechischer Literatur. Anschließend werde ich darauf eingehen, wie die Kontaktaufnahme zu den übersetzten Autorinnen und Autoren und zu den Publikationsorganen (Periodika, Verlage) verlief. Dieses Vorgehen ermöglicht es im Anschluss, die neu ermittelten Informationen zu verallgemeinern bzw. sie mit der eingangs zitierten These Eisners zu konfrontieren. Weiterführende Forschung, die mit Hilfe neuer Möglichkeiten wie digitalisierten Zeitungs- und Zeitschriftendatenbanken die Rezeption der Übersetzungen ermittelt und analysiert, könnte dazu beitragen, den Stellenwert der hier besprochenen Tätigkeit – d. h. der Übersetzung – einzuordnen: Einerseits im Kontext der Lebenswelt der einzelnen Akteure – denn in der Regel war das Übersetzen nicht die einzige schöpferische Tätigkeit der Übersetzerinnen und Übersetzer, so dass es vermutlich auch Einflüsse auf das eigene Schaffen hatte, etwa bei der Auswahl von Themen, Stoffen oder der poetischen Mittel. Anderseits aber auch in den Kommunikationssystemen von drei Literaturen zugleich: der tschechischsprachigen Literatur, der deutschsprachigen Literatur, und freilich auch der Literatur der böhmischen Länder. Um den Kontext näher charakterisieren zu können, aus dem Kulturvermittler – wie der Übersetzer, Essayist, Dichter (und im Zivilleben Bankbeamter) Emil Saudek – kamen, müssen nicht nur Sprachbiographie und Schulbildung, sondern auch weitere soziokulturelle Voraussetzungen der einzelnen Akteurinnen und Akteure analysiert werden. Hierbei ist es notwendig, sich stärker auf den Übersetzer als handelnde Person zu konzentrieren, unter permanenter Berücksichtigung seiner Leistungen im konkreten Raum- und Zeitkontext, wie es die sich neu etablierenden Translator studies vorschlagen (Kelletat/Tashinskiy 2014; Kelletat/Tashinskiy/Boguna 2016; Makarska 2020). Meine Aufmerksamkeit gilt dabei nicht nur der Übersetzertätigkeit, sondern v. a. der Problematik der Sprachpraxis der einzelnen Personen, ihrer Verortung, ihrer zeitlichen und räumlichen Variabilität und ihrer Spezifität insbesondere im Feld der Literatur und der Übersetzung. Meiner Überzeugung nach ist dieses Vorgehen sinnvoll: So individuell der Weg zur Kulturvermittlung auch sein mag, ist dennoch auch die Frage nach der (möglichen) Typologisierung relevant. Die soziokulturellen Umstände der Entstehung einer literarischen Übersetzung bzw. die Persönlichkeit des Urhebers oder der Urheberin ist allerdings nur eines von vielen möglichen Kriterien, mittels derer das unten angefügte bibliographische Verzeichnis interpretiert werden kann. Es lässt sich als weiteres und erweiterndes Analyseinstrument über die
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Kontexte des literarischen Vermittelns verstehen, denn schließlich bezogen sich die bisherigen individuellen Urteile über Übersetzer oft hauptsächlich auf den personifizierten Gegenstand ihrer Arbeit (z. B. Svatopluk Čech, Jaroslav Vrchlický, J. S. Machar, Otokar Březina usw.), sowie auf die Qualität, bzw. Angemessenheit der einzelnen Übersetzungen in personaler und zeitlicher Perspektive. Ausgehend von der Bibliographie der Übersetzerinnen und Übersetzer von Buchpublikationen aus dem Tschechischen ins Deutsche einschließlich vertonter Literatur (1880– 1945) stellen sich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgende Fragen: 1) Aus welchen sozialen, kulturellen, konfessionellen, genderspezifischen, regionalen, „nationalen“ Bedingungen bzw. Verhältnissen stammten die Akteurinnen und Akteure und zu welchem Milieu bekannten sie sich? 2) Welche individuellen und sonstigen (kulturellen, gesellschaftlichen) Umstände beeinflussten ihre Entscheidung, sich mit Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche zu beschäftigen? 3) An wen richteten die Akteurinnen und Akteure ihre Übersetzungen, einschließlich der damit zusammenhängenden Publizistik und Literaturkritik? In welche Zeit-, Raum- und Sprachkontexte ist dieser Vorgang einzuordnen? Strebten die Übersetzer eine Institutionalisierung der eigenen Tätigkeit an oder machten sie von bereits existierenden Möglichkeiten Gebrauch? Diese Fragen könnten in verschiedene Richtungen weiterentwickelt werden. Wie hoch war z. B. die Anzahl der Übersetzungen der einzelnen Autorinnen und Autoren in absoluten Zahlen, wann erschienen diese? Wodurch wurde die Auswahl der Themen und der Autorinnen und Autoren bei Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche beeinflusst? Wie kommentierten die einzelnen Akteure ihre Leistungen? Integrierten sie in diese Prozesse eine zweite Sprache (d. h. das Tschechische)? Gelang es ihnen, zu Zwecken der Popularisierung (und zum ökonomischen Nutzen) auch das tschechische Publikum zu gewinnen?68 Die Beantwortung dieser Fragen – es gäbe noch viele 68 Einige allgemeiner formulierte Fragen ermöglichen es m. E. diese Überlegungen im Zusammenhang der literarischen Mehrsprachigkeit in den böhmischen Länder im „langen“ 19. Jahrhundert zu verorten, wobei hier die spezifische Stellung der zwei- und mehrsprachigen Autoren und Autorinnen in den Blick zu nehmen ist. Oft lieferten diese nämlich Übersetzungen in beide Richtungen (z. B. Anna Auředníčková, Otto František Babler, Paul/Pavel Eisner, Zdenka Hostinská, Friedrich/Bedřich Hlaváč, Otto Pick, Hedwig Veleminsky/Hedvika Velemínská), einige übersetzten auch aus anderen Sprachen ins Deutsche (u. a. Elsa Goller, Camill Hoffmann, Otto Pick, Grete Reiner, F. C. Weiskopf) oder ins Tschechische (Karel/Karl Frypés, Arnošt Vilém Kraus, wiederum Otto Pick); in selte-
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mehr – würde jedoch den Rahmen dieser Studie sprengen. Einige Informationen können mit Hilfe der Bibliographie wenigstens angedeutet werden. Es liegt auf der Hand, dass die Beantwortung der formulierten Fragen dazu beitragen könnte, einige Aspekte der biographischen und soziokulturellen Situation der Übersetzerinnen und Übersetzer zu interpretieren. In dieser Studie kann dies jedoch nicht geleistet werden.
2. Biographische und soziokulturelle Kontexte der Übersetzerinnen und Übersetzer Angesichts der Gesamtzahl der auf den ersten Blick nicht ausdifferenzierten Gruppe von 87 Übersetzern und Übersetzerinnen, die zwischen 1833 (Jan Koutek) und 1911 (Otto Eisner) geboren wurden, mag es zunächst überraschen, dass sich auch Frauen relativ oft der literarischen Übersetzung widmeten (17, d. h. 20 %). In fast allen Fällen fehlen genauere Informationen zu deren Schulbildung. Die institutionalisierte Erziehung von jungen Frauen in der gymnasialen Oberstufe bzw. auf der universitären Ebene erfolgte zunächst im privaten, das heißt, staatlich nicht anerkannten Rahmen (das Minerva-Gymnasium in Prag-Neustadt nahm den Unterricht erst 1890 auf, das zweite Mädchengymnasium in den Königlichen Weinbergen noch 15 Jahre später). Obwohl Mädchen allmählich Zugang zur universitären Bildung erhielten (ab 1896 zur philosophischen Fakultät der tschechischen Universität – offensichtlich für die ersten Absolventinnen des Minerva-Gymnasiums, ab 1900 zur medizinischen Fakultät, ab 1918 zur juristischen Fakultät), hatte die Vorbereitung für das Universitätsstudium kein sehr hohes Niveau. Deshalb durften ab 1900 sog. sechsjährige Mädchenlyzeen gegründet werden, deren Absolventinnen bei Interesse an weiterführender Bildung häufig noch zusätzliche Abiturprüfungen ablegen mussten. Andererseits gab es zahlreiche private Bildungsinstitutionen (in Prag waren es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa 40) sowie Klosterschulen, die Schülerinnen aus wohlhabenden Familien neben dem obligatorischen Unterricht in Haushaltstätigkeiten und Musik auch Fremdsprachenunterricht anboten, ganz abgesehen von den zweijährigen Lehrerbildungsanstalten, die angehende Lehrerinnen nen Fällen übersetzte der Autor sein Werk selbst in die zweite Sprache (Antonín Stanislav Mágr, Robert Saudek), wobei die Übersetzungsrichtung schwer zu entscheiden ist.
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ausbildeten (Bahenská 2005; Pánková 2014). Nicht von ungefähr finden sich unter den Frauen, die sich als Übersetzerinnen aus dem Tschechischen ins Deutsche betätigten, beinahe ausschließlich Vertreterinnen adeliger Familien mit künstlerischen Interessen (Wilhelmine Frankl-Rank, Ottilie MalybrokStieler), oder aber Töchter aus wohlhabenden jüdischen Familien, die eine viel längere und intensivere Tradition der Frauenbildung aufwiesen (Anna Auředníčková, Louise Breisky, Marie Rix-Meisl, Grete Reiner-Straschnow, Lisie Schück). In einigen Fällen lässt sich die Motivation der Frauen wohl auch auf die Aktivitäten ihrer Lebenspartner zurückführen (Regina Adler, Zdenka Hostinská, Jana Krausová).69 Häufig wurden sie in einem zweisprachigen Milieu geboren, in dem die Position der Sprachen sozial bzw. kulturell hierarchisiert war, oder aber direkt in einem tschechischsprachigen Umfeld, was ihre perfekte Beherrschung beider Landessprachen zu erklären scheint. Deutsch war (auch aus Prestigegründen) lange Zeit die dominante Kommunikations- und Kultursprache von sozial höher gestellter – im jüdischen Milieu beinahe aller – Familien. Bei den männlichen Vertretern spielt die konfessionelle und soziale Herkunft keine so eindeutige Rolle. Unter den nicht-jüdischen Übersetzern lässt sich nur in einigen Fällen ein zweisprachiges Familienumfeld (bei adeligen Autoren wie Erwin von Nádherný von Kind auf, bei anderen wie Karel Frypés und Spiridion Wukadinović erst im Erwachsenenalter) oder eine deutschsprachige Schulbildung nachweisen (Klaudius Běhal, Anton Smital, Jan Spáčil-Žeranovský). Selbstverständlich konnten alle genannten Umstände einschließlich des Geburtsorts (Libochowitz bei Karl/Karel Müller, die Region Wischau bei Paul Josef Harmuth) den unterschiedlichen, oft allmählich gewonnenen Kenntnisgrad beider Sprachen (hier in der Regel des Tschechischen), der für eine adäquate Bewältigung der literarischen Übersetzungsarbeit nötig war, bedingen bzw. ergänzen. Für das von Eisner zurecht erwähnte jüdische Milieu muss allerdings ebenfalls eine Korrektur angeführt werden. Obwohl verhältnismäßig viele Akteure aus einem jüdischen Milieu stammen (32 von insgesamt 70 männlichen Autoren, d. h. 46 %; diese An69 Infolge des gewählten Kriteriums – Übersetzungen in Buchform – werden Übersetzungen in Zeitschriften nicht behandelt. Nicht aufgeführt werden deshalb etwa die Übersetzungen von Irma Hoffmann, Camill Hoffmanns Ehefrau, die Erzählungen von F. X. Svoboda in Zeitschriften veröffentlichte. Außen vor bleiben außerdem Arbeiten von Elsa Brod, der Ehefrau von Max Brod (einschl. ihrer Buchübersetzungen aus dem Russischen) oder die übersetzerische Unterstützung von Elsa Saudek bei der Arbeit ihres Mannes Emil Saudek (laut seinem Zeugnis), bzw. von Maria Frypés bei den Übersetzungen von K. Frypés.
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gabe konnte wenigstens ermittelt werden), darf diese verlockend eindeutige Hypothese keinesfalls verabsolutisiert werden. Auch das variable und subjektive ästhetische Kriterium, für das Eisner so sehr eintrat, ist nicht stichhaltig: So genossen Übersetzungen aus der tschechischen Literatur durch nicht-jüdische Übersetzer (Z. Baudnik, P. J. Harmuth, E. Albert) ein relativ hohes Ansehen, etwa zeitgenössische Lyrik oder Baudniks Übersetzung von J. A. Komenskýs Labyrint světa a ráj srdce (Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzen, dt. 1958, 1964, 1970, mit einem Vorwort von P. Kohout, 1985, 2008). Zu nennen sind außerdem Julius Zeyers Prosatexte in Übersetzung von P. Lokota und P. J. Harmuth, ganz abgesehen von den viel späteren Karel-Čapek-Übersetzungen von Julius Mader, der sich nach 1938 eindeutig mit dem nationalsozialistischen Umfeld identifizierte und bis auf eine Ausnahme keine weiteren Übersetzungen publizierte (Zbytovský 2018).70 Die jüdischen Intellektuellen gehören heute zweifellos zu den am stärksten im Gedächtnis verhafteten Kulturvermittlern zwischen Tschechen und Deutschen (Petrbok 2014; Koeltzsch 2018). Auf der Grundlage der ermittelten Daten lassen sich weitere bemerkenswerte Umstände ihrer Übersetzungstätigkeit anführen. Beinahe alle kamen aus einem tschechischsprachigen ländlichen oder kleinstädtischen Umfeld, aus Prag oder in Ausnahmefällen auch aus Wien (Georg Mannheimer, dessen Familie jedoch bald nach Böhmen übersiedelte; Topoĺská 1971; Zbytovský 2019); bzw. aus Mähren (Oskar Donath, Otto Eisner, Heinrich Herbatschek) oder Österreichisch-Schlesien (Leopold Leschner). Die älteste Generation, die noch vor der zweiten Migrationswelle außerhalb von Prag und anderen großen Städten geboren wurde (Friedrich Adler, Jacob Fürth, Emerich Falk, Josef Weinberger), erklärte überwiegend Deutsch zu ihrer Verkehrssprache, wiewohl sich bereits in dieser Generation auch erste „Tschechen“ finden (Arnošt Kraus). Die Inklination zur deutschen Sprache und Kultur bei den böhmischen und mährischen Juden (mindestens bis in die 1870er Jahre hinein) ist auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzufühen. Eine entscheidende Rolle spielte die Tatsache, dass das Deutsche nicht nur mehrheitliche Unterrichtssprache an Gymnasien und Universitäten, sondern auch fast ausschließliche Unterrichtssprache der 70 In diesem Zusammenhang wurde die Übersetzung des zu dieser Zeit sehr beliebten Romans von Jaroslav Žák Der Klassenkampf (Študáci a kantoři, 1937), der 1941 im Berliner Stephenson-Verlag erschien, bibliographisch noch nicht erfasst. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen Maders Übersetzungen bzw. ihre Überarbeitungen weiterhin in allen deutschsprachigen Ländern, darunter auch die Übersetzungen von Čapeks Antikriegs-Romanen Válka s mloky (Der Krieg mit den Molchen, dt. 1954, 1956) oder Krakatit (Krakatit. Die große Versuchung. Eine Atom-Phantasie, dt. 1949, 1950, 1960, 1978, 1981, 1984).
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sog. jüdischen Normalschulen war. Die zweite, zahlenmäßig stärkste Generation der 1880er und 1890er Jahre stammte aus kulturell und konfessionell assimilierten Familien, häufig ansässig in Prag (M. Brod, P. Eisner, O. Pick, F. Werfel) oder in tschechischsprachigen Regionen Mittelböhmens (C. Hoffmann, R. Fuchs, Ludwig Karpe), Ostböhmens (Arne Laurin, Ernst/Arnošt Mandler, Karl Nowak alias Isaak Reismann, E. Saudek, Rudolf Traub, Viktor Vohryzek) bzw. Südböhmens (Otto Katz). Während bei mittelständischen jüdischen Familien aus Prag Sympathien zum deutschsprachigen Kulturumfeld und somit auch zum Deutschen als Verkehrssprache zu verzeichnen sind, erklärten viele Landjuden in Mittelböhmen das Tschechische zu ihrer Verkehrssprache, oft in Übereinstimmung mit einem niedrigeren sozialen Status (z. B. bei Kafkas Großeltern väterlicherseits, in ähnlicher Weise belegt auch bei den Großeltern von O. Pick und M. Brod). Gerade die Eltern der Generation Kafka, Brod oder Werfel waren es, die sich in Prag niederließen und ihre Söhne im Bestreben auf einen gesellschaftlichen Aufstieg in deutschsprachige Schulen schickten, zugleich aber auch mit dem tschechischen Umfeld in Kontakt blieben (Iggers 1981). In den Familien dieser zweiten Generation war das Verhältnis der beiden Landessprachen bereits ausgeglichener (mit Ausnahme von Prag, wo das Deutsche überwog). Damit bestätigt sich Kateřina Čapkovás Hypothese (2005: 57) von der Stärkung der Position des Tschechischen als Verkehrssprache gerade bei der ersten Generation jüdischer Absolventen tschechischer Gymnasien, vorwiegend aus Mittel-, Süd- und Südostböhmen, die sich seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahren oft mit der neu entstandenen tschechisch-jüdischen Bewegung identifizierte. Ein führender Vertreter dieser Bewegung war z. B. Viktor Vohryzek, Arne Laurin gehörte zu den Anhängern, aus der älteren Generation zeitweilig auch A. Kraus. Die jüngste Generation, die in den 1890er Jahren und später geboren wurde, war bereits in einem tschechischsprachigen Umfeld akkulturiert. Dies umfasste auch die Schulbildung – das System des Tschechischunterrichts mitsamt seiner Lehr- und Lesebücher hatte sich weiterentwickelt, die Bohemistik war seit 1905 bzw. seit 1912 als Fach an der Prager deutschen Universität institutionalisiert. Auch hier müssen allerdings die Intensität und das Niveau der Aneignung des Tschechischen bzw. die Unterrichtsqualität individuell betrachtet werden. So beteiligte sich etwa F. C. Weiskopf, der in einer bilingualen Familie aufgewachsen war (seine Mutter sprach Tschechisch als Erstsprache), an der Übersetzung eigener Werke ins Tschechische und berichtete regelmäßig über
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die tschechische Kulturszene,71 er beherrschte die tschechische Sprache eindeutig besser als Franz B. Steiner, der – wahrscheinlich aus privaten Beweggründen – eine Auswahl von Gedichten seines Freundes Emanuel Lešehrad übersetzte (Die Planeten, 1935), darüber hinaus aber keine Übersetzungen aus dem Tschechischen veröffentlichte. Steiner beschäftigte sich mehr mit Ethnologie und Kulturgeschichte, die Sprache seiner Publikationen war – mit Ausnahme seiner eigenen Gedichte, die er auf Deutsch verfasste – das Englische. Ausnahmefälle stellen die beiden folgenden Persönlichkeiten dar: Zunächst der deutsche Exilant Frederic/Fritz W. Nielsen, der 1933 in die Tschechoslowakei emigrierte. Er wirkte als Rezitator, Publizist und Übersetzer und musste nach 1938 erneut ins Exil gehen, diesmal nach Großbritannien, nach dem Krieg in die USA. Jähnichen zufolge (2003) eignete er sich das Tschechische erst vor Ort und sehr schnell im tschechoslowakischen Exil an. Die zweite Persönlichkeit war der in Bosnien geborene, seit seiner Jugend in Mähren ansässige Otto František Babler, einer der produktivsten Übersetzer der tschechischen Literatur überhaupt. Seine Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche machen im Vergleich mit den Übertragungen aus und in andere Sprachen eindeutig einen kleinen Teil seiner Tätigkeit aus und fallen überwiegend in die Zeit nach 1945 (Hrdinová 2008). Mit Ausnahme von Babler und Werfel, die als Berufsschriftsteller bzw. Übersetzer gelten können, übten alle weiteren genannten Übersetzer verschiedene bürgerliche Berufe aus, die häufig nur sehr lose mit der Übersetzertätigkeit zusammenhingen – oft waren sie z. B. Redakteure und Publizisten (K. Běhal, K. Müller, O. Pick, A. Smital), ferner Juristen (F. Adler, K. Frypés, Bohuš Lepař, L. Leschner, E. Saudek, Hans Singule, R. Traub), Lehrer (Franz/František Bauer, Z. Baudník, O. Donath, P. J. Harmuth, Franz Jurenka, Marie Kwaysser, René Wellek, Spiridion Wukadinović), Beamte (P. Eisner, Friedrich Karl Pick, Václav Melichar, Gustav Pawikovski, B. Wellek), Ärzte (E. Albert, Friedrich/Bedřich Drož, Viktor Vohryzek), Soldaten (Eduard Neumann, J. Weinberger), Unternehmer (Edmund Kirsch), Grundbesitzer (E. Nádherný von Borutín), in Ausnahmefällen auch Künstler aus anderen ‚Kunstbranchen‘ (E. Mandler). Anders war es bei den Frauen – sie übten ihre übersetzerische Tätigkeit meistens als Hauptberuf aus, den überwiegenden Teil des Einkommens brachten weiterhin ihre Partner bzw. andere Familienmitglieder ein. Ohne die Bedeutung der biographischen Umstände für das untersuchte Thema marginalisieren zu wollen, ist offensichtlich, dass neben der sprach71 Zu Weiskopfs übersetzerischen und publizistischen Bohemica, einschließlich seiner Zeit im amerikanischen Exil (die Anthologie Hundred Towers: a Czechoslovak Anthology of Creative Writing, 1941) vgl. Václavek (1965).
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lichen Versiertheit und stilistischen Gewandtheit der Übersetzerinnen und Übersetzer als relevantes kulturelles Kapital auch die Kenntnis des literarischen und kulturellen Kontextes der tschechisch- bzw. deutschsprachigen Kultur eine bedeutende Rolle spielte. Ebenso wichtig war die damit einhergehende Fähigkeit, auf die Nachfrage des Literaturmarktes reagieren zu können bzw. diese selbst zu schaffen, wie auch eine gewisse Risikobereitschaft, die mit der aufzubringenden Zeit, Energie und nicht zuletzt dem finanziellen Aufwand für die Publikation zusammenhing. Diese höchst mannigfaltigen Voraussetzungen für eine positive Resonanz auf eine übersetzerische Leistung sind bei der Analyse der Leistungen der Übersetzer ebenfalls mitzuberücksichtigen.
3. Publikum und Motivation Die angeführten Umstände von Bablers und Nielsens Übersetzerkarrieren liefern ansatzweise bereits Antworten auf die zweite Frage nach der Motivation der einzelnen Autoren, die da lautet: Warum widmeten sie sich überhaupt der Übersetzung aus der „kleinen“, sich erst etablierenden modernen tschechischen Literatur, mitsamt ihren nicht selten sehr spezifischen Themen – etwa kultureller Art, einschließlich einer gewissen thematischen Begrenzung – in den großen deutschsprachigen Literaturraum? Zieht man in Betracht, dass die gesellschaftliche und politische Situation in den böhmischen Ländern ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in beträchtlichem Ausmaß von nationalen Auseinandersetzungen (in den Straßen von Prag, Brünn und weiteren Städten im tschechisch-deutschen Grenzgebiet gipfelten sie in einigen Fällen in offener Gewalt), dann wieder von Zeitspannen relativer Ruhe bestimmt wurde, liegt es auf der Hand, dass sich auch die Bedingungen für die Kulturvermittlung häufig änderten. Das hiervon abhängige Übersetzen wurde von komplizierten Prozessen der Aushandlung, der Restriktionen, der (Auto-) Zensur beeinflusst, umso mehr, da es – genau wie alle Facetten der Buchkultur inklusive des Buchverkaufs – mit finanziellen Kosten verbunden war, etwa mit dem Erwerb von Übersetzungsrechten und (gegebenenfalls) auch mit einem Übersetzerhonorar. Zunächst engagierten sich deshalb überwiegend tschechische Akteure im Bereich der Übersetzung, u. a. auch deshalb, um mit Hilfe der übersetzten Texte eine entsprechende kulturpolitische Deutung der
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tschechischen Nationalbewegung durchzusetzen.72 Merhautová (2016: 11f.) erinnert an eine Diskussion über geeignete Übersetzer und den Einfluss von Konkurrenzverhältnissen ab Mitte der 1880er Jahre. Angestoßen wurde diese von dem Vrchlický-Übersetzer Edmund Grün, der die Frage aufwarf, wer der geeignetere Mittler sei: Ein Akteur der tschechischsprachigen Kulturszene, bei dem die Kenntnis des tschechischen Kulturkontextes vorauszusetzen sei, oder ein deutschsprachiger Akteur, der nicht über die entsprechende Sachund Sprachkompetenz verfüge, jedoch in der Lage sei, „im Geiste der deutschen Sprache zu denken und zu fühlen“ (Grün 1886: 5).73 Wie Merhautová darlegt, war die ästhetische Wirkung also nicht unbedingt eine Bedingung für den Erfolg der Publikation (eine Reihe von übersetzten Titeln wurde aus verschiedenen Gründen übrigens gar nicht veröffentlicht), genausowenig wie für eine positive Aufnahme durch die Kritik, und dies in beiden Sprach- und Kulturräumen. Die Textinterpretationen, die Grün zusammen mit seinen ästhetisch nicht sonderlich gelungenen Übersetzungen vorlegte, lösten eine Diskussion über den Stellenwert der tschechischen Literatur im breiteren literarischen Kontext aus, die zum Ziel hatte, „das Misstrauen und die Vorurteile gegenüber der tschechischen Literatur zu überwinden“. Dazu eigneten sich sowohl Vrchlickýs eigene Werke mit ihrem universellen Charakter als auch seine Übersetzungen aus dem Deutschen. Möglicherweise waren die Auseinandersetzungen über den „repräsentativen“ Status dieser oder jener Persönlichkeit der tschechischen Literatur auch inspirierend für die (Selbst-)Reflexion der Autoren über ihre eigene Position innerhalb der deutschsprachigen Literatur (Merhautová 2016: 66f.). Auch aus diesem Grund sollte die Frage nach einer derart subtilen Angelegenheit wie der Motivation auf einen weiteren Bereich ausgedehnt werden, und zwar auf die erwünschte (und real erreichte) Leserschaft der jeweiligen Publikationsorgane in den konkreten Zeit- und Raumkontexten beider Sprachräume. Das mit Abstand häufigste Publikationsorgan für die Veröffentlichung tschechischer Belletristik in deutscher Übersetzung war seit den ausgehen72 Siehe die Passagen zur älteren Generation von Kulturvermittlern, u. a. Josef Wenzig oder Alfred Waldau in Jähnichen (1967). 73 Die Frage nach der Tauglichkeit einer Übersetzung ins Deutsche durch einen tschechischen Übersetzer, „der zwar das Hochdeutsche kennt, der aber nicht unter dem Volk gelebt hat, und das Alltagsdeutsch nicht kennt, diese besondere Art, die Sprache umzuformen und sie von Mund zu Mund weiterzugeben,“ stellte sich Jozef Kuffner (1885) in der Rezension der Übersetzung von Nerudas Kleinseitner Geschichten (Povídky malostranské) von Franz Jurenka.
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den 1870er Jahren das deutschsprachige Tagblatt Politik (seit 1907 Union). Gegründet 1862 von Jan Stanislav Skrejšovský als deutschsprachiges Organ der Nationalpartei (Národní strana), verfolgte es vor allem das Ziel, tschechische politische Forderungen im deutschsprachigen, teilweise national indifferenten, mittelständischen Milieu zu verbreiten. In dem Blatt erschienen auch längere belletristische Texte in Fortsetzung, vorwiegend Prosa (z. B. von Václav Hladík und Božena Viková Kunětická in der Übersetzung von Viktor Nessler sowie Texte von Alois Jirásek in der Übersetzung von K. Frypés), die sich die Leser nachträglich selbst zu einem Buch binden konnten. Jaroslav Kamper, Literaturredakteur bei Politik und Union, beteiligte sich gemeinsam mit dem Verleger Jan Otto an der Gründung und Profilierung der institutionalisierten Buchedition Slavische Romanbibliothek, in der auch einige Übersetzungen tschechischer Romane ins Deutsche erschienen, allerdings ohne größere Resonanz auf der deutschen Seite (Sak 2002: 91f.).74 Dank seiner Bekanntheit als Arzt und Universitätsprofessor konnten Eduard Albert sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Übersetzungen bereits zehn Jahre zuvor in der vierbändigen Edition Poesie aus Böhmen (1893–95) beim Wiener k.k. Hof- und Universitätsbuchhändler Hölder publizieren (großteils jedoch auf eigene Kosten).75 Einen ähnlichen Versuch, das Übersetzen tschechischer Literatur ins Deutsche zu institutionalisieren, unternahm O. Pick später in seiner Rolle als Ausschussmitglied des tschechoslowakischen PEN-Klubs (Krátká 2003: 42, 45, 48). Überraschenderweise war Pick nicht am Editionsprofil der Mars-Verlagsgesellschaft (Hall 2021) beteiligt, in der zwischen 1935 und 1938 in Koedition mit einigen Verlagen im Deutschen Reich mehrere Übersetzungen tschechischer Gegenwartsliteratur erschienen. Es überrascht ferner, dass die deutschsprachige Zeitung Prager Presse, in der von 1921 bis 1938 eine beträchtliche Zahl von Übersetzungen aus der tschechischen Literatur erschien, keine vergleichbaren Anstrengungen wie Kamper und Otto unternahm – es sei denn, man betrachtet das dem Außenministerium unterstehende Unternehmen Orbis, das neben der Prager Presse auch die Zeitschrift Prager Rundschau herausgab, als derartige Verlagsplattform (Topor 2019a). Bei Orbis, das über eine eigene Druckerei verfügte, erschienen einige Buchübersetzungen, die durchgehend auf die Propagierung von Kultur, Literatur und historischem Kulturerbe abzielten. Die literarische Agentur Centrum bzw. Uni74 Bereits 1875 versuchte Josef Wenzig gemeinsam mit dem Verleger F. A. Urbánek eine ähnliche Buchedition ins Leben zu rufen. In ihrer Bibliothek slavischer Poesien in deutscher Uebertragung erschienen jedoch nur zwei Titel, nach einem Jahr wurde sie eingestellt. Vgl. auch Jähnichen (1972: 45). 75 Siehe Kapitel I. von L. Merhautová, bzw. Kokešová (2021: 73ff.).
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versum als dauerhaftere Plattform für die Übersetzung, Propagierung und Distribution tschechischer Literatur betrieb Vincy Schwarz, der sich gemeinsam mit O. Pick (siehe hierzu Václavek 1966) auch an der Übersetzung einiger Werke von Karel Čapek beteiligte. Ein ganz ähnliches Vorhaben des sozialdemokratischen bzw. kommunistischen Publizisten und Übersetzers K. Nowak alias I. Reismann war jedoch nicht erfolgreich.76 Einige Übersetzungen hatten dank der Veröffentlichung in bestehenden Editionsreihen diverser, überwiegend jedoch reichsdeutscher Verlage, die Chance auf eine stärkere Resonanz. Eine große Rolle spielte hierbei das soziale Kapital, also ein gutes Netzwerk der Übersetzer – fast ausnahmslos in der deutschsprachigen Verlags- und Literaturszene. In der berühmten Universal-Bibliothek des Leipziger Reclam-Verlags, die seit 1867 erscheint, wurde etwa die bereits von Eisner zitierte Vrchlický-Übersetzung Gedichte (1894/95, 2. erweiterte Ausgabe 1924) von F. Adler publiziert, im gleichen Jahr auch der Lyrikband Farbige Scherben (Barevné střepy) in der Übersetzung von Edmund Grün. Bereits zuvor erschienen auch eine zweibändige Auswahl aus Nerudas sozialkritischen Genrebildern (1883; Auswahl aus Arabesky [Arabesken] und Trhani [Lumpensammler]) und eine weitere Übersetzung von Němcovás Großmutter (1885; Babička) von A. Smital.77 Außerdem gab Reclam eine Übersetzung von Svatopluk Čechs Erzählung Unter Büchern und Menschen (1882, 1910; Mezi knihami a lidmi) sowie eine Auswahl aus dem erzählerischen Werk Čechs unter dem Titel Novellen (1895) heraus, letztere zusammengestellt und übersetzt von dem tschechischen Gymnasiallehrer F. Bauer, der am deutschen Gymnasium in Prag Neustadt (Stephansgasse) unterrichtete. Robert Saudek übersetzte für dieselbe berühmte Edition Kvapils Stück Freie Wolken (1905; Oblaka), zweifellos dank seiner weitreichenden Kontakte in Deutschland. Eine Auswahl von Julius Zeyers Kurzprosa in der Übersetzung des späteren Ehepaars P. Lokota 76 Karl Nowak gründete Ende der 1920er Jahre die Agentur Reismann Central Europe Foreign Press in Prag (die Firmenadresse lautete Korunní 150, Praha XII). Er übersetzte Kinderliteratur (J. Wolker, K. Čapek) und bereitete die Anthologie Tschechische Novellen (Šmilovský, Herrmann, Rais, Baar, Jirásek, Machar, Wolker, Hůlka) vor, die im Verlag Die Wölfe in Leipzig-Plagwitz hätte erscheinen sollen (LA PNP, Fonds Varia, Mappe Karl Nowak/ Isaac Reismann, Briefe u. a. von K. Čapek, A. Jirásek, I. Herrmann). 77 Der heute bereits vergessene Anton/Antonín Smital war zu seiner Zeit ein angesehener Publizist und Romancier, er wirkte zunächst in Prag (als Beamter, später als Feuilletonist und Übersetzer in Česká politika, Hlas národa, Politik und Moravská orlice). Aus finanziellen Gründen siedelte er nach Wien über, wo er auf Fürsprache von A. Klaar in der Arbeiterzeitung angestellt wurde. Nach seinem Tod konstatierte ein Teil der tschechischen Presse, Smital sei „auf die deutsche Seite gewechselt“ (siehe ein kritischer Bericht in Rozhledy; J. K. 1897/98).
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und P. J. Harmuth erschien beim Münchner Marchlewski-Verlag in der Internationalen Novellen-Bibliothek, die sich vor allem auf slawische und skandinavische Literaturen konzentrierte. Nach 1910 wuchs infolge der Tätigkeit der jüngeren Generation aus Prag – also der Generation mit Kontakten zum reichsdeutschen Kontext, die Eisner meinte –, die Anzahl der in Deutschland publizierten Übersetzungen, z. B. im renommierten Verlag von K. Wolff. Erwähnt sei die berühmte Antikriegs-Anthologie Jüngste tschechische Lyrik in Pfemferts Aktion-Verlag, an der neben E. Saudek auch P. Eisner, R. Fuchs, H. Janowitz, J. Löwenbach, O. Pick und E. Pollak beteiligt waren. Eisner gelang es, allerdings nicht ganz reibungslos, einige Titel im Münchner Piper-Verlag unterzubringen (Kasten 2016), während seine Auswahl tschechischer Poesie für den Insel-Verlag in Leipzig dank der großzügig angelegten, letzten Endes jedoch nicht vollständig realisierten Österreichischen Bibliothek erscheinen konnte (Kostrbová 2011b). Einige Übersetzungen wurden von diversen Interessengruppen und Vereinen (H. Herbatschek; L. Karpe, hierzu Hájek 2009, bzw. Václavek 2010), von kirchlichen oder anderweitig profilierten Verlagshäusern (z. B. zwei Bände mit ausgewählten Erzählungen Zeyers in der Übersetzung von Wilhelmine Frankl-Rank im katholischen Verlag Josef Habbel in Regensburg) oder sogar von Verlagen politischer Parteien herausgegeben, etwa Kouteks Übersetzung der Lieder eines Sklaven im sozialdemokratischen Dietz-Verlag in Stuttgart. Die Theaterstücke von J. Wolker und K. Driml erschienen in Übersetzung beim Leipziger Arbeiter-Theaterverlag A. Jahn, dem größten Laientheaterverlag in Deutschland. Die Erforschung der Briefwechsel von Übersetzern und Übersetzerinnen mit ihren Mäzenen (z. B. Josef Hlávka)78 bzw. mit Institutionen, die Übersetzungsstipendien sowie Druckzuschüsse für Publikationen vergaben (Národní rada česká [Tschechischer Nationalrat], Česká akademie císaře Františka Josefa pro vědy, slovesnost a umění [Böhmische Kaiser-Franz-Josef-Akademie für Wissenschaften, Literatur und Kunst]), wird gewiss weitere Kontexte von realisierten wie unrealisierten Publikationsprojekten zu Tage fördern. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die zweibändige Anthologie von Aufsätzen und Übersetzungen Aus dem modernsten Böhmen, die E. Saudek und O. Pick kurz vor dem Ersten Weltkrieg herausgeben wollten. Von Interesse wären sicherlich auch die verlegerischen Hintergründe des größten überset78 So bedankte sich etwa Josa Höcker wiederholt bei Hlávka für dessen Unterstützung und Zuneigung (J. Höckerová an J. Hlávka, LA PNP, Fonds J. Hlávka, s. a.; möglicherweise im Zusammenhang mit der geplanten Übersetzung von J. Zeyer). Ein Jahr früher beantragte (und erhielt) J. Fürth 100 Gulden als Zuschuss für die Übersetzung der Gedichte von J. Vrchlický (J. Fürth an J. Hlávka, 05.12.1902, LA PNP, Fonds J. Hlávka).
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zerischen Erfolgs überhaupt – Hašeks Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války (Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkrieges) in der Übertragung von Greta Reiner-Straschnow im Verlag von Adolf Synek (Makarska 2016; Hall 2021). Ein erheblicher Teil der Übersetzungen wurde von den Übersetzern im Selbstverlag herausgebracht und den Buchhändlern in Kommission gegeben. Dies gilt für den Großteil der Übersetzungen älterer tschechischer Poesie (F. L. Čelakovský von F. K. Pick, A. Heyduk von E. Kirsch, K. H. Máchas Máj /Mai/von K. Müller und E. Neumann, die erste Ausgabe von H. Herbatscheks Anthologie Aus dem Bildersaal eines verkannten Kulturvolkes, Übersetzungen von F. W. Nielsen und höchstwahrscheinlich auch von J. Weinberger), jedoch auch für neuere Titel. So publizierten etwa P. Eisner, A. S. Mágr und O. Pick bibliophile Ausgaben ihrer Übersetzungen aus der Prager Presse im befreundeten Orbis-Verlagshaus. Dieses zweifellos selbstlose Vorgehen hatte jedoch ein nur sehr begrenztes Echo. Zwar verlieh es den übersetzten (und noch lebenden) Autoren, manchmal auch den Übersetzerinnen und Übersetzern, ein gewisses exlusives Prestige, oftmals aber eher den Anschein von interessanter Kuriosität. In den allermeisten Fällen gerieten jedoch sowohl die Übersetzungsleistungen wie auch alle weiteren Information über deren Urheber in Vergessenheit. Die traumatischen Kriegsereignisse trugen hierzu sicherlich bei. Die jüdische Bevölkerung der böhmischen Länder wurde ausgelöscht, die widerständige tschechische Bevölkerung wurde dezimiert und die deutschsprachige Bevölkerung nach dem Krieg vertrieben. Die tschechisch-deutsche Vermittlung, insbesondere aber ihre Erforschung, veränderte sich aus einer Reihe von Gründen radikal und kam in einigen Bereichen gänzlich zum Erliegen.
Zum Schluss Abschließend schlagen wir einen Bogen und kehren zu Eisners Zitat vom Anfang zurück: Angesichts der neu ermittelten Informationen wäre es allzu einfach, die Äußerung kurzerhand zurückzuweisen. Seine Worte, eine Art inneres Bekenntnis mit einer moralischen Botschaft, erinnern uns – im Rückblick auf die Zeit vor mehr als 90 Jahren – an die Notwendigkeit, das Verdienst jüdischer Übersetzer anzuerkennen; Eisners Worte vermitteln jedoch auch die damals gängige Überzeugung, die Literatur als Gipfel der Kul-
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turleistungen anzusehen. Indem wir Eisners Äußerung ein wenig präzisiert, differenziert und um weitere Aspekte biographischen und soziokulturellen Charakters ergänzt haben, wollten wir den (oft) Ungenannten Ehre bezeugen, „die sich, dem nationalen Konsensus beider sprachlichen Gemeinschaften zum Trotz, entschieden haben, als Brückenbauer zu wirken“ (Budňák 2019: 106). Wir tun das auch im Wissen um die ambivalente Bewertung dieser ein wenig abgenutzten Metapher.
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Übersetzerinnen und Übersetzer literarischer Buchpublikationen aus dem Tschechischen ins Deutsche einschließlich vertonter Literatur (1880–1945) Adler, Friedrich (1857 Kosova Hora/Amschelberg – 1938 Prag) Jaroslav Vrchlický: Gedichte. Leipzig: Philipp Reclam 1894 (= Universal Bibliothek, 3431–3432), 2. erw. Aufl. 1925 (= Universal Bibliothek, 3431–3433); Der Bäume Rauschen ist verstummt – Seufzer (Text: V. Hálek, übersetzt von F. Netopil, J. Vrchlický, übersetzt von F. Adler; Musik: F. Musil). Wien: Lvovský [1900?]; Píseň Rusalky o měsíčku – Rusalka’s Lied an den Mond (Text: Jaroslav Kvapil; Musik: Antonín Dvořák). Praha: Hudební matice Umělecké besedy [ca. 1911], 2. Aufl. 1922., 11. Aufl. 1936; Tři písně = Drei Lieder (Text: J. z Wojkowicz, O. Březina, V. Dyk; Musik: O. Ostrčil). Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1921; Ženě – Dem Weibe (Text: F. Šrámek, S. K. Neumann; Musik: J. Tomášek). Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1922; Kantáta o posledních věcech člověka (Volksdichtung, Musik: L. Vycpálek). Praha: Hudební matice Umělecké besedy [ca. 1922], 2. Aufl. 1926; V Boží dlani – In Gottes Hut (Text: W. Brjussow in der tschechischen Übersetzung von P. Křička, Musik: L. Vycpálek). Praha: Hudební matice Umělecké besedy [ca. 1923]; Tiché pole – Stiller Acker (Text: J. V. Sládek, Musik: A. Bednář). Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1924; Cizí host – Der fremde Gast (Text: K. J. Erben, Musik: O. Ostrčil). Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1924; Potulný šílenec – Des Narren Irrfahrt (Text: R. Tagore in tschech. Übersetzung von F. Balej, Musik: L. Janáček). Praha: Hudební matice Umělecké besedy [ca. 1925]; Památník ze staré školy – In der alten Schule. Erinnerungen ans Vaterhaus (Text: J. Křička, Musik: J. Křička). Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1925; Z Moravy – Aus Mähren (Volksdichtung; Musik: L. Vycpálek). Praha: Hudební matice Umělecké besedy [ca. 1926]. Adler, Regine (1870 Třebíč/Trebitsch – 1943 Ghetto Theresienstadt) Gustav Habermann: Aus meinem Leben. Wien: Tempsky 1919 (Vorwort F. Soukup, Geleitwort F. Adler); Jan Patrný: Männer altern nicht. Prag VII [Nad Štolou 6]: Theateragentur Centrum 1927 (für die deutsche Bühne eingerichtet von O. Pick); Jan Patrný: Frauen altern nicht. Prag VII [Nad Štolou 6]: Theateragentur Centrum 1926 (für die deutsche Bühne eingerichtet von O. Pick). Albert, Eduard (1841 Žamberk/Senftenberg – 1900 Žamberk) Neuere Poesie aus Böhmen. Anthologie aus den Werken von Jaroslav Vrchlický. Wien: Hölder 1893; Poesie aus Böhmen. Fremde und eigene Übersetzungen aus dem Böhmischen. Wien: Hölder 1893; Neueste Poesie aus Böhmen. 1. Die der Weltliteratur conformen Richtungen. Wien: Hölder 1895; Neueste Poesie aus
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Böhmen. 2. Die nationalen Dichtungen. Wien: Hölder 1895; Lyrisches und Verwandtes. Wien: Hölder 1900; Karel Jaromír Erben: Blumenstrauß. Wien: Hölder 1900. Auředníčková, Anna (1873 Prag – 1957 Prag) Ignát Herrmann: Ausgewählte Geschichten. Prag: J. Otto 1908 (= Slavische Romanbibliothek, 10); Karel Čapek: Das Absolutum oder die Gottesfabrik. Berlin: Die Schmiede 1924; Dreissig tschechische Erzähler. Darmstadt: Darmstädter Verlag 1932, 2. Aufl. 1933; Emil Vachek: Die Hühnersteige. Zürich – Wien – Prag: Büchergilde Gutenberg 1935; Charlotte Masaryk. Ein Gedenkbuch. Wien: Montsalvat-Verlag Weidmann & Co. – Leipzig: Hermann & Schulze 1936. Babler, Otto Friedrich (1901 Zenica/Bosnien – 1984 Samotíšky u Olomouce) Tschechoslowakische Anthologie, hrsg. unter Mitarbeit von Otto F. Babler von Wilhelm Szegeda. Brünn: Selbstverlag 1936; Otokar Březina: Ein Motiv aus Beethoven: Aus des Dichters Buch „Geheimnisvolle Fernen“ [1895]. Am Heiligen Berge bei Olmütz: Selbstverlag 1938. Batka, Richard (1868 Prag – 1922 Wien) Festgesang für gemischten Chor mit Orchesterbegleitung (Text: J. Vrchlický; Musik: A. Dvořák; italienische Übersetzung von G. Trinko). Prag, Leipzig: M. Urbánek [ca. 1908]; Stromer – Liedchen (Text: unbekannt; Musik: R. Friml). Praha: M. Urbánek [ca. 1908]; Patero zpěvů – Fünf Gesänge (Text: F. L. Čelakovský, V. Hanka, V. Hálek; Musik: Z. Fibich). Praha: M. Urbánek [s. d.]; Jessika: komische Oper in drei Aufzügen (Text nach W. Shakespeare von J. Vrchlický; Musik J. B. Foerster). Wien: Universal Edition 1909 (= Universal-Edition, 2643); Notturno (Text: J. Vrchlický, Musik: K. Bendl). Praha: Mojmír Urbánek [ca. 1910]; Die Dirne: Lied (Text: K. Hašler; Musik: C. Pospíšil). Prag: Leipzig: Mojmír Urbánek [1911]; Vše je Tvé (Text: R. Jesenská, Musik: L. Kozel); Praha: M. Urbánek [s. d.]; Čert a Káča – Die Teufelskäthe (Text: A. Wenig; Musik: A. Dvořák). Praha: M. Urbánek 1908, Praha: Hudební matice Umělecké besedy 1926, 1944. Baudnik, Zdenko (1873 Prag – 1945 Prag?) J. A. Comenius: Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzen. Jena: Diederichs 1908 (mit einer Vorrede, im Auftrag der Comenius-Gesellschaft in Berlin; Mitautor: Antonín Macek). Bauer, Franz/František (1845 Prag – 1901 Prag) Svatopluk Čech: Unter Büchern und Menschen. Leipzig: Reclam 1882 (= Universal Bibliothek, 1648), 2. Aufl. 1910; Karolina Světlá: Der Kuß. Leipzig: Reclam 1883 (= Universal Bibliothek, 3097), 2. Aufl. 1923; Svatopluk Čech: Novellen. Leipzig: Reclam 1884 (= Universal Bibliothek, 1854), 2. Aufl. 1920.
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Běhal/Biehal, Klaudius/Claudius (1874 Bystřice p. Hostýnem/Bistritz am Hostein – 1945 Prag) Karel Václav Rais: Kaliba’s Verbrechen. Prag: J. Otto 1905 (= Slavische Romanbibliothek, 5); Melancholie. Lieder-Cyklus für mittlere Stimme mit Pianoforte-Begleitung (Text: J. Kvapil, J. S. Machar, A. Sova; Musik: V. Novák). Prag: Mojmír Urbánek 1910[?] (= Edition M.U., 39) Blau, Josef (1872 Nýrsko/Neuern – 1960 Straubing) Jindřich Šimon Baar: Johan Cimbura. Eine südböhmische Idylle. Leipzig: Kreissel 1941. Boos zu Waldeck, Viktor, Graf (1840 Prag – 1916 Oselce u Horažďovic/Wosseletz) Jaroslav Vrchlický: Gedichte. Prag: Statthalterei-Buchdruckerei 1896; Jaroslav Vrchlický: Bar-Kochba: Dichtung. Dresden, Leipzig: E. Pierson’s Verlag 1899. Breisky, Louise (1840 Čáslav/Tschaslau – 1908 Wien) Jaroslav Vrchlický: Der Minnehof. Wien: Braumüller 1900 (Mitautor: Karl von Breisky). Brod, Max (1884 Prag – 1968 Tel Aviv, Israel) Arnošt Dvořák: Der Volkskönig. Leipzig: Kurt Wolff 1914; Její pastorkyňa: Jenufa (Text: G. Preissová; Musik: L. Janáček). Wien, Leipzig: Universal Edition 1917, 1918; Katja Kabanowa (Text: A. N. Ostrowski in der tschechischen Übersetzung von V. Červinka; Musik: L. Janáček). Wien, Leipzig: Universal-Edition 1922; Karel Čapek: Die Sache Makropulos. Wien: Universal Edition; Mainz: Schott Music 1925; Das schlaue Füchslein (Text: R. Těsnohlídek; Musik: L. Janáček). Wien: Universal Edition 1925; Aus einem Totenhaus (Text: F. M. Dostojewski; Musik: L. Janáček). Wien: Universal Edition 1930. Donath, Oskar (1882 Újezdec u Přerova/Augezd – 1940 Prag) Aus Th. G. Masaryks Leben. Mit Proben aus seinen Werken. Brünn: Polygrafia 1920; Böhmische Dorfjuden. Mit einem Geleitwort von S. Ehrmann und Proben aus den Werken von V. Rakous, Th. G. Masaryk, A. Mrštík, K. Klostermann, E. Vachek, J. Vrba. Brünn: Jüdischer Buch- und Kunstverlag Max Hickl 1926. Drož, Friedrich/Bedřich (1865 Czernowitz, Bukowina – 1943 Iglau/Jihlava) Proben aus J. S. Machar’s Poesie und Prosa. Mährisch Budwitz: Selbstverlag (Jagoda) 1907.
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Eben, Kamill/Camill (1883 Prag – 1925 Prag) T. G. Masaryks Gedanken und Worte: Zitate aus Masaryks Schriften und Reden, hg. v. F. O. Barton. Prag. H. Mercy 1922; B. Němcová: Großmütterchen. Olmütz: Promberger 1924. Eisner von und zu Eisenstein, Karl (1889 Prag – 1945 Terezín, Internierungslager für Deutsche) Antonín Sova: Gedichte. Dresden: Minden 1922. Eisner, Otto (1911 Šternberk/Sternberg – 1975 Bradford, Großbritannien) Vítězslav Nezval: Gedichte. Leipzig, Mährisch Ostrau: Kittl 1938 (Mitautor: H. Schönhof). Eisner, Paul/Pavel (1889 Prag – 1958 Prag) Tschechische Anthologie. Vrchlický, Sova, Březina. Leipzig: Insel Verlag 1917 (= Österreichische Bibliothek, 21); Alois Rašín: Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Tschechoslowakei. München, Leipzig: Duncker & Humblot, 1923 (als Paul J. Eisner); Die Tschechen. Eine Anthologie aus fünf Jahrhunderten. München: R. Piper & Co. 1928; Otokar Březina: Neun Gedichte – Weihung des Lebens. München: R. Piper & Co. 1928; Spuk im Schloss oder Böse Zeiten für Gespenster (Text nach O. Wilde in der Bearbeitung von J. Löwenbach; Musik: J. Křička). Wien: Universal Edition 1931, 2. Aufl. 1932; Jaroslav Durych: Die Kartause von Walditz. München: R. Piper 1934 (als Marius Hartmann-Wagner); Jaroslav Durych: Friedland: Ein Wallenstein-Roman. München: R. Piper 1933, 2. Aufl. 1934 (als Marius Hartmann-Wagner); Emanuel Lešehrad: Zwei kosmische Dichtungen. Prag: Orbis 1936; František Halas: Die alten Frauen. Prag: F. Borový 1936; K. H. Mácha: Die sieben Sonette. Prag: Orbis 1936; F. X. Šalda: Sieben Gedichte. Prag: Selbstverlag 1937 (mit Otto Pick). Falk, Emerich (1882 Heřmanův Městec/Hermannstädtel – 1925 Děčín/Tetschen) J. S. Machar: Magdalena. Ein Roman in Versen. Wien: Wiener Verlagsbuchhandlung Ignaz Brand 1905. Farář, Franziska/Farářová, Františka (1859 Blatná/Blatna – 1925 České Budějovice/Budweis) Gabriela Preissová: Es fiel ein Stern: Erzählungen. Prag: Jan Otto 1902; Gabriela Preissová: Kajts Meisterwerk. Gute Nacht. Vornehme Liebe. Um einer vollkommenen Toilette willen. Der Weltumsturzler. Grossmutter Maluschka. Prag: E. Beaufort 1902 (Separatabdruck aus der Union).
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Frankl-Rank, Wilhelmine (1852 Chrast u Chrudimi/Chrast – 1936 Prien am Chiemsee) Julius Zeyer: Christus vom Lichte; el Cristo de la Luz; Toledaner Legende; Samko, der Vogel: slowakische Kruzifixlegende. Regensburg: Habbel 1919; Julius Zeyer: Asenat; König Kofétua. Regensburg: Habbel 1920. Frypés, Karel (Karl) (1876 Nová Paka/Neupaka – 1929 Teplice v Čechách/TeplitzSchönau) Alois Jirásek: Die Philosophen. Roman. Praha: Beaufort s. d. (Separatabdruck aus der Union; Mitautorin: Maria Frypés); Alois Jirásek: Das Ritterhaus. Prag: E. Beaufort 1920 (Separatabdruck aus der Union; Mitautorin: Maria Frypés). Fuchs, Rudolf (1890 Poděbrady/Podiebrad – 1942 London, Großbritannien) Petr Bezruč: Die schlesischen Lieder. Leipzig: Kurt Wolff 1917 (mit Vorrede von F. Werfel); Petr Bezruč: Lieder eines schlesischen Bergmanns. München: Kurt Wolff 1926; Ein Erntekranz aus hundert Jahren tschechischer Dichtung. München: Kurt Wolff 1926 (mit Vorwort von R. Fuchs); Petr Bezruč: Schlesische Lieder. Leipzig, Mährisch Ostrau: Kittl 1937 (enthält R. Fuchs: Petr Bezruč, ein Dichter wider Willen, S. 7–63). Fürth, Jacob/Jakob (1864 Karlín/Karolinenthal – 1932 Prag) Jaroslav Vrchlický: Dichterporträts: Sonettencyclus. München: Schupp 1903. Fux-Jelenský, Zdenko (1854 Horní Jelení/Ober Jellen – 1927 Wien) Svatopluk Čech: Himmelsschlüssel: ein Märchen. Wien: Dirnböck 1892; J. S. Machar: Magdalena. Ein Roman in Versen. Wien: Wiener Verlag 1905. Goller, Elsa (1868 Trmice/Trmitz – 1955 Prag) Julius Zeyer: Miß Olympia. Prag: Politik 1901 (Separatabdruck); Julius Zeyer: Therese Manfredi. Prag: Politik 1903 (Separatabdruck). Grün, Edmund (1857 Prag – 1923 Liberec/Reichenberg) Jaroslav Vrchlický: Gedichte. Leipzig: Ed. Wartig 1886; Jaroslav Vrchlický: Der hohe Rabbi Löw (Rabbinerweisheit): Lustspiel in drei Aufzügen. Prag: Richard Brandeis 1886 (= Jüdische Universal-Bibliothek, 15); Jaroslav Vrchlický: Farbige Scherben. Ironische und sentimentale Geschichten. Leipzig: Reclam (= Universal Bibliothek, 3137); F. A. Šubert: Hans Wierauer. Leipzig: Ed. Wartig 1887; F. Ruth: Eine alltägliche These. Prag: Franz Řivnáč (Gustav Fanta) 1889; F. A. Šubert: Raffael’s Liebe. Prag: Franz Řivnáč (Gustav Fanta) 1889; Jaroslav Vrchlický: Smír Tantalův. Melodrama o čtyřech jednáních = Die Sühne des Tantalus. Melodramm in 4 Acten (Text J. Vrchlický; Musik Z. Fibich). Prag: Fr. A. Urbánek 1891; Námluvy Pelopovy. Melodram o čtyřech jednáních = Pelop’s Brautwer-
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bung. Melodrama in vier Akten (Text J. Vrchlický; Musik Z. Fibich). Praha: Fr. A. Urbánek 1891; K. Pippich: Im Größenwahn. Chrudim: Druck und Verlag von St. Pospíšils Eidam 1892; Hippodamia. Dramatisches Gedicht in drei Theilen (Text: J. Vrchlický; Musik: Z. Fibich). Prag: Fr. A. Urbánek; Leipzig: Robert Forberg; Wien: Rudolf Lechner 1892; Aus tschechischer Prosa. Ernstes und Heiteres; von Svatopluk Čech, Jan Lier und Jaroslav Vrchlický. Leipzig: Slavische Buchhandlung H. Roskoschny 1893 [?]; Jaroslav Vrchlický: Episches und Lyrisches. Gedichte. Prag: H. Dominicus 1894; Der Sturm (Text nach W. Shakespeare von J. Vrchlický; Musik: Z. Fibich). Prag: Fr. A. Urbánek 1895. Herbatschek, Heinrich (1877 Vsetín/Wsetin – 1956 Wien) J. S. Machar: Die Galeeren des Gymnasiums. Leipzig, Berlin: Reformverlag [1911]; Die Galeeren des Gymnasiums – Antike und Christentum. Wien, Leipzig: Anzengruber-Verlag [1919]; Aus dem Bildersaal eines verkannten Kulturvolkes. Leipzig, Berlin: Reform Verlag 1908, 2., erw. Aufl. Wien: Kom. Verlag des Deutsch-Czechischen Komitees 1913. Hlaváč, Bedřich/Friedrich (1868 Prag – 1936 Prag) Julius Zeyer: Jan Maria Plojhar 1–2. Prag: Jan Otto (= Slavische Romanbibliothek, 11/1, 2). Hoecker/Höcker/Höckrová, Josa/Joža [Josefine?] (unbekannt – 1916 Breslau/ Wrocław) Julius Zeyer: Roman von der treuen Freundschaft der Ritter Amis und Amil. Prag: Jan Otto 1904 (= Slavische Romanbibliothek, 1); Alois Jirásek: Wider alle Welt 1–2. Mit Genehmigung des Verfassers übersetzt. Prag: Jan Otto 1911 (= Slavische Romanbibliothek 13/1–2); Věnceslava Lužická: Irrende Seelen. Reutlingen: Ensslin & Laiblin [1913] (= Enßlin’s Mark-Bände, 20); Julius Zeyer: Sternenschimmer: Roman aus Japans Vergangenheit. Reutlingen: Ensslin & Laiblin [1914] (= Ensslin’s Roman- und Novellenschatz, 244). Hoffmann, Camill (1878 Kolín/Kolin – 1944 KZ Auschwitz-Birkenau) Růžena Svobodová: Der aufmerksame Liebhaber. München: Musarion-Verlag 1922; T. G. Masaryk: Die Welt-Revolution: Erinnerungen und Betrachtungen 1914–1918. Berlin: E. Reiss 1925; Eduard Beneš: Der Aufstand der Nationen: Der Weltkrieg und die tschechoslowakische Revolution. Berlin: Bruno Cassirer 1928; Kamil Krofta: Geschichte der Tschechoslowakei. Berlin: Reiss 1932; Masaryk erzählt sein Leben. Gespräche mit Karl Čapek. Zürich, Prag: Büchergilde Gutenberg 1937.
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Hostinská, Zdenka (1863 Koudelov u Čáslavi/Koudelov b. Tschaslau – 1942 Prag) Josef K. Šlejhar: Erzählungen und Skizzen. Prag: J. Otto 1907 (= Slavische Romanbibliothek, 9; mit Vorwort von J. Kamper). Jelinek, Jan (Lebensdaten unbekannt) Karel Čapek: Vom Menschen. Basel: Burg-Verlag 1944; Karel Čapek: Kalender: Von der wechselnden Fülle der wandernden Monate und von den Menschen, wie sie das Jahr erleben. Basel: Burg-Verlag 1945. Jurenka, Franz (nach 1886 verschollen) Jan Neruda: Kleinseitner Geschichten. Leipzig: Reclam 1885 (= Universal Bibliothek, 1976/1978), 2. Aufl. 1893. Karpe, Ludwig (1886 Dolní Hbity/Unter Hbit – 1942 Ghetto Zamość) Jan Neruda: Balladen und Romanzen (1883). Bratislava: Harmonia ku pravdě a věrnosti 1937. Katz, Otto (1895 Jistebnice/Jistebnitz – 1951 Prag, hingerichtet) Ivan Olbracht: Anna, das Mädchen vom Lande. Berlin: Universum-Bücherei für Alle 1929 (Vorwort: F. C. Weiskopf); andere Ausgabe: Anna. Der Roman einer Arbeiterin. Berlin: Internationaler Arbeiter-Verlag 1929. Kirsch, Edmund (1866 Brno/Brünn – 1954 Prag) Adolf Heyduk: Die Wundergeige. Senftenberg: Selbstverlag (Josef J. Vetterl). Koutek, Jan/Johann (1833 Prag – 1899 Prag) Svatopluk Čech: Lieder eines Sklaven. Stuttgart: Dietz 1897, 2. Aufl. 1897 (Mitautor Ernst Biel); Antonín Sova: An Theodor Mommsen. Prag: Otto 1897. Kraus, Arnošt Vilém/Ernst Wilhelm (1859 Třeboradice/Třeboraditz – 1943 Ghetto Theresienstadt) Šárka. Oper in drei Akten (Text: A. Schulzová, Musik: Z. Fibich). Prag: F. A. Urbánek 1898 (unter der Chiffre K. A.). Krausová, Jana, geb. Diamant, Johanna (1860 Třebovle – 1943 Ghetto Theresienstadt) Josef Pekař: Die Wenzels- und Ludmila-Legenden und die Echtheit Christians. Prag: Wiesner 1906 (nicht namentlich erwähnt; mit A. Kraus). Kwaysser, Marie (1849 Semily/Semil – 1913 Smržovka/Morchenstern) Jaroslav Vrchlický: Gedichte. Leipzig: Roskoschny 1893 (= Slavische Bibliothek, 6).
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Lepař, Bohuš (1854 Znojmo/Znaim – 1924 Prag) Alois Jirásek: Chodische Freiheitskämpfer. Prag: Jan Otto 1904 (= Slavische Romanbibliothek, 3; mit Vorwort von J. Kamper). Leschner, Leopold (1886 Raškovice/Raschkowitz – nach 1941 Palästina?) Jaroslav Maria: Die Herren im Talar 1–2. Troppau: Heinz & Comp. 1933. Lokota, Paula, verh. Harmuth (1878 Smíchov/Smichow – nach 1959 Köthen?) – Harmuth, Paul Josef (1879 Vyškov/Wischau – 1959 Köthen) Julius Zeyer: Geschichten und Legenden. München: Marchlewski & Co. 1903 (= Internationale Novellen-Bibliothek, 7). Lustig, Ernst, Pseud. Laurin, Arne (1889 Hrnčíře – 1945 New York, USA) Jaroslav Hilbert: Ein Ring für die Geliebte. Prag: Grafia 1916 (= Der Quell: Folge guter Prosa, 1). Mader, Julius (1899 Zdounky/Zdounek – nach 1949 Wien?) Karel Čapek: Post, Polizei, Hunde und Räuberei. Berlin: Grünewald 1932; Karel Čapek: Das Jahr des Gärtners. Berlin: B. Cassirer 1932; Karel Čapek: Doktoren, Katzen, Schwalben und Spatzen. Berlin: Williams 1933; Ivan Olbracht: Der Räuber Nikola Schuhaj. München: Piper 1934; Vladislav Vančura: Das Ende der alten Zeiten. Berlin: B. Cassirer 1935; Josef Čapek: Schatten der Farne. Prag: Mars Verlag-Gesellschaft 1936 (= Schriften der Brüder Čapek, 1); Karel Čapek: Aus einer Tasche in die andere 1. Prag: Mars-Verlag 1936 (mit V. Schwarz; = Schriften der Brüder Čapek, 2); Karel Čapek: Der gestohlene Kaktus und andere Geschichten. Aus einer Tasche in die andere. Prag: Mars-Verlag 1937 (mit V. Schwarz); Karel Čapek: Die weisse Krankheit. Praha: Universum B. Perlík 1937; Vladislav Vančura: Die Räuberbraut Margarete Lazar. Prag: Mars Verlagsgesellschaft; [Leipzig]: [Koehler & Volckmar] 1937; Karel Čapek: Der Krieg mit den Molchen. Wien: R. Passer 1937 (zugleich Praha: Družstevní práce; Zürich: Europa Verlag); Vladislav Vančura: Der Bäcker Johann Marhoul. Wien, Leipzig: R. Passer 1937; Břetislav Palkovský: Angst geht durch die Welt. London: O. Palkovská 1938; Jaroslav Žák: Der Klassenkampf: Einiges über das Wesen der Schulmenschen. Berlin: Stephenson 1941 (= Lustige Bücherreihe, 26). Mágr, Antonín Stanislav (1887 Prag – 1960 Prag) Petr Chelčický: Vom Frieden Gottes Leipzig: Selbstverlag (Ph. Reclam) 1920; Otokar Březina: Über allen Feuern und Wassern. [Berlin-Steglitz]: Officina serpentis 1921; Petr Chelčický: Vom guten Willen. Leipzig: Selbstverlag (Ph. Reclam) 1921; F. X. Šalda: Erinnerungen und Gedanken Kaspar Lamberks Obristen in Ruhestand aber annoch tätigen Soldaten Gottes. Prag: Orbis 1927; Otokar Březina: Von der Sendung der Kunst. Aus Briefen und Essays. Prag: Selbstverlag
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(Orbis) 1928; Stunden mit Otokar Březina. s. l.: s. d. [Prag XII: Buchdruckerei Orbis 1929] (Selbstübersetzung); Petr Chelčický: Wir Narren um Christi Willen. Prag: Selbstverlag (Orbis) 1929; Antonín Sova: Lyrische Sekunden der Seele. In memoriam. Prag: Selbstverlag (Orbis) 1929; Edvard Beneš: Gedanke und Tat. 1. Die Politik als Wissenschaft und Kunst. Prag: Orbis 1937; Edvard Beneš: Gedanke und Tat 2. Vom Bau und Leben des Staates. Prag: Orbis 1937; Edvard Beneš: Gedanke und Tat. 3. Die Zusammenarbeit der Nationen 1937. Prag: Orbis 1937; Václav Fiala: Das geschlagene Frankreich. Prag: Orbis 1941, 2. Aufl. 1942. Malybrok-Stieler, Ottilie, eigentlich Kleinschrodt (1836 München – 1913 Tegernsee) Aus Böhmens Gauen (Volksweise; Musik F. Pivoda). Prag: F. Pivoda 1882; Lyrische Gedichte und Uebertragungen nach böhmischer Kunst- und Volks-Poesie. Prag: J. Otto 1887; Písně milostné – Liebeslieder. Für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (Text: G. Pfleger Moravský; Musik: A. Dvořák). Berlin: Simrock 1889; In der Dämmerung – Za soumraku. Vier Clavierstücke (Text: J. S. Machar; Musik: V. Novák). Berlin: Simrock 1897; Zigeunerlieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (Text: A. Heyduk; Musik: V. Novák). Berlin: Simrock 1897; Julius Zeyer: Vyšehrad. Prag: Řivnáč 1898; J. Zeyer: Aus den Annalen der Liebe. 2 Erzählungen in epischer Form. Berlin: Regenhardt 1899; J. Zeyer: Griseldis. Eine Erzählung in Versform. Berlin: Regenhardt 1900; J. Zeyer: Olgerd Gejštor. Aus den Annalen der Liebe. Wien: s. d. [1906]; J. Zeyer: Heimat. Halle: Hendel 1907 (= Bibliothek der Gesamtliteratur des In- und Auslandes, 2028). Mandler, Ernst/Arnošt (1886 Humpolec/Humpoletz – 1964 Frankreich?) J. S. Machar: Das Gewissen der Zeiten. I. Band. Im Strahl der hellenischen Sonne. Wien, Prag, Leipzig: Verlag der Böhmischen Edition 1919; J. S. Machar: Das Gewissen der Zeiten. II. Band, Das Gift aus Judäa. Wien, Prag, Leipzig: Verlag der Böhmischen Edition 1919; J. S. Machar: Das Gewissen der Zeiten. III. Band, Barbaren. Wien, Prag, Leipzig: Verlag der Böhmischen Edition 1919; J. S. Machar: Hier sollten Rosen blühen ... Lyrische Dramen (1891–1894). Potsdam: Kiepenheuer 1923. Mannheimer, Georg (1887 Wien – 1942 KZ Dachau) Petr Bezruč: Lieder eines Rebellen. Auslese aus den „Schlesischen Liedern“. Brünn: Pokorný 1931; Petr Bezruč: Das blaue Ordensband. Brünn: Pokorný 1932. Melichar, Václav (1865 Srbsko/Srbsko bei Beraun – 1925 Prachatice/Prachatitz) Julius Zeyer: Sulamit. Dresden: s. d. [1902].
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Müller, Karl/Karel (1837 Libochovice/Libochowitz – 1892 Prag) K. H. Mácha: Mai. Leitmeritz: Druck und Verlag von Wirth & Comp.; Prag: In Commission der Nationalbuchhandlung E. Petřík 1882; [Svatopluk Čech:] Sperber contra Taube. Leipzig: F. W. von Biedermann 1886 (ohne Angabe des Autors und des Übersetzers; = Criminalistische Novellen). Nádherný von Borutín, Erwin (1876 Chotoviny/Chotowin – 1944 Chotoviny/ Chotowin) V. Hálek: Abendlieder. Prag: Selbstverlag 1896. Nessler, Viktor/Victor (Lebensdaten unbekannt) Václav Hladík: Eroberer. Prag: Union (Druck und Verlag von E. Beaufort) 1911; Božena Viková Kunětická: Der Herr: Roman einer Ehe. Prag: Union (Druck und Verlag von E. Beaufort) 1912; Božena Viková Kunětická: Justine Holdan. Prag: Union (Druck und Verlag von E. Beaufort) [s. d.]. Neumann, Eduard (1868 Kostelec nad Černými lesy/Schwarzkosteletz – 1942 KZ Treblinka) Karl Ignaz Mácha: Der Mai. Schwarzkosteletz: Selbstverlag 1933 (Karlsbad, Franieck), 2. Aufl. 1936, 3. Aufl. 1937, 4. Aufl. Dresden: Edition Bubo 2006 (Nachwort S. Hennig). Nielsen, Frederic W./Friedrich (1903 Stuttgart – 1996 Freiburg i. B.) Karel Havlíček Borovský: Tiroler Elegien. Hradec Králové: Selbstverlag 1936 (= Emigrationsband, 5; mit einer Studie von F. W. Nielsen); Jan Neruda: Nachdichtungen. Hradec Králové: Selbstverlag 1936 (= Emigrationsband, 4); Jan Herben: Masaryks Familienleben. Hradec Králové: Selbstverlag 1937 (= Emigrationsband, 7). Nowak, Karl, Pseud. Reismann, Isaac (1892 Trutnov/Trautenau – 1941 Ghetto Litzmannstadt) Karel Driml: Das Lachbübchen. Ein Märchenspiel von der reinen Lebensfreude in einem Aufzug. Leipzig: Arbeiter-Theaterverlag A. Jahn 1928 (= Neue Märchenbühne, 12); Jiří Wolker: Die Erlösten. Ein Weihnachtsspiel in einem Aufzug. Leipzig: Arbeiter-Theaterverlag A. Jahn 1928 (= Neue soziale Weihnachtsbühne, 17); Ignát Herrmann: Allerlei Tierchen und Leutchen. Prag: Roland Verlag Morawitz 1931. Pawikovski, Gustav (1851 Meziměstí/Halbstadt – 1916 Baden bei Wien) Jan Neruda: Kosmische Lieder. Leipzig: Friedrich 1881 (= Dichtungen des Auslandes. Serie 1, in Elzevir-Ausgaben; Nr. 8)
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Pick, Friedrich Karl (1875 Prag – 1943 Ghetto Theresienstadt) František Ladislav Čelakovský: Widerhall tschechischer Lieder. Prag: Selbstverlag 1919 (André’sche Buchhandlung); Václav Palaček: Die israelitische Religionsgesellschaft. Aus: Slovník veřejného práva československého. Brünn, Prag, Leipzig, Wien: Rohrer 1932. Pick, Otto (1887 Prag – 1940 London, Großbritannien) Otokar Březina: Hymnen. Leipzig: Kurt Wolff 1913, 2. Aufl. 1917; Fráňa Šrámek: Flammen. Leipzig: Kurt Wolff 1913; Fráňa Šrámek: Erwachen. Heidelberg: Meister 1913; František Langer: Die Entführung der Eveline Mayer. Heidelberg: Meister 1913; Jan Gočár, Pavel Janák, František Kysela: Čechische Bestrebungen um ein modernes Interieur. Prag: Prager Künstlerwerkstätten 1915 (mit einer Einleitung von V. V. Štech); Karel Čapek: Gottesmarter. Berlin: S. Fischer 1918; František Langer: Die goldene Venus. Berlin: Borngraber 1918; Josef Čapek: Der Sohn des Bösen. Berlin-Wilmersdorf: Aktion 1918 (= Der Rote Hahn, 24/25); J. S. Machar: Kriminal: Erlebt 1916: Geschrieben: 1917–1918. Wien, Leipzig: Deutsch-österreichischer Verlag 1919; Karel Čapek: Kreuzwege. Leipzig: Kurt Wolff 1919 (= Der Jüngste Tag, 64); Tschechische Erzähler (F. Langer, F. X. Šalda, J. und K. Čapek, O. Theer, K. M. Čapek-Chod, R. Svobodová). Potsdam: Kiepenheuer 1920; Fráňa Šrámek: Der silberne Wind. Wien, Prag, Leipzig: Strache 1920; Otokar Březina: Baumeister am Tempel. München: K. Wolff 1920 (= Drugulin Druck, Neue Folge, 10); Fráňa Šrámek: Sommer. Reichenberg, Prag, Leipzig: Heris-Verlag 1921 (= Heris Drucke 2); Karel Čapek: W.U.R., Werstands universal Robots. Prag: Orbis – Leipzig: C. Knobloch 1922; František Langer: Peripherie. Berlin: Oesterheld & Co. 1926, 2. Aufl. 1928; Fráňa Šrámek: Wanderer in den Frühling. Prag: Khol 1927 (Geleitwort K. Čapek); František Khol: Bruder Hyacinth. Der Spiegel in der Bar. 2 Prager Geschichten. Prag: Bücherstube Dr. P. Steindler-J. Bunzl-Federn (Vorwort: K. Čapek, Nachwort: F. Langer) 1927; Emanuel Lešehrad: Sonnenwende. Prag: Zink 1930; František Langer: Engel unter uns. Prag 7, Nad Štolou 6: Fr. Khol 1931; Karel Čapek: Wie ein Theaterstück entsteht. Berlin: B. Cassirer 1933 (mit V. Schwarz); Karel Čapek: Hordubal. Berlin: B. Cassirer 1933 (zugleich Zürich, Wien, Prag: Büchergilde Gutenberg 1934); Karel Čapek: Daschenka oder Das Leben eines jungen Hunden. Berlin: B. Cassirer 1934 (mit V. Schwarz); Otokar Březina: Pfingstsonntag. Prag: Selbstverlag (Orbis) 1937; F. X. Šalda: Sieben Gedichte. Prag: Selbstverlag (mit Paul Eisner) 1937. Reiner, Grete, auch: Reiner-Straschnov/Straschow, Grete (1885 Prag – 1944 KZ Auschwitz-Birkenau) Arne Novák: Das barocke Prag. Prag: Orbis 1922; Ivan Olbracht: Im dunkelsten Kerker. München: Wieland Verlag 1923; Arne Novák: Die tschechische Literatur aus der Vogelperspektive. Prag: Flesch 1923; Jaroslav Hašek, Karel Vaněk: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkrieges 1–4. Prag:
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Adolf Synek 1926–27, 11. Aufl. 1929; Jaroslav Hašek: Von Scheidungen und andern tröstlichen Dingen. Prag: Adolf Synek 1927; Karel Elgart Sokol: Der Zensor. Prag: A. Synek 1927; Jaroslav Hašek: Ur-Schwejk und anderes aus dem alten Europa und dem neuen Russland. Prag: Adolf Synek 1929; Emanuel Vajtauer: Die Träneninsel. Leipzig: [C. E. Krug]; Wien: E. Prager 1932 (= Das Gesicht der Zeit, 8); Jan Klokoč: Aladin. Leipzig, Wien: Tal 1934. Rix-Meisl, Marie (1874 Vestec u Chrudimi/Steinmetzendorf – 1942 Ghetto Theresienstadt) Jaroslav Vrchlický: Gedichte. Prag: Die Bücherstube 1932. Saudek, Emil (1876 Jihlava/Iglau – 1941 Prag) J. S. Machar: Rom. Geschrieben 1906–1907. Prag: Grosman & Svoboda 1908; Otokar Březina: Hände. Wien: Moriz Frisch Verlag 1908; Otokar Březina: Winde von Mittag nach Mitternacht. München: Kurt Wolff Verlag 1920 (unter Mitwirkung von F. Werfel); Otokar Březina: Musik der Quellen. München: Kurt Wolff Verlag 1923 (unter Mitwirkung von F. Werfel); T. G. Masaryk: Das neue Europa. Der slavische Standpunkt. Berlin: Schwetschke & Sohn 1922; Vojtěch Rakous: Die Geschichten von Modche und Resi und anderen lieben Leuten 1–2. Prag: Tribuna 1922; Vojtěch Rakous: An der Wegscheide. Prag: Tribuna 1922; Karel Engliš: Grundlagen des wirtschaftlichen Lebens. Brünn: Rudolf M. Rohrer 1925. Saudek, Robert (1880 Kolín/Kolin – 1935 London, Großbritannien) Drei Bühnendichtungen der Kinderseele. Berlin: Deutsche Bühne 1903 (Selbstübersetzung); Jaroslav Kvapil: Freie Wolken. Leipzig: Reclam 1905 (= Universal Bibliothek, 4726); Josef Laichter: Der Wahrheitssucher 1–2. Prag: J. Otto 1906 (= Slavische Romanbibliothek, 8); Diplomaten. München: Drei Masken 1921 (Selbstübersetzung). Schick, Em. (Lebensdaten unbekannt) Ignát Herrmann: Häusliches Glück. Prag: Union (Druck und Verlag von E. Beaufort) 1911. Schück/Schük/Schök, Lisie (1901 Červené Janovice/Roth Janowitz – 1933 Prag) Jiří Wolker: Die schwere Stunde. Wien: Agis-Verlag 1924. Schwarz, Vincy (1902 Šternberk/Sternberg – 1942 Prag, hingerichtet) K. Čapek: Wie ein Theaterstück entsteht. Berlin: B. Cassirer 1933 (mit O. Pick); K. Čapek: Daschenka oder Das Leben eines jungen Hundes. Berlin: B. Cassirer 1934 (mit O. Pick); K. Čapek: Seltsames England. Berlin: B. Cassirer 1935; 2. Aufl. 1936; K. Čapek: Aus einer Tasche in die andere. Prag: Mars-Verlag 1936 (= Schriften der Brüder Čapek, 1; mit J. Mader).
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Singule, Hans (*1889 Brno/Brünn) Jaroslav Maria: Ein König. Troppau, Leipzig: Heinz & Comp. 1938. Spáčil-Žeranovský, Jan (1857 Žešov/Zeschow – 1905 Šternberk/Sternberg) Jaroslav Vrchlický: Vittoria Colonna. Dresden, Leipzig: Pierson 1903. Spera, Cornelia, Eigenname Angelika Jahn (1869 Prag – 1929 Prag) Julius Zeyer: Drei Legenden vom Krucifixe und Rokoko. Prag: J. Otto 1906 (= Slavische Romanbibliothek, 7); Julius Zeyer: Schwester Pascalina. Prag: Union (E. Beaufort) 1911. Smital, Anton/Smítal, Antonín (1867 Palonín/Pallein – 1897 Wien) Jan Neruda: Genrebilder 1. Leipzig: Reclam 1883 (= Universal-Bibliothek, 1759); Jan Neruda: Genrebilder 2. Leipzig: Reclam 1884 (= Universal-Bibliothek, 1893); B. Němcová: Großmutter: Bilder aus dem böhmischen Landleben. Leipzig: Reclam 1885 (= Universal-Bibliothek, 2057–2059), 2. Aufl. 1924. Steiner, Franz B. (1909 Prag – 1952 Oxford, Großbritannien) Emanuel Lešehrad: Die Planeten. Prag: Orbis 1935. Stoszler/ Stössler, Georg Stephan (*1900 Wien) Ivan Olbracht: Der vergitterte Spiegel. Berlin: Büchergilde Gutenberg 1932. Tlučhoř, Luise/Tlučhořová, Luisa (1867 Dašice/Daschitz – 1920 Staré Hradiště u Pardubic/Alt Hradischt) Ignát Herrmann: Vater Kondelík und Bräutigam Wejwara 1–2. Berlin: Dr. Franz Lederer 1907; Ignát Herrmann: Schwiegervater Kondelik und Schwiegersohn Wejwara: kleine Episoden aus dem geordneten Haushalt einer Prager Bürgerfamilie. Berlin: A. W. Hayn’s Erben Curt Gerber 1911. Traub, Rudolf (1881 Česká Skalice/Böhmisch Skalitz – 1937 Český Brod/Böhmisch Brod, Selbstmord) Jan Neruda: Freitags-Gesänge und andere Gedichte. Dresden, Leipzig: Die Sonne [1913] (mit Geleitwort von A. Pražák). Veleminsky, Hedwig/Velemínská, Hedvika (geb. Ascher; 1884 Pacov/Patzau – 1942 Prag, hingerichtet) J. S. Machar: Rudolfinerhaus. Wien, Leipzig: Nestroy-Verlag 1920.
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Vogl, Carl (1866 Bechyně/Bechin – 1944 Vierzehnheiligen/Jena) Petr Chelčický: Das Netz des Glaubens. Dachau: Einhorn 1924 Vohryzek, Victor/Viktor (1864 Přestavlky/Přestawlk – 1918 Pardubice/Pardubitz) Karel Havlíček Borovský: Die Taufe des Zaren Wladimir. Prag: Grosman & Svoboda 1905. Weiskopf, Franz Carl (1900 Prag – 1955 Ost-Berlin) Tschechische Lieder. Berlin: Malik Verlag 1925 (= Malik-Bücherei, 17); Das Herz – ein Schild. Lyrik der Tschechen und Slowaken (Einleitung von F. C. Weiskopf). London: Malik Verlag 1937. Weinberger, Josef (1855 Žandov u Uhlířských Janovic/Schandau b. Kohljanowitz – 1937 Pardubice/Pardubitz) Jaroslav Vrchlický: Vittoria Colonna. Wien: Melantrich-Buchdruckerei 1908; Svatopluk Čech: Die Adamiten. Dresden, Leipzig: Die Sonne 1912; Jaroslav Vrchlický: Epische Gedichte. Satanella. Dresden, Leipzig: Die Sonne [1913–14] (mit Geleitwort von B. Wellek); Svatopluk Čech: Dagmar. Dresden: Die Sonne 1923 (mit historisch-kritischem Vorwort von J. Weinberger); Biblické písně – Chants bibliques – Biblical songs – Biblische Gesänge (Text: E. Mattes; Musik: J. Císař; französische und englische Übersetzung J. Jizba). S. l.: s. d. [ca. 1925]; Jaroslav Vrchlický: Geist und Welt. Dresden: Die Sonne 1927; Jaroslav Vrchlický: Neue epische Gedichte. Dresden: Die Sonne s. d. [ca. 1928]; Jaroslav Vrchlický: Das Erbe des Tantalus. Dresden: Die Sonne 1929; Jaroslav Vrchlický: Stimmen in der Wüste: Zwei Sonettzyklen aus den Jahren 1890–1897. Dresden: Die Sonne [1931?]; Jaroslav Vrchlický: Alte Mären. Dresden: Die Sonne 1933 (mit Anmerkungen von J. Voborník); Jaroslav Vrchlický: Eklogen und Lieder. Dresden: Pierson [1935–36?]; Jaroslav Vrchlický: Geist und Zeit. Dresden: E. Pierson [1936]. Wellek, Bronislav (1872 Prag – 1959 Prag) Dědova mísa. Melodram na slova J. Nerudy. Violino e piano: op. 9 – L’écuelle du grand-père – Des Alten Schüssel (Text: J. Neruda; texte français de J. Letty; deutsch von B. Wellek; Musik: J. Burghauser). Praha: Fr. A. Urbánek a synové 1937. Wellek, René (1903 Wien – 1995 Hamden, Connecticut) Julius Zeyer: Florenz im Schnee. Wien: Rikola Verlag 1922 (= Romantik der Weltliteratur; Einleitung von H. Salus). Werfel, Franz (1890 Prag – 1945 Beverly Hills, Kalifornien) Mitwirkung an Übersetzungen von: Otokar Březina: Winde von Mittag nach Mitternacht. München: Kurt Wolff Verlag 1920 (übersetzt von E. Saudek); Otokar
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Březina: Musik der Quellen. München: Kurt Wolff Verlag 1923 (übersetzt von E. Saudek). Wukadinović, Spiridion (1879 Wien – 1938 Kraków/Krakau) Luboš Jeřábek: Der alte Prager Judenfriedhof. Prag: Kočí 1903 (mit Antonín Major); Alois Jirásek: Die Laterne. Prag: J. Otto 1906. Žunkovič, Martin (eigentlich Davorin; 1858 Ptujska Gora/Maria Neustift, Untersteiermark – 1940 Ptuj/Pettau, Slowenien) Die Handschriften von Grünberg und Königinhof, dann das Vyšehrad-Lied. Olmütz: Selbstverlag (Promberger) 1912.
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III. Parlamentarische Berichterstatter und kulturelle Vermittler: Gustav Eim, Josef Penížek und Bedřich Hlaváč
1. Wien In der Metropole Wien lebte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eine beträchtliche tschechische Minderheit (Glettler 1972; Valeš 2004; Wonisch 2010). Es handelte sich um Menschen mit diversen beruflichen Interessen, einige ließen sich dauerhaft nieder, andere hielten sich wiederum nur als Gelegenheitsarbeiter in Wien auf. Die Stadt war ein dynamisches und attraktives Zentrum, das den Neuankömmlingen bot, was sie in ihrer Heimat nicht fanden, etwa Arbeitsgelegenheiten und Handelsmöglichkeiten. Wien konnte jedoch auch ein Fluchtort vor der Vergangenheit sein, hier suchte man nach einer neuen Zukunft, konnte Ruhm und Glanz erwerben oder umgekehrt im Alltag der Großstadt untertauchen. Jeder dieser Menschen lebte in Wien eine eigene spezifische Geschichte, die er dann in Form von Erinnerungen und Erfahrungen das ganze Leben lang mit sich trug. Wien war eine Großstadt mit etwa zwei Millionen Einwohnern, von einer charakteristischen Vielfalt, geprägt vom Prunk des Hofs, dem zähen Ringen der Politik, der Fieberhaftigkeit der Handels- und Finanzwelt, der verlockenden oder gar verführerischen Macht der Kultur – dies alles wurde noch multipliziert durch das Gemenge der Sprachen, der nationalen Einflüsse und Traditionen, der moralischen sowie religiösen Prinzipien und durch die unübersichtliche und trotzdem streng hierarchisierte soziale Struktur. In den zahlreichen nationalen Gemeinschaften bewegten sich immer einige Auserwählte, die in diesen unsteten Schmelztiegel hinausgeschickt worden waren und nun vor Ort ihren Unterhalt bekamen, nicht um ihrer privaten Lebensgeschichte willen, sondern um ein komplexes Bild der Metropole zu schaffen und es dann der Heimatkommunität zu präsentieren. Dieses Bild musste je-
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den Tag weitergestaltet und aktualisiert werden, da Wien gesehen werden und die restliche Monarchie es verstehen wollte. Und wer konnte zu einer solchen Aufgabe berufener sein als ein erfahrener Journalist? Infolge der Etablierung der modernen Journalistik konnten sich immer mehr korrespondierende Berichterstatter in den eingeführten Blättern durchsetzen, und die Großstadt wurde zur begehrtesten Station. Innerhalb dieser Metropole standen wiederum drei Mittelpunkte im Zentrum des Interesses: die Hofburg, die Börse und das Parlament.
2. Parlamentarische Berichterstattung Gustav Eim Angesichts der damals immer weiter zunehmenden Verbreitung der Prinzipien der Massenpolitik und der damit einhergehenden Politisierung der Gesellschaft waren es gerade die Informationen aus dem Parlament, aus denen ein ganz neuer Bereich des Journalismus in Wien hervorging. Gustav Eim war zweifellos der erste bedeutende tschechische parlamentarische Korrespondent in der Stadt. Er begann seine Karriere bei Národní listy, das damals einflussreichste tschechische Tagblatt liberal-nationaler Ausrichtung und Organ der Partei Národní strana svobodomyslná (sog. Jungtschechen). Bereits 1874 wurde Eim zum ordentlichen Mitglied der Redaktion. Er verfasste Tageskolumnen, Theater- und Kulturnotizen und berichtete aus dem Böhmischen Landtag. Der witzige und geistreiche Glossator des gesellschaftlichen Lebens zog dank seiner Texte Aufmerksamkeit auf sich und wurde innerhalb relativ kurzer Zeit zu einem geschätzten Autor. Als die tschechische Delegation nach jahrelangem passiven Widerstand 1879 wieder in den Reichstag zurückkehrte und Julius Grégr, der Besitzer des Blattes, erwog, einen ständigen Berichterstatter nach Wien zu schicken, fiel die Wahl folgerichtig auf den dreißigjährigen Eim. Zwar besaß die altliberale Partei Národní strana (sog. Alttschechen) immer noch die Mehrheit unter den tschechischen Abgeordneten, doch ihre Presseorgane sahen keine Notwendigkeit, einen ständigen Korrespondenten in Wien zu unterhalten. Einerseits war ihre Berichterstattung im Allgemeinen eher schwächer, andererseits beharrten sie immer noch auf der Strategie, Berichten aus dem Böhmischen Landtag den Vorzug zu geben. Die Redaktionen der alttschechischen Presse schickten meistens nur zu Verhandlungen von
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besonderem Interesse Redakteure in den Reichstag, oder griffen auf Berichte der Abgeordneten zurück. Eim nahm somit als Parlamentskorrespondent im tschechischen Kontext eine exklusive Stellung ein und richtete ein funktionierendes Korrespondentenbüro der Národní listy in Wien ein. Als erster tschechischer ständiger Berichterstatter in Wien verkörperte Eim in dieser Position zudem alles, was man später damit konnotierte. Die Korrespondenten wurden von einer etablierten Redaktion nach Wien geschickt und auch bezahlt, ihr journalistischer Nutzen war jedoch um ein Vielfaches größer. Nicht selten fungierten sie als Informationsquelle für mehrere Presseorgane in ihrer Heimat, arbeiteten mit verschiedenen, politisch nicht unbedingt kompatiblen Kreisen und Blättern zusammen, und dies nicht ausschließlich auf der Ebene der politischen Berichterstattung. Obwohl sie in der Regel als designierte parlamentarische Berichterstatter tätig waren, mussten sie umfassende Informationen liefern, und somit über ein breites Wissen über das Leben in der Metropole verfügen. Die Rolle des Berichterstatters in Wien war auch in einem anderen Sinne eine doppelte: Wollte solch ein Journalist sich etablieren und ein gutes Einkommen in einer Stadt haben, deren Lebenshaltungskosten unvergleichbar teurer waren als in den Provinzzentren, musste er seine Fähigkeiten auch in der umgekehrten Richtung zu nutzen wissen. Ein solcher Journalist musste also seine Kenntnisse über die Verhältnisse in seinem Heimatland aufrechterhalten und pflegen, um einen wechselseitigen Informationsfluss in beide Richtungen zu gewährleisten. Dabei stellte er nicht nur für die Metropole selbst eine Quelle für Informationen aus den Regionen dar, sondern gab diese in einem prozesshaften Informationsaustausch auch an viele Kollegen aus anderen Provinzredaktionen weiter. Jeder gut eingeführte Berichterstatter wurde somit Teil eines komplexen Informationsnetzwerks, solange er nur die Grundvoraussetzung für seinen Wiener Aufenthalt erfüllte – er musste sich dort einleben und genügend wertvolle Kontakte vor Ort knüpfen. Eben jene Kontakte waren das A und O für einen erfolgreichen Berichterstatter. Sie konnten einander überschneiden und ergänzen, waren manchmal aber auch heterogen oder widersprüchlich. Der Journalist musste daher bei der Knüpfung und Vermehrung der Kontakte sehr geschickt und diskret vorgehen: Bez mlčenlivosti a tajnosti není možna úspěšná činnost v oboru tom. […] Redakční tajemství je stejně posvátné jako tajemství zpovědnice, tajemství lékaře a lékárníka, notáře, advokáta. […] Diskrétnost musí být zachována také, vzejde-li z ní ztráta hmotná, jak proti člověku, který se nám svěřil s něčím, tak proti člověku, jenž, důvěřuje nám, obrátil se na list za pomoc […]. (Penížek 1929: 21)
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Angesichts all dieser Anforderungen wurden gute Korrespondenten in Wien zu Vermittlern zwischen diversen Milieus und Interessen. Es ging nicht nur um die Diskretion zum Zwecke der Informationsgewinnung. Ein mit dem Leben in der Metropole eingehend vertrauter Journalist, mit einem dichten Netzwerk von Kontakten und Bekanntschaften, wurde zu einem unschätzbaren Fürsprecher verschiedener Personen aus seiner Heimat, er vermittelte auch kleine Dienstleistungen und Gefälligkeiten, damit seine Freunde und ihm bekannte Amtspersonen nicht eigens in die Metropole reisen mussten, er war Bote und Repräsentant, Laufbursche und Delegierter in einem. Dies alles wohl wissend, dass zu jeder Zeit der gute Ruf in der Heimatregion aufrechterhalten werden musste, zumal man für eine lange Zeit abwesend war. Bereits Gustav Eim wurde als Fürsprecher und Botschafter tschechischer Interessen in Wien angesehen,79 eine ähnliche Rolle hatten jedoch auch seine Nachfolger Josef Penížek und Bedřich Hlaváč inne.
Josef Penížek Es war im Übrigen Eim, der Josef Penížek zu seinem Wiener Mitarbeiter auserkor. Penížek war zehn jünger, wohnte jedoch schon länger in Wien als Eim, nämlich seit seiner Studienzeit. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Tabor war er nach Wien übergesiedelt, um Slawistik, Germanistik und Philosophie zu studieren. Zwischenzeitlich auch als Erzieher in Kiew tätig, kehrte er in ein bekanntes Umfeld zurück, um dem berühmten Redakteur bei der Leitung der „Vídeňská redakce Národních listů“ [Wiener Redaktion der Národní listy] zu helfen, wie es 79 „Doufám, že sedíte ve Vídni a děláte tam všeobecného českého konzula, dříve než tam budeme míti plnomocného vyslance.“ [Ich hoffe, dass Sie in Wien sitzen und dort als allgemeiner tschechischer Konsul wirken, bevor wir dort einen bevollmächtigten Botschafter haben werden]. V. Kounic an G. Eim, 18.11.1895, zit. nach Kokešová (1999: 64). Die Autorin widmet übrigens einen längeren Teil ihrer biographischen Skizze einer Aufstellung der Aushilfen, Fürsprachen und Mahnungen, die Eim für seine Freunde und Bekannte leistete (ebd.: 64f).
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auf der Inschrift an der Außentür von Eims Privatwohnung hieß (Navrátil 1923: 104f.).80 Penížek war auf Eims Unterstützung angewiesen, insbesondere am Anfang hatte er in der Prager Redaktionszentrale keinen weiteren Rückhalt. In Prag war er nicht bekannt und der Mangel an Kontakten und Konnexionen zwang ihn auch weiterhin, seine Kompetenz immer wieder aufs Neue zu beweisen. Obwohl er für seine Prager Kollegen bei Fehlschlägen der Wiener Berichterstattung eher als Blitzableiter fungierte, erwies er Eim unschätzbare Dienste (Vejvara 1929: 1). Einerseits, da sein Vorgesetzter ab 1888 an einer schweren Nervenkrankheit litt, die eine immer intensivere Behandlung erforderte. Andererseits, weil Eim seine Kräfte noch mehr auf die Probe stellte und 1891 als bekannte Persönlichkeit der Jungtschechischen Partei für das Mandat eines Abgeordneten im Parlament kandidieren wollte, dessen Tätigkeit er bis zu diesem Zeitpunkt lediglich kommentiert hatte. – Já ne slávu řečnickou hledám, nechci míti vliv na poslance – jedná se mně o jakési slušné zakončení politické kariéry. Kdybych se bez mandátu do redakce vrátil, řekl by celý svět: ejhle, Eimovo fiasko. Jeho šéf ztratil v něho důvěru.81 [Ich suche nicht den Ruhm eines Redners, ich strebe keinen Einfluss auf die Abgeordneten an – es geht mir um einen anständigen Abschluss meiner politischen Karriere. Würde ich ohne Mandat in die Redaktion zurückkehren, würde die ganze Welt sagen: Seht her, Eims Fiasko. Sein Chef hat das Vertrauen zu ihm verloren.]
Eim verstand den Eintritt in die Parlamentspolitik also als Krönung seiner Karriere als politischer Journalist und als Vertrauensbeweis seiner Heimatredaktion. In den folgenden Jahren gab es eine Reihe von Journalisten, für die die Arbeit im Presseorgan einer Partei zum Sprungbrett für ihre politische und parlamentarische Karriere wurde, nicht selten handelte es sich um parlamentarische Berichterstatter. Sie ließen sich aus politischem Ehrgeiz somit freiwillig „erniedrigen“, wie Bedřich Hlaváč es später lakonisch kommentierte, wenn sie von der Reportertribüne in die darunter befindlichen Reihen der Abgeordneten herabstiegen (Hlaváč 2021: 89). Infolge von Eims gesundheitlichen Schwierigkeiten und der Belastung durch seine Pflichten als Abgeordneter (1891–1897) und Delegierter (1892) des Wiener Reichsrates verlagerten sich die journalistischen Aufgaben zunehmend auf Penížek. Als Eim 1897 verstarb, war es nur natürlich, dass Penížek die Leitung der Wiener Berichterstattung für Národní listy übernahm.
80 Auch der Jurist Michal Navrátil gehörte Ende der 1880er und Anfang der 1890er Jahre zum Kreis von Eims Wiener Mitarbeitern. 81 G. Eim an J. Grégr, s. d., wahrscheinlich 1890–1891, zit. nach Kokešová (1999: 40).
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Zu diesem Zeitpunkt war er bereits voll und ganz auf die Ansprüche vorbereitet, die von den Lesern und der Gesellschaft an Journalisten erhoben wurden. In seinen Memoiren beschrieb Penížek diese später detailliert: Žurnalista […] nechať vyzná se v dějinách, zvláště politických, v dějinách socialismu, v národním a finančním hospodářství, v zákonech a právech, v obecních a veřejných řádech, nechať má nadání epické, lyrické a dramatické. Nechať jest učitel, kněz, mravokárce, veřejný dozorce, soudce, státní žalobce, obhájce, nechať umí poučovati a baviti zároveň, nechať je hluboký a lehký zároveň, nechať má talent řečnický, agitační, podněcující, nechať umí pobuřovati, ale také konejšiti, musí umět stenograf a psát na stroji, musí znáti několik jazyků, musí znáti literaturu všech národů, musí stále číst a čísti a stále se vzdělávati, nechať umí a ví novinář všecko […]. (Penížek 1929: 18) [Der Journalist /…/ soll sich in der Geschichte, insbesondere in der politischen Geschichte, in der Geschichte des Sozialismus, in der National- und Finanzwirtschaft, in den Gesetzen und im Recht, in allgemeinen und öffentlichen Verordnungen auskennen, er soll eine epische, lyrische, dramatische Begabung besitzen. Er soll als Lehrer, Geistlicher, Moralprediger, öffentlicher Aufseher, Richter, Staatsanwalt, Verteidiger auftreten. Er soll zugleich belehren und unterhalten, zugleich tief und leicht erscheinen, er soll ein Talent zum Reden, Agitieren, Anregen haben. Neben dem Anstacheln muss er auch beschwichtigen können. Er muss stenographieren und auf der Schreibmaschine schreiben können und mehrere Sprachen beherrschen. Er muss die Literatur aller Nationen kennen und er darf nicht aufhören zu lesen und sich weiterzubilden. Der Journalist soll alles wissen und können.]
Es war ratsam, vorbereitet zu sein, denn gerade zu dieser Zeit waren die Ansprüche an die Wiener und die österreichische Journalistik im Wandel begriffen. Die Nachfrage nach Qualitätsberichterstattung stieg. Die Anzahl periodischer Blätter wuchs ab 1894, als die Bedingung abgeschafft wurde, bei der Gründung eines neuen Titels eine Kaution zu zahlen. Auch andere Einschränkungen der Zeitungsproduktion und -distribution wurden gelockert. Zugleich entstanden infolge der Erweiterung des politischen Spektrums immer neue politische Parteien mit eigenen Presseorganen. Es nimmt also nicht wunder, dass die Statistik 1899 in Cisleithanien bis zu 2800 Periodika aufwies (Herzog/Pensold 2010: 150).
Bedřich Hlaváč Penížek vermochte es, sich perfekt im Mittelpunkt der im Wandel begriffenen Welt der österreichischen Journalistik zu etablieren. Und sein ebenso kompetenter Weggefährte und in vielerlei Hinsicht auch Mitarbeiter war der junge Bedřich Hlaváč. Er kam um 1897 nach Wien, zunächst mit der Ambition, nur gelegentlich Berichte zu liefern, und seinen Lebensunterhalt als Bankbeamter bei der Boden-Creditanstalt zu verdienen. Doch der Journalismus reizte ihn,
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im Übrigen arbeitete sein Onkel Ignác Schick in der Redaktion der alttschechischen Politik. Für den angehenden Journalisten Hlaváč war es von großer Bedeutung, in einer der etablierten Redaktionen Wurzeln zu schlagen. Das war für ihn, genauso wie zuvor für Penížek, umso komplizierter, als beide ihre Karrieren in Wien begannen, weit entfernt von dem Parteien- und Zeitungsmilieu der Heimat. Hlaváčs Hoffnung, sich gerade in der alttschechischen Politik durchzusetzen, ging nicht in Erfüllung, eine engere Zusammenarbeit mit Penížek hätte ihm angesichts der Konkurrenz die Position als freier Mitarbeiter für die jungtschechische Presse gekostet. Seine erste ernsthafte journalistische Chance ergab sich dank anderer Wiener Kontakte, nämlich zu dem Dichter J. S. Machar, einem weiterer Tscheche, der in Wien lebte und zufälligerweise sogar in derselben Bank arbeitete. Durch Machars Vermittlung kam Hlaváč in Kontakt mit dem Kreis der Realisten und der Česká strana lidová [Tschechische Volkspartei], mit dem Philosophen Tomáš G. Masaryk an der Spitze.
3. Die Realisten, das Prager Blatt Čas und die Wiener Wochenschrift Die Zeit Die Redaktion der Realisten gab die Monatsrevue Naše doba und das politische Blatt Čas heraus, das zur Zeit von Hlaváčs Anfängen in Wien gerade zu einer Tageszeitung umgewandelt werden sollte. Die Redaktion verfügte jedoch noch nicht über die finanziellen Mittel, um sich einen kostspieligen ständigen Korrespondenten in Wien zu halten. Es ging nicht nur um das regelmäßige Gehalt, sondern auch um die Kosten für die Aufrechterhaltung eines Informanten- und Mitarbeiternetzwerks, für Porto, Telegraphen- und Telefongebühren. Die Ambitionen überstiegen zunächst die Möglichkeiten, und so konzentierte sich die Čas-Redaktion unter der Leitung von Jan Herben auf altbewährte Taktiken. – Damit die Wiener Berichterstattung das Redaktionsbudget nicht allzu sehr belastete, versuchte Herben, den bereits in Wien etablierten und existenziell bis zu einem gewissen Grad abgesicherten J. S. Machar zur Mitarbeit zu überreden. Machar lebte seit 1889 in Wien und war ab 1893 in Kontakt mit Tomáš G. Masaryk, für die realistische Presse schrieb er Feuilletons. Machar wollte sich jedoch nicht zur regelmäßigen Korrespondententätigkeit verpflichten, und empfahl deshalb die Dienste eines anderen
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Landsmanns in Wien, Bedřich Hlaváč.82 Die ganze Situation entwickelte sich zum Vorteil des angehenden Journalisten. Es ergab sich die reale Möglichkeit, mit der Prager Redaktion zusammenzuarbeiten, und auch andere Varianten waren im Spiel. Wie bereits erwähnt, waren Berichterstatter in Wien für die Redaktionen in den Regionen eine kostspielige Angelegenheit. Die Korrespondenten versuchten also, sich auch als freie Mitarbeiter für die Wiener Presse zu betätigen, für die sie den entgegengesetzten Informationsfluss aus der Peripherie sicherstellten.83 Nicht nur Hlaváč selbst, sondern auch die Realisten (unter der Vermittlung von Machar) waren daran interessiert, dass er Arbeitsbeziehungen mit der Zeit, dem Organ der Gruppe Jung-Wien, anknüpfte. Von Prag aus lieferte auch Masaryk Beiträge für die Wochenschrift, Machar und andere aus dem Kreis der Realisten arbeiteten ebenso mit der Zeit zusammen (Kostrbová/Ifkovits/Doubek 2011). Der Chefredakteur von Čas Herben hoffte auf eine intensivere Partnerschaft beider Redaktionen, und gerade Hlaváč sollte diese Zusammenarbeit verkörpern. Ab Oktober 1900 erschien Čas täglich und der Bedarf an verlässlichen, kontinuierlich gelieferten Nachrichten aus Wien wuchs. Im gleichen Jahr wurde Hlaváč zu einem festen Redaktionsmitglied, zunächst jedoch zum Mindestlohn. Um ihn finanziell besser zu stellen, sollte er für beide Redaktionen arbeiten, die Prager Redaktion sollte den Unterhalt des Berichterstatters sozusagen mit der Wiener Redaktion teilen: „Wir hätten Sie zur Hälfte,“ versicherte Herben Hlaváč noch Ende 1901.84 Trotz der Aussicht auf diese Konstellation überließ der junge Journalist nichts dem Zufall. Während noch nach einer Lösung für die doppelte Zusammenarbeit mit den beiden liberal-sozial orientierten Organen gesucht wurde, schrieb Hlaváč parallel fleißig Kulturkommentare für das konservativ-monarchistische Blatt Reichswehr, dessen Leser sich v. a. aus den Reihen österreichischer Offiziere rekrutierten (Hlaváč 1901a: 1ff.; ders. 1901b: 8).
82 J. S. Machar an J. Herben, 18.09.1899, LA PNP, Fonds J. Herben. 83 In einer umgekehrten Situation (Zentrum vs. Peripherie) befand sich bereits früher der Journalist Hermann Katz, der Redakteur des Prager Tagblatts Bohemia, der als Korrespondent für die Neue Freie Presse in Prag tätig war (Kisch 1968: 84). 84 J. Herben an B. Hlaváč, 18.11.1901, ANM, Fonds B. Hlaváč, K. 1, Inventarnummer 11, Mappe Korrespondenz von B. Hlaváč mit J. Herben.
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4. Josef Penížek und die Arbeit der Presseagenturen Es war kurz gesagt nicht einfach sein Auskommen in der Welt des Wiener Journalismus zu sichern, und eine breitgefächerte Zusammenarbeit mit verschiedenen Redaktionen war eine der möglichen Lösungen. Penížek nutzte seine Kenntnisse und Kontakte auf eine andere Weise. Auch dieses Projekt zeugt vom Wert der Informationen und von den Möglichkeiten, von ihnen Gebrauch zu machen. Penížek hatte Slawistik studiert und sich bereits 1879 redaktionell an der Herausgabe des Slovanský almanach [Der slawische Almanach] beteiligt, zu dem er sogar seinen belletristischen Erstling beisteuerte (Penížek 1879). Die Reaktion auf die erste – und wie sich zeigen sollte auch letzte – Nummer des Almanachs war eher lau, in ganz Böhmen fanden sich nur 39 Subskribenten, in Mähren und Schlesien weitere sechs. Die folgende Nummer durfte nach dem Eingriff der Zensur nicht mehr erscheinen und Penížek entschied sich, Österreich zu verlassen und sein Glück in Russland zu versuchen (Máchal 1932). Sein positives Verhältnis zur slawischen Welt war seit langem allgemein bekannt, und es waren eben jene Kontakte, mit deren Hilfe er ein neues Projekt auf die Beine stellen konnte. Der Journalismus war im Wandel begriffen, die traditionellen Nachrichtenbörsen in der Nähe der Hofburg und des Parlaments, genügten nicht mehr. Der journalistische Beruf professionalisierte und organisierte sich, Nachrichtenagenturen nahmen sich der Distribution von Nachrichten an. Als 1908 in Prag der Slawische Kongress unter Leitung von Karel Kramář und unter Teilnahme von Vertretern slawischer Enklaven inner- und außerhalb Monarchie einberufen wurde, war einer der Vorschläge für eine erweiterte kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit auch die Gründung einer slawischen Presseagentur, die Nachrichten aus der slawischen Welt zusammenführen und zugänglich machen sollte.85 Josef Penížek erwies sich in der Sache als äußerst hellsichtig, als er bereits um die Jahrhundertwende seine Slavische Correspondenz gründete und Bedřich Hlaváč zu deren Leitung bestellte. Die Slavische Correspondenz war eine Presseagentur, die Informationen sammelte und verbreitete bzw. verkaufte. Auch wenn es nicht gelang, die groß angelegten Pläne des Prager Slawischen 85 Laut eines Berichts über den Verlauf des Slawischen Kongresses sollte eine der Aufgaben und Bedingungen weiterer Zusammenarbeit die „Gründung einer slawischen Presseagentur in Wien“ darstellen (Zpráva pražského místodržitelství ministerstvu vnitra z 4. června 1908 [Bericht der Prager Statthalterei ans Innenministerium vom 04.06.1908], NA, Fonds Ministerstvo zahraničí Vídeň [das Außenministerium Wien]/ R, opisy [Abschrifte], XLV/2, K. 62, Mappe 2).
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Kongresses zu realisieren, funktionierte Penížeks und Hlaváčs Zentrale auch noch während des Kriegs ausgezeichnet und effizient. Wenn Hlaváč sich hie und da über seine Arbeitsbedingungen beschwerte, erwähnte er, dass es eben die Slavische Correspondenz war, die ihn finanziell über Wasser hielt86 und es ihm ermöglichte, sich weiterhin der riskanten und finanziell unzuverlässigen Tätigkeit für die tschechische Presse zu widmen.
5. Die Berichterstatter unter dem Druck der Kritik Unter den Kritikern der Jungtschechen waren jedoch auch andere Bewertungen zu vernehmen. Der konservative Abgeordnete Vojtěch Václav Sternberg bezeichnete Penížek in einer Rede im Reichsrat explizit als Symbol der tschechischen journalistischen Korruption, der sich gerade mit Hilfe von Informationen aus der Slavischen Correspondenz bei anderen Wiener Redaktionen und Ministerien einschmeichele und folglich einen Einfluss auf die österreichische Politik gewinne, der ihm nicht zustehe. Das Ergebnis sei, dass „solch ein Berichterstatter auch mithilfe der Protektion herrscht. Wissen Sie, meine lieben Herren, dass die Protektion dieses Menschen viel einflussreicher ist, denn die dieses ganzen Klubs (er zeigt auf den tschechischen Klub) zusammen?“ (Anonym 1905: 2). Die Angriffe politischer und journalistischer Rivalen gehörten allerdings zum Alltag eines Berichterstatters. Ihre bis zu einem gewissen Grad exklusive Stellung sorgte für Neid, und die langjährige Distanz zum tschechischen Umfeld erschwerte es, unmittelbar zu reagieren und sich zu verteidigen. Deshalb mussten sie nicht nur immer wieder aufs Neue ihre journalistische Kompetenz beweisen, sondern auch ihre Loyalität zur tschechischen Redaktion und zur tschechischen Gesellschaft im Allgemeinen. In dieser Hinsicht hatte Hlaváč, der direkt für den Parteichef Masaryk arbeitete, eine stärkere Position. Bis 1907 war Masaryk nicht im Parlament, weshalb die Nachrichten aus dem Reichsrat und aus der österreichischen Politik für ihn persönlich große Bedeutung hatten (Doubek/Kučera 2001). Hlaváč war sich sehr wohl bewusst, wer seine schützende Hand über ihn hielt. So überstand er es auch, als andere, nicht weniger fähige Kandidaten für seine Stelle im Gespräch waren, etwa der Prager Korrespondent der Komotauer Zeitung Deutsches Volksblatt, Ka86 B. Hlaváč an J. Herben, 07.10.1902, LA PNP, Fonds J. Herben.
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rel Mečíř. Im Gegenteil, geschützt durch Masaryks Autorität, konnte Hlaváč es sich erlauben, seinen Forderungen nach einer Erhöhung seines Honorars einen gewissen Nachdruck zu verleihen und sich darüber zu beschweren, er müsse die Telefonkosten zur Übermittlung dringender Nachrichten aus seinem privaten Budget decken oder sich dafür sogar verschulden.87
6. Das Übersetzen – eine andere Ebene der Versöhnung der Welten Für die Korrespondenten der regionalen Presse in Wien ergab sich aus ihrem gesamten Wirken beinahe automatisch die Pflicht, neben ihrer journalistischen Tätigkeit auch darüber hinaus eine Vermittlerrolle zwischen den Peripherien und dem Zentrum, bzw. zwischen unterschiedlichen sprachlichen Welten zu erfüllen, in diesem Fall insbesondere zwischen der tschechischund der deutschsprachigen. Sowohl Josef Penížek, als auch Bedřich Hlaváč waren daher auch als Übersetzer tätig. Penížek allerdings übersetzte aus anderen Sprachen, ihm ist es zu verdanken, dass Werke von Fjodor M. Dostojewski (Dostojevskij 1883), Iwan S. Turgeniew (Turgeněv 1883) oder Bücher des slowenischen Schriftstellers, Dramatikers (und Journalisten) Josip Jurčič (Jurčič 1882) Eingang in tschechische Bibliotheken fanden. Dies geschah Anfang der 1880er Jahre, als Penížek eher der literarischen und akademischen Arbeit zuneigte. Erst später etablierte er sich als Journalist, und in dieser Rolle präsentierte er schließlich auch seine auf Deutsch verfassten politischen Kommentare und Erinnerungen (Penížek 1906; ders. /1913/). Hlaváč arbeitete sich im Laufe seiner journalistischen Tätigkeit zwischen den Jahren 1908 und 1910 an das Übersetzen heran. Zu dieser Zeit traf er sogar im Rahmen eines konkreten Projekts mit seiner Cousine Anna Auředníčková zusammen: Die Reihe Slavische Romanbibliothek des Prager Verlegers Jan Otto sollte tschechische Belletristik unter deutschen Leser popularisieren. 1908 erschienen in der Reihe zwei Bände (Bd. 10 und 11); zum einen ausgewählte Erzählungen von Ignát Herrmann in der Übersetzung von Anna Auředníčková (Herrmann 1908), zum anderen Hlaváčs Übersetzung von Ju-
87 J. Herben an B. Hlaváč, 11.11.1903, ANM, Fonds B. Hlaváč, K. 1, Inventarnummer 11, Mappe Korrespondenz von B. Hlaváč mit J. Herben.
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lius Zeyers Roman Jan Maria Plojhar (Zeyer 1908).88 Hlaváčs übersetzerische Anfänge reichen jedoch noch weiter zurück, allerdings in die entgegengesetzte Richtung aus dem Deutschen ins Tschechische. Diese Reihenfolge ist zweifellos auf Hlaváčs wachsende Sprachkompetenz im Deutschen zurückzuführen. Bei der Übersetzung handelte es sich um den Dreiakter Vom andern Ufer von Felix Salten, den Hlaváč wohl schon aus seiner Zusammenarbeit mit der Revue Die Zeit kannte. Weltbekannt wurde Salten erst nach dem Ersten Weltkrieg, insbesondere dank seiner Tiergeschichten (Strigl 2020). Zu Beginn des Jahrhunderts verkehrte er in Kreisen der Wiener Moderne, wurde 1902 Redakteur des gleichnamigen Tagblatts Die Zeit und etablierte sich zugleich als Autor von Erzählungen und dramatischen Werken (Atze 2020). Saltens Dreiakter Vom andern Ufer wurde im Oktober 1907 am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt (ebd.: 395f.), in der Saison 1908/09 brachte das tschechische Nationaltheater das Stück in Hlaváčs Übersetzung auf die Bühne (Salten 1908a).
7. Wien als organisatorisches Zentrum tschechischer Aktivitäten Signifikant für Hlaváč war auch die Bemühung, tschechische Aktivitäten vor allem kultureller Art nach Wien zu bringen. In den letzten Jahren vor dem Krieg beteiligte sich Hlaváč an mehreren Plänen für tschechisch-deutsche Publikationsprojekte. Einige standen in direktem Zusammenhang mit den Anstrengungen, die tschechische Journalistik in deutscher Sprache in Wien zu stärken. Im Oktober 1906 kündigten deutschsprachige Blätter an, dass der Korrespondent des Prager Blattes Čas die Herausgabe eines Presseorgans für tschechische Politik, des Wochenblatts Montagspost, aufgenommen hätte (Anonym 1906b: 3). Leider ist kein einziges Exemplar von Hlaváčs Wochenblatt erhalten, die Lexika österreichischer Periodika bestätigen dennoch, dass es erschien, und zwar mehrere Wochen zwischen dem 15. Oktober 1906 und dem 21. Januar 1907 (Sagl/Lang 1993: 200). Zwar war es nur ein ephemerer Versuch, allerdings belegt er Hlaváčs Bestreben, sich aus der übermäßigen Kontrolle und Abhängigkeit von den Prager Redaktionen zu befreien, und
88 Beide Bände wurden auch in der Wiener Presse wahrgenommen – Anonym (1909: 400; 1910b). Zur Slavischen Romanbibliothek siehe das Kapitel II. von V. Petrbok: 75.
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direkt in Wien ein eigenes, bis zu einem gewissem Grade unabhängiges journalistisches Projekt auf die Beine zu stellen. Nach dem Misserfolg der Montagspost lenkte er seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Für die deutschsprachige Politik hatte Hlaváč bereits zu Beginn seiner journalistischen Laufbahn Beiträge geliefert. Seither hatte sich das Blatt beträchtlich verändert, da es mit dem Niedergang der Alttschechen seine parteipolitische Basis verloren, sich dadurch aber auch der damit einhergehenden Verpflichtungen entledigt hatte. Ab Oktober 1907 erschien es unter dem provisorischen Titel Union, früher Politik, später dann nur noch als Union. Der Titel brachte sehr gut den einheitlichen und überparteilichen Ansatz der Redaktion zum Ausdruck. Neben der fortwährenden Zusammenarbeit mit Čas und Naše doba entschied Hlaváč sich nun, auch mit der neuen Union systematisch zu kooperieren. Hierbei zeigte sich erneut sein Wunsch nach einer breiteren redaktionellen Verankerung. Darüber hinaus initiierte Hlaváč in der zweiten Hälfte des Jahres 1911 eine Debatte über die Reform der Union, was für ihn vor allem bedeutete, die Redaktion nach Wien zu verlegen. Der Vorschlag war begründet, denn die Eigentümer der tschechischen Periodika deutscher Sprache beschwerten sich regelmäßig über das Desinteresse der tschechischen Leser. Es musste die Frage aufkommen, für wen die Union eigentlich bestimmt war, welche Leserschaft sie ansprechen wollte. Jedoch wurde auch diese Initiative von Hlaváč nicht von Erfolg gekrönt. Unter Verweis auf das Desinteresse tschechischer politischer Kreise sowie auf das Risiko allzu hoher Kosten lehnte Verleger Beaufort den Vorschlag ab.89 Hlaváčs Aufgabe als Berichterstatter Prager Blätter war es, dem tschechischen Publikum Nachrichten über das Geschehen und über die Stimmung in Wien und in anderen österreichischen Ländern zu liefern. Große Bedeutung schrieb er jedoch auch der Berichterstattung in der umgekehrten Richtung zu, d. h. der Vermittlung von Wissen über die Tschechen und ihr Tun ans Zentrum bzw. von dort aus an weitere Teile der Monarchie. Da er seine Glaubwürdigkeit in Wien und innerhalb der Wiener Journalistik erhöhen wollte, nahm er diese Aufgabe sehr ernst. Als Berichterstatter tschechischer Redaktionen war Hlaváč für die Wiener Journalistik und ihre Leser kaum wahrnehmbar. Daran konnte auch seine Zusammenarbeit mit Penížek an der Slavischen Correspondenz kaum etwas ändern. Einen deutlicheren Einfluss auf die österreichischen deutschsprachigen Leser hatte er womöglich durch seine frühere Zusammenarbeit mit der Zeit. Es bleibt unklar, wann sie beendet wurde, nach 1902 lässt 89 E. Beaufort an B. Hlaváč, 28.09.1911, ANM, Fonds B. Hlaváč, K. 1, Mappe 4, Korrespondenz mit E. Beaufort.
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sie sich jedoch nicht mehr eruieren. Hlaváč maß jedoch auch den Titeln und Aktivitäten der tschechischen Publizistik deutscher Sprache weiterhin große Bedeutung bei, wie der erwähnten Union oder auch der Čechischen Revue. Das letztgenannte Periodikum wurde in der österreichischen deutschsprachigen Presse von den ersten Ausgaben an verfolgt, ebenso wie die Autoren. Der Name Bedřich (Friedrich) Hlaváč war also im Bewusstsein der Wiener präsent, genau wie andere Namen, die eine Rolle im tschechisch-deutschen Austausch spielten (Hlaváč 1908). Zu nennen sind hier an erster Stelle Arnošt Vilém Kraus, Redakteur der Čechischen Revue, Germanist und Literaturhistoriker aus Prag, oder der beinahe unentbehrliche Vertreter der tschechischen Kultur in Wien, der Dichter J. S. Machar, dessen literarische Texte Emil Saudek für die Revue übersetzte.90 Im Zusammenhang mit der Čechischen Revue finden sich Hinweise auf Hlaváčs Autorschaft einerseits in der österreichischen Regionalpresse (Anonym 1906d), andererseits auch in der staatlichen Wiener Zeitung (Anonym 1908a). Als der Wiener Dichter Hugo von Hofmannsthal noch im Laufe des Kriegs die Gründung der thematischen Bücherreihe Österreichische Bibliothek initiierte, war es unter anderen Hlaváč, der tschechische Autoren auswählte und empfahl (Tobolka 2008: 71).
8. Bedřich Hlaváč als Teil der professionellen journalistischen Strukturen Zur Etablierung in der deutschsprachigen Presse verhalf Hlaváč neben den angeführten Impulsen auch die Tatsache, dass er sich immer stärker innerhalb der professionellen Strukturen der Journalistengemeinde engagierte. Aus begreiflichen Gründen wurde Hlaváč nicht Mitglied der Concordia, der zentralen Vereinigung der Wiener Journalisten. Die Concordia stand zwar allen Journalisten im aktiven Alter offen (laut Statuten zwischen 24 und 60 Jahren), die in Wien und Umgebung lebten, ihre Aktivitäten mussten aber mit Wiener Blättern verbunden sein (Anonym /1903/: 13). Obwohl sich die tschechischen, in der Residenzstadt tätigen Journalisten nicht formell mit dieser Wiener Journalistengemeinschaft identifizierten, standen sie mit ihren Mitgliedern dennoch in regem Kontakt. Allerdings versuchten sie, sich auf andere Weise zu organisieren, und so wurde auch Bedřich Hlaváč als Mitglied ande90 Siehe Kapitel IV. von L. Merhautová: 121–127.
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rer journalistischen Strukturen aktiv, zu denen das Syndikat österreichischer Zeitungskorrespondenten zählte. Bei den Vorstandswahlen 1906 wurde der Korrespondent des Prager Tagblatts Josef Münz als erster Vorsitzender bestätigt, und neben weiteren Korrespondenten aus der ganzen Monarchie (u. a. Max Forst von der Tagespost und Max Schreier von der Reichenberger Zeitung) wurde auch Hlaváč in den Vorstand gewählt (Anonym 1906a: 12). In diesen Strukturen verdiente er sich seine ersten Sporen als journalistischer ‚Gewerkschafter‘. Von diesem Moment an lässt sich sein Engagement in einer ganzen Reihe von Berufsorganisationen verfolgen, zum Beispiel als Mitglied des Seniorenkonvents der parlamentarischen Berichterstatter (in dieser Position wurde er von der Presse quer durch Österreich und das politische Spektrum wahrgenommen) (bspw. Anonym 1910a; 1911b; 1911d; 1911d). Bald wurde Hlaváč nicht nur als Mitglied des Konvents in der Presse erwähnt, sondern ab 1913 auch als stellvertretender Vorsitzender des Verbands der tschechischen Journalisten in Wien (Anonym 1913a). Während des Ersten Weltkriegs war er Vorsitzender dieser Organisation und vertrat in dieser Eigenschaft die gesamte tschechische Publizistik in Wien – doch gerade die Tätigkeit zu dieser Zeit sollte ihm im Verlauf der nationalen Revolution, die mit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik einherging, nicht als Verdienst angerechnet werden.
9. Der Krieg und die problematische Rückkehr der Berichterstatter aus Wien Obwohl Penížek und Hlaváč ihren Wirkungsbereich und ihr Renommee aktiv förderten, wurden sie letzten Endes von den Schwachstellen ihrer Wiener Position eingeholt. Dazu zählte zunächst einmal die Kriegspublizistik. Hlaváč war und blieb ein Anhänger einer starken Monarchie, politisch wie auch journalistisch. Sein Ideal war ein kompaktes, innerlich ausgewogenes Österreich mit einem starken Zentrum und der offiziell anerkannten Autorität der einzelnen Länder und Nationen. Er war der Meinung, dass die Stellung der Tschechen sich verfestigen würde, indem sich die tschechischen Vertreter in Wien mehr Autorität erwerben – sei es auf der politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Ebene. Hlaváč wollte Tscheche, Österreicher und Wiener sein, wobei er in all diese Begriffe seine idealistischen Vorstellungen von einer Welt des toleranten, großzügigen Zusammenlebens und eine Vision von Fortschritt und Stärke projizierte. Und er glaubte, dass die Gesellschaft eine
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solche Auffassung nicht nur verstünde, sondern auch bedingungslos teile. Im Gegensatz zu anderen Intellektuellen erschütterte nicht einmal der Krieg seine Überzeugung. Und so verfasste er auch nach 1914 Artikel im Geiste des österreichischen Kriegsoptimismus und der damaligen Propaganda, um den Glauben an einen Sieg zu fördern, der die Größe Österreichs und seine zukünftige Stellung in der Welt stärken würde. Österreich-Ungarn wird aus diesem Kriege gestählt und gekräftigt hervorgehen, seine Macht und Ansehen in der Welt erhöhen. Sowie alle seine Völker im Kriege ihre äußeren Kräfte zu diesem Erfolge anspannen mußten und müssen, so werden wir alle auch im Frieden mitarbeiten müssen, um unserem Staate jene innere Kraft zu geben, die neugewonnene große Position in der Welt zu erhalten und erweitern, auch darum schon, weil diese Weltposition des Reiches auch für uns in jeder Hinsicht, besonders aber in wirtschaftlicher, von höchster Bedeutung und größtem Vorteil ist. (/Hlaváč/ 1915: 1)
Hlaváčs Gesinnung war österreichisch und mit den zeitgenössischen widerständigen, separatistischen Interessen der nationalen Revolution schlichtweg unvereinbar. Masaryks Angebot von 1914, ins politische Exil zu gehen, lehnte er ab. In Prager Kreisen galt Hlaváč deshalb insbesondere gegen Kriegsende als Beispiel für die konjunkturelle Kriecherei gegenüber der Regierung in den Reihen der Journalisten, die den Realisten nahestanden (Herben 1935: 500). Es war nicht einfach für Hlaváč, Wien 1919 nach mehr als zwanzig Jahren zu verlassen und in der Tschechoslowakei Ansehen als glaubwürdiger Journalist zu erwerben. Ähnliche Probleme erlebte übrigens auch Josef Penížek, der nach 40 Jahren zurückkehrte (Moudrý 1922: 3). Die ständigen Korrespondenten waren mit Wien eng verbunden, sie hatten keine Wohnungen in Prag und besuchten die Landesmetropole nur selten. In Böhmen verbrachten sie höchstens Urlaubs- oder Kuraufenthalte, Hlaváč besuchte regelmäßig Karlsbad und Penížek seine Heimatregion in der Nähe von Tabor. Aus der Perspektive der tschechischen, insbesondere der Prager Gesellschaft mochte das Verhältnis beider Berichterstatter zu ihrer Heimat somit zu distanziert und „wienerisch“ erscheinen.
10. Assimilation als Versöhnungsmittel Auch die jüdische Abstammung von Penížek und Hlaváč war ein „Argument“, das jederzeit gegen sie verwendet werden konnte, wenn es den Kritikern und Konkurrenten beliebte. Beide Journalisten entstammten einem jüdischen Mi-
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lieu, und obwohl beide sich auf ihre Art und Weise mit ihrem national-religiösen Hintergrund auseinandersetzen, blieb er für beide ein lebenslänglicher „Makel“. Die erhalten gebliebenen Zeugnisse erwecken den Eindruck, dass Penížek sich seinen Wurzeln widersetzte, Hlaváč dagegen versuchte, sie zu ignorieren. Beide ließen sich taufen und v. a. Hlaváč war danach überzeugt, dass die Frage des Judentums für ihn somit erledigt sei. Penížek verstand diesen Akt eher als Beweis für seine Bereitschaft zur Assimilation, die er als Prozess der sukzessiven Annäherung auffasste. In seinen späteren Texten sprach er auch von einer natürlichen Zuneigung zu den dominanten bzw. progressiven Strömungen und Kommunitäten der Zeit und zog einen Vergleich zur erneuten nationalen Bewusstwerdung der Wiener Tschechen: Česko-židovský ruch zmohutněl. […] Atrakce [ve smyslu atraktivita, atraktivnost – pozn. V. D.] českého národa stoupala. […] Jako protějšek židovských Čechů také vídeňští Čechové počali se znáti ke svému jazyku a národu. Směleji, odvážněji a důvěřivěji. […] Přestali se choulit a krčit a z leckterých hrdel, dosud nesmělých a bojácných, ozývalo se: já jsem Čech, a kdo je víc. (Penížek 1929: 113) [Das tschechisch-jüdische Leben ist lebendiger geworden. /…/ Die Attraktivität der tschechischen Nation ist gestiegen. /…/ Analog zu den tschechischen Juden haben auch Wiener Tschechen begonnen, sich zu ihrer Nation und Sprache zu bekennen. Und dieses Bekenntnis ist kühner, mutiger, zuversichtlicher. /…/ Sie ducken sich nicht mehr in der Ecke und aus manchem Mund der bisher Zaghaften und Furchtsamen war der Satz zu vernehmen: Ich bin ein Tscheche und wer ist mehr.]
Penížek begriff sich selbst als jüdischen Tschechen, der dabei war, sich zu assimilieren. Seine Wandlung vollzog sich langsam, er schrieb im Übrigen noch in den frühen 1880er Jahren Beiträge für den Kalendář česko-židovský (Penížek 1882). Hlaváč wollte nicht mehr in diesen Kategorien denken. Er erlebte seine Identität nicht als Assimilation, sondern definierte sich kurzum als Tscheche, Österreicher, Wiener; all diese Rollen konnte er bekleiden, wenn sie seine freisinnige Lebenseinstellung nicht beeinträchtigten und ihm ein ruhiges, zufriedenes Leben mit einem angemessenen sozialen Status gewährleisteten. Hlaváč betonte weder seine jüdische Abstammung noch seine Kontakte, war aber imstande, sie im richtigen Moment zu nutzen. Trotz der erklärten tschechisch-österreichischen Identität waren es auch die Kontakte zu Juden vor Ort, die ihm die Tür zu Wien öffneten. Mit ihnen freundete er sich auch bald an, und zählte auf ihre Unterstützung bei der Festigung seiner eigenen Position als tschechischer politischer Journalist. In der anfänglichen Kommunikation mit Masaryk im Jahre 1899 (d. h. bald nach seiner Ankunft in Wien) ging es praktisch nur um ein Thema – um Hlaváčs Angebot bei den örtlichen jüdischen Kreisen um Unterstützung für das Wochenblatt Čas zu
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werben, das infolge von Masaryks Engagement in der Hilsner-Affäre finanziell stark angeschlagen war (Doubek/Kučera 2001: 15ff.). Aber ob die Korrespondenten nun ihren Willen zur Assimilation oder ihr überzeugtes Tschechentum hervorhoben, es fand sich trotzdem immer eine Gelegenheit, sie in der Atmosphäre eines offenen oder auch latenten Antisemitismus auf ihre Abstammung hinzuweisen. Penížek wurde vorgeworfen, er verheimliche seinen ursprünglichen Namen Joachim Münzer oder Münzeles (Anonym 1905). Diese Angriffe kamen nicht nur von Gegnern und Kritikern. Sogar der Chefredakteur von Čas Jan Herben, ein Kollege und enger Freund Bedřich Hlaváčs, stempelte beide in seinen privaten Tagebucheinträgen abschätzig als „jüdische Redakteure“ ab (Herben 1935: 499). Dies geschah erst während des Kriegs, als Wien sich, im übertragenen Sinne, von Prag entfernte und Herben das Vertrauen in Hlaváčs (und Penížeks) Tschechentum verlor. Trotz der schwierigen Rückkehr und der Vorbehalte eines Teils der ehemaligen Kollegen konnten beide ab 1919 in der Hauptstadt der jungen Republik journalistisch Fuß fassen. Penížek wirkte weiter in der erneuerten Redaktion von Národní listy, Hlaváč wurde mit dem Aufbau des Wochenblatts Tribuna betraut, das von seinen Gründern ursprünglich als Organ des tschechischen Judentums gedacht war (Čapková 2009; Doubek 2018). Tschechische Berichterstatter in Wien stellten eine besondere Gruppe innerhalb der Wiener Tschechen dar. Ihre Stimmen waren einerseits sehr laut und prägten das Bild von Wien deutlich, andererseits waren sie Vermittler zwischen unterschiedlichen Welten, standen vielleicht auch deshalb unter einem hohen Druck und waren immer der Kritik aus den Reihen der Leser sowie der eigenen Redaktion ausgeliefert. Ihre Stellung war sehr spezifisch und sicherlich nur für einige wenige geeignet. Die Auswahl hatte allerdings nichts mit Glück und dem Zusammenspiel der Umstände zu tun, sondern hing mit den Dispositionen, dem Willen, Fleiß, Geschick und Eifer sowie der Resilienz zusammen, die diese Persönlichkeiten im Laufe ihrer Laufbahn aufbringen mussten, umso mehr, nachdem sie nach Böhmen zurückkehrten und sich in einer veränderten Situation zurechtfinden mussten.
Lucie Merhautová
IV. „Ein großer Heide, strahlender Verteidiger des irdischen Lebens und dessen Möglichkeiten“: Emil Saudek und der Dichter Josef Svatopluk Machar
1. Die Vater- und Begleiter-Figur Po svém příchodu do Vídně jsem denně hledal Machara. (Saudek 1914b: 61) [Nach meiner Ankunft in Wien suchte ich Machar jeden Tag.]
Nach den Sommerferien 1895 kam Emil Saudek nach Wien, um Jura zu studieren. Laut seiner späteren Erinnerungen bereitete er sich auf den Aufenthalt in der Großstadt vor, indem er Gedichte von J. S. Machar las, der bekanntlich in der Donaumetropole lebte. „Ty mládeže jsi věštcem nesmrtelným, / ozvěna z duše její odražená“ [Du bist der Jugend unsterblicher Weissager, / aus ihrer Seele dargebrachter Widerhall], lautet der Zweizeiler aus einem Gedicht, das Saudek angeblich im Zug auf der Hinfahrt geschrieben haben soll (Saudek 1914b: 60f.). Zu dieser Zeit kannte er bereits einen beträchtlichen Teil von Machars Werk – intime Lyrik (insbesondere die Sammlung Confiteor, 1887), die Satire auf den rhetorischen Nationalismus der Anführer der liberalen Jungtschechischen Partei Boží bojovníci [Gotteskämpfer] (1894–1895), ferner Magdalena (1894), die versifizierte Geschichte einer durch heuchlerische Spießermoral ins Freudenhaus zurückgescheuchten Prostituierten, genauso wie die „lyrischen Stücke“ Zde by měly kvést růže (1894; Hier sollten die Rosen blühen, dt. 1923), die die soziale, psychische und physische Unterordnung der Frauen in einer Männerwelt thematisieren; Saudek las auch die Wiener, von Ovids Elegien inspirierte Sammlung Tristium Vindobona (1893).91
91 Zu Machars Poesie vgl. Pešat (1959), Kostrbová (2011a).
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Wenn man Saudeks Erinnerung Glauben schenken kann, suchte und verfolgte er den Dichter in den ersten Monaten seines Wiener Aufenthalts wie ein Idol: Po svém příchodu do Vídně jsem denně hledal Machara. Hledal znamená však v terminologii ostýchavých ctitelů pátrání z dálky, srovnávání podobizny s lidmi, „kteří by to mohli být“ […], obcházení bydliště, mlčenlivé, nikoho se neptající trpělivé očekávání zjevení, o kterém se ví, že jistě nastane. A když ho najdeš – pomohla mně podobizna – pak dle forem platících pro všechny druhy tehdejšího milování – sleduješ ho, odvážíš se na něho z rohu ulice nebo i v tramvaji, ale neodvážíš se ho osloviti. Za nějakou dobu ho zdravíš; hluboko smekneš. / Nepromluvíš! Básník již dávno ví, že jsi nějaký mladý blázen, dívá se na tebe srdečně, mohl bys se bezpečně chopiti jeho pravice a mohl bys ji stisknout … (Saudek 1914b: 61) [Nach meiner Ankunft in Wien suchte ich Machar jeden Tag. „Suchen“ heißt im Wortschatz scheuer Verehrer jedoch eine Fahndung aus der Ferne, ich stellte Vergleiche an zwischen Menschen, die ich sah, und einem Porträt, ich näherte mich seinem Wohnsitz, es war ein nicht fragendes, geduldiges Warten auf die Offenbarung, von der ich wusste, dass sie kommen muss. Wenn du ihn dann findest – das Bildnis half mir hierbei – dann folgst du ihm nach den Regeln, die für alle Arten des Liebens gelten, du wagst es, dich ihm an der Straßenecke oder in der Straßenbahn zu nähern, doch du wagst es nicht, ihn anzusprechen. Nach einiger Zeit grüßt du ihn bereits, du lüftest ehrerbietig deinen Hut. / Du bleibst aber stumm! Der Dichter denkt schon bei sich, du seiest irgendein junger Narr, er schaut dich freundlich an, du könntest seine Rechte ergreifen und sie warm drücken …]
Am 28. Februar 1898 schrieb Saudek zu dessen Geburtstag einen Glückwunschbrief an Machar. Er eröffnete ihn auf Tschechisch wie folgt: Slovutný pane, již dávno pobízí mne vděčnost vysloviti Vám, drahý průvodce duší na cestách pravdy a krásy, svůj dík za tisíce rozkoší a slastí, jež způsobilo mi Vaše božské slovo.92 [Sehr verehrter Meister, seit langem drängt mich die Dankbarkeit, Ihnen, der Sie ein Begleiter der Seelen auf dem Weg der Wahrheit und Schönheit sind, meinen Dank für die tausenden Wonnen auszusprechen, die Ihr göttliches Wort mir bereitet hat.]
Dem Brief fügte er auch einige Gedanken aus seinem Notizbuch93 an, die mit folgendem Ausruf enden: „Etwas Väterliches […] spricht aus Machar. O wieviel mehr danken wir ihm als einem Vater!“94 Solche psychologischen Projektionen müssen etwas stutzig machen, denn zum Zeitpunkt von Saudeks Ankunft in Wien war Machar einunddreißig und 92 E. Saudek an J. S. Machar, 28.02.1898, LA PNP, Fonds J. S. Machar (unterzeichnet Emil Soudek). 93 Das vorwiegend deutsch geschriebene Notizbuch blieb in Saudeks Privatnachlass erhalten. 94 E. Saudek an J. S. Machar, 28.02.1898, LA PNP, Fonds J. S. Machar.
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Vater von zwei kleinen Töchtern namens Jiřina und Sylva. Im Kontext der zeitgenössischen Auseinandersetzungen um die tschechische literarische Moderne verortete er sich selbst dezidiert auf der Seite der „Jungen“ (er war u. a. der Hauptverfasser des Manifests der tschechischen Moderne, das im Oktober 1895 in der Zeitschrift Rozhledy erschienen war, zu deren Lesern Saudek zählte). Saudeks eindringliche Suche nach einem Idol, seine Projektion eines jungen Ersatzvaters – der ihm zu einem geistigen Führer und moralischen Vorbild werden könnte und zugleich Gegenstand einer „gierigen Liebe“ und Verehrung (Saudek 1914b: 60) – auf die reale Person des Dichters, verrät viel über seine Gefühle in den ersten Wiener Jahren wie auch über den hohen Stellenwert der (tschechischen) Literatur für seinen geistigen Werdegang. Im Anfangskapitel seines Buches Pod oblohou Otokara Březiny [Unter dem Himmel von O. B.], das bezeichnenderweise den Titel Setkání [Begegnung] trägt, behauptet Saudek, die 1890er Jahre seien „erotisch“ gewesen. Damit meinte er die Tatsache, dass die bislang tabuisierten Themen Körperlichkeit und Sexualität, das Verhältnis zwischen der Seele, den Sinnen und den Trieben nun zu Themen der modernen Kunst sowie der modernen Wissenschaft und Philosophie wurden. „Die Geschlechtlichkeit mit all ihren geistigen Attributen, das war ein riesiges Problem“, schreibt Saudek und verweist dabei auf Stanisław Przybyszewski, Charles Baudelaire, Henrik Ibsen, F. M. Dostojewski oder Arne Garborg (Saudek 1928: 12). Diese Bruchstücke aus Saudeks juvenilen Texten und Erinnerungen korrespondieren mit der allgegenwärtigen Krise des Subjekts um die Jahrhundertwende, die sich in einer Erschütterung traditioneller religiöser, nationaler sowie geschlechtlicher Kategorien sowie in einer Unterwanderung der Genderrollen niederschlug (vgl. Le Rider 1990). Dieses Zeitalter redefiniert den ‚Charakter‘ des Menschen aus einer philosophischen, psychologischen, biologischen und sozialen Perspektive von Grund auf. Der Wiener Philosoph Otto Weininger spricht in seinem Werk Geschlecht und Charakter Frauen wie auch Juden ein rationales und moralisches ‚Ich‘ ab (Le Rider 1985; Sengoopta 2000). Weininger kam aus einer Wiener jüdischen Familie und war vier Jahre jünger als Saudek, der später Weinigers Freund und Interpreten, den Schriftsteller Emil Lucka, kennenlernte, genau wie Saudek im Zivilberuf Bankbeamter.95 95 Saudek rezensierte Luckas Buch Die Grenze der Seele und bezeichnete Weininger als den „hervorragendsten und spannendsten Philosophen in Wien“ (Saudek 1916c). Saudek war auch mit den Ansichten eines anderen engen Freundes von Weininger, des Psychologen Hermann Swoboda, vertraut, der erheblichen Einfluss auf die Herausgabe von Geschlecht und Charakter hatte und 1911 eine Publikation über Weiningers Tod herausgab. Saudek besuchte gelegentlich Swobodas Vorlesungen an der Wiener Universität und besprach in
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Am 14. Oktober 1903, nur wenige Tage nach Weinigers Selbstmord, der das intellektuelle Wien erschütterte (4. Oktober), verfasste Saudek seinen ersten Brief an den Dichter Otokar Březina, in dem er ihm seine erotische und seelische Zerrüttung und die daraus resultierenden Selbstmordgedanken anvertraute.96 Genau wie zuvor in Machar sieht er in dem Dichter einen Gegenstand der Liebe und Verehrung („Darf ich Sie lieben?“, fragt er verzweifelt, „wohl steht mir jedoch zu, Sie nur zu bewundern und religiös zu verehren“). Den „erlösenden Moment“97 stellt nun die Begegnung mit Březinas Dichtung dar. Für die krisenhafte Atmosphäre der Jahrhundertwende, das damalige „Labyrinth der Welt“, war die Suche nach „Begleitern“ laut Saudek typisch: V tomto světě každý hledal průvodce, špatně se tu putovalo bez přítele. A ježto každý byl zaměstnán „moderními problémy“, hledal průvodce významného, nejraději takového, jenž byl specialistou v provádění moderním světem, tj. básníka či filozofa. (Saudek 1928: 10f.) [In dieser Welt suchte jeder seinen Begleiter, es wanderte sich schlecht ohne einen Freund. Und da man mit den „modernen Problemen“ beschäftigt war, suchte man einen bedeutenden Begleiter, am liebsten einen, der im Führen durch die moderne Welt bewandert war, also einen Dichter oder Philosophen.]
Saudek wählte für sich bereits im Laufe seines Universitätsstudiums zwei Begleiter aus der tschechischen Literatur, J. S. Machar und Otokar Březina. Es ist beachtenswert, wie er in den folgenden Jahren und Jahrzehnten die Beziehung zu den beiden Dichtern auf einer persönlichen und gedanklichen Ebene genauso wie als Übersetzer weiterentwickeln konnte. Die Werke und Ansichten beider Dichter spiegeln sich in seiner Lebensphilosophie wider. Und gerade das wechselseitige Vergleichen und Aufeinander-Beziehen, das auf das eminente Bestreben um die Bewahrung der eigenen Lebensintegrität und die Harmonisierung der individuellen und sozialen Lebenssphäre zurückzuführen ist, gestaltet Saudeks einzigartige Auslegung der Werke beider Dichter mit. Während er Březina als „Boten“ einer neuen Religion und der mystischen Vereinigung des Menschen mit der Welt aufgrund des Kunsterlebnisses verstand,98 war Machar für ihn als Vertreter eines modernen, kritischen Individualismus und eines neuen aktiven Tschechentums von Bedeutung, das er mit Männlichkeit und Gesundheit assoziierte. Wie im Folgenden noch zu Vídeňský deník sehr positiv seine „Periodenlehre“ und die Schriften Die Perioden des menschlichen Organismus in ihrer psychologischen und biologischen Bedeutung (1904) und Harmonia animae (1907) (Saudek 1913b). 96 E. Saudek an O. Březina, 14.09.1903, LA PNP, Fonds O. Březina. 97 Siehe Kapitel V. von J. Vojvodík. 98 Ebd.
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zeigen sein wird, war er ihm auch Inspiration für seine kämpferisch ablehnende Einstellung gegenüber dem Christentum (wie es der österreichische Katholizismus repräsentierte), genauso wie für seine philosophischen Überlegungen zum Thema der historischen Schwelle zwischen der Antike und dem christlichen Zeitalter. Saudek sah in Machar überdies einen Schöpfer, der es vermöge, die Mentalität und Welteinsicht von ganzen sozialen Gruppen, der „Scharen“, zu beeinflussen. Er schätzte ihn nicht zuletzt als vorbildhaften Vermittler, der in Wien in ethnisch, intellektuell sowie politisch heterogenen Kreisen verkehrte, zu denen auch jüdische Journalisten, Politiker und Künstler gehörten.
2. Geschichtsphilosophie und Kulturkritik im Zyklus Svědomím věků (Das Gewissen der Zeiten) Saudek lernte Machar erst mehrere Jahre nach den ersten studentischen Annäherungsversuchen persönlich kennen. Im Januar 1905 begegnete Elsa Saudek dem Dichter in der Familie des bekannten slowenischen Sozialisten, Journalisten und Dramatikers Etbin Kristan (1867–1953), worauf die Saudeks die Eheleute Machar zuhause in Gersthof am nordwestlichen Rand Wiens besuchten. Seit diesem Zeitpunkt besuchten sich die beiden Familien vermutlich regelmäßig. Der persönliche Kontakt hatte dann auch eine gewisse ‚Entgötterung‘ Machars zur Folge, während Březinas südmährischer Wohnort Jaroměřice für Saudek immer eine selten besuchte Wallfahrtsstätte blieb.99 Als Saudek und Machar einander kennenlernten, arbeitete Machar an den ersten beiden Teilen seines geschichtslyrischen Zyklus Svědomím věků (Das Gewissen der Zeiten), die 1906 unter den Titeln V záři hellenského slunce (Im Strahl der hellenischen Sonne, dt. 1919) und Jed z Judey (Das Gift aus Judäa, dt. 1919) erschienen. Für Saudek bedeutete dies eine wichtige Begegnung mit einer originellen Geschichtsphilosophie und Auffassung des Individuums sowie mit dessen Rolle in der Geschichte. Machars modernistische Kritik orientierte sich bislang an der Gegenwart; die Hinwendung zur Antike ist auch kulturkritisch zu verstehen. „Die Aufgabe der Antike in der Menschheitskultur ist noch 99 Aufgrund der erhalten gebliebenen Quellen lassen sich zwischen 1905 und 1928 mit Sicherheit acht Besuche Saudeks bei Březina rekonstruieren (1905, 1907, 1909, zweimal 1913, 1920, 1927, 1928), einige davon waren zweitägig.
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nicht vorbei,“ behauptete Machar (1907b: 123) und suchte in dieser Epoche v. a. ein neues Heilkonzept eines Menschen, der psychologisch einfacher und ganzheitlicher, sowie gesellschaftlich aktiver wäre als der komplizierte und innerlich zerrissene, gesellschaftsfremde spätromantische Mensch des ausgehenden Jahrhunderts. Die Rückkehr zum antiken Menschen als einem gewissen Ideal der Lebensharmonie beinhaltete auch eine Kritik an der moralischen Krise der Tschechen, die „von mollusken-, teigartigem Charakter sind, mit einem breiten Gewissen und einem Schilfrohrrückgrad“ (ebd.: 113). Die Vorstellung eines neuen Menschen implizierte ebenso das Ende des vom Christentum geschaffenen Subjekts, das laut Machar zu einer leeren Form ohne Inhalt geworden war. Auf originelle Art und Weise deutete Machar das Vermächtnis des antiken Roms um, das in der tschechischen Kultur, genauso wie im deutschen Kulturraum, seit der Aufklärung als negativer Gegenpol (Gewalt, Unkultur) der hellenistischen Antike betrachtet wurde (Čadková 2020). Im Gegensatz zu den Vertretern der literarischen Dekadenz (im tschechischen Kontext etwa Jiří Karásek ze Lvovic oder Arthur Breisky) ästhetisierte er das Bild vom Verfall des spätantiken kaiserlichen Roms nicht, sondern fand gerade in dieser Epoche seine moralischen Vorbilder. Machar entwickelte somit eine Geschichtsauffassung, die Saudek – genauso wie viele andere gebildete Leser – tief beeindruckte. Die dichterische Gestaltung des Zusammenstoßes zweier Zivilisationsepochen in der Sammlung Jed z Judey – mit einem suggestiven Umschlagbild von František Kupka, auf dem eine Menschenschar in die Dunkelheit eintritt – rief einen großen Widerhall bei den Lesern sowie eine rege kritische Auseinandersetzung hervor (bis 1918 erschienen vier Auflagen). Machar suchte in der Antike eine neue Ordnung und klassische „reine Linien“ (Machar 1907b: 123). „Unterirdische“ Schöpfungskräfte suchte er nicht unbedingt, worin sich seine Antike-Auffassung von der tragischen, orgiastischen, dionysischen Antike (wie sie etwa Johann Jakob Bachofen und Friedrich Nietzsche thematisierten) erheblich unterscheidet. Es macht sogar stutzig, wie fremd Machars Werk den zeitgenössischen literarischen Versuchen einer Modernisierung des griechischen Mythos gegenübersteht, besonders im Vergleich mit den Werken anderer Wiener Autoren. Zu nennen sind etwa die Dialoge von Hermann Bahr, den Machar persönlich kannte (Dialog vom Tragischen /1904/, in dem die antike Tragödie als Mittel zur Genesung der Tollheit der Griechen interpretiert wird, ferner auch Dialog vom Marsyas /1906/), die Stücke Elektra (1903) und Ödipus und die Sphinx (1906) von Hugo von Hofmannsthal oder die Versuche der Zerstörung und Wiederherstellung
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des Mythos bei Albert Ehrenstein. Machar wollte das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Gesellschaft aus der Geschichte heraus deuten. Ihn interessierte der geschichtliche Mensch, nicht seine Interpretation durch den Mythos und schon gar nicht die Erkundung der vitalen Quellen in der Sexualität, in den Untiefen der menschlichen Psyche (etwa Gewalt, Hass und Todessehnsucht). Arne Novák formulierte treffend, in Jed z Judey werde zwar die Affinität der Gegenwart zum späten Rom überzeugend abgebildet, allerdings „keines der tragischen griechischen geschichtlichen Movens“ aufgedeckt und begriffen (Novák 1906/07: 499). Saudek sah trotzdem einen Zusammenhang zwischen Machars Œuvre und Nietzsches Gedankenwelt, und zwar vorwiegend in der Kritik des Christentums. Er war jedoch der Meinung, Machars Vorbehalte seien nicht dermaßen radikal und richteten sich insbesondere gegen die katholische Kirche und deren Machtansprüche: Machar hat diese Geschichtsphilosophie unabhängig von Nietzsche aus seinen eigenen profunden Studien gewonnen und unterscheidet sich in diesem Punkte von diesem Meister im wesentlichen dadurch, daß seine Kritik nicht dem Evangelium, sondern dem historisch gewordenen Christentum, dem römischen Katholizismus, gilt. (Saudek 1912g)
Saudek selbst suchte eine alternative Form der Religiosität jenseits der institutionalisierten Kirchen und war wahrscheinlich deshalb nicht bereit zu akzeptieren, dass Machars Ablehnung des Christentums genauso radikal war wie diejenige Nietzsches, was sich bereits in der Sammlung Golgatha (1901) zeigte. Im Gedicht Na Golgathě [Auf der Golgatha] ist nicht Christus die Hauptfigur, sondern Satan, der das darwinistisch aufgefasste Lebensprinzip sowie eine gewisse Grausamkeit, die jedem Menschen innewohnt, repräsentiert. Gegen Schluss des Gedichts spannt er „svá velká tmavá netopýří křídla“ [seine gewaltigen dunklen Fledermausflügel] über der Welt auf, womit symbolisch das finstere Regiment des Christentums und der Kirche einsetzt – Christus jedoch stirbt im gleichen Augenblick (Machar 1904: 31). Das Christentum steht in diesem Gedicht und in weiteren Texten von Machar als eine Ideologie da, der Gier nach Macht zugrunde liegt und die darauf abzielt, die Massen zu lenken und Vermögen anzuhäufen. Erst in der zweiten Auflage der Golgatha von 1904 erschien ein neues Gedicht mit dem Titel Julian Apostata, das die Sammlung abschließt und zugleich gemeinsam mit dem Anfangsgedicht Na Golgathě einen Rahmen bildet, wodurch ein gewisser Ausweg suggeriert wird. Das Gedicht wird mit einem Bild der verödeten Golgatha eröffnet, das die Leere des Christentums symbolisiert, Christus („der Galiläer“) ist fort und das lyrische Ich fordert den Kaiser zur Rückkehr auf: „K čemu je nám boha? / Vstaň, starý řetěz padá s duší našich – / Ty zvítězil jsi!“ [Was bringt uns Gott? /
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Auf, die alten Fesseln fallen von unseren Seelen – / Du hast gesiegt!] (Machar 1904: 225). Julian Apostata symbolisiert für Machar sowohl die Erneuerung der Antike als auch die Synthese des griechischen und des römischen Geistes. In einem seiner Feuilletons fordert Machar sogar explizit: [Lidstvo] musí vymýtit ze své krve jed z Judey, a protože velká Nemesis musí vzíti napřed pomstu za bědy dvou tisíc roků, aby potom mohlo nastati vzkříšení lidského ducha. Pozice jsou změněny: je čas, kdy Julian může a musí vstát z hrobu a postavit se znovu v čelo odhodlaných zástupů. (Machar 1907b: 124) [/Die Menschheit/ muss ihr Blut vom Gift aus Judäa reinigen, die große Nemesis muss zunächst für die Plage der zwei Jahrtausende Rache nehmen, damit dann die Auferstehung des menschlichen Geistes stattfinden kann. Die Lage ist nun verändert: Es ist Zeit, dass Julian vom Grab emporsteigt und sich endlich wieder an die Spitze der beherzten Scharen stellt.]
Saudek setzte Machar mit der Figur von Julian gleich, mit der Vorstellung eines starken Individuums, das die Massen im Kampf gegen die Autorität der katholischen Kirche anführt, im Namen der Freiheit des modernen Menschen. Er beschäftigte sich in zwei Studien mit der Sammlung Jed z Judey. In der ersten konzentrierte er sich auf das Gedicht Imperator Augustus Flavius Claudius Julianus, das sich erneut mit der Julian-Figur befasst,100 und Saudek sogar gewidmet ist. Der Ausarbeitung der Studie Historický podklad Macharova Juliana Apostaty [Der historische Hintergrund von Machars Julian Apostata] ging am 20. Oktober 1906 ein Vortrag im Verein Pokrokový klub [Fortschrittlicher Klub] voraus. Der Text erschien erst im Februar/März 1908 in Vídeňský deník (Saudek 1908a) und war relativ deskriptiv, auf der Grundlage der historischen Literatur behandelt er das Leben des Kaisers. Einen interpretativeren Charakter hat Saudeks Studie Svět křesťanský v Macharově Jedu z Judey [Die christliche Welt in Machars Gift aus Judäa] aus demselben Jahr.101 Saudek betont hier den Unterschied zwischen der Geschichtswissenschaft, die mithilfe der „Abstraktionskraft eines Historikergehirns“ aus einer zeitlichen Distanz klare Entwicklungslinien konstruiere, und der Poesie, die die historischen Akteure in einer bestimmten historischen Konstellation erscheinen lasse, in der nicht möglich sei, sich eindeutig zu orientieren und banale alltägliche Geschehnisse von Meilensteinen der Geschichte zu trennen (die Kreuzigung Christi mit eingeschlossen). Saudek zufolge gelingt es Machar somit, die Psychologie der 100 Das Gedicht besteht aus einer Reihe von stilisierten Briefen, die Kaiser Julian während seines letzten Kriegszugs in Persien im Jahre 363 an seinen Freund und Ratgeber, den Arzt Oreibasius, schreibt. 101 Zu diesem Thema hielt Saudek ebenfalls zunächst einen Vortrag im Pokrokový klub, und zwar am 29. Mai 1907.
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Zeit und deren Akteure darzustellen. Machar sei ein „mit mächtiger Phantasie und scharfem Blick begabter Dichter, der die Menschen der Vergangenheit sieht, als wären sie seine Zeitgenossen“ (Saudek 1907/08). Saudek übersetzte das Gedicht Imperator Augustus Flavius Claudius Julianus ins Deutsche und bot es nacheinander zwei Zeitschriften zur Veröffentlichung an – zunächst zu Beginn des Jahres 1907 Arnošt Kraus für die Čechische Revue. Das Gedicht erschien dort jedoch nicht, höchstwahrscheinlich, weil bereits im Dezember 1906 Übersetzungen aus Machars Werk abgedruckt worden waren, und es im Interesse der Zeitschrift lag, unterschiedliche tschechische Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu präsentieren (Merhautová 2022a). Ein Jahr später sandte Saudek das Gedicht an Karl Kraus, mit der Bitte um Veröffentlichung in der Fackel: Sehr geehrter Herr Redakteur, anbei gestatte ich mir Ihnen für Ihr geschätztes Blatt ein Gedicht des čechischen großen Dichters J. S. Machar (Dichter der Magdalena) (Wien XVIII Gersthof Scheidelstrasse 53) Julianus in meiner Übersetzung anzubieten. Anregung, mich an Sie damit zu wenden, empfing[en] sowohl ich wie Herr Machar durch die Tendenz einiger Artikel, die in Ihrem geschätzten Blatte in der letzten Zeit erschienen (Hauer, Avicenna, Przybiszewski [sic]) und welche in ähnliche[r] Weise gegen das Gift aus Judäa Stellung nehmen. Ich unterlasse es, über Machars Bedeutung hier ausführlich zu berichten, will nur bemerken, daß sein ganzes Werk seit Jahren sich in der oben erwähnten Richtung bewegt. So würde mich sehr freuen, wenn Sie, sehr geehrter Herr Redakteur, in der Lage wären, das Gedicht abzudrucken. Sollten Sie aber das nicht tun können, gestatte ich mir Sie um freundliche Retournierung des Manuskripts, wovon ich sonst keine Abschrift habe, zu bitten. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener Dr. Emil Saudek102
Saudek nahm an, Kraus sei Machars Versroman Magdalena bekannt, der 1905 in zwei deutschen Übersetzungen erschienen war, und den auch dessen Freund Peter Altenberg registriert hatte (Simonek 2002: 136ff.). Bemerkenswerter ist jedoch der Hinweis auf „die Tendenz einiger Artikel“ in der Fackel, der beweist, dass Saudek die Beiträge zur Verteidigung von Weiningers Schrift Geschlecht und Charakter verfolgte, die zu dieser Zeit in der Zeitschrift erschienen, u. a. von Karl Hauer und Stanisław Przybyszewski, die in dem Brief expressis verbis erwähnt werden (bspw. Przybyszewski 1907/08; Hauer 1907/08). Diese Auseinandersetzung – im Falle Hauers verbunden mit einem Konstrukt der „sexuell freizügigen Antike“, die unter Rückgriff auf Nietz102 E. Saudek an K. Kraus, 27.01.1908, WStLA, Handschriftensammlung, Nachlass K. Kraus, Inventar-Nummer 138092.
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sche der christlichen Morallehre entgegen gestellt wurde – analysierte Armin Wallas: „Die heidnische Antike erhielt somit Kontrastiv-Wert, sie wurde zur Folie, auf der die Entfremdungen der christlichen Zivilisation sichtbar werden sollten“ (Wallas 2015: 153). Die Auffassungen der erwähnten Autoren unterscheiden sich grundsätzlich von Machars Ansatz, nicht nur durch das sexuell dominierte Bild der Antike, sondern auch durch die Anwesenheit eines biologischen Diskurses. Wallas zufolge interpretierten Weininger und seine Nachfolger die sozialhistorisch gegebenen Probleme, insbesondere die Stellung der Frauen und Juden, biologisch.103 Machar verstand zumindest die Frauenfrage in erster Linie auf einer sozialen Ebene (einschließlich sozial-psychologischer und ökonomischer Aspekte), eine biologische Argumentation findet sich bei ihm genausowenig wie eine Inspiration durch die Freud’sche Psychoanalyse. Trotzdem wäre es falsch anzunehmen, Saudek habe Hauer und Przybyszewski nur deshalb erwähnt, um bei Kraus Interesse zu wecken. Machars Versuch, den modernen Menschen qua Antike wiederzubeleben, betrachtete Saudek als Teil der zeitgenössischen Kulturkritik und der sozial-reformistischen Tendenzen, die sich u. a. auch auf das Sexual- und Eherecht oder auf die Reform des Schulwesens konzentrierten. Doch auch Karl Kraus verzichtete auf einen Abdruck der Übersetzung von Machars Gedicht, heute gilt sie als verschollen.104 Seit 1907 arbeitete Machar an der Fortsetzung seines Zyklus Svědomí věků, erst Anfang 1912 publizierte er drei weitere Teile auf einmal – Barbaři (Barbaren, dt. 1919), Pohanské plameny [Heidnische Flammen] und Apoštolové [Apostel], die das Mittelalter, die Reformation und Renaissance behandelten. Saudek konnte dank seiner Kontakte mit dem Dichter den schöpferischen Prozess aus relativer Nähe verfolgen und kündigte das Erscheinen der Bände sofort in Dělnické listy (Saudek 1912b) an. Anschließend widmete er ihnen weitere Texte, zum einen mehrfach auf Tschechisch in Dělnické listy (Saudek 1912c; 1912d; 1912e), zum anderen auf Deutsch im Slavischen Tagblatt (Saudek
103 „Diese Analyse basiert allerdings auf der falschen Voraussetzung, daß er [Weininger] sozial normierte Geschlechtscharaktere als biologisch gegeben verstanden hat“ (Wallas 2015: 149). Die Überlappung des philosophischen, biologischen und politischen Diskurses bei Weininger analysiert auch Sengoopta (2000). 104 Im Jahr 1909 gab er sie noch Růžena Svobodová zum Durchlesen, siehe E. Saudek an R. Svobodová, 13. u. 17.08.1909, LA PNP, Fonds R. Svobodová.
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1911b) und in der Zeitschrift Čechische Revue (Saudek 1912f),105 wo er den Sinn des gesamten Zyklus wie folgt charakterisierte: […] um die Wende des eben verflossenen Jahres erschienen weitere drei Bände, betitelt Barbaren, Heidnische Flammen, Apostel, mit einem gemeinsamen Obertitel versehen: Svědomím věků, ein Titel, der richtig etwa mit „Die Gewissensregungen der Zeitalter“ übersetzt werden müßte. Wie reagiert die Stimme des Gewissens auf die jeweils herrschende psychische und geistige Weltordnung? Lebt der Mensch in Zwiespalt mit ihr, zwingt er sie zu schweigen, oder richtet er, unbekümmert um Nutzen oder Schaden, seine Handlungsweise nach ihr ein, ist er überzeugungstreu, oder verkauft er sich? Und wie sieht sein Leiden aus, wenn er gegen sein Gewissen ankämpft? Wann war der Mensch ein doppelzüngiges Wesen, ein Lügner und Heuchler, und wann war er Charakter und Heros? Dieser Betrachtungsweise liegt die persönliche Übersetzung des Dichters zugrunde, daß überall dort, wo die Stimme des Gewissens sich regt, ein innerer Kampf eine Notwendigkeit ist und der Zwang zur lügenhaften Geste, wenn sie noch so einträglich ist, stets eine Tragödie nach sich ziehen muß, also ein Glaube an die Unabweislichkeit des menschlichen Gewissens. (Saudek 1912f)
Der Großteil der Gedichte konzentriert sich wiederum auf herausragende historische Persönlichkeiten, sie repräsentieren somit eine Variante des historischen Porträtgedichts (Zemanek 2013). Das Handeln in Bezug auf das Gesellschaftssystem sowie auf die Religion und die daraus resultierenden Zwangslagen und Dramen werden mithilfe von Dialogen und Monologen aufgedeckt. Häufig finden sich zudem lyrische und reflexive Passagen, genauso wie Gedichte in der Er-Form, in denen die historische Figur Gegenstand der Erzählung wird, allerdings immer in einer konkreten, entscheidenden Situation begriffen. In der Sammlung Apoštolové betreten zum ersten Mal auch tschechische Persönlichkeiten (Jan Hus, Petr Chelčický, Jan Žižka) die Bühne der europäischen Geschichte, mit ihnen werden das Hussitentum und die tschechische Reformation thematisiert. In seiner Rezension verweilt Saudek bei Machars Bild der neuerwachten religiösen Sehnsucht im späten Mittelalter, und geht auf dessen Kritik der Kirche als Folge des „religiösen Empfindens“ und der Sehnsucht nach Mystik ein. In diesem Prozess erkannte er eine Parallele zum zeitgenössischen Streben nach einer neuen, gelebten Religion und zum Antiklerikalismus der Gegenwart. Zum Nachdenken inspirierte Saudek auch Machars Auffassung des „Aposteltums“ als Symbol diverser Herrschertypen und Anführer von Volksmassen, die nicht nur gut oder böse seien, sondern meistens sehr ambivalente Erscheinungen repräsentierten (Savonarola, Luther, Calvin, Cromwell, Ignatius Loyola, Papst Leo X. u. a.). Die semantische Uneindeutigkeit, die für Lyrik kennzeichnend ist (seit seinen An105 Für die Čechische Revue übersetzte er zwei weitere Gedichte: Leo X aus Pohanské plameny und Luther aus Apoštolové (das Gedicht ist als autobiographischer Monolog Luthers aufgebaut) (Machar 1911/12).
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fängen lehnte Machar das Didaktische und die Tendenzpoesie ab), interpretierte Saudek als Ausdruck des Strebens nach historischer Objektivität. Zugleich habe Machar die Deskriptivität der Historiographie überwunden – laut Saudek liefert er eine poetische Synthese von Geschichte und Kunst.
3. Das Feuilletonbuch Řím [Rom] und seine Übertragung ins Deutsche Macharův Řím je naše české krédo. (Masaryk 1907/08: 2) [Machars Rom ist unser tschechisches Kredo.]
Auf Machars Sammlungen Jed z Judey und V záři hellenského slunce folgte im Jahre 1907 das feuilletonistische Reisebuch Řím.106 Saudek übersetzte es unmittelbar nach seinem Erscheinen ins Deutsche. Das Buch geht auf Machars ersten Aufenthalt in Rom im Spätsommer 1906 zurück. Der Dichter war allerdings erst in die Stadt gereist, nachdem er die klassischen Autoren sowie wissenschaftliche Arbeiten studiert und in seinem Werk bereits dichterisch den Zusammenstoß der antiken und der christlichen Welt dargestellt hatte. Dieses Vor-Verständnis prägte auch Machars intensives Erleben, das er in einen wirkungsvollen literarischen Text transferierte. Der Kritiker Arne Novák fand das Buch Řím „dermaßen genau und ausgeprägt, bestimmt und explizit, systematisch und klargegliedert, als wäre es nicht in freien Stunden und unter Einwirkung jäher Eindrücke von einem lyrischen Dichter, sondern von einem Philosophen und Historiker, einem logischen Geschichtserneuerer, Kultursystematiker geschrieben worden“ (Novák 1907/08). Obwohl Řím zunächst in Fortsetzung in Čas erschien, besitzt es eine durchdachte Struktur. Als Gegenpart zu seinem erzählerischen Alter Ego ersann Machar die russische Intellektuelle und Anarchistin Sofie Petrovna, die sich dem Erzähler in Venedig anschließt. An sie wendet sich der Erzähler immer wieder mit Deutungen antiker und christlicher Denkmäler, und nicht nur das, historische Überlegungen, subjektive Beobachtungen, Meditation sowie Bekenntnisse werden kombiniert und wechseln einander dynamisch ab, genauso wie Pathos und Ironie. 106 Das feuilletonistische Werk macht einen wesentlichen Teil von Machars Œuvre aus, seit 1901 erschienen seine Feuilletonsammlungen regelmäßig in Buchform und wurden nummeriert, der Řím-Band war bereits der zehnte Band in der Reihe.
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Wie bereits in Jed z Judey wird auch in Řím durchgängig offen oder implizit die Schwelle zwischen der antiken und christlichen Epoche thematisiert – die Perspektive geht dabei von einem Apriori aus: Die antiken Denkmäler werden mit Lob überschüttet, während das päpstliche Rom allemal sarkastisch beschrieben und mit moralischem Verfall, Imitation, Korruption und dergleichen assoziiert wird. Der Erzähler betrachtet die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart, die hier – im Gegensatz zu Machars Gedichten – deutlicher als geschichtlicher Umbruch reflektiert wird, und zwar von einem christlichen zu einem neuen Zeitalter, dessen Inhalt allerdings noch unklar ist. Während Sofie Petrovna an die Unumgänglichkeit einer Revolution und die darauffolgende Entstehung einer neuen Weltordnung glaubt, sollte die Zukunft laut Machar, der die Geschichte als Spirale auffasst, zu gewissen antiken Idealen zurückfinden, v. a. zur Harmonie zwischen Mensch und Natur, Seele und Körper, zu einer Betonung des menschlichen Handelns im Horizont der Gegenwart. Das Echo der Leser auf Řím übertraf die Resonanz auf Machars frühere Werke, genauso wie die Erwartungen des Verlegers Dubský, der zunächst lediglich 1.500 Exemplare auf den Markt gebracht hatte. Im Laufe von zwei Wochen war das Buch jedoch vergriffen, bis Ende 1907 erschienen noch drei weitere Auflagen.107 Der Band löste sofort breitgefächerte Debatten aus – zum einen über das Verhältnis der tschechischen Kultur zum Katholizismus und zur tschechischen Reformation, zum anderen über die zukünftige Form der klassischen Bildung sowie die Modernisierung des Gymnasialunterrichts. Das letztgenannte Thema war zu der Zeit nicht nur in Expertenkreisen und unter Ministerialbeamten virulent, sondern wurde auch im Parlament verhandelt; das Resultat dieser Debatten war 1908 die Reform der gymnasialen Oberstufe unter dem Kultus- und Unterrichtsminister Gustav Marchet (Cohen 1996: 119ff.). Den Befürwortern eines modernisierten Unterrichts, die eine Reduktion der Latein- und Griechischstunden zugunsten anderer Fächer anstrebten, behagte Machars Anbetung der Antike nicht. Viele Leser hielten das Buch für ein kulturgeschichtliches Werk, was professionelle Historiker wie Josef Šusta auf den Plan rief, der in der Zeitschrift Lumír beanstandete, das Buch 107 Zwei Auflagen erschienen in einer hochwertigen Ausstattung in einer Gesamtauflage von 4.500 Stück, im Dezember 1907 erschien eine Volksauflage von 4.000 Exemplaren. Diese Praxis war nicht ungewöhnlich, bei Řím steckte jedoch durchaus eine Absicht dahinter – die billige Auflage (das Buch kostete eine Krone) sollte Machars Ideen in weiteren Kreisen populär machen. Dubský und Machar einigten sich noch vor Erscheinen des Textes auf diese Vorgehensweise (G. Dubský an J. S. Machar, 24.08.1907, LA PNP, Fonds J. S. Machar).
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sei „voll von oberflächlichem seichtem Realismus“ (Šusta 1907/08: 104). Wie zu erwarten war, schlugen sich auch katholische Zeitschriften und altbekannte Gegner Machars (Viktor Dyk, Emanuel Chalupný u. a.) auf die Seite der Kritiker. Positiv aufgenommen wurde Řím hingegen von F. X. Šalda, Růžena Svobodová, T. G. Masaryk oder vom klassischen Philologen Emanuel Peroutka. Saudek verfolgte diese Reaktionen „mit klopfendem Herzen“,108 auch er zweifelte nämlich inzwischen an Machars atheistischer Vision einer künftigen Welt. Die problematischen Momente thematisierte er etwa im Briefwechsel mit Miloslav Hýsek, der wie er ein Bewunderer Březinas war, Machars Werk jedoch äußerst kritisch gegenüberstand. In den Briefen wird ferner eine klare Sympathie für Masaryk deutlich, der den religiösen Glauben als eine Grundbedingung des menschlichen Daseins erachtete, zugleich jedoch als entschiedener Gegner der österreichischen katholischen Kirche und ihres öffentlichen Einflusses auftrat. In diesem Sinne äußerte sich Saudek auch in dem Brief: Ovšem cítím to nebezpečí a bojím se ho, že Machar se vzdaluje zároveň našim (totiž mým) tužbám vybudovati nový svět na základě lásky a náboženství. Je v Macharovi cosi renesančního a liberalistního. On nenamítá nic proti moci, tedy proti státu založeném na otroctví a poměru bohatých k chudým, on nejenže nenamítá, on skoro už horuje pro válku! Já pravím, můj ideál to není. Ten bydlí poblíž Tolstého, Indů, a chcete-li, i poblíž Chelčického a Masaryka. / A pak to naše (totiž mé) žíznění po vytvoření nového náboženství, ta úcta pro všechno toto hledání, již cítím, a ten ohromný zájem, jenž pro toto nejvyšší počínání mám! […] Tento sklon, tato složka pro duši lidskou tak velevýznamná, nesmí se ztratiti.109 [Ich spüre allerdings eine Gefahr, ich befürchte, dass Machar sich damit unserem (also meinem) Streben, die neue Welt auf der Grundlage der Liebe und der Religion zu bauen, entfernt. In Machar steckt etwas aus der Renaissance, etwas liberalistisches. Er hat keine Einwände gegen die Macht, also gegen einen Staat, der auf Sklaverei und einer Trennung von Reichen und Armen gründet, und er hat nicht nur keine Einwände, er schwärmt geradezu für den Krieg! Und ich erkläre hiermit, dies ist nicht mein Ideal. Dieses ist eher in der Nähe von Tolstoi, der Inder, und, wenn Sie wollen, auch bei Chelčický und Masaryk zu finden. / Und dann unsere (also meine) heiße Sehnsucht nach der Gründung einer neuen Religion, der Respekt gegenüber all dem Suchen, das ich achte, und das immense Interesse, das ich für diese höchste Beschäftigung verspüre! /…/ Diese Neigung, dieses für die menschliche Seele so übermäßig wichtige Element, darf nicht verloren gehen.]
Es war nicht Saudeks Idee, Řím ins Deutsche zu übersetzen, sondern die von Gustav Dubský, dem Besitzer des Verlags Grosman & Svoboda. Dabei handelte es sich nicht um die erste literarische Übersetzung ins Deutsche in diesem Verlag. Bereits 1905 war dort die Satire Křest svatého Vladimíra (Die Taufe des 108 E. Saudek an M. Hýsek, s. d., vermutlich Herbst 1907, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 109 Ebd.
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Zaren Wladimir) von Karel Havlíček Borovský erschienen, in der Übersetzung von Viktor Vohryzek, einem führenden Vertreter der tschechisch-jüdischen Bewegung. Vom Umfang her war dies ein wesentlich kürzerer Text einer anderen Gattung – eine Satire in Versen, die allerdings genau wie Machars Řím als Werk gelesen werden kann, das die absolutistische Autorität der Kirche verspottet. Der Journalist und Schriftsteller Havlíček wurde von den Realisten überdies als ein bedeutender Wegbereiter begriffen. Dubský glaubte, Machars Řím könnte auch Leser in Deutschland interessieren, vor allem im Hinblick auf die Tradition der Reformation. Über die Übersetzung verhandelte er zunächst mit Viktor Boos-Waldeck, der vorwiegend Vrchlickýs dramatisches Werk übersetzte (1899 erschien das Drama Bar Kochba auf Deutsch). Letzten Endes kam es nicht zur Zusammenarbeit,110 und Dubský wandte sich an Saudek. In der Zeitschrift Čechische Revue wurde die Entscheidung, Machars Řím herauszugeben, folgendermaßen erklärt: Die Herausgeber der Č. R. haben sich entschlossen anstatt der Proben aus der tschechischen Poesie und Prosa […] ein grösseres zusammenhängendes Werk in besonderen ablösbaren Bogen zu bringen. Wir wählen zu diesem Zwecke Machars Feuilletonreihe Rom. […] bei Machars Rom haben wir die Gewähr eines bei uns ziemlich beispiellosen buchhändlerischen Erfolgs, dass der fremde Leser wenigstens ein Werk kennenlerne, welches nicht bloß für das čechische Publikum geschrieben, sondern von ihm auch eifrig gelesen worden ist […]. (Anonym 1907/08)
Saudek begann im September 1907 mit der Übersetzung. Machar lag sehr viel an der deutschen Fassung seines Textes, deshalb besuchte Saudek ihn oft in seinem Wiener Arbeitszimmer, las ihm übersetzte Passagen vor und korrigierte sie gemeinsam mit dem Autor. Die Übersetzung war in diesem Sinne in der Tat ‚autorisiert‘ (Saudek 1914b: 63ff.). Nach Abschluss der Arbeit schrieb Saudek sogar ein Gedicht – sein persönliches Nachwort, das im Herbst 1908 im Vídeňský národní kalendář für das Jahr 1909 publiziert wurde (Saudek 1909a). Auch hier findet sich genau wie in seinen frühen Reflexionen das Bild Machars als Vater, die Bedeutung ist jedoch bereits eine andere: Der Dichter ist ein Vater, der eine Zeitreise nach Rom unternimmt, um in der Vergangenheit die Überreste seiner antiken Kinder zu suchen. Das lyrische Ich setzt sich vor allem mit Machars pessimistischer Perspektive auf die Geschichte und die Natur auseinander, deren Lauf 110 Laut Dubský spielte einerseits das Vorhaben, den Text zunächst in Fortsetzung erscheinen zu lassen, andererseits Boos-Waldecks Bitte, als Übersetzer anonym zu bleiben (vermutlich wegen des kontroversen Themas), eine Rolle (G. Dubský an J. S. Machar, 03.11.1907, Fonds J. S. Machar).
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nicht von einem Plan der Vorsehung gelenkt wird. Eingerahmt wird das Gedicht von dem individualistischen Kredo, mit dem Řím endet: „Die Harmonie des Lebens und des Todes begreifen, auf seinem Posten stehen und sich selber treu sein“ (Machar 1908a: 368). Die deutsche Übersetzung von Řím erschien beinahe parallel mit Saudeks Gedicht im Oktober 1908. Dubský investierte in die Buchgestaltung und beauftragte den jungen Graphiker Jaroslav Benda,111 ein Mitglied des Vereins Artěl in Prag, der im selben Jahr nach dem gleichnamigen russischen wie auch nach dem Vorbild der Wiener Werkstätte gegründet worden war und sich an moderner angewandter Kunst und Design orientierte. Auf dem Einband befand sich die gleiche Zeichnung von František Kupka wie auf der tschechischen Ausgabe, nur mit dem deutschsprachigen Titel Rom. Kupka brachte Machars Idee kongenial zum Ausdruck – vor einer antiken Säule steht ein mit einer Toga bekleideter junger Römer, der in entschiedener Pose in die Ferne/ Zukunft blickt, eine Hand in die Hüfte gestützt, in der anderen ein zusammengerolltes Pergament. Rechts von ihm steigt ein alter gebückter Papst mit gesenktem Blick von einem Piedestal herab, sein Schatten fällt auf die Säule. Der ersehnte Durchbruch auf dem deutschen Buchmarkt und der erwartete Widerhall blieben jedoch aus. – Als Saudek 1919, dieses Mal mit dem Wiener Verlag Ed. Strache, über eine Neuausgabe verhandelte, erfuhr Machar von Dubský, dass sich im Lager noch 300 Exemplare der Erstauflage befanden.112 Der Verlag Grosman & Svoboda betrieb eine Buchhandlung in der Ferdinandstraße Nr. 40 (heute Národní třída) und möglicherweise zählten auch deutschsprachige Prager zu den Käufern von Rom. Der Erscheinungsort war allerdings zugleich der Grund dafür, dass das Buch in Deutschland nicht wahrgenommen wurde. Ferner hat es nicht den Anschein, dass Dubský das Buch in der deutschen Presse intensiver rezensieren ließ. Auch Saudek setzte sich eher wenig für die Propagation ein, im Gegensatz zur gleichzeitig publizierten Březina-Sammlung Hände, deren Marketing er wesentlich mehr Mühe widmete.113 Řím bezog sich relativ stark auf die tschechische Kultur und richtete sich im Endeffekt gegen den österreichischen Klerikalismus, für potenzielle Leser war das Buch also eher von kulturpolitischem als von literarischem Interesse, wobei zu der Zeit andere Antike-Auffassungen den ästhetischen Diskurs bestimmten. Das Buch wurde nicht einmal im Kontext der Italien-Reiseliteratur zur Kenntnis genommen – man denke etwa an Heinrich Heine, mit dem Machar manchmal verglichen wurde und auf den er sich 111 G. Dubský an J. S. Machar, 26.08.1908, ebd. 112 J. S. Machar an E. Saudek, 03.10.1919, ES. 113 Siehe Kapitel VI. von M. Topor.
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auch selbst bezog. Es offenbarte sich hier eine gewisse Unübersetzbarkeit literarischer und national-kultureller Bedeutungen in einen anderssprachigen Kontext. Deutschsprachige Rezensionen waren eigentlich nur in Wien zu verzeichnen, und zwar ausschließlich von progressiven und linken Zeitschriften, die tschechische Themen aufgriffen und überdies Kontakte zu Machar bzw. seinem Freund Masaryk oder seinem Vermittler Saudek pflegten. Die Besprechungen fielen durchaus positiv aus, der gemeinsame Nenner war allerdings immer die tschechisch-deutsche Annäherung, und alle Texte appellierten im Grunde genommen an die deutschsprachigen Leser in Österreich, ein größeres Interesse für tschechische Literatur aufzubringen. Insgesamt lag der Akzent somit auf der politisch-kulturellen Bedeutung der Übersetzung. Die einzige Besprechung, die auch den literarischen Wert des Buches anspricht, verfasste Felix Salten. Sie erschien am 6. Dezember 1908 im Tagblatt Die Zeit, in dessen Redaktion Salten tätig war. Das Buch machte auf Salten einen originellen Eindruck, vor allem durch den frischen Blick auf eine Stadt, deren Geschichte und Topographie in der Literatur bereits unzählige Male thematisiert wurden: Es ist berückend in der Unerschöpflichkeit, in dem farbig schimmernden Reichtum, in dem geistigen Glanz seiner Bilder. All diese römischen Dinge, all diese Straßen und Paläste, all diese Kunstwerke und Ruinen, alle diese Schauplätze, auf die wir so oft in vielen Büchern geführt wurden, nehmen sich aus, als seien sie hier zum ersten mal angeschaut; wirken als seien sie völlig unberührt. So neu und so kühn ist die Optik Machars, so überraschend und eigenartig seine Darstellung. Und seine Kunst, geistige Zusammenhänge herzustellen, ist so umfassend, dass man dies ganze Rom, das antike, päpstliche und das moderne wie eine wunderbare geschlossene Einheit erlebt. (Salten 1908b)
Aber auch Salten beschloss sein Feuilleton mit dem Hinweis auf den tschechisch-deutschen Konflikt und der Aufforderung zu einem intensiveren Kulturaustausch: Wäre der geistige Verkehr zwischen der Nation Machars und der Deutschen ein so lebhafter und nur halb so eifrig wie die Zwistigkeiten, die zwischen den beiden Völkern hin und her gehen, J. S. Machar müsste auch bei uns lange schon als ein großer Dichter berühmt sein. (ebd.)
Ein Jahr später, am 6. November 1909, wurde Rom kurz von Heinrich Herbatschek in der Neuen Freien Presse erwähnt, jedoch ausschließlich aus der Perspektive der kulturellen Annäherung (Herbatschek 1909). Ende Februar 1909 erschien schließlich eine Rezension in der Wage, die mit der Chiffre Dr. W. M. unterzeichnet war. Der Autor schätzte an dem Buch v. a. die Denkansätze, die auf der Haltung der Freidenker gründeten (Dr. W. M. 1909). Auch der Politiker, Reichsratsabgeordnete und Publizist Engelbert Perners-
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torfer veröffentlichte im Presseorgan der deutschen sozialdemokratischen Partei in Österreich Der Kampf eine Besprechung. Genauso wie Salten zitiert auch er die einleitenden Worte aus Machars Buch: Weil mir bisher kein Buch zu sagen vermochte, was Rom sei – so versuchte ich mir selber eines zu schreiben. / Ich war dort, um Antike zu sehen, und fand ihre herrlichen weissen Gebeine und sah ihr grossartiges Grab. / Und auf dem Grabe sah ich ihren verlotterten, entnervten Mörder im Sterben liegen. (Machar 1908a: 5)
Pernerstorfer spricht von Machar als einem führenden Vertreter der tschechischen literarischen Moderne, den die Deutschösterreicher kennen sollten: Machar gehört zu den hervorragendsten Vertretern der tschechischen Literatur. Er ist ganz Sohn der Gegenwart, voll von ihr und der grossen Zukunft der Menschheit. Es ist im allgemeinem und besonders für uns Deutsche in Österreich von der grössten Bedeutung, die literarische Bewegung des jungen Tschechentums (worunter ich natürlich nicht das politische Jungtschechentum verstehe) kennen zu lernen. (Pernerstorfer 1909)
Wie zu erwarten war, stimmte Pernerstorfer auch mit Machars Kritik an der katholischen Kirche überein und empfahl Rom daher als „ein gutes, starkes Buch“ (ebd.).
4. Saudek und Machars Antiklerikalismus Saudek verstand Machars Fokus auf die Antike als ein Mittel im Kulturkampf gegen den österreichischen Klerikalismus. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung in einem Brief an Hýsek: Věřím, že v této knize [Řím] vězí víc, než páni (kupř. J. Karásek) myslí, totiž opravdová láska k antické kultuře, která má za účel, býti olejem pro oheň, v němž se upaluje klerikalism.114 [Ich glaube, in diesem Buch /Řím/ steckt mehr, als die Herrschaften (z. B. J. Karásek115) vermuten, nämlich eine wirkliche Liebe zur antiken Kultur, die Öl für das Feuer sein will, in welchem der Klerikalismus verbrennen wird.]
Man kann Řím in der Tat als zentralen Moment in Machars Polemiken gegenüber den Vertretern der katholischen Kirche und der katholischen Presse verstehen. Die katholischen Periodika beobachteten die moderne tschechische Literatur sehr genau, so veröffentlichten etwa die Zeitschriften Hlídka literární 114 E. Saudek an M. Hýsek, s. d., vermutlich Herbst 1907, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 115 Gemeint ist der Wiener Slawist Josef Karásek.
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oder Vlasť bereits in den 1890er Jahren eine regelmäßige Kritik an den modernen Kunstströmungen (vgl. etwa Merhaut 2021: 71ff.); Machar ließ sich jedoch erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts auf eine intensivere Kritik an der katholischen Kirche ein. Die ersten publizistischen Auseinandersetzungen führte er mit Pater Karel Dostál-Lutinov, der in Mähren – zunächst in Neutitschein und ab 1904 in seinem Geburtsort Proßnitz – tätig war und seit 1897 als Redakteur der katholischen Kunstzeitschrift Nový život wirkte (Musil/Filip 2000). Mit seinen Polemiken wollte Machar den Vertretern der sog. katholischen Moderne das Recht auf Modernität streitig machen. Seiner Ansicht nach unterschieden sich die jungen Reformkatholiken im Grunde nicht von ihren konservativen Kollegen, was u. a. auch ihr Antisemitismus und die Anstachelung zu antijüdischen Angriffen im Zusammenhang mit der HilsnerAffäre bestätigten (Machar 1904: 127). 1902 kommentierte Machar die Hetzjagd auf den Olmützer Erzbischof Theodor Kohn, für die sich die katholischen Blätter mit der radikal nationalistischen (der staatsrechtlichen Partei) sowie mit der liberalen Presse verbündeten, obwohl es laut Machar um eine interne kirchliche Angelegenheit ging („nicht um eine nationale Sache geht es hier, sondern um einen Aufstand des Knechts gegen den Hausherrn“, ebd.: 136). Machar äußerte sich ferner auch zur sog. Juda-Affäre (1905), die wiederum von Dostál-Lutinov ausgelöst wurde, als er auf das Vorwort des Mittelschullehrers Karel Juda reagierte, der im Katalog anlässlich der Ausstellung von František Kupka in Proßnitz erschienen war (Marek 2003: 512ff.). Machar teilte Kupkas Ansicht über die Kirche und erblickte in dessen Bildsatire und besonders in dessen Zyklus Náboženství [Religion] eine Parallele zu seinem eigenen Werk, ihre Zusammenarbeit war daher sehr eng (Theinhardtová/Brullé 2014; Kotyk 2015). In einem kurzen Artikel über den Maler schrieb er 1905, seine Karikaturen seien nicht nur „ein flüchtiger Witz, sondern eine blutige Ironie, sie gelten nicht der Person, sondern dem System, sie zielen auf die ganze Kaste, auf Dummheit und Torheit der ganzen Nation und Menschheit“ (Machar 1905). Der Überzeugung, die politische und soziale Disziplinierungsmacht der Kirche müsse eingeschränkt oder völlig abgeschafft werden, teilte Anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich-Ungarn eine ganze Reihe von Intellektuellen quer durch das linke und progressive Spektrum, und zwar wesentlich entschiedener als die vorangegangene Generation liberaler Politiker (Fasora 2019). Die Trennung der Kirche vom Staat war eine Forderung der Sozialdemokraten genauso wie der Vertreter unzähliger Vereine und Bewegungen mit sozialreformistischen Absichten. So gesehen sind Machars wiederholte Auseinandersetzungen mit der katholischen Kirche symptomatisch für diese Zeit.
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Seine Perspektive war dabei auch eine nationale – die römisch-katholische Kirche stellte ihm zufolge eine Kraft dar, die sich gegen die tschechischen nationalen Interessen richtet. Machar verknüpfte die Kritik an der kirchlichen Macht und Moral immer enger mit der Kritik an der Habsburgermonarchie und mit der Formulierung eines konkreten tschechischen kulturpolitischen Programms. Am Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts kann bereits von einer zugespitzten antiklerikalen Kampagne gesprochen werden, die sich nicht nur in der Presse, sondern auch in Vortragssälen, vor Gericht und sogar im Parlament abspielte. Eine antiklerikale Einstellung ist auch für Macharova čítanka [Machars Lesebuch] typisch, das 1908 in Prerau in einer preisgünstigen Volksauflage erschien. Den Inhalt des Lesebuchs bestimmte Machar selbst, es bestand aus seinen Epigrammen, Gedichten und Feuilletons. Das Ziel der Publikation formulierte der Autor im Nachwort wie folgt: Nedostačí pouze, abychom si druh druhu, autor svému obvyklému čtenářstvu sdělovali své dojmy, úvahy a myšlenky a utvrzovali tak jeden druhého o věcech, o nichž jsme vlastně dávno zajedno. Literatura naše musí vniknouti hlouběji, má-li být činitelem národním a lidovým. Forma laciné čítanky seznamující autora s nejširšími vrstvami jest k úkolu tomu nejzpůsobilejší. (Machar 1908b: 159) [Es genügt nicht, dass sich Genosse an Genossen, der Autor an sein treues Publikum wendet und ihm seine Eindrücke, Ansichten und Ideen mitteilt, um einander dadurch gegenseitig von Sachen zu überzeugen, über die wir uns bereits seit langem einig sind. Unsere Literatur muss tiefer eindringen, soll sie in der Nation und im Volk wirken. Die Form eines preiswerten Lesebuches, das den Autor in breiten Kreisen bekannt macht, ist für diese Aufgabe am besten geeignet.]
Das Lesebuch verkaufte sich in der Tat viel besser als Machars separat herausgegebene Werke, die Verkaufszahlen gingen in die Zehntausende (Saudek führt 180.000 verkaufte Exemplare an, rechnet allerdings auch die dritte Auflage von 1912 mit ein /Saudek 1912g: 8/). Die gute Aufnahme der Čítanka beförderte auch eine Vortragsreihe Machars, in der er den kulturellen Zusammenstoß zwischen Antike und Christentum wie auch die Bedeutung der Antike für die Gegenwart thematisierte. Der Dichter bereiste damit von Ende April bis Juli und dann erneut im Dezember 1909 auf Einladung diverser regionaler Vereine eine Vielzahl mährischer Städte (Budwitz, Brünn, Göding, Wallachisch Meseritsch, Ungarisch Hradisch, Proßnitz, Olmütz, Kremsier, Prerau, Zlin, Freiberg in Mähren, Bistritz am Hostein, Mährisch-Ostrau). Die Vorträge erregten großes Aufsehen – die katholische Presse bezeichnete Machar als „Religionsschänder“ (Obrátil 1912: 148), der das Freidenkertum v. a. unter Gymnasiasten, der Lehrerschaft und unter Frauen verbreite. Diese Arti-
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kel hatten nicht selten einen antisemitischen Unterton, Machar wurde bezichtigt, er werde für sein antiklerikales Engagement von Juden bezahlt.116 Des Öfteren gab es auch Anläufe, seine Vorträge zu vereiteln oder aber parallele Proteste zu organisieren (in Holleschau, Ungarisch Hradisch und Kremsier fanden tatsächlich Protestveranstaltungen statt). Die vielfältigen Reaktionen dokumentiert die Broschüre Machar na Moravě [Machar in Mähren], die der Lehrer, Publizist und Schriftsteller Karel Jaroslav Obrátil zusammenstellte. Er sammelte zum einen die Reaktionen aus der Machar zugeneigten, realistischen sowie sozialdemokratischen Presse, zum anderen die Reaktionen der klerikalen Presse,117 deren autoritäre und manipulative Tendenzen die Publikation offenlegen wollte. Saudek schrieb über Machars Vortragstätigkeit und deren steigenden Einfluss auf die breiten Leserschichten ein bemerkenswertes Essay mit dem Titel Básníkův čin [Tat des Dichters] für Dělnické listy. Dabei schlug er sich auf keine der beiden verfeindeten Seiten, betrachtete die Vorträge allerdings nicht als politische Tätigkeit, sondern als spezifisch dichterische Betätigung. Im Stil und in der Deutungsweise des Essays spiegeln sich Březinas Werke und ferner auch Saudeks Begegnung mit dem frühen Expressionismus. Während des Vortrags entstehe ein emotionales Band zwischen Machar und den Massen, die aus nah und fern zu ihm strömten. Der Dichter bringe seinen Zuhörern eine „Liebesbotschaft“, entfache eine „neue, bislang unentdeckte Schönheit“ in ihnen und wecke eine „neue Liebe im Innern der Menschen“. Während der Veranstaltung käme es zu einer Eins-Werdung von „unzähligen Herzen“, und diese Kette der Herzen bilde ein „unsichtbares Großgedicht“ (Saudek 1910c). Machar transformiere die Seelen im Namen seiner Vision des neuen, freien Menschen und einer neuen Gemeinschaft. Im Geiste des Expressionismus nimmt Saudek in seinem Essay die Vision einer künftigen kollektiven Emotionalität des Herzens und der Tat vorweg, einer Synthese von Individuum und Kollektiv, von „kulturellem Individualismus“ und Sozialismus als zwei einander bedingenden Prinzipien. 116 Machar reagierte mit Ironie auf diese antisemitischen Angriffe, z. B. im Feuilleton Epilog, in dem er offenlegte, an wen er seine Vortragshonorare gespendet hatte. Der Text endet mit dem Satz: „Až tohle naši páteři přečtou, křiknou unisono: co musil ten antikrist dostat přec jen od Rothschilda, když tohle všecko může tak dát!“ [Wenn unsere Pater dies lesen, rufen sie unisono aus: Was muss der Antichrist für horrende Summen von Rothschild bekommen haben, wenn er das alles einfach so verschenken kann!] (Machar 1910: 262). 117 Die Auswahl der Reaktionen stammte aus folgenden Periodika: Našinec, Pozorovatel, Noviny z Podradhoště, Ječmínek, Hlas und Den. Auch das Tagblatt Čech behielt Machar beharrlich im Auge. Zur Übersicht der katholischen Presse siehe Marek (2003: 245ff.).
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Umschlag der 1912 publizierten Broschüre mit einer Zeichnung von Willy Groag, Elsa Saudeks Bruder (MÚA AV ČR).
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Im Sommer 1912 betrat Saudek die Bühne der kulturpolitischen Publizistik und bereitete die Broschüre Dichter Machar und Professor Masaryk im Kampfe gegen den Klerikalismus zum Druck vor, die auf Deutsch auf die Beschlagnahmung der dritten Auflage von Machars Macharova čítanka aufmerksam machte. Am 25. März 1912 hatte das K. K. Kreisgericht in Olmütz auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verbot zur Weiterverbreitung erlassen. Gleich zwanzig Stellen im Lesebuch erfüllten laut Strafprozessordnung den Tatbestand verschiedener Straftaten und Delikte, von Religionsstörung, Majestätsbeleidigung und der Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses über die Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung bis hin zur Störung der öffentlichen Sittlichkeit (Kundmachung 1912). Die Publikation war demnach im religiösen, moralischen sowie dynastischen Sinne „regelwidrig“. Im Artikel Z mé polikliniky [Aus meiner Poliklinik] informierte Machar seine Zensoren über die Interpellation im Parlament, die am 24. April von T. G. Masaryk eingereicht wurde: Včera byla všecka ta Vámi označená místa imunizována v parlamentě: nákladem toho státu, jehož jste ramenem, budou nyní přeložena do nepřiznané státní řeči, nákladem téhož státu budou otištěna v stenografickém protokolu, čímž se jim dostane takové imunity, že nesmíte ani prstem na ně sáhnout, a potom ihned jako zpětný překlad z němčiny do češtiny se budou tisknout v znovu vzkříšené Čítance nanovo, a Čítanka ta, jako všecko, co bylo vyrváno smrtícím drápem a vráceno životu, bude se těšit nové existenci, provázené mimovolným vaším doporučením!. To je rakouská fraška, kterou jste sestrojili na popud černé ruky! (Machar 1912: 2) [Gestern wurden all die von Ihnen markierten Textstellen im Parlament immunisiert: auf Kosten dieses Staates, dessen Arme Sie darstellen, werden sie nun in die nicht zugegebene Staatssprache übersetzt, auf Kosten desselben Staates werden sie im stenographischen Protokoll abgedruckt, wodurch sie dermaßen an Immunität gewinnen, dass Sie sie nicht mit dem kleinen Finger antasten dürfen, und anschließend wird man sie als Rückübersetzung aus dem Deutschen ins Tschechische im wiederauferstandenen Lesebuch neu abdrucken dürfen. Und das Lesebuch wird sich – wie alles, was von den Krallen des Todes mitgerafft und dann aber dem Leben zurückgegeben wurde – einer neuen Existenz erfreuen, die durch Ihre unwillkürliche Empfehlung gedeiht! / Das ist die österreichische Farce, die Sie auf Anlass der schwarzen Hand veranlasst haben!]
Machar schildert hier exakt das komplizierte parlamentarische Verfahren, das beschlagnahmte Publikationen durchliefen, wenn Abgeordnete die Zensur im Rahmen einer Interpellation aufheben, also „immunisieren“ wollten. Masaryks Interpellation hatte allerdings noch ein Nachspiel, und zwar zunächst in der Parlamentssitzung am 17. Mai 1912 und anschließend in der Presse. Drei Abgeordnete – Mořic Hruban (Katholische Nationalpartei in Mähren), der Slowene Ivan Šušteršič (Slowenische Volkspartei) und der oberösterrei-
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chische Landeshauptmann Johann N. Hauser (Christlichsoziale Partei) beschwerten sich nämlich darüber, der Parlamentsvorsitzende Julius Sylvester habe die Interpellation genehmigt, noch bevor die einschlägigen Textpassagen ins Deutsche übersetzt worden waren. Da Sylvester kein Tschechisch beherrsche, habe er somit den Inhalt gar nicht verstehen können. Masaryk musste deshalb zu der Interpellation Stellung beziehen. Genau wie zuvor Machar in dem Feuilleton Z mé polikliniky berief er sich v. a. darauf, dass alle Texte ohne einen Eingriff der Zensur zunächst in Čas und anschließend auch in Buchform erschienen waren. Masaryk bezeichnete die Beschwerdeurheber als „klerikale Denunziationskoalition“ (Masaryk 1912: 71). In der Folge hob er die Debatte jedoch auf eine andere Ebene – nämlich auf die Ebene der Redefreiheit und der künstlerischen Autonomie eines literarischen Werks. Es sei nicht zulässig, daraus kontextlos Zitate herauszunehmen, und damit die öffentliche Meinung zu manipulieren. Masaryk zufolge war es nicht die Aufgabe des Parlaments, literarische Werke auf den Index zu setzen. An den darauffolgenden Tagen brachten die österreichischen Zeitungen das öffentlich zugängliche stenographische Protokoll von Masaryks Rede (siehe auch Masaryk 2002: 214ff., 356ff.), begleitet von Kommentaren unterschiedlicher Couleur. Erst in Reaktion auf diesen Aufruhr stellte Saudek die deutschsprachige Broschüre zusammen. Sie beinhaltete ein Vorwort, zwei Gedichte und acht Feuilletons, ein „Intermezzo“, die Transkription des stenographischen Protokolls aus der Parlamentssitzung am 17. Mai 1912 und ein kurzes Nachwort. Die als zensiert markierten Passagen führte Saudek im genauen deutschen Wortlaut der amtlichen Übersetzung an, wie sie in den stenographischen Protokollen veröffentlicht wurde. War diese Übersetzung jedoch zu irreführend, wies er in einer Fußnote auf die Originalfassung hin. Einige nicht-zensierte Passagen aus den Texten übersetzte Saudek selbst oder nutzte Übersetzungen, die er bereits früher vorgenommen hatte (Benedek). Im Falle des Feuilletons Pater Dorovín nutzte er die Übersetzung von Heinrich Herbatschek, die im Vorjahr im Buch Die Galeeren des Gymnasiums, einer Auswahl aus Machars Erinnerungen (Konfese literáta, 1901) erschienen war. Autor des kurzen Textes Intermezzo war höchstwahrscheinlich Machar selbst. Am 14. Juli 1912 fasste er für Masaryk in Prag den Stand der Vorbereitungen und die Strategie der Schrift wie folgt zusammen: Historie s konfiskací a interpelací Čítanky je hotova a budoucí týden jde do tisku. Saudek udělal úvod, já k tomu přidal to ono a přibil jsem Hrubana a Šrámka a celou jejich politiku, jak se patří. Rozešle se to redakcím německých listů, známějším jménům, potom
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zahraničním listům – chlapi ani netuší, co si nadrobili. Měl jsem s tím práce, že jsem pro tuto neděli ani psát nemohl pro Čas.118 [Die Geschichte über die Beschlagnahmung und Interpellation des Lesebuchs ist fertig, sie geht nächste Woche in Druck. Saudek schrieb das Vorwort, ich fügte nun etwas hinzu und erledigte Hruban und Šrámek und ihre ganze Politik, wie sich’s gehört. Sie wird an die Redaktionen deutscher Blätter, an bekanntere Namen, dann an die ausländische Presse geschickt – die Herrschaften ahnen gar nicht, was sie sich eingebrockt haben. Ich hatte so viel Arbeit damit, dass ich diesen Sonntag leider nicht für Čas schreiben konnte.]
Ende August ging die Publikation in den Druck. Herausgegeben wurde sie vom Wiener Anzengruber-Verlag im Besitz von Philip Suschitzky (geb. 1876) und Wilhelm Suschitzky (geb. 1877). Die Brüder waren jüdischer Herkunft, vertraten sozialistische und reformistische Ansätze und betrieben seit 1901 die einzige Buchhandlung (zugleich auch Antiquariat und Leihbücherei) im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten (Belke 1978: 53ff.; Hall 1985; Lechner 1994). In den ersten Jahren nach der Gründung engagierten sie sich v. a. in der Abstinenzbewegung und zu der Zeit, als Saudek hier seine Broschüre publizierte, war der Verlag auch die Zentrale des Monistenbundes in Österreich.119 Machar, der Hauptgegenstand der Broschüre, kannte weder die Suschitzky-Brüder noch die Buchhandlung in dem entlegenen Stadtteil Wiens,120 wie einem Brief vom 28. August 1912 zu entnehmen ist, in dem Saudek ihn über die Fertigstellung der Broschüre informierte und ihn zugleich aufforderte, den Betrieb der Brüder zu besuchen. Saudek übermittelte den Wortlaut der Einladung von Philipp und Wilhelm Suschitzky zum Teil auf Deutsch: Sušický již tiskne. Slíbil mně písemně K 300. –, prodá-li 2000 expl., prodá-li jen 1500 –, pak K 150. –. Knížka bude mít silný obraz (práci švagra mého121); sprostého venkovského kněze s netopýřími křídly, jichž žebra jsou silná jak obruče, s nataženým deštníkem, s širokými botami. Před ním poletují netopýřata rázu jezovického. – Za oněch 500 exemplářů garantovat nemusím. U mě se sešlo asi 200 objednávek. / Kdyby se Vám zachtělo podívat se jednou k Sušickým, kteří mne o to prosili, uviděl byste báječné antikvární knihy (i napoleonské). Jeden z bratrů povídal: der Herr Machar könnt auch im Keller herumstieren. Zajímavý obchod.122
118 J. S. Machar an T. G. Masaryk, 14.07.1912, LA PNP, Fonds T. G. Masaryk. 119 Zum Monistenbund vgl. u. a. Belke (1978: 43ff.); Stadler (1997); Siegetsleitner (2014: 73ff.). 120 Favoriten wies nach Glettler (1972: 51ff.) mit 15 bis 20 % die höchste Zahl tschechischsprachiger Einwohner im Vergleich mit den anderen Wiener Bezirken auf. 121 Die Zeichnung von Saudeks Schwager Willy Groag (ein späterer Absolvent der Akademie der bildenden Künste in Wien) erschien tatsächlich auf dem Umschlag und dem Titelblatt. 122 E. Saudek an J. S. Machar, 28.08.1912, LA PNP, Fonds J. S. Machar.
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[Suschitzky druckt bereits. Er versprach mir schriftlich K 300. –, falls er 2000 Exemplare verkauft, falls nur 1500 verkauft werden – dann K 150. –. Das Buch wird ein eindrucksvolles Bild haben (eine Arbeit meines Schwagers); das Bild zeigt einen niederträchtigen Priester vom Lande mit Fledermausflügeln, deren Gerippe stark wie Reifen sind, mit einem aufgespannten Regenschirm und breiten Schuhen. Um ihn herum fliegen kleine jesuitische Fledermäuschen. – Für die 500 Exemplare muss ich nicht bürgen. Bei mir sind etwa 200 Bestellungen zusammengekommen. / Sollten Sie einmal Lust haben, die Suschitzkys zu besuchen, die mich darum gebeten haben, würden Sie wunderschöne alte Bücher sehen (auch napoleonische). Einer der Brüder sagte: der Herr Machar könnt auch im Keller herumstieren. Ein interessanter Laden.]
Um Saudeks kulturpolitische Positionen nachvollziehen zu können, ist das Vorwort zu der Broschüre von großer Bedeutung. Saudek stellt darin nicht nur das Lesebuch und den gesamten Fall der Beschlagnahmung vor, sondern skizziert auch seine Vorstellung der zukünftigen Einigkeit der österreichischen Länder und Einwohner, für die allerdings die Zusammenarbeit zwischen den Nationen notwendig sei. Dabei hinterfragt er, wie die verschiedenen Bevölkerungsschichten und politischen Parteien sich zu dieser Idee verhalten. Saudek teilt dabei nicht nur Machars (und Masaryks) Kritik am Klerikalismus und an dessen politischer Repräsentanz in der Christlichsozialen Partei, sondern auch an der nationalistischen liberalen Politik, die die mittleren Bevölkerungsschichten beeinflusse. Für die Einheit und die Zusammenarbeit zwischen den Nationen würden sich somit einstweilen nur Einzelne engagieren: Solche Propheten in der Wüste, die sich nach Schicksals-, nicht bloss Volksgenossen umschauen, wenn es gilt, irgendein Unheil abzuwehren, ernten nie viel Dank, selbst wenn sie nicht reine Kosmopoliten sind und den Instinkten ihrer Nation dadurch verwandt sind, dass sie den edlen, kulturbefruchtenden Kern der nationalen Idee überall betonen. Die Bourgeoisien Österreichs lassen sich am liebsten von den rein nationalistischen Wogen treiben und machen sich, wofern sie nur ihre Lust büßen, nichts daraus, dass sie in das uferlose Meer getrieben werden, in welchem es hungrige Haifische gibt, die auf national gemästete Leiber sehnsüchtig warten. (Saudek 1912g: 6, Hervorhebung E. S.)
Saudek erfasst hier v. a. seine eigene Position eines jüdischen Intellektuellen, der sich kulturell mit der tschechischen Nation identifiziert, sich allerdings zugleich als Teil einer bislang minoritären und zukunftsorientierten Gemeinschaft begreift. Diese „Schicksalsgenossen“ sind durch ihr Schicksal, ihre Wahl und ihre Ansichten verbunden, müssen aber nicht unbedingt als „Volksgenossen“ der gleichen Nation angehören. Saudek unterschied sich ferner auch von den „echten Kosmopoliten“, einer relativ kleinen Wiener Gemeinschaft, deren Mitglieder oft (aber nicht nur) Juden waren, die als Reaktion auf die nationalen Konflikte innerhalb der Monarchie die Idee einer universellen Humanität vertraten (Hacohen 1999, 2000). Auch die Kosmopoliten waren
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strikt antiklerikal,123 und Saudek war mit einigen von ihnen (insbesondere mit Heinrich Herbatschek und Fritz Telmann) dank des Deutsch-czechischen Komitees in Kontakt.124 „Der Kadavergeruch des Klerikalismus muss aus den gemeinsamen Wohnräumen gemeinsam entfernt werden,“ schreibt Saudek im Vorwort (Saudek 1912g: 7). Den Antiklerikalismus versteht er als stärkste zeitgenössische geistige Strömung, in der viele Vertreter diverser Ansichten und Ethnien zusammenfinden, und interpretiert ihn somit als Ausdruck des Willens nach nationaler Verständigung. Machar und Masaryk befänden sich im Kampf gegen den Klerikalismus in den böhmischen Ländern zunächst nicht in der Überzahl, laut Saudek ist ihre Tätigkeit für die Reform der ganzen Monarchie von Bedeutung: Sie arbeiten in dieser Weise an der Verwirklichung des Einigkeitsgedankens. Sie sind in ihrer Art sehr gute Patrioten und Österreicher. Alle Gleichgesinnten aus allen Völkern möchten sie an sich ziehen und mit ihnen marschieren. Freilich wird ihr Österreich anders ausschauen müssen als das jetzige. (ebd.: 7)
Saudeks Vorwort sowie seine anderen Texte und Aktivitäten in den Vorkriegsjahren demonstrieren einen starken Glauben an eine zukünftige Reform Österreichs, in dem fortschrittliche Kräfte die Führung übernehmen, für die der Nationalismus nicht die Grunddoktrin ist und die in der Lage sind, eine neue übernationale Einigkeit innerhalb des Staates zu schaffen. Dabei ist anzumerken, dass weder Masaryk noch Machar diese Vorstellung teilten. Zusammenfassend ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch das Prisma des Antiklerikalismus eindeutige kulturelle und soziale Verbindungslinien quer durch die nationale Landkarte zu erkennen sind.
5. Höhepunkte und Nachklang Eine Bilanz seiner Beziehung zu Machar zog Saudek in einem Sammelband, den die Vertreter der jüngeren Generation tschechischer Schriftsteller, Künstler und Freunde in Wien Anfang 1914 für den Dichter zusammenstellten. Saudeks Beteiligung verweist auf einen der Freundeskreise, in denen dieser sich bewegte. Miloslav Hýsek bezeichnete seinen Freund Saudek in dem Mladá literatura české Vídně [Junge Literatur im tschechischen Wien] betitelten Text 123 Hacohen (2000: 46) betont sogar: „Clericalism not nationalism was their major enemy“. 124 Siehe Kapitel I. von L. Merhautová: 53–55.
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übrigens als „einen führenden tschechischen Schriftsteller in Wien“ (Hýsek 1914: 92). Anlässlich von Machars fünfzigstem Geburtstag verfasste Saudek zwei weitere Texte, die sich in Umfang und Schwerpunktsetzung voneinander unterscheiden. Der erste Artikel erschien unter dem Titel Macharovo království [Machars Königreich] in Dělnické listy. Saudek präsentierte Machar darin als „Tatmenschen“, eine Persönlichkeit, die „nach Gestaltung und Umgestaltung dürstet“, als den Schöpfer einer „neuen Geschichtsphilosophie und Morallehre“. Spannend erscheint in diesem Zusammenhang die Überlappung von Paganismus, Religion und Prophetentum, die er bei dem Dichter ausmacht: Filozofuje s ateismem, ale žije ryze nábožensky, vezdy pro dalekou budoucnost, vezdy pod zorným úhlem věčnosti. Veliký pohan, zářivý obhájce vezdejšího života a jeho možností! (Saudek 1914d: 1) [Er philosophiert mit einem Atheismus, aber er lebt rein religiös, allezeit für die ferne Zukunft, allezeit unter dem Blickpunkt der Ewigkeit. Ein großer Heide, strahlender Verteidiger des diesseitigen Lebens und dessen Möglichkeiten!]
Machar sei sich „seiner Sendung“ bewusst. Dem Egoismus stelle er das Engagement, das Ideal eines Charaktermenschen gegenüber, „breite Volksmassen versammeln sich lauschend um sein Königreich“ (ebd.). In einem auf Deutsch verfassten Artikel rekapituliert Saudek die einzelnen Phasen von Machars Œuvre ausführlicher und betont die durchgängige kritische Skepsis und den beharrlichen Pessimismus des Dichters. Weiterhin weist er darauf hin, dass Machar in den 1890er Jahren seine individualistischen Standpunkte und die Betonung der absoluten Autonomie der Kunst mit anderen Vertretern der literarischen Moderne teilte. Erst nach 1900 begann eine neue „Etappe in der geistigen Entwicklung Machars“ (Saudek 1914c: 89), und interessant erscheinen die Rollen, die Saudek Machar in Bezug auf das Nationalkollektiv zuschreibt: Er bleibt nicht nur Vaterfigur oder Richter der Gegenwart, sondern wird auch „Lehrer, Erzieher, Arzt und Helfer“ (ebd.). Sehr originell erweist sich ferner Saudeks Beobachtung zur Beschaffenheit von Machars Pessimismus, aus dem letzten Endes einerseits die Entscheidung für „soziale Arbeit“, andererseits sein vorchristliches Menschenideal hervorgeht. Saudek fügt hinzu, „nur aus der tief empfundenen, in den Verhältnissen des Menschenschicksals gegründeten Tragik konnte allmählig sein heidnischer, freier Mensch erwachsen“ (ebd.). Zwei Monate nach der Veröffentlichung des Artikels brach der Erste Weltkrieg aus und Machar wurde Mitglied der tschechischen Widerstandsbewegung, der sog. Maffie (Hálek/Mosković 2020). Ab Sommer 1915 wurde gegen ihn im Zusammenhang mit tschechischen Politikern ermittelt, die des Hochverrats bezichtigt wurden (Karel Kramář, Alois Rašín, T. G. Masaryk
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u. a.). Verhaftet wurde Machar erst am 7. Mai 1916, allerdings konnte die Polizei nicht genug Beweise für seine staatsfeindliche Tätigkeit vorbringen und so wurde er nur wegen einigen Gedichten angeklagt, die er bereits vor dem Krieg in der Sammlung Krůpěje [Tröpfchen] veröffentlicht hatte. Infolge der Amnestie von Karl I. wurde er im Juli 1917 entlassen, ab Oktober war er als Mitarbeiter des erneuerten Tagblatts Národní listy tätig. Im Mai 1918 zogen Machar und seine Familie – nach beinahe 30 Jahren – zurück nach Prag. Im Dezember war er einer der ersten, die Masaryk bei der Ankunft in der Tschechoslowakei begrüßten, 1919 wurde er Mitglied der Nationalversammlung (Národní shromáždění) und bekleidete den wichtigen Posten des Generalinspektors der tschechoslowakischen Armee. Die Verfolgung Machars und sein anschließender Weggang nach Prag unterbrachen den regelmäßigen Verkehr von Emil und Elsa Saudek mit dem Dichter und dessen Familie, und nach dem Krieg war es nicht einfach, die freundschaftlichen Beziehungen aufzufrischen. Höchstwahrscheinlich wegen seiner großen Auslastung (Übersetzungen aus dem Werk von O. Březina, T. G. Masaryk, V. Rakous) verpasste Saudek die Möglichkeit, Machars aktuelles feuilletonistisches Werk zu übersetzen, v. a. das Ende 1918 publizierte Buch Kriminál, das in Teilen schon seit November 1917 in Fortsetzung in den Národní listy erschienen war. Machar schildert darin seine Erlebnisse vor seiner Verhaftung und im Gefängnis, wobei er sich auf den Alltag der Häftlinge konzentriert, die eine bunte Mischung der Nationalitäten (Tschechen, Kroaten, Juden aus Galizien und Wien, Italiener, Deutschösterreicher, Wiener), Religionen, Sprachen und Ideologien darstellten und sich auch in Bezug auf ihre Vergehen stark unterschieden. Der Übersetzung nahm sich Otto Pick an, Saudeks Mitarbeiter bei der Übertragung von Březinas Schriften ins Deutsche, zugleich aber auch sein Rivale auf dem Feld der Übersetzung.125 Pick konnte die Herausgabe im Deutschösterreichischen Verlag in Wien durchsetzen, wo das Buch bereits im Mai 1919 unter dem Titel K. u. K. Kriminal erschien. Schon am 22. Juni besprach es Hermann Bahr im Neuen Wiener Journal, wobei er die wirkungsvolle, sachliche Schilderung dieses Zeugnisses betonte: Ein für uns furchtbares Buch. Und gerade weil es niemals pathetisch wird. Es klagt nicht an, beklagt sich nicht einmal, zürnt nicht, schilt nicht, droht nicht, sondern erzählt nur ganz ruhig vom Österreich Franz Josefs. (Bahr 1919)
K. u. K. Kriminal war Teil einer Reihe von Übersetzungen oder Neuauflagen von Machars Werken in deutscher Übersetzung, die unmittelbar nach dem Kriegsende publiziert wurden. Auffallend ist hierbei die herausragende Rolle 125 Siehe Kapitel VII. von Š. Zbytovský und Zbytovský (2020).
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jüdischer Übersetzer, die zugleich Freunde Machars aus der Wiener Zeit waren: Heinrich Herbatschek etwa gab Galeeren des Gymnasiums 1919 neu heraus und erweiterte die Auflage um die Feuilletons Antike und Christenthum, wobei er wie Saudek 1912 mit dem Anzengruber-Verlag der Gebrüder Suschitzky zusammenarbeitete. Der in Wien ansässige Maler Ernst Mandler brachte auch 1919 im Verlag der Böhmischen Edition drei Bände aus dem Zyklus Gewissen der Zeiten heraus; Gift aus Judäa, Im Strahl der hellenischen Sonne und Barbaren, mit deren Übertragung er bereits 1911 begonnen hatte. Saudek wiederum konnte 1920 beim Verlag Ed. Strache die zweite Auflage von Řím durchsetzen. Picks Übersetzung von Kriminál war allerdings am aktuellsten und löste lebendige Diskussionen aus.126 Pick erhielt von Machar ferner die Autorisierung zur Übersetzung von zwei weiteren, aktuell publizierten Büchern: Vídeň [Wien]127 und Vídeňské profily [Wiener Profile], also über eine Thematik, die auch Saudek nahestand. Es gibt keine Beweise, die darauf schließen lassen, dass Saudek angesichts der Auswahl Picks beleidigt war. Lediglich in einem Brief Picks an Machar vom 16. Mai 1919 findet sich die Bemerkung, er habe mit Saudek über die Publikation von Vídeňské profily gesprochen (Pick lebte zu dieser Zeit in Wien).128 Der letzte publizierte Text Saudeks über Machar erschien bereits nach seinem Umzug nach Prag, am 1. März 1924 im Tagblatt Tribuna. Im Vergleich zu seinen älteren Texten beginnt er ungewöhnlich, mit einem unbestimmten Vorwurf, der andeutet, dass Saudek Machars Weggang aus Wien nur schwer verkraften konnte: Těžko se píše o těch, kteří se odmlčeli, kteří se vzdálili, ač žádná nemoc nebo smrt nevelela. Kteří nás opustili za dosaženého příměří a nezůstali s námi v nedokončeném boji až do pozd ního míru. Kteří uprostřed nových křivd a zlořádů stojí zkamenělí a jako zlou chorobou stiženi neb umírající k nám již nepromlouvají, ač po jejich slovu žízníme. (Saudek 1924: 2) [Schwer ist zu schreiben über diejenigen, die verstummten, die sich entfernten, obwohl keine Krankheit oder sogar der Tod es ihnen auferlegte. Diejenigen, die uns während des erreichten Waffenstillstands verließen und im noch nicht abgeschlossenen Kampf bis zum überfälligen Frieden nicht an unserer Seite blieben. Diejenigen, die inmitten von neuem Unrecht und Übel versteinert dastehen, und nicht mehr zu uns sprechen, als wären sie von einer bösen Krankheit heimgesucht oder sogar sterbend, obwohl es uns nach ihren Worten dürstet.] 126 Im Jahr 1921 übersetzte der Slawist Paul Selver das Buch unter dem Titel The Jail. Experiences in 1916 ins Englische. 127 Am 5. Mai 1919 teilte Pick Machar mit: „Die von mir in der Zeitschrift Der Friede veröffentlichten Partien aus dem Bande Vídeň haben ein solches Aufsehen erregt, dass sich bereits mehrere Verleger um die Herausgabe des Werkes beworben haben.“ (O. Pick an J. S. Machar, 05.05.1919, LA PNP, Fonds J. S. Machar). Als Buch erschienen diese Texte in deutscher Übersetzung allerdings nicht. 128 O. Pick an J. S. Machar, 16.05.1919, ebd.
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Foto von J. S. Machar, von ihm selbst als Postkarte versandt an Elsa Saudek im November 1913 (ES).
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Und Saudek erinnert sich: „Wie leicht und lustig war es, anlässlich des vollendeten vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahres meine Worte an ihn zu richten!“ (ebd.). In der Tat verstummte Machar literarisch, während er den Armeeposten innehatte. Dieses Verstummen wollte Saudek nicht akzeptieren, genausowenig wie den Posten selbst: Víme, poměry naše se změnily, nastala „změna“. Ale byl náš převrat událostí takovou, že bylo nutno opustiti vznešenou dráhu předválečnou, na níž básník vždy chtěl a dovedl „ukázati vředy vlasti, kam jiní měli léky klásti a zlepšit její osudy“? Snad odešel Diokletian, znechucen nějakým nevděkem… Snad vystřídal Julián, v hlubokém poznání vnitřní jednoty a totožnosti všeho konání, sladké řemeslo mudrcovo s trudnou, ale nutnou brázdou veřejného úřadu… Velel okamžik? Ale tak či onak: dle svého svědomí básník jistě pracuje tam někde účelně a obětavě. (ebd.) [Wir wissen wohl, dass die Umstände sich verändert haben, eine „Veränderung“ ist da. Aber musste dieser Umbruch dazu führen, deshalb die hehre Laufbahn der Vorkriegsjahre zu verlassen, auf der der Dichter immer die Absicht hatte und es auch vermochte, „die Geschwüre der Heimat aufzuzeigen, auf die Andere Arzneien hätten legen, das Los hätten verbessern müssen“? Vielleicht ging Diokletian von dannen, vom Undank angewidert … Vielleicht tauschte Julian, in tiefer Erkenntnis der inneren Einheit und Identität allen Handelns, das süße Handwerk eines Weisen gegen das mühselige, aber notwendige Fahrwasser eines öffentlichen Amtes … Befahl der Augenblick dies? Wie auch immer: Seinem Gewissen folgend arbeitet der Dichter dort sicher irgendwo zielbewusst und aufopferungsvoll.]
Mangels aktueller Informationen wendet Saudek sich der Vergangenheit zu, und Wehmut über seine abgebrochenen Kontakte zum „Boten des Lebens“ durchdringt den ganzen Text. Nach seinem Umzug nach Prag 1922 konzentrierte Saudek sich ausschließlich auf Březina, der ihm bis ans Ende seiner Tage eine Inspiration blieb. Eine Wiederaufnahme der Kontakte zu Machar ergab sich erst 1933, und zwar auf einen äußeren Anlass hin, als Ed. Strache Interesse an einer Neuauflage von Rom bekundete (wozu es jedoch nicht kam). Im Februar 1934 sandte Saudek Machar schließlich ein längeres Glückwunschschreiben zum siebzigsten Geburtstag, im Gegenzug gratulierte der Dichter Saudek zwei Jahre später zu dessen sechzigstem Geburtstag. Dabei sprach er diesem auch seinen Dank für dessen Übersetzungen aus, was Saudek mit Demut quittierte: Že se mníte těšiti s myšlenkou, že jsem své služby věnoval také Vašemu velikému dílu, je mi velikou útěchou. Mimo to Vám, drahý mistře, musím děkovat a děkovat nepřestanu, že jsem prožíval s Vámi své vrcholné okamžiky, život opravdu zmocněný.129 [Dass Sie sich über den Gedanken freuen, dass ich meine Dienste auch Ihrem großen Werk gewidmet habe, ist mir ein Trost. Außerdem muss ich Ihnen, verehrter Meister, für immer 129 E. Saudek an J. S. Machar, 09.09.1936, LA PNP, Fonds J. S. Machar.
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dafür dankbar sein, dass ich mit Ihnen meine Sternstunden erleben durfte, ein wirklich bereichertes Leben.]
Es hat den Anschein, Saudeks Beziehung zu Machar habe Ende der 1930er Jahre einen Bogen geschlagen und sei zu den Anfängen zurückgekehrt, als der Student seinen Dichter-Begleiter nur schamhaft aus der Ferne beobachten konnte. Dies geschah nun allerdings in einem ganz anderen historischen Kontext, in dem die Existenzbedingungen jüdischer Einwohner in der Tschechoslowakei immer komplizierter wurden. Vor Weihnachten 1938, also bereits zur Zeit der sog. Zweiten Republik, schrieb Saudek: Drahý mistře, stále obestřen kouzlem krásných dob, v nichž jsem vyrůstal ve Vaší společnosti ve Vídni, prožívám zase dnes jistotu, že jsem Vám dlužen za trvalé štěstí ve svém životě. Viděl jsem Vás nedávno u Vašeho domu a přesvědčil se, že dobrá minulost je zazděná v plynoucím času na celý život. Jsem rád, že jste zdráv a šťasten, že z Vás září nedotknutelný duch, jenž byl a jest a bude – K Novému Roku přeju všeho dobrého. Pozdravujeme oba srdečně a uctivě. Dr Emil Saudek130 [Verehrter Meister, immer noch von dem herrlichen Zauber der fernen Zeiten umgeben, als ich in Ihrer Gesellschaft in Wien heranreifte, verspüre ich heute sehr entschieden, dass ich Ihnen für das dauerhafte Glück in meinem Leben zu Dank verpflichtet bin. Ich sah Sie unlängst bei Ihrem Haus und mir wurde klar, dass die gute Vergangenheit ein Leben lang in der fortschreitenden Zeit eingeschlossen ist. Es freut mich sehr, dass Sie gesund und glücklich sind, dass aus Ihnen der unantastbare Geist strahlt, den es gab, gibt und geben wird – Alles Gute im Neuen Jahr. Wir beide grüßen Sie herzlich und ehrfurchtsvoll. Dr Emil Saudek]
Am 26. Februar 1939 gratulierte Saudek Machar erneut zum Geburtstag, mit Anspielungen auf lange zurückliegende gemeinsame Zeiten wie auch auf die schwere Gegenwart, aus deren Perspektive ihm die Vergangenheit idealisiert wie „ein Stück Elysium“ erschien:
130 E. Saudek an J. S. Machar, 23.12.1938, ebd.
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Drahý mistře, dnes jsem naplněn jen obdivem a láskou k Vašemu velkolepému životu, jenž vidím v celku. Vidím také Vaše největší umění vytvářeti sobě i jiným kvetoucí zahrady krásných chvil a okamžiků, rozsévati blaho. Vidím Vaši stálou lásku k ubohé vlasti, vím, že jste nás učil zásadám, které obstojí v budoucnosti. Věru nemohu se dnes, kdy na mne také přišla „těžká chvíle“, rozepsati se způsobem svátečních dnů o Vašem básnickém díle, které nepomine. Jsem si vědom, že jsem dík Vám zažil kus jediného možného elysia, které jest dnes výjimkou a mohlo by být pravidlem. Přeju Vám „všemu navzdory“ život dlouhý, krásný a Vás uspokojující. Vaše duše Vám urobí závratný žár a závratný mír. Váš věčně a vděčně oddaný, milující Dr Emil Saudek [Verehrter Meister, heute bin ich voller Liebe und Bewunderung für Ihr hervorragendes Leben, das ich als Ganzes überblicke. Ich sehe auch Ihre größte Kunst, für sich selbst und uns anderen Gärten voller schöner Momente aufblühen zu lassen, die Seligkeit zu säen. Ich sehe Ihre ungebrochene Liebe zu unserer armen Heimat, ich weiß, Sie haben uns Grundsätze gelehrt, die in der Zukunft standhalten werden. Fürwahr, es fällt mir heute sehr schwer, wo auch ich meine „schwere Zeit“ erlebe, im feierlichen Ton über Ihr unvergängliches Dichterwerk zu schreiben. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich nur dank Ihnen ein Stück des einzig möglichen Elysiums erleben durfte, das heutzutage eine Ausnahme darstellt und doch die Regel sein könnte. Allen Widrigkeiten zum Trotz wünsche ich Ihnen ein langes, schönes und befriedigendes Leben. Ihre Seele bereitet Ihnen eine unendliche Glut und unendlichen Frieden. Ihr ewig dankbar ergebener und liebender Dr Emil Saudek]
Der letzte Geburtstagsgruß Saudeks an Machar datiert vom 27. Februar 1941 – 43 Jahre trennten ihn vom ersten. Ende Oktober desselben Jahres erhielt Machar die Nachricht, dass Emil Saudek im jüdischen Krankenhaus in Prag verstorben war, nur einige Tage vor seinem Transport nach Theresienstadt. Am 31. Oktober 1941 schrieb Machar an Elsa Saudek, mit der er vor dem Ersten Weltkrieg ebenso in freundschaftlicher Beziehung und in regelmäßigem Briefkontakt gestanden hatte:
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Drahá paní, stále jsem čekal jeho návštěvu… dnes přišla… Jaký smutek nám ta zpráva přinesla, nebudu Vám líčit. Tušíme a cítíme, jak je Vám a jak by bylo každé slovo soustrasti a soucitu zbytečno. – Až se trochu změní poměry, napíši o něm, čím mi byl. Dnes jenom němý stisk našich ruk Vám a p. synovi. Váš Machar s rodinou.131 [Sehr geehrte Frau, ich wartete und wartete auf seinen Besuch … heute kam er … Welche Trauer uns die Nachricht bereitete, werde ich Ihnen nicht erzählen. Wir ahnen und fühlen, dass jedes Beileid- und Mitleidwort umsonst wäre. Wenn die Verhältnisse sich ein wenig normalisieren, werde ich schreiben, was er mir bedeutete. Heute nur ein stummer Händedruck für Sie und den verehrten Herrn Sohn. Ihr Machar und Familie.]
Machar starb nur wenige Monate später, am 17. März 1942. Eine Erinnerung an seinen Freund aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, an seinen Übersetzer und Interpreten Emil Saudek, konnte er nicht mehr schreiben.
131 J. S. Machar an Elsa Saudek, 31.10.1941, ES.
Josef Vojvodík
V. Ein Bote, Übersetzer, Interpret? Emil Saudek und Otokar Březina: zwischen Übersetzung und Exegese Das schöne leben sendet mich an dich Als boten... (Stefan George (/1899/ 1932: 12)
Was Emil Saudek in seinem Wiener Vortrag O poesii Otokara Březiny [Über die Poesie O. B.s] von 1912 vorhergesagt hatte, wurde für ihn später wortwörtlich wahr: Básník vydal celkem pět tenkých svazečků básní a jeden svazek básnické prózy. Jak málo a mnoho zároveň! Ctitel poetické, ryze hudební dikce, jehož záliba jest pouze estetická, přečte veškeré spisy Otokara Březiny za několik hodin. Začne-li však studovati světový názor básníkův a metody jeho básnického aparátu, psychologii umělcovu, nadhozené životní problémy, pak mu nestačí týdny, měsíce, roky. Přesvědčí se, že studium Březinovo neopustí již nikdy. (Saudek 1912h: 5) [Der Dichter veröffentlichte insgesamt fünf schmale Gedichtsammlungen und einen Band lyrischer Prosa. Wie wenig und wie viel zugleich! Ein Verehrer der poetischen, rein musikalischen Diktion, dessen Vorliebe lediglich ästhetisch ist, liest sämtliche Schriften Otokar Březinas in einigen Stunden. Lässt er sich allerdings auf die Weltanschauung des Dichters, auf die Methoden des dichterischen Apparats, die Psychologie des Künstlers und die aufgeworfenen Probleme des Lebens ein, dann reichen Wochen, Monate, ja Jahre nicht aus. Es wird ihm klar, dass das Studium dieses dichterischen Werks für ihn kein Ende nimmt.]
Otokar Březina war für Emil Saudek nicht nur ein Dichter, dessen Poesie er als eine außerordentliche Herausforderung für Übersetzer verstand. Seit dem ersten Schreiben vom 14. September 1903 und dem ersten persönlichen Treffen 1905 sah er den Verfasser der Sammlung Ruce (Hände) als Propheten, religiösen Denker, dichtenden Philosophen, Mystiker und Retter an: Vtom přišel Váš hlas! Odpoledne spatřil jsem báseň na stole: Tys nešla. Včera jsem pochopil tuto Vaši arcibáseň, kterou zároveň básnil na bolavých strůnách mé ubohé duše Osud! Ukonejšil mne a rozhodl jsem se žíti, ať se Ol.[ga] rozhodne, jak chce. Jako „němé setkání“ se mne dotkla, jako hojivý balzám, jako soucitný dotek. Pochopíte, že ano?132 [Und da kam Ihre Stimme! Am Nachmittag sah ich ein Gedicht auf meinem Tisch liegen: Tys nešla. Gestern begriff ich dieses Großgedicht, das zugleich auf den Saiten meiner leidenden Seele das Schicksal erdichtet hatte! Ich wurde besänftigt und entschied mich fürs 132 E. Saudek an O. Březina, 14.09.1903, LA PNP, Fonds O. Březina, auch Březina (2004/I: 621).
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Leben, möge Ol.[ga] sich entscheiden, wie sie will. Das Gedicht war mir eine „stumme Begegnung“, ein heilender Balsam, eine mitleidsvolle Berührung. Sie werden es verstehen, nicht wahr?]
Saudek vertraute sich Březina in seinem ersten Brief mit seiner Liebesverzweiflung an, die ihn sogar bis zu Selbstmordgedanken getrieben habe. Březinas Gedicht Tys nešla [Du kamst nicht] (Svítání na západě /Morgengrauen im Westen/, 1896), stellte für ihn, wie dem Brief zu entnehmen ist, geradezu ein heilbringendes Ereignis dar. Bereits die Entdeckung dieses Gedichts von Březina schildert Saudek als eine mystische Erfahrung: „Und da kam ihre Stimme!“133 Die Stimme, die der Lauschende als Aufforderung zur Bekehrung begreift und die ihn, den Umhertappenden, aus dem Labyrinth zu einer unio mystica rufe. In sämtlichen Texten Saudeks, die er Březinas Werk widmete, wird von da an dieses Moment im Vordergrund stehen: Březinas Werk als Werk eines religiösen Denker-Dichters und Mystikers. Es stellt sich die Frage, ob Saudek in seiner Deutung irrte, als er seinen Vortrag O poesii Otokara Březiny mit dem folgenden Satz begann: „Jediným předmětem poezie Otokara Březiny je problém náboženský“ [Der alleinige Gegenstand der Poesie von Otokar Březina ist das Problem der Religion] (Saudek 1912h: 5). Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn wir ihn dahingehend präzisieren und uns vor Augen halten, dass das „Problem“ des Symbolismus als Kunst- und Kulturepoche der Jahrhundertwende die Kunst als Ersatzreligion war. Březina war weder ein religiöser Denker, noch ein dichtender Philosoph oder Mystiker im üblichen Sinne des Wortes; dennoch kommen Saudeks Interpretationen dem Wesen von Březinas dichterischem Weltbild – oder mit Saudeks Worten: der Weltanschauung des Dichters – an vielen Stellen erstaunlich nah. Die Wörter „Weltanschauung“ und „Mystik“ stellen fundamentale Begriffe für Saudeks Lektüre und Deutung von Březina dar und müssen im Folgenden auch näher beleuchtet werden.
133 Im Artikel zu Březinas 50. Geburtstag erinnert sich Saudek an diese Initiation: „Pocítil jsem, jak bolest individuální jest zatopena bolestí všehomíra, jak vlastní rozkoš tkví kořeny svými v něze jediného srdce, ‚jež tisíci údery buší‘, jak naše bytí má svůj nepovšimnutý, ale pravý domov v nadosobním životě absolutním“ [Auf einmal konnte ich spüren, wie das individuelle Leid vom Leid des Universums überflutet wird, wie die eigene Wonne mit ihren Wurzeln in der Zartheit eines einzigen Herzens steckt, das „mit tausend Schläge pulsiert“, wie unsere Existenz ihr unbemerktes, jedoch wahres Zuhause im überindividuellen absoluten Leben hat.] (Saudek 1918/19b: 26).
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Saudeks Übersetzung des Gedichts Tys nešla (Du kamst nicht) mit handschriftlichen Anmerkungen von Otokar Březina (ES).
1. Weltanschauung und der „religiöse Mensch“ Als Karl Jaspers sich in der Einleitung seiner Psychologie der Weltanschauungen (1919), die er selbst rückblickend als den ersten Schritt auf dem Weg zu seiner späteren sog. Existenzphilosophie bezeichnete, die Frage stellte „Was ist Weltanschauung?“, antwortete er lakonisch: „Etwas Ganzes und etwas Universales.“ Und er fuhr fort: Wenn z. B. vom Wissen die Rede ist: nicht einzelnes Fachwissen, sondern das Wissen als eine Ganzheit, als Kosmos. Aber Weltanschauung ist nicht bloß ein Wissen, sondern sie offenbart sich in Wertungen, Lebensgestaltung, Schicksal, in der erlebten Rangordnung der Werte. Oder beides in anderer Ausdrucksweise: wenn wir von Weltanschauungen sprechen, so meinen wir Ideen, das Letzte und das Totale des Menschen, sowohl subjektiv
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als Erlebnis und Kraft und Gesinnung, wie objektiv als gegenständlich gestaltete Welt. (Jaspers 1919: 1)
Im Kapitel über weltanschauliche Einstellungen beschäftigt sich Jaspers mit der mystischen Weltanschauung, deren Hauptmerkmal er in der Auflösung der Gegensätze zwischen Subjekt und Objekt sieht, weshalb das Mystische nie als Inhalt, sondern immer nur als subjektives Erlebnis aufzufassen sei (ebd.: 73f.). Das mystische Erlebnis entbehre somit jeglicher Rationalität, logischer Form, Gegensätze, Relativität und Antinomie. Das mystische Erlebnis konzentriert sich vollkommen auf die mystische Versenkung in Abgeschiedenheit. Kein Rausch also, keine Schwärmerei und Ekstase, sondern mystische Abgeschiedenheit. Für Jaspers, der in seinem (historisch-psychologischen) Verständnis der mystischen Weltanschauung auf theologische Prämissen zurückgreift, ist Meister Eckhart der Prototyp des Mystikers. Allerdings sei auch der Mystiker ein Mensch, der innerhalb seiner Spaltung zwischen Subjekt und Objekt hin und her schwebe und der letzten Endes über Inhalte spreche, über die nicht gesprochen werden kann, woraus all das Paradoxe seiner Rede resultiere, so dass er das Ausgesprochene unausgesprochen machen, das Positive ins Negative umwandeln müsse, genauer gesagt drücke er positive Inhalte als negative aus (ebd.: 75). Die negative Theologie sei das eigentliche Medium der Mystiker: Jaspers begreift sie als einen besonderen Denktypus an der Grenze zwischen dem archaischen, „mythologisch-dämonischen“ und dem philosophischen, d. h. „mythisch-spekulativen“ Weltbild. Das mystische Erleben ziele auf die Vereinigung, die Einheit mit dem Absoluten, unio mystica, deshalb verharre es angesichts der Welt in Untätigkeit. Die mystische Existenz sei zeitlos und ewig, den entsprechenden Ausdruck findet dieser Existenzmodus „in Bildern, Paradoxien, in Lehren von negativem Inhalt (Verneinung alles Endlichen), in der Lebensführung und dem Habitus der Persönlichkeit“ (ebd.: 401). Der Begriff „Weltanschauung“ und der weltanschauliche Diskurs waren in der deutschen Philosophie und Ästhetik des 19. Jahrhunderts allgegenwärtig und der Einfluss dieser Begrifflichkeit ließ auch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weder in der Philosophie, Theologie, Poetik und Ästhetik, noch in der Natur-, Rechts- und Volkswirtschaftswissenschaft nach, möglicherweise auch da es sich um ein epistemologisch nicht unbedingt unproblematisches Ideenkonstrukt handelt. Auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften war Anfang des 20. Jahrhunderts die Weltanschauungslehre des Philosophen Wilhelm Dilthey (Weltanschauungslehre, 1911) besonders einflussreich, der 1906 sein legendäres Buch Das Erlebnis und die Dichtung mit den Darstellungen über vier deutsche Dichter des späten 18. und frühen 19. Jahr-
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hunderts (Lessing, Goethe, Novalis und Hölderlin) publizierte, in dem er die Hermeneutik des Dichterwerks und dessen Erlebnisses entwickelte. Der Erlebnis-Begriff besitzt für die Kunst und Ästhetik der Jahrhundertwende eine grundlegende Bedeutung. In seiner Studie Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen (1911) thematisiert Dilthey die weltanschaulichen Systeme als eine individuelle Suche nach „brauchbaren Lebenszielen“ (Dilthey 1962: 85). Hier wird eine evolutionsoptimistische Perspektive in den Vordergrund gerückt, die für den Glauben an positive Entwicklung aller Bereiche menschlicher Tätigkeit um die Jahrhundertwende bezeichnend war. Dazu gehörte auch der Glaube an die Möglichkeit der Überwindung des historischen Relativismus und der Zersplitterung wissenschaftlicher Erkenntnisse zugunsten eines ganzheitlichen Wissenschaftssystems. Diese positive weltanschauliche Einstellung teilt auch Březina zur Zeit der Entstehung der Gedichte des Bandes Ruce (Hände, 1901) und der Essays Hudba pramenů (Musik der Quellen, 1903). Hier findet sich auch der Essay mit dem aussagekräftigen Titel Cíle (Ziele), der zum ersten Mal – und nicht zufällig – in Kalendář neodvislého dělnictva na rok 1900 [Kalender der unabhängigen Arbeiterschaft] veröffentlicht wurde. Das universelle Hauptziel der Menschheit sei die oben erwähnte Überwindung der Zersplitterung und Vereinsamung durch die schöpferische Vereinigung von Wissenschaft, Kunst und Religion: Nalézáme krutou rozkoš ve vyhledávání všeho, co nás rozděluje, a jsme za to trestáni osamocením, mrazivými pouštěmi vyhnanství, kde dech našich slov chytá se nám na tváře jako jíní a ruce křehnou, oznobené a neschopné práce. / Ale jeden jest člověk od pólu k pólu, se stejným kosmickým osudem, jedna mystická jednota v miliónech, kteří byli, jsou a budou. V jeho věčném varu, v zápasech, mlčeních a šílenstvích národů, v heroismu mudrců, v uzdravující vůli světců, v bolestech a štěstí milenců, v duchovém vzrůstu ženy, ve výkřicích extáze a smrti […]: ve všem pracuje neviditelný osvoboditel, člověk říše Ducha, jediný v miliónech, mistr sil a srdcí, v němž ku svému vykoupení má dospěti veškeren život země. (Březina 1989: 60) [Grausame Wollust finden wir daran, alles aufsuchen, was uns trennt, und sind dafür durch Vereinsamung gestraft, in frostigen Wüsten der Verbannung, wo der Hauch unserer Worte sich wie Reif an unseren Wangen verfängt, unsere Hände starr werden, erfroren und unfähig zur Arbeit. Aber der Mensch ist von Pol zu Pol Ein und Derselbe, mit dem gleichen kosmischen Geschick, mit dem gleichen Geheimnis, Ein und Dieselbe mystische Einheit unter den Millionen, die waren sind und sein werden. In seiner ewigen Gärung, seinen Kämpfen, im Verstummen und Rasen der Nationen, im Heroismus der Weisen und Forscher, im Hellsehen der Künstler, in dem heilenden Wollen der Heiligen, im Schmerz und Glück der Liebenden, im geistigen Wachsen der Frau, im Aufschrei der Ekstase und des Todes /…/ in allem arbeitet der unsichtbare Befreier, der Mensch des geistigen Reiches, ein Einziger unter Millionen, der Meister der Kräfte und Herzen, in dem das gesamte Leben der Erde seine Erlösung sucht.] (Březina 1923: 72f.)
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Diesen weltanschaulichen Horizont des Dichters lernte Emil Saudek Anfang des 20. Jahrhunderts kennen. Über Březinas Lebensweise referiert er in der Abhandlung O světovém názoru Otokara Březiny [Über die Weltanschauung O. B.s] Folgendes: Žije jako poustevník, či, jak sám říká, jako věčný student, zastává své povolání učitelské se stoickým klidem […]. Smutek ze života, plného bolestí, též záhad a hádanek, touha po vyšších formách žití, po rozřešení všech otázek a smíření všech hluboce v přírodě zakotvených protikladů. Všichni, kteří dnes v Čechách diskutují o problému náboženském, měli by vždy věnovati pozornost tomuto náboženskému mysliteli par excellence […]. (Saudek 1908/80: 1f.) [Er lebt als Einsiedler, oder, wie er selbst zu sagen pflegt, als ewiger Student, er übt seinen Lehrerberuf mit stoischer Ruhe aus /…/. Die Trauer über ein Leben voller Leiden, Rätsel und Geheimnisse, die Sehnsucht nach höheren Lebensformen, nach Lösung aller Fragen und Befriedung sämtlicher tief in der Natur verankerter Gegensätze. Jeder, der heutzutage in Böhmen das Problem der Religion diskutiert, sollte sich mit diesem religiösen Denker par excellence auseinandersetzen /…/.]
Saudek betrachtet das Leiden als Antrieb für den Dichter Březina, für seine religiösen sowie ästhetischen Erfahrungen, und er zitiert die Anfangsverse von Březinas Gedicht Slyším v duši (Ich höre in meiner Seele) aus dem Buch Svítání na západě [Morgengrauen im Westen]: „Když slunce zpívalo, tys na svůj nástroj nesáh, / jen pod mým bodnutím krev tryskla tonů tvých“ (Březina 1975: 62) [Als die Sonne sang, griffest du nicht nach deinem Instrument, / nur unter meinem Stich spritzte das Blut deiner Töne]. Weltanschaulich gründet Březinas Werk laut Saudek dennoch in einem „kosmischen Optimismus“, wie Saudek ihn in der Abhandlung O světovém názoru Otokara Březiny charakterisierte, und Březinas Bücher Ruce und Hudba pramenů blieben ihm ein Schlüssel für das Verstehen des gesamten Werkes dieses Dichters und seines dichterischen Weltbildes: Básník uvědomuje si tuto odvěkou, vesmírovou, trpělivou práci kosmu a radostně se opíjí tím grandiózním snem o možnosti velikých netušených úrod na roli kosmu, jenž vydal již tolik úrod, o možnosti splnění našich nejvyšších tužeb. Vesmír, jako neexploitované doly, chová v sobě zlatou rudu ovládnutí přírody, odstranění všech bolestných protikladů, a pak to nejcennější: vytvoření nového čistějšího, volného a i šťastnějšího lidstva. (ebd.) [Der Dichter nimmt diese ewige, kosmische, geduldige Arbeit des Alls wahr und berauscht sich frohen Sinnes mit dem grandiosen Traum von der Möglichkeit der ungeahnten Früchte auf dem kosmischen Ackerfeld, das bereits sehr reiche Ernte hervorbrachte, von der Möglichkeit, dass unsere höchsten Wünsche in Erfüllung gehen. Das Weltall birgt in sich, wie ungenutzte Minen, das goldene Erz der Naturbeherrschung, die Beseitigung aller schmerzhaften Widersprüche, und dann das Wertvollste: Die Erschaffung einer neuen, reineren, freieren und auch glücklicheren Menschheit.]
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Das Ziel des „kosmischen Optimismus“, über den Saudek nachsinnt, ist die Harmonisierung, Versöhnung und Erlösung; Begriffe also, die das dichterische Weltbild in Březinas Ruce prägen: „O slití všech milionů v Jediného Člověka vykoupeného, / kormidelníka duchové země, jenž k břehům tvých tajemství pluje“ (Šílenci, Březina 1975: 189) [„Von aller Millionen Verfließen in den einen Erlösten, den einzigen Menschen, / Den Steuermann geistiger Erde, der zu den Küsten deiner Geheimnisse steuert“] (Wahnbetörte, Březina 1908b: 52). In der Tat bejaht Březina zur Zeit der Entstehung der Gedichte aus Ruce – allen schmerzhaften Erlebnissen und Niederlagen zum Trotz – das diesseitige Leben enthusiastisch, ja geradezu in einer Schwindel erregenden Intensivierung aller vitalen Prozesse, genauso wie die Vollendung der Schöpfung unter diesseitigen Bedingungen, deren Sinn und Ziel die heilbringende universale Versöhnung und finale Vergeistigung des Kosmos seien, so wie dieses Programm im berühmten Refrain des Gedichts Kolozpěv srdcí (Rundgesang der Herzen) formuliert wird: „Pro tajemství bolesti, smrti a znovuzrození / sladko je žíti!“ (Březina 1975: 177) [„Um des Geheimnisses des Schmerzes willen, des Todes, des Wiedererwachens / Süß ist das Leben!“] (Březina 1908b: 35). Die Hauptforderung, deren Erfüllung zur Harmonisierung des Kosmos führe, ist die Einbeziehung aller Lebenserscheinungen und -formen und deren „Verfließen“ („slití“). Deshalb müsse auch die einsame individuelle Stimme mit dem gewaltigen „Rundgesang der Herzen“ („kolozpěv srdcí“), mit dem dionysischen „Dithyrambus der Welten“ („dithyrambem světů“) verfließen. Die Überzeugung, dass moderne Naturwissenschaften und die Ergebnisse der exakten Disziplinen – womöglich in Verbindung mit Religion, Metaphysik und den geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen – zum weltanschaulichen Nährboden einer sozialen Reform werden könnten, war am Ausgang des 19. Jahrhunderts sehr verbreitet. Daran vermochte nichts zu ändern, dass der deutsche Physiologe Emil Heinrich Du Bois-Reymond bereits Anfang der 1870er Jahre seinen berühmten Vortrag Über die Grenzen des Naturerkennens hielt (1872 in Leipzig, vor der Versammlung des ältesten und größten interdisziplinären Fachvereins, der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte). Du Bois-Reymond schloss seine Rede mit dem berühmten Ausspruch „ignoramus et ignorabimus“ („Wir wissen es nicht und wir werden es niemals wissen“). Damit wollte er deutlich machen, dass Kraft und Materie eine unüberwindliche transzendente Grenze für die Naturwissenschaften darstellen, und dadurch seine Skepsis gegenüber den naturwissenschaftlichen Möglichkeiten der Erkenntnis bekunden, der Erkenntnis dessen, was die Welt in ihrem innersten Kern zusammenhält:
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Gegenüber dem Rätsel aber, was Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken vermögen, muß er [d. h. der Naturforscher] ein für allemal zu dem viel schwerer abzugebenden Wahrspruch sich entschließen: ‚Ignorabimus‘. (Du Bois–Reymond 1872/1974: 464)
Mit diesem Satz unterwanderte Du Bois–Reymond, der als Muskel- und Nervenphysiologe die mechanistisch-materialistische Methode als die einzig mögliche ansah und praktizierte, das Wesen des materialistisch-darwinistischen Programms seiner Zeit, das suggerieren wollte, die Naturwissenschaften könnten eine objektive und vollständige Basis für das Verständnis und die Auslegung der Welt liefern. Er löste damit eine lang andauernde methodologische Auseinandersetzung zwischen Naturwissenschaftlern und Naturphilosophen, den sog. „Ignorabimus–Streit“ aus (Reichenberger 2007: 63ff.; vgl. auch Bayertz 2007). Wiewohl die Positivisten, Materialisten und Darwinisten unter der wachsenden Kritik ihrer Ansprüche (vom Gegenlager aus) in eine defensive Position gerieten, war das religiöse Weltbild bereits irreparabel erschüttert. In den geisteswissenschaftlichen Disziplinen sowie in der Sphäre der Kunst nahm zugleich die Überzeugung zu, man müsse nun nach Alternativen suchen und den Gegensatz zwischen Kunst und Religion „versöhnen“, falls die Kunst zur „Ersatzreligion“ oder einer Ersatzmythologie arriviert. Einen wichtigen Schritt auf diesem Wege stellte die Subjektivierung des Sehens, der Visualität, das Konzept eines anderen subjektiven Sehens, des „reinen Schauens“ dar und die damit – in der Kunst – einhergehende Ablehnung jedweder Form mimetischer Repräsentation der Wirklichkeit und die Eliminierung äußerer, der autonomen Kunst und dem autonomen Kunstwerk fremden Zwecken wie etwa der Beschreibung, Didaktik usw. Wenn die Naturwissenschaften an die nur schwerlich zu übertretenden Grenzen des „ignorabimus“ gestoßen waren, galt es für die Kunst, diese Grenzen zu überwinden, vielmehr noch und besser: sie loszuwerden. Eines der frühen symbolistischen Gedichte Březinas, Modlitba večerní (Abendgebet, 1892, Tajemné dálky), verfolgt genau dieses Ziel, das darin besteht, die Grenzen der absoluten Erkenntnis durch die maximale Intensivierung der Sinneswahrnehmung zu durchbrechen: V mých očí tmavou svítilnu se, svatá, schyl, lej nový olej v ni a zapal poznání, ať zraků paprskem zřím na tisíce mil […] A silou zvýšenou můj obdař lidský sluch,
Sink mir, o Heilige, ins dunkle Augenlicht, gieß neues Öl hinein, durch das der Mensch erkennt, damit mein Augenstrahl durch tausend Meilen bricht […] Verleih meinem Gehör die Kraft, die mir bewirkt,
156 ať v rezonanční nástroj se mi promění […] (Březina 1975: 21)
Josef Vojvodík daß sich in seinem Körper jeder Ton verstärkt […] (Březina 2019: 43)
Das lyrische Ich tritt in diesem dekadenten Gebet vor dem „nepoznatelným“ (Unerkennbaren) nicht zurück, im Gegenteil, in der Sehnsucht nach der Erfahrung des Unerkennbaren macht es nicht einmal vor dem endgültigen Untergang halt: „tu dechni v čelo mé a usnouti mne nech / v sen věčný, poslední, z něhož se nevzbudím“ [„dann hauch mir auf die Stirn, entlaß mich in den Schlaf, / in letzten, ewgen Traum, der kein Erwachen kennt“] (ebd.: 22 /Březina 2019: 47/). Den Weg zur Erkenntnis des Universums und zur Lüftung des ewigen kosmischen Geheimnisses bietet in diesem Gedicht die mors mystica, der mystische Tod, denn nur der Tod vermag es die Zeit- und Raumgrenzen zu sprengen. Aus den handschriftlichen Einträgen, die die Grundlage von Saudeks Monographie über Březina bilden sollten, sowie aus der späteren kompakten Abhandlung Tři modlitby Otakara Březiny [Drei Gebete Otakar Březinas] geht hervor, dass Saudek sehr feinfühlig das gnostisch-ästhetische Moment und das noetisch-mystische Programm erkannt und erfasst hat. Die Ekstase […] je dárkyní všech těch hodnot, na kterých básníkovi záleží. Ona dává vzlet a zápal, sílu zraku, schopnost poznání. Umělecké tvoření bez poznání všeho toho, čeho již Faust podobně si žádal, není možné. Otakar Březina chce „všechno obsáhnout“, Faust si přál zříti „všechnu vůli a símě všeho“. […] Ale náš básník zabíhá ve svém zápalu naposled zase do věčné noci a smrti. Jako by ho nelákaly sny kulturní a světské, právě se rodící z veliké nadpřirozené extáze. Nevězí v tom nějaká nesrovnalost? Nevězí. Víme, kam někdy zabíhá veliké nadšení, paroxysm entuziasmu. Gnostický zápal („ať všechno obsáhnu“) drtí nepokojné já nezralého mládí svou činností, smrt chlácholí je mírem. Smrt, tak věří mystik, splní noetické tužby, uklidní zvídavost, všechno rozřeší a odhalí. Proto se nedivme závěru této modlitby: „až smolnou pochodní žádostí žhavý dech na popel dohoří tajemným ohněm tvým, tu dechni v čelo mé a usnouti mne nech v sen věčný, poslední, z něhož se nevzbudím“. (Saudek 1933: 98f.) [schenkt uns die Werte, die für den Dichter so grundlegend sind. Sie verleiht den Aufschwung und Begeisterung, die Macht des Sehens, die Fähigkeit zu erkennen. Schöpferische Tätigkeit ohne Erkennen all dessen, was schon Faust begehrte, ist nicht möglich. Otakar Březina will „alles umfassen“, Faust wollte „alle Willenskraft und Samen“ erblicken. /…/ Aber unser Dichter gerät in ihrer Begeisterung zuletzt wieder in die ewige Nacht und in den Tod. Als würden ihn die kulturellen und irdischen Träume nicht verlocken, die gerade aus der einer großen übernatürlichen Ekstase geboren werden. Findet man hierin eine Ungereimtheit? Nein. Wir wissen doch, wohin eine große Begeisterung, der Enthusiasmus-Paroxysmus führen kann. Die gnostische Ereiferung („soll ich alles umfassen“) erdrückt das unruhige jugendliche Ich durch ihre Tätigkeit, der Tod beschwichtigt es mit Ruhe. Der Tod, so glaubt der Mystiker, erfüllt die noetischen Sehnsüchte, beruhigt die Wissbegier, löst und entblößt alles. Deshalb sollten wir uns angesichts des Ausgangs dieses
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Gebets nicht wundern: „wenn deine Fackel dann, auf die ich einmals traf, / zu ferner Sehnsucht Staub in deiner Glut verbrennt, / dann hauch mir auf die Stirn, entlaß mich in den Schlaf, / in letzten, ewgen Traum, der kein Erwachen kennt“. /die Verse aus dem Gedicht Abendgebet – Březina 2019: 47/]
Die Verbindung von Mystik, Esoterik, Religion und exakten Wissenschaften war für die Künstler Anfang des 20. Jahrhunderts nicht unvorstellbar.134 Im 134 Im Jahre 1913 gründete der Publizist und Esoteriker Rudolf Steiner seine Anthroposophische Gesellschaft, die sich an die christliche Tradition sowie an Goethes naturwissenschaftliche Theorien anlehnte. Mit Steiners Geheimwissenschaft, die eine dynamische Synthese der Wissenschaft, Kunst und Religion, des Geistes und der Materie, der Form und des Lebens sein sollte, beginnt – nicht zufällig im Zeitalter der Moderne – eine neue Etappe in der Geschichte des Okkultismus. Im tschechischen Kulturraum der Jahrhundertwende äußerte sich das Interesse an Hermetismus, Spiritismus und Okkultismus in Gründungen diverser esoterischer Gesellschaften. Mit diesen arbeiteten Schriftsteller wie Julius Zeyer und Autoren aus dem Umkreis der Moderní revue zusammen: Emanuel Lešetický z Lešehradu, der unermüdliche Propagator des Okkultismus Emanuel Hauner sowie Jiří Karásek ze Lvovic, der später, Anfang der 1920er Jahre die Zeitschrift Okultní a spiritualistická revue redigierte. Zur Übersicht und Tätigkeit hermetischer und okkulter Gesellschaften im tschechischen Kontext des 20. Jahrhunderts vgl. Nakonečný (1993: 5ff.). In diesem Kontext interessierte sich auch Saudek für Steiner und überreichte ihm nach dessen Vortrag in Wien sogar die Übersetzung von Březinas Sammlung Hände: „Teozof Rudolf Steiner z Berlína, jenž právě zde konal několik přednášek, byl mnou na B[řezinu] upozorněn a obdržel jeden exemplář. Tento zajímavý člověk byl také nedávno v Praze. Divím se, že p. Bitnar neb vůbec tamější kruhy teozofické jej neupozornily na Bílka i Březinu. Slíbil, že bude referovat ve svém časopisu Gnosis. / Že teozofové jsou nejbližší příbuzní B[řezinovy], je pro mne jisto a vycítil jsem již dávno. Prozkoumat jejich více zajímavé než přesvědčivé názory a odkrýt vztahy s tvorbou Březinovou bude brzo nezbytno, bude-li se chtít B[řezina] úplně pochopit“ [Der Theosoph Rudolf Steiner aus Berlin, der hier gerade Vorträge hält, wurde von mir auf B/řezina/ aufmerksam gemacht und er erhielt ein Exemplar. Dieser spannende Mensch war auch unlängst in Prag. Mich wundert, dass H. Bitnar oder jemand aus den dortigen theosophischen Kreisen ihn nicht auf Bílek und Březina aufmerksam machten. Er versprach, dass er in seiner Zeischrift Gnosis referieren wird. Dass Theosophen die nächsten Verwandten B/řezinas/ sind, gilt für mich als sicher, ich spürte dies seit langem. Ihre eher interessanten als überzeugenden Ansichten zu berücksichtigen und die Bezüge zu Březinas Schaffen zu entdecken, wird sich bald als notwendig erweisen, falls man B/řezina/ in der Zukunft völlig verstehen möchte.] (E. Saudek an M. Hýsek, 25.11.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek); ähnlich äußerte sich Saudek auch in einem Brief an Březina: „Byl zde Rudolf Steiner z Berlína. Vaši knihu jsem mu odevzdal. / Cítím, že tito lidé jsou přece jen Vaši nejbližší příbuzní; zajímavý a vábivý je jich myšlenkový obzor! Créme společnosti byla shromážděna u jeho přednášek: Wie und wo findet man den Geist?, Der Mensch als Mittel zur Lösung des Welträtsels.“ [Rudolf Steiner aus Berlin war hier. Ich habe ihm Ihr Buch überreicht. Ich spüre, dass diese Menschen doch Ihre nächsten Verwandten sind; wie interessant und verlockend ihr Gedankenhorizont ist! Die Créme der Gesellschaft versammelte sich zu dem Anlass seiner Vorträge: Wie und wo findet
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Gegenteil, man verstand die Entdeckungen der Naturwissenschaften als Verifizierung eigener Vorstellungen und Vorahnungen, die unsichtbare, rational nicht greifbare und unerkennbare Kräfte und Energien betrafen. Die Entdeckung der radioaktiven Strahlung durch Marie Skłodowska Curie, Plancks Quantentheorie, die Theorie der vierten Dimension und des vierdimensionalen Sehens, die der Mathematiker und Physiker Jules Henri Poincaré 1902, noch vor Einstein, formulierte – all diese und viele andere Entdeckungen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts brachten die „Umwertung aller Werte“ mit sich, die auf das Bewusstsein der Unvollkommenheit der sinnlichen Welterkenntnis und auf die Ahnung zurückgeht, dass sich jenseits der Welt, die mit den Sinnen wahrgenommen wird, noch etwas Unsichtbares, durch Sinne Unfassbares verberge. Es ließe sich sogar vom Postulat der Identität der Religion und der exakten Naturwissenschaften auf einer neuen geistigen Grundlage sprechen. Der Gründer der theoretischen Biologie, Jakob Johann Baron von Uexküll, der die „materialistische Weltanschauung“ (und Haeckels Monismus) als „Evangelium der Massen“ (Uexküll 1907: 648) streng verurteilte, äußerte sich in Die Umrisse einer kommenden Weltanschauung (1907) folgendermaßen: Und doch dürfen wir nicht verzweifeln, denn das Gestirn des Idealismus ist wieder im Aufsteigen begriffen, mächtiger und strahlender denn je und es wird der Tag kommen, an dem die Materie in Nichts zusammensinkt vor der Alleinherrschaft des Geistes. (ebd.: 648)
In seinen Überlegungen mit dem Titel O světovém názoru Otokara Březiny teilt auch Saudek die Vorstellung einer möglichen und wirkungsvollen Verbindung von Wissenschaft und Religion, da „každá lidská povaha, jež opravdu po náboženství touží, hledá sobě náboženství nového, které s nabytým světovým názorem vědeckým žije v logickém souladu. A Otokar Březina nám předvádí červánky takového náboženství“ [jedes menschliche Gemüt, das wirklich nach der Religion strebt, eine neue Religion für sich sucht, die mit dem aktuellen Wissensstand der Wissenschaften im Einklang wäre. Und Otokar Březina führt uns die Morgenröte einer solchen Religion vor Augen] (Saudek 1908b/83: 1f.). Saudek sieht die Grundprinzipien solch einer neuen Religion v. a. in „der Loslösung von Lebensformen“, des ewigen Kampfes „aller gegen alle“, d. h. vom darwinistisch aufgefassten Leben und somit „des Kampfes ums Überleben“, er erörtert den Gedanken der Vereinigung von Religion und „ethischen Regeln“ und betont die Bedeutung des Geheimnisses für das Menschenleben, d. h. „die Auffassung des Weltalls als großes Mysterium“ (ebd.). man den Geist?, Der Mensch als Mittel zur Lösung des Welträtsels.] (E. Saudek an O. Březina, 28.11.1908, LA PNP, Fonds O. Březina).
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In seinem Vortrag O poesii Otokara Březiny beschäftigt sich Saudek mit der Symbiose eines Mystikers, eines religiösen Menschen – und eines Dichters noch eingehender. In Bezug auf das Weltbild in den Händen meint er: Zde se hlásí mystik a člověk náboženský zároveň. […] Březina je člověk moderní, vědecky nadmíru vzdělaný, skutečnost dnešní bystře analyzující. V jeho vizích nepracuje v podvědomí onen náboženský duch středověký, neznající zákonů vesmíru a lidské povahy, snílek neurčitých, nevědeckých fantazmat, nýbrž duch velmi racionální, stavějící i ve snu extáze na vědecky zjištěných faktech. Březina nezná totožnosti nějakého osobního boha s člověkem, zjevení svatých, nýbrž jen práci člověkovu jako součástku práce vesmírové, podstatu lidského ducha příbuznou s podstatou vesmírové duše, účast člověka na postupujícím díle věčnosti. (Saudek 1912h: 12) [Hier meldet sich ein Mystiker und zugleich ein Religionsmensch zu Wort. […] Březina ist ein moderner, wissenschaftlich überaus gebildeter Mensch, der die gegenwärtige Wirklichkeit mit Scharfblick analysiert. In seinen Visionen ist nicht unbewusst der religiöse Geist des Mittelalters am Werk, der die Gesetze der Welt und des menschlichen Charakters nicht kennt, ein Träumer von unbestimmten, unwissenschaftlichen Phantasmen, sondern ein durchaus rationaler Geist, der sogar im Traum der Ekstase auf wissenschaftlich festgestellte Tatsachen zurückgreift. Březina weiß nichts von der Identität eines persönlichen Gottes mit dem Menschen, von der Offenbarung der Heiligen, er kennt nur die menschliche Arbeit als Teil des kosmischen Geschehens, das Wesen der menschlichen Seele, die mit dem Wesen der Weltallseele verwandt ist, die Teilnahme des Menschen an dem fortschreitenden Werk der Ewigkeit.]
2. Die Mystik und der „moderne Mensch“ A jediným geniálním komentátorem všech těžkých míst v lidské myšlence – život? (O. Březina an Jan Voborník, 08.01.1902, Březina 2004/I: 581) [Und der einzige geniale Kommentator aller schwierigen Momente im menschlichen Gedanken – das Leben?]
Březina hielt sein ganzes Leben lang nicht nur von allen Dogmen, sondern auch von der institutionalisierten Kirche Abstand, zu der die Moderne um 1900 ein gelinde gesagt kompliziertes Verhältnis hatte. Seine Position formulierte er unmissverständlich in einem Schreiben an Anna Pammrová vom 15. November 1896 und in ähnlicher Weise auch in Briefen an Sigismund Bouška: Nepovídám, že studium některých děl starých literatur a mystických děl středověkých, které jsem měl příležitost studovat ve zdejším klášteře, proběhlo mou duší bez významu,
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ale má mystika vychází z výsledků exaktních děl moderních a dívala se dlouho do pyšných idealistických perspektiv školy Kantovy. Netajil jsem se p. B[ouškovi]., že mé dílo, neodvislé od dogmatu, dotýká se jen ezoterických fundamentů náboženství a nic dál. Věřícím v jeho smyslu nejsem. Pojem Věčného a Nejvyššího, jak se objevuje v mém díle, je symbolem věčného Tajemství.135 [Ich sage nicht, dass das Studium einiger alter Literaturen und mystischer Werke des Mittelalters, die ich in hiesigem Kloster zu studieren die Gelegenheit hatte, keinen Abdruck in meiner Seele hinterlassen hätte, doch meine Mystik orientiert sich an den Ergebnissen exakter moderner Werke und sie blickte lange in die idealistischen Perspektiven der KantSchule. Ich verheimlichte Herrn B/ouška/. nicht, dass mein Schaffen, vom Dogma unabhängig, ausschließlich die esoterischen Fundamente der Religion berührt, und nichts weiter. In seinem Sinne gläubig bin ich also nicht. Die Begriffe des Ewigen und Höchsten, wie sie in meinen Texten vorkommen, sind Symbole des ewigen Geheimnisses.]
Die Formulierungen „vom Dogma unabhängig“, „esoterische Fundamente der Religion“, die Březina im Brief an Pammrová verwendete, um seine unorthodoxe Auffassung des Glaubens zu charakterisieren, sind auffällig und bezeichnend zugleich, und sie rücken die Frage in den Vordergrund, um was für eine Mystik es sich handelt. Die „positive“ christliche Mystik des Mittelalters – der Begriff selbst hängt mit dem Geheimnis zusammen (μυστικός – mystikós „geheimnisvoll“, und myein „die Augen /den Mund/ schließen“) –, wie sie etwa Thomas von Aquin auffasste, war eng mit der Gotteserkenntnis (cognitio dei experimentali), mit der Durchdringung des Gottesmysteriums verbunden. Es handelt sich um eine eng mit der Ritualpraxis zusammenhängende, religiöse Erfahrung. Die mystische Erfahrung zielt auf die Vereinigung, unio, mit dem Erfahrungsgegenstand des Mystikers: mit Gott, mit dem göttlichen Prinzip. Es geht um eine affektive Erfahrung, die den Geist, die Seele und den Körper durchsetzt und den Mystiker in einen Zustand der Erhebung und Seligkeit versetzt, in welchem die Grenze zwischen Subjekt und Objekt aufgehoben wird. Es ist allerdings eine unaussprechliche Erfahrung, so gesehen erweist sich der Mystiker als Sprach- und Redeskeptiker, wiewohl es Konzepte spekulativer Mystik und mystischer Erfahrung gibt (Meister Eckhart, Heinrich Suso, Nikolaus von Kues u. a.), in denen die Unaussprechlichkeit und Unmitteilbarkeit durch Kontemplation und Reflexion mystischer Erfahrungen kompensiert wird (Haas 2004: 48ff.). Niklaus Largier legt dar, dass die Spekulation in mittelalterlichen Kontemplationstheorien und -praktiken (Eckhart, Suso, die Mystik der Franziskaner), deren Ziel die unio mit dem göttlichen Prinzip war, zugleich eine neue Welt135 O. Březina an E. Pammrová, 15.11.1896 (Březina 2004/I: 385, hervorgehoben von Březina).
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wahrnehmung ermöglichte, innerhalb derer auch die Sinnlichkeit ihre Rolle hatte. Als kognitive Praxis brachte die Spekulation nämlich eine neue Aufwertung der Sinnlichkeit, der Affektivität und Emotionalität mit sich, insbesondere mittels rhetorischer Strategien, die es möglich machten, dass das Göttliche nicht nur in der jenseitigen Sphäre, sondern im Diesseits und somit die Transzendenz in der Immanenz erfahren werden konnte (Largier 2018). Für die Moderne der Jahrhundertwende gilt, dass an die Stelle der theologisch begründeten Erkenntnis die Erfahrung tritt: Es muss sich nicht unbedingt um die Gotteserfahrung handeln, sondern kann auch die Erfahrung des eigenen Ich (als Selbsterfahrung, Selbstbezug, Welterfahrung usw.) und nicht zuletzt die Reflexion der Erfahrung selbst sein. Eine besondere Bedeutung wurde der Verbindung von mystischen Erfahrungen und der Kunst zugeschrieben. Im Brief vom 26. Juli 1901 an seinen Jugendfreund František Bauer schreibt Březina: „Vím, že největší a nejtěžší umělecké dílo je život. A že vlny života, námi mocně pohnuté, mohou zazvoniti čistě jako stříbro o skály věčnosti“ [Ich weiß, dass das größte und schwierigste Kunstwerk das Leben ist. Und dass die Wellen des Lebens, von uns in Bewegung gesetzt, klar erklingen können, wie Silber an den Felsen der Ewigkeit] (Březina 2004/I: 564). Dieser Satz illustriert, was der Anthropologiephilosoph Helmuth Plessner in der Einleitung zu seinem anthropologisch-philosophischen Hauptwerk Die Stufen des Organischen und der Mensch (1928) schreibt: Jede Zeit findet ihr erlösendes Wort. Die Terminologie des achtzehnten Jahrhunderts kulminiert in dem Begriff der Vernunft, die des neunzehnten im Begriff der Entwicklung, die gegenwärtige im Begriff des Lebens. Jede Zeit bezeichnet damit etwas Verschiedenes, Vernunft hebt das Zeitlose und Allgemeinverbindliche, Entwicklung das rastlos Werdende und Aufsteigende, Leben das dämonisch Spielende, unbewußt Schöpferische heraus. (Plessner 1928: 3)
Auch bei Březina muss mit dem Begriff des Lebens sofort der Mystik-Begriff mitgedacht werden. Für das angehende 20. Jahrhundert war das Leben nicht nur mit der Vorstellung der ununterbrochenen Bewegung, eines dynamischen „Fließens“ konnotiert, das Leben war ein immerwährender Prozess und ein nicht aussetzendes Geschehen. Seinen Essay Zasvěcení života (Die Weihe durchs Leben, 1902) leitet Březina mit folgenden Sätzen ein: Není jiného zasvěcení v mystérium krásy nežli život. […] Ale práce, již vykonává umění, je touž prací, k níž směřuje veškerý život země. Je to pokračování tvůrčího díla, které položilo hvězdy jako základní kameny své stavby a obraznost jako most mezi světy viditelnými a neviditelnými. Nemůže tedy býti umění proti životu. Není proti životu ani umění hrůzy, ani umění, které oživuje soumračná místa mezi dnem a nocí. Neboť umění jako život jest vláda zákona nad chaosem. (Březina 1989: 44, 47)
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[Es gibt keine andere Einführung in das Mysterium der Schönheit als das Leben. /…/ Aber die Arbeit, die die Kunst leistet, ist die gleiche Arbeit, dahin das Gesamtleben der Erde gerichtet ist: Fortführung des Schöpfungswerkes, das Sterne und Grundsteine zu seinem Bau gelegt und die Einbildungskraft als Brücke geschlagen zwischen sichtbaren und unsichtbaren Welten. Es kann daher keine Kunst geben, die gegen das Leben gerichtet wäre. Gegen das Leben gerichtet ist nicht einmal die Kunst des Grauens, auch nicht die Kunst, die die Dämmerorte zwischen Tag und Nacht belebt. Denn Kunst ist wie Leben, die Herrschaft des Gesetzes über das Chaos. /Březina 1923: 52, 56/]
In Březinas Sammlung Hände und genauso in seinen Essays besitzt das Leben eine hochrangige Stelle und bereits dem oben angeführten kurzen Zitat aus einem der Essays von Březina ist deutlich zu entnehmen, was für eine große Bedeutung der Dichter der Verbindung von Leben und Kunst beimaß. Während in der Sammlung Tajemné dálky (1895, Geheimnisvolle Weiten, dt. 2019) die Kunstreligion zum Ersatz des positiven Gottes wurde, besetzte in den Händen das Leben deren Stelle. In diesem Kontext muss nicht nur der Begriff des „slití“ [Verfließens], d. h. die Vorstellung der Vereinigung, die sich mit Hilfe der Metaphorik von Wasser, Quellen, Strömen, des Fließens usw. äußert,136 sondern auch die „sensualistische Mystik“137 gesehen werden. Dieser Sensualismus offenbart sich in einer ganzen Reihe von Gedichten der Sammlung Hände; bereits der Titel von Březinas letztem (vollendetem) Dichterzyklus fällt auf, da er im Vergleich mit der bisherigen Poetik des Dichters auf geradezu überraschende Weise die Körperlichkeit und haptisch-sinnliche Qualitäten akzentuiert, während das Organ und Zentrum des emotionalen Erkennens sowie der unmittelbaren und vitalen Lebensenergie das Herz bleibt. Emotionalität, Emphase, Ekstase und rhythmisches Pulsieren, also Qualitäten eines vital- und emotionsbezogenen Empfindens und Erlebens, gestalten dieses poetische Modell der Welt ganz wesentlich mit. Saudek erblickt in Březina einen dem modernen Monismus verwandten Dichter-Mystiker:
136 „Der Ausdruck ‚Leben‘ in seinen zahllosen Verbindungen mit ‚Quellen‘ und ‚Strömen‘ und mit der Vorsilbe ‚Ur-‘ erlaubte, das Dilemma von Spontaneität und Rezeptivität, Aktivität und Passivität, aktiver und passiver Konstitution zu vermeiden“ (Blumenberg 2012: 124). Der Titel des Gedichts Zpívaly vody (Es sangen die Wässer) sowie des Essaybuchs Musik der Quellen (1903) sind paradigmatisch. 137 Es handelt sich um den Begriff, mit dem der Kritiker Samuel Lublinski die Mythos-Auffassung in Hofmannsthals Stück Ödipus und die Sphinx (1906) charakterisierte. „Sensualistische Mystik“ verwendet Hofmannsthal laut Lublinski dort, wo die klassische griechische Tragödie den Mythos ethisch interpretierte (Lublinski 1976: 84).
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Březina podřizuje veškeré své náboženské, ideologické, estetické vzdušné sny a touhy této zcela reální, monistické, vědecky zdůvodněné naději v budoucí jednotnou vědu o celém kosmu a o všech jeho – ať hmotných či duchových – silách. (Saudek 1912: 7) [Březina unterwirft all seine religiösen, ideologischen, ästhetischen Luftträume und Sehnsüchte dieser durchaus realen, monistischen, wissenschaftlich begründeten Hoffnung in die zukünftige vereinte Wissenschaft über das gesamte Weltall und all seine materiellen sowie geistigen Kräfte.]
Die Vermengung von exakten Wissenschaften und okkulten „Lehren“ (Spiritismus, Magnetismus, Esoterik, Hypnose, Parapsychologie u. a.) erfreute sich Ende des 19. Jahrhunderts eines außerordentlichen Interesses und großer Beliebtheit. Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese Strömungen, Orientierungen und Interessen, die diverse Erscheinungsformen und Ausprägungen alternativer „Religion“ beinhalten (z. B. Neomystizismus, Kabbala, Gnosis, Freimaurerei, Astrologie, altägyptische oder -syrische Mysterienkulte), neu „entdeckt“ und als Gegenpart zur kirchlichen Orthodoxie und institutionalisierten Religion aktualisiert. In der Atmosphäre des ausgehenden 19. Jahrhunderts – angesichts der sich verflüchtigenden traditionellen Metaphysik sowie der althergebrachten Menschenerfahrung und infolge der sich beschleunigenden, immer aggressiveren Industrialisierung und Technikidiolatrie – übten diese häretisch-okkulten und spiritistischen Tendenzen eine nicht zu unterschätzende Faszination aus. Auch der naturwissenschaftliche Monismus des Biologen und Zoologen Ernst Haeckel (1834–1919), der als Professor für vergleichende Anatomie an der Universität Jena tätig war, avancierte in den literarischen Kreisen um die Jahrhundertwende zu einer verhältnismäßig einflussreichen Lehre. Haeckel popularisierte bereits in den 1890er Jahren den Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft (1892).138 Auch wenn Haeckel im Zusammenhang mit Březinas letzter Sammlung erwähnt wird (Černý 1993/II: 485), ist es sehr unwahrscheinlich, dass Haeckels sozialdarwinistischer Monismus und Materialismus Březinas Weltbild beeinflusst haben.139 Im Gegenteil, Březina 138 Haeckels Monismus gründet v. a. auf Darwins Evolutionsbiologie sowie auf der Annahme, im ganzen Kosmos gebe es nur eine einzige Substanz, die zugleich physisch und psychisch sei und die anhand von Materie und Energie Form annehme und durch ein allgemeines Kausalitätsgesetz geordnet sei. Haeckels pantheistische Weltanschauung war deutlich antikirchlich, materialistisch-monistisch und näherte sich dem Sozialdarwinismus. 139 Haeckels Name kommt übrigens in Březinas umfangreichem Briefwechsel kein einziges Mal vor, im Gegensatz zu Gustav Theodor Fechner (1801–1887), dem Physiker, Psychologen und Anhänger der experimentellen Ästhetik, der bereits ein halbes Jahrhundert vor Haeckel eine monistische Theorie des sog. Panpsychismus und psychophysischen Parallelismus zwischen Seele und Körper entwickelte und sich für Reinkarnation und Spiritismus
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ezieht sich im Briefwechsel immer aufs Neue und explizit auf die Bedeutung b antimaterialistischer christlicher Mystik. So schreibt er z. B. im Brief vom 12./13. Mai 1897 an Anna Pammrová: Nerozkládá se v pohledu Svatých i pozemské světlo v nádheru jiného světla? Má země nějaké tajemství, které by dovedlo vzdorovati čistým v srdci? Jak hluboce dovedli mysliti o těchto věcech velcí Osamělí ve středověku! Jaká jemná, pronikavá, žíravě analyzující intuice psychologická v některých dílech asketických! Bernières Louvigny, Tauler, sv. Terezie, sv. Ignác, sv. František Saleský, sv. Jan z Kříže, Alvarez! (Březina 2004/I: 429) [Zerfällt im Blick der Heiligen nicht auch das diesseitige Licht in die Schönheit einer anderen Welt? Könnte die Erde ein Geheimnis aufbewahren, das den Seelenreinen standhalten dürfte? Wie tiefgründig waren die Gedanken der großen Einsamen des Mittelalters bezüglich dieser Dinge! Welch sanfte, durchdringende, verzehrend-analytische psychologische Intuition findet sich in manchen Werken der Asketiker! Bernières Louvigny, Tauler, Teresa von Ávila, Ignatius von Loyola, Franz von Sales, Johannes vom Kreuz, Alvarez!]
Unter dem „Monismus“-Begriff versteht Saudek im Zusammenhang mit Březina allerdings vielmehr eine Art moderner Neomystik als die Haeckel’sche Verbindung von Evolutions-Darwinismus und Pantheismus. 1920 veröffentlichte er den Text Neomystická hlediska [Neomystische Gesichtspunkte] und gleich am Anfang weist er auf Březina hin: Tvůrčí činnost vědy i umění je podmíněna od nejprvotnějších tvarů až k nejsložitějším dílům věkuplatným předpokladem, na který se v naší době rádo zapomíná. Otokar Březina, jehož báseň není pouze blahořečením a spočinutím v nejvyšší vůli, nýbrž také ostré vyznačení všech nebezpečí kulturních, všeho zbloudění z cest a tím i kritikou lidského počínání, vyzýváním k bojům, někdy i přísným povelem k potírání všeho, co ruší smysl krásy – vztyčil za našich dnů nutnost jednoho zorného úhlu všeho poznání jasnými slovy: „Viděti ze všech stran najednou, duchově, složitě i přehledně.“ (Saudek 1920c: 299) [Die schöpferische Tätigkeit in der Wissenschaft sowie in der Kunst bedingt seit den allerersten Formen bis zu den komplexesten Werken eine Prämisse, die in unserer Zeit so gerne vergessen wird. Otokar Březina, dessen Gedicht nicht nur ein Lobpreis und Verweilen im höchsten Willen ist, sondern auch ein scharfer Hinweis auf alle kulturellen Gefahren, jedes menschliche Herumirren, und damit auch eine Kritik des menschlichen Tuns, eine Aufforderung zu kämpfen, bisweilen auch ein strenger Befehl, alles zu tilgen, was den Sinn der Schönheit stört – formulierte in unseren Zeiten mit klaren Worten die Notwendigkeit eines einzigen Blickwinkels aller Erkenntnis: „Von allen Seiten auf einmal zu sehen, geistig, kompliziert und übersichtlich.“]
Es ist nicht zu übersehen, dass Mystik – oder genauer gesagt: neomystische Perspektiven – in diesem Text von Saudek mit ausdrücklich ethischen Momenten konnotiert werden. Der Text stammt aus einer Zeit, als Březina beinteressierte. Darin besteht der wesentliche Unterschied zwischen Fechners und Haeckels Monismus.
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reits seit zwölf Jahren keinen (neuen) Text publiziert hatte, er wurde jedoch bald nach der Gründung der Tschechoslowakei geschrieben. Saudek geht hier von der Kritik einer allzu großen Spezialisierung der modernen Welt aus und zitiert bereits zum Einstieg aus Březinas Essay Zasvěcení života (1902, Die Weihe durchs Leben): „Unser Sehen erfolgt von allen Seiten zugleich, trifft geistige Zusammenhänge, verwebt und überblickt sie“ (Březina 1923: 54). Wesentlich erscheint hier, dass Saudeks Kritik den Verlust einer umfassenderen, ganzheitlichen Lebenseinsicht und der Überschaubarkeit der Bereiche menschlicher Betätigung anprangert, weiterhin insbesondere die Tatsache, dass infolge dieser Perspektiveneinengung bei der intellektuellen, künstlerischen, technischen und handwerklichen Betätigung „vzněty mravní“ [die sittlichen Impulse] außerhalb des Blickfelds geraten: Spatříme bohatce rozumovosti, matematické přesnosti; odlišujeme vědce od umělců, uznávajíce jen v krajních případech jistou jejich příbuznost. Působnost vznětů mravních při tvoření často vylučujeme. Tříštíme jednotnou duševnost, podléhajíce magii všech specialismů, svodům metod izolačních. Ve všech oblastech se lopotí dovedné, řemeslnicky dojemně dokonalé ruce, duch vidoucí jen „odborně“ – ale onen duchovní zrak, vrozený všemu životu a vždy čekající, až bude vyvolán, onen duchovní zrak, který vroucím pohledem mistra změřuje a opravuje výkony tovaryšů, již oslepl. (Saudek 1920c: 299f.) [Wir erblicken die Magnaten der Vernunft, der mathematischen Genauigkeit; wir unterscheiden Wissenschaftler von Künstlern, und erkennen dabei nur in Ausnahmsfällen eine gewisse Verwandtschaft zwischen ihnen an. Die Rolle der sittlichen Impulse schließen wir bei der Schöpfung oft aus. Wir zerschmettern die einheitliche Spiritualität, weil wir der Magie aller -ismen, den Verlockungen der isolierenden Methoden unterliegen. In allen Bereichen rackern geschickte, handwerklich beeindruckend vollkommene Hände, den Geist nur „fachlich“ betrachtend – aber dieses geistige Sehvermögen, das jedem Leben angeboren ist und immer darauf wartet, abgerufen zu werden, dieses geistige Sehvermögen, das mit dem herzenswarmen Blick eines Meisters die Leistungen der Gesellen bewertet und korrigiert – dieses Sehvermögen ist bereits erloschen.]
Schon der Anfangssatz in Březinas Die Weihe durchs Leben deutet an, dass das Hauptthema des Textes in der Verteidigung einer mystischen Vision im Zeitalter der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts besteht: „Es gibt keine andere Einführung in das Mysterium der Schönheit als das Leben“ (Březina 1923: 52). Nicht nur Begriffe wie „Mysterium“ und „Vision“, sondern auch „Einweihung“ (initiatio) bilden das semantische Feld mystischer Traktate. Den Wörtern Auge, Blick, Sehen, Vision, Schauen und Durchschauen kommt im Vorgang der mystischen Erfahrung eine zentrale Bedeutung zu. „[D]ie Schau“, die in Die Weihe durchs Leben thematisiert wird, wird jedoch nicht mehr als sinnlich-physisches Wahrnehmen „tausend Meilen weit“ begriffen, wie im oben zitierten Gedicht Das Abendgebet von 1892. Zehn Jahre später verwirft
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der Dichter diesen einseitigen Intellektualismus aus Der Weihe durchs Leben. Nun – unter der Ägide des Lebens-Begriffs – ist es ein furchtloser, licht- und weltoffener „mächtiger Blick, der die Welt in neuer Pracht und Wahrheit erschaut hat“ (Březina 1923: 53): „Denn machtvoll schauen und schaffen ist eins“ (ebd.: 56). Diese Vorstellung der „mystischen Schau“ im Kontext der Lebensphilosophie steht der „Neomystik“ in der Literatur der Jahrhundertwende nahe, etwa im Werk von Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Heinrich Mann, Robert Musil sowie Paul Valéry, Henri Bergson u. a. Es lässt sich von einer „Mystizismus“-Faszination sprechen, die einer ganzen Autorengeneration gemeinsam ist (Gruber 1997: 9ff.). Auffällig ist die – im Fall von Březina bereits erwähnte – Rezeption von Traktaten mittelalterlicher und barocker Mystiker um die Jahrhundertwende. Noch in seiner späten Philosophie kehrt Henri Bergson zum Mystizismus als einem bedeutenden Element der „dynamischen Religion“ zurück, mit der er sich in seinem letzten Buch Les deux sources de la morale et de la religion (1932; Die beiden Quellen der Moral und der Religion) beschäftigt. Bergsons Überzeugung von der Möglichkeit eines direkten geistigen Kontakts mit dem Wesen der Wirklichkeit – die Březina übrigens sehr nahe war –, die der Philosoph dem rationalen naturwissenschaftlichen Erkennen gegenüberstellte, besaß bereits in der Metaphysik zu Beginn seines philosophischen Schaffens einen spezifischen mystischen Unterton; ein entscheidender Schritt in dieser Entwicklung war allerdings Bergsons Auffassung von einem göttlichen Ursprung des schöpferischen Charakters der lebendigen Wirklichkeit und der Intuition als mystischer Gottesschau (Albert 2017: 89ff.). In Die beiden Quellen der Moral und der Religion schreibt Bergson: Die vollständige Mystik ist in der Tat die Mystik der großen christlichen Mystiker. […] Gewiss sind die meisten von ihnen durch Zustände hindurchgegangen, die den verschiedenen Gipfelpunkten der antiken Mystik ähneln. Aber sie sind nur hindurchgegangen: Sich zusammenraffend, um sich in einer ganz neuen Anstrengung zu spannen, haben sie einen Damm durchbrochen; ein ungeheurer Lebensstrom hat sie von neuem ergriffen; aus ihrer vermehrten Vitalität hat sich eine Energie, eine Kühnheit, eine Macht ganz außergewöhnlichen Planens und Verwirklichens entbunden. Man bedenke, was Persönlichkeiten wie Paulus, die heilige Therese, die heilige Katharina von Siena, der heilige Franziskus, Jeanne d’Arc und viele andere im Bereich der Tat vollbracht haben. (Bergson 2019: 238)
Eben in Die beiden Quellen der Moral und der Religion wechselt Bergson, wie er selbst auch sagt, vom élan vital zum Liebeselan, oder genauer ausgedrückt: Die Liebe wird hier als Lebenselan begriffen, wie sich im Unterkapitel Schöpfung und Liebe zeigt (ebd.: 267ff.):
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Gott ist Liebe, und er ist Gegenstand der Liebe: das ist die ganze Errungenschaft der Mystik. Von dieser zweifachen Liebe kann der Mystiker nie genug aussagen. Seine Beschreibung kommt niemals zu Ende, weil das zu Beschreibende nicht auszudrücken ist. Aber eins sagt diese Aussage ganz deutlich: dass die göttliche Liebe nicht bloß etwas Göttliches ist, sondern Gott selbst. (Bergson 2019: 264)
Das Moment, in dem Einbildungskraft, Vision und Intuition bei Březina zusammenlaufen, ist das Leben: „die Einbildungskraft, welche den Begriff der Allmächtigkeit schuf – in tiefer Intuition des geistigen Grundstoffs dieses Lebens – die Einbildungskraft, die dankbar für einen Augenblick des geschauten ekstatischen Ziels den ganzen Kosmos mit einem Lächeln erhellt“ (Březina 1923: 57). Saudek konnotiert Březinas „Neomystik“ mit ethischen Idealen, mit einer „sittlichen Wiedergeburt“, die zugleich den metaphysischen Weg zur Erkenntnis darstelle. Die Sittlichkeit ist im Zusammenhang der jungen Masaryk-Republik nicht nur eine „Vision“, sondern auch – wie die „neomystische“ Weltanschauung der Dichter – der Weg zur sittlichen Wiedergeburt des Individuums sowie der Gesellschaft, und somit zur Welterkenntnis: Otokar Březina učí, že obrození mravní, které vykoná jednotlivec, společnost, dějiny uvědomělých národů a dobrodinná práce sil vesmírných (osvobození od viny), bude zárukou posílení naší poznávací mohoucnosti a zejména nejvznešenější naší síly, síly bezprostřední vize. O této síle vědí naše zasuté hlubiny, probouzející se jen kradmo při pohledu na něžnost fialek, záhadu zraků zvířat, neumělou moudrost (docta ignorantia) dětí a podivnou přítulnost jevů, dychtících vždy po rozhovoru s námi. A teprv taková mravnost dokáže svou metafyzickou totožnost s mohoucností poznávací. (Saudek 1920c: 304) [Otokar Březina lehrt uns, dass die sittliche Wiedergeburt, die das Individuum, die Gesellschaft, die Geschichte der aufgeklärten Völker und die wohltätige Arbeit der kosmischen Kräfte (Befreiung von Schuld) vollführen, uns eine Stärkung unseres Erkenntnisvermögens und vor allem unserer hehrsten Gabe, der Gabe der unmittelbaren Vision, garantiert. Von dieser Kraft wissen unsere verborgenen Tiefen, die nur verstohlen erwachen angesichts der Zartheit von Veilchen, des geheimnisvollen Blicks der Tiere, der ungekünstelten Weisheit der Kinder (docta ignorantia) und der seltsamen Herzlichkeit von Erscheinungen, die immer nach dem Gespräch mit uns dürsten. Und erst solch eine Sittlichkeit beweist ihre metaphysische Identität mit dem Erkenntnisvermögen.]
Saudek behandelt den Dichter der Hände bereits in seinem Vortrag O poesii Otokara Březiny als Ethiker, den er im September 1918 (wahrscheinlich nicht zufällig) neu publizierte. Bereits hier steht zu lesen, in Březinas Gedichten „kouzlu estetickému druží se kouzlo etické. U Březiny se nejedná o imperativní mravouku, kterou, jak se zdá, pohřbil Schopenhauer definitivně, nýbrž jen o hlasitý, radostný výraz věčné mravní touhy, v člověku dřímající, po jiných možnostech života“ [schließe sich der ethische Zauber dem ästhetischen Zauber an. Bei Březina geht es nicht um eine imperativische Morallehre, die –
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höchstwahrscheinlich – Schopenhauer definitiv begraben hat, sondern um einen lauten, jubelnden Ausdruck der ewigen moralischen, im Menschen dämmernden Sehnsucht nach anderen Lebensmöglichkeiten] (Saudek 1912h: 16). Der Wille zum Leben, zur Vereinigung und Harmonie ist laut Saudeks Interpretation hier das Ziel von Březinas Mystik, die mit dem Gedanken der Steigerung des Lebens im Diesseits gleichzusetzen sei. Das dichterische Weltbild in Březinas Ruce weist allerdings auch Schatten auf: In einigen zentralen Gedichten (Vedra/Gluten, Hudba slepců/Musik der Blinden, Stráž nad mrtvými/ Totenwache, Šílenci/Wahnbetörte, Tichý oceán/Der stille Ozean, Věčně znova/Stets aufs Neue, Čas/Die Zeit) stehen Skepsis und enttäuschte Erwartungen der endgültigen Versöhnung und Harmonisierung gegenüber. Die Symptome dieser Depression und Enttäuschung sind das Verharren im endlosen Warten, der Stillstand von schöpferischen Prozessen, eine Unbeweglichkeit der Zeit, die „zledovatění“ [Vereisung] der Welt. Die chronologisch ältesten Gedichte der Sammlung Hände, Ende 1899 in Zeitschriften publiziert, Stráž nad mrtvými, Vedra und Čas, gehören zu den finstersten der ganzen Sammlung. Im Gedicht Stráž nad mrtvými/Totenwache erreicht die Skepsis in folgenden Versen ihren Gipfelpunkt: [...] Uprostřed černých oceánů zničení ostrovy mlčenlivé budou naše sny a loďstva mrtvých, v horká pásma plujících, na horizontech siných světel uzříme. (Březina 1975: 185)
[...] Inmitten schwarzer Meere der Vernichtung werden unsere Träume schweigsame Inseln sein und die Flotten der Toten, segelnd nach heißen Zonen, werden wir am Horizonte grauer Lichter erkennen. (Březina 1908b: 47)
Saudek sah in Březina einen dichtenden Mystiker und mystischen Dichter mit einem hohen religiösen und künstlerischen Ethos, dessen Werk ein Ausdruck des weder durch Skepsis noch Pessimismus gebrochenen Lebenswillens sei, denn „umění jako život jest vláda zákona nad chaosem“ [die Kunst bedeutet genauso wie das Leben die Macht des Gesetzes über Chaos] (Zasvěcení života, Březina 1989: 47). Der letzte (neu-)publizierte Text von Otokar Březina, der Essay Přítomnost (Die Gegenwart, 1908), beginnt und endet mit einer Versicherung: Nezeslábl život na zemi, jak se domnívají příliš unavení mezi námi. Veškerá velikost minulosti i budoucna utajena jest v přítomnosti, vždy připravena vyšlehnouti krásou. […] Nezeslábl život na zemi. Prudčeji nežli vždy jindy zdá se hřměti tajemné spřežení sluncí a světů, letící tisíciletími. (Březina 1989: 89, 95)
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[Das Leben auf Erden ist nicht entkräftet, wie die allzu Mattgewordenen unter uns vermeinen. Alle Größe der Vergangenheit und Zukunft liegt in der Gegenwart verborgen, stets bereit, in Schönheit zu erlodern. /…/ Das Leben auf Erden ist nicht entkräftet. Heftiger denn je scheint das durch die Jahrtausende fliegende geheimnisvolle Gespann der Sonnen und Welten zu dröhnen.] (Březina 1915a: 943, 949)
Dieses Lebensethos ist für Saudeks Interpretation wesentlich. Saudek erblickte in Březina „jednoho ze zvěstovatelů takového nového náboženství“ [einen der Propheten solch einer neuen Religion] (Saudek 1912h: 20). Worin er die Andeutungen einer neuen Religion vermutete, legte Saudek im Text über die Kosmogonie (1916) des österreichischen Psychologen und Begründers der Gestaltpsychologie, Christian von Ehrenfels (1859–1932) dar, der von 1896 bis 1929 als Philosophieprofessor an der Prager deutschen Universität tätig war. Ehrenfels stand in einem intensiven Austausch mit T. G. Masaryk, dem er zum Anlass seines 75. Geburtstags sein neues Theaterstück Die Mutter des Legionärs (1925) widmete. Ungefähr seit 1900 arbeitete Ehrenfels an originellen ethisch-sozialen Theorien, oder vielmehr Utopien, die u. a. einen Entwurf für eine Reform der Sexualmoral beinhalteten (im Buch Sexualethik, 1907), die jedoch auf heftige Kritik stieß. Ehrenfels war Anhänger des evolutionsdarwinistischen Prinzips und der Eugenik, allerdings nicht im Sinne der reinen Rasse, im Gegenteil hielt er die Vermengung der Rassen für die einzige Möglichkeit, wie die Bevölkerung Europas zu retten sei. Deshalb kritisierte Ehrenfels die traditionelle christliche Monogamie und plädierte für die Polygamie (Gehring 2009: 40ff.). Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs wurde er ein Anhänger des Panslavismus, sinnierte über eine neue Religion, deren Wesen er in der Kosmogonie skizzierte, in der er den Ursprung, die Entwicklung und die endgültige Bestimmung der Menschheit erklären wollte (Porębski 2017: 117ff.). Den Kosmos versteht Ehrenfels traditionell als ein geordnetes Ganzes und als Ordnung, in der allerdings auch das von Zufall und Chaos gesteuerte Entropieprinzip am Werk sei. Die Welt werde vom Zusammenspiel unterschiedlicher gegensätzlicher Prinzipien der Vernunft und des Zufalls, des Bösen und Guten, beherrscht. Im sechsten Kapitel erörtert Ehrenfels einige Prinzipien seiner neuen dualistischen Religion, die er für empirisch nachweisbar erachtete. Saudek bespricht in seinem Artikel alle sechs Prinzipien („Dogmen“); v. a. das sechste Prinzip, das behauptet, der Mensch sei ein Teil des Göttlichen und somit auch Mitschöpfer des göttlichen Werks, erklärt er – auch im Hinblick auf Březinas „Neomystik“ – für essentiell: Ale myšlenka, že jsme pomocníky božstva, je tak velkolepá, že stačí k vytvoření nového – nyní aspoň pravděpodobnou vědeckou domněnkou podepřeného – náboženství. […] Bůh uvedených dogmat je mocný a moudrý, nikterak však všemohoucí a vševědoucí. Žádá a
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potřebuje naší spolupráce při svém odvěkém, tvůrčím boji se smrtícím chaosem. Bůh roste s námi a svět poroste s ním. Jsme všichni jeho zodpovědní spolupracovníci – „dobyvatelé pokorní“. Neskýtá taková nauka oné shora uvedené důvěry v světový řád sebevědomí, neukládá sebekázně, zodpovědnosti? Nepodpírá-li v hrůzách smrti i života? Nejsou to červánky nového náboženství? Autor Kosmogonie není jediný ze zvěstovatelů nového jitra. Jeho dílo je také jen duchaplnou poetickou motivací této filozofické osnovy, o níž nelze se tu šířit, původní a samostatné. (Saudek 1916e: 3) [Aber der Gedanke, dass wir Helfer des Göttlichen sind, ist so großartig, dass er zu Erschaffung einer neuen – jetzt auch schon durch eine wissenschaftliche Vermutung unterstützten – Religion genügen muss. /…/ Der Gott der angeführten Dogmen ist mächtig und weise, allerdings nicht allmächtig und allwissend. Er fordert und braucht unsere Zusammenarbeit bei seinem ewigen, schöpferischen Kampf mit dem tödlichen Chaos. Gott wächst mit uns und die Welt wächst mit ihm. Wir alle sind seine verantwortlichen Mitarbeiter – „die demütigen Eroberer“. Verleiht eine solche Lehre des oben genannten Vertrauens in die Weltordnung nicht Selbstbewusstsein, legt es uns nicht Selbstzucht und Verantwortung auf ? Unterstützt es uns nicht angesichts der Gräuel des Lebens und Todes? Handelt es sich hierbei nicht um die Morgenröte einer neuen Religion? Der Autor der Kosmogonie ist nicht der einzige Prophet des kommenden Morgens. Sein Schaffen ist auch nur eine geistreiche poetische Motivation dieser philosophischen Skizze, die – ursprünglich und eigenständig – hier nicht erörtert werden kann.]
Wenn Saudek schreibt, der Autor der Kosmogonie sei nicht „der einzige Prophet des kommenden Morgens“ einer neuen Religion, hat er zweifellos Březina im Sinn, den Dichter „dobyvatelů pokorných“ [der demütigen Eroberer], die im Gedicht Místa harmonie a smíření (Orte der Harmonie und der Versöhnung) dem universalen und kollektiven „slití“ [Verfließen] der Unzähligen entgegenschreiten. Ihren Gegenpol stellen die visionären, aber unverstandenen Gestalten der Šílenci [Wahnbetörten], deren Botschaft den „bratřím země“ [Erdenbrüdern] unverständlich bleibe. Ehrenfels‘ Utopie der „neuen Religion“ hätte in Březina mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Anhänger gefunden, Saudek erahnte dennoch die Attraktivität von Ehrenfels‘ parareligiösen Spekulationen im Kontext der literarischen und künstlerischen Moderne zwischen Wien und Prag Anfang des 20. Jahrhunderts. Insbesondere Ehrenfels‘ Gestaltpsychologie und seine Wahrnehmungstheorie fanden in Prag aufmerksame Zuhörer in Max Wertheimer (einem der wichtigsten Schüler Ehrenfels‘ und späteren Theoretiker der Gestaltpsychologie), Franz Kafka, Max Brod, Felix Weltsch, T. G. Masaryk, Nikolai Trubetzkoy u. a.140 Auch in Ehrenfels‘ Kosmogonie hat der Begriff „Gestalt“ seinen Platz. Das Thema des Zerfalls aller „Gestaltqualitäten“, die Erfahrung des Chaos sinnlicher Wahrnehmungen, der Sinnverlust und grundsätzliche Zweifel an der Authentizität der erlebten Wirk140 Zum intellektuellen und künstlerischen Kreis um Ehrenfels siehe auch Max Brods Autobiographie Streitbares Leben (1960).
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lichkeit,141 – all dies wurde zu einer der prägenden Erfahrungen der Moderne in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Es hat den Anschein, Illusion, Wahnsinn und Halluzination erscheinen in Březinas Gedichten um die Jahrhundertwende nicht nur als Symptome der unerfüllten Erwartung des „einzigen Menschen, eine[s] Erlösten“ (Šílenci/Wahnbetörte, Březina 1908b: 52), sondern auch als Folge der Entleerung positiver Religion und der Substitution Gottes durch weltliche Phänomene sowie Unterwerfung an die Illusion der heilbringenden Macht der Kunst: „Dort, wo es keinen einheitlichen religiös-theologischen Rahmen mehr gibt, bleibt cognitio ununterscheidbar von Illusion, Erkenntnis von Halluzination“ (Gruber 1998: 35). Im Gedicht Stráž nad mrtvými (Totenwache) wird dieser Wille zum Erliegen der Illusion in ekstatischer Selbstberauschung und Selbstentzündung in „düst’rer Wollust“, zum Ausdruck gebracht: A naše vlastní bytost záhadná! Na hranici své žalmy pějící v šarlatném plášti plamenů! A s lehkostí, jak obraz nekonečna ve zracích, tíž provinění tajemného nesoucí, sen tragický tohoto vesmíru! V ohnivých řasách měnivých a nádherných, jež do tváře jí šlehají tvým větrem zdouvané a vesmír dávají jí zříti plameny jak závojem, v třesení zatajeném stojí vztyčená. A rozjařená jako v šílenství tisícům smrtí v ironické tahy pohlíží, z všech černých rukou přijímá číš halucinací a ve přípitku extatickém životu a slunci, smíření a nadějím až ke dnu v temné rozkoši ji dopíjí
Und unser eignes rätselhaftes Wesen! Am Scheiterhaufen seine Psalmen singend im scharlach’nen Mantel der Flammen! Mit leichtem Sinn, wie das Bild der Unendlichkeit im Auge die Bürde geheimnisvoller Schuld tragend, den tragischen Traum dieses Weltalls! In feurigen Wimpern, im schillernden Wechsel des Faltenwurfs, die ihm ins Antlitz peitschen, von deinem Wind gebläht, und das Weltall ihm weisen durch Flammen wie durch einen Schleier, im verhohlenen Zittern steht es aufgerichtet. Und freudetrunken, wie in Wahnsinnslust, dem Tode tausendfach blickt es ins ironische Gesicht, aus allen schwarzen Händen nimmt den Becher der Halluzinationen und zutrinkend extatisch jedem Lebenstrieb, der Sonne, Harmonie und Hoffnungen, bis an den Grund in düst’rer Wollust trinkt
141 Diese Zustände wurden bereits im Anfangsvers von Březinas Gedicht Vedra (Gluten, aus dem Gedichtband Ruce /Hände/) mit ungewöhnlicher Intensität thematisiert. Der einleitende Vers lautet: „Iluze v žáru, jak halucinace umírajících žízní!“ (Březina 1975: 165) [Illusionen in Gluten, wie Halluzinationen der vor Durst Sterbenden!] (Březina 1908b: 19).
172 a dychtivě svou ruku vztáhne po nové a po nové, od věků k věkům nenasycená, rty žárem žízně v jedno s číší stavené. při každém odtržení ledového kovu krvácející. (Březina 1975: 186)
Josef Vojvodík und gierig streckt die Hand, nach neuem, immer neuem, von Äonen zu Äonen, ungesättigt, die Lippen von des Durstes Glut in eins mit dem Becher geschweißt, bei jedem Wegreißen des eisigen Metalls blutend. (Březina 1908b: 48)
Noch in den 1930er Jahren sprach Saudek von Březina als einem „sehr, sehr gottesfürchtigen Dichter“ (Saudek 1933/1934: 103). Wer ist nun die göttliche Instanz der unio mystica des Dichters? Der harmonisierende Optimismus in Březinas Essays Hudba pramenů (1903, Musik der Quellen) verhüllte bis zu einem gewissen Punkt die tiefe Skepsis der letzten Gedichte. In dem Gedicht Za všechno díky (1906, Danke für alles) mündet diese Skepsis in einen bedrückenden Nihilismus: „i hlas pochybnosti za noci, když jako zuby v šíleném smíchu / jiskří se hvězdy / a nicota zdá se jedinou pravdou / ve všech věcech“ (Březina 1988: 39) [auch die Stimme des Zweifels in der Nacht, / wenn die Sterne / wie Zähne im wahnwitzigen Gelächter funkeln / und das Nichts die einzige Wahrheit in allen Dingen / zu sein scheint].
3. Übersetzung – Kreativität – Interpretation widerlegt zu werden, ist […] keine Gefahr, wohl aber, nicht verstanden zu werden. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (1787: XLIII)
Saudeks Übersetzungen von Březinas Werk sind seit ihren Anfängen durch das Bestreben des Übersetzers um Verstehen gekennzeichnet, was mit erheblichen Ansprüchen an den Leser und insbesondere an den Übersetzer einhergeht, denn: Co pozitivních vědomostí nutno mít, abychom rozuměli jeho obrazům a symbolům; čerpá je – jistě úmyslně, aby obohatil náš básnický slovník – z fyziky, chemie, astrofyziky, matematiky, geologie a jiných věd. (Saudek 1912h: 5) [Was für eine ungeheure Summe von positiven Kenntnissen muss man haben, um seine Bilder und Symbole zu verstehen; er schöpft sie – sicherlich mit klarer Absicht, um unsere poetische Sprache reicher zu machen – aus der Physik, Chemie, Astrophysik, Mathematik, Geologie und anderen Wissenschaften.]
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Zugleich ging es Saudek auch darum, „den Lesern die Ahnung von der Pracht der Gedanken des Originals“ zu vermitteln (Saudek 1908b: 8). Deshalb wurde die Idee „niemals einem schillernden Wohlklang aufgeopfert“ (ebd.). Mit einem Abstand von zehn Jahren, im Artikel zu Březinas fünfzigstem Geburtstag (1918), hob Saudek die Empathie, das Erlebnis einer ähnlichen Erfahrung, als Voraussetzung für das Verständnis hervor: V kritické chvíli svého života, v zářijových dnech r. 1903, četl jsem poprvé s porozuměním, jež skýtá pouze vlastní obdobný zážitek, jedinečnou báseň Otokara Březiny Tys nešla. (Saudek 1918/19b: 28) [Im kritischen Moment meines Lebens, in den Septembertagen des Jahres 1903, las ich zum ersten Mal mit einem Verständnis, das nur das eigene ähnliche Erlebnis ermöglicht, das hervorragende Gedicht von Otokar Březina Tys nešla.]
Im Gegensatz zur Übertragung der Hände, blieben die zwei folgenden Übersetzungen von Větry od pólů (Winde von Mittag nach Mitternacht, Březina 1920) und Hudba pramenů (Musik der Quellen, Březina 1923), die Saudek in Zusammenarbeit mit Franz Werfel für den Kurt Wolff Verlag vorbereitete,142 beinahe ohne Reaktion. Seit der Publikation der Hände waren zwölf Jahre vergangen, in denen es in Europa zu gewaltigen Veränderungen mit weitreichenden Folgen und (u. a. auch nationalen und kulturellen) Auswirkungen gekommen war, die nach dem fatalen Versailler Vertrag (1919) sowohl im zerfallenen Österreich-Ungarn und neu gegründeten Österreich, als auch im besiegten und durch astronomische Reparationen belasteten Deutschland tiefe Ressentiments nährten. Schuld an der lauen Rezeption waren allerdings nicht nur die erwähnten Ereignisse und Umstände. Entscheidender für die Resonanz von Březinas Werk im deutschen Sprach- und Kulturraum war der nicht weniger rasante Umbruch im Kontext der Kultur und Kunst. Dieser erschien 1908 für die Aufnahme von Březinas Schaffen noch sehr günstig und in mancherlei Hinsicht mit dem tschechischen Kontext verwandt. In diesen Jahren übten das Pathos der ästhetischen und sozialen Neuordnung der Gesellschaft, der Kult ritualisierter Gemeinschaft mit dem Dichter als Anführer der Eliten, das Bestreben, bestimmte soziale Gruppen und Individuen in die neue „bratrství věřících“ [Brüderschaft der Gläubigen] zu integrieren, immer noch eine Anziehung aus. Neue religiöse Inhalte wurden mit Sozialreformen kombiniert, die Suche nach neuen sozialen Praktiken verschmolz vor dem Ersten Weltkrieg mit der Suche nach neuen ästhetischen Praktiken. Gerade diese Tendenz war in der deutschen Kultur vor dem Ersten Weltkrieg sehr stark und der Kult 142 Siehe Kapitel VII. von Š. Zbytovský.
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um den Dichter Stefan George und den sog. George-Kreis, seine „Jünger“ und Nachfolger, ist nur das bekannteste und signifikanteste Beispiel dafür (Aurnhammer u. a. 2012). In der Besprechung zur deutschen Publikation der Hände schrieb Stefan Zweig: „Hier [in Březinas Gedicht Orte der Harmonie und der Versöhnung] ist das verwirrte, unverständliche Leben des Tages harmonisiert und aus den nun wie Harfen abgetönten Versen klingt jubelnd ‚der feurige Ton des endlich errungenen seraphischen Einklangs‘“ (Zweig 1909: 448; zitiert wird ein Vers aus dem Gedicht Kolozpěv srdcí/Rundgesang der Herzen). Alle Erdschwere ist gesunken, aus dem schweren Schritt der Tage wird Tanz. Wird der große Dithyrambus des Lebens. „Süß ist das Leben“ ist sein ekstatischer Schlussklang und in glühender Folge rühmt der Dichter alles, was das Leben im höheren Sinne wert mache. […] Und da [im Gedicht Wahnbetörte] klärt sich der Nebel der Sehnsucht. Die Gestalt eines neuen Christus ist wie eine Glorie über dem Werke des gläubigen Dichters. Die slawische Sehnsucht nach der neuen Religion, hier ist sie Sehnsucht nach einem neuen Erlöser, hier wie immer hat die tiefste Gläubigkeit der Religion einen schon Abgewendeten geboren. Hat Christus voraus für die ganze Menschheit gelitten, so leiden hier alle für ihn, den neuen Erlöser, in dessen Händen alle Geheimnisse lauter sein werden und klar, die jetzt Angst, Schwermut und Verwirrung in die Seelen der Suchenden stürzen. Alle Hände, die für sich zu arbeiten scheinen, bauen unbewusst die Brücke, auf der er erscheinen soll. Alles Wirken ist nur Vorbereiten und Erwarten. (Zweig 1909: 448f.)
Die Generation der Dichter, die sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg zu Wort meldeten, wandte sich gegen die Nicht-Authentizität der sichtbaren Wirklichkeit, die ihrer Meinung nach zerschlagen werden musste. Im Werk der expressionistischen Autoren (1910–1920) spitzte sich das Aufbegehren provokativ zu. Im Gedicht Die weiße Zeit (1914) des österreichischen Expressionisten Albert Ehrenstein heißt es: „Real ist alles, / Nur die Welt ist’s nicht!!“ (Ehrenstein 1961: 45). Der Maßstab „der wesentlichen Erfahrung“, der den Gegenpart zur rein äußeren Wirklichkeit bilde, sollte die Intensität der Gefühle sein, die Intensität der menschlichen Empfindsamkeit als Grundlage und Wesen einer neuen künstlerischen Erfahrung von Wirklichkeit und Subjektivität. Hinter diesen Vorstellungen und Postulaten verbarg sich ein einziges Ziel: Das Bild der „unechten“ Wirklichkeit zu zerschmettern, das vom 19. Jahrhundert, der Epoche der Vernunft, der empirischen Wissenschaften und des Positivismus geschaffen worden war, und auf seinen Trümmern die wahre und authentische Wirklichkeit zu entdecken. Als die beschriebenen Umwälzungen im Gange waren, war Březina als Dichter bereits verstummt, für seinen Übersetzer, Interpreten und unermüdlichen Propagator Saudek blieb er jedoch ein moderner Mystiker und Dichter-Prophet, dessen Botschaft Saudek auch im Kontext der Masaryk-Tschechoslowakei, zur Zeit der Avantgarde-Manifeste und später, in den 1930er
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Jahren popularisierte, als sich der Horizont über Europa bedrohlich verdunkelte. Der Umstand, dass Saudek 1933 zwei Betrachtungen zu Březina publizierte, Tři modlitby Otakara Březiny [Drei Gebete Otakar Březinas] in Kalendář česko-židovský und auf Deutsch Otakar Březinas Pazifismus in der Oktobernummer (1933) des Prager Wochenblattes Die Wahrheit, hat eine symbolische Bedeutung. Über Modlitba za nepřátele (Gebet für die Feinde, aus Větry od pólů /Winde von Mittag nach Mitternacht/) schreibt Saudek: Válka je problém sociologický, jako každý jiný lidský problém. Lidstvo jej vyřeší, jako odstranilo pěstní právo a zamezilo rozšíření moru a jiných zel živelných. Ale pojem nepřátelství je širší. Nepřátelství neprojevuje se jen válkou. Žijeme bez lásky, otupujeme přirozený a hlásící se hlas „srdcí“ „jak hvězdy od sebe vzdálených, odcizených, po sobě tajemně toužících a v mrazivé soumraky pohřížených“. Naděje, že se na této celek obsahující „bitevní čáře“ jednou zaskví v celém životě kosmu „sladké usmání smíření“, zajisté nemluví pozemskou řečí. Je velikým snem všech proroků. Proto básník odpovídá této naději jen tklivou modlitbou. Básník úzkostlivý a tuze, tuze bohabojný. (Saudek 1933/34: 103) [Der Krieg ist ein soziologisches Problem, genauso wie jedes andere Problem. Die Menschheit wird es bewältigen, genauso wie es ihr gelungen hat, das Faustrecht, Pestepidemien und andere Übel auszurotten. Aber der Begriff der Feindschaft ist weiter gefasst. Feindschaft äußert sich nicht nur durch Krieg. Wir leben ohne Liebe, wir dämpfen die natürlichen, laut werdenden Stimmen der „Herzen“, „wie weit voneinander entfernte Sterne, einander entfremdet, / sich insgeheim nacheinander sehnend, in eisiger Dämmerung verborgen“. Die Hoffnung, an dieser allumfassenden „Kampflinie“ werde einst im ganzen Leben des Kosmos das „süße Lächeln der Versöhnung“ erstrahlen, spricht sicherlich nicht die irdische Sprache. Es ist ein großer Traum aller Propheten. Deshalb antwortet der Dichter auf diese Hoffnung nur mit einem wehmütigen Gebet. Ein sehr ängstlicher Dichter und sehr, sehr gottesfürchtig.]
Saudek war mitnichten ein naiver Leser von Březinas Gedichten und Essays: Ihm blieb nicht verborgen – wie seine handschriftlich erhaltene Betrachtung Bůh a svět v díle Otokara Březiny [Gott und die Welt im Werk O. B.s] zeigt – ,143 dass Březinas Vorstellung von Gott, der Gottesinstanz, seine „neomystische“ Mentalität heterogene Theorien, Traditionen und Erkenntnisse aus verschiedenen Gebieten verbindet. In der erwähnten Betrachtung macht Saudek auf das Buch Das Heilige (1917) des Religionswissenschaftlers und protestantischen Theologen Rudolf Otto aufmerksam: „Das Heilige“ strahle sowohl das fascinosum, als auch das tremendum aus, und sei somit eine Sphäre des Staunens und der Sehnsucht, aber auch des Entsetzens und des Grauens. Das Zentrum 143 Dieser Text ist in Saudeks Privatnachlass erhalten, später, Anfang der 1930er Jahre revidierte Saudek den Text und publizierte ihn in einer relativ stark veränderten Version auch auf Tschechisch unter dem Titel Biblický Bůh v díle Otakara Březiny (Saudek 1931: 33ff.).
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jeder Religion mache Otto zufolge das Numinose aus, die Erfahrung des absolut Anderen, des Göttlichen, Grenzlosen, das sich jedoch der begrifflichen Auffassung und der Erkenntnis verweigere. Das Entscheidende in der religiösen Erfahrung seien nicht die konkreten theologischen Lehren, Traditionen und Bräuche, sondern die affektive Beziehung zum Numinosen, das mehrere „Momente“ aufweise. Eines davon sei – außer dem Gefühls der „Kreatürlichkeit“ – das mysterium tremendum im Sinne einer erschreckend geheimnisvollen, existenziellen Erschütterung angesichts einer unendlichen, unfassbaren und allmächtigen Kraft. Diese Ahnung der allmächtigen und Schrecken einjagenden Kraft sei laut Otto jedoch auch die Quelle eines erhabenen Gefühls – mysterium fascinans –, das eine anziehende, faszinierende Erregung zur Folge habe. Diese Verschränkung von gegensätzlichen, ambivalenten Gefühlen und Emotionen (Anziehung und Abstoßung) lasse sich auch in der Kunst verfolgen, Otto führt ein Beispiel aus dem Gebiet der Erotik an: Was diesem [Gebiet des Erotischen] zugehört, ist mithin immer ein Kompositum aus etwas, dass auf allgemeinem menschlichem Gebiet überhaupt auch vorkommt, wie etwa Freundschaft, Zuneigung, Geselligkeitsgefühl, oder poetische Stimmung, freudige Erhobenheit u. drgl., und aus einem Einschlag völlig eigener Art, der mit jenen nicht in einer Reihe steht, und den derjenige nicht spürt, nicht versteht und nicht bemerkt, den Amor nicht selber innerlich lehrt. Und auch das ist analog, dass die sprachlichen Ausdrucksmittel der Erotik zum größten Teile auch nur einfach die Termini des übrigen Gemütslebens sind und ihre „Harmlosigkeit“ erst verlieren, wenn man schon weiß, dass eben der Liebende redet, dichtet oder singt, und dass das eigentliche Ausdrucksmittel auch hier weniger das Wort selbst ist als die zum Worte hinzukommenden Hilfen des Ausdrucks in Ton, Gebärde, Mimik. (Otto 1917: 58f.)
In einem Brief an František Bauer vom 20. April 1893 bringt Březina dieses tremendum et fascinosum auf den Punkt, wenn er über das Gefühl schreibt: „pronikavé[ho] prolnutí až v samé dno naplňuje nás zvláštním, nepopsatelným pocitem, směsí neurčité bázně a touhy, jako odkrytí nahého těla před zraky milujícího“ [das intensive Durchdringen bis zum Grund erfüllt uns mit einem seltsamen, unbeschreiblichen Gefühl, mit einem Gemisch aus unbestimmter Furcht und Sehnsucht, als wenn der Liebende den nackten Körper des Geliebten erblickt] (Březina 2004/I: 273; Herv. J. V.). In seinem handschriftlichen Text Bůh a svět v díle Otokara Březiny und dessen späterer Version Biblický Bůh v díle Otokara Březiny (1931, Der biblische Gott im Werk Otokar Březinas) zitiert Saudek Verse aus mehreren Gedichten von Březina, die sehr wohl vor dem Hintergrund von Ottos Theorie des Numinosen gelesen werden können: V teorii Ottově je řeč o významném rysu náboženského roztoužení, o rysu numinózním (numen – nepojmenovatelné, hrůzou naplňující božstvo). Jako když se zjevuje příšera, strašidlo. Na takových místech přikazovali Staří: favete linguis, tj.: tiše, tiše, zachovávejte
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posvátné mlčení před Nevyzpytatelným. I našemu básníku „dusí příšerně slavné ticho kroky. Jen Velká Myšlenka (tj. věčná otázka) jak oblak táhla nivou, hrou stínů mluvila, snem světel, hlasem ticha, sil sepjetím a dominantou zádumčivou, jež z hudby sněžných vln do lidských duší dýchá“. Tento pocit hrůzy, rodící se v tichu, když pravá duchová, jindy spící čidla se probouzejí, tyto Březinovy „vteřiny propasti“ (viz Tichou bolest), o nichž se nejlépe poučíme z Tajemných dálek, jsou korelátem vědomí, že do našeho známého světa, do soustavy naší všední moudrosti sálá stále ještě zcela jiný svět se svou soustavou moudrosti. Je možné říci, že se objevuje instance, jediné oprávněná k výrokům o životě, nutící nás k revizi starých našich „pravd“. (Saudek 1931/32: 33f.) [Otto erwähnt in seiner Theorie ein bedeutendes Merkmal der religiösen Erregung, nämlich das Numinose (numen – die namenlose, furchteinflößende Gottheit). Als wenn ein Gespenst, ein Spuk erscheine. An solchen Stellen befahlen die Alten: Favete linguis, d. h.: Leise, leise, bewahrt das heilige Schweigen im Angesichts des Unergründlichen. Auch bei unserem Dichter „die gespenstisch prächtige Stille dämpft die Schritte“. Nur „/d/er Große Gedanke zieht sich durch die Fluren, / und spricht durchs Schattenspiel, den Traum des Lichts, die Stimme, / der Stille, durch der Dominante dürstre Spuren, / im Schnee, die in die Seele haucht, damit sie glimme.“ Ein wahres Gefühl des Schreckens, das im Innern geboren wird, wenn die echten Geistessinne, sonst schlafend, nun erwachen, diese „Schluchten der Sekunden“ von Březina (siehe das Gedicht Tichá bolest /Stiller Schmerz/), von denen wir am besten in der Sammlung Tajemné dálky /Geheimnisvolle Weiten/ erfahren – die sind ein Korrelat des Bewusstseins, dass in unsere bekannte Welt, in das System unserer alltäglichen Vernunft immer noch eine völlig andere Welt mit ihrem Vernunftssystem eingreift. Man könnte sagen, es melde sich eine Instanz, die einzig berechtigt ist, Sätze über das Leben zu formulieren, die uns zum Überdenken unserer alten „Wahrheiten“ auffordert.]144
Noch wesentlicher scheinen allerdings zwei andere Aspekte zu sein, auf die Saudek eingeht. Es ist zunächst die Gottesidee selbst. Saudek zitiert einen Ausspruch Březinas: „Das Volk braucht Gott“. Hinter diesem lapidaren Satz verbirgt sich die Überzeugung des Dichters, die durch die Aufklärung und die Katastrophe der Französischen Revolution erschütterte und unterwanderte religiöse sowie metaphysische Tradition besäße gerade in der Ära der zivilisatorischen Moderne eine unersetzliche Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung. Gerade die moderne Zeit – und Saudek schreibt seine 144 Saudek kombiniert Zitate aus zwei Gedichten aus dem Buch Tajemné dálky (1895): „A ticho se kouřilo z dálek, padalo z výší a příšerně slavné / dusilo kroky“ (Den výroční, Březina 1975: 20); „jen Velká Myšlénka jak oblak táhla nivou, / hrou stínů mluvila, snem světel, hlasem ticha, / sil sepjetím a dominantou zádumčivou, / jež z hudby sněžných vln do lidských duší dýchá.“ (Siesta, ebd.: 25); Ondřej Cikán übersetzt diese Verse folgendermaßen: „Und die Stille qualmte aus den Weiten, fiel gespenstisch und prächtig, / dämpfte die Schritte“ (Březina 2019: 39), sowie: „Der Große nur Gedanke zieht sich durch die Fluren, / und spricht durchs Schattenspiel, den Traum des Lichts, die Stimme, / der Stille, durch der Dominante dürstre Spuren, / im Schnee, die in die Seele haucht, damit sie glimme.“ (ebd.: 57).
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Betrachtungen zu Březinas Gottesidee um das Jahr 1930 – benötige nicht die verflachte Frömmigkeit, sondern eine Religion, nicht das oberflächliche Moralisieren, sondern eine neue Sittlichkeit, nicht den bloßen Anstand, sondern Tugend. Saudek lehnt sich zwar an Hegels Definition der Religion aus den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte an,145 aber Březina scheint noch weiter über diese romantische theologisch-metaphysische Tradition hinauszugehen – und Saudek begriff hellsichtig wie kein anderer Interpret Březinas zu dieser Zeit (höchstens mit der Ausnahme von Jaroslav Durych), dass dieser in der Dichtung, Philosophie und Religion – auch im sozialen und politischen Sinne – unersetzliche Stützen der modernen Gesellschaft erblickte. Der zweite Aspekt, der mit dem ersten zusammenhängt, ist das Verhältnis des Dichters zur Wirklichkeit der Welt. Bei Saudek heißt es: Tak se nám básník zase stává uchvacovatelem pravdy a skutečnosti celistvé, nerozbité, tj. tvůrcem nových mostů od člověka k světu, jehož poznání jsme ztratili a po němž se stále bolestně ptáme, to jest k světu nejvyšší skutečnosti, světu transcendentálnímu. Čím více krásy, tím více výroků o pravdě. Nežádáme si pak lepších objevitelů pravdy, lepších filozofů, než takových výmluvných básníků. (Manuskript Bůh a svět v díle Otokara Březiny [Gott und die Welt im Werk O. B.s] /ES/: 5)146 [So wird unser Dichter erneut zum Erhascher der Wahrheit und der ganzheitlichen, unzerstörten Wirklichkeit, d. h. zum Baumeister neuer Brücken vom Menschen zur Welt, deren Erkenntnis wir verloren haben, nach der wir aber ununterbrochen leiderfüllt fragen, d. h. zur Welt der höchsten Wirklichkeit, zur Welt der Transzendenz. Je mehr Schönheit, desto mehr Wahrheitssätze. Wir wünschen uns keine besseren Wahrheitsentdecker, keine besseren Philosophen, als solche sprachmächtigen Dichter.]
145 „Die Religion ist der Ort, wo ein Volk sich die Definition dessen gibt, was es für das Wahre hält. […] Die Vorstellung von Gott macht somit die allgemeine Grundlage eines Volkes aus. […] Wie daher die Religion beschaffen ist, so der Staat und seine Verfassung.“ (Hegel 1986: 70f.) 146 Der Akzent liegt auf der Frage, welche Form der Erkenntnis der lyrische Text vermittelt. Die Erkenntnis, um die es in einem lyrischen Text geht, ist weder eine Mitteilung noch Darstellung einer empirischen Wirklichkeit, sondern der Ausdruck des Allgemeinen im Besonderen, d. h. das durch die dichterische Einbildungskraft in den Versen verdichtete Geschehen verliert den Charakter der historischen Begebenheit und wird zur exemplarischen Besonderheit mit allgemeiner Bedeutung. Gottfried Gabriel charakterisiert diesen Schritt als einen semantischen Schub von der referenziellen zur symbolischen Bedeutung. Das Besondere an Dichtung bestünde somit darin, dass es eine eigenständige Alternative der kognitiven Erkenntnis darstelle, nämlich die emotionale Erkenntnis, ohne dass es sich hierbei um eine Form der emotiven Literaturtheorie handle. Die Vergegenwärtigung (die Re-Präsentation) von Emotionen, Gefühlen oder Stimmungen im künstlerischen Text ist nicht deren kausales Hervorrufen, sondern eine imaginative Vergegenwärtigung, die zur Reflexion führte, die Reflexion ermöglichte (Gabriel 2015: 131).
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In der Handschrift des auf Deutsch verfassten Nachrufs auf Otokar Březina bezeichnet Saudek Březinas Werk nicht nur als einzigartige „Erkenntnislehre“, sondern auch als „Aufforderung zur Tapferkeit“. Einer Tapferkeit, die notwendig ist, um im Durcheinander einer modernen Welt zu bestehen, deren Horizont sich 1929 gerade bedenklich zu verfinstern begann. Saudek scheint es jedoch in erster Linie um das zu gehen, was er Wandlung nennt: Die Poetik wird zur Erkenntnislehre, die Schönheit zur Wahrheit. Denn am Schlusse der Wanderung steht als Lohn die Erkenntnis, dass man sich selbst wandeln müsse, um im Wirrsal der dämonischen Welt zu bestehen. Das Werk ist eine Aufforderung zur Tapferkeit, wenn man zu glauben wagt. Březina hält seine eigene Intuition für ein Erbgut der Menschen. Seine Ahnungskraft will er in ihnen wecken. Dies wäre die einzige Möglichkeit, eine Einheit zwischen Dichter und den übrigen Menschen wirklich zu schaffen. Und die einzige Möglichkeit, die Lektüre seines Werks mit Leichtigkeit zu bestehen. Der Tapfere, d. i. der Typus seiner künftigen Gemeinde und der Tapfere d. i. der Typus, den die gegenwärtige schwere Zeit verlangt. (Manuskript, Nachruf auf O. B., ES)
Diese Entschlossenheit zur Wandlung ist ein Grundmoment des orphischen Schöpfertypus, dessen Aufgabe eben der Wille zur Verwandlung ist, wie es Rilke in seinen Sonetten an Orpheus (1922) formulierte: „Wolle die Wandlung“ (Rilke 1962: 758), „Geh in der Verwandlung aus und ein“ (ebd.: 769f.). Das subjektiv Persönliche muss der Künstler in das objektiv-unpersönliche Wesen des Kunstwerks transformieren. Hier trifft für Saudek das schöpferisch ästhetische Moment in Březinas Dichterwerk auf das rezeptiv-ästhetische Ziel: Erkenntnis – Verständnis – Umwandlung. Und dies erscheint wiederum der Intention Březinas zu entsprechen, der in seinem Essay Jediné dílo (1905, Das einzige Werk) schreibt: Každý projev tvůrčí práce je dorozumívací prostředek, jímž se dává poznati duch duchu. Všechno je řečí; i naše tělo je řeč a mluví strašlivě každým svým údem, každým gestem, mlčením i vášní, nemocí i smrtí […]. Každý vědecký objev novým viděním zjemňuje naše vzájemné dorozumění; odkrývá nová místa duchového dotyku; každý provázen jest daleko sálajícím vzplápoláním lásky. Činí hlubší naši řeč a zvyšuje tím naši moc nad věcmi. (Březina 1989: 71f.) [Jede Äusserung schöpferischer Arbeit stellt ein Verständigungsmittel dar, durch das sich ein Geist einem anderen Geiste zu erkennen gibt. Alles ist Sprache; auch unser Körper ist Sprache und schauderhaft spricht er mit jedem seiner Glieder, mit jeder Geste, durch Schweigen und Leidenschaft, Krankheit und Tod /…/. Jede wissenschaftliche Entdeckung verfeinert durch das neue Sehen unsere gegenseitige Verständigung; sie erschließt neue Stätten geistiger Berührung; jede wird von einem weit glühenden Afflammen der Liebe begleitet. Sie macht unsere Sprache tiefer und erhöht damit unsere Gewalt über die Dinge.]
Michal Topor
VI. Von Ruce zu Hände: Entstehung, Propagation und Rezeption
Básnické dílo jako dílo hudební hovoří polyfonií hlasů. V každém srdci vyvolává jiné rezonance; pro každou hodinu života tají jinou moudrost. Jako příroda má umělecké dílo své kouzelné soumraky, fosforeskující flóru hlubin, podzemních jeskyň, nebezpečí a snu. (O. Březina an E. Saudek, 13.11.1908, ES) [Das Dichterwerk spricht genauso wie ein Musikwerk durch eine Stimmenpolyphonie. In jedem Herzen ruft es andere Resonanzen hervor; in jeder Lebensstunde verbirgt es eine andere Weisheit. Genauso wie die Natur hat es wunderschöne Wolken, eine phosphoreszierende Flora der Abgründe, der unterirdischen Höhlen, der Gefahren und Träume.]
Mit der Übertragung von Březinas Ruce (Hände)147 ins Deutsche begann Emil Saudek kurz nach der ersten Veröffentlichung seiner Březina-Übersetzungen in der Čechischen Revue (Březina 1907). Anfang Herbst 1907 konstatierte er in einem Brief an Miloslav Hýsek, dass er den ganzen Sommer und auch den vergangenen Monat mit der Übersetzung verbracht habe; er hoffe, bald fertig zu sein.148 In einem anderen Schreiben an Hýsek, den er – neben Březina – auch zum Vertrauten seiner Mission machte, betonte er wiederum, wie das Gedicht Vedra (Gluten) sich gegen die Übersetzung sträube, und führte in diesem Zusammenhang weitere Gedichte an: Místa harmonie a smíření (Orte der Harmonie und der Versöhnung), Tichý oceán (Der stille Ozean) und Chvíme se nad mocí Tvé vůle (Wir beben vor der Macht des Willens). Gerade in diesem Kontext äußerte er dann den Anspruch, den er an seine Leistung stellte: 147 Nach Tajemné dálky (1895), Svítání na západě (1896), Větry od pólů (1897) und Stavitelé chrámu (1899) handelte es sich um die fünfte Gedichtsammlung von Otokar Březina (geb. 1868); Březina brachte sie 1901 auf eigene Kosten mit Illustrationen von František Bílek heraus (s. u. die Passage über die Ausstattung von Saudeks Wiener Edition), und beschloss damit de facto sein dichterisches Werk. Zu den Wandlungen von Březinas Poetik siehe Vojvodík 1998 und Kap. V. von J. Vojvodík. 148 E. Saudek an M. Hýsek, 08.10.1907, LA PNP, Fonds M. Hýsek. Vgl. auch: „Während meiner Sommerferien in Gablitz in der Nähe von Wien übersetzte ich beinahe die ganze Sammlung Ruce [Hände]“ (Saudek 1918/19b: 28). – Alle hier zitierten Briefe an O. Březina, E. Chalupný, M. Hýsek, J. Doležal, J. Karásek oder R. Svobodová wurden von Saudek auf Tschechisch verfasst, das Original wird nur bei längeren Zitaten angeführt, Zitate, die kürzer als ein Satz sind, stehen im Text nur in deutscher Übersetzung.
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Nechci přistoupiti k překladu, pokud se mi obsah a smysl těchto básní ve všech detailech nejeví ve svém skrytém jasu, jenž – o tom jsem přesvědčen – v každé básni Břez[inově]. vězí.149 [Ich will nicht mit der Übersetzung beginnen, wenn der Inhalt und die Bedeutung dieser Gedichte für mich nicht in allen Details in ihrem versteckten Glanz erscheinen, der – davon bin ich überzeugt – in jedem Gedicht Břez/inas/. steckt.]
In diesem Augenblick war Saudek noch nicht klar, was er mit der Übersetzung des Zyklus Hände anfangen würde. Auch wenn er (in einem anderen, undatierten Brief an Hýsek) eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift erwog (erwähnt wird die Čechische Revue), wobei er sich auf die Hilfe von Arnošt Kraus verließ – („ich würde ungern die Hilfe des Herrn Professor vermissen, der sicher zuständig ist, die Zeitschrift ist auch ein verlässliches Organ für die Verbreitung von solch einem Werk“)150 – war für ihn auch die Vorstellung eines abgeschlossenen Ganzen sehr wichtig, er dachte zugleich an eine selbstständige Buchpublikation (ebd.). Bis Dezember 1907 stellte Saudek schrittweise die endgültigen Versionen einiger Gedichte fertig, in ständigem Austausch mit Březina, dem er die Übersetzungen zur Einsicht und Korrektur schickte. Ende Februar 1908 beschäftigte Saudek sich nicht mehr so intensiv mit der Feinarbeit an den Texten, wiewohl die Übersetzungen in den folgenden Monaten noch Veränderungen erfuhren (wie im Abschnitt zu seinen Besprechungen mit Otto Hauser weiter unten noch zu lesen sein wird). Die Frage nach einer teilweisen oder vollständigen Publikation in einer Zeitschrift hatte sich jedenfalls erledigt. Saudek setzte seine Hoffnungen fortan nur noch in eine Buchpublikation. Dabei wollte er zunächst selbst als Verleger auftreten, mit Unterstützung des Buchdruckers Moriz Frisch, dessen Wiener Firma die Produktion übernehmen sollte. In einem Brief an Březina charakterisierte Saudek Frisch als einen „bekannten Sozialisten, guten Menschen, reichen Selfmademan“,151 der „die erste Auflage unter bescheidenen Konditionen für mich realisiert“, dabei werde das Buch – so Saudek – „herrlich ausgestattet“.152 In einer späteren Erinnerung äußerte er sich zum Kontakt mit dem Drucker Frisch eingehender: Strýc mojí ženy, jejíž drobná propagace věcí českých doplňovala vydatně moje snahy, zesnulý letos pan Jindřich Groag, muž filozoficky nadmíru vzdělaný a znalec románských literatur, přítel Lynkeův, získal mi tiskárnu Mořice Frische ve Vídni. Se synem majitele, 149 E. Saudek an M. Hýsek, 30.10.1907, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 150 E. Saudek an M. Hýsek, s. d., vermutlich Herbst 1907, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 151 Zum Profil von Frischs Unternehmen vgl. den Eintrag Frisch & Co. Verlag in: Hall (1985). 152 E. Saudek an O. Březina, 26.02.1908, LA PNP, Fonds O. Březina.
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drem Justinianem Frischem, jsme si vymyslili úpravu knihy, která byla ladná a dojem obsahu knihy nenápadně zvyšovala […]. (Saudek 1918/19b: 29) [Der Onkel meiner Frau, dessen subtile Propagation tschechischer Sachen meine Bemühungen sehr ergiebig ergänzte, der dieses Jahr verstorbene Herr Heinrich Groag, ein Mann von ausgezeichneter, philosophischer Bildung und ein Kenner romanischer Literaturen, ein Freund Lynkeus‘, vermittelte mir die Druckerei von Moriz Frisch in Wien. Mit dem Sohn des Besitzers, Dr. Justinian Frisch, ersann ich die Buchausstattung, die harmonisch war und die Wirkung des Buchs noch dezent steigerte.]
Saudek lag sehr daran, dass das Buch nicht nur kraft seiner dichterischen Vision, sondern auch durch seine graphische Gestaltung Wirkung zeigte – genau wie die erste, tschechische Ausgabe von Ruce. Ausschlaggebend dafür war die Mitarbeit des Künstlers František Bílek, der allerdings auch in Wien kein Unbekannter mehr war. Bereits 1900 wurde sein Werk im Rahmen der Ausstellungen des Vereins Mánes im Künstlerhaus153 und 1902 in den Räumlichkeiten des Hagenbundes umfassend vorgestellt. Národní listy berichteten damals von der positiven Aufnahme der zweiten Ausstellung durch die Kritiker;154 dass seine Werke (u. a. die Statuengruppe Slepci /Die Blinden/) Aufmerksamkeit erregten, beweist z. B. auch eine kurze Erwähnung in einem Artikel von Friedrich Stern, der sich beeindruckt vom betrübten Antlitz O. Březinas zeigte, „des uns unbekannten czechischen Poeten“ (Stern 1902: 1), den Bílek porträtiert hatte.155 Es bleibt jedoch unklar, ob Saudek auch noch 1908 mit einer breiteren Bekanntheit Bíleks in Wien rechnete, oder ob er diese örtlich beschränkte Erinnerung gar nicht mehr in Betracht zog. Ende Februar 1908 bat Saudek Březina um Hilfe. Für die erneute Reproduktion benötige er „alle Klischees [d. h. Druckplatten], die Bílek besaß“, also sowohl die der ersten Auflage von Ruce als auch die der geplanten zweiten Auflage.156 Březina schrieb daraufhin an Bílek:157 153 So verglich der Kritiker Hugo Haberfeld (1900) Bílek in der Zeit mit Rodin, er betonte „das prometheisch Schöpferische in seinen Statuen“, vgl. auch die positive Besprechung von Otto Stoessl (1900) in der Wage; ebenfalls in der Wage berichtete Camill Hoffmann ein Jahr später von der ersten (tschechischen) Ausgabe von Ruce und besprach auch den Bildteil der Publikation (Hoffmann 1901). 154 Am 11. Oktober 1902 erschien zunächst ein Artikel über die Eröffnung der Ausstellung (in Národní listy, S. 3), in der Nachmittagsausgabe (S. 3) dann eine Aufzählung der Wiener Periodika, die über die Ausstellung berichtet hatten. 155 Zur Ausstellung und ihren Kontext vgl. Prahl (1993; 1997), Lahoda (2014). 156 E. Saudek an O. Březina, 26.02.1908, LA PNP, Fonds O. Březina. Anfang 1908 arbeitete Březina an den Korrekturen der zweiten Ausgabe (vgl. den Briefwechsel mit Hugo Kosterka in Březina 2004/I: 835); das Buch erschien im Mai desselben Jahres. 157 O. Březina an F. Bílek, 01.03.1908; auch Březina (2004/I: 824).
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Dr. Saudek je dobrý člověk, který chce našemu umění otevříti cestu do ciziny; zklame-li se ve svém očekávání, což je dosti pravděpodobné (zdá se mi, že mé verše působí v němčině jaksi přetíženě a dusně), ať se alespoň nezklame v naší dobré vůli… [Dr. Saudek ist ein guter Mensch, der unserer Kunst die Tür zur Welt öffnen möchte; sollte er allerdings in seiner Erwartung enttäuscht werden, was sehr wahrscheinlich ist (mir scheint, meine Verse wirken auf Deutsch irgendwie düster und schwerfällig), dann soll er sich wenigstens in unserem guten Willen nicht täuschen …]
Am gleichen Tag adressierte Březina auch einen Brief an Saudek, in dem er ihn bat, „das Buchformat und andere, die äußere Buchausstattung betreffende Sachen“ mit Bílek genauer abzusprechen, sowie den Wunsch äußerte, den Titel „in einer schönen, gotischen Schrift [abzudrucken], die auch Bílek in seinen Arbeiten verwendet und die so seltsam mit den strikten Linien seiner Zeichnungen harmonisiert“.158 Es lässt sich nicht eindeutig entscheiden, inwiefern sich die Vorstellungen der einzelnen Akteure (Saudek, Březina, Bílek, Justinian Frisch) in der endgültigen Ausstattung des Buchs widerspiegeln, in der Kommunikation mit Saudek war Bílek jedenfalls entgegenkommend, obwohl er viel beschäftigt war. Die Sammlung erschien in einer bibliophilen Ausgabe, im Quartformat (30 x 23 cm). Das Frontispiz zeigte Bíleks Porträt des Dichters, die Titelseite zierte eine erste Vignette mit einer Prophetenfigur (eine Variation des Amos aus dem lithographischen Zyklus Cesta /Weg, 1907/), die aus der Buchedition von Bíleks Vortrag Stavba budoucího chrámu v nás [Bau des zukünftigen Tempels in uns] übernommen wurde, herausgegeben im Mai 1908 von der Revue Meditace. Aus dieser Publikation stammte auch die Reproduktion des Holzstichs Tvůrce [Der Schöpfer, 1905] – eine Reihe von Apostelfiguren, die in den Händen als Kopfzeile eingesetzt werden. Durch die Wiederholung dieses Motivs stellen sie eine Verbindung zwischen der Anfangsseite mit Saudeks Vorwort und der Seite mit dem ersten Gedicht her (und werden weiter hinten noch einmal verwendet). Zwischen das Vorwort und das erste Gedicht wurde ein Motiv gesetzt, das auch in der zweiten tschechischen Ausgabe von Ruce zum Einsatz kam: eine Kopie des Linolschnitts von 1907, der in der Bílek-Forschung unter verschiedenen Titeln firmiert – Básník v přírodě, Světec v přírodě oder Básníkův pohled [Dichter in der Natur; Der Heilige in der Natur; Dichterblick]. Er ist thematisch verschränkt mit der darauffolgenden Vignettenserie, die diverse Tiere darstellt. Jede Vignette – die Anfangsvignette mit dem Prophetenmotiv mit eingeschlossen – wurde im Buch mehrmals verwendet, mit der einzigen Ausnahme einer Miniatur, die das Meer, die Sonne in den Wellen, 158 Ebd.: 825.
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Das Titelblatt der Hände-Ausgabe (Březina 1908b; Wissenschaftliche Bibliothek Olomouc).
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einen Lichtstreifen und mehrere Silhouetten von Schiffen darstellt, und auf das Gedicht Der stille Ozean folgt). Mit dem Buch Stavba budoucího chrámu v nás hatten Hände die Holzschnittreproduktionen Míra [Das Maß] und Velekněz [Der Hohepriester] gemeinsam, zwischen die Gedichte Es sangen die Wässer, Es sangen die brennenden Sterne und Rundgesang der Herzen wurden schließlich zwei Zeichnungen positioniert, die bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich zum ersten Mal publiziert wurden. Neben der Ausstattung des Buches beschäftigte Saudek seit Ende 1908 auch die Frage, wer das Vorwort schreiben würde. In einem Brief an Jaromír Doležal von Anfang März159 schlägt Saudek Otto Hauser vor, den polyglotten Übersetzer und Mitarbeiter der Neuen Freien Presse (Merhautová 2016: 212ff.), und dies entgegen Březinas brieflich geäußertem Wunsch („um das Vorwort bat ich Herrn F. X. Šalda, womit Sie hoffentlich einverstanden sind“160). In demselben Brief an Doležal erwähnt Saudek die Sympathie, die Hauser seiner Arbeit gegenüber zeige, und ferner die gemeinsamen Besprechungen. Hauser lieferte das Vorwort letzten Endes nicht; nachweisbar zum letzten Mal hielt Saudek noch Ende März an dieser Möglichkeit fest, als er Hýsek informierte, er habe „seinen Text noch nicht erhalten“. Dessen ungeachtet war Hauser für ihn ein wichtiger Berater, dessen Kommentare sich mehrmals in der endgültigen Version der Übersetzungen widerspiegeln. Ten člověk prokazuje Březinovi a tím i české literatuře vůbec dobrou službu, protože zkoumá také mé dílo po stránce formální. Anticipuje tím německé publikum en miniature; Hauser je znam[en]itý znalec poetické mluvy, vidím to z jeho překladů z vlaštiny.161 [Dieser Mensch erweist Březina und überhaupt der tschechischen Literatur einen guten Dienst, denn er beschäftigt sich auch mit den formalen Seiten meines Werks. Er antizipiert damit das deutsche Publikum en miniature; Hauser ist ein ausgezeichneter Kenner der poetischen Sprache, ich sehe dies in seinen Übersetzungen aus dem Italienischen.]
Saudek schrieb das Vorwort schließlich selbst, im Buch wird es auf Mai 1908 datiert.162
159 E. Saudek an J. Doležal, 05.03.1908, LA PNP, Fonds J. Doležal. 160 E. Saudek an O. Březina, 26.02.1908, LA PNP, Fonds O. Březina. 161 E. Saudek an M. Hýsek, 28.03.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 162 Bereits in der zweiten Märzhälfte 1908 stellte Saudek seine Deutung von Březinas Werk – leider nur für das tschechischsprachige Publikum – in dem Artikel O světovém názoru Otokara Březiny vor, der in Vídeňský deník publiziert wurde (Saudek 1908b), mehr zu seinem Interpretationsansatz siehe das Kapitel von J. Vojvodík.
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Zeichnung von František Bílek aus Hände (Březina 1908b: 33; Wissenschaftliche Bibliothek Olomouc).
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Ende Mai war der Band offenbar auch druckfertig. „Es wird eine schöne Ausgabe für 5 Kron[en] in der Subskription“, meldete Saudek an Hýsek, um zugleich einzuräumen, er habe die Subskription bereits mit einer Notiz in Vídeňský deník eröffnet, bislang jedoch ohne Ergebnis: „es meldete sich niemand“. Saudek bat Hýsek, diese Nachricht in anderen Periodika zu verbreiten (namentlich in der Čechischen Revue und in der Union). Seinen Berechnungen zufolge waren für die Begleichung der geschätzten Kosten („500 Exemplare“) 40 Subskribenten nötig.163 Es überrascht, dass Saudek sich in der ersten Propagationswelle auf das tschechischsprachige (Wiener) Milieu konzentrierte (vermutlich in Annahme der loyalen Unterstützung durch die Landsleute) sowie auf die Leser der eindeutig protschechischen deutschen Presse.164 Das Ergebnis war mager,165 wie allerdings einem Schreiben an Josef Karásek zu entnehmen ist, erwartete Saudek auch keine größere Resonanz: Subskripce posud neměla mnoho úspěchu zde ve Vídni. Myslím, že u Čechů vůbec, jak přirozeno, mnoho kupců na knihu nebude. Čítám hlavně na odbyt u Němců; jiný účel moje práce ani nemá. / Přesto, chcete-li být tak dobrý, zmiňte se v Mor[avské]. orlici jiných.166 [Hier in Wien war die Subskription bislang nicht sehr erfolgreich. Ich glaube, unter Tschechen finden sich natürlicherweise nicht so viele Käufer für das Buch. Ich verlasse mich v. a. auf den Absatz bei den Deutschen, ein anderes Ziel hat meine Arbeit ja auch nicht. / Trotzdem, wenn Sie so lieb sein wollen, erwähnen Sie das Buch bitte in der Mor/avská/. orlice und in anderen slawischen Blättern.]
Die Herstellung des Buchs verzögerte sich letzten Endes ein wenig – wahrscheinlich auch weil abgewartet wurde, ob und wann sich der Großteil der Kosten decken lassen würde. Erst Mitte Oktober 1908 konnte Saudek das Buch endlich verschenken und verschicken; und dieser Weg sollte auch in den darauffolgenden Wochen die maßgebliche Methode bleiben, mit der Saudek versuchte, Hände in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Er verschickte das Buch an seine alten Mitstreiter (Chalupný, Hýsek) sowie an weitere Persönlichkeiten der tschechischen Kultur (z. B. Arnošt Procházka, 163 E. Saudek an M. Hýsek, 28.05.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 164 Siehe: „Prosím Vás, ukažte knihu, kde jen můžete mezi dobrými Evropany. […] Doufám, že i české obecenstvo mně pomůže zaplatiti svůj dluh nakladateli, jenž knihu tiskl bez zisku“ [Ich bitte Sie, präsentieren Sie das Buch unter guten Europäern, wo Sie nur können.“ /…/ Ich hoffe, auch das tschechische Publikum wird mir helfen, meine Schuld dem Verleger gegenüber zu begleichen, der das Buch ohne Profit druckte] (E. Saudek an M. Hýsek, 21.10.1908, ebd.). 165 E. Saudek an M. Hýsek, 24.06.1908, ebd. 166 E. Saudek an J. Karásek, 30.05.1908, LA PNP, Fonds J. Karásek.
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T. G. Masaryk und Vilém Mrštík), außerdem v. a. an deutschsprachige Literaten in Österreich und Deutschland. Saudek versuchte nicht nur eifrig selbst für Resonanz zu sorgen, sondern verfolgte diese auch sehr aufmerksam. Was gedruckte Reflexionen anbelangt, blieb es allerdings relativ lange bei Stimmen ausschließlich aus dem tschechischen Umfeld. Am 23. Oktober schrieb F. X. Šalda in Novina, Saudeks Übersetzung sei „ein wirklich künstlerisches und dichterisches Werk voller schöner Qualitäten, nicht nur ein Ausdruck des besten Willens und einer unermüdlichen Ausdauer und Hingabe“, und er fuhr fort: „Dr. Saudek verdient daher den ehrlichen Dank aller Liebhaber unserer modernen Lyrik“ (Šalda 1908). Am gleichen Tag informierte auch E. Chalupný in der Wochenschrift Přehled über das Buch und konstatierte, die Übersetzung „erfolgte […] zum Teil unter der Aufsicht des Autors und weist manche authentische Interpretationen von komplizierten Stellen auf“ (Chalupný 1908). In einem Brief an Březina zog Saudek ein begeistertes Resümee: Chalupný mně psal dlouhý nadšený dopis, Šaldova slova mluví o duši nanejvýš dobrotivé, pochopující mé snažení, psal mně prof. Masaryk krátce, ale jadrně své díky […].167 [Chalupný schrieb einen langen begeisterten Brief an mich, Šaldas Worte zeugen von einer äußerst gütigen und verständnisvollen Seele, die mein Bemühen nachvollziehen kann, auch prof. Masaryk schrieb mir, zwar sehr kurz, aber sein Dank an mich war umso kerniger /…/.]
Die weiter gefassten Bemühungen, „der tschechischen Kultur im Ausland einen Dienst zu erweisen“,168 verband Saudek von Anfang an mit einem hermeneutischen Anspruch, der ausschließlich Březina galt. Das Wunschziel, nämlich die Entdeckung Březinas als herausragender und aktueller Dichter im deutschsprachigen Raum, war mit dem Anliegen verbunden, dieser Aufnahme die richtigen Konturen zu verleihen. In einem Brief an Chalupný hatte sich Saudek dazu bereits dezidiert geäußert, als er die Vermittlungsvorhaben von Rudolf Broda169 kommentierte: Broda jest Vídeňanem, ale žije v Paříži. […]. Mám jakési větření, že svým časopisem české věci v cizině prospěje. Článek jest ovšem neúplný. Zapomíná všech ostatních hybných pák a sil v českém životě s realitou počítajících. Ale že mysticism není nic vedlejšího v české
167 E. Saudek an O. Březina, 25.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina, vgl. auch T. G. Masaryk an E. Saudek, 16.10.1908, ES. 168 E. Saudek an E. Chalupný, 15.10.1908, LA PNP, Fonds E. Chalupný. 169 Rudolf Broda (geb. etwa 1880 in Wien) besuchte 1905 sowohl Březina als auch Bílek (Březina 2004/I: 695), daraufhin publizierte er im Januar 1908 in seiner Revue Dokumente des Fortschritts/Le Documents du Progrès den Artikel Mystische Kunst in Böhmen (Broda 1908).
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nynější kultuře, to vystihl či postřehl přímo geniálně tento cizinec […]. A perspektivy, jež otevírá, jsou dle mého přesvědčení radostné a správné.170 [Broda ist ein Wiener, aber er lebt in Paris. /…/ Ich habe das Gefühl, dass er mit seiner Zeitschrift für die tschechische Sache im Ausland etwas Gutes tun kann. Der Artikel ist allerdings mangelhaft. Er vergisst alle anderen Kräfte im tschechischen Leben, die mit der Realität zu tun haben. Aber dass der Mystizismus nichts Nebensächliches in der gegenwärtigen tschechischen Literatur darstellt, das hat dieser Ausländer geradezu genial begriffen /…/. Und die Perspektiven, die er eröffnet, sind meines Erachtens freudvoll und richtig.]
Ziel war es also nach wie vor diejenigen anzusprechen, bei denen Verständnis für Březinas Werk vorauszusetzen war. Saudek verband diesbezüglich starke Hoffnungen mit dem Wiener Literaten- und Intellektuellenkreis. Bereits erwähnt wurden Otto Hauser sowie Camill Hoffmann. Positive Signale und Sympathiebekundungen kamen ferner von Josef Popper-Lynkeus, Adolf Gelber, Moritz Necker und Emil Lucka (keiner der Erwähnten besprach Březina allerdings öffentlich); auch Hugo von Hofmannsthal zog letztlich die private Ebene vor (noch am 20. November 1908 schrieb Saudek an Březina: „für Die Zeit wird wahrscheinlich Hofmannsthal selbst über Hände referieren“171), genauso Hermann Bahr, den Saudek zwischen Oktober 1908 (siehe die Dokumente Nr. 1, 8 und 9) und Frühjahr 1909 wiederholt zu einer Besprechung bewegen wollte (s. u.). Das Jahresende 1908 stand somit noch im Zeichen von Zuversicht und Euphorie, wie Saudeks Worte in einem Brief an Březina bezeugen. Signifikanterweise vermengen sich darin Wunsch – der Zauber des Möglichen – und Wirklichkeit: Otto Hauser pln nadšení a úcty napsal ihned článek do Neue Freie Presse, jenž vyjde co nevidět. Camill Hoffmann, náš krajan, jeden ze znalců Vaší tvorby, redaktor Zeitu přijal mne v dlouhém „slyšení“ a slíbil referát v Zeitu a Literar[isches]. Echo. Ale nejradostnější dvě zprávy. V pátek večer byl jsem hostem velkého zdejšího myslitele Josefa PopperaLynkea […]. Sedmdesátiletý muž, ale ku mé nevýslovné radosti s hlavou mladíka. Krásný člověk, důvěrný přítel prof. Arn. Macha! Knihu Vaši četl dvakrát. Posuzoval ji jako přírodozpytec a jako umělec. Pln nadšení pro Vaši celou osobnost, „sladkou, hlubokou a k zulíbání“, dovozoval, že v přírodních vědách moderních nelze ovšem ničeho nalézti, co by přicházelo vstříc Vaší koncepci o kosmu pracujícím ku svému osvobození. Ruce jsou mu velkolepým snem možným jen u člověka nábožensky vychovaného; základní náboženské představy (bůh, tvůrce, umělec, harmonie, osvobození, spása) znovu, oživly a nezhynuly při dlouhé pouti po horách přesně vědeckého, všeho antropomorfismu prostého studia a zkoumání… Tedy negace evoluce kosmu, nikoliv negace evoluce lidstva! Popper jest milovníkem a znalcem mystiky. S nadšením mluvil o Bernhardovi z Clairv[aux]., o svaté Terezii, upozorňoval mne na Vaši příbuznost s Heglem, Schellingem. […] / Popper se 170 E. Saudek an E. Chalupný, 15.10.1908, LA PNP, Fonds E. Chalupný. 171 E. Saudek an O. Březina, 20.11.1908, LA PNP, Fonds O. Březina. Zu Saudeks Kontakt mit Hofmannsthal vgl. Merhautová (2020b).
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postaral, by o překladu bylo psáno. Adolf Gelber, slavný znalec Shakespearův, duše jemná a náboženská, básník, hned řekl: „Pro básníka, jenž má takovou tvář, budu a musím psát.“ / A dnes ráno: jaké radostné překvapení! Dopis H. Hofmannsthala, jenž přikládám v opise a jenž doufám i Vám udělá radost. Nyní jsem opravdu hrdým.172 [Otto Hauser verfasste voller Begeisterung und Respekt sogleich einen Artikel für die Neue Freie Presse, welcher in Kürze erscheinen wird. Camill Hoffmann, unser Landsmann, einer der Kenner Ihres Schaffens, Redakteur der Zeit, hat mich zu einer langen „Audienz“ empfangen und eine Rezension in der Zeit und im Literar[ischen]. Echo versprochen. Am erfreulichsten sind jedoch zwei folgende Nachrichten. Am Freitagabend war ich zu Gast bei dem großen hiesigen Denker Josef Popper-Lynkeus /…/. Ein siebzigjähriger Mann, zu meiner unsäglichen Freude jedoch mit dem Kopf eines Jünglings. Ein schöner Mensch und enger Freund von Prof. Ernst Mach! Ihr Buch hat er zweimal gelesen. Er hat es als Naturforscher und Künstler beurteilt. Voller Begeisterung für Ihre ganze Persönlichkeit, die „süß, tief und zum Küssen“ sei, kam er zu dem Schluss, dass sich in den modernen Naturwissenschaften nichts finden lasse, was Ihrer Konzeption eines auf seine eigene Befreiung zustrebenden Kosmos‘ nahekomme. Die Hände sind für ihn ein großartiger Traum, welcher nur bei einem religiös erzogenen Menschen möglich sei; grundlegende religiöse Vorstellungen (Gott, Schöpfer, Künstler, Harmonie, Befreiung, Erlösung) seien zu neuem Leben erwacht und auf der langen Reise durch das Gebirge exakt-wissenschaftlichen, jeglichen Anthropomorphismus‘ baren Studierens und Forschens nicht erloschen … Eine Negation der kosmischen Evolution also, nicht der menschlichen! Popper ist ein Liebhaber und Kenner der Mystik. Mit Begeisterung sprach er über Bernhard von Clairvaux wie auch über die heilige Theresia, und er wies mich auf Ihre Verwandtschaft mit Hegel und Schelling hin. /…/ / Popper hat dafür gesorgt, dass über die Übersetzung geschrieben wird. Adolf Gelber, ein berühmter Shakespeare-Kenner, eine feine und religiöse Seele, Dichter, meinte sofort: „Für einen Dichter, der solch ein Antlitz hat, werde und muss ich schreiben.“ / Und heute früh: Welch freudige Überraschung! Ein Brief H. Hofmannsthals, den ich in Abschrift beilege /= Dokument Nr. 3/ und der, wie ich hoffe, auch Ihnen Freude machen wird. / Jetzt bin ich wirklich stolz.]
Eine entscheidende Rolle in seinen Propagationsbemühungen schrieb Saudek bald dem siebenundzwanzigjährigen Dichter, Übersetzer und Essayisten Stefan Zweig zu („unser großer Essayist, der Homer aller Agamemnons“, so beschreibt ihn Saudek im gleichen Brief an Březina). Sein Wirken und sein Kontaktnetzwerk ermöglichten es Zweig bereits damals, von Wien aus Anschluss im übrigen deutschsprachigen Europa zu finden, so dass er Saudeks eigenständige Versuche, auf Březina aufmerksam zu machen, weitertreiben konnte. Bereits das erste Schreiben Zweigs an Saudek (in dem ihm Zweig u. a. Adressen von Johannes Schlaf, Rudolf Kassner, Martin Buber und Wilhelm von Scholz zur Verfügung stellte173) verzückte den Adressaten geradezu; „ich fühle mich in der Tat wie im Himmel“, schrieb er an Březina, und weiter: 172 E. Saudek an O. Březina, 25.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina. 173 S. Zweig an E. Saudek, 24.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina (= Dokument Nr. 2).
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Nejsou-li pak to jemné, čisté duše tito vídeňští představitelé moderního básnictví? […]. – Zweig jest prvním fejetonistou Neue Freie Presse, o jeho přízeň se lidé houževnatě ucházejí. Ale Vaše veledílo otvírá všechny zámky jako čarovný proutek. Není pochybnosti, brzo najdete množství radostně Vás přivítajících bratrů „v Duchu“. Prosil bych, byste i Zweigovi dosvědčil, že jsem se nikde nezpronevěřil originálu a Vašim intencím, by básníci neznalí češtiny nabyli přesvědčení, že lze mně důvěřovat.174 [Sind das nicht zarte, reine Seelen, diese Wiener Vertreter der modernen Dichtung? /…/. Zweig ist der erste Feuilletonist der Neuen Freien Presse, die Menschen buhlen hartnäckig um seine Gunst. Aber Ihr gewaltiges Werk öffnet alle Schlösser wie ein Zauberstab. Bald finden Sie – ohne Zweifel – viele neue „Geistesbrüder“, die Sie herzlich begrüßen. Ich möchte Sie bitten, dass Sie auch Zweig versichern, dass ich an keiner Stelle dem Original, Ihren ursprünglichen Intentionen, untreu war, so dass die des Tschechischen nicht mächtigen Dichter die Überzeugung gewinnen, dass man mir vertrauen kann.]
Auch Hýsek überbrachte Saudek eine „freudige Nachricht“: Hände budí v kruzích německých literátů nadšený úžas! […] Brzo bude Březina slavnou osobností světové literatury, neb bude se psát o něm všudy! […] jsem šťasten, že český duch najde nového velkého uznání v cizině a že tato se dovtípí, že máme ještě víc pokladů, o nichž nevědí […].175 [die Hände rufen in den Kreisen der deutschen Literaten ein begeistertes Staunen hervor! /…/ bald wird Březina zu einer Berühmtheit der Weltliteratur, denn er wird in aller Munde sein! /…/ ich bin glücklich, dass der tschechische Geist eine neue große Anerkennung im Ausland finden wird und dass man endlich begreift, dass wir noch mehr Schätze zu bieten haben, von denen sie keine Ahnung haben /…/.]
Mit Zweig blieb es nicht nur beim Briefkontakt, Saudek wurde in seine Wohnung eingeladen, deren ästhetische Einrichtung ihn tief beeindruckte; „er ist voller schönen Interesses für Sie und auch das Werk von Bílek“, informierte er Březina.176 In Zweig fand Saudek einen Partner, der fähig war, die dichterische wie auch die künstlerische und graphische Gestaltung der Hände umfassend zu würdigen und Březina auch in anderen Bereichen aktiv zu unterstützen. Zweig wollte unbedingt die Handschrift eines Březina-Gedichtes erlangen („er ist ein leidenschaftlicher Sammler, bei ihm hängt sogar ein Manuskript Goethes an der Wand“177), und auch Bíleks Arbeiten zogen ihn stark an. Saudek beschaffte Zweig eine tschechische Erstausgabe von Ruce und versuchte, ihm beim Kauf einiger Originale der darin reproduzierten Zeichnungen zu 174 E. Saudek an O. Březina, 26.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina. 175 E. Saudek an M. Hýsek, 27.10.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 176 E. Saudek an O. Březina, 30.10.1908, LA PNP, Fonds O. Březina; in demselben Brief erwähnte er auch „die Begeisterung“, die er aus Schlafs Schreiben spürte, und notierte: „/d/r Wilhelm v. Scholz bedankte sich ‚verbindlich‘“. 177 Ebd.
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helfen, als Exempel aus einem Werk, dem Zweig zu größerer Berühmtheit verhelfen wollte: „Heute hat er den hiesigen Kunstbetrieb Hugo Heller aufgefordert, eine Ausstellung von Bíleks Werken zu organisieren“ (ebd.).178 Zugleich ermunterte Zweig Saudek, seine Arbeit fortzusetzen. Der Euphorie der ersten Wochen nach Erscheinen der Hände ist wohl auch folgende Äußerung Saudeks zuzurechnen: „Zájem o mé dílo ve Vídni i v Říši je ohromný! Zweig už zase chce, abych překládal Hudbu pramenů.“ [Das Interesse an meinem Werk in Wien und im Reich ist enorm! Zweig will nun wieder, dass ich Musik der Quellen /d. h. Březinas Essaybuch, 1903/ übersetze].179 Saudek berichtete Březina noch am selben Tag: Ozval se Adolf Gelber, jak mně píše filozof Popper-Lynkeus. Potkal prý jeho (Gelberovu) ženu, která mu vypravovala: „Manžel je B[řezinou]. ‚ganz entzückt‘ a čte Hände každý večer. Napíše nadšený článek!“ / Emil Lucka píše, že mně děkuje za obeznámení s velikým mystickým básníkem, […] jakých je vůbec jen málo. Že mu připomínáte Jakuba Böhma. O Vašem významu jako filozofu netroufá si vyslovit mínění, protože mu není po běžné četbě všechno jasno. / Martin Buber, původem Polák, píše Zweigovi, že již o Vás dobře věděl a že Vás čte v originále. Buber vydává souborné dílo Gesellschaft a je znamenitým znalcem mystiky vůbec. V literárních kruzích berlínských hraje velikou úlohu. / Zweig se jeví pořád víc roztomilým. Poznáte z opisu dopisu, jenž jsem dnes dostal. V poledne jsem byl v jeho společnosti. Článek pro N[eue]. F[reie]. Presse má již skoro hotový. Bude uveřejněn myslím asi za 14 dní. Než odjede Zweig do Indie, zdrží se dříve v Berlíně a rozdá tam několik exemplářů na ty „největší“. Zweig prorokuje stále ohromný úspěch, jenž se teprve ukáže. I s Hardenem a Ellen Keyovou promluví.180 [Adolf Gelber hat sich gemeldet, wie mir der Philosoph Popper-Lynkeus schreibt. Er traf angeblich seine Frau, die ihm erzählte: „Mein Mann ist von B/řezina/. ‚ganz entzückt‘ und liest jeden Abend in Händen. Er wird einen begeisterten Artikel schreiben!“ / Emil Lucka schreibt, er bedanke sich bei mir, dass ich ihn mit einem großen mystischen Dichter bekannt gemacht habe, /…/ von denen es nur wenige gibt. Sie erinnern ihn an Jakob Böhme. Über Ihre Bedeutung als Philosoph wagt er keine Aussage zu treffen, denn nach flüchtiger Lektüre sei ihm noch nicht alles klar. / Martin Buber, polnischer Abstammung, schreibt an Zweig, er hätte schon von Ihnen Kenntnis genommen, er lese Sie im Original. Buber gibt das Sammelwerk Gesellschaft heraus und ist ein ausgezeichneter Kenner der Mystik im Allgemeinen. In den literarischen Kreisen von Berlin spielt er eine große Rolle. / Zweig zeigt sich immer liebenswürdiger. Sie sehen es selbst in der Abschrift des Briefs /= Dokument Nr. 6/, den ich heute bekommen habe. Zu Mittag war ich in seiner Gesellschaft. Sein Artikel für die N/eue/. F/reie/. Presse ist so gut wie fertig. Ich glaube, er wird in 14 Tagen 178 Zur Verwirklichung dieses Vorhabens kam es nicht, was zweifellos auch im Hinblick auf die Verkaufsförderung von Hände schade war: Hellers Buchhandlung mit Galerie (Kunstsalon) war ein wichtiger Treffpunkt des damaligen Wiener Kulturlebens, im November 1907 trug etwa R. M. Rilke hier vor (Fuchs 2004: 78). 179 E. Saudek an M. Hýsek, 04.11.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 180 E. Saudek an O. Březina, 04.11.1908, LA PNP, Fonds O. Březina.
VI. Von Ruce zu Hände: Entstehung, Propagation und Rezeption
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v eröffentlicht. Bevor Zweig nach Indien fährt, bleibt er kurz in Berlin, wo er einige Exemplare an die „Größten“ verschenkt. Zweig prophezeit nach wie vor einen großen Erfolg, der sich erst zeigen wird. Er wird auch mit Harden und Ellen Key sprechen.]
Zur selben Zeit erhielt Saudek einen Brief von Richard Dehmel, in dem er Březinas „kosmische Perspektive“ und die Leistung des Übersetzers würdigte.181 Während in den Kommentaren von Zweig, Dehmel oder Schlaf vor allem der dichterische Universalismus im Vordergrund steht (wobei auch die tschechische Provenienz des Werks zur Sprache kommt), fällt in Hofmannsthals (siehe Dokument Nr. 3) oder Bahrs Reaktion ein akzentuierter regional-nationaler, eher ideologischer Aspekt auf. Unter Bezugnahme auf die „altertümliche religiöse Tradition in Südböhmen“, auf die Saudek in seinem Vorwort hinweist, erbat sich Bahr weitere „literarische Beweise […] dieser südböhmischen Tradition“. Saudek wandte sich daraufhin an Chalupný und bat ihn um eine Auflistung der „Literatur zu dieser Sache“, mit dem Hinweis, er werde tschechische Texte für Bahr übersetzen. Außerdem übermittelte er Chalupný Bahrs Frage, ob Březina in der tschechischen Literatur eine Einzelerscheinung sei oder „ob er einem Kreis mystischer Dichter angehöre?“182 Einen Monat später schickte Saudek einen ausführlichen Brief an Bahr (= Dokument Nr. 8). In der Zwischenzeit, Mitte November, hob Karel Zdeněk Klíma in Lidové noviny – vor dem Hintergrund einer mutig und scharfsinnig durchdachten, detailliert ausgearbeiteten Gegenüberstellung von Březinas Erscheinung mit dem deutschen Kulturraum – die Einzigartigkeit und Bedeutung von Saudeks Vermittlungstätigkeit hervor: Snad formově a stylisticky ještě, výškou obrazů a čistotou poetického výrazu bude hledána podoba s Březinou u Stefana Georga, ačkoli myslíme, že také neprávem, ale básník tak široce založený, jdoucí k tak dalekým myšlenkovým obzorům a vidoucí do takových hloubek života, objímající tak úžasně odvážným, závratně jistým pohledem slávu, bolest, krásu a velebnou tajemnost vesmírového divadla, musí působiti u Němců jako zjevení. A tím větší – že básník přichází k nim z kouta tak chudého, všem centrům světové hyperkultury vzdáleného. Němci znají i z naší starší literatury jen pár tváří a děl, z moderní poezie jen něco z celku vytržených karakteristik a snah, takže snadno se nadíti, že Březinova návštěva bude působiti na ně v první chvíli, budou-li ji chtít uvésti v nějakou spojitost s naším ostatním životem, pokud mají o něm tušení, cize a divně, snad i podezřele. (Klíma 1908) [Formal und stilistisch, vielleicht noch in Anbetracht der Erhabenheit der Bilder und der Reinheit des poetischen Ausdrucks, wird man bei Stefan George eine Ähnlichkeit zu Březina feststellen, wobei wir glauben, auch nicht völlig zu Recht; doch ein Dichter mit so 181 R. Dehmel an E. Saudek, 03.11.1908, LA PNP, Fonds O. Březina /Kopie/ (= Dokument Nr. 5). 182 E. Saudek an E. Chalupný, 27.10.1908, LA PNP, Fonds E. Chalupný.
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vielen Facetten, der zu dermaßen weiten Gedankenhorizonten aufbricht und in so tiefe Abgründe des Lebens hinabschaut, der mit einem so mutigen, ungeheuerlich festen Blick den Ruhm, das Leid, die Schönheit und das hehre Geheimnis des kosmischen Theaters umarmt, muss den Deutschen wie eine Offenbarung vorkommen. Umsomehr, als der Dichter aus einer Ecke zu ihnen kommt, die so arm ist, so weit entfernt von allen Zentren der Weltkultur. Die Deutschen kennen auch aus unserer älteren Literatur nach wie vor nur ein paar Personen und Werke, aus der modernen Poesie dann nur wenige, dem Ganzen entrissene Besonderheiten und Leistungen, man kann daher erwarten, dass Březinas Erscheinung auf sie im ersten Moment – falls sie ihn überhaupt in einen Zusammenhang mit unserem sonstigen Kulturleben bringen wollen, wenn sie es überhaupt kennen – fremd und seltsam, wohl sogar verdächtig wirken wird.]
Ende desselben Monats schien Klímas Lobrede einen unmittelbaren Widerhall bei Saudek zu finden, als er in einem Brief an M. Hýsek konstatierte: „Je zaseto; totiž učinil jsem všechny možné kroky, by němečtí literáti o knize referovali. […]“ [Es ist gesät; ich habe nämlich alle nur möglichen Schritte unternommen, damit die deutschen Literaten über das Buch referieren. /…/].183 Deutsche Besprechungen blieben jedoch aus. Saudek beklagte sich Ende des Jahres in einem Brief an Chalupný darüber („in deutschen Zeitschriften kam bislang nichts heraus“), erklärte den Umstand jedoch mit dem spezifischen Zeitkontext am Beispiel von Zweigs angeblich „begeistertem Artikel für die Neue Freie Presse“. Dieser Artikel, berichtete er Chalupný, habe in der in Wien herausgegebenen Tageszeitung „angesichts der zugespitzten politischen Lage […] fürs Erste“ nicht erscheinen können (und Zweig habe „feierlich versprochen“, den Text „im Sommer“ durchzusetzen).184 Das Ausbleiben einer intensiveren Resonanz kann also (im Hinblick auf die tschechisch-deutschen Auseinandersetzungen im Reichsrat im Dezember sowie die Krawalle in den Straßen von Prag, die erst mit dem Eingreifen der Dragoner und mit dem über Prag verhängten Standrecht endeten) auch als Zögern interpretiert werden, ein tschechisches Buch öffentlich zu würdigen und damit gegenüber den tschechischen kulturellen Aspirationen Sympathie zu bekunden. Höchstwahrscheinlich um belegen zu können, dass sich trotz der ausbleibenden Besprechungen auch über den tschechischsprachigen Raum hinaus etwas tat, verwirklichte Saudek Ende 1908 einen Plan, den er allerdings schon von Beginn an gehegt hatte: Er stellte den Redaktionen einiger Blätter einen Teil seiner Korrespondenz aus dem Herbst zur Verfügung. In der Wochenschrift Přehled wurden in tschechischer Übersetzung ein Auszug aus Zweigs Schreiben vom 24. Oktober (= Dokument Nr. 2), ein Teil aus Hofmannsthals Brief (= Dokument Nr. 3), ein kleines Zitat und eine Paraphrase aus Bahrs 183 E. Saudek an M. Hýsek, 25.11.1908, LA PNP, Fonds M. Hýsek. 184 E. Saudek an E. Chalupný, 28.12.1908, LA PNP, Fonds E. Chalupný.
VI. Von Ruce zu Hände: Entstehung, Propagation und Rezeption
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Brief (nicht erhalten) sowie eine längere Passage aus dem Schreiben von Dehmel (= Dokument Nr. 5) abgedruckt. In gleicher Weise verwendete Camill Hoffmann die privaten Materialien bald darauf, im Januar 1909, in einem Text für die Moravsko-slezská revue.185 Hoffmann kannte den breiteren Kontext, dem die Vermittlung tschechischer Literatur unterworfen war, wie auch deren Grenzen sehr gut: Dosud byly několikráte přeloženy jednotlivé Březinovy básně, ale nehledíc k tomu, že tyto překlady nedovedly tlumočiti básníkovy originality, vyšly porůznu v německých revuích, a neposkytovaly tak možnosti celkového, úplnějšího dojmu. Ve skutečnosti jest z českých lyriků v Německu znám pouze Vrchlický. Překlad jeho básní vyšel v laciné univerzální knihovně Reclamově a dosáhl v ní velikého rozšíření. Všechny pokusy seznámiti německé publikum také s jinými českými lyriky zůstaly bez výsledku. Mysliti něco jiného by bylo sebeklamem. (Hoffmann 1909a: 132) [Bisher wurden nur vereinzelt einige Gedichte Březinas übersetzt, doch diese in deutschen Journalen verstreuten Übersetzungen vermochten es nicht, die Originalität dieses Dichters zu vermitteln, da sie dem Leser keine ganzheitliche, tiefere Einsicht gewähren konnten. Von den tschechischen Lyrikern ist in der Tat lediglich Vrchlický in Deutschland besser bekannt. Die Übersetzung seiner Gedichte erschien in der billigen Reclam-Universalbibliothek, und erreichte eine große Verbreitung. Alle Versuche, das deutsche Publikum auch mit anderen tschechischen Lyrikern bekannt zu machen, scheiterten. Etwas anderes zu glauben, wäre Selbsttäuschung.]
Hoffmann zufolge war Březinas Rezeption selbst im tschechischen Sprachraum unverdientermaßen limitiert, und Resonanz „vonseiten eines breiten deutschen Publikums“ war ebenso wenig zu erwarten. Dennoch – so Hoffmann weiter – [v]e velké říši, jakou je Německo, může býti ovšem tato intimní obec mnohem větší než v naší otčině. Už nyní je možno konstatovati základ takového německého Březinova kroužku. Má tím větší cenu, že jej tvoří nejjemnější duchové německé literární kultury. Ti všichni se zajímají o slovanský mysticismus, ale dosud jej nacházeli pouze v Rusku, zatímco jej mezi moderními Čechy marně hledali. Neboť oni tušili, že v národě, ze kterého vyšlo nejmohutnější náboženské hnutí, jaké Evropa viděla od dob starověku, jistě ještě žije tato tradice a obráží se i v jeho poezii. / V Otakaru Březinovi vidí echo náboženského svědomí, ale jsou překvapeni výší a objemem kultury, s níž se setkávají v jeho básních. Jejich panteistický a sociální ráz je srovnáván s Walt Whitmanovým a E. Verhaerenovým, kteří oba mají v Německu mnoho ctitelů. Ale Březinovo pojetí světa pokládají ještě za hlubší a jeho poezii proto, že v sebe pojala pojmy ze všech odvětví moderního vědění, za bohatší a originelnější. […] Tyto hlasy jsou symptomatické. Budou se množiti, a možno už dnes mluviti o značném úspěchu Otakara Březiny v Německu. (ebd.: 132f.)
185 Vgl. Saudeks Bericht im Brief an E. Chalupný, 28.12.1908, ebd.
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[kann diese intime Gemeinschaft in einem großen Reich, wie es Deutschland ist, viel größer sein als in unserer Heimat. Bereits jetzt kann man dort den Kern eines solchen deutschen Březina-Kreises feststellen. Er ist umso wertvoller, als er aus den feinsten Seelen der deutschen literarischen Kultur besteht. Sie alle interessieren sich für den slawischen Mystizismus, fanden ihn bisher jedoch nur in Russland, während sie ihn unter den modernen Tschechen vergeblich suchten. Denn sie ahnten, dass in der Nation, aus der die gewaltigste religiöse Bewegung Europas seit dem Altertum hervorgangen ist, diese Tradition sicher noch lebt und sich auch in der Lyrik widerspiegelt. / In Otakar Březina erblicken sie den Widerhall des religiösen Gewissens, aber sie sind überrascht von der Erhabenheit und vom Umfang der Kultur, der sie in seinen Gedichten begegnen. Der pantheistische und soziale Charakter der Gedichte wird mit Walt Whitman und E. Verhaeren verglichen, beide haben viele Verehrer in Deutschland. Aber Březinas Weltanschauung hält man für noch tiefgründiger und seine Lyrik für reicher und origineller, da sie Begriffe aus allen Bereichen des modernen Wissens enthält. /…/ Diese Stimmen sind symptomatisch. Es werden immer mehr, und schon heute kann man von einem großen Erfolg Březinas in Deutschland sprechen.]
Saudeks „Verdienst“ erwähnte Hoffmann übrigens nicht ohne kritische Einwände. Während die tschechischen, dem Buch gewogenen Rezensenten Saudeks Leistung enthusiastisch und vorbehaltlos begrüßten,186 hielt Hoffmann seine Übersetzung keineswegs für ein perfektes Meisterwerk. Er verstand jedoch das Heikle der Aufgabe: kdo dovede srovnati strukturu němčiny s češtinou, ví, jak ohromné jsou nesnáze při překládání básní z jedné řeči do druhé. A běží-li dokonce o Březinu, jsou tyto obtíže téměř nepřekonatelné. Březinova dikce jest v originále i pro Čecha nesnadná, jeho myšlénkové asociace jsou často ukryté, jeho obrazy smělé a vždy nezvyklé. Saudkův překlad obsahuje slavismy, jeho verše jsou mnohdy tvrdé, slovosledy násilné, ale hlavní jest: „že zachovává básníkovu originalitu“ […]. (ebd.: 133) [wer die Struktur des Tschechischen und Deutschen zu vergleichen vermag, weiß, welche gewaltigen Schwierigkeiten den Übersetzer beim Übersetzen aus der einen in die andere Sprache erwarten. Und wenn es sich dann noch um Březina handelt, erweisen sich diese Hindernisse geradezu als unüberwindbar. Březinas Sprachdiktion ist auch im Original für den Tschechen nicht einfach, seine Gedankenassoziationen sind des Öfteren verborgen, seine Bilder kühn und jedesmal ungewöhnlich. Saudeks Übersetzung beinhaltet Slawismen, seine Verse sind nicht selten hart, die Wortstellung unnatürlich, aber die Hauptsache ist, dass „er die Originalität des Dichters bewahrt“ /…/.]
186 „Er versetzte sich mit der ganzen Seele in seine Vorlage hinein, er konnte das Charakteristische voll erfassen und vermittelte Březina der deutschen Leserschaft mit Hilfe eines schönen, dichten und saftigen Verses. Saudek gehört neben Wenzig und Albert zu unseren besten Übersetzern ins Deutsche. Seine Arbeit, v. a. unter den gegenwärtigen Umständen, ist eine nicht nur literarische, sondern im rechten Sinne des Wortes kulturelle Tat“ (Vlček 1909); siehe auch Hýsek (1909a: 156).
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Der erste öffentliche „Dank“ und ein „brüderlicher Gruss“ an Saudek (Saudeks Worte aus einem Brief an Chalupný) aus dem deutschen Ausland kamen Mitte Januar, als im Berliner illustrierten Tagblatt Der Tag der Text von Johannes Schlaf erschien. Saudek freute sich darüber,187 registrierte aber zugleich eine Diskrepanz zwischen den kulturellen Bedingungen von Březinas Poesie, wie sie einerseits Schlaf (und auch Dehmel), andererseits er selbst ausmachten. Unter diesem Eindruck, die Fähigkeit der deutschen Interpreten bezweifelnd, wandte Saudek sich an Chalupný, um das Bild Březinas entsprechend zu korrigieren: je nejvyšší čas poukázati na jeho českost a jeho slovanství. Schlaf příliš podtrhuje jeho katolicism, což jest nejasné. Důležitější prvky jeho tvorby jsou vrozené českobratrské ideje (ideje nekatolické) a zároveň nejmodernější proudy filozofické. Slovanská jest nádhera jeho slovní architektury a jakási melancholie. O tom ale Vy se dovedete vyslovit lépe a takovýto rozbor poučil by i naše veliké přátele jako Schlafa a Dehmela. Kdybyste takovou studii poslal Hofmannsthalovi (Rodaun u Vídně Badgasse 5) neb Bahrovi (XIII Veitlissengasse 7), jistě by ji umístili v Österr[eichische]. Rundschau neb jinde. Jedná se mně o to, by konečně Němci poznali správně, že půda, z níž vyrostl O[tokar]. B[řezina]., byla a jest půdou kulturní a vzrůstu velikých mužů přející.188 [es ist höchste Zeit, die tschechische Komponente und sein Slawentum zu betonen. Schlaf unterstreicht allzu sehr seinen Katholizismus, was unklar ist. Viel wichtiger in seinem Werk sind die Ideen der tschechischen Brüder (also keineswegs katholische Ideen) und zugleich auch die modernsten philosophischen Strömungen. Slawisch ist die Anmut seiner Wortarchitektur und auch eine gewisse Melancholie. Sie können dies allerdings besser darlegen und eine solche Analyse würde auch unsere großen Freunde wie Schlaf und Dehmel belehren. Wenn Sie eine solche Studie an Hofmannsthal (Rodaun bei Wien Badgasse 5) oder an Bahr schickten (XIII Veitlissengasse 7), würde man sie sicher in der Österr/eichischen/. Rundschau oder irgendwo anders unterbringen. Es geht mir darum, dass die Deutschen endlich richtig erkennen, dass der Boden, dem O/tokar/. B/řezina/. entwachsen ist, ein Kulturboden war und ist, und dass ihm viele große Männer entspringen.]
187 E. Saudek an E. Chalupný, 19.01.1909, LA PNP, Fonds E. Chalupný. 188 Ebd.; ähnlich äußerte sich Saudek in einem Brief an Březina über Schlafs Akzentuierung des Katholizismus (E. Saudek an O. Březina, 18.01.1909, LA PNP, Fonds O. Březina). Gleichzeitig vermutete Saudek offensichtlich, obwohl er daran interessiert war, die spezifische tschechische oder slawische Stimmung von Březinas Mystik zu berücksichtigen, dass der Schlüssel zu Březina das mystische Moment selbst sein könnte, und zwar unabhängig vom nationalen Kontext, vgl. seine Bemerkung gegenüber Hýsek: „In Deutschland muss Březina vor allem als Mystiker auffallen.“ Weiter wies Saudek auf „die Popularität der Diederichs-Bibliothek“, vor allem auf das Buch Ekstatische Konfessionen von Martin Buber hin, „eine Art Anthologie alter Mystiker“. Buber habe ihm versprochen, über Březina zu schreiben – „ebenso die Neue Rundschau, Neue Revue, Zukunft usw.“ (E. Saudek an M. Hýsek, 21.01.1909, LA PNP, Fonds M. Hýsek).
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Es ist nicht klar, ob Chalupný in irgend einer Weise versuchte, Saudeks Empfehlung zu realisieren. Ergebnisse in dieser Hinsicht gab es allerdings nicht, und die wertvolle Reaktion Schlafs blieb trotz vieler Zusagen wochenlang die einzige. Die nächste Stimme ließ sich erst im März desselben Jahres vernehmen, als Otto Hauser Hände in der Neuen Freien Presse besprach. Saudek war mit diesem Beitrag jedoch keineswegs zufrieden. In einem Brief an Hýsek konstatierte er zunächst nur beiläufig: „Hausers ‚Kritik‘ ist nichts wert“189 und suchte eifrig nach weiteren Rezensionen: Stefan Zweig napsal 8 stránek do Österreichische Rundschau, která vyjde v měsíci máji. Camill Hoffmann napsal obšírný článek do Literarisches Echo, vyjde s podobiznou Březinovou v máji. Hofmannsthal, jehož sláva jeho Elektrou jest nyní veliká, slíbil článek o Březinovi! Řekl, že učiní tak hlavně, by protestoval proti národnostním německým štvanicím, které se nezastavují před uměním. – Chci pracovat k tomuto smíru v Rakousku svým způsobem.190 [Stefan Zweig schrieb 8 Seiten für die Österreichische Rundschau, die im Mai erscheint . Camill Hoffmann verfasste einen eingehenden Artikel für das Literarische Echo, er erscheint gemeinsam mit einem Porträt Březinas im Mai. Hofmannsthal, der mit seiner Elektra derzeit großen Ruhm erntet, hat einen Artikel über Březina versprochen! Er sagte, er tue dies vor allem, um gegen die deutsche nationalistische Hetze zu protestieren, die auch vor der Kunst nicht haltmache. – Ich möchte in Österreich auf meine Weise auf eine solche Aussöhnung hinarbeiten.]
Im nächsten Brief an Hýsek reagierte Saudek euphorisch auf Hoffmanns Artikel im Literarischen Echo: „Všechna čest! Jeho pojetí je správné, důležité nad míru jest odlišování Březiny od Verhaerena, Walta Whitmana atd.“ [Alle Ehre! Seine Deutung ist die richtige, enorm wichtig scheint mir, dass er Březina von Verhaeren, Walt Whitman u. a. unterscheidet.] Zudem reagierte er auf Hausers wie auch Hoffmanns Vorbehalte gegenüber seiner Übersetzerarbeit (teils demütig: „ich weiß ja, ich suchte einen neuen Weg für neue Ansichten und ab und zu verirrte ich mich auch“, teils auch polemisch: „übrigens soll Březina gesagt haben, mein Deutsch sei besser als das von Hauser […]. Meinetwegen:
189 Einige Tage später konkretisierte er sein Urteil: „Březina je zjevem tak velikým, že mohl p. Hauser o něm jinak a ve větších rozměrech psáti“ [Březina ist so eine große Erscheinung, dass Herr Hauser über ihn anders und auf umfassendere Weise hätte schreiben können]. Saudek warf ihm „einen Mangel in der Beschreibung eigener Eindrücke“ vor. „Hauser verwendet nur gemeine Ausdrücke und Floskeln“ (E. Saudek an M. Hýsek, 28.04.1909, LA PNP, Fonds M. Hýsek). 190 E. Saudek an M. Hýsek, 24.04.1909, ebd.
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die Intensität des Originals sollte doch genügen, um Březinas Genialität zu vermitteln, das reicht“). Abschließend stellte Saudek fest: A je vyhráno. Liter[arisches]. Echo jest vedle Neue Rundschau a Schaubühne prvním časopisem zasvěcených adeptů. Vědí o něm a jeho významu a to mně bude na věky těšit.191 [Gewonnen. Liter/arisches/. Echo ist neben der Neuen Rundschau und der Schaubühne die erste Zeitschrift der eingeweihten Adepten. Sie wissen um ihn und um seine Bedeutung, und das wird mich für immer freuen.]
Einige Tage später machte Hýsek in einem Feuilleton in Lidové noviny auf die drei erwähnten deutschsprachigen Besprechungen aufmerksam. Während Saudeks Übersetzung laut Hýsek im tschechischen Milieu nur ein schwaches Echo erfuhr, habe sie bei den Deutschen „echtes Aufsehen“ erregt: Březina docela zvítězil tam, kde jest dojem rozhodující: v kruzích umělců a ctitelů nejrafinovanějšího umění […]. Mluvilo se dokonce o utvoření básníkovy obce za hranicemi naší vlasti, a umělci významu Hofmannsthalova slibovali v něm hledat smír duše, kterého dosud nenašli. (Hýsek 1909b: 1) [Březina siegte dort zur Gänze, wo der Eindruck entscheidend ist: in Künstlerkreisen und unter den Verehrern der raffiniertesten Kunst /…/. Man sprach sogar von der Gründung einer Verehrer-Gemeinde jenseits der Grenzen unserer Heimat, und Künstler vom Rang eines Hofmannsthals gelobten, bei ihm ihren Seelenfrieden zu suchen, den sie bislang nicht gefunden hätten.]
Hýsek verband Hoffmanns Studie mit einer allgemeineren transkulturellen Überlegung. Er bezeichnete Das literarische Echo als „Zeitschrift der feinsten Menschen der deutschen Kunstkultur“, und antizipierte eine förderliche Wirkung von Hoffmanns Artikel und weiteren Stimmen in einem Kulturraum, der offensichtlich wenig Sympathien gegenüber den Tschechen hege: Z německých univerzit chtěli nedávno vypovídat české studenty. A ti, jimiž se navenek Němci reprezentují, začínají studovat a vybízejí ke studiu českého básníka, jehož vzdělání a hloubka myšlenek je překvapují. Chápete, co cítí český člověk, když si uvědomí, že naše politické kruhy se většinou příliš málo starají o umění, zvláště o básníky, a že málokterý z našich politických bojovníků přečetl některý verš tohoto jaroměřického samotáře, jenž nejen poutá cizí zájmy umělecké, ale před nímž se kloní i rozzuřené národnostní zbraně? / Neboť snad brzy budeme čísti protest předního německého básníka192 proti německému šovinismu, který se nestydí zakřikovat umění národa, z něhož vyšel Březina. Ale nechci předbíhati. (ebd.: 2) [Unlängst wollte man tschechische Studenten von deutschen Universitäten verweisen. Und diejenigen, mit denen sich die Deutschen nach außen repräsentieren, fangen an, einen 191 E. Saudek an M. Hýsek, 28.04.1909, ebd. 192 Gemeint ist Hugo von Hofmannsthal, vgl. den oben erwähnten Brief Saudeks an Hýsek vom 24.04.1909.
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tschechischen Dichter zu studieren und zu fördern, dessen Bildung und Tiefe der Gedanken sie überrascht. Verstehen Sie, was der tschechische Mensch nun fühlt, wenn ihm klar wird, dass unsere politischen Kreise sich meistens nur wenig um die Kunst kümmern, v. a. um die Dichter, und dass sicherlich nur ganz wenige unserer politischen Kämpfer einen Vers aus dem Werk dieses Einsiedlers aus Jaroměřice gelesen haben, der nicht nur fremde Kunstinteressen weckt, sondern vor dem auch die wütenden Waffen des nationalen Kampfes schweigen? / Denn vielleicht bald schon lesen wir einen Protest des führenden deutschen Dichters193 gegen den deutschen Chauvinismus, der sich nicht schämt, die Kunst der Nation kleinzumachen, die der Welt einen Březina gegeben hat. Aber ich will nicht vorgreifen.]
Im Mai 1909 plante Saudek zusammen mit Hoffmann und Zweig eine Reise nach Jaroměřice, die aber letztendlich nicht stattfand. Der Dichter wollte sich nicht in einer Gesprächssituation wiederfinden, in der er nicht auf seine Muttersprache zurückgreifen konnte, und bat deshalb, es bei einer „geistigen Begegnung“ zu belassen: Nedovedu mluviti žádnou cizí řečí tak, abych se mohl v ní podati, jak jsem, a zápasiti těžce a marně o slovo, kde překypuje srdce, bylo by nám oběma bolestné. Chceme býti krásnými před zraky milovanými, psal jsem Vám před lety a opakuji i dnes. Váš přítel je básník. Vy jste básník, porozumíte mi.194 [Ich kann in keiner Fremdsprache so sprechen, dass ich mich geben kann, wie ich bin, und es wäre für uns beide schmerzlich, wenn man schwer und vergeblich um ein Wort ränge, während das Herz überläuft. Wir wollen vor den Augen der Geliebten schön erscheinen, schrieb ich Ihnen vor Jahren und ich wiederhole es auch jetzt. Ihr Freund ist ein Dichter, Sie sind ein Dichter, sie werden es nachvollziehen können.]
Noch vor dieser Erklärung stellte Březina im selben Brief Saudeks Übersetzungsarbeit in einen „strahlenden“, zukunftsgerichteten Horizont, als Anteil an einem gewaltigen gemeinsamen Werk, de facto einem Evangelienwerk. Můžete pohlédnouti s krásnou jistotou na dílo, které jste vykonal. Každá práce, která sbližuje lidi, je svatá. A v době, kdy nad celou zeměkoulí jako by se chvěla předtucha velkých, připravujících se převratů, zmatek duchů roste, národ s nedůvěrou pohlíží k národu, rasa k rase, člověk k člověku, není vědy vyšší jako věda, která v každé bytosti ukazuje skrytý pramen krásy, z něhož žije. Neboť všechno, co žije, hmyz, plaz, člověk zavržený, národ bezmocný, něčím skrytým, svatým a nade všechnu lidskou obraznost nádherným žije. A v tom okamžiku, jakmile tato služba kráse v hlubinách bytostí přestává, hynou… Jíti od národa k národu a učiti lidi dobré vůle, aby se poznávali v oněch zářných oblastech myšlenky, kde se rodí nový člověk – není to snem všech osvobozených duchů?195 [Sie können mit schöner Gewissheit auf das Werk blicken, dass Sie vollbracht haben. Jede Arbeit, die Menschen zueinander führt, ist heilig. Und gerade in einer Zeit, in der über 193 Wie Anmerkung 192. 194 O. Březina an E. Saudek, 06.06.1909, ES, ebenso Březina (2004/II: 883). 195 Ebd.
VI. Von Ruce zu Hände: Entstehung, Propagation und Rezeption
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der ganzen Erde die Luft in Vorahnung großer, sich anbahnender Umbrüche zittert, die Verwirrung der Geister steigt, das eine Volk auf das andere, die eine Rasse auf die andere, der eine Mensch auf den andern mit Missvertrauen schaut, gibt es keine höhere Wissenschaft als diejenige, die in jedem menschlichen Wesen die verborgene Quelle der Schönheit entdeckt, die es ernährt. Denn alles Lebendige, sei es Insekt, Reptil, der verstoßene Mensch, ein entmachtetes Volk, lebt durch etwas Verborgenes, Heiliges und alle menschliche Einbildungskraft Überschreitendes. Im Augenblick, als der Dienst dieser Schönheit in den Tiefen der Wesen aufhört, gehen sie zugrunde … Von einem Volk zum anderen zu wandern, den Menschen guten Willens beibringen, dass sie einander in jenen leuchtenden Regionen des Gedankens kennenlernen, wo der neue Mensch geboren wird – ist dies nicht der Traum aller befreiten Geister?]
Mitte Juni erschien in der Österreichischen Rundschau Zweigs Artikel Otokar Březina (Zweig 1909). Saudek sandte ihn sofort an Březina – als einen Text, der „für die tschechisch-deutschen Beziehungen […] von hoher Bedeutung“ sei, zugleich mit der Versicherung, dass er sowie Zweig seine „zarten Gründe“ für das Abschlagen der Begegnung „nachvollziehen konnten“.196 Zweigs Deutung beinhaltete sicherlich mehr als eine Facette, die Saudek unschlüssig erscheinen musste (etwa der Passus über das Tschechische als „fremde Sprache“, die den Reichtum von Březinas Buch zu einem „untätigen stummen, stumpfen Dasein verschließe“; die vorrangig österreichische Kontextualisierung von Březinas Erscheinung als „einer der Großen in Österreich“; oder die Verbindung Březinas mit einem „schwerblütigen böhmischen Katholizismus“), trotzdem handelte es sich zweifellos um eine Huldigung der „Meister“ (Březina und Bílek) wie auch des Übersetzers, und daneben um einen Aufruf, ihre Werke sowie weitere unbekannte Gebiete des tschechischen Kunstlebens zu erkunden. Für eine gewisse Zeit war es aber auch die letzte gedruckte Spur des Interesses an Březina im deutschsprachigen Kulturraum. Saudek avisierte zwar,197 dass Felix Braun für die Berliner Neue Revue über Hände schreiben wolle, und einen Monat später erwähnte er in einem Brief an Růžena Svobodová, dass dank Zweigs Vermittlung auch Ferdinand Gregori an Březina interessiert sei, „als einflussreicher Kritiker und Rezitator könnte er viel für unsere Sache leisten“.198 Es dauerte jedoch noch mehrere Monate, bis die Rezensionen von Braun und Gregori tatsächlich erschienen. Brauns Text Ein tschechischer Mystiker wurde im August 1910 in der Zeitschrift Nord und Süd veröffentlicht, Gregori publizierte seinen Artikel erst im September 1912 im Kunstwart. Unter Verwen196 E. Saudek an O. Březina, 14.06.1909, LA PNP, Fonds O. Březina. 197 E. Saudek an O. Březina, 03.05.1909, ebd. 198 E. Saudek an R. Svobodová, 03.06.1909, LA PNP, Fonds R. Svobodová.
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dung vieler Zitate passte Braun seine Reflexion geradezu perfekt an Březinas Stil an, und auch Gregori folgte zwei Jahre später dem bildhaften Pathos von Březinas (und Saudeks) Sprache. Auf formaler Ebene verortete er Březinas Gedichte nahe beim Werk von Whitman und Paquet, es sei „eine merkwürdige Mischung von Naturanbetung und Selbstversunkenheit“. Daneben verglich Gregori (wie zuvor bereits Schlaf) Březinas Gedichte mit der Poesie von Alfred Mombert, wobei er jedoch die Fähigkeit des tschechischen Dichters, die Not des menschlichen Schicksals zu beleuchten, höher einschätzte: Er verschließt sich dem Fluche nicht, unter dem ein Teil der Menschheit seufzt, aber er weiß Lieder im höheren Chor zu singen, die nach Sonnenaufgang deuten. Und wenn die Gefährten jammern, daß sie sich den seligen Eilanden niemals nähern, nach denen sie ausziehen, so preist er die Kraft ihrer Phantasie, die diese umstrahlten Eilande, obwohl sie nur in ihren Seelen blühen, sogar den körperlichen, königlichen Augen vorzaubert. Die Poesie des Mitleidens, die sich ehedem in der engen Stube des armen Mannes erging, die den Gefahren der Maschine lauschte und gern zum Ankläger wurde, hat sich in Březinas Bekenntnissen beinahe entstofflicht, wir horchen ihrem stillen Flügelschlag über uns in blauen Lüften, und fühlen uns weit hinweggetragen von den Fesseln und Klammern des täglichen Seins. (Gregori 1912)
Das ist allerdings eine Schlussfolgerung, die mit Saudeks Verständnis von Březinas Lyrik übereinstimmt: Březinas Werk als Organon des wiederbelebenden Lebenspathos. Felix Braun erfasste sehr genau, welche Grenzen den Bemühungen gesetzt waren, aus Wien ein Zentrum für die weiter reichende Vermittlung der tschechischen Literatur zu machen, als er Březinas Buch einerseits „zu einem der schönsten Bücher, das diese Zeit zugleich mit der Ewigkeit gereicht hat“ erklärte, andererseits aber anmerkte, es werde im „verwirrenden Literaturgetriebe“ kaum beachtet, da es bei einem kleinen Wiener Verlag erschienen sei (Braun 1910: 321). Umso mehr muss Saudeks Propagationsarbeit gewürdigt werden (selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den weiteren Beteiligten, v. a. Stefan Zweig), die die Übersetzung einer tschechischen Gedichtsammlung für eine Weile auch jenseits der Habsburgermonarchie zu einem Ereignis machte. Březina wurde dabei immer eine eminente dichterische Bedeutung zugesprochen. Das daraus resultierende Bewusstsein trug zweifellos dazu bei, dass der Kurt Wolff Verlag bereits vor dem Krieg gewillt war, die Herausgabe von Březinas Schriften auf Deutsch zu unterstützen, die Saudek mit Otto Pick und Franz Werfel zusammenführte.199
199 Siehe Kapitel VIII. von Š. Zbytovský.
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Dokumente
[1] Emil Saudek an Hermann Bahr, Wien, 21.10.1908
Brief, Handschrift, ÖTM, A 22980 BaM [irrtümlich datiert „21. November“, die Datierung auf den 21. Oktober geht aus dem Kontext der weiteren Korrespondenz hervor] Hochgeehrter Herr, ich habe mir die Freiheit genommen Ihnen ein Exemplar meiner Übersetzung des Buches des čechischen Mystikers Otokar Březina Hände zu senden und bitte Sie dasselbe als Zeichen der großen Verehrung, die sowohl der Dichter, wie ich für Ihr Wirken hegen, annehmen zu wollen. Es ist uns im guten Gedächtnis, mit welcher Wärme Sie des öfteren der Bedeutung der Mystiker im Kulturleben, so z. B. bei den Neuausgaben Meister Eckharts, Susos etc. im Diederich’schen Verlage, gedacht haben. Wir glauben auch, daß Sie der čechischen Literatur ein höchst schätzbares Interesse entgegenbringen; im vorliegenden Falle spricht zum erstenmale ein Autor zu den geistesverwandten Seelen Deutschlands, der nach meinem Ermessen, wenige Seinesgleichen in der Weltliteratur besitzt. Er lebt in äußerst einfachen, engen Verhältnissen in Mähren und ist die Uneigennützigkeit selbst. Ich bitte Sie, hochverehrter Herr, falls Ihnen mein Buch dessen würdig erscheint, sich dieses einsamen Geisteshelden anzunehmen und verwandte Seelen auf ihn aufmerksam zu machen.2 Heißen Dank für Alles, was geschehen wird. Mit dem Ausdrucke vorzüglicher Hochachtung Dr. Emil Saudek Übersetzer von Machars Rom IX Canisiusgasse 27
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[2] Stefan Zweig an Emil Saudek, s. l., 24.10.1908
Brief, Typoskript, Abschrift von E. Saudek für O. Březina, LA PNP, Fonds O. Březina (Saudeks zusätzliche handschriftliche Einträge markiert mit ) Sehr geehrter Herr Doktor!1 Sie haben mir mit Ihrem Brezina-Buche eine grosse Freude in’s Haus gesandt. Seit Jahren weiss ich – der ich der tschechischen Sprache leider unkund bin – von meinen Freunden Hoffmann und Max Brod von diesem Dichter, doch war der erste unmittelbare Eindruck für mich heute ein überwältigender. Ich wollte nur die Zeichnungen Bíleks ansehen – dessen Holzplastiken ich ungemein liebe – geriet dabei ins Lesen und dann liess mich die Magik dieser Verse nicht mehr aus ihren Kreisen, zwang mich von einem Gedicht zum anderen hinüber, wirklich welch’ ein grandioser Dichter! Und wie nahe – räumlich und seelisch! – von unserem Leben! Sie haben damit eine schöne Tat vollbracht, deren moralisches Verdienst vielleicht noch höher ist als das künstlerische der Übertragung, die zu werten ich nicht in der Lage bin und die mir manchmal durch die Feurigkeit des Rhythmus Ausserordentliches sagte, um an anderen Stellen mich wieder durch Unnatur der Wortstellung zu befremden. Immer, aber an jeder Stelle habe ich die vulkanische Glut des Dichters gespürt, habe die Fülle seiner Bilder bestaunt und bin Ihnen innig dankbar, dass Sie mir den Weg zu einem der Bewundernswertesten unserer Zeit gezeigt haben. Ich habe selbst für den Brezina [sic] so verwandten genialen Dichter Emile Verhaeren auch sehr eingesetzt und kenne die reine und mit Eigenleistung gar nicht vergleichbare Freude, einem bewunderten Werke helfen zu dürfen in die Weltliteratur hinein. Wenn Sie den Dichter wieder sehen, sagen Sie bitte meine Bewunderung, die ich ihm leider in seiner Sprache nicht sagen kann. Interessant wäre es mir zu wissen, ob er die Werke Verhaerens (Les Forces tumultueuses und La Multiple Splendeur sowie Les Villes tentaculaires) kannte oder ob dies eine geheimnisvolle Brüderschaft über die Länder hin ist. Und ob ihm der mystische Engländer William Blake nicht auch Freund und Führer war. Ich reise anfangs November auf sechs Monate fort, eine sehr ferne Fahrt – so kann ich Ihnen nicht sicher versprechen, über das Buch zu schreiben. Aber ich hoffe es. Ich möchte Ihnen ausserdem die Namen von ein paar bedeutender [sic] in Deutschland nennen, von denen ich mir ein grosses und auch tätiges Interesse für Ihr Buch verspreche. Sie können es allen diesen mit dem Hinweis darauf senden, dass ich Sie veranlasst hätte, weil ich bei Ihnen mehr wie bei irgend anderen Interesse vermutete. Es sind diese: Johannes Schlaf, Weimar Wörtherstrasse
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Martin Buber, Zehlendorf, Berlin Rudolf Kassner, an die Adresse des Verlages S. Fischer, Berlin Wilhelm von Scholz, Weimar, Kegelplatz 5 Ich bin überzeugt, dass dies die Verwandtesten im Gefühl sind, die Sie für Ihre so sehr berechtigte Bewunderung finden können und ich wünsche Ihnen bei diesen und bei allen auf die es ankommt einen vollen und schönen Erfolg. Nochmals: innigen Dank Ihres sehr ergebenen Stefan Zweig
[3] Hugo von Hofmannsthal an Emil Saudek, Rodaun, 23.10.1908
Brief, Typoskript, Abschrift von E. Saudek für O. Březina, LA PNP, Fonds O. Březina [Erstabdruck mit Kommentar in Merhautová 2020b] Sehr geehrter Herr, ich danke Ihnen aufs wärmste, dass Sie die Güte hatten, bei der Aussendung dieser Gedichte, deren Besonderheit und Tiefe den Leser auf den ersten Blick sehr stark trifft, an mich zu denken. Ich werde das Buch öfter und zu ruhigen Stunden in die Hand nehmen und bin fast sicher, dass es mir geben wird, wonach meine Einbildungskraft öfter aber vergeblich begierig war: eine Emanation aus der Gemütstiefe des tschechischen Wesens – eine Vergeistigung dessen, was [mir] in der so zu Herzen gehenden Landschaft, in der Bildung und dem Ausdruck von Gesichtern so oft entgegengetreten ist und mich nachdenklich gestimmt hat. Mir scheint der Urgrund erlebter Religiosität tönend geworden zu sein – das gleiche Signum ist dem schmerzvollen aber leidensfähigen, doch kraftvollen, gütigen Gesicht des Dichters aufgeprägt. Ich bitte Sie mit meinem nochmaligen Dank den Ausdruck meiner Hochschätzung entgegenzunehmen Hofmannsthal
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[4] Emil Saudek an Richard Dehmel, Wien [IX Canisiusgasse 27], 29.10.1908
Brief, Handschrift, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Dehmel-Archiv, Inventarnummer 08, 153 Hochverehrter Meister, ich habe mir die Freiheit genommen Ihnen ein Exemplar meiner Übersetzung des Buches des čechischen Mystikers Otakar Březina Hände zu senden, die Sie als Zeichen der Hochachtung des Autors und des Übersetzers annehmen wollen. Meine eigene Anschauung, aber mehr noch die Freude, die über dieses Werk mir Hugo v. Hofmannsthal brieflich und Stefan Zweig brieflich und mündlich mir geäußert haben, läßt mich hoffen, daß auch Sie, hochverehrter Meister, diesen von uns bewunderten und in den engen čechischen Verhältnissen nach Resonanz verbrüderter Seele [sic] schmachtenden Dichter und Denker mit Interesse anhören werden. Ich stelle, besonders auf nachdrückliche Anregung Stefan Zweigs, die Bitte dieses Buch anzusehen und Ihre Eindrücke einem weiteren Kreise in Deutschland mitzuteilen, falls Ihnen dies wichtig scheinen wird. Dem einsamen, wunderbaren Mann, der in Jarmeritz in Mähren die Taglöhnerarbeit eines Schullehrers ohne Murren, aber mit sichtlichem Schaden für sein Wohl und seine Arbeit, versieht, werden Sie damit eine große Freude bereiten und den Bann seines Schweigens brechen. Heißen Dank für Alles, was geschehen wird. In Hochachtung und Ergebenheit Dr. Emil Saudek IX Canisiusgasse 27
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[5] Richard Dehmel an Emil Saudek, [Hamburg-]Blankenese, 03.11.1908
Brief, Typoskript, Abschrift von E. Saudek für O. Březina, LA PNP, Fonds O. Březina; Faksimile des Originalbriefes wurde veröffentlicht in: Saudek 1928: /159/–/162/ (Saudeks zusätzliche handschriftliche Einträge markiert mit ) Sehr geehrter Herr!1 Ich danke Ihnen für die Zusendung der Hymnen von Březina und werde in meinem Kreise nach Kräften auf das Buch aufmerksam machen. Diese Psalmen sind denen Whitmans durchaus ebenbürtig und überragen sie sogar an kosmischen Perspektiven. In mir selbst wehrt sich zwar etwas gegen diese sehnsüchtige Gefühlsberedsamkeit, die sich in die Welt auflösen möchte, statt sie mit Künstlerhand an sich zu reissen und umzugestalten, aber ich verehre und bewundere die Kraft, mit der hier in die Gemütshingebung ans Ewige alles Vernunftleben unserer Zeit einbegriffen ist, diese grosse, gläubige Liebe, die über jeden Zweifel triumphiert, indem sie ihn mit in den Herzschlag der Welt fügt. Und so reihe auch ich mich willig in seinen Rundgesang der Herzen (mir die liebste von den Hymnen) und bitte Sie dem frommen Dichter meinen ergriffenen Dank auszurichten. Und auch Ihnen Dank für die Übersetzung, sie ist sprachgewaltiger als Ihr bescheidenes Vorwort erwarten lässt, und Sie haben sich damit um all die Menschen verdient gemacht, die an ein seelisches Band der Menschheit zwischen den Völkern glauben. Ich erlaube mir Ihnen als Gegengabe ein Privatexemplar meiner Verwandlungen der Venus zu übersenden. Mit ergebenen Gruss Richard Dehmel
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[6] Stefan Zweig an Emil Saudek, Wien, s. d., vermutlich am 03.11.1908
Brief, Typoskript, Abschrift von E. Saudek für O. Březina, LA PNP, Fonds O. Březina Sehr verehrter Herr Doktor! Ich war in diesen Tagen sehr beschäftigt, so konnte ich den B[řezinas]. Artikel nicht in Angriff nehmen, heute habe ich mit Notizen begonnen und hoffe morgen einiges oder alles zu schreiben. Je mehr ich B[řezina]. lese, umso mehr wächst meine Begeisterung und ich möchte Sie dringend bitten, doch das Prosabuch zu übertragen. Ich will Ihnen gern behilflich sein, die einzelnen Artikel zu plazieren [sic], ebenso das Buch selbst, schreibe eventuell gerne dazu eine Vorrede. Wenn Sie noch Exemplare haben, so senden Sie eines mit Berufung auf mich an G. A. Borgese Redazione della Stampa Torino (Italia) und bitten Sie ihn um eine Anzeige, er wird es, denke ich, sicherlich tun. Haben Sie sonst noch übrig, so geben Sie mir 2 oder 3, die ich in Berlin den Besten übergebe und auf das eindringlichste anempfehle. Haben Sie schon Nachricht von Bilek? Ich reise nächste Woche und wüsste gerne Bestimmtes: vielleicht telefonieren Sie mir [sic] morgen zwischen 1/2 2 und 2 Uhr (16327), ich bin sehr froh, von Ihnen Neues über den Dichter erfahren zu können. Wem ich bislang Ihr Buch zeigte, der war ganz von der ungeahnten Schönheit, von dem verschwenderischen Reichtum dieses grossen Unbekannten entzückt. Wahrlich, Sie sind zu beglückwünschen für Ihre Tat, deren Bedeutung zu zeigen mir eine teure Pflicht sein soll. Ihr herzlich ergebener Stefan Zweig
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[7] Emil Saudek an Richard Dehmel, Wien, 06.11.1908
Brief, Handschrift, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Dehmel-Archiv, Inventarnummer 08, 154 Hochgeehrter Meister, in der Kette der herzerquickenden Zurufe großer deutscher Geister, die mir aus Anlaß der Březina-Übersetzung, zugeklungen sind, steht Ihr wunderbar das Wesen dieses Mannes erfassender Brief, wie eine mächtige Hand, die diesen hohen Sänger nach bangen sechszehn [sic] Jahren im Reiche der Tauben und Stummen in den Kreis seiner heiß geliebten Brüder und Mitkämpfer zieht. Ich bin viel zu ergriffen, um hiefür gebührend Dank sagen zu können. Der Löhn möge in Ihrem Bewußtsein liegen, daß Otakar Březina dadurch eine wahre Auferstehung gefeiert hat! Die Früchte, die in seinem, für einen Mystiker so fruchtbaren, Schweigen gereift sind (seit 7 Jahren schwieg er!), werden jetzt sicherlich sich in neuen, das Leben mehr als bisher meisternden Worten den hungrigen Besuchern seiner Gärten sich darbieten wollen. Was mich betrifft, so bin ich tief beschämt von der hohen, unvergleichlichen Ehre, die Sie mir durch Ihre Gabe erwiesen haben und will ich Alles daran setzen, mich solcher Güte würdig zu erweisen. Haben Sie heißen Dank für Alles; möge Ihnen ein Leben beschieden sein, das an „Süßigkeit“ das aller Herzen übertrifft, die je die Menschheit beglückt haben! In tiefster Ehrfurcht und Dankbarkeit Dr. Emil Saudek
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[8] Emil Saudek an Hermann Bahr, Wien, 27.11.1908
Brief, Handschrift, ÖTM, A 22981 BaM (Saudeks zusätzliche handschriftliche Einträge markiert mit ) Hochgeehrter Herr, indem ich Ihnen für Ihr, für den Dichter und die čechische Literatur, so bedeutsames Schreiben meinen ergebenen Dank sage, werde ich trachten Ihren Wünschen so gerecht als nur möglich zu werden. Nur bitte ich mir zu gestatten, daß ich Ihre Fragen nicht auf einmal sondern in mehreren Zuschriften beantworte, da ich großen Wert darauf lege, die Informationen so verläßlich als möglich zu verfassen. In der Beilage versuche ich es [sic] auf das Verhältnis Otokar Březinas zu Walt Whitman einzugehen. Meine Absicht hierbei ist zu zeigen, daß Březina nach einem Worte Richard Dehmels den Walt Whitman an kosmischen Perspektiven weit überragt; ich möchte aber auch auf die poesiereichere, von Metaphern sprühende Sprache B[řezinas]. als besonderen Unterschied hinweisen. Über andere tschechische Dichter-Mystiker läßt sich nur so viel sagen: B[řezina]. steht eigentlich einsam da; verwandt war ihm entschieden der bereits verstorbene Spätromantiker Julius Zeyer und einzelne aus der „katholischen Moderne“, wie die Priester Bouška und Deml. Dann der Kreis um die Moderní revue mit Procházka, Karásek, die aber beide mehr in den Spuren Wildes, Przybyszewskis, Barbey d´Aurevillys etc. wandelten. Durch seine Ideen ist Sova, der Impressionist, stark beeinflußt, ebenso Šalda und die Frau Svobodová. Ich sende anbei eine Nº der leider bereits eingegangenen Zeitschrift Čechische Revue und verweise auf den Artikel am Schluße des Heftes. Ferner werde ich mir gestatten die deutsch geschriebene Literaturgeschichte von Jakubec & Arne Novák, die 1897 [gemeint ist 1907] bei Amelang in Leipzig erschienen ist, Ihnen einzusenden. In dem Hefte der Č[echischen]. R[evue]. findet sich auch außer den Gedichten ein Essay von Otokar Březina in meiner Übersetzung. Die andern Essays sind noch nicht übersetzt, doch arbeite ich daran und habe bereits weitere zwei in Manuskript fertig. Der religiöse Ernst in Südböhmen ist ein Faktum: Žižka, Hus, dann der genial christliche Anarchist Chelčicky (dessen Netz des Glaubens Tolstoi so sehr schätzt und ins Russische übertragen ließ /Chelčicky war ein Bauer und Anhänger der Brüder-Gemeinde/), viele Sekten (Adamiten z. B.). Bílek, Březina sind in Südböhmen zuhause.
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Religiöse Schwärmer finden sich überdies im Isergebiet, worauf A. Stašek in seinem Roman Schwärmer unserer Berge anspielt. Mit näheren Angaben und Literaturnachweisen komme ich in einigen Tagen. Auch über Bílek, dessen letzte Ausstellung in Prag in dem Kirchlein beim h. Martin in der Mauer heuer stattfand, werde ich separat berichten. Er philosophiert als Maler, Bildhauer und Schriftsteller. Ein reiner Christ, oft katholisch gefärbt, aber wie mir scheint, demselben Ziele zustrebend wie Březina; denn Schaffen ist ihm nichts Anderes als „sein Erstaunen über den Kosmos zum Ausdruck zu bringen“. Er wohnt in Prag, Smíchov, Švédská ul. 10. Ich freue mich außerordentlich, daß auch Machars Rom, dessen persönliche Freundschaft mein größter Stolz und größte Freude ist, Ihnen gefallen hat. Zwei hochinteressante Welten repräsentiert die čechische Literatur in diesen Männern und hoffe ich, daß auch Deutschland von diesen Werken mit Nutzen Notiz nehmen wird. Ich betrachte es als hohe Ehre Ihnen, hochgeehrter Herr, stets zu Diensten zu sein und zeichne mit dem Ausdrucke ehrerbietigster Hochachtung ergebenst Dr. Emil Saudek IX Canisiusgasse 27
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[9] Emil Saudek an Hermann Bahr, Wien, 15.03.1909 Brief, Handschrift, ÖTM, A 22982, BaM
Hochgeehrter Herr, Sie beehrten mich s. Z. bei Überreichung meiner Übersetzung des čechischen Mystikers Otokar Březina mit dem Auftrage, Ihnen bezüglich des religiösen Ernstes in Südböhmen und bezüglich des Künstlers Bílek mit näheren Angaben zu dienen. Ich gestatte mir in der Beilage einige Notizen hierüber zu überreichen und bin gerne bereit sonstige Anfragen nach bestem Können zu beantworten. Vor einiger Zeit gestattete ich mir Ihnen, hochgeehrter Herr, eine Nummer der Čechischen Revue zur Ansicht einzusenden und hoffe, daß sie in Ihre Hände gelangt ist. Ich gestatte mir die ergebene Bitte von meinem Březinabuche, das leider bis jetzt nur von J. Schlaf besprochen wurde (Der Tag am 15. Jänner), falls Sie es dessen würdig erachten, in Zeitschriften Erwähnung zu tun und zeichne mit dem Ausdrucke vorzüglicher Hochachtung ergebenst Dr. Emil Saudek IX Canisiusgasse 27
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VII. Saudeks Březina-Übersetzungen im Vergleich200
1. Březina-Übersetzung nach den Händen Das gleichermaßen unumstrittene wie auch jeweils unterschiedlich gedeutete und erinnerte Ereignis der tschechisch-deutschen Literaturvermittlung, die Herausgabe des Gedichtbands Hände (Březina 1908b) in Emil Saudeks Übersetzung, erzielte eine zwar beachtliche, doch keine breite und nachhaltige Rezeption Březinas in der deutschsprachigen Kultur.201 Erst später erfüllte sich der Wunsch, für Březina im Programm eines starken deutschen Verlags Platz zu finden.202 Das geschah mit einer Auswahl seiner Gedichte in der Übersetzung Otto Picks, die unter dem Titel Hymnen im November 1913 (die geänderte zweite Ausgabe erschien 1917) als zwölftes Bändchen der Reihe Der jüngste Tag des Kurt Wolff Verlags erschien,203 und mit der anschließend geplanten Werkausgabe Březinas. Statt ihr erschienen allerdings schließlich drei Einzelausgaben – als neunter und zehnter Band der Wolff ’schen Reihe Drugulin-Drucke die Gedichtbände Winde von Mittag nach Mitternacht (1920, übs. von Emil Saudek und Franz Werfel; Větry od pólů, 1897), Baumeister am Tempel (1920, übs. von Otto Pick; Stavitelé chrámu, 1899) und der Essayband Musik der Quellen (1923, übs. von Emil Saudek unter Mitwirkung von Franz Werfel; 200 Ich bedanke mich bei Marc Weiland für die Sprachkorrektur meiner Kapitel. 201 Die in deutschen Zeitschriften verstreuten Einzelübersetzungen der Gedichte Březinas von 1897 bis 1902 von Eugen Trager, Eduard Albert, Paul Leppin und Otto Hauser führt Merhautová (2016: 212) an. 202 Dass der Resonanzraum der Wiener Verlage unvergleichlich kleiner war, merkte Felix Braun in seiner Besprechung der Hände an (siehe Kapitel VI. von M. Topor: 201–202) und auch Saudek meinte, selbst manche deutschen Originale könnten sich nur deswegen nicht durchsetzen, weil sie „bloß in einem Wiener Verlag erschienen“ (Saudek 1911d) seien. 203 Fünf der Gedichte stammten aus der Sammlung Větry od pólů (1897), vier aus Stavitelé chrámu (1899) und eines aus Tajemné dálky (1895). Einige weitere Březina-Nachdichtungen Picks aus der Prager Presse führt Nezdařil (1985: 341f.) an.
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Hudba pramenů, 1903). Saudeks Übersetzung der Winde in der Fassung vom Sommer 1915, vor der gemeinsamen Überarbeitung mit Werfel, enthalten die im Privatnachlass Saudeks erhaltenen Korrekturfahnen. Drei weitere Übersetzer veröffentlichten in den Jahren 1915 bis 1926 jeweils mehrere Übertragungen der Gedichte Březinas. Albert Ehrenstein, der 1915 auch Korrekturvorschläge zu Saudeks Übersetzung der Winde lieferte, veröffentlichte zwei Übersetzungen aus diesem Band: Gebet (Modlitba za nepřátele) wurde in den Weißen Blättern abgedruckt (Březina 1915b) und als Gebet für die Feinde in den Almanach Vom jüngsten Tag aufgenommen (Březina 1916b), die Königin der Hoffnungen (Královna nadějí) erschien in Marsyas (Březina 1917).204 Paul Eisner präsentierte 1917 mit der Tschechischen Anthologie. Vrchlický – Sova – Březina sein erstes Übersetzungsprojekt, in dem 22 Gedichte aus allen fünf Sammlungen Březinas enthalten sind (mit acht Stücken sind Stavitelé chrámu vertreten, in Eisners Übersetzung Die Türmer des Tempels).205 Und schließlich wurde Březina von Rudolf Fuchs übertragen, der insbesondere als Petr Bezruč-Übersetzer hervorgetreten war, und in seine im Jahr 1926 bei Kurt Wolff erschienene Anthologie Ein Erntekranz. Aus hundert Jahren Tschechischer Dichtung vier Gedichte Březinas aufnahm.206 Selbständig publiziert wurden in bibliophilen Einzelgedichtausgaben Über allen Feuern und Wassern (Nad všemi ohni a vodami) in der Übersetzung von Antonín Stanislav Mágr (Březina 1921) und Ein Motiv aus Beethoven (Motiv z Beethovena), nachgedichtet von Otto František Babler (Březina 1938; die Übersetzung datiert auf 1921).207 Die Entstehung von Saudeks, Picks und Werfels bei Kurt Wolff erschienenen Übersetzungen und die Entwicklung personaler Konstellationen und vermittlerischer Selbstauffassungen ihrer Akteure wurden bereits beschrieben (Binder 2003; Topor 2019b; Zbytovský 2020). Um Saudeks Übersetzungspraxis und ihre Aufnahme deutlicher zu profilieren, wird der vorliegende Beitrag vielmehr auf die kritische Rezeption der späteren Übersetzungen und auf Vergleiche mit Saudeks bahnbrechenden Übersetzung der Hände eingehen sowie die Übersetzungen ausgewählter Gedichte in mehreren Fassungen vergleichend kommentieren.
204 Zum Verhältnis Ehrenstein-Saudek siehe das Kapitel VIII.: 245–251. 205 1928 erschienen sieben von diesen Gedichten (und zwei weitere) in Eisners Anthologie Die Tschechen; anlässlich des 60. Geburtstags des Dichters erschien ein bibliophiler Druck mit denselben Gedichten und einem Essay Březinas als Neun Gedichte – Weihung des Lebens. 206 Zwei Gedichte aus Větry od pólů, jeweils eines aus Tajemné dálky und Stavitelé chrámu. 207 Ein Essay und wenige Gedichte übersetzte der Wiener Fotograf Antonín Josef Trčka (Hultsch 2020).
VII. Saudeks Březina-Übersetzungen im Vergleich
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2. Das Echo der Kritik Insbesondere anlässlich der Hymnen-Auswahl von Otto Pick und der Saudek/ Werfel-Ausgabe der Winde wurden Vergleiche mit Saudeks übersetzerischer Praxis formuliert. Bereits während der Vorbereitung der durch Franz Werfel initiierten Hymnen-Ausgabe stellte Pick Březina die Idee einer deutschen Gesamtausgabe vor, die maßgeblich Pick übersetzen würde, die aber nach Verbesserungen auch Saudeks Übersetzung der Hände einschließen könnte (Binder 2003: 15). Nach Březinas Einwilligung sprach Pick Saudek an. Saudek verstand sich als kompetenter Interpret und Vermittler Březinas208 in die deutschsprachige Literatur wie auch in der Weltliteratur und empfand offensichtlich eine entsprechende Verantwortung. In einem Brief an Březina vom 17.11.1913 lobte er zunächst die Hymnen als „großes Ereignis“, doch nicht so sehr wegen der Übersetzungsqualität, sondern v. a. als Bestätigung des „von mir gebahnten Wegs“ und der Tatsache, dass Březinas Poesie „in die Speicher der Weltliteratur gebracht wird“ (Březina 2004/II: 1024). Picks Leistung hingegen sei vorsichtiger zu beurteilen: Je to nesporně básník a jeho práce je činem básnickým. Právě proto, strachuji se, že jeho další práce, jichž se chce chopit, nevyvaruje se chyb, spojených s jeho nedosti silnou znalostí češtiny . (Březina 2004/II: 1024) [Er ist unumstritten ein Dichter und seine Arbeit eine dichterische Tat. Gerade deswegen, befürchte ich, wird die weitere Arbeit, die er in Angriff nehmen will, die Fehler nicht meiden, die mit seiner unzureichenden Kenntnis des Tschechischen zusammenhängen.]209
Wenn Saudek daselbst schrieb „ich zittere um Ihr – und mein – Werk!“, so äußerte er seine Sorge um ein gemeinsames Projekt. Im Privatnachlass Saudeks sind seine Kommentare zu ausgewählten Stellen der Pick’schen Übersetzung erhalten, die er an Březina schickte und von ihm zurück erhielt.210 Der Dichter äußerte sein Verständnis für Saudeks Sorgen und Kommentare, und v. a. sein Einverständnis mit Saudeks Vorschlag, dass beide Übersetzer alles gemeinsam bearbeiten sollten (Březina 2004/II: 1024). Damit begann die Zusammenarbeit von Saudek und Pick an dem im Frühling 1914 mit dem Kurt Wolff Verlag vertraglich fixierten Projekt der Březina-Werkausgabe, aus der 208 Siehe die Kapitel V. von J. Vojvodík und VI. von M. Topor. 209 Unter „Wissenschaft“ versteht Saudek die durch Březinas Gedichte vermittelte ‚Weltanschauung‘. 210 Manche wurden offensichtlich an Pick weitergeleitet, denn die zweite Hymnen-Ausgabe von 1917 weicht gerade an den kommentierten Stellen von der ersten ab.
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letztendlich die drei Einzelbände von 1920 und 1923 hervorgingen. Gleichzeitig begann damit aber auch ein durch divergente Übersetzungsauffassungen und -praktiken und wohl auch eine Prise Konkurrenzgefühle gekennzeichnetes Spannungsverhältnis (dazu Binder 2003; Zbytovský 2020). Die Kritik urteilte über Picks Březina-Übersetzung recht unterschiedlich, obwohl ein ausgesprochen negatives Urteil nicht zu finden ist.211 Stefan Zweig, der sich bereits für die Propagation der Hände (1908)212 engagiert hatte, gedachte im Januar 1914 in der Neuen Freien Presse der Initiatoren-Rolle Saudeks und stellte fest, dass Pick „der Wesenheit des großen Slawen näherzukommen scheint“: Während Saudek, sich eng an das Original anschließend, lieber den Klang dem Worte, den organischen Fluß der Wortstellung des Originals preisgab, versucht hier Otto Pick durch Neugestaltung und hymnische Nachdichtung den gewaltigen Schwung nachzubilden, der zweifellos die Gedichte in ihrer ursprünglichen Form durchschütteln muß. (Zweig 1914)
Die Einschätzung Zweigs ist durchaus mit Saudeks eigener ‚Rollenverteilung‘ kompatibel, die vereinfacht als eine Unterscheidung zwischen translator doctus und translator poeticus charakterisiert werden kann – bloß hierarchisierte sie Zweig umgekehrt. Dank Picks „Meisterschaft der Form“ sah er die „feurige Dunkelheit“ Březinas intensiver hervortreten; und die beiden Übersetzungsbände unterstrichen wohl den Bedarf, „diesen gewaltigen Lyriker – wohl den größten in unseren österreichischen Grenzen – ganz unserer Sprache zu gewinnen“ (Zweig 1914). Derweil Zweig Picks übersetzerisches Können besonders in den gereimten Gedichten213 und namentlich im Motiv aus Beethoven ausgewiesen sah,214 fand der englische Březina-Übersetzer Paul Selver in den gereimten Nachdichtungen Picks einen argen Reimzwang und gerade im Motiv nur „entfernte Ahnung von dem zarten und melancholischen Rhythmus“ (Selver 1914: 799) Březinas. Den Wert der „ganz verdienstvollen Auswahl“ sah Selver beeinträchtigt durch das Fehlen eines Vorworts und die Zuordnung der Gedichte zu Březinas Sammlungen, die der Leserschaft doch eine Vorstellung über die Entwicklung des Gesamtwerks vermitteln sollten. Insgesamt fiel Selvers
211 Einige Kurzbesprechungen gingen auf die Übersetzerleistungen überhaupt nicht ein – so z. B. Stefan Isidor Klein in Pester Lloyd, der Březina neben Francis Jammes, dem „englischen Dichter“ [sic], als hervorragende, ihre angebliche gemeinsame Quelle Thomas Carlyle entfaltende „metaphysische Dichter“ (Klein 1914) würdigte. 212 Siehe Kapitel VI. von M. Topor. 213 Ich bin wie ein Baum in Blüte . . .; Motiv aus Beethoven; Erde. 214 Gustav Pallas (1914) referierte und zitierte aus Zweigs Text in seiner Notiz in Venkov.
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Urteil über Picks Leistung im Vergleich mit der erwähnten Pionierleistung Saudeks weniger hervorhebend und anerkennend aus. Vor allem tschechischsprachige Besprechungen der Pick’schen Übersetzung waren von einer ambivalenten Bewertung geprägt. Wahrscheinlich als erster besprach Viktor Dyk die Hymnen. Am 21. November 1913 erschienen zwei seiner Texte – der eine in der Zeitung der staatsrechtlichen Partei Samostatnost, der andere in der Revue Lumír. Neun Jahre zuvor hatte Dyk eine Polemik über Březina initiiert, die zu einem wichtigen Wegpunkt der tschechischen Moderne werden sollte (Med 1987: 231f.) – und jetzt215 fand er neue Sympathie für Březina. Dank der Übersetzung Picks erreiche Březinas Poesie – so Dyk – einen breiteren internationalen Wirkungskreis, weswegen eine Nominierung Březinas für den Nobelpreis (anstelle des für Dyk problematischen Peter Rosegger) nicht unrealistisch sei (Dyk 1913a).216 Der LumírBeitrag konzentrierte sich auf das Büchlein selbst, vermisste ebenfalls ein Vorwort (das zu klären hätte, dass es sich um keinen der zeitgenössischen Verhaeren-Epigonen handle) und bemängelte die Auswahl und die Übersetzung der gereimten Gedichte, namentlich des Motivs aus Beethoven. Deutlich besser gelungen seien die übrigen – was Dyk auf eine Erhöhung des Interesses für den „tschechischen Mystiker“ (Dyk 1913b: 88) hoffen ließ.217 Arne Novák äußerte in seiner Sammelrezension von vier aus dem Tschechischen übersetzten Gedichtbänden218 in der Revue Přehled seine Bedenken darüber, dass der Band Svítání na západě [Morgengrauen im Westen], der doch „unschätzbar für die Einweihung in die innere Welt“ Březinas (Novák 1914: 531) sei, nicht vertreten ist. Ansonsten fand er die Auswahl angesichts der Vielseitigkeit Březinas adäquat. Allerdings richtete sich seine zentrale Kritik auf die Übersetzungen Picks. Könne dieser doch dem Original hinsichtlich des Rhythmus nicht genügen, von dem er „eine sehr matte Vorstellung“ gebe; und auch in den Reimen finde man bei ihm „viel Taubes und 215 Also nicht erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs, wie auch Med (1987: 232) schreibt. 216 Mit der Nominierung argumentierte auch Saudek in seiner Kommunikation mit dem Kurt Wolff Verlag. Nominiert wurde Březina 1916, 1917, 1918, 1920, 1921, 1925, 1928 und 1929. Dazu mehr auf Tschechisch in Březina (2004/II: 1039). 217 Gustav Winter (1913) stellte in Právo lidu Saudeks und Picks Leistungen praktisch gleich und lobte „trotz mancher Vorbehalte“ (ohne sie zu erläutern) auch Picks Übersetzung des Motivs. 218 Neben Březinas Hymnen handelte es sich um drei in der Dresdner „Belletristischen Verlagsanstalt Die Sonne“ herausgegebenen Bücher: Jan Neruda: Freitags-Gesänge und andere Gedichte. Übs. von Rudolf Traub, 1913; Svatopluk Čech: Die Adamiten. Übs. von Josef Weinberger, 1912; Jaroslav Vrchlický: Epische Gedichte. Satanella. Übs. von Josef Weinberger, [1913–14].
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Totes“ (ebd.). Das Wichtigste sei ihm jedoch gelungen: fast überall habe er „den komplexen Sinn“ und „den hymnischen Flug der Bilder, Sätze, Ideen“ (ebd.) bewahrt. Demgegenüber attestierte der Prager Slawist Franz Katholnigg, dessen Dissertation ein Beispiel der Vermittlungsanalyse unter völkischen Vorzeichen ist,219 Saudek, dass er „kein Dichter“ sei und seine textgetreuen Übertragungen trotz schöner Passagen durch formale Verunstaltung und „rationalistische Auslegung oder umständliche Darstellung“ (Katholnigg 1930: 79) gehemmt seien. Pick hingegen belege sein „Formtalent“ und seine Fähigkeit zur inhaltlichen Konzentration – gewähre aber zugleich den „Verlegenheitsphrasen“ Raum. Daher handle es sich insgesamt um eine „ehrenhafte Übersetzung, aber keine Umdichtung“ (ebd.: 78). Als einziger der Übersetzer begleitete Paul Eisner seine Anthologie mit einem Vorwort. Jaroslav Vrchlický und Otokar Březina präsentierte er darin als Beispiele einer slawisch-deutschen Synthese. Im Unterschied zu seinem damaligen Unterstützer Hofmannsthal fasste er diese Synthese jedoch primär als Vermittlung in der Richtung aus dem kulturellen Slawentum in den Kontext der deutschen bzw. der Weltkultur auf. Die Essenz des Tschechentums werde dabei durch die Aspekte der „daseinsfrohen Sinnlichkeit“, der „Überwindung durch Liebe“, des „sozialen Fühlens“ (Eisner 1917: 96 u. 100f.) charakterisiert. Březina stellte er als den Höhepunkt der in den Band aufgenommenen Dichtertrias dar, die Entwicklung seiner Poetik sah er mit den Händen an ihrem Gipfel angelangt.220 Die zeitgenössische Aufnahme der Anthologie war positiv – Josef Folprecht (1917) lobte in der Beilage der Národní listy die Übersetzung etwas vage als „getreu“, F. X. Šalda stellte Eisner als „vollkommenen Künstler-Übersetzer“ (Šalda 1917: 7) vor und polemisierte gegen eine mechanische, scheinbar ‚getreue‘ Übersetzungsweise, ohne ausdrücklich die vorherigen Březina-
219 Das „Sudetendeutschtum“ habe die doppelte Aufgabe, den „deutschen Geist in den Osten zu tragen“ und „slawisches Gut dem deutschen Volke“ zu vermitteln. Der zweiten Aufgabe sei es noch nicht gewachsen, und so habe eine andere Gruppe „die Arbeit auf sich genommen […]: Die Prager Juden“ (Katholnigg 1930: 57). Diese waren wohl meist nicht fähig, „das Entscheidendste“ zu vermitteln. Das könne „nur behoben werden, wenn sich das Sudetendeutschtum selbst um die literarischen Beziehungen zu den Tschechen kümmert und diese Aufgabe nicht volksfremden Ästheten überlässt, die das tiefste Ringen der Völker um die eigene Seele nicht verstehen“ (ebd.: 112). 220 Mehr zu Eisners Anthologie und zu seiner Auffassung der Kulturvermittlung, insbesondere in Bezug auf Hofmannsthal und Vrchlický, in Kostrbová (2011b).
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Übersetzer zu erwähnen.221 Deutlich kritischer fielen die rückblickenden Bewertungen von Eisners Übersetzungen aus: Laut Wolfgang Hauffen lehnte sich Eisner allzu sehr an die vorherigen Fassungen von Pick an (Hauffen 1929),222 nach Nezdařil wirkten sie im Vergleich mit Pick oder Saudek/Werfel etwas starr bzw. klobig (Nezdařil 1985: 264ff.). Als 1920 die Winde von Mittag nach Mitternacht erschienen, nahm die Kritik keinen Vergleich dieser Fassung mit der Pick’schen vor. In seinem im Neuen Wiener Journal konsekutiv publizierten Tagebuch hob Hermann Bahr223 die Bedeutung der Winde im Vergleich zu den Händen hervor. Während Saudeks erste Übersetzung zwar solide, doch „eben übersetzt“ klang, ist in den Winden „die leiseste Spur von Übersetzung ausgetilgt, alles ganz eingedeutscht, ja wie vom Genius unserer heiligen Sprache selber rauschend!“.224 Man bekomme sogar „Angst vor dem Original“, weil man sich kaum vorstellen könne, dass es „die Flammenpracht dieser Uebersetzung erreichen kann!“. Es folgt eine Stilisierung Březinas, nicht etwa als Ausdruck der Urkräfte der tschechischen Kultur, sondern als eine weltweit singuläre Erscheinung – und dennoch als Synthetiker par excellence, in dem „Whitman und Dostojewski heiter lächelnd beisammen“ seien. Das Ungeheure an Březina sei, „wie hier Stimmen aller Völker durch Aeonen einander zurufen, wie hier Urlauten der böhmischen Erde der Schrei der Zukunft antwortet, wie Patriarchenluft um den Mund dieses Futuristen weht!“ (Bahr 1920: 5). Etwas zurückhaltend betrachtete Bahrs Begeisterung Miloslav Hýsek, der Saudeks Verdienste um „unsere künstlerischen Kontakte mit dem Ausland“ (Hýsek 1921) hervorhob und Saudek/Werfel als Übersetzer lobte. Trotzdem war ihm diese „Heldentat“ gleichzeitig ein Beleg der Unübersetzbarkeit von Březina. Katholnigg (1930: 80, 82) stellte später „viele Ungenauigkeiten“ und eine „expressionistische Färbung“ (Personifizierung, Dynamisierung, semantische Intensivierung) der freien Übersetzung fest, doch handle es sich trotzdem um „die erste Umdich221 Katholnigg sah bei Eisner die Ambition, alle Schichten der Gedichte getreu wiederzugeben, was jedoch meistens missglücke: „Durch unglückliche Wendungen verdirbt er den Wert seiner Arbeit und durch seine Verschönerungswut bringt er Březina in Mißkredit. […] Ängstliches Festhalten an der tschechischen Form läßt ihn viele Sünden am deutschen Sprachgeist begehen“ (Katholnigg 1930: 75). 222 Diesen Vorwurf wies Eisner (1929) mit der These zurück, der Übersetzer dürfe nicht durch die Absicht geleitet werden, unbedingt anders als andere zu übersetzen. 223 Zum Austausch zwischen Saudek und Bahr nach der Herausgabe der Hände siehe das Kapitel VI. von M. Topor: 193; zusammenfassend zu Bahrs Verhältnis zur tschechischen Kultur Jähnichen (1972: 226ff.), Ifkovits (2007: 11ff.). 224 Šimek (1920) folgt in seiner Rezensionsnotiz den Bahr’schen Formulierungen fast wörtlich.
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tung aus Březina im wahren Sinne“ (ebd.: 82). Noch eindeutiger hob später Jähnichen die Übersetzungen von Saudek/Werfel hervor.225 Auf die übersetzerische Leistung Rudolf Fuchs’ fokussierte anlässlich der Herausgabe seines Erntekranzes beispielsweise Eisner, der Fuchs als wahren „Nachdichter“ stilisierte, welcher nicht nur Wörter, sondern auch die „geistigseelische Atmosphäre“ (Eisner 1926: 3) der Gedichte zu vermitteln wisse. In einer weiteren Notiz kommentierte er eine Kurzbesprechung aus der Berliner Welt am Abend und wies auf das immer noch mangelnde Interesse der deutschen Verleger „in slavicis“ (Eisner 1927) hin. Reservierter als Eisner äußerte sich Josef Mühlberger über Fuchs’ Übersetzungen, in denen wohl seine ästhetische Präferenz sichtbar sei, die sehr gut zu Neruda, Bezruč oder Wolker passe, bei anderen Autoren aber stellenweise eher „fremd“ wirke (Mühlberger 1928). Vielleicht dachte er dabei an etwas Ähnliches wie Arne Novák, der hinsichtlich des Erntekranzes Fuchs’ besonderes übersetzerisches Gespür für das „charaktervolle verbitterte und ungestüme Herbe“ (Novák 1927) herausstellte. Am strengsten urteilte Katholnigg (1930: 72f.), laut dem Fuchs eine „möglichst glatte Übersetzung“ anstrebte – und manchmal „ganz sinnlos“ übersetzte. So unterschiedliche Adressaten die hier referierten übersetzungskritischen Würdigungen der ‚besten‘ Březina-Übersetzer hatten, so unterschiedlich waren ihre Wertungskriterien. Bei den meisten ist freilich eine implizite oder explizite Relativierung der Leistung Saudeks ersichtlich. 1927 entfachte sich eine Polemik zwischen Eisner und Miloslav Hýsek – und mittelbar auch Saudek. Eisner behauptete in der Prager Presse, dass wertvolle Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche erst mit Friedrich Adler einsetzten und eine Leistung der Prager deutschjüdischen Übersetzer seien.226 Hýsek konterte in Národní listy u. a. mit dem Hinweis auf Saudeks Hände-Übersetzung, die den Boden auch für Eisners Anthologie bereitet habe. Eisner opponierte in einem tschechischen Artikel in der Tribuna, dass „den Boden für meine Anthologie nur meine Anthologie bereitete“ (Eisner 1927), und daneben der Herausgeber Hofmannsthal. Saudek bedankte sich brieflich bei Hýsek227 für die Verteidigung gegen die „Selbstgefälligkeit jener Clique“, die wohl den negativen 225 „Eine wirkliche Entsprechung seiner dichterischen Größe durch eine außergewöhnlich intensive Sprachformung, in der aber stets zugleich die Euphonie des Wortes beachtet wurde und auch die eigenwillige Syntax des Originals, erfuhr Březina also erst 1920 durch Werfels und Saudeks Gemeinschaftswerk“ (Jähnichen 1972: 304). 226 Zu dieser selbstlegitimierenden These korrigierend und ergänzend siehe das Kapitel II. von Petrbok: 64. 227 E. Saudek an M. Hýsek, Januar 1927, LA PNP, Fonds M. Hýsek.
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Typus jüdischer Intellektueller verkörpere, „aufs Geschäft“ ausgerichtet sei und staatliche Subventionen kassiere: „Alles beherrscht Otto Pick etc.“ Seine Schlüsselposition in der Geschichte der Vermittlung des Werks von Otokar Březina versuchte Saudek ein Jahr später in dem Band Pod oblohou Otokara Březiny [Unter dem Himmel von O. B.]228 erneut zu behaupten.
3. Březina-Übersetzungen im Vergleich Die von Zweig gelobte und von Dyk oder Novák gerügte Pick’sche Übersetzung des gereimten Gedichts Ein Motiv aus Beethoven (Motiv z Beethovena) lässt sich in den Kontext allgemeiner Reflexionen über den übersetzerischen Umgang mit der Form stellen. Während Šalda in seiner Besprechung von Eisners Anthologie gegen die formal und semantisch „wortgetreue philologisch-grammatische Wiedergeburt“ (Šalda 1917: 8) eintrat, war Březina selbst höchst interessiert an der Bewahrung der Versform seiner Gedichte. Als eine Neuausgabe der Hände im Gespräch war, schrieb er Saudek mit dem Hinweis auf Eisners Übersetzung des Schlussgedichts Zeit (Čas), es wäre doch zuträglich, einige Gedichte mehr an die Form der Originale anzupassen (Březina 2004/ II: 1204). Březinas Korrespondenz dokumentiert gerade für die Entstehungszeit der Sammlung Tajemné dálky (Geheimnisvolle Weiten, dt. 2019), wie schwer er um eine ziselierte Form seiner Gedichte rang. In einem Brief an Anna Pammrová behauptete er 1893, er würde sich lieber „die Hand abschlagen“ lassen, als „einen banalen Reim freizugeben und eine Silbe mehr einzuschlagen in den regelmäßigen, wunderkräftigen Fluss des Rhythmus, dieses erstaunlichen Zaubers der menschlichen Sprache“ (Březina 2004/I: 261). Das impliziert noch kein Gebot strikter Übertragung der Originalform in die Übersetzung. Es resultiert daraus aber ein Anspruch auf sorgfältigste Formreflexion beim Übersetzen – und sicherlich auch die Präferenz einer ‚bloßen‘ Formübernahme vor der Nichtbeachtung der Originalform. Nicht minder gilt dies auch für die freirhythmischen Gedichte. 228 Saudek heroisierte in diesem Büchlein seine eigene Leistung nicht; dennoch fokussierte er auf die Resonanz der Hände (1908) im deutschen Sprachraum (und nicht auf die späteren Übersetzungen) und behauptete: „Bohaté úspěchy propagace, zahájené u nás později, děkují mnoho tomuto málem prvnímu úspěchu v cizině“ [Die ergiebigen Erfolge der Propagierung /der tschechischen Literatur; Š. Z./, die bei uns später eingeleitet wurden, verdanken viel diesem schier ersten Erfolg im Ausland] (Saudek 1928: 29).
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Das streng eingehaltene Versmaß des Motivs aus Beethoven ist der Alexandriner, der in Březinas erstem Gedichtband dominiert, während ab dem zweiten freie, mehrheitlich daktylo-trochäisch rhythmisierte Verse überwiegen (Červenka 1965; Filipec 1969). Auf motivisch-thematischer Ebene geht es um eine Verführung des lyrischen Ichs ins Traumreich des Kunstschönen und des Kunst-Todes durch die Musik.229 Die ersten zwei Strophen lauten im Original sowie in Picks und Bablers Fassungen wie folgt: Březina 1895: Motiv z Beethovena To z dálky staletí van tichý v tvář mi nedých, tvých tónů byl to hlas pod okny duše mé, jenž na mne volal: Pojď a v svitu září bledých a v zlatém dešti hvězd se koupat budeme. Spí vůně v zahradách a blankyt na jezerech, zor příštích andante do poupat zavřel květ, spí písně v teple hnízd a v dálek pološerech vír barev zpěněný kles ke dnu tich a šed. Pick 1913 (Březina 1913): Motiv aus Beethoven Das war kein leiser Hauch aus ewigfernen Jahren, vor meiner Seele Fenstern stieg zu mir Klang deiner Töne: Komm, im wunderbaren Goldregen unserer Sterne baden wir. Duft in den Gärten schläft und Himmelsblau in Teichen, künftiges Morgenrot schloß sich in Blüten und die Lieder schlafen warm in Nestern; fern entweichen siehst du den Farbenschaum, grau sinkend auf den Grund. Babler 1938/1921 (Březina 1938): Ein Motiv aus Beethoven Es war ein Windhauch nicht aus allerfernsten Zeiten, nein, Deine Stimme rief, nah meinem Geist, nach mir: „Komm mit – und in dem Glanz der fahlen Herrlichkeiten und in dem golden Sprühn der Sterne baden wir. Im Garten ruht der Duft, die Bläue auf den Teichen, die Knospen hüllten ein das künftige Morgenrot, warm ruht im Nest das Lied und zu den fernen, bleichen Gefilden sank hinab die Farbenglut verloht.230
229 Das Thema wird in Březinas dekadenter Phase mehrmals variiert (Vojvodík 1998: 80ff.). 230 Die Anführungszeichen markieren in Bablers Version ausdrücklich den Monolog Beethovens bzw. der Musik selbst, der sich bis zum Gedichtschluss erstreckt.
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Die regelmäßige und symmetrische Formarchitektur des Textes entspricht der auf motivisch-thematischer Ebene dargebotenen raum- und stabilitätsgebenden Kraft der Musik, die den intimen diesseitigen Raum, die weite Halle des Kosmos, die Todesgruft wie auch das ‚Schlafzimmer‘ auf der Ewigkeit schafft. Pick bewahrt die vierzeiligen Strophen mit dem Jambus und dem Wechsel zwischen weiblicher und männlicher Kadenz, doch die Zäsuren und damit die Zeilensymmetrie des Alexandriners löst er ersatzlos auf. Seine Zeilen schwanken unregelmäßig zwischen dominanten Sechshebern und Fünfhebern, einmal belässt er einen Achtheber. Picks Motiv wirkt dennoch rhythmisch kohärent und geschlossen – manche seiner Reime jedoch ausgesprochen unglücklich. So sticht z. B. in der zweiten Strophe das semantisch sowie syntaktisch redundante „und“ in der betonten Zeilenschlussposition hervor. An dieser Stelle nahm Pick eine Korrektur in der Ausgabe von 1917 vor, indem er das „und“ durch ein kontextuell berechtigtes – und dennoch eher nur reimfüllendes „bunt“ ersetzte. Der Wortschatz, der syntaktische Aufbau und die Reime der Pick’schen Version wirken gegenüber dem feierlichen, teils exotisierenden und teils sprachlich verfremdenden Original insgesamt konventioneller – bereits die unübliche syntaktische Lösung des negierten Bildes im ersten Vers wird in Picks Syntax nivelliert. Eine rein spekulative Frage ist dann, ob nicht gerade dank dieser Verschiebungen das fast zwanzig Jahre früher entstandene Gedicht für die Leser der expressionistischen Generation nicht akzeptabler geworden ist. Babler, dessen Lyrikübersetzungen nicht selten eine glückliche Balance zwischen adäquater Rhythmik, poetischer Bildlichkeit und semantischer Dynamik fanden,231 gab die formale Ordnung getreuer wieder. Dafür gibt es motivische Einbußen, insbesondere die Abschwächung der zentralen musikalisch-akustischen Motivik (nur in den ersten zwei Strophen verlieren sich ersatzlos „tóny“, „andante“ und „tich“ /still/); mit dem Verlust des Liebesgesangs vor dem Fenster treten auch die erotische Komponente und das Grenzmotiv zurück. Trotzdem wirkt Bablers Übersetzung in stilistischer und syntaktischer Hinsicht adäquater dank des feierlichen Tons und einer umsichtigen Verwendung stilistisch markierter Lexik und verfremdender syntaktischer Figuren. Ein Vergleich der Gedichte Březinas in den deutschen Fassungen von 1913 bis 1926 (Pick 1913/1917; Saudek 1915; Ehrenstein 1915/1917; Eisner 1917; Saudek/Werfel 1920; Babler 1921; Fuchs 1926) bestätigt bezüglich Saudeks 231 Siehe etwa den Vergleich seiner Übersetzungen von Rilkes Herbsttag mit anderen tschechischen Fassungen in Kundera/Trávníček (1992).
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Übersetzungen im Grunde die Befunde, die von Jähnichen (1972: 295ff.), Nezdařil (1985: 156ff.) und Binder (2003: 41ff.) formuliert wurden: Er folgt primär dem Prinzip der ideellen Treue,232 was in der Regel eine minutiöse Wahrung des imaginierten Bilds bedeutet und nicht selten zu einer fast interlinearen Anlehnung an die Vorlage führt. Die Musikalität der Březina’schen Sprache bewahrt er, mit der Form geht er aber frei um, stellenweise löst er den Versrhythmus ganz auf. Beispiele aus drei Gedichten aus den Winden – Wo schon vernahm ich?... bzw. Wo denn hörte ich schon,233 Sommersonnenwende234 und Gebet für die Feinde235 – belegen gleichwohl, dass das Saudek’sche Übersetzungsverfahren deutliche Schwankungen aufweist. Die Verse 3 bis 8 aus dem erstgenannten Gedicht lauten: Březina 1897, Kde jsem už slyšel?...: V závrati, jak by staleté víření země v soumracích světů se uvědomilo v mé duši, přítomnost druhého žití jsem cítil. – // Od země k zemi a od slunce k slunci těžkými údery padalo ticho a jeho echem nové ticho vstalo z mých hlubin, jiné ticho než ticho země: Dýcháním tisíců vřelo, staletími polibků, závratným mlčením srdcí, jež přestala bíti, letem všech mrtvých a budoucích křídel, paprsků věčnými symfoniemi, […] Pick 1913, Wo schon vernahm ich?...: Im Taumel, als würde das ewige Kreisen der Erde in den Wolken der Welten in der Seele bewußt mir, kam Gefühl des anderen Daseins in mich. // Von Erde zu Erde, von Sonne zu Sonne fiel Stille herab mit schwereren Schlägen und neue Stille als Echo entstieg meinen Tiefen, andere Stille als die Stille der Erde: sie brauste vom Atemzug Tausender, von hundertjährigen Küssen, vom schwindligen Schweigen längst nicht mehr pochender Herzen, vom Flug aller toten und künftigen Flügel, von den ewigen Symphonien der Strahlen, […] Saudek 1915, Wo hört ich denn schon?...: Ohnmächtig, wie wenn der Erde unzählige Drehungen rasend durchkreisten
232 Im Vorwort zu den Händen deutet Saudek an, dass dieser Zugang durchaus reflektiert war. Er drückte die Hoffnung aus, der Leser werde „in seiner Freude über die gefundenen Ideenschätze mir vielleicht verzeihen, daß meinen schwachen Kräften, nach der formellen Seite hin, nicht alles völlig gelungen ist“ (Březina 1908b: 7). 233 Orig. Kde jsem už slyšel?... (Březina 1897: 12f.); Übersetzungen von Pick 1913 (Březina 1913: 20–23); Saudek 1915 (Březina 1915c: 14–16); Saudek/Werfel 1920 (Březina 1920a: 16–18). 234 Orig. Letní slunovrat (Březina 1897: 39); Übersetzungen von Saudek 1915 (Březina 1915c: 45); Eisner (1917: 71f.); Saudek/Werfel 1920 (Březina 1920a: 52); Fuchs (1926: 59f.). 235 Orig. Modlitba za nepřátele (Březina 1897: 14f.); Übersetzungen von Pick 1913 (Březina 1913: 8–11); Ehrenstein 1915 (Březina 1915b); Saudek 1915 (Březina 1915c: 17–19); Saudek/Werfel 1920 (Březina 1920a: 19–25).
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in dämmriger Weltkörper Dunste das Hirn mir, fühlt ich die Gegenwart des andern Lebens. // Von Erde zu Erde, von Sonne zu Sonne, mit wuchtigen Schlägen einfiel die Stille und durch ihr Echo erwachte die Stille, andere Stille als Stille der Erde: Schwoll vom Atem von Tausenden, von Äonen von Küssen, von Herzen, die nicht mehr schlagen, schwindligem Schweigen, vom Flug aller toten und künftigen Schwingen, ewigen Symphonien von Strahlen, […] Saudek/Werfel 1920, Wo denn hörte ich schon: Im Taumel, als würde des Erdballs uralte Drehung – im Zwielicht des Sternraums – sich mächtig in meiner Seele umwälzen, fühlt’ ich die Gegenwart von dem anderen Leben. // Von Erd zu Erde, von Sonne zu Sonne mit wuchtigem Hammer fiel nieder die Stille. In ihrem Echo hob sich die neue Stille aus meinem Abgrund, doch glich sie nicht jener Stille der Erde. Sie schwoll von Atem der Zahllosen an, von all den je nur geküßten Küssen, vom trunkenen Schweigen, der ausgeschlagenen Herzen, vom Flügelschlag aller vergangenen und werdenden Flügel, vom Strahl der ewigen Symphonien, […]
Der freie Umgang mit der Form ist in der letzten Version (V. 3 u. 7) ersichtlich und kann vermutlich auf Werfel zurückgeführt werden. Bestimmend war dabei nicht die Unterordnung der Form unter den ideellen und bildlichen Gehalt, sondern vielmehr die Bestrebung um verständlichere Gedichte, wie sie Werfel dem Verlag gegenüber äußerte, etwa am 2. September 1919: „Sie werden hoffentlich fühlen, wie sehr ich durch mein eigenes Wort den allzu spekulativen und allzuwenig plastischen Dichter verdaulich gemacht habe“ (Wolff 1966: 332). Die typische daktylo-trochäische Rhythmisierung von Březinas freien Versen wird von Pick streckenweise bewahrt (manchmal übersetzt er regelmäßiger, V. 7). Der Rhythmus von Saudeks Übersetzung ist freier, der rhythmisierten Prosa nah (abgesehen von der Kumulation des „von“; V. 7). Der unregelmäßige Wechsel von Zeilen mit und ohne Auftakt ist bei Saudek üblich. Saudek/Werfel sind in dieser Hinsicht deutlich ‚getreuer‘ und systematischer. Die Übereinstimmungen, die man zwischen Pick 1913 und Saudek 1915 feststellt, sind nicht als Plagiat anzusehen; es handelt sich um Passagen, die kaum Spielraum für sinnvolle abweichende Lösungen ließen, und von den beiden Übersetzer sehr nah an der Vorlage übersetzt wurden. Bei Saudek sieht man aber eine für ihn nicht typische, doch letztlich auch nicht seltene Loslösung von der Bildlichkeit des Originals, die einigermaßen gegen die deklarierte Treue geht. Die Bedeutungsverschiebung von „víření […] se uvědomilo v mé duši“ (von Pick wortgetreu wiedergegeben), zu „durchkreis-
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ten […] das Hirn mir“ erscheint noch adäquat, zusammen mit dem fehlenden Äquivalent zu „z mých hlubin“ (V. 6) verliert sich aber aus Saudek 1915 ein für den thematischen Aufbau des Gedichts wichtiger Aspekt ganz: Die ‚neue‘ Stille ist in Březinas Gedicht eine Reaktion auf die ursprüngliche Stille, sie kommt nicht bloß „von Erde zu Erde“ zustande, sondern entspringt dem lyrischen Subjekt. Derweil Saudek/Werfel durch die Metapher „sich mächtig in meiner Seele umwälzen“ das Bewusstwerden etwas verunklaren, kommen sie mit den Worten „in meinem Abgrund“ der responsiven Logik der Vorlage näher. Saudek 1915 übersetzt eine Reihe von Stellen frei und hinsichtlich der Bildlichkeitsstruktur einfacher, z. B. V. 26: „bledé jiskření barev, jež prýštělo z ledových květů mých oken“ – „das blasse Farbengefunkel der Eisblumen auf meinen Fenstern“. Hier und auch im V. 34 erscheint eher Picks Übertragung als eine Wort-für-Wort-Version, während Saudek die Wortfolge verfremdet und die Synästhesie nicht beachtet, die bei Saudek/Werfel wieder angedeutet wird: „Sladká tvá vzpomínka zbyla mi v duši, jak vonná tma po uhaslém světle“ – „Dein süßes Erinnern blieb mir in der Seele, wie duftiges Dunkel nach löschendem Lichte“ (Pick) – „Selig Erinnern blieb in der Seele mir, wie wohliges Dunkel, wenn Lichter erloschen“ (Saudek) – „Süß blieb Erinnerung traulich in mir, gutes Dunkel, wenn lang schon die Lampe auslosch“ (Saudek/Werfel). Saudeks Übersetzungen sind nicht standardmäßigen Formen gegenüber offen (wie z. B. die Pluralformen „Stillen“, „Regen“), Saudek/Werfel meiden sie konsequent – und konventionalisieren manche Motive der Vorlage, die von Pick und Saudek bewahrt werden: z. B. „staletá zrání“ (V. 9) werden um den Preis der Wiederholung des Adjektivs als „ewiges Reifen“ übersetzt. An anderen Stellen, möglicherweise denjenigen, wo Werfel auf eine Dynamisierung der von ihm empfundenen Monotonie Březinas hoffte,236 setzt die Version von 1920 gegenüber Pick und Saudek auf expressivere Ausdrucksmittel (z. B. „bouřemi dávných moří“ – „vom Sturme einstiger Meere“ /Pick/ – „Sturm vermoderter Meere“ /Saudek/Werfel/) und schwächt die Expressivität des Originals dort nicht, wo Pick und Saudek es tun („výkřiky snění“ – „Schreie im Träumen“ /Saudek/ – „Aufschrei des Traumes“ /Saudek/Werfel/). Aus dem Vergleich der vier Versionen der Sommersonnenwende geht für Saudek 1915 sein durchaus typisches Verfahren hervor – die Visionen und Motivkonstellationen werden genau wiedergegeben, bei syntaktischen Figuren schwankt er zwischen sorgfältiger Nachbildung und vollkommener Neutra236 Laut einem Brief an den Verlag vom 1. Juli 1919 habe er „alles beibehalten, selbst den monotonen Rhythmus – aber wo es nur ging durch Alliteration, Assonanz, Binnenreim Leben hineingebracht“ (zit. nach Binder 2003: 41).
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lisierung (z. B. Březinas häufige Inversionen wie im ersten Vers „Sad modrý dálek jak voní! /…/“ – „Wie duftet der Hain blauer Fernen“ /Saudek 1915/ – „Wie duftet der Fernen blauender Garten!“ /Eisner 1917/ – „Park blauer Fernen wie duftend!“ /Saudek/Werfel 1920/ – „O Parkferne, Dämmer und Duft!“ /Fuchs 1926/). Während Březina das Maß von siebenhebigen daktylo-trochäischen Versen nur in drei Zeilen auf Sechsheber reduziert, oszilliert Saudek zwischen sechs- und zehnhebigen Zeilen; Eisner und Fuchs behalten die Form mit kleinen Abweichungen. Von Saudek/Werfel wird sie auf einen konventionelleren Sechsheber (mit zwei siebenhebigen Zeilen) gerafft. Vielfach konturieren sie die subtilen Bilder Březinas stärker, etwa in der letzten Strophe: Březina 1897: Hle, cestou v obilí skrytou, v tajemném zachvění celého kraje, žnec neviděn kráčí, však po klasech lesk jeho ocele hraje … Saudek 1915: Sieh auf dem Fußpfad, im Getreide verborgen, in des ganzen Gaues heimlichen Beben, unsichtbar schreitet ein Schnitter, doch auf den Ähren spielt seines Stahles silbernes Weben. Eisner 1917: Sieh, auf ährenbeflutetem Pfad in der Landschaft geheimem Erbeben ungesehn schreitet der Schnitter, doch über den Ähren Reflexe der Stahlklinge schweben … Saudek/Werfel 1920: Auf verborgenem Rain im Getreide das heimliche Beben durchqueren sieh den unsichtbaren Schnitter – ein Sensen-Licht über den Aehren. Fuchs 1926: Und siehe, verdeckt im Gefild, da seltsame Schauer den Umkreis durchqueren, schreitet der Schnitter einher, und der Sense Glanz spielt auf den Ähren.
Durch die Verschiebung des appellativen „sieh“ in den letzten Vers und die Essenzialisierung des Attributs „ungesehen“ in „unsichtbar“ verdeutlichen Saudek/Werfel das Oxymoron „sieh den unsichtbaren“ – während es von Fuchs ersatzlos ausgelassen wird. Fuchs geht mit dem motivisch-thematischen Material wohl am freiesten um, angefangen mit den oben zitierten ersten Worten des Gedichts, mit denen er nicht nur den Ausruf unterstreicht, sondern auch den ohnehin deutlichen Nominalstil Březinas noch verstärkt. Nicht nur vom Reimzwang, sondern vielleicht auch von einer Tendenz, Březina in einen etwas anderen thematischen Rahmen zu versetzen, zeugt Fuchs’ Tausch des zentralen Motivs „Pfingsten“ für das „Gewitter“ (welches
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im Paarreim mit „Gitter“ eine eher sozialrevolutionäre Note bekommt). Eisners Übersetzung belegt hier weder die von Nezdařil (1985: 165f.) festgestellte Tendenz zur ungebührlichen motivischen Erweiterung der Vorlage noch eine unverhältnismäßige Gradation. Vielmehr handelt es sich – wie auch an der letzten Strophe ersichtlich – um die lexikalisch getreuste der veröffentlichten Versionen. Und auch die am wenigsten lebhafte. Zu den meistübersetzten Gedichten Březinas gehört Modlitba za nepřátele (Gebet für die Feinde) aus den Winden. Das „Gebet“ ist primär nicht als Genrebestimmung zu verstehen, sondern eher der ersehnte Gegen- bzw. Zustand. Šalda brachte das Thema wohl treffend auf den Punkt: Auch das gegeneinander Kämpfende steuert einem gemeinsamen Ziel zu, dem „Zweck der Vervielfältigung und Aufwertung des Lebens“ (Šalda 1897: 8). Davon geht auch Saudeks später formulierte Deutung des Gedichts aus.237 Die Eingangszeilen des Gedichts illustrieren den Umgang der Übersetzer mit der Vorlage: Březina 1897: Tvou mocí náš ruměnec přelil se do tváří nepřátel našich, když tváře nám zsinaly bázní, a světla ve zracích nepřátel učinils jasná jak hvězdy soumrakem naším. Pick 1913: Deine Macht schuf, daß unsere Röte in die Wangen unserer Feinde hinüberfloß, als unser Antlitz vor Bangen erblaßte, und das Licht in den Blicken der Feinde machtest du klar wie Sterne durch unsere Bewölktheit. Saudek 1915: Dein mächtiger Wille drängte aus unseren Wangen das Blut ins Antlitz der Feinde, als unsere Wangen schreckensfahl blichen, und das Augenleuchten der Feinde machtest du klar wie die Sterne durch unsere Wolken. Ehrenstein 1915: Dein mächtiger Wille stieß aus unsern steinfahlen Wangen das Blut ins Antlitz der Feinde, und das Augenleuchten der Feinde machtest Du klar wie die Sterne durch unsere Wolken. Saudek/Werfel 1920: Durch deinen Machtspruch geschah’s, daß unsere Wangen erblichen, als sich ihr Blut 237 Saudek (1933/34: 101ff.); Červenka (1991: 13f.) sprach von einer „schmerzlichen Konfession zum Thema […] der Feindschaft“ und der Sehnsucht nach einem Gebet für die Feinde.
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ausgoß in die Wangen der Feinde. Die Augenlichter der Feinde klärtest du hell zu Sternen über unserem finstern Gewölk.
Eine vom Original weitgehend unabhängige Form ist wieder bei Saudek/Werfel ersichtlich; durch die Zergliederung der 53 originalen Langzeilen in 175 zwei- bis vierhebige Kurzverse (meistens Dreiheber mit Daktyl-Tendenz) wird der Zeilenumfang mehr als verdreifacht. Dadurch werden u. a. die Melodie und die Gewichtung der Versakzente, die sich im Original in breiteren Rahmen realisieren, auf viel kleinere Perioden eingeschränkt. Es lässt sich vielleicht annehmen, dass dadurch der Rhythmus der Einzelbitten eines oralen Gebets (vgl. das Vaterunser) evoziert wird. Auf jeden Fall bewegt sich diese Fassung an der Grenze zwischen stark dynamischer Äquivalenz und Genretransformation. In semantischer Hinsicht ist die rationalisierende syntaktische Umstellung des ersten Verses für Saudek/Werfels übersetzerische Lösungen typisch. Während Saudek 1915 den freien, dominant daktylischen Rhythmus des Originals am getreusten bewahrt, dichtet Ehrenstein streckenweise in Trochäen nach (siehe die unten zitierte Schlusspassage). Pick leistet hier wieder, was man vielleicht von Saudek erwarten würde: beinah eine Interlinearübersetzung, mit der verglichen auch Saudek 1915 deutlich flüssiger erscheint. Die strophische Gliederung des Originals (fünf Strophen von sieben, zehn, drei, vier und 29 Zeilen) wird von Pick und Saudek beibehalten, Ehrenstein kommt auf fünf Strophen, wobei er die dritte und vierte Strophenscheide verschiebt. Saudek/Werfel teilen den Text in vierzehn Strophen. Dabei verselbstständigen sie die erste Zeile des folgenden Abschnitts gleichsam zu einem Refrain: Březina 1897: Těžký stín tajemství tvého leží mezi dušemi jejich a námi. Vítězství naše jsou cestami k tobě a v přemožení našem vítězství neviditelná. Svištění mečů šelestí nárazem klasů tajemných zrání. Rány mají echa svá v dálce. Pick 1913: Deines Geheimnisses schwerer Schatten liegt zwischen ihren Seelen und uns. Wege zu dir sind unsere Siege und unsichtbare Siege sind in unserer Überwindung. Dem Zischen der Schwerter mischt sich das Rauschen der Ähren geheimnisvollen Reifens.238 Echo der Hiebe erklingt in der Ferne.
238 Hier nahm Pick auf Saudeks Anregung in der Ausgabe von 1917 eine Änderung vor, die die Logik des originalen Bildes (Identifikation beider Teilperzeptionen) betraf: „Der Schwerter Zischen ist Rauschen aneinander schlagender Ähren […]“.
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Saudek 1915: Deines Geheimnisses Schatten legte sich schwer auf den uralten Zwiespalt unserer Seelen! Wege zu dir sind unsere Siege und unsichtbar Siegen ist unser Besiegtsein. Im Schwertergeklirr rauscht der Anprall geheimnisvoll reifender Ähren. Sein Echo hat jeder Schlag in der Ferne. Ehrenstein 1915: Deines Geheimnisses Schatten senkte sich kalt – unserer Seelen Zwiespalt ist alt! Wege zu Dir sind unsere Siege – unsichtbar Siegen ist unser Besiegtsein. Im Schwertgeklirr rauscht der Brudersang sich mystisch umarmender Ähren! Saudek/Werfel 1920: Deines Geheimnisses schwerer und uralter Schatten ruht wuchtig im Tal zwischen ihren und unseren Seelen. Unsere Siege sind Wege zu dir, doch selbst unsere Niederlagen bedeuten unsichtbaren Sieg. In den sausenden Sieben der Schwerter saust auch das Klirren der Aehren der geheimnisvoll reifenden Ernte. O wie freudig schallen die Schläge aus der Ferne als Echo zurück!
Während Picks Version wiederum eine wortgetreue Übertragung ins Deutsche bietet, sticht der fast willkürliche Umgang Ehrensteins mit der Motivik wie auch der Form hervor. In semantischer Hinsicht ist die Vorlage kaum erkennbar und der kontextfremde Reim „kalt“ – „alt“ mit der Ausrufeform ergibt eine fast saloppe Wirkung. Saudek/Werfel konkretisieren „liegen“ kontextkonform (kriegerische Heerlager), die Erweiterung der folgenden Zeilen (durch „doch selbst“, „bedeuten“) expliziert die Verhältnisse der einzelnen Vers- bzw. Satzteile. Es handelt sich um Erweiterungen der Textur, die nicht etwa durch Unterschiede zwischen der Ausgangs- und Zielsprache bzw. -kultur erzwungen sind. Das Ergebnis ist eine weniger komprimierte und – durchaus dem Sinnangebot des Originals folgend – verständlichere Textur. Es ist allerdings zu fragen, ob damit der Aspekt der semantischen Ambiguität als integrale Bestandteile von Březinas Poetik nicht allzu sehr zurückgedrängt wird. Es finden sich schließlich auch bei Saudek/Werfel übersetzerisch recht diskutable Stellen, wie z. B. hier die vereindeutigende Ergänzung „O wie freudig schallen […]“, für die es im Original keinen Anlass gibt.
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Die Frage, ob sich etwa Ehrensteins Nachdichtungen als ‚expressionistische‘ Versionen von Březina bezeichnen lassen (etwa wegen einer Steigerung formaler und semantischer Spannungen und Kontraste, die in Ehrensteins eigenen Dichtungen derart hervorragen), kann nicht bejaht werden. Am Ausgang des Gebets ist es sichtbar: Březina 1897: V poledne zápasu našeho ať zvoní nám éterné polibky duší, smířených smrtí, a tváře rozpálené odvěkou vinou ať ochladí rosa nového stínu, v němž i my duše svých nepřátel proniknem jednou v lítosti lásky, kterou jsme zapřeli s pláčem a v růžovém dešti polibků mrtvých, kterým jsi přikázal zvadnouti na rtech zápasícího! Pick 1913: Mögen im Mittag unseres Kampfes uns klingen die ätherischen Küsse der im Tode versöhnten Seelen, und die von der ewigen Schuld entzündeten Wangen kühle der Tau eines neuen Schattens, in dem auch wir die Seelen unserer Feinde dereinst im Grimme der Liebe durchdringen, die wir leugneten weinend und im rosigen Regen der Küsse der Toten, denen du befahlst, zu welken auf den Lippen des Kämpfers! Saudek 1915: In den Mittag unseres Ringens läute uns Klingen ätherischer Küsse der Seelen, die im Tode fanden Versöhnung, und Wangen, entflammt von der Erbschuld, kühle der Tau des neuen Schattens in welchem auch wir die Seelen der Feinde einmal durchdringen in reuiger Liebe, die wir unter Tränen verleugnet und im Rosenregen der Küsse der Toten, denen zu welken auf Lippen der Kämpfenden du hast befohlen! Ehrenstein 1915: Siehe, wir leugneten Liebe: da welkte der Rosenregen der Küsse auf Lippen der Kämpfer. Aber in den Mittag des Ringens sing uns endlich Klingen ätherischen Jubels im Tode versöhnter Seelen! Euch Wangen, entflammt von der Erbschuld, kühle der Tau des neuen Schattens, in dem sich die feindlichen Seelen umhimmeln innigen Gattens. Saudek/Werfel 1920: Durch den Mittag unserer Gefechte möge uns läuten die Glocke ätherischer Küsse der im Tode versöhnten Seelen. Gib, daß auf unsre vom Schamrot der Erbschuld entbrennenden Wangen der Traumwind des neuen Schattens kühlend sich senke,
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Das Gedicht Magické půlnoci (Magische Mitternacht /Březina 1920a: 44/) aus der Sammlung Větry od pólů in verschiedenen Fassungen aus Emil Saudeks Nachlass: links aus dem Konvolut Passate mit Danksagung (nicht abgebildet): „Dem Dichter Albert Ehrenstein wertvollste Anregungen dankbar eingedenk / der Übersetzer“; rechts aus den Korrekturfahnen vom Juli 1915 mit dem Titel Winde von den Polen, mit Eingriffen mehrerer Korrektoren, wahrscheinlich auch A. Ehrenstein (ES). in welchem auch wir einst mit unseren Seelen die Seelen der Feinde durchdringen in reuiger, leidvollster Liebe. …..O Liebe, wir leugneten dich einst unter Tränen, als die Küsse der Toten uns trafen, ein Regen von Rosen, die du geheißen zu welken auf Lippen der kämpfenden Menschen!
Während in der Vorlage und allen anderen Fassungen der Gedichtausgang durch eine unaufhebbar paradoxe Verschränkung der verheißenen Liebesgemeinschaft und Gottes Geheiß des Küsseregens im (und für den) Kampf bestimmt wird, verklärt Ehrenstein diese Paradoxie durch Umstellung der Verse, Auslassung der göttlichen Weisung zum Kampf – und v. a. durch das gesuchte
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Korrekturfahnen der gleichen Sammlung mit dem definitiven Titel Winde von Mittag nach Mitternacht, mit Kommentaren von Franz Werfel, Januar 1920 (ES).
„umhimmeln innigen Gattens“ – in einen (ersehnten) eindeutigen Sieg der Liebe. Das hängt mehr mit der Situativität der Übersetzung zusammen – hier also mit Ehrensteins Pazifismus und dem Bestreben, jeglichen Schimmer einer Legitimierung des stattfindenden Kriegs zu meiden, – als mit einer ästhetisch-kompositionellen Präferenz des Übersetzers. Und dennoch lässt sich die konventionalisierende (ja, banalisierende) Tendenz in Ehrensteins Lösung kaum leugnen. Eine situative Anpassung bzw. Aktualisierung der Übersetzung in dem hier erwogenen Sinn war für Emil Saudek kaum denkbar (genausowenig wie das Ideal einer ‚vollständigen‘ Übertragung der komplexen Textur). Schon deswegen, weil ihm die Poesie Březinas kein zeitgemäßer Wegweiser, sondern, wie er in seinem Essay zum 50. Geburtstag des Dichters bekennt, bleibende Pforte und Gewähr der „wahren Heimat im überpersönlichen absoluten Leben“ (Saudek 1918/19b: 26) war. Und deswegen, weil seine Übersetzungskonzeption nicht nur mit der Vorstellung einer Texttransformation, sondern eines inneren Wandels verbunden ist, der vom Original ausgeht und gleichermaßen den Übersetzer wie auch die Rezipienten betrifft: „Denn am Schlusse der Wanderung steht als Lohn die Erkenntnis, dass man sich selbst wandeln müsse, um im Wirrsal der dämonischen Welt zu bestehen.“239 239 Notiz aus dem Privatnachlass Emil Saudeks; dazu siehe Kapitel V. von J. Vojvodík: 179.
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VIII. Expressionistische Konnexe und Kontexte Emil Saudeks
1. Vorbemerkungen Die intensivste Phase von Emil Saudeks übersetzerischer und publizistischer Tätigkeit deckt sich ungefähr mit der Periode des literarischen Expressionismus, und ein erster Blick in seine Korrespondenz verrät, dass ihm die Kontakte mit Expressionisten wie Albert Ehrenstein oder Hugo Sonnenschein in bestimmten Zeitspannen wichtig waren. Er publizierte auch in Zeitschriften und Verlagen, die mit dem Expressionismus verbunden waren. Daher liegt es nahe zu fragen, wie eng und produktiv Saudeks Interaktionen mit derartigen expressionistischen Kontexten waren und mit welcher Motivation er evtl. mit den expressionistischen Positionen übereinstimmte. Da er sich auch in diesen Aspekten seiner Tätigkeit im breiteren Rahmen der Vermittlung zwischen deutsch- und tschechischsprachiger Literatur bewegte, ist es angebracht, nach einigen Anmerkungen zum Expressionismus-Begriff und zur Problematik des Expressionismus in Österreich auf manche Züge der ExpressionismusRezeption in der tschechischen Literatur hinzuweisen. Der deutschsprachige Expressionismus stellte ca. 1910 bis 1925 eine in ästhetischer Hinsicht heterogene Generationsbewegung dar. Der gemeinsame Nenner der darin einbegriffenen Tendenzen und Individualitäten (meistens um 1880 bis 1900 Geborene) war ein gegen die im 19. Jahrhundert etablierte bürgerliche Ordnung und seine Werte, Konventionen und Institutionen gerichteter Protestgestus. Als Stilbegriff und hinsichtlich des thematischen Profils lässt sich jedoch der Expressionismus kaum anders als anhand eines variablen Sets von typischen Merkmalen definieren;240 nur auf einen solchen, 240 Zur Diskussion um den Expressionismus-Begriff s. Brinkmann (1980: 71ff.), Anz (2010: 2ff.) oder Beetz (2007). Hier werden folgende zentrale Merkmale in Betracht gezogen: Gesteigerte Form- und Ausdrucksreflexion und Absetzung von formgeschichtlich kon-
VIII. Expressionistische Konnexe und Kontexte Emil Saudeks
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weitgehend diffusen Epochenbegriff können sich ästhetische Vergleiche und Aussagen über die Interaktionen seiner Akteure stützen. Der österreichische Expressionismus wurde von der Forschung gegenüber den deutschen Hauptzentren lange vernachlässigt, evtl. vom ‚eigentlichen Expressionismus‘ durch klischeehafte Wertungen abgesetzt, in Österreich habe es sich um einen weniger radikalen, stärker metaphysischen und nur wenig aktivistischen bzw. politischen Ableger gehandelt. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts haben die Publikationen von Armin A. Wallas, Klaus Amann und anderen Forschern einen differenzierteren Blick auf den Expressionismus in Österreich gewährleistet (zur Forschungsgeschichte s. Amann/ Wallas 1994: 11ff.; Wallas 2008: 9ff.). Hier sei nur darauf hingewiesen, dass auch die neueren Arbeiten durchaus mit Fischer (1994) darin übereinstimmen, dass sich der österreichische Expressionismus als Phänomen literarischer Netzwerkbildung um die Jahre 1917 bis 1921 entfaltete, vorher (und seltener nachher) ging es eher um Einzelakteure, die evtl. an die Netzwerke in Deutschland und der Schweiz angebunden waren, oder um Plattformen, die nur bedingt als expressionistisch gelten. Neben dem Innsbrucker Brenner fungierte eine solche Plattform auch in Wien: der 1908 von Studenten gegründete Akademische Verband für Literatur und Musik, dessen Veranstaltungen nicht selten avantgardistischen Erscheinungen der europäischen Kultur,241 aber auch älteren Modernisten wie Schnitzler oder Hesse gewidmet waren (zum Profil des Vereins s. Schweiger 1983). Der Verband gab 1912/1913 die Zeitschrift Der Ruf heraus, zu deren Mitarbeitern und Beiträgern u. a. Paul Stefan, Robert Müller, Emil Lucka, Ernst Lissauer, Albert Ehrenstein oder Ludwig Ullmann gehörten (Wallas ventionelleren Strömungen der bisherigen Moderne, Steigerung der sprachlichen und kompositionellen Spannungen und Kontraste, Verzerrung, Dynamisierung, Aggressivität und Plakativität der Darstellung (Beetz 2007: 550). Statt dem Mimesis-Prinzip neigt der Expressionismus zum künstlerischen Wirklichkeitskonstruktivismus. Thematische Präferenzen: Orientierungsverlust, Ich-Dissoziation, Betonung der zentralen emphatischen Wörter ‚Geist‘ und ‚Essenz‘, Vitalismus und Voluntarismus, Konfliktorientierung und Kampfesrhetorik, Diagnose der Gegenwart als Krise und Ausblick auf die Neuordnungskonzepte des ‚neuen Menschen‘ – oft als Kollektivum der ‚neuen Gemeinschaft‘ –, der neuen Sprache, der neuen Weltsicht oder Religion. Die Präferenz des Außenseitertums und der Peripherie geht nicht selten in Exotismus und Primitivismus über (Anz 2010: 45ff.). 241 Z. B. Adolf Loos’ kunsttheoretische Vorträge, die Wanderausstellung Die Futuristen der Berliner Sturm-Galerie, Arnold Schönbergs Skandalkonzert vom März 1913, die Internationale Schwarz-Weiß-Ausstellung mit Graphiken von Expressionisten wie Ernst Barlach, Max Beckmann, Oskar Kokoschka.
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1995: 64ff.). Saudek war die Tätigkeit des Verbands nicht entgangen, spätestens seit der Lesung aus Machars Poesie im Januar 1912, über die er in der tschechischen Zeitung Čas knapp referierte.242 Die avantgardistische Tendenz des Verbands reflektierte er dabei jedoch nicht, sondern wies auf den kulturvermittelnden Aspekt der Veranstaltung hin (Saudek 1912a). Für die zentrale Phase des Wiener Expressionismus um 1918 lässt sich keine geringere inhaltliche und formale Radikalität als für den deutschen behaupten, sondern vielmehr eine intensivere (und einschränkende) Prägung durch Polemiken gegen offizielle Institutionen und gegen unabhängige etablierte Größen des österreichischen Literaturbetriebs, wie es an einer Reihe der Vorstöße Karl Kraus’ „in scharfer Form gegen Werfel, Gütersloh und Blei, gemäßigter gegen Ehrenstein und Sonnenschein“ (Fischer 1994: 40) sichtbar ist, denen er einmal vorwarf, „ihre Pubertätskrisen mit Maschinengewehren“ austragen zu wollen, ein andermal, durch Weltflucht ihren Dilettantismus zu kaschieren (ebd.).243 Mit zwei zentralen Figuren des Wiener Expressionismus – Sonnenschein und Ehrenstein – war Saudek befreundet und widmete ihnen seit 1911 mehrmals Besprechungen. Nach 1918 erschienen einige seiner Übersetzungen in den Zeitschriften Daimon, Der neue Daimon und Initiale. Die Rezeption des deutschsprachigen Expressionismus in der tschechischen Literaturkritik244 kam in den 1910er Jahren eher sporadisch zustande. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war sie Bestandteil der Formierung und Selbstverständigungs-Debatten einiger Kreise der tschechoslowakischen Avantgarde.245 Auch vor 1914 war sie jedoch nicht unbedeutend.246 Karel 242 Siehe auch Kapitel I. von L. Merhautová: 50–52. 243 Saudek trat in diese Polemiken indirekt ein, als er im Oktober 1920 eine Besprechung der Broschüre Karl Kraus von Albert Ehrenstein veröffentlichte. Darin stimmte er, mit dem Vorbehalt, dass man Kraus nicht verblendet kritisieren solle, durchaus mit Ehrensteins Ausfällen gegen Kraus’ „pharisäisches Richtertum“ (Saudek 1920d) überein. An der nachfolgenden Polemik zwischen Kraus und Ehrenstein beteiligte sich Saudek nicht mehr. 244 Einen Gesamtüberblick und eine bibliographische Zusammenstellung dieser Debatten bietet Jelínková (2010), vgl. insbesondere die Beiträge in Kubíček/Wiendl (2017). 245 Auch die tschechische Expressionismus-Debatte nach 1918 bestätigt jedoch, dass der Expressionismus-Begriff für tschechische Autoren immer durchaus problematisch war. Während Karel Teige und Bedřich Václavek den Expressionismus für seine „formalistische Esoterik“ (Teige 1921: 124) und „vollständige Vergeistigung“ (Václavek 1924: 3) ablehnten, plädierte der Sprecher der Brünner Literární skupina [Literarische Gruppe] František Götz für eine Überwindung seiner Extreme und für einen tschechischen Expressionismus als „Poesie der Liebe“ mit starker proletarischer Prägung (Götz 1922: 2), um später den Expressionismus aus ähnlichen Gründen wie Václavek abzulehnen. 246 In der Entwicklung des Expressionismus-Begriffs im tschechischsprachigen Kontext spielte schon ab 1910 die Rezeption der jüngsten bildenden Kunst v. a. französischer
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Čapek erwähnte im März 1912 in Umělecký měsíčník den Begriff Expressionismus neben weiteren Ismen, die trotz aller deklarierten Unterschiede Bestandteile einer „Wellenbewegung“ der modernen Gegenwartsliteratur seien (Čapek 1912a: 181). Otto Pick schrieb in der Pokroková revue im November 1912 über Georg Heym und Franz Werfel als stärkste Talente der jüngsten deutschen Lyrik und über Kurt Hillers Anthologie Der Kondor als Vorzeichen der künftigen Entwicklung der deutschen Poesie (Pick 1912: 45). František Langer verwies im Frühjahr 1913 im Umělecký měsíčník mit Sympathien auf die Edition Der jüngste Tag und zitierte Werfels vitalistische Annotation, in der neues Leben gegen alte Literatur ausgespielt werde (Langer 1913). Karel Čapek schrieb in Přehled im Oktober 1913 bereits von einer „Bewegung“ der „literarischen Expressionisten“ (Čapek 1913: 104, 105), repräsentiert durch die Kondor-Anthologie, den Prosaband Die Flut und die Zeitschriften Der Sturm und Saturn. Dabei hielt er ihnen Destruktivität ohne Streben nach neuer Form und Schönheit vor (ebd.: 127). Sympathien zeigte dagegen F. X. Šalda, der Anfang 1914 in Česká kultura über den Kreis um Die weißen Blätter berichtete (und Werfel, Brod sowie Pick dazu zählte), der sich in einem Leitartikel gegen den Titanismus und die Verabsolutierung des Sozialen stellte: sie seien „nicht sozial, sondern brüderlich; nicht messianisch, sondern fromm“ (nach Šalda 1914: 135). Šalda stimmte dem zu und verglich die „reifere“ deutsche junge Generation mit der „veralteten und philiströsen“ tschechischen, für die die „neue ‚Form‘ ins Formlose aufgelöst“ sei (alles ebd.). Damit polemisierte er offensichtlich gegen den Kreis um Otakar Theer und die Brüder Čapek, die im Oktober 1913 den Almanach na rok 1914 [Almanach auf das Jahr 1914] herausgegeben hatten – einen wichtigen Kristallisierungspunkt der neuen tschechischen Generation (die ungefähr zeitgleich mit dem deutschen Expressionismus auftrat). Diese Autoren beteiligten sich damals intensiv an der tschechischen Debatte um den freien Vers: Karel Čapek plädierte kurz zuvor für den durch Whitman inspirierten freien Vers als „strengere“ Form im Vergleich mit der regelmäßigen (Čapek 1914: 215; s. auch Čapek 1912: 235), Otakar Theer als erster Wortführer des Kreises beschrieb den Verslibrismus als einen adäquaten Ausdruck des als „unaufhörlicher Wandel“ aufgefassten Inneren (Theer 1913: 408f.). Saudek rezensierte den Almanach für Dělnické listy im Januar 1914. Im Unterschied zu Šalda setzte er den Almanach (bzw. seinen Kern) in den Kontext der europäischen Avantgarde, indem er einem Teil der Beiträger die Ambition, etwas „mit Futurismus Durchtränktes demonstrieProvenienz eine Rolle (Pomajzlová 1994); z. B. Laurin (1910) besprach durchaus positiv die Ausstellung der Les Indépendants im Prager Mánes.
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ren“, zuschrieb, obwohl sie wohl nur „bescheiden“ (Saudek 1914a/4, 4: 1) erfüllt wurde. Besonders hob er jedoch diejenigen hervor, bei denen er mit der Neuheit eine Anknüpfung an das „Erbe der Väter“ verquickt sah: Otakar Theer, Otokar Fischer und den Essay des Architekten Vlastislav Hofman. Die Čapeks fand er „interessant, aber nicht überzeugend“ mit ihrer „Zusammenstellung dissonanter Elemente“ (Saudek 1914a/7: 1), Josef Kodíčeks Versuche „unselig“ und Jan z Wojkowicz veraltet. Mit Hinweis auf das Alter der Beiträger schätzte er die „umsichtige Revolte der Männer, nicht Jünglinge“ (Saudek 1914a/4: 1), deren Diktion zwischen „Rauheit“ und „reizender Subtilität“ schwanke, und die das Prinzip künstlerischer Arbeit zugunsten eines Voluntarismus und einer Intellektualisierung wandle: „Umělecká práce stává se prací vůle, prací průkopnickou, družkou práce učenců“ [Die künstlerische Arbeit wird zur Arbeit des Willens, zur Bahnbrecher-Arbeit, zur Gefährtin der Gelehrtenarbeit] (ebd.). Saudek bediente sich damit eines Vokabulars, das nicht unbedingt avantgardistischer Provenienz, doch mit avantgardistischen Grundprinzipien kongruent ist. Während etwa die tschechische bildende Kunst in die Kontexte des deutschen Expressionismus relativ früh eingetreten war (insbesondere in den Sturm-Kreis, dazu Jelínková 2010: 22f.), war es bei der modernen tschechischen Poesie etwas später und spärlicher der Fall – am sichtbarsten wohl in der Aktion. An dieser Vermittlung nahm auch Saudek teil. Es sei vorausgeschickt, dass sich Saudek nie zum Expressionismus im Allgemeinen äußerte,247 obwohl seine Offenheit gegenüber Novitäten und Novitätsgesten sichtbar ist. Ob es daran lag, dass derartige allgemeine Auseinandersetzungen im tschechischen Kontext häufig primär mit einer Positionierung innerhalb der einheimischen Literatur zu tun hatten, wage ich anhand der überlieferten Quellen nicht zu entscheiden. Fest steht, dass Saudek bei verschiedenen Gele247 Das gilt auch für etwaige Stellungnahmen zum österreichischen, Wiener oder etwa einem Prager Expressionismus. Prager deutschsprachige Autoren erwähnt Saudek als Gruppe erst 1916, in einer Rezension von Max Brods Tycho Brahes Weg zu Gott, und zwar aus der Perspektive der Kriegskritik: „Brod je z družiny několika pražských básníků, kteří ani za dnešní válečné horečky nezapomněli, že úkolem básníků je milovati a sbližovati. S pozoruhodným lyrikem Fr. Werfelem připravuje budoucí lepší příští, až se národové zase vzpamatují […].“ [Brod gehört zur Gruppe einiger Prager Dichter, die auch im heutigen Kriegsfieber nicht vergessen haben, dass es die Aufgabe der Dichter ist, zu lieben und zusammenzuführen. Mit dem beachtenswerten Lyriker Fr. Werfel bereitet er eine bessere Zukunft vor, in der die Nationen wieder zur Besinnung kommen /…/] (Saudek 1916d/ 48: 2). Obwohl nicht wenige Prager deutsche Autoren in expressionistischen Zusammenhängen agierten (Krolop 1967), ist übrigens die Rede vom ‚Prager Expressionismus‘ nur um den Preis einer extremen Öffnung des Expressionismus-Begriffs möglich.
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genheiten in die Publikations- und Kommunikationsnetzwerke eintrat, deren Knotenpunkte wichtige Akteure und Publikationsplattformen der expressionistischen Generation waren.
2. „Kulturbastard“: Hugo Sonnenschein In den ersten Jahren der expressionistischen Bewegung 1910/1911 knüpfte Saudek Kontakte mit dem damals überwiegend in Wien ansässigen Dichter und Bohémien Hugo Sonnenschein an. Über die Begegnung mit Ivan Olbracht – Redakteur der Wiener tschechischen sozialdemokratischen Zeitung Dělnické listy, deren regelmäßiger Beiträger Saudek zu dieser Zeit war – und mit Sonnenschein, „langhaariger Improvisator von Gedichten“, berichtete Saudek der Schriftstellerin Růžena Svobodová Mitte Februar 1910.248 Acht Jahre später erinnerte er sich an Sonnenschein als Mit-Verehrer von Otokar Březinas Poesie, dank dem wohl Březina der jüngsten Generation der Wiener Dichter vermittelt und in Europa propagiert wurde (Saudek 1918/19b: 31). Anfang Februar 1910 publizierte Saudek in Dělnické listy eine Besprechung der ersten Gedichtsammlung Sonnenscheins Närrisches Büchel, die wegen blasphemischen Inhalts in Österreich-Ungarn konfisziert wurde (Wilde 2002: 20). In der Sammlung imaginierte Sonnenschein ein utopisches „Land der besten Bösen“ und Narren, welches Jesus, „ein so schöner Narr, ein Bettler – einst gefunden“ habe (Sonnenschein 1910a: 22). Während etwa die Leipziger Zeitschrift Der Anarchist den anarchistisch-revolutionären Duktus der Sammlung und einen „freie[n], frische[n] Zigeuner- und Zeitgeist“ (Emanuely 2015) würdigte, präsentierte Saudek Sonnenschein als starke dichterische Individualität, die sich dank der Herkunft aus dem „tschechischen [gemeint ist offensichtlich: tschechischsprachigen; ŠZ] Boden“ und seiner Kenntnis des Dorflebens in der mährischen Slowakei [Slovácko] vom üblichen „Weltweh“ junger Dichter loslöse zu einem trotz aller Ironie und zynischer Maske im tiefen religiösen Ernst verankerten sozialen Engagement. Sonnenscheins Poesie trage dazu bei, dass in unseren Zeiten, „které všechno musí očekávati od evoluce poměrů a nikoliv od revoluce osob, srdce neumrzla v slabošství 248 E. Saudek an R. Svobodová, 12.02.1910, LA PNP, Fonds R. Svobodová. Saudeks Korrespondenz belegt bis Mitte 1916 freundschaftliche Kontakte zwischen Sonnenschein und Emil und Elsa Saudek. An die Freundschaft mit Olbracht erinnerte er sich in Dělnické listy (Saudek 1919b) und in dem Aufsatz Ivan Olbracht ve Vídni (Saudek 1932).
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Foto von Hugo Sonnenschein mit persönlicher Widmung für Elsa Saudek auf der Rückseite, 27. November 1915 (ES).
a fatalismu“ [wo alles von einer Evolution der allgemeinen Verhältnisse und nicht von der Revolution der Personen erwartet werden muss, die Herzen nicht in Schwächlichkeit und Fatalismus erfroren sind] (Saudek 1910b). Die Bemerkung, der Band stehe Saudek näher als „so manches tschechisch geschriebenes Buch“, deutet an, dass die davor erwähnten Voraussetzungen der
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Herkunft aus dem „tschechischen Boden“, der daraus resultierenden Geistesverwandtschaft mit tschechischen Zeitgenossen Petr Bezruč oder Stanislav Kostka Neumann sowie der „schönen Soziallyrik“ (ebd.) trotz der sprachlichen Distanz authentischer und voller verwertet seien als im Großteil der tschechischen Literatur. Einen Schritt weiter ging Saudeks Freund Miloslav Hýsek in Lidové noviny im Dezember 1909 angesichts des Vorabdrucks des Närrischen Büchels. Er bezog Sonnenschein enger in den Kontext der tschechisch-deutschen literarischen Interferenz ein und stellte seine Veröffentlichungen als Ereignis in der Entwicklung der (wohl dominant neoromantischen, von Albert Mombert exemplarisch repräsentierten) deutschen Gegenwartslyrik vor, das gerade dank Sonnenscheins Verbundenheit mit dem tschechischen Element möglich sei. Dass sich Sonnenschein gegen den Strom der romantisierenden Moderne begab und sich „mitten ins Leben stellte“ (Hýsek 1909c: 1), hing wohl insbesondere zusammen mit Sonnenscheins Inspirationen durch František Gellners Anarchismus und Vagabunden-Selbststilisierung, S. K. Neumanns dekadente und dennoch fortschrittsgläubige Satans-Anbetung, Karel Hlaváčeks symbolistische Hochstilisierung der aufständischen Geusen, Petr Bezručs sozialballadesken Ton und durch das mährisch-slowakische Volkslied. Es war darin wohl auch eine Korrektur von Hýseks Blick, wenn Saudek später im Slavischen Tagblatt, dem 1910 bis 1911 in Wien erscheinenden Unparteiischen Organ zur Wahrung und Förderung slavischer Interessen, gerade an Sonnenschein demonstrierte, dass dichterisches Schaffen vermittels „chemischer“ Analyse in klassifizierbare „Urbestandteile“ nicht begriffen werden kann: „Was fängt die Analyse mit einem Dichter an, der Jude ist, slovakisch fühlt und stürmt, in der Slovakei erzogen ist, das slovakische Idiom mit Recht seine Muttersprache nennt und dabei sehr gut im Geiste der deutschen Sprache schreibt?“ (Saudek 1911a/91: 1) Stattdessen plädierte er für intuitive Einsicht der dichterischen Individualität,249 die nie „nur Deist oder Atheist, nur königstreu oder nur republikanisch“ sei, sondern „immer nur persönlich und der Typus, dessen Varietät er ist, ist uns nicht bekannt“ (ebd.). Mannigfaltige Echos der bisherigen Poesie lassen sich bei Sonnenschein ahnen, sein poetischer „Urbesitz“ sei dennoch „das manchmal fast visionäre Schauen des eigenen Ichs und des es umbrandenden Kosmos“ (Saudek 1911a/92: 1), welches jedoch weder das eine noch das andere in Erkenntnis auflöst, sondern seine „schmerzensreiche Kraft, die Dinge zu tanzendem Rätselchaos zu zer249 Trotz allem Nachdruck auf das Überindividuelle fasste auch Březina die Kunst als den „Höhepunkt der individuellen Kraft“ (Březina 2004/I: 253) auf.
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stäuben“ (ebd.) und zu bejahen, geltend macht. Keine billige Bejahung: „Hier ist einer, der sein Golgatha täglich geht […]“ (ebd.). Als Folge vielfältiger Kreuz-Wege sei seine dichterische Eigenart zu denken; dabei geht es Saudek nicht nur um einen Herkunftsmix, sondern v. a. um eine prinzipiell (tiefer als in Meinungen und Anschauungen verankerte) kulturell subversive Wirkung: Die Bezeichnung „Kulturbastard“, wie sich der Dichter in schüchterner, selbstironisierender Traurigkeit nennt, trifft nicht nur zu, wenn man die bunten nationalen, religiösen und sozialen Elemente, die diesen Dichter zusammengewürfelt haben, ins Auge faßt, sie gewinnt auch ihre symbolische Bedeutung, wenn man seine Art, die Lebenserscheinungen zu betrachten, kennzeichnen will. Jedem seiner Blicke auf ein Einzelnes, jedem seiner Urteile geht unbewußt eine Kreuzung unendlich vieler Anschauungen anderer voran. Kulturen einsamer Herzen, ebenso wie aller in der Masse und mit der Masse lebender Eiferer, haben zwar die größte Blutschande in ihm getrieben, bevor seine Synthesen geboren wurden. (ebd.: 2)250
Neben der ‚bastardierten‘ Individualität im Hauptfokus erkannte Saudek nicht nur die Inspirationen durch die tschechische Moderne und das slowakischen Liedgut, von denen Hýsek geschrieben hatte, an,251 sondern fügte an erste Stelle Březina hinzu (den er als einen Weltliteratur-Autor sah), das „Gewand“ nannte er „gut deutsch“ und als Paten – Whitman, Verhaeren, Maeterlinck, Verlaine, Baudelaire. Das rausch- und geräuschvolle Großstadtleben und der Kult der reinen Schönheit vermischen sich, Sonnenschein berausche sich an der Rebellengemeinschaft und ziehe sich wieder in aristokratische Introspektion zurück. Als „Kulturbastard“ benannte sich Sonnenschein laut Saudek auch deswegen, weil er „im unfertigen Flusse“ sei; künftig solle er „Finder einer eigenen Synthese, eines neuen freudigen Wertes für sich und alle [… werden], ein Mann des Willens und der Tat“ (ebd.: 2). Es wäre verfehlt, diese Sätze im Sinne des avantgardistischen Neuanfangs zu deuten und als mit dem Expressionismus konkordant zu erklären. Vielmehr stellten die Umbruchsmentalität sowie der Voluntarismus und Aktionismus verschiedener Prägungen den allgemeinen gemeinsamen Kontext der modernen Kunst und Literatur um 1910 dar. Wenn Saudek seinen Aufsatz mit der Zeile schließt, „An solchen Mischlingen kann sich die wahre Kultur nur freuen!“ (ebd.), so 250 Sonnenscheins und Saudeks gemeinsamer Freund Jaromír Doležal (in dessen Kreis außer ihnen auch Miloslav Hýsek, Bohuš Vybíral und weitere Mitglieder des Akademický spolek ve Vídni [Akademischer Verein in Wien] verkehrten), besprach unter dem Pseudonym Jaromír K. Pojezdný 1913 in der Moravsko-slezská revue den Gedichtband Geuse Einsam von Unterwegs und argumentierte sehr ähnlich (Doležal 1913). 251 Neben Sonnenschein nannte er einmal auch den Schriftsteller und Übersetzer Oskar Rosenfeld als Repräsentanten des gleichen, „aus der mährischen Atmosphäre und tschechischen Kultur hergebrachten geistigen Fonds“ (Saudek 1913a).
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ließe sich im Sinne seiner vorigen Ausführungen zuspitzen, dass der Grund für Freude eben darin liegt, dass ‚Mischlinge‘ nicht als Kuriosum, sondern als Individualitäten erkennbar werden, die wahre (das heißt bei Saudek derzeit u. a.: allmenschliche und a-nationale) Kultur tragen, ja schaffen. Der Krieg gab Saudeks Lektüre von Sonnenschein eine neue Perspektive. Anfang 1915 durfte Sonnenscheins vierter Gedichtband Erde auf Erden erscheinen. In seiner Besprechung in Čas wies Saudek wiederum auf Sonnenscheins produktives mährisch-slowakisches, jüdisches, deutsches und schließlich allmenschliches ‚Kulturbastardentum‘. Vor allem aber kontrastierte er Sonnenscheins Schaffen mit der Kriegslyrik, die nach dem ‚Augusterlebnis‘252 von 1914 die deutschsprachige Poesie beherrschte (enttäuschenderweise auch den von Saudek vorher geförderten Ernst Lissauer): Celá tvorba posledních měsíců svědčí o mnohomluvné tvořivosti politických instinktů německého lidu, je dítětem průměrné duševní kapacity […]. Německá lyrika válečná plní již knihovny a rve se jen s letáky o místo u čtenáře. (Saudek 1915a) [Das gesamte Schaffen der letzten Monate zeugt von einer großsprecherischen Kreativität der politischen Instinkte des deutschen Volkes, sie ist das Kind einer durchschnittlichen geistigen Kapazität /…/ Die deutsche Kriegslyrik füllt bereits die Bibliotheken und rivalisiert nur noch mit den Flugblättern um die Gunst des Lesers.]
Sonnenschein habe – zusammen mit weiteren Wenigen – „die Ehre der deutschen Muse gerettet“ (Saudek 1915a). Mitten im Triumph des Hasses lasse er den „ewigen Gott der Liebe“ auch dort sprechen, wo er einen tiefen „Ekel vor Europa“ (ebd.) und dessen Kriegsgetöse äußert. Mit der SonnenscheinBesprechung bereicherte Saudek die regierungskritischen Positionen dieser Zeitung des Kreises um Jan Herben, Tomáš Garrigue Masaryk und die Realistische Partei um eine eindeutig pazifistische Facette; die Čas hatte seit Sommer 1914 erhebliche Probleme mit der Zensur und Ende August 1915 wurde sie eingestellt.253 Als eine der destruktiven Folgen des Kriegs erachtete Saudek die zunehmende Abkehr des tschechischen Publikums von der deutschsprachigen Kultur (wodurch seine a-nationale Kulturauffassung fast genauso gefährdet wird, 252 Der „nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluss der Nation“, wie es etwa Thomas Mann in seinem Essay Gedanken im Kriege im September 1914 nannte (Mann 1974: 193), wird in der heutigen Forschung eher als Massenerregung relativiert. Der literarhistorische Kontext wird hinsichtlich der deutsch-österreichischen Zusammenhänge bei Kann (1979) und hinsichtlich der typischen Argumentation der Expressionisten für den Krieg bei Becker (2016) erörtert. 253 Der Geschichte der Zeitschrift 1914/1915 widmete sich in seinen Erinnerungen z. B. Jan Hajšman (1934).
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wie vonseiten der nationalistisch positionierten deutschen Dichter). Im April 1916 schrieb er an Otokar Fischer: Víte, že mne pojí s Vámi upřímná láska k německé literatuře. Žel vidím, jak dnes všichni Češi mnoho si zakládají na úmyslné izolaci […], že všechno tíhne literárně jinam než k německé kultuře. Mám za to, že je to škoda. Nejen v říši i zde ve Vídni je mnoho, co zasluhuje úcty a zvýšené pozornosti.254 [Sie wissen, dass mich mit Ihnen eine aufrichtige Liebe zur deutschen Literatur verbindet. Mit Bedauern sehe ich, dass heute alle Tschechen viel auf die absichtliche Isolation setzen […], dass alles literarisch woanders als zur deutschen Kultur gravitiert. Ich halte dafür, dass es schade ist. Nicht nur im Reich und hier in Wien gibt es viel, was Achtung und erhöhte Aufmerksamkeit verdient.]
In diesem Kontext sah Saudek in den Kriegsjahren seine Vermittlungsaktivitäten. Erneut bestätigte sich sein Selbstverständnis als kulturell und politisch Engagierter. Die Kritik an der Kriegsbegeisterung ergänzte seine bisherige Selbststilisierung als „Agent der tschechisch-deutschen Literaturkontakte“255 und als einer der „geheimen Verschwörer“, die sich für den Frieden unter den Nationen einsetzen (Saudek 1910a/19: 1). Während des Weltkriegs akzentuierte Saudek zunehmend das politische Motiv der Durchsetzung tschechischer Nationalkultur im internationalen Kontext, das er allerdings schon früher formulierte, als er gute Übersetzung als das „einzige wirksame Mittel des Sieges unserer Literatur im Ausland“ (Saudek 1911d: 1) bezeichnete. Die Position des Verfechters nationalkultureller Interessen schimmert durch Saudeks späteren Essay über Sonnenschein, der als Legenda o Sonkovi [Legende über Sonka] Anfang 1920 in der tschecho-jüdischen Wochenschrift Rozhled erschien. Während Saudek 1915 Sonnenschein im Rahmen seines ‚Kulturbastardentums‘ noch „formal vollkommen deutsch“ (Saudek 1915a) fand, verschob sich der Akzent nun derart, dass Sonnenscheins Poesie „vom Besten aus der tschechischen Poesie“ (Saudek 1920a: 2) war – explizit trotz des „deutschen Gewands“. Die deutschsprachige Erziehung wurde dem Dichter nur durch „einheimische jüdische Tradition“ zuteil; er habe mit seiner Erde auf Erden die Ehre der deutschen Lyrik eben deswegen retten können, weil er „kein purer Deutscher“ (ebd.) war. Die Verbindung Sonnenscheins mit der tschechischen Literatur schlägt aber nicht in eine eindeutige Eingliederung in die tschechische Literatur um, schließlich erscheine er als geistig heimatloser Mystiker und einer der „Dichter des Alls“ (die freilich gerade in der tschechischen Literatur wohl „am prächtigsten“ leuchteten), die „keine Zäune und 254 E. Saudek an O. Fischer, 07.07.1915, LA PNP, Fonds O. Fischer. 255 E. Saudek an M. Hýsek, 11.09.1909, LA PNP, Fonds M. Hýsek.
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Unterschiede unter den Menschen“ (ebd.: 3) kennen, woher die Inspiration für sein politisches Engagement komme.256 Saudek übernahm weitgehend Sonnenscheins Selbststilisierung als „Kulturbastard“, dessen Kreativitätsquellen außerhalb oder an der Peripherie der (deutschen) Hochkultur liegen. Das ist im expressionistischen Kontext kein Novum,257 bloß geht es nunmehr nicht nur um Bereicherung und Dynamisierung der Formen, des Themenschatzes, der ästhetischen Maßstäbe, sondern um Rettung der Dignität einer Poesie, die bereits einer massiven Barbarisierung unterzogen wurde.
3. Berater und Bewunderter: Albert Ehrenstein Albert Ehrenstein, der als Vertreter des österreichischen Expressionismus wohl meist apostrophiert wird, verbanden mit Sonnenschein mehrere Aktivitäten: Zusammen mit Werfel und weiteren Kollegen gründeten sie den Genossenschaftsverlag (Wien-Prag-Leipzig, 1919), der die Idee eines von medialen Konzernen unabhängigen Autorenverlags umzusetzen suchte,258 sie 256 Mit Sonnenschein verband Saudek indirekt ein Übersetzungsprojekt. Im Herbst 1919 schloss er die Übersetzung des Romans Podivné přátelství herce Jesenia (1919) von Ivan Olbracht ab (Saudeks Titel: Ein seltsames Freundschaftsbündnis des Schauspielers Jesenius). Im Herbst 1919 bot Saudek den Roman dem Kurt Wolff Verlag zur Publikation an (E. Saudek an Kurt Wolff Verlag, Wien, 27.10.1919, ES). Der Vorschlag wurde trotz anfänglichem Interesse des Verlags nicht angenommen (Kurt Wolff Verlag an E. Saudek, München, 18.03.1920, ES) und das Manuskript ging verloren. Der psychologische Roman schildert anhand zweier Schauspielerfiguren eine Polarität der Lebens- und Kunstauffassungen: Hugo Sonnenschein inspirierte Olbracht für die Figur des Jan Veselý, leidenschaftlicher und anarchistischer Bürgerschreck, aber auch charismatischer Manipulator seiner Umgebung. Seine Liebe zum Leben und seine Kunstauffassung erweisen sich zwar schließlich als tragisch zersetzend, doch helfen sie zu einer Selbstkorrektur des Jesenius, des realistisch und humanistisch gesinnten, doch anfangs im Kult der hohen und lebensfernen Kunst verirrten Freundes. 257 Man denke an die Begeisterung v. a. der expressionistischen Künstler für die Kunst vermeintlich primitiver afrikanischer und asiatischer Kulturen, belegt z. B. durch Carl Einsteins Negerplastik (1915). Es drängt sich auch ein Vergleich mit Franz Werfels Vorwort zu Petr Bezručs Schlesischen Liedern (1916) auf, demzufolge der Aspekt relativer kultureller Fremdheit und der Zugehörigkeit zur „Literatur kleiner Völker“ (Werfel 1916: IX) ein Belebungspotential für die deutsche Kultur berge. 258 Siehe den Aufruf des Wiener Genossenschaftsverlags vom Frühjahr 1919 (Göbel 1976).
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veröffentlichten in gleichen Publikationsplattformen und gehörten zu den Signataren des durch Romain Rollands und Henri Barbusses Un Appel: Fière Déclaration d’Intellectuels inspirierten Aufrufs zur Vereinigung der sozialistischen Intelligenz Všemu produktivně pracujícímu lidu v Československé republice [An alle produktiven Werktätigen in der Tschechoslowakischen Republik].259 Saudek teilte mit Ehrenstein zunächst die Bewunderung für die Poesie Otokar Březinas und besprach später auch Ehrensteins Gedichtsammlung Der Mensch schreit.260 Die Kontakte dürften jedoch nicht allzu intensiv gewesen sein, da in Saudeks Korrespondenz Ehrenstein nur einige Male im Jahr 1916 erwähnt wird und in der zugänglichen Korrespondenz Ehrensteins Saudek weder adressiert noch erwähnt wird. 1915/16, als Saudek seine Übersetzung von Březinas Winde von Mittag nach Mitternacht revidierte (angeregt durch Březinas Kritik an der ersten Fassung), konnte er die Assistenz von Otto Pick nicht nutzen – Pick stand im Feld und das Verhältnis zwischen den beiden Kollegen war ohnehin angespannt.261 An Březina berichtete Saudek über die Arbeit: „Můj přítel, Albert Ehrenstein, básník značných kvalit, označil mi místa, které dle jeho názoru vyžadovala poetičtější dikce v němčině“ [Mein Freund, Albert Ehrenstein, Dichter von beträchtlicher Qualität, markierte mir die Stellen, die seiner Meinung nach eine poetischere Diktion im Deutschen erfordern] (Březina 2004/ II: 1111). Wie Binder (2003: 21f.) festgestellt hat, beinhaltet ein in Saudeks Privatnachlass erhaltener Probeausdruck der ersten Version der Übersetzung vom Juli 1915 handschriftliche Eintragungen von Ehrenstein. Ehrensteins eigene Übersetzungen aus Březina wurden dadurch stark beeinflusst – neben dem durchaus freien Umgang mit dem Text stellt man eine umfassende Übernahme von Saudeks übersetzerischen Lösungen fest (Binder 2003: 22). 259 Erschienen im Juli 1919 in der Zeitschrift Červen (Nr. 19: 169). Neben Josef Hora, Helena Malířová, Stanislav Kostka Neumann, Ivan Olbracht etc. waren Ehrenstein, Sonnenschein und Werfel die einzigen deutschsprachigen Signatare. 260 Nachdem er im Februar 1915 offiziell für „waffenunfähig“ erklärt wurde, arbeitete Ehrenstein dank der Vermittlung Stefan Zweigs im Wiener Kriegsarchiv, wegen mangelhafter Arbeit wurde er Ende Oktober 1915 beurlaubt und am 5. April 1916 aufgrund „psychopathischer Minderwertigkeit“ aus der Armee entlassen (Wallas 2015: 320f.). Inzwischen trat er temporär eine Lektorenstelle beim Kurt Wolff Verlag an. Um die Jahreswende 1915/1916 war die Übernahme der Herausgeberschaft der Weißen Blätter für einige Hefte im Gespräch; Ehrenstein plante eine Wien-Nummer (Ehrenstein 1989: 134). Schließlich gab er kein Heft heraus. Möglicherweise knüpfte Saudek seine Kontakte mit den Weißen Blättern, von denen er im Frühjahr 1916 berichtete, über Ehrenstein an (E. Saudek an O. Fischer, 03.03.1916, LA PNP, Fonds O. Fischer). 261 Zu dem Verhältnis beider Březina-Übersetzer siehe Zbytovský (2020: 209ff.).
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hrensteins Übertragungen sind daher vielmehr Nachbearbeitungen der SauE dek’schen Fassungen – es lässt sich insgesamt semantische und strukturelle Nähe vielmehr zu ihnen als zum Original feststellen. Jedenfalls lassen sich Ehrensteins Nachdichtungen nicht als ‚expressionistische‘ Versionen von Březina bezeichnen.262 Ehrensteins Übertragungen gefielen offensichtlich Březina selbst kaum – davon zeugt der Brief Georg Heinrich Meyers vom Kurt Wolff Verlag an Saudek vom Juni 1918, in dem er Saudek daran erinnert, dass er mit der ersten Fassung von 1915 selbst nicht zufrieden war, und hinzufügt, die „ganz willkürliche Form Ehrensteins [… war] dem Autor durchaus nicht genehm“.263 Von Ehrensteins Vorschlägen sind in die von Saudek und Werfel gemeinsam bearbeitete Version von 1920 fast keine eingegangen.264 Im Frühling 1916 bot Saudek zunächst Otokar Fischer als Mitarbeiter der Revue Lumír und dann dem Redakteur des sozialdemokratischen Tagblatts Právo lidu F. V. Krejčí einen Aufsatz über Ehrenstein an.265 Nach der Ablehnung veröffentlichte er ihn in Vídeňský deník. Der Text Člověk křičí befasst sich v. a. mit der gleichnamigen, soeben im Kurt Wolff Verlag erschienenen Sammlung Der Mensch schreit. Ein Großteil der Gedichte sei „den Motiven unserer Kriegszeit gewidmet“ (Saudek 1916f: 2) und eindeutig pazifistisch.266 Saudek erwähnte (und wusste vielleicht) nicht, dass Ehrenstein zunächst zu den Kriegsbegeisterten gehörte und das poetische Kriegsgeschrei positiv wertete (Mittelmann 2016: 370); erst nach dem Tod Trakls änderte er seine Einstellung radikal. Ehrensteins Gedichte fanden bei der Kritik eine wohlwollende Aufnahme. Otto Pick würdigte im zweiten Quartalheft der Neuen Rundschau Ehrenstein, den „erdwärts verirrten Exterritorialen“ (Pick 1916: 576), für produktive Ver262 Zu Ehrensteins Übersetzungen im Vergleich siehe das Kapitel VII. 263 Kurt Wolff Verlag an E. Saudek, 22.06.1918, ES. Die Hauptintention des Briefs war die Wiederaufnahme der Arbeit am Gedichtband, der schließlich 1920 erschien. In der Korrespondenz Březinas gibt es keine Notiz über die Übersetzungen Ehrensteins (Březina 2004). 264 1918 erinnert sich Saudek in seinem Aufsatz zum 50. Geburtstag Březinas: „Jeho přítel Albert Ehrenstein pořídil si dle mého překladu německé zpracování Modlitby za nepřátele (zpracování nebylo bezvadné)“ [Sein /Sonnenscheins/ Freund Albert Ehrenstein hat sich nach meiner Übersetzung seine Bearbeitung des Gebets für die Feinde besorgt (die Bearbeitung war nicht fehlerfrei)“] (Saudek 1918/19b: 31). 265 E. Saudek an O. Fischer, 12.04.1916, LA PNP, Fonds O. Fischer. Ehrenstein sei „aus dem Kreis um die Weißen Blätter, mein Freund“. 266 Außerdem formulierte Ehrenstein seinen Kriegsprotest in Die rote Zeit (1917) und Den ermordeten Brüdern (1920).
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knüpfung der Widersprüche – „melancholisch, gereizt, sehnsüchtig, höhnisch und voll Demut“ (ebd.: 575) stelle er das Leben als Hölle dar – und dennoch: „im Kampfe gegen die Erkenntnis, Mensch zu sein, verleugnet [er] die Infektion durch das Menschentum nicht“ (ebd.: 576). Die deutschsprachige Kritik relativierte teilweise auch dort, wo sie positive Urteile fällte, die kriegskritische Note (möglicherweise aus Zensurrücksichten). Stefan Zweig würdigte in der Frankfurter Zeitung Ehrenstein als Dichter des „Widerstand[s] gegen die Wirklichkeit“, der letzten Konsequenz und der kontrastierenden sowie hyperbolisierenden Verbindung des Unvereinbaren (Zweig 1916: 2). Ehrenstein stelle sich „entschlossen außerhalb der letzten Begrenzungen des Irdischen, außerhalb von Raum und Zeit. […] Selbst die stärksten Zeitgeschehnisse seiner Lebenswelt, selbst der Krieg, scheinen ihm noch wesenlos und episodisch gegen die wirklichen kosmischen Verwandlungen. Seine wahre Welt ist das Außerhalb“ (ebd.: 3). Alfred Döblin, der selbst noch im Herbst 1917 gegen den Pazifismus polemisierte, schrieb im Juni desselben Jahres im ZeitEcho über Ehrensteins Gedichte von 1916: „ein ganz verzweifelter Hass wird gegen die Schönheit, das Weib, die Erde geschleudert, bisweilen tollwütig, aber diese Raserei zerfetzt nicht die Form. Es kommt zu Ausbrüchen, die für unsere Literatur unerhört sind“ (Döblin 1917: 25). Anerkennend (nicht bejahend) erwähnte er das Ringen Ehrensteins mit dem Krieg und seine Vision einer restaurativen Zukunft: „Er sieht, wenn nach dem grässlichen Erdkrieg der winzige Friede wird, als Resultat nur ‚das grosse Ross‘, den Erzfeldherrn“ (ebd.: 26). In seinem Aufsatz Člověk křičí (geschrieben vor dem Erscheinen von Picks, Zweigs und Döblins Reaktionen) stellt Saudek einleitend die Ausführungen zu Ehrenstein ins Licht des kriegsbedingten Verlustes der Besten der „modernsten deutschen Literatur“ – Ernst Stadler und Georg Trakl. Ehrenstein sieht Saudek nicht als Mitglied einer literarischen Bewegung, sondern vielmehr als eine der vielversprechenden dichterischen Individualitäten (genauso wie Sonnenschein, Machar oder Březina). Seine Eigentümlichkeit unterstreicht er schon durch die Distanzierung vom Wiener Umfeld: S vídeňským uměleckým prostředím – neřku-li se známým vídeňáctvím – nespojuje Alberta Ehrensteina snad víc, než že bydlí v proletářské čtvrti ottakringské, zná velmi dobře typy ji obývající a že žije v společenských stycích s literární družinou, která uznávajíc celkem jeho pronikavou intelektualitu, s ním se nikterak neztotožňuje. (Saudek 1916f: 2)267 267 Die nicht unwichtigen Kontexte der um 1918 eindeutig polemischen Einstellung Saudeks zu Wien (siehe Kapitel IX. von L. Merhautová) und der tatsächlichen Einstellung Ehrensteins zum Wiener Literaturbetrieb können hier nicht näher beleuchtet werden. Den Sinn des Textes würden sie konturieren, aber nicht maßgeblich ändern. Ehrenstein stand den
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[Mit dem Wiener Künstlermilieu – geschweige denn mit dem bekannten Wienertum – verbindet Albert Ehrenstein wohl nicht mehr, als dass er im Proletarierviertel Ottakring wohnt, die dortigen Menschentypen gut kennt und gesellschaftliche Kontakte zu den literarischen Kreisen unterhält, die, seine durchdringende Intellektualität durchaus anerkennend, sich mit ihm keineswegs identifizieren.]
Statt der „Wiener Sentimentalität“ und ihrem „Glauben an eine verborgene gütige Ordnung“ (ebd.: 2) begegne der Leser einem „negativen Walt Whitman“, mit einem ähnlichen vital-hemmungslosen Gestus, doch „verworfen und verfluchend, Erlösung bedürfend“ (ebd.: 3). Den Bezug auf Whitman nutzte Saudek bei mehreren Dichtern, seitdem er (genauso wie viele Angehörige der expressionistischen Generation) die Übersetzung der Grashalme durch Johannes Schlaf (1907) kennengelernt hatte; schon bei der Werbung für den Gedichtband Hände in seiner Übersetzung (1908; Ruce, 1901) gebrauchte er den Vergleich. Außer tatsächlichen Parallelen in der Poetik Whitmans und der mit ihm verglichenen Autoren kam dadurch sicherlich auch der Anspruch zum Ausdruck, den Letzteren durch derartige Bezugnahme eine gebührende Stelle im modernen Poesie-Kanon zu verschaffen.268 Die zentrale Analogie zwischen Whitman und Březina sah Saudek in der Verschränkung einer Art dogmenfreien Mystizismus mit Diesseitigkeit.269 Gleichzeitig suchte Saudek Březina von Whitman abzusetzen: Während Whitman als großartiger Lebens-Anwalt erscheine, sei Březina gleichermaßen „Anwalt und Ankläger des Lebens“, welches (nur) wegen der zukünftigen umfassenden Umgestaltung
führenden Akteuren des damaligen literarischen Wiens höchst kritisch gegenüber. Im Juli 1915 schrieb er an Paul Ernst: „Nun ist mir die offizielle Wiener Literatur nicht sehr grün: die diversen Hofmannsthälchen wissen, daß ich von ihrem pseudolyrischen Feuilletonismus nichts halte […]. Ich weiß, daß ich, unter den Wiener 20–30jährigen leider der Einzige bin, der Talent hat“ (Ehrenstein 1989: 127f.). 268 Die Wirkung Whitmans auf die expressionistische Generation war immens. Das bestätigen nicht nur die begeisterten Äußerungen der Autoren selbst (dazu Grünzweig 1991), sondern auch Stimmen von Kritikern. So urteilt etwa der Autor von Heimat- und Tierromanen Max Geißler in seinem Führer durch die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, ausgehend von einer Beobachtung Sonnenscheins: „Das kommt ihm […] wohl auch von Verhaeren und Whitman. Namentlich der letztere richtet in dieser Zeit allerlei Unheil an unter den jungen Dichtern in Deutschland“ (Geißler 1913: 587). 269 „Walt Whitman verschliesst ebenso wenig wie Březina seine Augen vor den Abgründen, den Kontrasten des Lebens, vor dem Schmerzensreichtum, der alles Geschehen hartnäckig begleitet. Beide flüchten sich nicht zu irgend einer Art von Nichtsehenwollen oder Nichtsehenmüssen. Keine Narkotika, keine Weltflucht“ (E. Saudek an H. Bahr, 27.11.1908, ÖTM, A 22981 BaM, hier S. 210). Zur Rezeption Whitmans in der deutschböhmischen und tschechischen Literatur siehe Zbytovský (2021).
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der Lebensformen, einer „Socialrevolution des Kosmos“270, lebenswert sei. Bei Ehrenstein als „negativer Whitman“ wird in erster Linie der leidenschaftliche Ankläger fokussiert. Die Kompositionen seiner Gedichte sieht Saudek aus diversen Kernen in eine „Drüse oder Traube“ (Saudek 1916f: 3) zusammengefügt, in der sich unterschiedliche Töne, Ich-Rollen und Gattungssettings mischen. Die Form des freirhythmischen Verses, üblicherweise kurz, manchmal aber „in die Breite der Strophe der englischen Bibel ausufernd“ (ebd.), ermögliche es Ehrenstein, dass jedes Wort „für lange Zeit dynamisiert ist durch den Hauch und Rauch unserer schweren Tage“ (ebd.). Der Whitman-Bezug und die Hervorhebung des Verslibrismus als zeitgemäße Form verbindet den Ehrenstein-Aufsatz mit einem praktisch gleichzeitig entstandenen Text Saudeks über die Sammlung Všemu navzdory [Allem zum Trotz] des tschechischen Lyrikers Otakar Theer. Obwohl sie – so Saudek – eine Frucht der Vorkriegsjahre und großteils neuidealistisch und neuklassisch gestimmt sei, erweise sich auch dort der freie Rhythmus als eine der „gesunden neuzeitlichen Seele“ adäquate Form. Der „Geist dieser Zeit selbst ist freirhythmisch“ (Saudek 1916b: 9), was gerade keine Hingabe ans ekstatische „irrsinnige Hüpfen“ bedeute, sondern „vědomé nastupování ve stopy rytmického tepu činného vesmírného života“ [bewusstes Eintreten in die Spur des rhythmischen Pulses des tätigen kosmischen Lebens] (ebd.). Damit scheint Saudek einerseits das zu bestätigen, was die Generation des Almanach na rok 1914 anstrebte: die Auflösung der ausschließlichen Assoziation des freien Verses mit dem Symbolismus und der Dekadenz (der freie Vers sei nun säkular, zeitgemäß, aktuell). Gleichzeitig, durch das ‚kosmische‘ Vokabular, scheint Saudek einen Zusammenhang zwischen dem neuen und dem Březina’schen Verslibrismus zuzulassen, während Theer oder die Čapeks sie als klare Kontraposition präsentierten.271 Die Absage an die „frisierten Strophen“ (Saudek 1916b: 9), das freirhythmische Betasten des Pulsschlags der Zeit und das „Evangelium“ des Walt Whitman, des „Dichters des Körpers und der Seele, des Feinds der Gefühlstuerei“ (ebd.), sind für Saudek in diesen Jahren offensichtlich Merkmale der formalen Aktualität der Poesie, egal in welcher Sprache. 270 Dabei meint Saudek nicht nur eine politische Sozialreform, sondern den ersehnten, kosmische sowie soziale Perspektiven vereinigenden Übergang von der Individuengesellschaft zu einer überindividuellen All-Gemeinschaft; siehe E. Saudek an H. Bahr, 27.11.1908 (hier S. 210). 271 Červenka (2001: 42f.) nimmt die eindeutige Kontraposition als Selbstinszenierung der neuen Generation wahr, obwohl er auf bestimmte Differenzen und Schwerpunktverschiebungen selbst hinweist.
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Ähnlich wie Sonnenschein wird auch Ehrenstein von Saudek als einer der Dichter stilisiert, die „die Ehre der deutschen Poesie im Krieg gerettet haben“ (Saudek 1916f: 3). Um dies zu bekräftigen, zitiert Saudek zwei Verse, ohne ihre Quelle zu nennen: „Mdlé ruce zajatých, v radosti zdvižené, zatřásly mříží, / nejhlubší vítr zdvih naděje, letnice země a duchů se blíží“ (Březina 1975: 118) [Des Häftlings ermatteter Arm, ihn durchschüttelt ein Rauch, er rüttelt am Eisen, / Ein Urwind weht Verheißungen auf, den Seelen ihr Pfingsten zu weisen /Březina 1920a: 52/]. Die Verse stammen allerdings nicht von Ehrenstein, sondern aus dem Gedicht Letní slunovrat (Sommersonnenwende) aus Otokar Březinas Gedichtband Větry od pólů (Winde von Mittag nach Mitternacht). Ob nun für die tschechischen Leser des Vídeňský deník fast zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung des Bandes (1897) als Březina-Zitat erkennbar oder nicht, wird hiermit bestätigt, dass Saudek Ehrenstein und möglicherweise auch andere Dichter der expressionistischen Generation ausgehend vom Prisma seiner Březina-Interpretation wahrgenommen hat.
4. Saudeks Übersetzungen in expressionistischen Zeitschriften Bereits Ende 1913 wurde zwischen dem Kurt Wolff Verlag, den Übersetzern Otto Pick und Emil Saudek und dem Autor Otokar Březina abgesprochen (und im Mai 1914 vertraglich festgelegt), dass eine Gesamtausgabe von Březinas Werken in deutschen Übersetzungen besorgt wird. Infolge des Weltkriegs und der persönlichen Spannungen zwischen Pick und Saudek wurden schließlich nur drei Einzelbände – 1920 Winde von Mittag nach Mitternacht (übs. von Saudek und Werfel) und Baumeister am Tempel (Pick) – und 1923 Musik der Quellen (Saudek) herausgegeben (Zbytovský 2020). Der Verlag war zweifelsohne eine prominente Publikationsplattform der expressionistischen Generation – trotz Kurt Wolffs vehementer Zurückweisung dieser Etikettierung (Wolff 2004: 23). Doch weder im Zusammenhang mit der langen Vorbereitung seiner Březina-Übersetzungen noch mit der kürzeren Episode des zwischen Herbst 1913 und Sommer 1914 geplanten Almanachs Aus dem modernsten Böhmen (Petrbok 2022b), der nicht erschienen ist, reflektierte Saudek den Kontext des Verlagsprogramms oder die Zugehörigkeit der Autoren zu der einen oder anderen literarischen Bewegung. Vielmehr stellte für ihn Wolff einen starken, auf dem Markt gut etablierten Verlag dar, auf den er in Bezug
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auf die tschechisch-deutschen Vermittlungsbemühungen bereits zuvor seine Hoffnungen gesetzt hatte.272 Nachdem das Almanach-Projekt mit Kriegsbeginn gescheitert war, versuchte Saudek im Frühjahr 1916 manche der vorliegenden Texte in der thematischen Nummer von Franz Pfemferts Die Aktion zu verwenden, die der tschechischen Literatur und Kunst gewidmet werden sollte (die Doppelnummer 18/19 Böhmen erschien am 6. Mai). Otokar Fischer teilte er am 12. April mit, dass er mit Otto Pick und weiteren Übersetzern eine „bunte Mischung“273 repräsentativer Texte der tschechischen Gegenwartsliteratur vorbereiten werde. Schließlich waren im Sonderheft der zentralen expressionistischen Zeitschrift die Autoren der jüngsten Generation nicht vertreten,274 sondern ältere Modernisten (von Jaroslav Vrchlický über Antonín Sova, Otokar Březina, Viktor Dyk und Fráňa Šrámek bis zu Petr Bezruč). Saudek plante, mit Pick jeweils einige Březina-Übersetzungen beizusteuern und selbst je eine oder zwei kleinere Übersetzungen aus den Werken Růžena Svobodovás, J. S. Machars, Ivan Olbrachts und Otakar Theers zu liefern; es lagen wohl bereits zwei Übersetzungen von Fischers Gedichten vor.275 Gleichzeitig stellte die ‚tschechische‘ Nummer der Aktion eine Gelegenheit dar, die für den Almanach angedachten Essays einzusetzen: „Ich verwende das Ihnen bekannte Material für den geplanten, bedauerlicherweise nicht zustande gekommenen Almanach.“276 Saudek nannte Fischers Essay über die tschechisch-deutschen Literaturbeziehungen und einen eigenen Text über die tschechische Kultur und die gegenwärtige Kulturvermittlung. Direkte Briefwechsel zwischen Saudek und Pfemfert, die Saudek erwähnt, und die Briefe Fischers an Saudek sind leider nicht erhalten. Auch deswegen sind die Gründe des Scheiterns dieser ‚Ersatzversion‘ des Almanachs nicht bekannt. Am 20. April bat Saudek Fischer noch, seinen Aufsatz direkt an Pfemfert zu schicken und evtl. etwas über die aktuellen Vermittlungsbemühungen zu ergänzen, da Saudek seinen vorher avisierten Artikel nicht schreiben werde. Sonstige Essays wurden nicht 272 Das Ziel für Übersetzungen aus dem Tschechischen starke deutschen Verleger zu gewinnen, definierte er bereits in einem Artikel in Lidové noviny im November 1911 (Saudek 1911d). 273 E. Saudek an O. Fischer, 12.04.1916, LA PNP, Fonds O. Fischer. 274 Richard Weiner, Petr Křička, Stanislav Hanuš, Josef Kodíček und Ervín Taussig kamen verstreut in weiteren Heften der Jahre 1916 bis 1918 und in der Anthologie Jüngste tschechische Lyrik vor. Diese erschien als zweiter Band der Edition Aktions-Lyrik ebenfalls 1916. Von den etwas älteren Autoren waren Karel Hlaváček, Stanislav Kostka Neumann und Karel Toman vertreten. 275 E. Saudek an O. Fischer, 12.04.1916, LA PNP, Fonds O. Fischer. 276 E. Saudek an O. Fischer, 12.04.1916, ebd.
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mehr erwähnt.277 Schließlich äußerte Saudek am 10. Mai in Antwort auf eine Nachricht Fischers sein Verständnis dafür, dass Fischer kein Manuskript an die Aktion gesandt hatte, und berichtete, dass seine eigenen Gedichtübersetzungen angeblich wegen verspäteter Zusendung nicht in das Themenheft aufgenommen wurden.278 Bemerkenswerterweise kommentierte Saudek in den Briefen an Fischer die Konzeption und den Veröffentlichungskontext des Themenhefts nicht. Bereits im ersten Brief positionierte er sich aber gegenüber Pick: Pick pflegt, wie Sie wissen, multa, ich achte vielmehr auf multum. Aber auch seine Bemühungen sind lobenswert; ich kann und will einfach nicht so viel übersetzen.279
In den folgenden Wochen kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Pick und Saudek bezüglich der Březina-Übersetzungen.280 Dies legt die Vermutung nahe, dass Saudeks Kommentar zur Nichtveröffentlichung seiner Beiträge insbesondere gegen Pick gerichtet war: „Nevím, nestalo-li se tak na popud družiny pražských pánů, kteří Action obsadili a chtěli snad obsaditi jen sami.“ [Ich weiß nicht, ob es nicht durch die Kohorte der Prager Herren veranlasst wurde, die die Action besetzt haben und vielleicht auch nur für sich besetzen wollten.]281 Es würde jedenfalls der später gegenüber Miloslav Hýsek brieflich geäußerten Einstellung Saudeks entsprechen, dass in der tschechischdeutschen Vermittlungsarbeit derzeit „[a]lles von Otto Pick etc. beherrscht wird“.282 Im Sommer 1916 erschienen zwei Gedichte Otokar Fischers und ein Essay Otokar Březinas in Saudeks Übersetzung in der Aktion (beide Gedichte wurden in die Anthologie Jüngste tschechische Lyrik übernommen).283 Zwischen 1916 und 1918 erschienen in der Aktion – das Themenheft Böhmen ausgenommen – 46 Übersetzungen aus dem Tschechischen, wobei unter den Autoren Březina mit neun Gedichten und Essays führt, gefolgt von Karel Hlaváček (6 Texte), und unter den Übersetzern Otto Pick (16 Beiträge), gefolgt von Maria Nachlinger (6), Camill Hoffmann (5), Paul Eisner, Rudolf Fuchs und Jan Löwenbach (je 4). Saudek spielte also in der Präsentation der tschechischen Literatur in der wichtigsten expressionistischen Publikationsplattform eine marginale Rolle. 277 E. Saudek an O. Fischer, 20.04.1916, ebd. 278 E. Saudek an O. Fischer, 10.05.1916, ebd. 279 E. Saudek an O. Fischer, 12.04.1916, ebd. 280 Siehe Zbytovský (2020: 217), Binder (2004: 24f.). 281 E. Saudek an O. Fischer, 10.05.1916, LA PNP, Fonds O. Fischer. 282 Siehe Kapitel VII: 221. 283 Fischer (1916); Březina (1916a).
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Da die im März 1916 erwähnten Kontakte mit den Weißen Blättern keine weitere Veröffentlichung zur Folge hatten, blieb der einzige Beitrag Saudeks dort der Essay Gegenwart (Přítomnost) von Březina (Erstdruck 1908; Březina 1915a). Vor der Veröffentlichung des Gedichtbands Winde von Mittag nach Mitternacht wurden vier Gedichte in der Zeitschrift des Kurt Wolff Verlags Genius. Zeitschrift für alte und werdende Kunst vorabgedruckt. Mit den Redaktions- und Beiträgerkreisen dieser Zeitschriften stand jedoch Saudek (mit der Ausnahme Ehrensteins in den Weißen Blättern) nicht in persönlicher Verbindung. In Wien trat er aber mit seinen Březina-Übersetzungen 1918/1919 in expressionistische Publikationsplattformen ein, die mit seinen Kontaktnetzwerken personal enger zusammenhingen – die Zeitschriften Daimon und Der neue Daimon.284 Waren die Wiener Expressionisten zunächst als Beiträger oder Redaktionsmitarbeiter mit Periodika andernorts verbunden, so entstanden in den Jahren 1917 bis 1920 in Wien einige Zeitschriften, die zumindest teil- und zeitweise zu Knotenpunkten der expressionistischen Kunst und Literatur werden sollten. Als erste sind die Monatsschrift des Kreises um Karl F. Kocmata und Peter Altenberg Ver! (August 1917 – November 1921) und der von Otto Schneider herausgegebene Der Anbruch (Dezember 1917 – Dezember 1922) zu nennen, wobei v. a. das letztere Projekt nach dem Vorbild des Berliner Sturms neben der Literatur auch den visuellen Künsten systematische Aufmerksamkeit widmete und durch Kulturabende und Vorträge aller Art die kulturelle Öffentlichkeit zu animieren suchte (Wallas 1994: 56ff.). Nicht dezidiert expressionistisch, aber für die expressionistisch, pazifistisch und revolutionär gesinnten Autoren von großer Bedeutung war Benno Karpeles’ Wochenschrift Der Friede (Januar 1918 – August 1919), auf dessen Seiten nicht nur Diskussionen über die Neugestaltung Österreichs geführt, sondern – im von Alfred Polgar geleiteten Literaturteil – auch eine Reihe von Übersetzungen abgedruckt wurde, aus dem Tschechischen vereinzelt aus Otokar Březinas und Jan Nerudas Werken (Amann 1992).285 Als die am systematischsten auf Übersetzungen aus dem Tschechischen eingestellte expressionistische Zeitschrift wäre freilich die von Leo Reiss herausgegebene Brünner Monatsschrift
284 In der ersten Nummer des expressionistisch geprägten Organs des Ed. Strache Verlags Die Initiale. Eine Zeitschrift für Bücherfreunde (1921–1922) erschien anlässlich der zweiten Ausgabe von J. S. Machars Rom ein kurzer Abschnitt in Saudeks Übersetzung (Machar 1921). 285 In Saudeks Privatnachlass ist das Heft vom 23.12.1918 erhalten, mit zwei angestrichenen Artikeln zur Gründung der Tschechoslowakei – Otto Picks Die Tschechen im Triumph und Karl Tschuppiks Masaryk. Zum Profil der Zeitschrift und ihrer Rolle im tschechischösterreichischen Kulturkontakt s. Ifkovits (2019).
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Der Mensch (1918) zu nennen.286 In diesen Zeitschriften war Saudek freilich nicht vertreten. Sonnenschein, Ehrenstein oder Werfel wirkten als Beiträger insbesondere an Schneiders und Karpeles’ Zeitschriften mit. Weitgehend die gleichen Autorenzirkel waren in der seit Februar 1918 im Anzengruber-Verlag der Brüder Suschitzky287 entstandenen Monatsschrift Daimon involviert, die im zweiten Jahrgang den Titel Der neue Daimon trug (Hall 1985: 144ff.).288 Im ersten Jahr war Jakob Moreno Levy289 der Herausgeber, im zweiten übernahm der oben genannte Genossenschaftsverlag diese Rolle. Übersetzungen wurden programmatisch aufgenommen – neben den dominanten französischen Autoren wie Francis Jammes, André Suarés, Paul Claudel, Claude Debussy kamen mit vier Beiträgen tschechische Autoren Otokar Březina (übersetzt von Saudek), Karel Hlaváček und Petr Bezruč (übersetzt von Rudolf Fuchs). Saudeks Übersetzung von Březinas Essay Das Geheimnisvolle in der Kunst (Tajemné v umění)290 steht gleich im ersten Heft neben programmatischen Texten – Levys Die Gottheit als Autor, Emil A. Rheinhardts Aufruf an die jungen Menschen –, von denen insbesondere der zweite der hymnischen O-Mensch-Geste verpflichtet ist. Auch folgende Worte aus Březinas symbolistischem Essay gewinnen somit einen besonderen Kontext und Sinn: Denn das Wesen der Kunst ist Liebe, die da sprechen lehrt den stummen Mund und Kühnheit einflößt den Allzuschüchternen. Wie die Liebe so liebt auch die Kunst die Erde. Auch die geistigste Kunst anerkennt dankbar, daß sie ihre Fittiche gegen ihr Licht stemmte, bevor sie in Höhen auffliegen konnte, wo sie mit der Schnelligkeit exstatischer Blicke kreist. Die Erde wird immer das Ufer bleiben, zu dem sie von ihren Fahrten zurückkehrt. (Březina 1918: 57)
Diese Kombination scheint die thematischen Präferenzen der Zeitschrift adäquat widerzuspiegeln: Zentral waren ethische und künstlerische Fragen, wobei immer wieder die Frage nach ihrer metaphysischen Fundierung gestellt wurde. Moreno Levys Theologie der Begegnung sah den Künstler als 286 Mit Texten u. a. von Petr Bezruč, Otokar Březina, Karel Čapek, František Khol, Jiří Mahen, Antonín Macek oder Jaroslav Vrchlický (Antošíková/Budňák 2017). 287 Saudek publizierte in diesem Verlag 1912 die Broschüre Dichter Machar und Professor Masaryk im Kampfe gegen den Klerikalismus mit eigenem Vorwort, die v. a. auf die amtliche Konfiskation von Macharova čítanka [Machars Lesebuch] aufmerksam machte (siehe auch das Kapitel IV. von L. Merhautová: 135–139). 288 Trotz der Proklamation als Monatsschrift sind 1918 nur vier umfassende Hefte erschienen, 1919 erschien die Zeitschrift regelmäßiger in sechs Doppelnummern. 289 Ab 1919 gelegentlich auch als Levý signiert. 290 Eröffnender Essay des Bandes Hudba pramenů (1903), dt. als Musik der Quellen (1923, übs. von Emil Saudek unter Mitarbeit Franz Werfels).
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guten δαίμων, der zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre vermittelt und zu der „wirkliche[n] Begegnung Gottes mit seinem Leser“ (Moreno Levy 1918: 19) verhelfen soll. Eine ähnliche thematische Ausrichtung ist bei vielen Beiträgen vorhanden – in der ersten Nummer bei Paul Kornfelds Gebet und Schweigend ist der Mensch größer denn sprechend oder bei Max Brods Kosmische Kantate.291 Nicht zuletzt entsprach ein derartiges Profil auch den Interessen Saudeks, der insbesondere von den religiösen bzw. mystischen Aspekten im Schaffen Sonnenscheins und Ehrensteins angesprochen wurde. Dass Březinas Text auch seitens der Leserschaft nicht bloß als anregende Stimme von außen verstanden werden musste, sondern als integraler und repräsentativer Bestandteil, deutet der Wiener Brief Eduard Castles aus der Zeitschrift für Bücherfreunde an, der den Daimon als Zeitschrift der „Ausdrucksdichtung des jüngsten Tages“ beschrieb, und sie „sehr geschmackvoll ausgestattet“ fand. Wenn er den Inhalt durch einen „nachdenklichen Kernspruch“ aus Březinas Essay charakterisiert sah („Der größte Teil verschwindet mit den Seelen, die ihre Siege träumen konnten oder mußten – schweigend.“), handelte es sich wohl eher um ein ironisches Lob (Castle 1918: 126). Der neue Daimon setzte 1919 das Programm fort und Levý plädierte im ersten Heft für eine konsequente Demokratisierung der Literatur,292 indem er sich An die Leser zum Aufstand gegen die Autoren wandte, um einen „Kreuzzug der Leser gegen die Heerführer des Geistes, der Kinder gegen die Wort- und Erlebnishamsterer“ (Moreno Levy 1919: 31) auszurufen. Im Aprilheft 3/4 erschien ein weiterer Essay aus Březinas Musik der Quellen, die Bruderscharen (Zástupové, Březina 1919). Drei Hefte des Neuen Daimons waren jeweils einem Autor gewidmet.293 Anfang Juli berichtete Saudek in einem Brief an Březina über den Fortgang seiner Zusammenarbeit mit Franz Werfel an der Übersetzung des Gedichtbands Větry od pólů / Winde von Mittag nach Mitternacht und erwähnte dabei den Plan der Redaktion des Neuen Daimons, ein Březina gewidmetes Sonderheft zusammenzustellen. Es sollte acht Gedichte aus dem vorbereiteten Gedichtband, den Essay Perspektiven (Perspektivy) in Saudeks eigener Übersetzung und seine Abhandlung über Březina beinhalten (Březina 2004/II: 1253). Weder
291 Die Autoren Prager Herkunft sind in beiden Jahrgängen intensiv vertreten, außer den genannten wiederholt auch Ernst Weiß. 292 Generell sprachen die Gründer des Genossenschaftsverlags von einer „Sozialisierung der Dichtkunst“ (Hall 1994: 32f.). 293 Im Juni wurde das Drama Tanja von Ernst Weiß abgedruckt, im November diverse Texte Hermann Kessers und im Dezember Sonnenscheins Legende vom weltverkommenen Sonka.
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die Reaktion des Dichters noch die Gründe für das Nichtzustandekommen des Vorhabens sind bekannt;294 die Zeitschrift ging jedenfalls Ende 1919 ein.
4. Im Licht der Erneuerung: Kriege des Geistes und die Revolution Als sich Saudek im Frühjahr 1916 mit Max Brods eben publiziertem Roman Tycho Brahes Weg zu Gott beschäftigte, fand er trotz aller Unterschiede zu dessen deutschen Zeitgenossen eine starke Verbindung: Die „religiöse Empfindung“ sei dem Autor hier das „Problem aller Probleme“ (Saudek 1916d/48: 2). Damit wiederholte Saudek die Behauptung, die vier Jahre früher seinen Essay O poesii Otokara Březiny [Über die Poesie O. B.s] einleitete, der einzige Gegenstand der Poesie Březinas sei „das religiöse Problem“ (Saudek 1912h: 5). In der Spannung zwischen den Protagonisten de Brahe und Kepler und in der Romanhandlung sah Saudek die These des Synergismus artikuliert, derzufolge Gott nicht allmächtig sei, sondern beim Kampf gegen das Chaos auf die Mitarbeit des Menschen angewiesen. Möglicherweise dachte Saudek an Petr Chelčickýs theologische Ethik,295 wenn er behauptete, dass diese Lehre historisch auch aus dem ‚tschechischen Milieu‘ hervorgegangen sei. Auf jeden Fall schrieb er sie auch Březina zu und mutmaßte, dass Max Brod genauso wie Franz Werfel sie möglicherweise ausgerechnet in diesem tschechischen Milieu rezipiert hatten (Saudek 1916d/49: 2). Zur gleichen Zeit befasste er sich mit dem neuen Buch Kosmogonie des Prager Philosophie-Professors Christian von Ehrenfels, welches er im April in Vídeňský deník rezensierte. Nachdem er die zentralen ‚Dogmen‘ Ehrenfels’ referierte,296 hob er darin schließlich Ehrenfels’ Synergismus hervor – 294 Der nächste deutsche Text Saudeks über Březina wurde erst im August 1920 in der Brünner kosmopolitischen Zeitschrift Die Wahrheit abgedruckt (Saudek 1920b). 295 Auf Chelčický verwies er andernorts mehrmals als eine der zentralen Gestalten der böhmischen Philosophie- und Mystikgeschichte (auch im Zusammenhang mit der Idee einer geistigen Erneuerung; Saudek 1911a; 1921a; 1922b; 1929 und in der Korrespondenz v. a. mit Hermann Bahr). Der Pazifist Chelčický (ca. 1379–1460), dessen Texte in den 1920ern von Antonín Stanislav Mágr und Carl Vogl verdeutscht wurden, galt als eine höchst positive Identifikationsfigur auch für Werfel, Willy Haas oder Oskar Kokoschka. 296 Bemerkenswert ist hier z. B. Saudeks begeisterte Zustimmung zu Ehrenfels’ Ablehnung des damals populären Monismus zugunsten eines dualistischen Weltbilds. Zu Ehrenfels’
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Bůh roste s námi a svět poroste s ním. Jsme všichni jeho zodpovědní spolupracovníci – „dobyvatelé pokorní“. (Saudek 1916e: 3) [Gott wächst mit uns und die Welt wird mit ihm wachsen. Wir sind alle seine verantwortlichen Mitarbeiter – „demütige Eroberer“.]
– wobei mit den „demütigen Eroberern“ ein unmarkiertes Zitat aus Březinas Gedicht Místa harmonie a smíření (Orte der Harmonie und der Versöhnung) aus dem Band Ruce (Hände) aufgenommen wird.297 Ehrenfels’ Lehre begegnet Saudek mit Sympathie: Nejsou to červánky nového náboženství? Autor Kosmogonie není jediný ze zvěstovatelů nového jitra. […] V době, která přichází, bude znamenati nejvíce muž, jenž promluví včas, zatím co druzí ostýchavě mlčí nebo ještě přemítají. Po válce hmotné přijde doba válek duchových. Na všech polích… I náboženskost vyvolá nové své křížové války… Nutno dbáti výzbroje. (Saudek 1916e: 3) [Ist es nicht die Morgenröte einer neuen Religion? Der Autor der Kosmogonie ist nicht der einzige Verkünder des neuen Morgens. /…/ In der kommenden Zeit wird derjenige am meisten bedeuten, der zur rechten Zeit reden wird, während die anderen noch schüchtern schweigen oder nachsinnen. Nach dem materiellen Krieg kommt eine Zeit der Kriege des Geistes. In allen Gebieten … Auch die Religion wird ihre neuen Kreuzzüge hervorrufen … Es gilt auf die Rüstung zu achten.]
Nicht nur an Brod, den er bereits zuvor mit Ehrenfels in Verbindung brachte, wird Saudek mit den weiteren gegenwärtigen „Verkündern“ gedacht haben. Kurz zuvor erst hat er bei Sonnenschein dessen „sub specie aeternitatis“-Perspektive und die Beschwörung des kommenden Siegs hervorgehoben: „Krev teče ku slávě ‚Jehovy biblického žalu‘ – ale v jádru dění žije ‚šílenství lásky‘, které zapřísahá: Nechť zazpívá chuť k životu svatou svou vzpouru, nechť vzepření duchů potře smrt.“ [Blut fließt zur Ehre des ‚Jehova der biblischen Klage‘ – aber im Kern des Geschehens lebt der ‚Wahnsinn der Liebe‘, der beschwört: ‚Laß Lebensmut den heiligen Aufruhr singen, / Empörung der Herzen den Tod bezwingen.] (Saudek 1915a; Sonnenschein 1920: 16) Und im Ehrenstein-Aufsatz referierte er das religiös motivierte Bild der Menschenerneuerung: „Der Todesengel sticht den alten Adam nieder, es tritt eine ‚Verwandlung‘ in ein Wesen von neuen, sich gestaltenden Hoffnungen.“ (Saudek 1916f: 4) Hier liegt der gemeinsame Nenner von Saudeks Engagement in expressionistischen Zusammenhängen. Bedeutung nicht nur für Saudek siehe das Kapitel V. von J. Vojvodík: 169–170. 297 „Und wissend nicht mehr von anderen Schmerzen als dem des geheimnisvollsten aller Verluste, / Auf der Schwelle deiner innern Welten sich fürchten vor deiner Nähe, / Demütige Eroberer, dir folgend, geh’n wir zu deinen Gärten, / Und alle gegen uns ziehenden Heere treten zu uns über“ (Březina 1908b: 56).
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Eine Akzentuierung des religiösen Aspekts der anstehenden Neuordnung der Welt war den expressionistischen Manifesten und Grundsatzerklärungen allerdings im Allgemeinen keineswegs fremd – man denke etwa an Paul Kornfelds Der beseelte und der psychologische Mensch (1918) oder Eckart von Sydows Das religiöse Bewußtsein des Expressionismus (1919). Auch die zeitgenössische Renaissance der Mystik schloss, wie diese Autoren bezeugen, politischen Aktivismus keineswegs aus. Beide zusammenhängende Momente (der neuen Religion und der Mystik) gehörten zur breiten Palette der Konkretisierungen des für den Expressionismus wesentlichen Kults des „Geistes“ in Abwehr der Vergegenständlichung des Menschen, gegen die „Macht der Objekte“ und die tote „Tatsachenwirklichkeit“ (so etwa Blass 1919: 65).298 U. a. auf die Prominenz des Stichworts ‚Geist‘ im Expressionismus stützten sich übrigens die oben (Anm. 6) erwähnten polemischen Kommentare von Václavek und Götz. Während z. B. die religiös konnotierten Erneuerungsentwürfe von Stefan George299 deutlich elitaristisch markiert, mit einer Hingabe an eine höhere Autorität verbunden waren und gleichermaßen eine „Vergottung des Leibes und die Verleibung Gottes“ (Flasche 1996: 158) betrieben, verknüpften die meisten Expressionisten die geistig-religiöse Erneuerung mit dem radikal demokratischen Prinzip ihrer politischen Visionen. Insofern stand ihnen Saudeks Verständnis von Březina deutlich näher. In diesem Sinne würdigte er Sonnenscheins Willen, „Fackel der Menschenscharen“ (Saudek 1920a: 2) zu werden, und die Verkündung des neuen Adam bei Ehrenstein. Fraglich ist freilich, inwieweit Saudeks Interpretation Ehrensteins in Bezug auf die anstehende „Verwandlung“ des Menschen zutrifft. Zu dieser Zeit noch weit entfernt von den Visionen der kommenden matriarchalischen Neuordnung, die er im Exil hegen würde (Wallas 2015: 502ff.), bevorzugte Ehrenstein in seiner Poesie Destruktionsphantasien aller Art. Saudek vereindeutigte den Gedichttitel (in „Proměna“ – Verwandlung) und den zweideutigen Ausgang des Gedichts, der auch (oder vielmehr?) als nur scheinbare Verwandlung durch den höhnischen Todesengel im Kreis der Wiedergeburt verstanden werden kann: „‚So werde, was du bist, / auf der Erde, die dich frißt!‘ // Mit den Händen griff der Malmer in meinen Staub, / entwirbelnd 298 Berühmt sind etwa die programmatischen Texte Kandinskys (Über das Geistige in der Kunst, 1912), Walter Serners (Kunst und Gegenwart, 1913) oder Ernst Blass’ (Der Geist der Utopie, 1919). Mit den religiösen und theologischen Aspekten der expressionistischen Literatur befassten sich v. a. Rothe (1977: 31ff.), Vondung (1994) und Krause (2000). 299 Der Kontext künstlerischer Entwürfe religiöser Erneuerung ist mit George nicht ausgeschöpft (obwohl ihn Flasche [1996: 155] den einzigen wirklichen Mystiker nennt). Probebohrungen zu diesem Thema bietet Gruber (1997).
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verschwand ich Geraubter im neu ergrünenden Laub“ (Ehrenstein 1916: 59). Saudek harmonisierte hier vielmehr Ehrensteins raffinierte Verachtungs- und Vernichtungstiraden mit seinem durch seine Březina-Lektüre maßgeblich bestimmten Welt- und Geschichtsbild.300 Schließlich hatte er bereits im Aufsatz über Březinas Weltanschauung von 1908 dem Dichter eine „positive Religion“ (Saudek 1908) zugeschrieben, die sowohl Synergismus als auch eine Aufhebung der Kluft zwischen Individuum und Kollektiv einschließe, und Ende desselben Jahres schrieb er Hermann Bahr von der zukünftigen Březina’schen „Socialrevolution des Kosmos“.301 Auch in dem Moment, als sich die nationalpolitische Motivation in Saudeks Texten 1918/1919 deutlicher als vorher zu Wort meldete,302 verlor er die Dimension der religiösen Erneuerung nicht aus den Augen. Seine Bemühungen um die Vermittlung von Březinas Werk begründete er im Jubiläums-Artikel mit der Sehnsucht, zu belegen, „was die Tschechen leisten können“ und sie als eigenständig kreative Nation auszuweisen. Noch davor steht aber die Absicht, sein eigenes Březina-Erlebnis weltweit zu verbreiten – und damit auch den Gedanken einer sozialen und religiösen Umgestaltung: jsa jednou v područí pomyslu překonaných hranic mezi dušemi, opojen ideou společného vesmírného světoobčanství, pojal jsem – již vědomě – úmysl prostříti tabuli, určenou všem dnes nábožensky procítajícím a hladovějícím. (Saudek 1918/19b: 26) [einmal von dem Gedanken der überwundenen Grenzen zwischen Seelen gebannt, berauscht von der Idee des gemeinsamen kosmischen Weltbürgertums, habe ich – schon bewusst – die Absicht gefasst, die Tafel aufzudecken für alle heute religiös Erwachenden und Hungernden.]
Im Sommer 1920 schrieb Saudek in der Brünner Wahrheit wiederum Březina das Potential zu, ein „Band echter Bruderschaft aller Menschen“ zu werden unter denjenigen Lesern, die „unbeirrt von nationaler Enge“ (Saudek 1920b: 168) den geistigen Schatz der modernen tschechischen Literatur wahr- und ernstnehmen. Denn „Sprache allein schafft, gestehen wir es uns nur offen zu, die rechte Einheit nicht. Es ist der Gedanke, der Inhalt, die Liebe, die geistige Heimat, welche das Herz erst aufrichtig im Gefühl der Gemeinsamkeit aufjauchzen lassen!“ (ebd.). In der zusammenfassenden Ausformulierung seiner „neomystischen Gesichtspunkte“ (Neomystická hlediska, 1920) in der Monatsschrift Služba, bekräf300 Dass selbst Saudeks Březina-Lektüre stark harmonisierend war, erläutert das Kapitel V. von J. Vojvodík. 301 Beilage des Briefs von Saudek an H. Bahr, 27.11.1908, Österreichisches Theatermuseum, Fonds Hermann Bahr. 302 Dazu siehe das Kapitel IX. von L. Merhautová.
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tigte Saudek Březinas Rolle als Verkünder der (nicht nur) religiösen Erneuerung – und stellte gleichzeitig eine Hierarchie der moralischen, politischen, noetischen und ästhetischen Dimensionen dieser Renaissance auf: Otokar Březina učí, že obrození mravní, které vykoná jednotlivec, společnost, dějiny uvědomělých národů a dobrodinná práce sil vesmírných (osvobození od viny) bude zárukou posílení naší poznávací mohoucnosti a zejména nejvznešenější naší síly, síly bezprostřední vise. (Saudek 1920c: 304) [Otokar Březina lehrt, dass die sittliche Wiederherstellung, die der Einzelne, die Gesellschaft, die Geschichte der aufgeklärten Nationen und die wohltätige Arbeit aller kosmischen Kräfte (Befreiung von der Schuld) leisten, eine Stärkung unserer Erkenntniskraft garantieren wird und vor allem eine Stärkung unserer erhabensten Kraft: der Kraft der unmittelbaren Vision.]
Und gerade die Zusammenhänge zwischen dem Aspekt der sozial-politischen Revolution und der religiös-ethischen Wandlung, die er bei Expressionisten wie Sonnenschein und Ehrenstein verbunden sah, gingen wohl in den kritischen Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verloren. Ohne zu konkretisieren, auf wen seine Polemik genau zielte, charakterisierte Saudek die Akteure der „Revolution unserer Tage“ als „gewissen- und bildungslose Menschen“ (Saudek 1921a). Politische Revolution als Allheilmittel herbeiführen zu wollen bedeute, auf die bereits zur Verfügung stehende Erkenntnis zu verzichten, dass revolutionäre Brüche im evolutionären „verborgenen Reifen der sozialen Umwandlungen“ (ebd.) nur dann begründet seien, wenn sie als letzte Möglichkeit unvermeidlich geworden sind. Ist es nicht der Fall, so stehen sie der wahren Erneuerung im Wege. Am Rande seiner Rezension von Werfels Bocksgesang (1922), in der der dionysische Kern aller gesellschaftlichen und persönlichen Umstürze besprochen wird, deutet Saudek einen Rückstand der inneren Wandlung an – man sei noch weit entfernt „von einer demokratischen Verfassung unserer Gemüter…“ (Saudek 1922a: 3). Nach Kriegsende entstanden neue Staaten und Verfassungen, nicht aber die ersehnte neue Welt, Menschengemeinschaft oder Religion. Jedenfalls wurde aber Vieles für überholt und der alten Welt zugehörig, ja tot erklärt – beispielsweise der Expressionismus. Die radikalen Revolutionsversuche scheiterten, der expressionistische „Kampf ist zur Groteske geworden“ (Goll 1921: 9). Einen der letzten Punkte hinter die Expressionismus-Debatte in der tschechischsprachigen Kritik setzte symbolischerweise Saudek. Freilich nicht Emil, sondern sein 1904 geborener Sohn Erik Adolf.303 In seinem Artikel
303 Zu Erik Adolf Saudeks Leben und Werk siehe das Kapitel XI. von M. Topor.
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über die deutsche Gegenwartsliteratur schrieb er im Oktober 1926 in der Monatsschrift Kmen über den Tod des Expressionismus: Mrtev je aspoň expresionismus jako hromadný zjev válečné, poválečné a revoluční psychózy, přestože někteří expresionisté neopustili tonoucí lodi a zachovávají bojovněnegativistický, mesiánský ráz uměleckého projevu a pěstují dále mnohomluvnou, rétorickyrevoluční poezii […]. (Saudek 1926: 26) [Tot ist der Expressionismus wenigstens als Massenerscheinung der Kriegs-, Nachkriegsund Revolutionspsychose, obwohl manche Expressionisten das sinkende Schiff nicht verlassen haben und den kämpferisch-negativistischen, messianischen Charakter ihres künstlerischen Ausdrucks bewahren und eine weitschweifige rhetorisch-revolutionäre Poesie pflegen /…/.]
Betrachten wir die Interaktionen Saudeks in expressionistischen Kontexten im Rahmen seiner eigenen Übersetzungspraxis, der Publikation seiner Übersetzungen und seiner Auseinandersetzungen mit Werken der als expressionistisch eingestuften Autoren, so lässt sich eine immense und nicht abschwellende Bedeutung seiner Auseinandersetzung mit Březina für diese Zusammenhänge feststellen. Es wäre dabei wohl zu weit gegriffen, Emil Saudeks BřezinaLektüre als expressionistisch einzustufen oder umgekehrt sein Agieren in den expressionistischen Zusammenhängen als eine ‚Březinisierung‘ des Expressionismus zu verstehen. Die Motivationen und Selbstdeutungen von Saudek und anderen Akteuren in diesen Interaktionen lassen sich nur fragmentarisch rekonstruieren. Fest steht, dass Saudek in manchen Phasen der ‚expressionistischen Dekade‘ bei einigen Expressionisten Verwandtschaft mit seinen durch Březina angeregten Reflexionen über soziale und religiöse Erneuerung und poetischen Präferenzen fand, und in expressionistischen Publikationsplattformen Raum für seine Vermittlungstätigkeit bekam (weniger als gehofft) – sei es dank der Empfänglichkeit des Expressionismus für (bisher) periphere Erscheinungen und Kulturakteure oder dank seiner Sensibilität gegenüber denjenigen Akzenten im Werks Březinas, die Saudek für wertvoll hielt.
Lucie Merhautová
IX. Loyalität und Misstrauen: Emil Saudek und die Übersetzung von Masaryks Schrift Nová Evropa
1. Saudeks Beziehung zu T. G. Masaryk vor dem Krieg Emil Saudek lernte T. G. Masaryk, der nach seiner Wahl zum Reichsratsabgeordneten im Jahr 1907 oft in Wien weilte, Anfang des Jahres 1908 auf Vermittlung von J. S. Machar kennen.304 Gemeinsame Treffen waren eher sporadisch, umso intensiver erlebte Saudek sie.305 Als Machars Freund genoss er Masaryks Vertrauen und 1909 setzte sich Masaryk sogar bei Karl von Morawitz, dem Direktor der Anglo-Österreichischen Bank, für Saudeks Beförderung ein.306 Im gleichen Jahr bemühte sich auch Saudek, Masaryk behilflich zu sein – er nutzte seine Bekanntschaft mit Stefan Zweig und stellte mit dessen Hilfe den Kontakt zwischen Masaryk und Eugen Diederichs her, der in der Folge Masaryks Schrift Russland und Europa (Masaryk 1913) herausbrachte.307 304 „Ich habe Prof. Masaryk kennen gelernt, er machte einen gewaltigen Eindruck auf mich“ (E. Saudek an O. Březina, 26.02.1908, LA PNP, Fonds O. Březina; ähnlich auch Saudek 1914b: 64). 305 Vgl. E. Saudek an J. S. Machar, 07.02.1913, LA PNP, Fonds J. S. Machar u. E. Saudek an O. Fischer, 25.02.1913, LA PNP, Fonds O. Fischer. 306 Diese Intervention verlief in zwei aufeinanderfolgenden Schritten, zunächst im Frühjahr 1909, und dann wiederholt im August desselben Jahres. Vgl. J. S. Machar an T. G. Masaryk, 08.04.1909, LA PNP, Fonds T. G. Masaryk; T. G. Masaryk an J. S. Machar, 04.04.1909, LA PNP, Fonds J. S. Machar; T. G. Masaryk an E. Saudek, 30.08.1909, ES. 307 „Asi v březnu 1910 dověděl jsem se od Machara, že Masaryk pracuje na díle o Rusku. Napadlo mi, že bych takové dílo, o němž jsem rovněž předpokládal, že bude napsáno česky, mohl přeložit do němčiny. Vypravoval jsem o svém úmyslu 7. dubna 1910 p. Stefanu Zweigovi, jenž s výbušnou radostí se mi nabídnul, že ihned najde říšsko-německého nakladatele, jenž ‚nebude skrblit i tisíce za honorář‘. (Slyšel jsem tuto poznámku rád, věda, že Masaryk peněz potřeboval.) […] – Zweig získal snadno nakladatelství Eugena Diederichse v Jeně; majitel navštívil Masaryka schválně na podzim 1910, v lázeňském městě Žandově, a tam byla smlouva uzavřena.“ [Etwa im März 1910 erfuhr ich von Machar, dass Masaryk
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Masaryk wurde um 1910 nicht nur als Intellektueller und Politiker wahrgenommen, der sich zu Affären von allösterreichischer Bedeutung zu Wort meldete (etwa zur Hilsner-Affäre /1901/, zur Wahrmund-Affäre /1908/ und im Agramer Hochverratsprozess /1909–1910/), sondern auch als Vermittler und Deuter russischer Literatur und russischer Religionsgeschichte. Diese Vermittler-Rolle eines Brückenbauers zwischen Osten und Westen (Doubek/ Gleixner 2022) verkörperte er z. B. bei seiner Vortragsreise durch die USA 1907, genauso aber auch in Wien. Bereits im Jahr 1910, während noch über die Publikation von Russland und Europa verhandelt wurde, besuchte Saudek dort Masaryks Vortrag über L. N. Tolstoi308 und bewertete ihn als ein „Ereignis höchster Bedeutung“.309 Er fand anlässlich des Todes des Dichters auf Deutsch in der Urania statt (Masaryk hatte Tolstoi noch im Frühling desselben Jahres auf dessen Landgut in Jasnaja Poljana besucht).310 Der Saal war ausverkauft,311 das Publikum war national und altersmäßig (Saudek 1910b) gemischt,312 es kamen auch viele Frauen. Für Saudek war Masaryk vor dem Krieg das Muster eines Intellektuellen, der sich in diversen Sprach-, Fach- sowie Gesellschaftskontexten bewegen konnte, er verstand ihn als Sozialpolitiker, Religionsdenker sowie als Kämpfer gegen Klerikalismus und Antisemitismus. Saudek glaubte außerdem, dass Masaryk zur Geburt eines neuen Österreichs beitragen werde. So legte er es auch im Vorwort der Broschüre Dichter Machar und Professor Masaryk im Kampfe gegen den Klerikalismus (Saudek 1912g) dar.313 Masaryk teilte diese Visioan einer Schrift über Russland arbeite. Es fiel mir ein, ich könnte dieses Werk, von dem ich zugleich annahm, dass es auf Tschechisch verfasst werde, ins Deutsche übersetzen. Ich erzählte von meinem Vorhaben Herrn Stefan Zweig am 7. April 1910, der sich mir mit Begeisterung anbot, er würde sofort einen reichsdeutschen Verleger finden, der ‚nicht geizen werde und auch Tausende für das Honorar gebe‘. (Ich vernahm diese Anmerkung gerne, im Wissen, dass Masaryk Geld brauchte.) /…/ – Zweig gewann mit Leichtigkeit den Verlag Eugen Diederichs in Jena; der Inhaber besuchte Masaryk mit Absicht im Herbst 1910, in Bad Schandau, dort wurde der Vertrag auch abgeschlossen.] (Saudek 1919a) 308 Zu erwähnen wäre auch Masaryks Vortrag über die Geschichtsphilosophie von F. M. Dostojewski, den er am 10. Februar 1914 in der Soziologischen Gesellschaft im kleinen Festsaal der Wiener Universität hielt. 309 E. Saudek an R. Svobodová, 22.12.1910, LA PNP, Fonds R. Svobodová. 310 Den Nachruf auf Tolstoi veröffentlichte Masaryk auf Tschechisch in Čas (Masaryk 1910a) und auf Deutsch in der Zeit (Masaryk 1910b). 311 „Das Theater war bereits am Vormittag völlig ausverkauft und am Abend war der Saal rappelvoll, obwohl das Wetter ungünstig war“ (Anonym 1910c). 312 Anzutreffen waren „Vertreter aller Slawen, Tschechen, Polen und Südslawen, am öftesten wurde jedoch das Deutsche gesprochen“ (Anonym 1910d). 313 Siehe Kapitel IV. von L. Merhautová: 135–139.
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Postkarte aus Tivoli von Vasil Škrach, T. G. Masaryk und Alice Masaryková an Emil Saudek, 04.09.1913 (ES).
nen allerdings nicht. Er war zwar ein Intellektueller von mitteleuropäischem Format, zugleich konzentrierte er sich bereits seit den 1890er Jahren deutlich auf die Konzeptualisierung der „kleinen Nation“ und die mögliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit kleiner Nationen. Das Bild von Masaryk als Humanist und Kämpfer gegen Antisemitismus hatte großen Einfluss auf jüdische Intellektuelle, darunter auch Saudek, nach der Hilsner-Affäre wurde dieses Bild von ihnen auch mitgestaltet (Koeltzsch 2022b).
2. Krieg und Umsturz Der Krieg veränderte Saudeks Einstellung zu Österreich und Wien diametral. Masaryk, der im Herbst 1914 ins Exil gegangen war, hielt im Juni 1915 in Genf und Zürich einen Vortrag aus Anlass des 500. Todestages von Jan Hus, wobei er den gesamten Themenkomplex Jan Hus, Reformation und Hussi-
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ten-Bewegung einer Aktualisierung unterzog (Masaryk 2005: 77ff.). Analog dazu stellte Saudek in der Wiener links-liberalen Zeitung Der Abend von Carl Colbert Jan Hus als Vorbild eines geistigen Menschen, eines Individualisten sowie Demokraten und Sozialreformators vor, dessen Leben und Ideen auf einem sittlichen Humanismus beruhten. Im Einklang mit Masaryk betonte er die nationale Bedeutung von Hus, hob jedoch auch dessen Widerwillen gegenüber dem Chauvinismus hervor.314 In seinen folgenden Beiträgen wandte Saudek sich Prag zu, er besprach neue Gedichtsammlungen von Otokar Fischer (Ozářená okna [Beleuchtete Fenster]) und Otakar Theer (Všemu navzdory [Trotz allem] mit dem appellativen Gedicht Mé Čechy [Mein Böhmen]) (Saudek 1916a; Saudek 1916b), genauso wie Tycho Brahes Weg zu Gott von Max Brod (Saudek 1916c). Brods Roman wurde im Kurt Wolff Verlag publiziert, mit dem Saudek zusammenarbeitete – wichtiger als dieser Umstand war Saudek jedoch die Darstellung „der religiösen Empfindung“, die er für das sittliche „Problem der Probleme“ hielt.315 1916 stellte er seine Zusammenarbeit mit Dělnické listy ein und kehrte zum Vídeňský deník zurück. Das hing sicherlich damit zusammen, dass Ivan Olbracht die Redaktion des sozialdemokratischen Tagblatts verließ, und wohl auch damit, dass die Sozialdemokratie zu jener Zeit die Kriegspolitik der Monarchie unterstützte, während Saudek ein entschiedener Antimilitarist war (bereits vor dem Krieg traf er sich im Kontext des Deutsch-czechischen Komitees mit Pazifisten). Die Antikriegshaltung zeigt sich auch in der Rezension von Sonnenscheins Sammlung Erde auf Erden. Saudek bezeichnete sie als „seltenes Dokument dieser Zeit“, das eine Ausnahme darstelle angesichts der vielen deutschsprachigen Schriftsteller, die das kriegführende Deutschland und Österreich unterstützten:316 „Die deutsche Kriegslyrik füllt bereits 314 „[E]in ehrwürdiger Prediger, ein verstandesstolzer Individualist, der auf seiner Überzeugung beharrt, in seiner Freiheit nur von eigenem Gewissen, seiner sittlichen Verantwortung gebunden. Ein geistiger Mensch, der den Materialismus überwindet, der das Körperliche durch den Geist heiligt. Freilich auch ein gläubiger Mensch, in den Formen des Mittelalters, aber im Wesen auch für uns ein Vorbild des Strebens nach einem reinen unmittelbaren Verhältnis des Einzelwesens zum ewigen hoheitsvollen Weltgesetz. Ein Verfechter der höheren Sittlichkeit in der Lebensführung, ein Feind der Schwelgerei und Unzucht, und hauptsächlich der Trunksucht. Keine Askese, sondern sittliche Reinheit. Ein Feind der Hierarchie und echter Demokrat. Einer, der die Liebe zu seinem Volk hoch setzt, aber die Liebe ohne jeden Chauvinismus“ (Saudek 1915b). 315 Siehe Kapitel VII. von Š. Zbytovský: 257. 316 Er erwähnt u. a. auch den „Hassgesang auf England“ von Ernst Lissauer, mit dem er vor dem Krieg im Briefverkehr stand. Saudek machte ihn auch auf Březina aufmerksam und rezensierte seine Sammlungen Der Strom und 1813 (Saudek 1911/12b; Saudek 1913d).
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die Bibliotheken und rivalisiert nur noch mit den Flugblättern um die Gunst des Lesers“ (Saudek 1915a). Außerdem erinnerte an die tragischen Schicksale der expressionistischen Dichter Georg Trakl und Ernst Stadler, und charakterisierte Sonnenschein erneut durch das Prisma der Humanität, wobei er sein Judentum als „schweres Geschick“ beschrieb: Hugo Sonnenschein, mladý vídeňský básník, jehož jméno je Čechům dobře známo, zdá se, že ve spolku s několika řídkými výjimkami zachránil čest německé Múzy. Právě jen tolik, co slušný básník dnes smí říci – podléhaje cenzuře vlastního čistého nitra – pověděl v podivuhodných vonných, mužných a vroucně lítostných verších, určených prozatím jen nejužšímu obecenstvu. Lidová tiskárna ve Vídni (tiskárna Děln. listů) vydala mu v prostém sešitku, zestehnutém černou stužkou, soukromý výtisk básní: Erde auf Erden o 100 exempl. Cenzurní úřad výtisku schválení neodepřel. Zajisté, není ryzí Němec svou povahou – tento slibný Hugo Sonnenschein. Narodil se v Kyjově, procítil těžký úděl slováckého lidu, nevyhnul se těžké sudbě, přiřknuté mu původem židovským. Ale umění tohoto ‚kulturbastarda‘ je zasvěceno nejkrásnějším požadavkům poezie světové, je formou dokonale německé, duchem všelidské. Nyní zněl úkol: válečný okamžik a já, lid a já, vichr vášní a klid mého rozbolestněného srdce. Hugo Sonnenschein je vždy – i v sebemenších syžetech všedního dne – orientován sub specie aeternitatis. Ve vřavě žíznivých hlasů a očí hledá skrytou tichou vůli věčnosti, rozvazuje jazyk umlčenému, ale věčnému bohu lásky. Ano lásky, přes všechen triumf nenávisti! (Saudek 1915a) [Hugo Sonnenschein, ein junger Dichter aus Wien, dessen Name den Tschechen wohl bekannt ist, scheint, im Bund mit ein paar anderen seltenen Ausnahmen, den Ruhm der deutschen Muse gerettet zu haben. In seinen wunderbar duftenden, männlichen und inbrünstig mitleidvollen, bisher nur für ein enges Publikum bestimmten Versen erzählt er nur gerade so viel, was ein anständiger, der Zensur des eigenen reinen Inneren unterworfener Dichter heutzutage sagen darf. Die Volksdruckerei in Wien (die Druckerei der Děln. listy) gab in einem einfachen Heft, mit schwarzer Schleife zusammengebunden, eine Privatausgabe seiner Gedichte Erde auf Erden von 100 Exempl. heraus. Die Zensurbehörde verweigerte dem Druck nicht die Freigabe. Sicher, er ist von Natur aus kein echter Deutscher – dieser vielversprechende Hugo Sonnenschein. Er wurde in Gaya geboren, konnte sich mit dem schwierigen Schicksal der mährischen Slowakei identifizieren und entging nicht dem schweren Geschick, das ihm sein Judentum beschied. Doch die Kunst dieses „Kulturbastards“ ist den herrlichsten Ansprüchen der Lyrik von Weltrang geweiht. In ihrer Form ist sie vollständig deutsch, in ihrem Geiste umarmt sie die ganze Welt. Nun lautete die Aufgabe: der Moment des Krieges und ich, das Volk und ich, der Sturmwind der Leidenschaften und die Ruhe meines schmerzenden Herzens. Hugo Sonnenschein orientiert sich immer – auch in den geringsten Sujets des Alltags – sub specie aeternitatis. Im Getöse dürstender Stimmen und Augen sucht er nach dem stillen Willen der Ewigkeit, er löst dem zum Schweigen gebrachten, aber ewigen Liebesgott die Zunge. Denn ja, um Liebe geht es, dem Triumph des Hasses zum Trotz!]
Im Juni 1917 zeichnete Saudek im Artikel České léto v Praze [Der tschechische Sommer in Prag] ein polarisiertes Bild von Wien und Prag (Saudek 1917), in dem er die Hauptstadt der Monarchie als selbstsüchtig, genusssüchtig und materialistisch; die Einwohner Prags als geschlossene Gemeinschaft mit ei-
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ner eigenen sinnstiftenden Perspektive (implizit der Selbstständigkeit) dargestellt. Saudek wies in diesem Kontext auf das Mai-Manifest der tschechischen Schriftsteller hin („einfache Leute, ja ganz gemeine Leute identifizieren sich mit den Idealen der Dichter und führenden Vorkämpfer der Kultur“), das über 200 Unterzeichner hatte und einen bedeutenden Einfluss auf die nationale Aktivierung der tschechischen Gesellschaft ausübte. Parallel kam es zur einer Annäherung von politischen Parteien des Mitte-rechts-Spektrums, ein Prozess, mit dem die Abgrenzung gegen nationale Feinde und die Ausgrenzung unverlässiger, „untreuer“ oder sogar feindlicher Bevölkerungsgruppen einherging. Neben der variablen Kategorie der „Deutschen“ (als die z. B. alle pro-österreichisch gesinnten Bürger betrachtet werden konnten), wurde die Loyalität der Vertreter des Adels und der katholischen Kirche sowie der jüdischen Bürger angezweifelt. Dieses Misstrauen betraf alle Juden gleichermaßen, nicht nur deutschsprachige, sondern auch Vertreter der tschechisch-jüdischen Bewegung, einschließlich Mitglieder bzw. Sympathisanten der Realistischen Partei (Čapková 2005 und 2012; Frankl/Szabó 2015). „Jeder Tscheche, der die Geschichte seiner Nation kennt, muss sich entscheiden, entweder ist er für die Reformation, oder gegen die Reformation, entweder für die tschechische Idee – oder für die österreichische Idee,“ erklärte Masaryk in seiner Zürcher Rede über Jan Hus (Masaryk 2005: 82). Und Saudek entschied sich eindeutig für die Unterstützung der zukünftigen Eigenständigkeit der böhmischen Länder und für die tschechische Nationalität. Im Artikel České léto v Praze wird mit keinem Wort die Existenz von Bevölkerungsgruppen erwähnt, die die Sehnsucht nach dem Zerfall der Monarchie nicht teilen würden. Der nationale Gesichtspunkt, vor dem Krieg für Saudek in vielerlei Hinsicht nebensächlich, tritt in den Vordergrund; seine kulturpolitische Artikel der Umbruchszeit 1917 bis 1921 sind fortan geprägt von einer nationalistischen sowie wienfeindlichen Rhetorik. Signifikant ist auch die negative Reaktion auf den Ende April 1918 vom Hofburg-Schauspieler Franz Höbling veranstalteten Österreichisch-Ungarischen Dichterabend, bei dem auch Auszüge aus der tschechischen Poesie rezitiert wurden (u. a. O. Březina). Während Saudek vor dem Krieg eine solche Veranstaltung unterstützt hätte, distanzierte er sich nun entschieden von solchen von „fremden‘, d. h. von Deutschösterreichern organisierten Versuchen. Dabei griff er auf einen Vergleich der tschechischen Kultur mit Aschenputtel zurück, dem armen Mädchen, das sich als Prinzessin entpuppen sollte: Pokud nás nenaučila válka mužné soběstačnosti a tvrdé hrdosti – dováželi jsme svoje vzácné duchové zboží do ciziny a naše dobrá, skromná dušička jásala, kdykoliv se naše Popelka naším přičiněním stala předmětem obdivu na plesu cizích princezen a princů.
IX. Emil Saudek und die Übersetzung von Masaryks Schrift Nová Evropa
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Nyní však nechodíme nikam – bez pozvání. Naše plody musí cizinec-labužník sám si vyžádati, sám se o jejich dovoz postarati a na něm jest nyní, by se těšil, radoval a jásal. Cizí kultura musí konečně si přiznat, že jde o zisk její, o obohacení její pokladnice a zvýšení její úrovně, zabývá-li se vyspělým uměním českým. My si dnes od úspěchů naší tvorby v cizině ničeho neočekáváme; sklizené vavříny necháme klidně ztrouchnivět, loučíme-li se s našimi ctiteli, myslíme si po německu: „Das Vergnügen war Ihrerseits“, potěšení bylo na straně vaší. (Saudek 1918) [Solange uns der Krieg noch nicht männliche Selbstgenügsamkeit und harten Stolz gelehrt hatte – da belieferten wir das Ausland mit unserer wertvollen geistigen Ware, und unsere gute, kleine und bescheidene Seele frohlockte jedes Mal, wenn unser Aschenputtel auf dem Ball ausländischer Prinzen und Prinzessinnen zum Objekt der Bewunderung wurde. Nun aber gehen wir nirgends mehr hin, wenn wir nicht eingeladen werden. Der ausländische Feinschmecker muss nun selbst um unsere Früchte bitten, muss sich selbst um ihre Lieferung kümmern, und es liegt jetzt auch an ihm, dass er sich freut, dass er jubelt und frohlockt. Die ausländische Kultur muss endlich einsehen, dass es ihr Vorteil ist, dass ihr Reichtum erweitert, ihr Niveau gehoben wird, wenn sie sich mit der hochentwickelten tschechischen Kunst beschäftigt. Wir erwarten uns heute von den Erfolgen unserer Kultur im Ausland nichts; wir lassen die geernteten Lorbeeren ruhigen Mutes morsch werden. Wenn wir uns von unseren Verehrern verabschieden, denken wir in deutscher Art: „Das Vergnügen war Ihrerseits.“]
Nach der Gründung der Tschechoslowakei arbeitete Saudek in Wien mit dem Wochenblatt der Tschechoslowakischen Sozialistischen Partei in Österreich Vídeňské listy zusammen, für das er über die Rolle der Wiener Tschechen schrieb und neue Formen eines interkulturellen Miteinanders skizzierte. Hierbei lehnte er sich an die nationalistische Moralrhetorik der Sieger an, betrachtete Wien als degenerierte Stadt und forderte in Übereinstimmung mit dem kulturpolitischen Diskurs in der Tschechoslowakei vom zukünftigen „neuen Typ des tschechischen Kulturmenschen in Wien“ eine mentale und moralische „Entösterreichisierung“ (Saudek 1920f). Zugleich versuchte sich Saudek an einer Neudefinition von Wien als Zentrum der tschechisch-deutschen kulturellen Vermittlung. Ein solches Zentrum könnte Wien laut Saudek nur werden, wenn die Wiener Tschechen die Tschechoslowakei und ihre Außenpolitik aktiv unterstützen: „Wir können uns den Luxus einer tschecho-wienerischen Politik nicht leisten, die von den politischen Leitlinien des tschechischen Auswärtigen Amtes abgetrennt ist“ (Saudek 1920e). Das tschechische Wien solle zum „Pionier der auswärtigen Interessen der Tschechoslowakischen Republik“ werden: „Seien wir Diplomaten, treue Anhänger der tschechischen Heimat, seien wir alle ihre Botschafter auf dem hiesigen vermorschten Boden“ (ebd.). Diese Aufforderung war allerdings schwer zu realisieren, zumal die Tschechoslowakei bilaterale Verhandlungen mit Deutschösterreich zunächst ausschlug (Konrád 2012: 29ff.).
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Saudek dürfte auch deshalb zur Unterstützung der tschechoslowakischen Außenpolitik aufgerufen haben, da er schnell begriff, dass der neue Staat, v. a. das Auswärtige Amt, damit begann die Vermittlung und Propaganda tschechoslowakischer Kultur aktiv zu unterstützen. Zugleich ging jedoch das Interesse tschechischer Schriftsteller an Übersetzungen ins Deutsche zurück und noch vor der Gründung der Tschechoslowakei wurden die Verdienste jüdischer Übersetzer und Vermittler aus nationalistischen und antisemitischen Gründen in Frage gestellt. Charakteristisch ist in diesem Kontext die Aufforderung des Kritikers und Schriftstellers Jiří Karásek ze Lvovic, der vor dem Krieg apolitische, rein ästhetische Positionen vertrat, im Juni 1918 aber Folgendes über die notwendige Trennung der Tschechen und der Deutschen auch im Bereich der Literatur schrieb: A rozluku proveďme důkladně i v literatuře. Nezajímejme se již o různé Meyrinky a Salusy, – ale ani o Maxe Brody a Saudky, i když nám předstírají zájem a překládají Březinu a Bezruče do němčiny. Nebuďme jim za to vděční, neboť je velmi nevýznamné, jsou-li čteni naši autoři po německu. (Karásek 1918: 191) [Und lassen Sie uns diese Trennung auch in der Literatur gründlich vollführen. Vergessen wir endlich diese Meyrinks und Salus‘, und auch Max Brods und Saudeks, auch wenn diese Herren uns Interesse vortäuschen und Březina und Bezruč ins Tschechische übersetzen. Wir sollten ihnen dafür nicht dankbar sein, denn es ist nicht von Bedeutung, ob unsere Dichter auf Deutsch gelesen werden.]
Karáseks Formulierung des „vorgetäuschten Interesses“ impliziert ein weiteres antisemitisches Stereotyp, nämlich die Unterstellung der jüdischen Gewinnsucht. Saudek selbst war vor dem Krieg keiner antisemitisch begründeten öffentlichen Diffamierung seiner Arbeit begegnet, und manche seiner freundschaftlichen Beziehungen zu tschechischen Autorinnen und Autoren überstanden auch die Umsturzzeit. Růžena Svobodová räumte ihm zum Beispiel im Sommer 1918 in der Zeitschrift Lípa Platz ein, um an die aufopferungsvolle Tätigkeit der Kulturvermittler in der Vorkriegszeit zu erinnern (Saudek 1918/19b). Daneben reagierte Saudek allerdings mit ähnlichen Unterstellungen wie Karásek, in einem Artikel, dessen Titel Podezřelé dary [Verdächtige Gaben] an den Titel Danajský dar [Danaergeschenk] von Karáseks Artikel erinnerte. Saudek richtete sein Misstrauen gegen die deutschsprachigen (implizit deutschjüdischen) Berichterstatter, die sich nun zu Wort meldeten. Er charakterisierte sie als „selbsternannt“, uninformiert und unterstellte ihnen eigennützige Interessen: Nyní však se shledáváme i v čelných říšsko-německých listech s obšírnými referáty o naší literatuře dosti často. A ejhle, i z kruhů německých žurnalistů pražských píše dnes o nás leckterý samozvaný propagátor české slávy do listů říšských. Vysvětliti dá se tato horlivost
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velice snadno. Takový pozdní příznivec českého národa ví, že za svou horlivost bude odměněn: doma od českých krajanů, kteří za přičinění německého žurnalisty zajisté budou vděčni, a v cizině od listu, jenž nyní zprávy, týkající se „zajímavého“ nového českého státu ochotně přijímá a dobře honoruje. (Saudek 1920g) [Inzwischen finden wir aber auch in den führenden reichsdeutschen Blättern relativ häufig ausführliche Berichte über unsere Literatur. Und siehe da, auch aus den Kreisen deutscher Prager Journalisten schreibt heute so mancher selbsternannte Propagator des tschechischen Ruhmes für reichsdeutsche Blätter. Erklären kann man diesen Eifer ganz einfach. Ein solcher verspäteter Anhänger der tschechischen Nation weiß, dass er für seinen Eifer belohnt wird: Zu Hause von tschechischen Landsleuten, die für die Bemühungen eines deutschen Journalisten bestimmt dankbar sind, und im Ausland von seinem Blatt, das die Artikel über den „interessanten“, neuen tschechischen Staat dankbar annimmt und gut honoriert.]
Nach 1918 publizierte Saudek auch in der deutschsprachigen Presse (in Wien im Abend und in der Wiener Morgenzeitung, ferner in der der Tschechoslowakei zugeneigten Bratislauer Zeitung am Abend und in der Brünner kosmopolitischen Wahrheit), während ihm die Prager Presse in den ersten Jahren verschlossen blieb. Es hat den Anschein, als hätte erst die Konkurrenz zwischen tschechisch-jüdischen und deutschjüdischen Vermittlern, zwischen Prag und dem verschmähten Wien, genauso wie die antisemitischen und insgesamt gewalttätigen Ausschreitungen317 im Laufe der Staatskonstituierung und die Forderungen nach bedingungsloser Loyalität (Frankl/Szabó 2015) Saudek dazu gezwungen, seine jüdische und seine tschechische Identität zu definieren und zu verteidigen. Nicht zufällig publizierte er erst zu dieser Zeit in der tschechojüdischen Presse (Rozhled, Rozvoj, Česko-židovský kalendář).318 Gegenüber den deutschsprachigen Juden in Prag übernahm er dabei eine tschechisch-nationalistische Argumentation, mit Motiven des Misstrauens und des Verdachts auf Eigennutz.
317 Zum Problem der Gewalt in dieser Zeitspanne Kučera/Konrád 2018. 318 Mehr hierzu vgl. das anschließende Kapitel X. von I. Koeltzsch.
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3. Nová Evropa (Das neue Europa) Obwohl Saudek seine Publizistik in vielerlei Hinsicht an die Wiener Tschechen richtete, bemühte er sich spätestens seit 1920 nach Prag319 umzusiedeln, wo er eine führende Stellung in der Anglo-Österreichischen Bank besetzen sollte. Seine Berufserfahrung (er war seit 1896 bei der Bank beschäftigt), seine Bekanntschaft mit Masaryk und höchstwahrscheinlich auch mit den Finanzleuten Jaroslav Preiss oder Karel Engliš (1925 übersetzte er dessen Grundlagen des wirtschaftlichen Lebens) sollten ihn bis in die Bankdirektion befördern. Welche Erwartungen und Ansprüche Saudek hegte, zeigt ein Brief, der im Archivfonds Edvard Beneš erhalten ist. Er äußert darin seine Entschlossenheit, ein „Wächter im Dienste der Regierung“ zu werden und seine Absicht, ein tschechisch gesinntes Bankinstitut ohne national indifferente deutschsprachige Juden zu schaffen: Jde v nové bance o to, abychom úřednický sbor převychovali, obsadili a doplnili tak, aby odpovídal nynějším poměrům hospodářským a sociálním. (Banka nesmí sloužit jen zájmům penězovládců – a to ještě cizích –, ale hlavně zájmům veřejným! Vždyť spravuje statky všech!) Ale i národnostně musí být banka dosud německá, čili židovsko-lhostejná, přeměněna.320 [In der neuen Bank geht es darum, das Beamtencorps umzuerziehen, und so zu besetzen und zu vervollständigen, dass es den jetzigen wirtschaftlichen und sozialen Umständen entspricht. (Die Bank darf nicht nur den Interessen der Geldherrscher dienen – und darüber hinaus der ausländischen –, sie soll den öffentlichen Interessen dienen! Sie verwaltet doch unser aller Eigentum!) Aber auch in nationaler Hinsicht muss die bisher deutsche, d. h. jüdisch-gleichgültige Bank umgestaltet werden.]
Beim berufsbedingten Umzug nach Prag sollten Saudek u. a. auch seine Übersetzungen helfen – einerseits die Erzählungen von Vojtěch Rakous,321 andererseits die Schrift Nová Evropa von Präsident T. G. Masaryk. Saudek zeigte schon 1919 Interesse, Nová Evropa zu übersetzen, als im Privatvertrieb eine englische und eine französische Ausgabe in London bzw. Paris publiziert wurden, beide mit dem Erscheinungsjahr 1918 (Kessler 2017). Die Einwilligung zur Übersetzung bekam Saudek vermutlich direkt schriftlich von Masa319 Bereits am 18. Juni 1920 schrieb er an Škrach: „Hoffentlich findet die Bank eine erwünschte Abteilung und dann sehen wir uns in Prag!“ (E. Saudek an V. K. Škrach, 18.06.1920, MÚA AV ČR, Fonds ÚTGM, K. 164). 320 Brief Saudeks an einen unbekannten Adressaten, 19.05.1922, MÚA AV ČR, Fonds Edvard Beneš IV/2–24, sg. KOR–73. 321 Siehe das anschließende Kapitel X. von I. Koeltzsch.
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ryk, weiter verhandelte er allerdings hauptsächlich mit Vasil K. Škrach, dem persönlichen Sekretär des Präsidenten für Archiv- und Literaturaufgaben, der auch Masaryks Reden und Texte edierte. Saudek hatte ihn bereits 1913 persönlich kennengelernt, wahrscheinlich während eines kurzen Sommeraufenthalts in Rom. Als Vorlage für die Übersetzung diente die offizielle tschechische Ausgabe von Nová Evropa, die Anfang 1920 im Verlag von Gustav Dubský erschien. Saudek war nicht nur mit der Übersetzung beauftragt, er sollte auch den Verleger besorgen – eine Forderung, die sich als naiv erweisen sollte und die Praxis vor dem Krieg widerspiegelte. Eine professionelle Stuktur für die Herausgabe von Masaryks Schriften bildete sich allmählich heraus; um die Jahreswende 1919/1920 entstand im Auswärtigen Amt die III. Nachrichtensektion unter Führung von Jan Hájek, die durch das Organisationsstatut des Ministeriums vom 12. Mai 1921 definitiv bestätigt wurde (Dejmek 2006; Orzoff 2009: 136ff.). Ihr unterstellt war auch der im März 1921 gegründete Orbis-Verlag, der in Zusammenarbeit mit dem Legionärsverlag Čin die Werke von T. G. Masaryk auf Tschechisch herausbrachte und die Rechte für die fremdsprachigen Ausgaben verwaltete. Für Saudek war es nicht einfach als Privatperson in deutschsprachigen Ländern über die Publikation der Schrift zu verhandeln – Masaryk selbst bezeichnete Nová Evropa im Vorwort für die tschechischen Leser als „historisches Dokument“, weshalb sie für Verleger nicht aktuell war, zudem richtete sich die Schrift in erster Linie an die Alliierten und mahnte zur Fortsetzung des Kriegs gegen die feindlichen und äußerst negativ dargestellten Länder Deutschland und Österreich-Ungarn, deren Niederlage laut Masaryk eine Voraussetzung für die Etablierung eines neuen Europas mit kleineren nationalen Nachfolgestaaten in deren Mitte war. Zugleich konnte Saudek nicht über die Verträge entscheiden, denn die Bedingungen der Publikation bewilligte und kontrollierte im Hintergrund Škrach nach Absprache mit Masaryk. Einen potenziellen Verleger fand Saudek zunächst im Schweizer Rhein-Verlag, und im Frühjahr 1920 sah es ganz danach aus, als könnte die Übersetzung noch im selben Jahr erscheinen.322 Das Vertragsentwurf wurde allerdings nicht genehmigt, wahrscheinlich wegen Einwänden des Verlegers Gustav Dubský. Seiner Meinung nach war der Vertrag zu vorteilhaft für den Übersetzer und zu unvorteilhaft für den Autor. Dubský hielt die Erteilung der Autorenrechte für die Übersetzung insgesamt für problematisch und fand das Übersetzerhonorar, das sich zumeist 322 Am 1. April 1920 berichtete Saudek über seine Beschäftigung an Otokar Fischer: „Jetzt übersetze ich Masaryks Nová Evropa, es erscheint in Basel im Rheinverlag“ (E. Saudek an O. Fischer, 01.04.1920, LA PNP, Fonds O. Fischer).
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am Autorenhonorar bemaß, zu großzügig. Es ist nicht bekannt, ob Saudek vor dem Krieg für seine Beiträge in der Čechischen Revue und für die Übersetzung von Machars Řím von Dubský auf Grundlage eines Übersetzervertrags fianziell honoriert wurde. Die Übersetzung von Březinas Sammlung Ruce im Jahre 1908 gab er selbstlos auf eigene Kosten heraus.323 Mit dem Verleger Kurt Wolff schloss er allerdings bereits einen Vertrag für die Übersetzungen der Werke Březinas,324 und erwartete daher im Vorfeld der Übersetzung von Nová Evropa eine ähnliche Praxis, zumal es sich um einen Text des Präsidenten handelte. Zwar telegraphierte Škrach Saudek am 1. Februar 1920, Dubský werde den „Basler Vertrag“ mit ihm aushandeln, dieser adressierte jedoch am 12. Februar einen Brief mit folgendem Kommentar direkt an Masaryk: V odst. 6 stanoví se honorář pro překladatele, nikoliv pro autora. Nepokládal bych to za správné, i kdybyste měl na mysli zvláštní smlouvu o honoráři, která by byla vyjednána mezi Vámi a překladatelem. Jde o cenné právo, které přece budete chtít zachovati jednou svým dědicům, ale ti byli by při této smlouvě jednou provždy vyřaděni a odkázáni na dobrou vůli dědiců p. Saudkových, jejichž povaha a poměry jsou neznámou veličinou. Honorář je s ohledem na kurs švýcarské měny velmi značný, a stačila by ¼ pro překladatele, takže ¾ by připadly Vám.325 [In Abs. 6 wird das Honorar für den Übersetzer, nicht für den Autor, festgelegt. Ich würde es nicht für richtig halten, auch wenn Sie einen eigenen Honorarvertrag im Sinne hätten, der zwischen Ihnen und dem Übersetzer ausgehandelt würde. Es handelt sich um ein wertvolles Recht, dass Sie doch zukünftig für Ihre Erben bewahren möchten, aber diese wären infolge dieses Vertrags ein für allemal aus dem Spiel und vom gutem Willen der Erben des H. Saudek abhängig, deren Charakter und Verhältnisse eine unbekannte Größe darstellen. Das Honorar ist im Hinblick auf den Kurs der Schweizer Währung sehr hoch, ¼ für den Übersetzer würde genügen, so dass ¾ Ihnen zufallen würden.]
Von diesem Moment an haftete der Verdacht auf Saudek, aus eigennützigen, d. h. finanziellen Gründen zu übersetzen. Im Übersetzungsprozess kollidieren die Interessen diverser Akteure, nicht nur die von Autor und Übersetzer; ein „uneigennütziges“ kultur-politisches Vermitteln in diesem Sinne gibt es also nicht. Dubskýs Bemerkung über den „Charakter“ von Saudeks Erben war jedoch vermutlich eine Anspielung auf deren Judentum. Auch Dubský kam aus einer jüdischen Familie, aber möglicherweise führte der Anpassungsdruck auf Juden, von denen bedingungslose Loyalität gegenüber dem neuen Staat eingefordert wurde, eher zu Rivalität im Ausdruck des ‚richtigen‘ Nationalgefühls statt zu gegenseitiger Solidarität. Mit der Übersetzung von Masaryks 323 Siehe Kapitel VI. von M. Topor. 324 Die Dokumentation befindet sich im Saudeks Privatnachlass, vgl. auch Zbytovský (2020). 325 G. Dubský an T. G. Masaryk, 12.02.1920, MÚA AV ČR, AÚTGM, Fonds TGM, Sign. L–119–21/a, K. 678.
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Schrift wollte Saudek seine Loyalität dem Präsidenten und dem neuen Staat gegenüber zum Ausdruck bringen, in einer Atmosphäre, in der solche Bekundungen von Juden erwartet wurden, man ihnen aber zugleich in nationaler Hinsicht nicht traute. Die Übersetzung hatte jedoch den gegenteiligen Effekt. Statt ihm das erwünschte symbolische Kapital zu beschaffen, das ihm den Übergang nach Prag erleichtert hätte, wo er sich wie in Wien einen Raum für seine weitere literarische Betätigung schaffen wollte, die er als „Dienst“ am neuen Staat betrachtete,326 war das Resultat der faktische Ausschluss von jeder weiteren Zusammenarbeit. Im Verlauf der Verhandlungen über die Übersetzung war Saudek mit den für ihn unklaren Kompetenzen Škrachs konfrontiert, die dank Masaryks Vertrauen groß, jedoch nicht offiziell definiert waren (Vašek 2019: 148ff.). Für Saudek war es frustrierend, dass er nicht direkt mit Masaryk verhandeln konnte (wie vor dem Krieg, als er ihn vor dem Parlament abpassen konnte). Škrach, Dubský und auch Masaryks Privatsekretär Vladimír Kučera behandelten ihn gleichgültig bis herablassend, während er in seiner Freizeit viele Arbeitsstunden leistete und die Kosten der Korrespondenz mit den Verlegern selbst trug. Als sich der Rhein-Verlag von der Publikation zurückzog, sollte sich Saudek auf Geheiß von Škrach weiter umsehen, worauf er eine Absage von Ernst Rowohlt erhielt.327 In der Zwischenzeit erschienen jedoch Übersetzungen von Nová Evropa in weiteren, u. a. südslawischen Sprachen. Am 10. Juli 1920 schrieb Škrach mahnend: […] musíme se už smířit s odkladem, který nastal ve vydání Vašeho překladu. Myslím, abyste přece ještě zkusil na jiných místech. Právě tyto dny vyšel také chorvatský překlad Nové Evropy a dnes zrovna píšu, že pan prezident dává pražskému nakladatelství Naša rječ autorizaci k překladu a k vydání Nové Evropy v ruštině. / Jak jsem se už zmínil, nebylo by ani dost málo radno, aby kniha vyšla v němčině oficiálním nákladem. Zkuste ještě např. pražské nakladatelství Haaseho, které vydá na podzim v německém překladě knihu výňatků z děl Masarykových, jak jsem je sestavil pro sborník Masaryk – osvoboditel. […] Neztrácejte naděje, myslím, že německé vydání Nové Evropy ještě rád někdo vydá, musí se ovšem hledat.“328
326 Ein Artikel Saudeks trug den Titel Vídeňští Čechové, služte Československé republice! [Wiener Tschechen, dient der Tschechoslowakischen Republik!] (Saudek 1921a). Služba [Dienst], auf das Saudek anspielte, war ein Monatsblatt unter der Leitung junger Realisten, die zum Teil später in die Kanzlei des Staatspräsidenten wechselten (Chefredakteur Emil Sobota, Josef Schieszl). Saudek publizierte hier auf Škrachs Betreiben hin den Essay Neomystická hlediska [Neomystische Gesichtspunkte] (Saudek 1920c). 327 Vgl. die Briefe Saudeks an V. K. Škrach vom 18. und 22.06.1920, MÚA AV ČR, AÚTGM, Fonds ÚTGM, K. 164. 328 V. K. Škrach an E. Saudek, 10.07.1920, ebd.
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[/…/ wir müssen uns bereits mit einer Verzögerung bei der Veröffentlichung Ihrer Übersetzung abfinden. Ich denke, vielleicht sollten Sie es doch noch anderswo versuchen. In diesen Tagen erscheint auch die kroatische Übersetzung von Nová Evropa und gerade heute schreibe ich, dass Herr Präsident dem Prager Verlag Naša rječ die Autorisierung für die Übersetzung und Herausgabe des Textes auf Russisch erteilt. / Wie ich schon erwähnte, wäre es nicht ratsam, dass das Buch auf Deutsch in einer offiziellen Ausgabe erscheint. Versuchen Sie noch den Prager Verlag Haase, der im Herbst ein Buch in deutscher Übersetzung mit Auszügen aus Masaryks Schriften herausbringt, wie ich sie für den Sammelband Masaryk – osvoboditel zusammengestellt habe. /…/ Verlieren Sie die Hoffnung nicht, ich denke, die deutsche Übersetzung von Nová Evropa wird doch noch gerne jemand publizieren, man muss jedoch suchen.]
Noch im Februar 1921 war kein Verleger gefunden und Saudek korrespondierte mit dem Wiener Rikola-Verlag. Der Verlag äußerte Interesse und definierte seine Bedingungen: 15 Prozent des Verkaufspreises vom broschierten Exemplar oder eine einmalige Abfindung in der Höhe von 200.000 Kronen.329 Die Entscheidung Škrachs und Masaryks verzögerte sich jedoch, während der Rikola-Verlag beabsichtigte, die Schrift innerhalb weniger Wochen herauszubringen. Nach einem Briefentwurf Saudeks zeigte auch die Friedensgesellschaft in Wien Interesse an der Veröffentlichung, eine Information, die Saudek wiederum nur von Škrach erhielt, der ihm gegenüber lediglich erwähnte, dass sich andere deutsche Verlage mit Angeboten zur Publikationsmöglichkeit direkt an die Prager Burg gewandt hätten, ohne ihm dabei den Namen des Verlags mitzuteilen. Den erhalten gebliebenen Dokumentenfragmenten ist nicht zu entnehmen, wann und auf welchem Weg der Berliner Verlag Schwetschke und Sohn ins Spiel kam (möglicherweise auf Vermittlung von Camill Hoffmann, zu dieser Zeit bereits Kulturattaché in Berlin), der Nová Evropa letzten Endes publizierte – allerdings erst 1922, als Saudek schon in Prag war. Analog dazu verzögerte sich auch die Autorisierung der Übersetzung. Es bleibt unklar, ob Masaryk die deutsche Ausgabe tatsächlich unwichtig war, weil die Schrift im Grunde nicht für Leser in Deutschland geschrieben worden war; fest steht jedoch, dass er sehr beschäftigt, krank und vielleicht auch nicht ausreichend informiert war. Am 31. Mai 1921 entschuldigte sich Škrach bei Saudek, dass der Präsident die Übersetzung bislang nicht korrigiert habe, Masaryk werde sie aber mit auf Capri nehmen, wo er einen mehrmonatigen Erholungsaufenthalt verbringen werde. Weiterhin versicherte Škrach Saudek, dass die Entscheidung über den Verleger endlich gefallen sei, das Manuskript
329 Rikola-Verlag an E. Saudek, 06.02.1921, ES.
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im August gesetzt werde und im September in Druck gehe330 – tatsächlich sollte es noch ein Jahr dauern. Letzten Endes verlor Saudek die Geduld und antwortete am 21. Juni 1921 sehr schroff, er werde Masaryks Privatsekretär Vladimír Kučera über die Angelegenheit informieren: Aby o této zásadní stránce mého případu byla zpravena jako svědek ještě jedna osoba z okolí pana prezidenta, rozhodl jsem se, že celou tu pro mě tak pokořující mozaiku mně adresovaných dopisů, týkajících se mého překladu Nové Evropy a ostatní intenzivní práce s dílem spojené, zašlu v opise dru. Kučerovi na Capri. Podporuje mne v tom Vaše sdělení, že se tam pan prezident hodlá věcí zabývati.331 [Damit eine weitere Person aus dem Umfeld des Präsidenten über diesen wesentlichen Aspekt meines Falles als Zeuge in Kenntnis gesetzt wird, habe ich mich entschlossen, das gesamte für mich so demütigende Mosaik der an mich adressierten Briefe, die meine Übersetzung von Nová Evropa wie auch andere, damit in Zusammenhang stehende intensive Tätigkeiten betreffen, in Abschrift an Dr. Kučera nach Capri zu schicken. Ihre Mitteilung, Herr Präsident wolle sich dort mit dem Projekt beschäftigen, bestärkt mich hierin.]
Auch auf diesem Weg war Saudek jedoch nicht erfolgreich, obwohl er die Kopien seiner Korrespondenz mit Škrach beilegte. Škrach belegte Saudek in einem Brief an Kučera mit folgendem Kommentar: Přikládám také pro Vaši informaci v opise dopis dr. Emila Saudka, jakož i svůj dopis z 31. května, na který mi tímto dopisem odpovídá. Cíle dra. Saudka jsou ryze zištné, jak se ukázalo už loni při jednání se švýcarským nakladatelstvím, které nakonec Novou Evropu vydat odmítlo. Pan nakladatel Dubský byl tenkrát svědkem jeho zištného jednání, které mě, do té doby osobního přítele Saudkova, naplnilo podivem.332 [Anbei zu Ihrer Information auch in Abschrift der Brief von Dr. Emil Saudek, sowie mein Brief vom 31. Mai, auf den er mit diesem Brief antwortet. Die Ziele von Dr. Saudek sind rein eigennützig, wie sich bereits letztes Jahr bei den Verhandlungen mit dem Schweizer Verlag zeigte, der es letzten Endes ablehnte, Nová Evropa herauszubringen. Herr Verleger Dubský war damals Zeuge seiner eigennützigen Verhandlungen, die mich, bis zu diesem Moment ein persönlicher Freund Saudeks, in Erstaunen versetzten.]
Kučera reagierte daraufhin gegenüber Saudek mit Distanz und Desinteresse. Dennoch informierte er Masaryk wenigstens darüber, dass Saudek auf die Publikation dränge, worauf Masaryk offensichtlich Korrekturen im maschinenschriftlichen Manuskript vornahm. Trotzdem wurden in den folgenden Monaten keine sichtbaren Schritte in Richtung Veröffentlichung unternommen. Erst im März 1922 versuchte der Redakteur von Vídeňské listy Miroslav 330 V. K. Škrach an E. Saudek, 31.05.1921, Abschrift, MÚA AV ČR, AÚTGM, Fonds TGM, Sign. R–44–3a, K. 494. 331 E. Saudek an V. Kučera, 21.06.1921, ebd. 332 V. K. Škrach, Bericht an V. Kučera, s. d. (1921), ebd.
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Elsa und Emil Saudek in den 1930er Jahren in einem Gartenrestaurant (ES).
Bartoš zwischen Škrach und Saudek zu vermitteln. Er versicherte Škrach, dass das gesamte Projekt Saudek „wirklich viele Opfer, sowohl Arbeit als auch Geld“ gekostet habe. Seiner Meinung nach hatte Dubský Saudek geschädigt, zudem bestritt Bartoš entschieden, Saudek habe es „dezidiert darauf abgesehen, finanziell unverhältnismäßig stark zu profitieren“, er sei ganz im Gegenteil aufgrund der eingesehenen Dokumente überzeugt, dass Saudek sich in der Tat „außerordentlich exponiert“ habe. Weiterhin übermittelte Bartoš Saudeks Bereitwilligkeit, auf ein Honorar zu verzichten.333 Die Fürsprache zeigte offenbar Wirkung. Im Mai 1922 erhielten Saudek, Masaryk und Škrach Nová Evropa vom Verlag zur Korrektur. Die erhaltenen Druckfahnen beweisen, dass Saudek dabei am sorgfältigsten vorging. Seinen Korrekturen fügte er mehrere Seiten mit Kommentaren und Fragen bei und mahnte an einigen Stellen auch noch zur Überarbeitung des Wortlauts. Masaryk konzentrierte sich v. a. auf die Rechtschreibung. Zu den wichtigsten Korrekturen, die er vornahm, zählte die Schreibweise von Eigennamen, insbesondere der Diakritika, außerdem vereinheitlichte er „Tschechoslovaken“
333 M. Bartoš an V. K. Škrach, 22.03.1922, MÚA AV ČR, AÚTGM, Fonds Vasil K. Škrach, K. 443/22.
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„tschechoslovakisch“ zur Schreibweise ohne Bindestrich (statt Tschecho-Slovaken, tschecho-slovakisch). Saudeks Übersetzung wurde von Masaryk, Škrach und auf Škrachs Ersuchen auch von Antonín Stanislav Mágr gelesen, ebenfalls ein Bekannter Saudeks und zu dieser Zeit bereits Redakteur der Prager Presse. Das Ergebnis dieser dreifachen Lektüre waren lediglich kleinere Korrekturen von üblichem Umfang, größere Mängel wurden nicht festgestellt. Saudeks Übersetzung von Nová Evropa dient den deutschen Lesern bis heute, 1976 und ein weiteres Mal 1991 wurde sie neu aufgelegt. Die Erfahrungen mit der neuen Machtelite im Zuge des Übersetzungsprozesses waren für Saudek allerdings ernüchternd. Man zählte fortan von dieser Seite auch nicht mehr auf seine Dienste, wie aus einem Brief Škrachs an Otto Pick ersichtlich ist, als dieser sich um die Übersetzung eines anderen Buchs von Masaryk, Světová revoluce (Weltrevolution, dt. 1925), bewarb: Dovolujeme si Vám sdělit, že pana Dr. Saudka již nepočítáme, že však vážným konkurentem Vaším by byl pan Camill Hoffmann, který svého času žádal o právo překladu nových věcí p. prezidentových do němčiny všech.334 [Wir erlauben uns Ihnen mitzuteilen, dass wir mit Herrn Dr. Saudek nicht mehr rechnen, dass jedoch ein wichtiger Konkurrent in dieser Sache Herr Camill Hoffmann ist, der seinerzeit um Einwilligung zur Übersetzung aller neuen Schriften des Herrn Präsidenten gebeten hat.]
In der Tat wurde Hoffmann nicht nur zum Übersetzer von T. G. Masaryk (Světová revoluce, Čapeks Gespräche mit TGM), sondern auch von Edvard Beneš und Kamil Krofta. Angesichts seiner zahlreichen Kontakte in Deutschland, die er während seiner Tätigkeit in Dresden als Redakteur der Neuen Dresdner Nachrichten hatte anknüpfen können, war er der tschechoslowakischen Diplomatie als Übersetzer und Propagator von größerem Nutzen als der Wiener Bankbeamte Emil Saudek. Die Anglo-Tschechoslowakische Bank (Anglo-Československá banka) wurde nach Verzögerungen im April 1922 gegründet. Obwohl Saudek Vizedirektor der Bank werden wollte, erhielt er letzten Endes den Posten des Hauptprokuristen der Prager Zentrale und siedelte im Juli nach Prag um (Elsa Saudek ließ ihre Eltern in Wien zurück und kam gemeinsam mit dem Sohn ein Jahr später nach). Über Saudeks Umzug nach Prag berichtete etwa die von Bedřich Hlaváč geleitete Tageszeitung Tribuna (Anonym 1922). Offen bleibt, wie Saudeks Kontakte zur Prager Burg zwischen 1922 und 1930 aussahen, als 334 V. K. Škrach an O. Pick, 22.09.1922, MÚA AV ČR, AÚTGM, Fonds TGM, Sign. L–12–59b, K. 571.
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er führende Posten in der Anglo-Tschechoslowakischen Bank inne hatte, die mit dem Machtzentrum der Ersten Republik in Verbindung stand (Vencovský et al. 1999: 311ff.). Literarischen Übersetzung widmete er sich in Prag jedoch nicht mehr. Trotz der oben ausgeführten Schwierigkeiten bleibt festzustellen, dass sich für Emil Saudek und seine Familie im Laufe der 1920er Jahre in der Tschechoslowakei neue Perspektiven ergaben. Im Jahr 1930 verließ Saudek nach 34 Jahren die Anglobank335 – auf eigenen Wunsch und mit Pensionsanspruch – und trat in die Redaktion des pro-tschechoslowakischen deutschsprachigen Finanzwochenblattes Prager Börsen-Courier ein. Hier konnte er seine Erfahrungen aus dem Bankwesen fruchtbar machen und auch viele seiner früheren Verbindungen aus der Wiener Zeit spielen lassen, außerdem war es auch eine Rückkehr zum Deutschen als Publikationssprache. Die erhalten gebliebenen Fotografien aus dem Bad Luhatschowitz oder aus der Hohen Tatra zeigen Emil und Elsa Saudek als zufriedene Bürger der Tschechoslowakischen Republik. Eine verheerende Wende für das Familienleben brachte das Münchner Abkommen, die Zweite Republik, die Gründung des Protektorats Böhmen und Mähren und die hiermit einhergehende Anwendung der Nürnberger Gesetze und weiterer antijüdischen Restriktionen.
335 Es ist möglich, dass er mit dieser Karriere nicht unbedingt zufrieden war, wie ein Brief an Březina aus dem Februar 1924 andeutet: „Jsem 1½ roku v Praze, jsem ve svém povolání dosti zklamán, také na zdejší přátele nebylo lze spoléhati. Zlobou lidí nejsem v bance tak zaměstnán, jak jsem si přál, a nikdo se mne neujal…“ [Ich bin seit 1½ Jahren in Prag, bin in meinem Beruf relativ enttäuscht, auch auf die Freunde vor Ort konnte ich mich nicht verlassen. Infolge der menschlichen Bosheit wurde ich in der Bank nicht so angestellt, wie ich es mir wünschte, und niemand nahm sich meiner an …] (E. Saudek an O. Březina, 24.02.1924, LA PNP, Fonds O. Březina).
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X. Literarisches Übersetzen als Akt staatsbürgerlicher Loyalität: Emil Saudeks Übersetzung von Vojtěch Rakous’ jüdischen Dorfgeschichten nach dem Ersten Weltkrieg
1. Einleitung Vojtěch Rakous gehörte zu den populärsten tschechisch-jüdischen Schriftstellern in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Er war vor allem wegen seines humoristisch-satirischen Blicks auf die jüdisch-nichtjüdischen Beziehungen und ihrer eingängigen und authentischen Sprache, die sich aus der Tradition mündlichen Erzählens speiste, beliebt. Rakous’ erstmals 1910 veröffentlichtes Hauptwerk, die Erzählsammlung Vojkovičtí a přespolní (Die Vojkowitzer und Auswärtigen), in deren Mittelpunkt die Geschichte des älteren jüdischen Ehepaars Modche und Resi aus dem mittelböhmischen Dorf Sedletín steht, erfuhr zwischen 1920 und 1938 insgesamt sechs weitere Auflagen. Die Popularität der Erzählungen, nicht nur in der jüdischen Öffentlichkeit der Tschechoslowakei, steigerte sich nicht zuletzt auch aufgrund ihrer intermedialen Rezeption. Die Geschichten um Modche und Resi wurden verfilmt und mehrfach für Theater und Rundfunk dramatisiert. Insbesondere der Stummfilm Modche a Rézi [Modche und Resi] des beliebten Regisseurs Přemysl Pražský, der 1926 in die tschechoslowakischen Kinos kam, trug zur weiteren Bekanntheit bei.336 Rakous schildert Alltagsszenen einer damals fast vollständig verschwundenen Welt – dem dörflich-jüdischen Leben in den böhmischen Ländern. Er nimmt darüber hinaus die vielfältigen jüdischen Migrationswege aus dem 336 Der Film gilt als verschollen. Siehe Modche a Rézi [Modche und Resi], in: Datenbank des Nationalen Filmarchivs Prag, (17.07.2021) und Balík (2016: 190f.).
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Dorf in die Stadt (und zurück) in den Fokus seiner Kurzprosa. Rakous war Anhänger der tschechisch-jüdischen Idee, und seinen Werken ist mitunter eine verklärende Tendenz der jüdisch-nichtjüdischen Beziehungen in der tschechischen Gesellschaft eigen. Durch die satirische Überzeichnung der Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander wird diese aber immer wieder auch in Frage gestellt. Aufgrund des humoristischen Charakters seiner Prosa wurde Rakous häufig jedoch nicht der ‚hohen‘ Literatur zugerechnet (siehe bspw. Eisner 1935). Bis heute bleibt so vor allem eine umfassende literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit Rakous’ Werk aus, sieht man von zwei Aufsatzstudien ab, die sein Werk in die größere Traditionslinie der jüdischen Dorf- und Ghettoerzählung eines Berthold Auerbach und Leopold Kompert stellen.337 Wenn hier das Augenmerk auf Vojtěch Rakous und seinen Übersetzer Emil Saudek gerichtet wird, dann vor dem Hintergrund, dass ihre Biographien wie auch die Entstehungsgeschichte der Übersetzung seiner Novelle Na rozcestí (An der Wegscheide) und seiner jüdischen Dorferzählungen ins Deutsche einen tieferen Einblick in die tschechisch-jüdischen Reaktionen auf den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie zwischen 1919 und 1922 geben. Auf den ersten Blick scheinen Saudeks Rakous-Übersetzungen aus seinem Gesamtwerk herauszufallen, da er sich vor 1918 mit seinen Übersetzungen von J. S. Machar und Otokar Březina auf die Vermittlung der tschechischen literarischen Moderne ins Deutsche, das heißt auf die ‚Hochliteratur‘ konzentrierte. Zeitgleich zu den Rakous-Übersetzungen widmete Saudek sich zudem der politischen Publizistik und übersetzte Tomáš G. Masaryks Das neue Europa, das 1922 in Berlin erschien, womit er seine pro-tschechoslowakische Haltung unterstrich. Wie im Folgenden gezeigt wird, bilden Saudeks Rakous-Übersetzungen einen Brückenschlag zwischen diesen beiden Polen seines Gesamtwerks. Saudek liest Rakous nämlich nicht im Sinne einer simplen Verklärung der untergegangenen jüdischen Welt auf dem Land, sondern als Unterhaltungsliteratur mit einer klaren politischen Botschaft: Rakous’ jüdische Figuren nehmen demnach eine ethisch-moralische Vorbildrolle ein für die Gesamtheit der Jüdinnen und Juden in Mitteleuropa und insbesondere in der Tschechoslowakei beim Aufbau einer neuen Ordnung, die auf den politischen und philosophischen Vorstellungen Masaryks beruhen sollte. Saudeks Übersetzungen können demnach als Akt seiner staatsbürgerlichen Loyalität gegenüber der neuen Republik gelesen werden, mit denen er seine Übersied337 Vgl. Iggers (1968) und Vojtěch (2016). Siehe zudem die frühe literaturhistorische Würdigung von Rakous’ Werk in: Donath (1931: 113ff.).
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lung von Wien nach Prag vorbereitete. Dass Saudek von Beginn an jedoch ein über die tschechoslowakischen Grenzen hinausgehendes Lesepublikum für Rakous’ Erzählungen intendierte, belegt der Erstabdruck seiner Übersetzungen Ende 1919 in der nationaljüdischen Tageszeitung Wiener Morgenzeitung, der einzigen jüdischen Tageszeitung in Mitteleuropa jener Zeit, die sich an die jüdische Öffentlichkeit in der ehemaligen Habsburgermonarchie und in Deutschland richtete. Dies gelang zumindest teilweise und so würdigte beispielsweise die österreichisch-jüdische Journalistin Klothilde (Clotilde) Benedikt im Neuen Wiener Journal, dass Rakous’ Erzählungen der „deutschen Lesewelt“ gerade in dieser „schweren Zeit“, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, aufgrund der „Lachsalven“, die sie auslösen, „hochwillkommen“ seien (Benedikt 1922a; Benedikt 1922b).
2. Migration und politischer Umbruch: Zwei jüdische Biographien im Vergleich Rakous’ und Saudeks Biographien unterscheiden sich in zeitlicher wie in räumlicher Hinsicht, bieten aber dennoch einige Berührungspunkte. Allerdings ist die Überlieferungslage disparat, so dass der Vergleich ihrer biographischen Wege bruchstückhaft bleiben muss. Während es von Emil Saudek einen Nachlass gibt, sind von Rakous nur vereinzelte Selbstzeugnisse in anderen Nachlässen überliefert. Seine Biographie wird bis heute daher vor allem anhand seiner Erzählungen und publizierten Erinnerungen rekonstruiert (Otruba 2000; Krejčová 2000). Rakous wurde 1862 als Adalbert Österreicher/Östreicher in der mittelböhmischen Ortschaft Altbrazdim als Sohn einer armen tschechischsprachigen jüdischen Häuslerfamilie geboren. Zu seinen Lebzeiten gab es immer wieder verschiedene Angaben über sein konkretes Geburtsdatum, das Rakous ebenso wie seine Kindheit und Jugend zum Gegenstand seiner literarischen Stilisierung machte (Rakous 1926b: 235–240, O člověku, který neví, kdy se narodil [Von einem, der nicht weiß, wann er geboren wurde]). Rakous besuchte wahrscheinlich die tschechische Dorfschule in seinem Heimatort und lediglich ein Jahr lang die jüdische Schule in der nahegelegenen Kleinstadt Brandeis an der Elbe mit Deutsch als Unterrichtssprache. Sie blieb ihm nach seiner späteren Darstellung aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und der sozialen Ausgrenzung seitens seiner jüdischen Mitschüler und Lehrer zeitlebens verhasst (Rakous 1922b: 147, Onkel Václav).
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Bereits mit 13 Jahren begann er eine Lehre in Prag, in einem Galanteriewarengeschäft in der Altstadt, das von einem deutsch-jüdischen Geschäftsmann betrieben wurde. Hier baute er seine Deutschkenntnisse aus, las ältere tschechische Literatur und kam erstmals mit der tschechisch-jüdischen Bewegung in Kontakt (Rakous 1922b: 113–126, Eine Handvoll Erinnerungen). Nach neun Jahren ging Rakous alias Österreicher in seine Heimatregion zurück und ließ sich in dem Ort Mratín nieder, wo er zunächst als Hausierer, später als Getreidehändler arbeitete. In diese Zeit fallen seine ersten literarischen Versuche. Kurze Zeit später wurde er von Jan Herben, einem mährischen Journalisten und Historiker, der zusammen mit T. G. Masaryk und anderen in den 1880er Jahren die einflussreiche Zeitschrift Čas (Die Zeit), gründete, entdeckt und gefördert. Herben riet ihm zur Tschechisierung seines Namens und machte ihn unter anderem mit dem Redakteur des Kalendář česko-židovský, Karel Fischer, bekannt, der sein Mentor wurde. Fischer, einer der führenden Repräsentanten der tschechisch-jüdischen Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts, hatte sich zum Ziel gesetzt, eine tschechisch-jüdische Literatur aufzubauen (Rakous 1926b: 190–197, O Karlu Fischerovi [Über Karel Fischer]). Zwar hatte es Mitte des 19. Jahrhunderts bereits mit Siegfried Kapper erste Versuche einer tschechischsprachigen jüdischen Literatur gegeben, die jedoch unter tschechischen Autoren auf prominente Ablehnung und zwiespältige Bewunderung gestoßen war (Čapková 2011). Erst Fischer gelang es mit seinem Kalender, eine Grundlage für die Entfaltung einer tschechischjüdischen Literatur zu schaffen (Rokycana 1930), wobei er sich offenbar stark an den Entwicklungstendenzen der deutsch-jüdischen Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts orientierte. Seit Rakous’ erneutem Umzug nach Prag, diesmal in den industriellen Vorort Lieben, wo er seit den 1890er Jahren ein Schuhgeschäft betrieb und eine Familie gründete, schrieb Rakous nunmehr regelmäßig für tschechischjüdische Periodika, nicht nur literarische, sondern auch politische Publizistik. Diese war vor allem vor 1914 von einem nationalistischen Ton gegenüber deutschsprachigen Jüdinnen und Juden geprägt. Wenngleich Rakous ein wichtiges Sprachrohr der tschechisch-jüdischen Bewegung wurde, und seine Erzählungen sich immer größerer Beliebtheit erfreuten, haftete ihm trotzdem zeitlebens der Makel mangelnder Bildung an. So nahm er in der tschechischjüdischen Bewegung eine Sonderstellung ein, denn die führenden Vertreter kamen zwar wie er aus der Provinz, jedoch aus bildungsaffinen Familien und
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verfügten daher meist über eine akademische Ausbildung.338 Auch innerhalb der gesamten Prager literarischen Szene stand der Autodidakt Rakous eher am Rande. Rakous’ Migrationserfahrung zeigt exemplarisch, dass die Urbanisierung Ende des 19. Jahrhunderts in der Regel nicht geradlinig verlief und die ländlichen und städtischen Regionen immer stärker miteinander verflochten waren (Ehmer/Zeitlhofer 2005). Mehrfache Rückkehr in die ländliche Heimatregion und Neubeginn in der Stadt waren Teil dieser Erfahrung. Die Prager jüdische Gemeinde wuchs Ende des 19. Jahrhunderts durch den Zuzug insbesondere aus der näheren ländlichen Umgebung rasant, wodurch sich nicht zuletzt die sprachlichen Verhältnisse änderten. Tschechisch gewann nun zunehmend an Bedeutung insbesondere in den Prager jüdischen Vorortgemeinden, wo sich die tschechischsprachigen ZuwanderInnen vom Land vorwiegend ansiedelten (Čapková 2010). Rakous schrieb daher primär für ein städtisches tschechisches Lesepublikum, das selbst vielfältige Migrationserfahrungen gemacht hatte. Die Sehnsucht nach der Landschaft und der sozialen Umgebung der Kindheit und Jugend ist daher ein, aber nicht das einzige Motiv seiner Erzählungen. Zugleich stellt diese Sehnsucht nach dem ländlichen Raum eine Verbindungslinie zwischen dem Schriftsteller und seinem Übersetzer her.339 Im Unterschied zu Vojtěch Rakous stammte der um eine Generation jüngere Emil Saudek aus dem Hochland an der böhmisch-mährischen Grenze. Die Landschaft seiner Kindheit empfand er ähnlich malerisch wie die des Vojtěch Rakous (Topor 2022a). 1876 in Iglau in eine jüdische Familie geboren, lebte er in seiner Kindheit vorwiegend im zu Böhmen gehörenden Dorf Pelles, wo seine Eltern, wie für viele Jüdinnen und Juden in der böhmisch-mährischen Provinz nach der Emanzipation typisch, eine Zeitlang ein kleines Handelsgeschäft führten. Seine Gymnasialzeit verbrachte Saudek erneut in der nahe gelegenen mährischen Stadt Iglau, deren jüdische Gemeinde im Unterschied zum ländlichen Umkreis deutschsprachig war (Petrbok 2022a). Wie Rakous machte Saudek die Erfahrung kontinuierlicher Mobilität zwischen Land und Stadt, wobei ihre Migrationswege als paradigmatisch für den tiefgreifenden Wandel der Siedlungsstruktur der jüdischen Bevölkerung 338 Zu den Anfängen der tschechisch-jüdischen Bewegung siehe Kieval (1988), Čapková (2012: 94ff.). 339 Emil Saudek schrieb in einem Brief an Miloslav Hýsek Ende 1922, dass die Übersetzung eine Reminiszenz an seine eigene Jugend und die ihm bekannte soziale Umwelt damals gewesen sei, auch wenn er im Unterschied zu Rakous aus einer sozial höher gestellten Familie stammte. E. Saudek an M. Hýsek, 17.11.1922, LA PNP, Fonds M. Hýsek.
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in den böhmischen Ländern gelten können (Frankl/Niedhammer/Koeltzsch 2020: 163ff). Beide verbindet zudem der kontinuierliche Wechsel zwischen beiden Landessprachen in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter, wobei Rakous im Unterschied zu Saudek den Wechsel als erzwungen betrachtete. Die Sprachkenntnisse ebneten Saudek den Weg für ein Studium an der Universität Wien und für die Integration in die tschechische Teilgesellschaft des imperialen Zentrums. Bereits während seines Studiums der Rechtswissenschaften nahm Saudek die Stelle eines Bankbeamten an und etablierte sich nebenher als literarischer Übersetzer aus dem Tschechischen wie auch als gelegentlicher Autor für die tschechischsprachige Hauptstadtpresse. Seine akademische Bildung und seine Kenntnisse der modernen tschechischen Literatur kamen ihm bei der Etablierung in den Wiener tschechischen intellektuellen Kreisen zugute. Saudek pflegte eine enge Freundschaft mit dem aus der böhmischen Kleinstadt Kolín stammenden Josef Svatopluk Machar, der ebenso wie Jan Herben, der Entdecker Rakous’, zum engsten Freundeskreis T. G. Masaryks gehörte. Machar, wie Saudek Bankbeamter und Schriftsteller in Wien, brachte Saudek so auch in direkten Kontakt mit Masaryk.340 Hier gibt es also eine weitere Parallele: Rakous wie Saudek unterstützten das politische Realismusprogramm Masaryks, wenngleich Saudek sich im Unterschied zu Rakous nie offiziell in politischen institutionellen Strukturen (wie der Realistischen Partei und der tschechisch-jüdischen Bewegung) engagierte. Finanziell wurde Saudek in seinem Vorhaben, sich neben seinem Broterwerb in der Bank als Literaturübersetzer zu etablieren, durch die Heirat mit Else Groag, einer Tochter aus einer deutsch-jüdischen Lehrerfamilie mit mährischen Vorfahren, unterstützt (Koeltzsch 2022a). Auch Rakous vermochte es nicht, als freier Schriftsteller zu leben und führte weiterhin neben seiner publizistischen Tätigkeit ein Schuhgeschäft in Prag-Lieben. Die Zuwanderung in die Provinzhauptstadt respektive in die Hauptstadt der Monarchie bedeutete trotz diverser Rückschläge sowohl für Rakous als auch für Saudek einen wirtschaftlichen und vor allem sozialen Aufstieg. Während sich Saudek in den tschechisch-literarischen Kreisen in Wien etablierte, gelang Rakous vor allem der Aufstieg innerhalb der politischen und kulturellen Bewegung der sogenannten Tschechojuden in Prag. Wesentliche Voraussetzung für diesen Aufstieg war ihre zweisprachige Kompetenz, denn ihre jeweilige Ausbildung hätten sie ohne die deutsche Sprache nicht absolvieren können. Dass sie sich langfristig für eine Integration in die tschechische Kultur entschieden, hat zum 340 Siehe Kapitel IX. von L. Merhautová.
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einen mit ihrer ländlich-geprägten Herkunft zu tun, denn das Tschechische war die primäre Umgangssprache ihrer Kindheit und Jugend, zum anderen mit ihrer politischen Einstellung, der Unterstützung der realistischen Politik Masaryks, der sich im Zuge des Hilsner-Prozesses um 1900 dezidiert gegen den Antisemitismus in der tschechischen Gesellschaft positionierte (Frankl 2011: 277f.). Weder in Rakous’ noch in Saudeks publizistischem respektive literarischem Werk spielt die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in der böhmisch-mährischen Gesellschaft eine zentrale Rolle (Iggers 1968: 948), wenngleich sich Rakous, wie später noch gezeigt wird, literarisch weitaus mehr als bisher angenommen zum Antisemitismus äußerte. In Prag bedeutete die Entscheidung für die tschechische Kultur bereits vor 1918 die Integration in die Mehrheitsgesellschaft, in Wien in die (Teil-) Gesellschaft einer Minderheit. Im Unterschied zu Rakous, der insbesondere vor dem Ersten Weltkrieg vehement gegen die deutsche, und vor allem die deutsch-jüdische Kultur publizistisch ankämpfte, sah sich Saudek vielmehr in einer Vermittlerposition. Wien stellte für ihn den zentralen Knotenpunkt tschechisch-deutscher Übersetzungstätigkeit dar. Dieses Selbstbild des Vermittlers geriet bei ihm jedoch im Zuge des Ersten Weltkrieges und des radikalen politischen Umbruchs von 1917/1918 zunehmend ins Wanken, wie Lucie Merhautová eindrücklich am Beispiel der Entstehungsgeschichte von Saudeks Masaryk-Übersetzung Das neue Europa zeigt.341 Saudek propagierte in dieser Umbruchsphase von 1918 teilweise radikal-nationalistische Ansichten, die sich gegen die deutsche und insbesondere deutsch-jüdische Elite in Prag richteten, wie sie in der tschechisch-jüdischen Publizistik vor dem Ersten Weltkrieg üblich waren. In dieser Zeit treffen sich auch Saudeks und Rakous’ Wege zumindest virtuell im Kalendář česko-židovský. Im Jahrbuch von 1918/1919 veröffentlicht Emil Saudek sein politisches Pamphlet Naše poslání (Epištola k těm, kteří nelenili) [Unsere Mission (Eine Epistel an jene, die nicht faul waren)], in dem er sich offen zur tschechisch-jüdischen Bewegung und zu deren Zielen sowie vor allem zur staatlichen Unabhängigkeit der „tschechischslowakischen Nation“ bekennt. Er wirft dabei der Mehrheit der Jüdinnen und Juden in den böhmischen Ländern vor, sich von der „Botschaft ihrer Vorfahren“ abgewandt zu haben. Es käme nun darauf an, ein „bewusster guter tschechischer Jude“ zu werden und den Kampf für die „Unabhängigkeit der tschechischen Nation“ zu unterstützen, der zugleich ein „allgemeinmenschlicher“ Kampf sei (Saudek 1918/19a: 52 u. 56). Paradoxerweise half Saudek seine nationale Radikalisierung nicht, sich in den kulturellen Kreisen Prags zu 341 Siehe Kapitel IX. von L. Merhautová sowie Merhautová (2022c).
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etablieren. Wie sich herausstellte, zeigte die tschechoslowakische Außenkulturpolitik vor allem Interesse an jenen ÜbersetzerInnen, die über Kontakte in die Kulturszene der Weimarer Republik verfügten, wie zum Beispiel den gut vernetzten Camill Hoffmann und die ÜbersetzerInnen und VermittlerInnen um Otto Pick in der Prager Prasse (Merhautová 2022c). Saudeks Übersetzungen des Rakous’schen Werkes fallen nicht nur in die Zeit des politischen, sondern auch des persönlichen Umbruchs. Seine Entscheidung für eine erneute Migration nach über fünfundzwanzig Jahren zeugt von einer enormen Risikobereitschaft. Saudek konnte zwar die ökonomische Position für sich und seine Familie als hoher Bankbeamter in Prag erneut festigen, aber seine zweite, von ihm favorisierte Laufbahn als Literaturübersetzer kam allmählich zum Erliegen. War Saudek in Wien gut vernetzt, riss der Kontakt zu einigen Literaten, die ebenfalls nach Prag gezogen waren, ab, und es fiel ihm offenbar schwer neue Kontakte in der Prager literarischen Szene zu knüpfen. Darüber hinaus fehlten ihm enge Kontakte zum Verlagswesen in Deutschland. Seine Übersetzungen von Vojtěch Rakous’ Erzählungen gehören somit zu den letzten Aufträgen, die Saudek von Repräsentanten im Umfeld der „Burg“ erhielt. Sie erschienen im staatsnahen Verlag Obelisk, der zur Aktiengesellschaft der Tribuna gehörte. Gegründet von der Union progressiver tschechischer Juden, von Mitgliedern der „Burg“, darunter Masaryk, sowie von gemäßigten Agrarindustriellen brachte die Aktiengesellschaft seit 1919 eine gleichnamige Tageszeitung heraus, die erste tschechisch-jüdische Tageszeitung in den böhmischen Ländern überhaupt. Sie stellte damit ein Pendant zur nationaljüdischen Wiener Morgenzeitung dar. Das Verlagsprogramm von Obelisk richtete sich wie die Tageszeitung an eine größere nichtjüdische Öffentlichkeit in der Tschechoslowakei und im Ausland, um diese mit den Ideen der tschechisch-jüdischen Bewegung bekanntzumachen. Daher setzte es von Beginn an auch auf Übersetzungen ins Deutsche. Langfristig blieben die Zeitung und ihr Verlag jedoch in finanziellen Schwierigkeiten. Als sich die politische Orientierung der Zeitung zugunsten der Agrarier zu ändern begann, und die tschechisch-jüdische Ausrichtung in den Hintergrund rückte, entzog die „Burg“ der Aktiengesellschaft ihre Unterstützung. Die Tribuna und ihr Verlag Obelisk stellten ihre Tätigkeit 1928 ein (Orzoff 2004: 293ff.; Čapková 2009). Das Projekt scheiterte damit langfristig ebenso wie Saudeks persönliche Karriere als literarischer Übersetzer in Prag. Sein spätes Großprojekt, eine umfangreiche Interpretation des von ihm verehrten Schriftstellers Otokar Březina, über den er weiterhin sporadisch
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im Kalendář česko-židovský schrieb, blieb unvollendet und ließ ihm vermutlich wenig Raum für eine weitere Übersetzungstätigkeit.342 Auch Rakous schrieb zwar nach dem politischen Umbruch von 1918 nur noch vereinzelt, dennoch steigerten die Neuausgaben und die Übersetzungen seine Popularität. Als er 1935 in Prag-Lieben starb, ehrten ihn zahlreiche tschechisch- und deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften in der Tschechoslowakei sowie ein paar jüdische, meist zionistische Periodika im Ausland.343 Es gehört zur bitteren Ironie von Saudeks Übersetzerbiographie, dass die zu späten Lebzeiten Rakous’ und aus Anlass seines Todes veröffentlichten Erzählungen nicht mehr aus seiner Feder, sondern aus der Rudolf Fuchs’ und vor allem Anna Auředníčkovás stammten. Die letzte Veröffentlichung einer Saudekschen Übersetzung von Rakous war ein Wiederabdruck der Erzählserie Die Judengemeinde von Vojkowitz im Juni 1930 in der zionistischen Wochenzeitung Die neue Welt, einem Nachfolgeprojekt der eingestellten Wiener Morgenzeitung (Rakous 1930). Somit schloss sich der Kreis, der 1919 in Wien begonnen hatte. Das steigende Interesse an Rakous’ Werk in der deutschjüdischen und vor allem zionistischen Öffentlichkeit, die Rakous selbst zunehmend mit Wohlwollen betrachtete,344 verdankte sich Auředníčková, Fuchs und Saudek gleichermaßen. Den Grundstein hatte jedoch Emil Saudek mit seinen umfangreichen Übersetzungen des Rakous’schen Werkes gelegt, die auch die Vorlage für deutschsprachige Adaptionen in Theater und Rundfunk bildeten.345
3. Rückblick auf die Emanzipation. An der Wegscheide (1919–1922) Na rozcestí (An der Wegscheide) war Rakous drittes und letztes Buch seines schmalen Gesamtwerks, das 1914 im Verlag des tschechisch-jüdischen Spolek českých akademiků židů [Verein tschechisch-jüdischer Akademiker] erschien. Es unterscheidet sich von seinen anderen literarischen Texten sowohl in Stil und Inhalt: Es ist eine ernste, „ausgezeichnete, liebevoll ausgefeilte“ Novel342 Siehe Kapitel V. von J. Vojvodík. 343 Siehe bspw. Anonym (1935a) und Anonym (1935b). 344 Anzeichen hierfür: V. Rakous an R. Fuchs, 04.02.1925, LA PNP, Fonds R. Fuchs, sowie ein Brief Rakous’ an Felix Weltsch, der erwähnt wird in Pazi (2001: 37). 345 Siehe bspw. o. (1927); Anonym (1933); G. F. (1935).
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le, an der nicht viel „Tschechisches“ sei, wie Emil Saudek in seinem Essay über Vojtěch Rakous feststellt (Saudek 1922d: 17). Tatsächlich schildert die Novelle primär die Erfahrung der böhmischen Jüdinnen und Juden mit dem Ende der diskriminierenden Freizügigkeits- und Heiratsbeschränkungen nach 1848, unabhängig ihrer sprachlich-kulturellen Zugehörigkeit. Zwar wurden die seit 1726 gültigen Familiantengesetze, die die Zahl der jüdischen Familien in den böhmischen Ländern begrenzten und nur dem erstgeborenen Sohn ermöglichten zu heiraten, bereits während der gescheiterten Revolution von 1848/49 abgeschafft, einzelne Diskriminierungsmaßnahmen wurden allerdings im Anschluss erneut installiert, auf lokaler Ebene aber nicht immer umgesetzt (Kieval 2020: 152ff). Die Novelle beginnt mit dieser allgemeinen Umbruchserfahrung: Sehr alte Juden, denen es vergönnt war, das grosse Jahr – man schrieb damals 1860 – mitzuerleben, kehren heute, da sie schon am Rande des Grabes stehen, in ihren Erinnerungen am liebsten zu dieser, für sie so bedeutungsvollen Zeit zurück. Sie waren nämlich Zeugen des unvergesslichen Umsturzes, der den Juden, den durch Jahrhunderte in Ketten schmachtenden Sklaven, zum Menschen machte. Die Fesseln fielen, der Jude gewann Freizügigkeit und durfte Grund und Boden erwerben. Es fiel auch die Fessel, die die jüdische Seele am schmerzlichsten verwundete: der Jude durfte heiraten. (Rakous 1922c: 5f.)
Die Abschaffung der diskriminierenden Gesetze ebnete den Weg zur de facto vollständigen Gleichberechtigung der Juden 1867 in der Habsburgermonarchie. Die neu gewonnene Freiheit stieg, wie es weiter in der Novelle heißt, „in die Köpfe der Juden“ (ebd: 6). In jenem Jahr habe es festliche Gottesdienste und Hochzeiten wie nie zuvor gegeben. Die Zahl der Hochzeiten sei um ein Vielfaches gestiegen, denn da „heirateten nicht bloss junge Leute, auch Grauhaarige und vom Alter und Gram Gebeugte schritten zum Altar“ (ebd.: 7). Nach diesem allgemeinhistorischen Prolog beginnt die Geschichte des Adam Mandelík, der nach über zwanzig Jahren Abwesenheit in seine Heimatregion Čáslav, Čáslau in Saudeks Übersetzung, zurückkehrt. Aus der Ferne nähert er sich seiner Heimatregion, die „in ganz Böhmen“ ihresgleichen sucht: Nirgends Wald, nirgends ein Hügel, soweit das Auge reicht, wogen Aehren, wie ein Meer, endlos, uferlos. Inmitten dieses Meeres zeichnet sich scharf gegen den dunkelblauen Himmel der Čáslauer Turm ab, und die weissen Dörfer, über die Heide verstreut, ragen wie einsame Inselchen empor. Alles, alles wie es früher gewesen war. Dort Zbislav und Zařičany, Bílý Podol und Semtěš, und hier am Hange des Podhořaner Berges - - Starkoč! Ganz deutlich nahm er unter den übrigen Dächern das alte Strohdach des Starkočer Judenhauses wahr. (ebd.: 10)
In wenigen Sätzen umreißt hier Rakous den zeitlichen und geographischen Rahmen, der für sein gesamtes Erzählwerk typisch ist: Er erzählt vom Wandel
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der jüdischen Lebenswelten auf dem Land in den Jahren vor, während und unmittelbar nach der Emanzipation. Charakteristisch hierfür ist die durch die jahrhundertelangen staatlichen Restriktionen bedingte Siedlungsstruktur böhmischer und mährischer Jüdinnen und Juden. Häufig lebten nur einzelne Familien in Kleinstdörfern, die nächstgelegene Synagoge und jüdische Gemeinde waren oft in mehrstündiger Fußdistanz entfernt (Frankl/Niedhammer/Koeltzsch 2020: 163ff.). Die idyllische Landschaft steht in Kontrast zum Schicksal des Protagonisten. Auf sein Dorf mit dem einzigen Judenhaus aus der Ferne blickend, erinnert sich Adam, wie er Anfang der 1840er Jahre sein Heimatdorf verlassen musste, da er als zweitgeborener Sohn keine Möglichkeit hatte, eine rechtlich anerkannte Familie zu gründen. Nach dem Tod seiner Mutter lebt er mit seinem älteren Bruder Aron, der die meiste Zeit geschäftlich unterwegs ist und mit Terynka, einer Jüdin aus dem Nachbardorf zusammen. Er heiratet sie heimlich bei einem Rabbiner und bekommt mit ihr eine Tochter. Die Gutsverwaltung anerkennt diese Beziehung nicht und zwingt Aron, diese zu legalisieren. Daher muss der Rabbiner die geheime Ehe zwischen Adam und Terynka auflösen und vermählt sie sodann mit Aron. Adam flieht danach „in die ferne, weite Welt“ (Rakous 1922c: 29). Er kommt nach Mähren, wo er „in einem weltvergessenen Dorfe“ einem im Sterben liegenden Kind die letzten Gebete sprach: Sein Beten galt hier nicht bloss dem sterbenden Kinde, auch für sein Kind betete er, für sein Weib und für den Frieden seiner eigenen, schmerzgequälten Seele … und für alle Juden, die gleich ihm ziellos in der Welt umherirrten. (ebd: 31)
Adam bleibt daraufhin in Mähren, zieht von Ort zu Ort und hilft jüdischen Armen und Kranken und spricht für jene, die verhindert sind, an Jom Kippur das Totengebet für ihre verstorbenen Verwandten. Gegen den Rat des Rabbiners entschließt sich der sichtlich gealterte Adam, im Zuge der Liberalisierung in seine Heimat zurückzukehren. Auf der Straße zu seinem Heimatdorf erfährt er nun von einem vorbeikommenden „Glaubensgenossen“, dass Aron einen ansehnlichen Reichtum erarbeitet, mit seiner Frau acht Kinder und seine Tochter heute Hochzeit habe. Adam begegnet daraufhin der Hochzeitsgesellschaft. Sein Bruder, seine ehemalige Frau und seine Tochter erkennen ihn nicht und sehen in ihm einen unbekannten Betteljuden, dem sie Silbermünzen zuwerfen. Adam versteht in diesem Moment, dass sein Wunsch, wieder an der Seite seiner Frau und Tochter zu leben, von Anfang an ein Traum, eine Illusion war. Er bricht erneut auf, um sein bisheriges Leben fortzuführen, „wie es der heilige Glaube gebietet, wird von Friedhof zu Friedhof ziehen und an fremden Gräbern beten“ (ebd.: 52).
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Rakous spielt mit dieser Novelle auf die aus der christlichen Literatur stammenden Figur des Ahasver, des wandernden Juden an, verzichtet aber auf explizite Querverweise und Überzeichnungen. Er zeigt die historischen Ursachen der voremanzipatorischen Migration und die verheerende Auswirkung der Familiantengesetze auf individuelle Leben. Diese war mit deren Abschaffung nicht über Nacht beendet. Für Adam kommt die Freiheit zu spät. Das einzige, das ihm als „lebendem Toten“ Halt gibt, ist sein Glauben. Rakous transportiert mit dieser Novelle nicht nur eine religiös begründete ethische Botschaft, auf die plötzliche Freiheit nicht egoistisch zu reagieren. Er unterstreicht zudem die historische Bedeutung der Verflechtung zwischen Böhmen und Mähren für die jüdische Geschichte ungeachtet der verwaltungspolitischen Grenzen. Diese ethische Botschaft wie auch die räumliche Verbundenheit mögen Gründe gewesen sein, warum die einzige deutschsprachige jüdische Tageszeitung in Europa, die auf zionistische Gegenwartsarbeit gerichtete Wiener Morgenzeitung, sich für den Abdruck dieser Erzählung im November desselben Jahres entschied (Rakous 1919a). Ihr Chefredakteur Robert Stricker war seit Beginn seiner journalistischen Karriere eng mit dem Brünner und Wiener jüdischen Zeitungswesen vertraut. Mit seiner Tageszeitung, Organ der Jüdischnationalen Partei in Österreich, wollte er Gegenwartsarbeit in der mitteleuropäischen, und insbesondere Wiener Diaspora leisten. Dabei griff die Zeitung aber nicht nur jüdische, sondern auch allgemeine Debatten auf und mischte sich in diese ein (Mühl 2002: 255 u. 257ff.). In ihrer Ankündigung der Übersetzungsserie lobte die Redaktion die ungekünstelte und ursprüngliche Erzählweise Rakous’, der das „schwere arbeitsvolle Leben der Juden im böhmischen Flachland“ darstellt, „erhellt und durchwärmt von einem wehmütigen Humor“ (Anonym 1919). Ein nicht zu unterschätzender Teil des Lesepublikums der Wiener Morgenzeitung teilte die fiktionalisierte historische Erfahrung des Adam Mandelík. An der ‚Wegscheide‘ der Umbruchsjahre um 1918/19 erhoffte sich die Redaktion durch die Weitergabe dieser von ZionistInnen wie IntegrationistInnen geteilten Erinnerung an die Emanzipationsjahre ein positives Signal nach innen und außen zu senden. Ein Jahr nach Kriegsende und dem Zerfall der Habsburgermonarchie war diese Erfahrung erneut aktuell, denn die jüdische Emanzipation stand erneut auf dem Prüfstand. Sie wurde zwar nicht zurückgenommen, aber es wurde deutlicher als je zuvor, dass ihre Errungenschaft nach wie vor keine Selbstverständlichkeit in Mitteleuropa darstellte. Während und unmittelbar nach Kriegs war der Antisemitismus überall in Mitteleuropa virulent.
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Ob Saudek selbst die Übersetzung der Rakous’schen Novelle aussuchte, oder ob es ihm etwa vom Redaktionskreis der Wiener Morgenzeitung angetragen wurde, ist nicht bekannt. Es ist jedoch aufgrund seiner bisherigen Übersetzungspraxis zu vermuten, dass er sie sich selbst auswählte, da sie ihm weniger künstlerisch als vielmehr ideologisch wertvoll schien. Die einzige überlieferte explizite Erwähnung seiner Rakous’schen Übersetzungen fällt in einem Brief an seinen Kollegen, den Autor und Übersetzer Otokar Fischer im April 1920, den er auf seine Veröffentlichungen in der Wiener Morgenzeitung knapp hinweist.346 Sie bildeten die Grundlage für die drei Jahre später erschienene Buchausgabe im Verlag Obelisk der Aktiengesellschaft Tribuna. Die Buchausgabe wie auch der erneute Abdruck der Novelle in der Sammlung Die Geschichten von Modche und Resi und anderen lieben Leuten zeugt von der zentralen Stellung dieses Textes im Rakous’schen Gesamtwerk, wenngleich sie durch die Rezeption der humoristischen Erzählungen überlagert wurde. Saudeks Übersetzung zeichnet sich durch ihren gut lesbaren Stil aus. Wie damals üblich, verwendet er die tschechischen diakritischen Zeichen in der deutschen Schreibweise der Toponyme und Namensbezeichnungen und verzichtet auf eine vollständige ‚Eindeutschung‘. Die Ausgabe wird ergänzt von zahlreichen kolorierten Zeichnungen des renommierten Buchillustrators Adolf Kašpar, der diese aus Anlass der tschechischen Buchausgabe von 1914 angefertigt hatte. In diesen konzentriert er sich auf Schlüsselszenen der Handlung, auf die Menschen in ihrer jeweiligen Landschaft, wobei er auf Stereotypisierungen weitgehend verzichtet. Der deutschen Ausgabe folgte 1923 eine Übersetzung ins Englische durch V. A. Jung, zwar in einem anderen Verlag, aber mit derselben künstlerischen Ausstattung (Rakous 1923). Saudek stand bereits noch in Wien mit Jung in Briefkontakt und half sein Werk in diplomatischen Kreisen bekannt zu machen.347 Beide Ausgaben, die deutsche wie die englische, stellen ein wichtiges Zeugnis der tschechoslowakischen Kulturpolitik dar. Saudeks Übersetzungen im Obelisk-Verlag ebenso wie Jungs Übersetzung ins Englische unterstrichen das Bestreben des tschechoslowakischen Staates unter Masaryk, eine projüdische Politik zu betreiben, auch wenn diese nicht frei von Widersprüchen war (Koeltzsch/Frankl/Niedhammer 2020: 213ff).
346 E. Saudek an O. Fischer, 01.04.1920, LA PNP, Fonds O. Fischer. 347 E. Saudek an V. A. Jung, 23.04.1921, LA PNP, Varia.
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4. Rückkehr zur dörflichen Idylle? Die Geschichten von Modche und Resi und anderen lieben Leuten (1919–1922) Wenige Wochen nach der Erstveröffentlichung von Saudeks Übersetzung An der Wegscheide publizierte die Wiener Morgenzeitung Ende November und im Dezember 1919 sechs von neun Erzählungen über Modche und Resi (Rakous 1919b).348 Sie bilden den Grundstock der drei Jahre später veröffentlichten zweibändigen Buchausgabe Saudeks Die Geschichten von Modche und Resi und anderen lieben Leuten, die im ersten Band sieben Erzählungen um Modche und Resi enthält.349 Der erste Band umfasst darüber hinaus vier von fünf Erzählungen über Lojsa Kiesler, eine Art literarisches Alter Ego Vojtěch Rakous’. Der zweite Band besteht aus ausgewählten Kurzerzählungen und Erinnerungstexten der Zyklen Juden und Jüdinnen und Noch einmal zuhause. Die zweibändige Übersetzung trägt im ersten Teil des Titels bewusst die Namen der Figuren Modche und Resi, brachten doch die Geschichten über dieses ältere, gegensätzliche Ehepaar Rakous den größten Erfolg. Dieser resultiert vor allem aus dem äußerst unterhaltsamen, humoresken Charakter der kurzen Erzählungen: Modche und Resi Koref sind das einzige jüdische Ehepaar im mittelböhmischen Dorf Sedletín, und sie sind wie ihre christlichen Nachbarn und jüdischen Bekannten in der näheren und ferneren Umgebung liebevoll überzeichnet. Sie sind kleine Leute mit ihren alltäglichen Sorgen und Unzulänglichkeiten, sie leben bescheiden und bieten somit eine große Identifikationsmöglichkeit für LeserInnen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Modche, „nach dem Geburtsregister hieß er eigentlich Mordechaj, aber die ganze Welt und auch Resi, sein Weib, sagten zu ihm kurzweg Modche“ (Rakous 1922a: 21) ordnet sich seiner Frau unter, die den Haushalt organisiert. Sie kümmert sich um die religiösen Traditionen, deren Einhaltung fernab von der nächsten Gemeinde nicht immer einfach ist. In den Erzählungen nimmt so die Schilderung des Schabbats und der Feiertage wie Pessach und Rosch ha-Schana einen wichtigen Platz ein. Resi, mit jüdischem Namen Rifke, zeichnet sich insbesondere durch ihre Reinlichkeit und Ordnungsliebe 348 Zu allen Veröffentlichungen von Saudeks Übersetzungen der Rakous’schen Prosa siehe folgende Arbeitsbibliographie Lucie Merhautová: Bibliografie Emila Saudka [Bibliographie der Werke Emil Saudeks] (04.09.2021). 349 Der erste Band enthält folgende sieben von insgesamt neun Erzählungen des Zyklus Modche und Resi: Vor den Feiertagen, Wie Modche und Resi vorzeitig Roschhaschono feierten [fehlt im Inhaltsverzeichnis], Modche und Resi auf dem Judenballe, Die Verlobung, Die Getauften, Modche in Freiheit und Resis letztes Stündlein.
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Buchcover von Vojtěch Rakous’ jüdischen Dorfgeschichten in der Übersetzung von Emil Saudek. Autor des Covers wie der farbigen Illustrationen ist der renommierte Buchillustrator Adolf Kašpar, der diese für die tschechische Originalausgabe von 1914 angefertigt hatte (Rakous 1922a; ÚČL AV ČR).
aus. Resis satirische Überzeichnung treibt Rakous etwa in der Erzählung Modche in Freiheit auf die Spitze, als Modche während der mehrtägigen Abwesenheit seiner Frau davon träumt, wie sie im größeren Nachbarort Wojkowitz, in dem sich Kirche und Synagoge befinden, vor den Feiertagen auf den Kirchturm klettert. Modche hört sich im Traum zu Resi sagen: „Warum kriechst du denn da hinauf ?“ Worauf sie ihm antwortet: „der Turm da ist ja so staubig, daß ich’s nicht mehr mitansehen kann, ich muß ihn einmal ordentlich abstauben und schmirgeln, im Handumdrehen ist das Passah-Fest wieder da.“ Mod-
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che hält sie für eine Närrin: „Auf ihre alten Tage wird sie noch zu Ehren der jüdischen Feiertage den Staub von den christlichen Kirchtürmen wischen!‘“ (Rakous 1922a: 116f.). Die jüdische Religion bildet bei beiden einen wichtigen Teil ihrer Identität, auch und gerade weil sie diese fernab institutioneller Strukturen praktizieren. Sie behaupten ihre jüdische Identität gegenüber ihrer christlichen Nachbarschaft, mit der sie überwiegend in Eintracht leben. Resis Nachbarin, die keinen Namen trägt, sondern nur die Schmiedin genannt wird, verrichtet während des Schabbats jene Tätigkeiten im Haushalt von Modche und Resi, die diese dem religiösen Gebot nach nicht verrichten dürfen. Sie kennt sich zudem etwas mit der koscheren Haushaltsführung aus (Rakous 1922a: 101). Resi behält jedoch häufig eine gewisse Überlegenheit gegenüber ihrer christlichen Nachbarin. Dies wird etwa in der Erzählung Verlobung deutlich, als Resi ihr den Ablauf der Verlobung ihrer Nichte und den Brauch, eine Schale zu zerschlagen und somit indirekt die Bedeutung des Sprichworts „Scherben bringen Glück“ erläutert: Resi geriet ein wenig in Verlegenheit. ‚Na, wie soll ich es Ihnen geschwind sagen … Ein jeder nimmt sich ein Stückchen von der Schale als Andenken mit und …‘ ‚Ich weiß schon, Resi! Und wenn er stirbt, so gibt man ihn das Stückchen von der Schale auf die Augen!‘ ‚Sie reden aber wirklich recht dumm daher,‘ bemerkte tadelnd Resi. „Was fällt Ihnen ein, auf die Augen! Die Scherbilach350…‘ ‚Scherbi … was ist denn das schon wieder, liebe Resi?‘ ‚Das sind die Stücke von der Schale.‘ ‚Also die Scherben, wenn ich recht verstehen.‘ ‚Aber was für Scherben! Das sind keine Scherben, das sind Scherbilach! Und wer solche Scherbilach aufbewahrt, dem bringen sie Glück.‘ (ebd. 55)
Die Schmiedin, die immerhin den Brauch kannte, die Augen der Toten mit Scherben zu bedecken, bittet Resi schließlich, ihr von der Verlobung „so ein Scherbi … Scharbi … oder wie es heißt“ für ihren Sohn mitzubringen, da er bald zum Militär eingezogen werde und Glück brauche. Im Gegenzug verspricht sie, Resi ein besonders großes Brot zu backen. Das Angebot nimmt Resi dankend an. Diese wie viele andere Szenen leben von den lebendigen Dialogen und dem situativen Wortwitz, die eine Dramatisierung des Erzähltexts nahelegen. 350 Saudek hält sich bei der Übersetzung ans Original und übernimmt den jiddischen Ausdruck für Scherben, entscheidet sich allerdings für einen Vokalwechsel in umgekehrte Richtung und benutzt anstelle von šarbilach, dem üblichen Scharbilach (Diminutiv von scharbn) Scherbilach, was für das Jiddische untypisch ist. Zum Vokalwechsel siehe Mieses (1919: 20).
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Im Fortgang wird dann die Verlobung, die in Resis und Modches Haus stattfindet, detailliert und auf satirisch überzogene Weise geschildert. Modche soll die Schale zerschlagen, es gelingt ihm aber nicht so, wie es sich Resi vorstellt. Er muss den Brauch noch einmal wiederholen und nimmt anstelle der vermeintlich falschen, der goldgeblümten nun die ‚richtige‘, die blaugeblümte Schale (ebd.: 66). Die Erzählung erhält durch diese Darstellung der Verlobungsfeier den für Dorfgeschichten typischen ethnographischen Charakter, indem sie den jüdischen Brauch wie die mit ihm verbundenen Sprechweisen festhält. An der Verlobungsfeier nehmen zwar nur die jüdischen Verwandten und Zeugen teil, die „ganze Dorfbewohnerschaft“ zeigt aber beim Ankommen der Gäste großes Interesse an dem Ereignis (ebd.: 57). Zugleich aber behaupten Modche und Resi ihren privaten ‚jüdischen‘ Raum im Dorf. Dieses Beharren auf eine eigene religiöse Identität konnte so auch eine Verbindungslinie zu jenen LeserInnen schaffen, die nicht Anhänger des Konzepts einer tschechisch- oder deutsch-jüdischen ‚Assimilation‘ waren. Rakous gilt in der Forschung als Chronist einer einzigartigen jüdischchristlichen „Symbiose“, der in seinen Texten Antisemitismus kaum oder gar nicht thematisiere. Dies trifft jedoch primär auf die von Saudek getroffene Auswahl zu, in der nicht diejenigen Texte enthalten sind, in denen Antisemitismus eine größere Rolle spielt. So fehlt hier beispielsweise die vermutlich nach 1910 entstandene Erzählung Když se okna tloukla (Als die Fenster zerschlagen wurden), in der Resi aus Angst vor Übergriffen auf ihr Haus erst überlegt zu konvertieren, das verwirft und dann ins Nachbardorf zur jungen Familie ihrer Nichte ziehen möchte. Im Fortgang wird zwar klar, dass in beiden Dörfern keine Gefahr droht, da ihre christlichen Nachbarn sie als Teil der Dorfgemeinschaft betrachten, dennoch deutet Rakous hier die Verunsicherung und die Angst an, die die jüdische Bevölkerung in den Jahrzehnten nach der Emanzipation immer wieder erlebte. Bitterkomisch ist daher der Dialog, der sich zwischen Modche und Resi am Beginn der Erzählung darüber entspannt, warum es Antisemitismus seit jeher gebe, und warum es jeden Juden, jede Jüdin, unabhängig ihrer sozialen Position in der Gesellschaft treffen könne (Rakous 1926c: 7–27, Když se okna tloukla [Als die Fenster zerschlagen wurden]). Doch auch ohne diese Erzählung werden in den übersetzten Geschichten mögliche judenfeindliche Reaktionsmuster gestreift, wenn etwa Modche in der ersten Erzählung Vor den Feiertagen der Verdacht kommt, dass die von ihm bestellten Mazzen vielleicht „irgendein geheimer Judenfeind“ zerstört hätte. Umgehend greift jedoch die extradiegetische Erzählinstanz ein und kommentiert: „ich bitte Sie, es gehört wohl nicht viel dazu, Maces zu Grunde zu
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richten“ (Rakous 1922a: 27). Der Erzähler wischt Modches Verdacht beiseite, womit er einerseits das Vorhandensein antisemitischer Verhaltensmuster in der christlichen Bevölkerung relativiert. Andererseits ist es kein Zufall, dass Modche der Verdacht kommt, gehört Antisemitismus doch zu den jüdischen Alltagserfahrungen jener Zeit. Rakous bleibt hier wie an anderen Stellen ambivalent, denn er spielt hier indirekt auf das Stereotyp der „jüdischen Empfindlichkeit“ an. Der zweite Teil des ersten Bandes enthält die Geschichten um Lojsa Kiesler, die autobiographische Züge tragen und von Rakous’ tschechisch-jüdischem Nationalismus geprägt sind. Rakous erzählt auf ernste, teils sentimentale Weise die Kindheit und Jugend des armen Lojsas, dem Sohn eines Hausierers. Er lebt inmitten der tschechisch-christlichen Umgebung, Ausgrenzung erfährt er erst, als er als junger Teenager erstmals die Synagoge und die deutsch-jüdische Schule in der entfernt liegenden Kleinstadt Máslovice besucht. Hier wird er von den deutsch-jüdischen Gleichaltrigen und dem Lehrer aufgrund der Armut seiner Familie abschätzig behandelt. Nach einem halben Jahr geht er zurück an die tschechische Dorfschule seines Heimatortes, und sein Lehrer Šebek freut sich über die Rückkehr seines Schülers. Lojsa wird nach der Bar Mitzwa und dem Ende seiner Schulzeit Hausierer wie sein Vater, ehrlich, treu, aber arm. Rakous schildert hier den auch für die nichtjüdische Literatur jener Zeit wichtigen Topos des ‚jüdischen Hausierers‘, der etwa in Masaryks autobiographischer Erzählung Náš pan Fixl/Unser Herr Füchsl eine Ikonisierung erfährt (Koeltzsch 2022b). Die letzte Erzählung der Sammlung Lojsa Kiesler fehlt jedoch.351 Sie erzählt die weitere Migrationsgeschichte und den ersten sozialen Aufstieg Lojsas, denn dieser bekommt mit etwas Glück eine Lehrstelle bei einem tschechisch-jüdischen Getreidehändler mit dem bezeichnenden Namen Heim in der Bezirksstadt Königgrätz. Er gewinnt sein Vertrauen, steigt bei ihm auf und folgt ihm schließlich nach Prag in dessen Geschäft. In dieser Erzählung gibt es eine Schlüsselszene, die durch eine ideologisch verzerrte Darstellung des Antisemitismus in der böhmischen Provinz besondere Brisanz insbesondere zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Saudeks Übersetzung zwischen 1919 und 1922 hatte: Heim ist mit einer Prager deutschen Jüdin verheiratet, die in der Erzählung als arrogant und überheblich dargestellt wird. Die gemeinsamen Söhne studieren in Prag und orientieren sich im Unterschied zum Vater an der deutschen Kultur. Bei einem Besuch ihres Vaters in 351 Enthalten sind: Lojsa Kiesler zum ersten Mal im Tempel, Lojsa Kiesler in der Judenschule, Anfänge. Es fehlt U Heimů [Bei den Heims].
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Hradec singen sie in der Stadt laut deutsch-nationale Lieder, woraufhin sie angegriffen werden ebenso wie die Wohnung der Familie (Rakous 1926a: 263f., U Heimů [Bei den Heims]). Heim verlässt daraufhin seine Heimatstadt gen Prag, wo er den Getreidegroßhandel seines deutsch-jüdischen Schwiegervaters übernimmt. Im übertragenen Sinne kann dies auch als ein Weg des tschechisch-jüdischen Zuzugs nach Prag, der tschechisch-jüdischen ‚Übernahme‘ des Zentrums verstanden werden. Rakous greift in dieser Erzählung ein antisemitisches Argumentationsmuster tschechischer NationalistInnen auf, das seit Ende des 19. Jahrhunderts omnipräsent war: Die Provokationen würden von den deutschsprachigen Juden und Jüdinnen ausgehen, nicht von den nichtjüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Die antijüdischen Ausschreitungen seien daher selbst verursacht, wodurch eine klassische Täter-Opfer-Umkehr erfolgt.352 Wie Rakous später zu dieser besonders stark stereotypisierten und ideologisch gefärbten Erzählung stand, ist nicht überliefert. Es ist jedoch bezeichnend, dass er sie 1925 in seinem Brief an Rudolf Fuchs, der um Vorschläge für Übersetzungen aus seinem noch unübersetzten Werk gebeten hatte, nicht anführt.353 Auch Saudek war sich offenbar bewusst, dass diese Erzählung das Vorhaben, Rakous einem größeren deutschsprachigen Publikum bekannt zu machen, erheblich beeinträchtigt hätte und verzichtete auf sie. Im zweiten Band der Übersetzung (Rakous 1922b) sind mehrere Erzählund Erinnerungstexte wie in der Originalausgabe unter dem Titel Juden und Jüdinnen und Noch einmal zuhause zusammengefasst. Unter der Auswahl befindet sich erneut die Novelle An der Wegscheide, darüber hinaus Texte, die vor allem einen autobiographisch-erinnernden Charakter haben wie Von einem, der nicht weiß, wann er geboren wurde, Eine Handvoll Erinnerungen oder Die Uhr. In Eine Handvoll Erinnerungen schildert Rakous seine eigene Migrationserfahrung Mitte der 1870er Jahre, wie er als dreizehnjähriger Junge das erste Mal nach Prag kommt, wie ihn das Heimweh nach seinem Dorf plagt, und es dauert, bis er sich in der Großstadt eingewöhnt. Zu diesem fundamentalen „Umsturz“ im Leben gehört auch die Gewöhnung an die deutsche Sprache. In seiner literarischen Stilisierung beschreibt er den zweisprachigen Kontakt im Geschäft seines deutsch-jüdischen Chefs wie folgt: Es war dies ein Geschäft nach bekannter, typisch Prager jüdischer Art. Das ganze liebe Jahr wurde dort auch nicht ein Wort böhmisch gesprochen, ausgenommen in den dringenden Fällen mit Kunden, die nicht deutsch konnten. Heute erschiene es jedermann unglaublich, 352 Zur Bedeutung der antisemitischen Figur der ‚Provokation‘ im Kontext der tschechischen Nationalbewegung siehe vor allem Frankl/Szabó (2015). 353 V. Rakous an R. Fuchs, 04.02.1925, LA PNP, Fonds R. Fuchs.
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was für ein Böhmisch sich diese Kunden – es waren größtenteils ländliche Kaufleute – gefallen ließen. In gebrochenem Böhmisch sprach das ganze Personal, und am ärgsten der Chef selbst. In späteren Jahren, als ich schon deutsch konnte, pflegte ich den Dolmetsch zwischen den Kunden und meinem Chef zu machen. Die Kunden lachten über das eigentümliche Böhmisch des Chefs, und er lachte mit ihnen. (Rakous 1922b: 119)
Rakous zeichnet im Folgenden ein sympathisches Bild seines deutsch-jüdischen Chefs, der „das Vorbild eines Prager jüdischen Großkaufmannes der damaligen Zeit“ gewesen sei. Trotz seines Reichtums sei er stets „anspruchslos“, „human“ und „fromm“ gewesen (ebd.: 120). In der Gegenwart sei dieser Typus des Prager deutschen Juden entweder ausgestorben oder habe sich ins Privatleben zurückgezogen, da er sich an die neuen Verhältnisse nicht anzupassen vermochte. Rakous spielt hier auf die Nationalisierung und damit auf die Umkehrung der sprachlichen Verhältnisse in Prag an. Zwar könne die jüngere Generation deutscher Juden in Prag „ein etwas besseres Böhmisch“, aber ihnen mangele es an „humanen und familiären Verkehr“, an „Wohltätigkeit“, „Bescheidenheit“ und „Noblesse“ (ebd.: 121). Hier wird Rakous’ stereotypes Bild des Prager deutschen Juden erneut deutlich, das typisch für seine tschechisch-jüdische Publizistik war, es wird aber durch die Darstellung des Altprager Judentums in der Figur seines Chefs relativiert. Nur die regelmäßige Rückkehr aufs Land zu seiner tschechischsprachigen Familie habe ihn davor bewahrt, ein deutscher Jude zu werden. Ein weiterer Grund seien die vielen tschechischsprachigen Bücher gewesen, die sein Chef aufkaufte, mit ihnen aber nichts anfangen konnte. Rakous zeichnet hier seinen Weg zum tschechisch-jüdischen Schriftsteller nach und verfällt immer wieder auch in sentimentale Beschreibungen seiner dörflichen Heimat in Mittelböhmen, die weit von der Eisenbahnlinie aus Prag entfernt war. Die Erinnerungstexte im zweiten Teil des zweiten Bandes tragen alle starke Züge der Verklärung, bilden aber nur einen Teil seines Gesamtwerkes. Saudek verzichtet logischerweise auf die Übersetzung der publizistischen Pamphlete, die Rakous teilweise für die tschechisch-jüdische Wochenzeitung Rozvoj schrieb. Unklar bleibt, warum eine wichtige Kurzgeschichte in Saudeks Auswahl fehlt, die zur Zeit der Veröffentlichung unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges eine Signalwirkung hätte haben können: Gemeint ist Rakous’ Kurzgeschichte Děti (Kinder) über die Zeit der Hilsner-Affäre, die erst Jahre später von Anna Auředníčková ins Deutsche übertragen und 1927 wiederum von der Wiener Morgenzeitung unter dem Titel Kinder. Eine Erinnerung an 1901 veröffentlicht wurde. Hier schildert Rakous, wie ein jüdischer Junge sich danach sehnt, gemeinsam mit seinen christlichen Nachbarn auf dem Dorf-
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platz zu spielen. Eines Tages integrieren sie ihn in ihr Spiel, der Junge ist glücklich und erzählt hinterher seiner Mutter stolz: ‚Alle haben mit mir gespielt, Mutti … alle … Wir haben den Herrn Hilsner gespielt; ich war der Herr Hilsner, und sie haben mich schon aufgehängt, Mutti, haben mich ein paarmal hintereinander aufgehängt …‘ (Rakous 1927)
Diese Anekdote, die aus dem Paradox des gleichzeitigen Ein- und Ausschließens des jüdischen Jungen in der Spielgemeinschaft gebaut ist, verweist auf die Resonanz und Wirkmächtigkeit des Hilsner-Prozesses in der böhmischmährischen Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts (Frankl 2011: 251ff.). Zwar schildert Rakous eine vermeintlich harmlose, unreflektierte Form, ein Kinderspiel, es verdeutlicht dennoch, wie tief der Ritualmordprozess in die Alltagspraktiken der Gesellschaft drang, und hier sogar die Ausführung des Todesurteils imaginiert wird. Es scheint, dass Saudek in der Umbruchsphase 1919 auf dezidiert politische Texte des Autors verzichten und hier wohl auch den Eindruck vermeiden wollte, die tschechische Gesellschaft sei antisemitisch. Dieser Vorwurf wäre durch die anderen Erzählungen in der deutschsprachigen Auswahl ohnehin relativiert worden. So präsentierte Saudek mit seiner zweibändigen Ausgabe vordergründig den vermeintlich ‚unpolitischen‘ Autor Vojtěch Rakous. Dass aber gerade die überwiegend unterhaltsamen Erzählungen trotzdem eine explizite politische Botschaft enthalten, versucht Saudek in seinem einleitenden Essay über Vojtěch Rakous nachzuweisen.
5. „Sittliche Rüstigkeit“ als Fundament jüdischer Teilhabe in der tschechoslowakischen Nachkriegsgesellschaft. Emil Saudeks Essay über Vojtěch Rakous (1921/22) Emil Saudek war sich der Sonderstellung seiner Übersetzung von Vojtěch Rakous’ populärer Kurzprosa im Rahmen seines Gesamtwerks bewusst. So rechtfertigt er sich zugleich am Beginn seines einleitenden Essays, der auch in der tschechoslowakischen deutsch- und tschechischsprachigen Presse veröffentlicht wurde (Saudek 1922b, 1922c u. 1922d), dass es manchmal „wichtigere Aufgaben“ gebe, „als das schöne, wohlausgemeißelte Werk“ zu übersetzen, von dem ohnehin genug vorhanden sei. Vielmehr käme es manchmal darauf an, „eine neue Art neuer Einfalt, schöpferischer Urbarmachung seelischen Neulands“ vorzustellen (Saudek 1922d: 3). Bereits in diesen ersten
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Zeilen, in denen er „den treuherzig dichtenden tschechischen Erzähler“ einer „verwöhnten deutschen Lesewelt“ gegenüberstellt, kündigt sich Saudeks politische Lektüre von Rakous’ jüdischen Dorfgeschichten an: weniger die literarische Qualität als vielmehr die ethisch-moralische Botschaft dieser Geschichten bilde das Motiv seiner Übersetzungsentscheidung. Die literarische Qualität Rakous’ läge vor allem in seiner „wahrheitsbeflissenen Darstellung“ und seinem Humor, wodurch er nicht nur eine jüdische, sondern auch „breitere Schichten tschechischer Leser“ (ebd: 4) erreiche. Hinter seiner schlichten Erzählkunst stünden darüber hinaus, so Saudek weiter, philosophische und politische Überlegungen, die Rakous zu einem „unbewussten Soziologen und Wegdeuter der tschechischen Juden“ (ebd.) machen lassen. Saudek zufolge beschreibt Rakous in seinen Geschichten überwiegend tschechische Landjuden. Der seltenen Darstellung von „Ghetto-Juden“ könne er nach Leopold Kompert nichts Neues hinzufügen. Gänzlich fehle bei Rakous der „Typus der an deutscher Kultur hängenden“, diese seien „Juden höherer Geistigkeit, höheren Lebensstyls“ gewesen (ebd.: 9). Ihr „Deutsch-Sein“ hätten sie anders als in der Gegenwart nur als Vehikel verstanden, es sei ihrem Kosmopolitismus untergeordnet gewesen. Saudek lokalisiert diese Gruppe zwar auch in Böhmen, betont aber, dass diese deutschsprachigen Juden besonders in Mähren zuhause gewesen seien. Alle drei Gruppen stünden jedoch in Kontrast zur gegenwärtig dominierenden Gruppe von Juden, die Rakous in seinen Erzählungen andeutet, und die „das Städtische“ und „das Geld“ lieben. Ihr Zentrum sei die „Stadt der Städte“, das „anationale“ Wien (ebd.: 9). Wie in seiner Publizistik von 1918/19 schreibt Saudek hier in der Sprache des Siegers und heißt das Ende des „Parasiten-Österreichs“ willkommen: Was an guter sogenannter ‚österreichischer‘ Kultur von diesen Sprossen der Getreide- und Manufakturhändler von Časlau, Chrudim, Kolín und Písek in Wien geleistet wurde, bleibe in Ehren und kränke uns nicht! Aber die Schmarotzer, die Gleichgültigen und die Feinde des tschechischen Volkes […] betrachten wir mit Scham und Ärger als ein böses Verhängnis. (ebd.: 10)
Saudek bedient sich rhetorischer Wendungen, die aus der antisemitischen Propaganda bekannt sind wie etwa das sozioökonomische ‚Schmarotzertum‘ und ‚nationale Indifferenz‘. Dies ist für den damaligen Diskurs typisch und zeigt die Durchdringung nationalistischer und antisemitischer Sprachfiguren auch in jüdischen Sprechweisen. Laut Saudek streicht Rakous mit seinen Figuren der einfachen Landjuden vielmehr „die etwas tiefer liegende, allgemeine Idee des Gesamtjudentums“ heraus. Juden in tschechischen wie deutschen Gegenden der Republik sollen sich daher diese Figuren „zum Muster“ nehmen, denn sie zeichnen sich durch ein „Pathos der Distanz“ in sozialer Hinsicht,
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durch Sparsamkeit, gute Nachbarschaft, Familiensinn und -tradition, Liebe zur Wahrheit, Streben nach Selbstständigkeit und Gerechtigkeitssinn aus. Sie lassen sich nicht durch gesellschaftliche Nichtanerkennung aus dem Gleichgewicht bringen, wie viele ihrer Glaubensgenossen, die sich dem „Indifferentismus und Zionismus“ sowie der „Bourgeoisie“ und dem „Klerikalismus“ verschrieben hätten, so Saudek. Rakous’ Figuren würden vielmehr mit einer „sittlichen Rüstigkeit“ reagieren, weil sie erkennen, dass zwischen ihnen, den „sich schwer mühenden Juden“ und den nicht „minder schwer rackernden Christen“ mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze vorhanden seien (Saudek 1922a: 15). Saudek deutet hier an, dass Rakous’ Erzählungen eine literarische Umsetzung der Masaryk’schen Philosophie und Ethik darstellen. Masaryk forderte von den Juden immer wieder eine moralische und religiöse Erneuerung, wenngleich er im Unterschied zu Rakous und anderen Vertretern der tschechisch-jüdischen Bewegung dieses Potential eher im Zionismus als in der ‚Assimilation‘ sah, was zu einer gewissen Entfremdung der jüdischen Anhänger von der Realistischen Partei führte (Koeltzsch 2022b). Saudeks Essay über Rakous unterstützt so zum einen die Ideologie der tschechisch-jüdischen Bewegung, zugleich versteht er sich aber als Aufruf an alle Juden – unabhängig ihrer Orientierung – an der Republik zu partizipieren. Diese Teilhabe müsse auf „sittlicher Rüstigkeit“, das heißt auf einer Rückbesinnung auf die ursprüngliche Idee des Judentums – der Menschlichkeit – beruhen. Paradoxerweise bot aber gerade diese Kernbotschaft der Rückbesinnung auch zionistisch orientierten LeserInnen etwa der Wiener Morgenzeitung zahlreiche Anknüpfungspunkte. In seiner Rezension von Saudeks Übersetzung der Rakous’schen Erzählungen brachte es Otto Pick in der Prager Presse auf den Punkt: Der Verfasser – und man könnte hinzufügen auch sein Übersetzer – hätten es vermutlich kaum erkannt, dass in den Erzählungen gerade dort, wo assimilatorische Bewusstheit Kennzeichen einer absoluten Verschmelzung zu gewahren vermeint […], wo inmitten scheinbar restloser Übereinstimmung mit der Umgebung die tief eingewurzelten Wesensunterschiede zu Tage treten, höchst reizvolle Momente des Aneinandervorbeiredens [entstehen], wo verschiedene Menschen das gleiche Ding mit den gleichen Worten nennen und den objektiven Betrachter doch eine Ahnung überkommt, als sähe jeder der Beteiligten das Ding mit anderen Augen an. (Pick 1922)
Pick spielt hier auf die prinzipielle Deutungsoffenheit von Literatur an. Rakous’ Erzählungen widerspiegeln zwar stückweit die Ideologie der tschechisch-jüdischen Bewegung, aber eine zu einseitige Lesart wird der literarischen Qualität der Texte nicht gerecht. Im Unterschied zu seiner Publizistik vor dem Ersten Weltkrieg und einzelnen Erzählungen zeichnen sich die heiteren wie ernsten Erzählungen Rakous’ durch eine „ethische Besonnenheit“
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aus. Sie seien trotz allen Humors nie „leichthin erzählt“, wie Pick am Ende seiner Rezension Rakous’ Verdienst würdigt (ebd.). Zu Saudeks Übersetzungsleistung äußert sich Pick übrigens nicht, was auf die Distanz zwischen beiden in Konkurrenz zueinander stehenden Übersetzern hindeutet.354 Saudeks Übersetzung des Rakous’schen Erzählwerks wie auch sein umfangreiches Vorwort über den tschechisch-jüdischen Autor sind noch in Wien entstanden und lesen sich im Rückblick wie der Versuch, sich für einen Eintritt in die kulturellen Kreise der Hauptstadt des neuen Staates zu empfehlen. Sie standen am Beginn einer kurzen Renaissance der böhmischen und mährischen ‚Dorfjudenliteratur‘ angesichts des immer deutlicher werdenden Ausmaßes des Niedergangs jüdischer Landgemeinden.355 Saudek war sich wie Rakous bewusst, dass die jüdischen Lebenswelten ihrer Kindheit nicht mehr existierten. Ländlich-jüdische Erfahrungen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik wie die der späteren Historikerin Wilma Iggers, geborene Abeles, die sich an die Lektüre der Rakous’schen Erzählungen um Modche und Resi in ihrer Kindheit erinnert, stellten nicht nur ein Randphänomen dar, sondern fanden auch in einem gewandelten sozio-ökonomischen Rahmen statt (Iggers 2002: 19 u. 186; Iggers 2021: 69). Eine Rückkehr zur vermeintlichen ländlichen Idylle in den böhmischen Ländern, die zu den am stärksten industrialisierten Regionen Mitteleuropas zählten, lag Rakous wie Saudek fern. Während Rakous sich mit seinen Erzählungen um und nach 1900 einen Platz in der tschechisch-jüdischen Bewegung und somit in der tschechischen Kultur erschrieb, stellten Saudeks Übersetzungen ins Deutsche in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein deutliches Loyalitätsbekenntnis zu Masaryks Republik dar. Saudek gab mit ihnen und insbesondere mit seinem Vorwort über Rakous seine Vision von Wien als kulturellem Übersetzungszentrum endgültig auf und verschrieb sich zumindest rhetorisch einer konsequenten ‚Entösterreicherung‘. Paradoxerweise war es jedoch gerade die Erstveröffentlichung seiner Übersetzung in der Wiener Morgenzeitung, die Rakous half, ein neues, deutschsprachiges und nicht zuletzt zionistisches Lesepublikum zu erschließen und die deutsche Buchveröffentlichung vorzubereiten. Wien fungierte so zum letzten Mal für Saudek als Drehscheibe seiner Übersetzungstätigkeit, die in Prag zum Erliegen kommen sollte.
354 Zum Konkurrenzverhältnis zwischen Pick und Saudek siehe das Kapitel VIII. von Š. Zbytovský. 355 Zu dieser Renaissance zählen originale literarische und autobiographische Texte wie auch erneut publizierte. Siehe u. a. Lederer (1924); Donath (1926); Ehrmann (1925); Grünfeld (1928).
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XI. Erik A. Saudek – ein „vaterbegabter und erudierter“ Vermittler
1. Die Mehrsprachigkeit im Kindes- und Jugendalter Das erste und einzige Kind von Emil und Elsa Saudek kam am 18. Oktober 1904 zur Welt, der Sohn bekam den Namen Erich Adolf.356 Die dominante Sprache der Familie war das Deutsche – Elsas erste Sprache. Ein Zeugnis von der Sprachsituation in der Familie liefern uns die Worte Machars, die er 1912 an Elsa adressierte: Zdá se mi, že máte nejlepší vůli naučit se česky – ten prostředek je dobrý – budete-li mít českou holku, naučí se i Riki od ní mluvit, čtení a psaní mu půjde již lehčeji. A Vy, milostpaničko, budete do Vánoc jistě plynně mluvit, ne?357 [Es scheint mir, dass Sie den besten Willen haben, Tschechisch zu erlernen – das Mittel ist gut – wenn Sie ein tschechisches Dienstmädchen hätten, lernte auch Riki von ihr zu sprechen, das Lesen und Schreiben wird dann für ihn leichter sein. Und Sie, gnädige Frau, Sie werden bestimmt bis zu Weihnachten fließend Tschechisch sprechen, oder?]
Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs war die Situation offensichtlich bereits eine andere. „Saudek hat einen lieben Jungen, einen Quartaner, der Pokojný dům [Das ruhige Haus] von Svobodová ins Deutsche übersetzt“, berichtete Frána Šrámek Ende Oktober 1918 seiner „Milička“.358 356 WStLA, Matrik der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. „Adolf“ ist wahrscheinlich ein Verweis auf den Namen von Erichs/Eriks Großvater – Abraham/Adolf Saudek. 357 J. S. Machar an Elsa Saudek, adressiert nach Polnička, 25.08.1912, ES; hier ist bereits die Transformation des Geburtsnamen „Erich“ in „Erik“ zu sehen. Vgl. auch Hýsek (1970: 169, 203). – Alle hier zitierten Briefe an O. Fischer, V. Jirát und A. Skoumal wurden von Erik Saudek auf Tschechisch verfasst, das Original wird nur bei längeren Zitaten angeführt, Zitate, die kürzer als ein Satz sind, stehen im Text nur in deutscher Übersetzung. 358 F. Šrámek an M. Hrdličková-Šrámková, 13.10.1918; Šrámek (1956: 191); vgl. auch Hýsek (1970: 169, 203). Die Erzählung von R. Svobodová Pokojný dům [Das ruhige Haus] er-
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Elsa Saudek mit Sohn Erik (ES).
Ab September 1914 besuchte Erik Saudek das Staatsgymnasium in Wien-Döbling, die Einträge in den zugänglichen Jahresberichten (Jahresbericht des k. k. Staatsgymnasiums im XIX. Gemeindebezirke in Wien) belegen seine Anwesenheit im Jahrgang 1918/19. Jan Vrtiš zufolge (2004: 28) drohte er aber, „in Mathematik durchzufallen“, weshalb die Eltern entschieden, dass ihr Sohn auf das private „Freie Lyzeum“ wechseln sollte. Als die Familie 1923 definitiv schien zum ersten Mal im Buch Posvátné jaro [Heiliger Frühling] (1912), 1917 wurde sie als Sonderdruck herausgegeben.
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nach Prag umsiedelte, besuchte Erik keine tschechische Schule, sondern das Deutsche Staats-Realgymnasium in Prag II (mit Sitz in der Stephansgasse). Einige Monate nach seinem Abitur im Juni 1924359 erschien seine Erzählung Dobrák [Eine gute Haut] in Právo lidu, und ungefähr zur gleichen Zeit druckte auch die Wochenschrift Cesta seinen Prosatext Hranice [Die Grenze] ab. Das Blatt wurde von Miroslav Rutte herausgegeben und redigiert, dem Saudek im Juli 1924 eine bemerkenswerte sprachliche Introspektion schickte – seine „Versuche um eine tschechische Prosa“ hielt er für „dürftig“, er war jedoch entschlossen, sein Tschechisch zu verbessern: nepovažujete, jak se zdá, můj případ za beznadějný a že snad přece někdy, dám-li si záležet na tom, své češtině pomohu na nohy. O to mi jde především. Zanechal jsem němčiny, jíž, jak se samo sebou rozumí, dlouholetým cvikem vládnu dokonaleji, a bál jsem se, že mé pokusy o literární češtinu jsou směšné. Nerozhodl jsem se pro češtinu z důvodů voluntaristických, nýbrž zdá se mi, že je mi přese všechnu mou nedokonalost přece jen bližší.360 [allem Anschein nach halten Sie meinen Fall nicht für hoffnungslos, Sie meinen doch, dass ich irgendwann, wenn ich mir viel Mühe gebe, meinem Tschechisch auf die Beine helfe. Darum geht es mir in erster Linie. Ich gab das Deutsche auf, das ich logischerweise dank der langjährigen Übung besser beherrsche, und ich fürchte jetzt, dass meine tschechischen literarischen Versuche lächerlich sind. Ich habe mich für Tschechisch nicht aus voluntaristischen Gründen entschieden, sondern es scheint mir, trotz all meiner Unvollkommenheit, doch näher zu sein.]
2. Kritiker werden Im Frühling 1925 immatrikulierte sich Erik Saudek an der tschechischen Philosophischen Fakultät (laut der Angaben im Hörerverzeichnis war er „ohne Konfession“ und wohnte in der Henner-Straße 506 in Prag-Dejvice, d. h. bei seinen Eltern). Die Auswahl der Vorlesungen offenbart eine zweifache philologische Orientierung: eine bohemistische und eine germanistische. So besuchte der 21-Jährige Vorlesungen von Otokar Fischer, den er höchstwahrscheinlich schon von früher kannte. Einen anderen Freund seines Vaters – 359 Im Hörerverzeichnis der tschechischen Philosophischen Fakultät in Prag für das Sommersemester 1925 wird der 17. Juni als Datum angeführt, an dem er sein Abitur erlangte (A UK); aus diesem Verzeichnis und denjenigen der folgenden Semester stammen die Informationen über den Verlauf von Saudeks Studium. 360 E. A. Saudek an M. Rutte, 27.07.1924, LA PNP, Fonds M. Rutte.
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Miloslav Hýsek – sah er ab Anfang Oktober desselben Jahres regelmäßig. Dem Studium bei diesen beiden Professoren sowie bei Václav Tille widmete er in den folgenden Jahren die meiste Aufmerksamkeit. Im Herbst 1925 stand Erik Saudek schon nachweislich in Kontakt mit jungen Literaten aus dem Devětsil-Umkreis.361 Seine nächsten Schritte in Richtung Publizieren verband er allerdings mit einem anderen Sammelbecken der jungen Generation, und zwar mit der Redaktion der Brünner Revue Host, die zu dieser Zeit von Lev Blatný und Čestmír Jeřábek geleitet wurde. Das erste Mal präsentierte er sich dort im Dezember 1925 mit einer Besprechung von Fischers Heinův Passional [Heines Passional]. Der Artikel kann als Anfang einer bis etwa März 1928 andauernden Periode verstanden werden, in deren Verlauf Saudek sich dank seiner häufigen Kommentare (in Host und auch in anderen Zeitschriften) über kulturelle Ereignisse und künstlerische Fragen als scharfer, sarkastischer Kritiker etablierte.362 Zugleich widmete er sein Schreiben einer gewissen positiv programmatischen (und in den Momenten der Ablehnung und Polemik auch kontrastiven) Verschmelzung diverser Impulse. Hier lässt sich auch ein Zusammenhang zu den visionären Versuchen seines Vaters erkennen, es ist jedoch deutlich, dass Erik eine spitzere Feder führte, die anderen Einflüssen unterlag: Seine Diktion weist ihn als Schüler von Karl Kraus aus, seine Denkweise ist inspiriert von Adolf Loos und Sigmund Freud,363 im Ganzen ist er getrieben vom Sturmwind des 361 Vgl. die Erwähnung der Begegnung mit V. Nezval im Brief an O. Fischer (08.10.1925, LA PNP, Fonds O. Fischer). 362 Für eine konkretere, bzw. komplette Übersicht von Saudeks Betätigung als Kritiker in diesem Zeitraum sowie in den folgenden Jahrzehnten vgl. die Bibliographie zu E. A. Saudek auf der Webseite des Institut pro studium literatury. – Seine Ansichten publizierte Saudek nicht nur, er wurde auch zu öffentlichen Debatten eingeladen. Am 22. März 1927 nahm er z. B. – gemeinsam mit František Götz, A. M. Píša und Pavel Fraenkl – an einer von Kulturní odbor Ústředního svazu československého studentstva [Kulturabteilung des Zentralkomitees der tschechoslowakischen Studentenschaft] veranstalteten Debatte teil, Thema war „der geistige Inhalt der heutigen Generation“, die Moderation hatte Jan Blahoslav Čapek (Anonym 1927a). Am 17. Mai trugen er und Karel Teige (abermals im sog. Blauen Saal des Akademický dům /Akademischen Hauses/) über die „moderne Kultur“ vor (Anonym 1927b). 363 Zur Loos-Rezeption vgl.: „Neboť umění, které by se rodilo ‚suchou cestou‘, bez světového názoru, jež by bylo jen a jen hrou, zvrhlo by se velmi brzy v něco, proti čemu právě duchové Teigova rázu od Loosových dob nejzuřivěji bojovali: v ornament, výraz ne umění, ale uměleckého průmyslu“ [Denn eine Kunst, die auf ‚trockene Weise‘ ohne Weltanschauung geboren würde, die immer nur Spiel bliebe, würde bald in etwas ausarten, was gerade die Persönlichkeiten vom Schlage eines Teige seit Loos‘ Zeiten mit Ingrimm bekämpften: nämlich in ein Ornament, zum Ausdruck nicht der Kunst, sondern der Kunstindu-
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sozialistischen „Revolutionsgedankens, der um den neuen Kanon des neuen Menschen ringt“ (aus dem Essay O smysl doby /Vom Sinn der Zeit/, Saudek 1925/26b: 98). Den komplizierten Modernitäts-Begriff begriff Saudek von seiner „anarchistischen“ Seite her, und versuchte ihn wiedererholt in Relation zu den Ansprüchen der Objektivität, des Absoluten, der konstruktivistischen Klassik und – zugleich – eines optimistischen, zukunftsorientierten und schöpferischen Verhältnisses zur Welt zu formulieren.
3. Übersetzer werden Als Übersetzer machte Erik Saudek noch etwas früher auf sich aufmerksam denn als Kritiker, nämlich im Juli 1924 in der Wiener „jüdischen illustrierten Monatsschrift“ Das Zelt mit einer Übersetzung von Fischers Gedicht Ke kořenům (Wurzelwärts) aus dem Buch Hlasy [Stimmen] von 1923, noch deutlicher dann im September 1925 in der Tageszeitung Prager Presse mit einer Übersetzung von Karel Tomans Gedicht Tuláci (Landstreicher) aus dem Buch Sluneční hodiny [Sonnenuhr] von 1913.364 Ein Blick auf Saudeks weiteres Schaffen lässt erkennen, dass er im Bereich der Lyrik eher sporadisch tätig war: Später übersetzte er aus dem Tschechischen lediglich noch Sovas Gedicht Sen chodcův, jejž choroba poutá k jednomu místu (Traumgang des reglosen Kranken) aus Drsná láska [Herbe Liebe], es erschien im Mai 1926 ebenfalls in der Prager Presse. Übertragungen von Březina, die er Ende 1927 Vojtěch Jirát gegenüber erwähnte,365 sollte er nie publizieren. trie] (Saudek 1926/27b: 230); zum Kontext der Psychoanalyse vgl. etwa Saudek (1926b, 1926/27c) – er interessierte sich v. a. für die sozialen Konsequenzen der Psychoanalyse, etwa für die Arbeiten des Wiener Arztes Alfred Adler. 364 Eine Sonderstellung nimmt Saudeks Übersetzung des „deflationären Lustspiels“ Houpačka von Olga Scheinpflugová ein, das – unter dem Titel Die Schaukel – am 31.10.1934 im Prager Neuen Deutschen Theater in der Regie von Arnold Marlé aufgeführt wurde. Die komplette Übersicht von E. A. Saudeks Übersetzungen (einschließlich der Neueditionen) ist der Bibliographie von E. A. Saudek auf der Webseite des Institut pro studium literatury zu entnehmen; in das Literaturverzeichnis wurden diese Angaben nicht aufgenommen. 365 Er informierte Jirát, dass sein Vater Unamunos Buch Das tragische Lebensgefühl (deutsch 1925) gelesen habe und beschloss seinen kritischen Kommentar zu dem Buch seufzend: „Mein Vater ist ganz wirr davon und freut sich, dass Březina alles, was Unamuno weiß, auch schon wusste“ (E. A. Saudek an V. Jirát, s. d., LA PNP, Fonds V. Jirát). Im Privatnachlass (ES) ist ein Konvolut mit Übersetzungen der Gedichte aus Březinas Ruce (Hände)
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Das Gedicht Čisté jitro (Reiner Morgen) aus Březinas Sammlung Ruce (Hände) in der Übersetzung von Erik A. Saudek (ES).
Saudek bemühte sich zunächst, seine Auffassung der Übersetzertätigkeit in einigen Reflexionen über Spitzenleistungen auf diesem Gebiet zu formulieren, z. B. im erwähnten Kommentar zu Fischers Übersetzung von Heinův Passional (Saudek 1925/26a) oder zum Werk von Jindřich Hořejší (Saudek 1926/27a). Bereits im Frühling 1927 fand er sich jedoch selbst mit in einer großen Übersetzungsaufgabe konfrontiert. Es ist unklar, wann genau er zur Mitarbeit an erhalten, in denen Erik Übersetzungen seines Vaters de facto überschrieb – siehe (die Version des Gedichts Reiner Morgen /Čisté jitro/).
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dem Projekt Spisy J. W. Goetha [Schriften von J. W. Goethe] eingeladen wurde, spätestens im Sommer 1927 finalisierte Saudek jedenfalls seine Übersetzung der Leiden des jungen Werthers.366 Fischer mag mit dem Engagement des kaum 23-jährigen Studenten viel riskiert haben (und einige Passagen in Briefen zwischen Saudek, Fischer und Vojtěch Jirát lassen erahnen, dass nicht immer alles nach Plan verlief), ganz offensichtlich war das Risiko für Fischer jedoch noch erträglich. Saudeks Utrpení mladého Werthera erschien im Herbst 1927 – im dritten Bandes der Spisy J. W. Goetha, der als zweiten Teil Fischers Übersetzungen der frühen Lyrik Goethes Výbor z mladistvé lyriky [Auswahl jugendlicher Lyrik] beinhaltete. Zur gleichen Zeit schrieb sich Saudek an der Philosophischen Fakultät für Vorlesungen über die Geschichte der deutschen und französischen Literatur sowie für Seminarübungen ein. Auf einmal stand er jedoch nicht mehr nur als kritisches Enfant terrible da, sondern auch als Übersetzer eines der kanonischen Werke der deutschen Literatur, oder gar der Weltliteratur.
4. Durchlässige Kreise Im Herbst 1927 wohnte Erik noch immer bei seinen Eltern in der HennerStraße in Dejvice. Neben der Bekanntschaft mit Eva Vrchlická,367 die spätestens Anfang September 1927 seine Partnerin wurde,368 ist die Annäherung von Emil Saudek und Vojtěch Jirát ein weiteres bemerkenswertes Beispiel dafür, wie Eriks Kontakte auch das Leben seiner Eltern beeinflussten. Bereits im Juli 1927 bedankte Saudek sich bei Jirát, dass dieser bei seinen Eltern vorbeigeschaut habe: „Das freut mich, der Alte ist sowieso einsam“.369 In Jirát fand Emil Saudek wahrscheinlich einen nicht zu unterschätzenden Gesinnungsgenossen seiner fortgesetzten literarischen Interessen. Ende August desselben Jahres schrieb er an Jirát: „Ich bin heute schon wieder auf der Spur von Goethe […]. Ihre germanistische Auslegung wäre mir hier sehr 366 E. A. Saudek an O. Fischer, Polnička, 09.07.1927, LA PNP, Fonds O. Fischer. Zur Entstehung der Goethe-Edition (Verlag F. Borový, Reihe Pantheon) vgl. Fischer (1932). 367 Geb. 1888; eine der führenden Schauspielerinnen am Nationaltheater, zu dieser Zeit noch verheiratet mit dem Hotelier Edmund Zavřel, amtlich geschieden wurde sie erst 1930. 368 Anfang September bestellte Saudek Fischer und seiner Familie Grüße von seinen Eltern und von „Frau Eva“ (E. Saudek an O. Fischer, 06.09.1927, LA PNP, Fonds O. Fischer). 369 E. A. Saudek an V. Jirát, 13.07.1927, LA PNP, Fonds V. Jirát.
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willkommen“.370 Daneben erwähnte Erik in einem undatierten Brief an Jirát im Herbst 1927, dass er dessen Brief aus Göttingen, wo dieser zu der Zeit studierte, seinen Vater lesen ließ: „Er ist von Dir dermaßen begeistert, dass er mich enterben und stattdessen jemanden adoptieren will, der Dir ähnelt“.371 Kurz darauf machten Saudek und Jirát sich daran, den Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre zu übersetzen.372 Im Laufe dieser Arbeit, die mit seinen fortlaufenden Studienverpflichtungen einherging, erfuhr Saudek im Juni 1928 in der Časopis pro moderní filologii ein großes Lob von Karel Polák, der Saudeks Übersetzung von Die Leiden des jungen Werthers als Rehabilitierung „dieses sentimentalen Romans“ bezeichnete: Werther poprvé vstupuje do české literatury v podobě, kterou rozbouřil své století, bez pozdějších vložek, v revoluční jadrnosti a svěžesti, kterou E. A. Saudek tlumočil jedinečným způsobem […], jeví se tu vyhraněná osobitost překladatelská a smělost licencí, spojená však vždy s promyšleností a účelností výrazů […], je s tím však zároveň spojen experimentální ráz [překladu] […]. Tento Werther jest dílo živé a vřelé, přímo volající po čtenáři moderním. Saudek oživuje svůj překlad znamenitým konkretizováním a zpředmětňováním mluvy, kořeně jej šťavnatými zostřeninami nebo doplňky Goethových výrazů. (Polák 1928: 293f.) [Werther betritt die tschechische Literatur zum ersten Mal so, wie er seine Epoche in Aufruhr versetzte, ohne spätere Ergänzungen, in einer revolutionären Prägnanz und Frische, die E. A. Saudek auf eine einzigartige Weise übertragen hat /…/, es zeigt sich hier eine ausgeprägte Übersetzerpersönlichkeit und eine Kühnheit der Lizenz, jedoch immer durchdacht und mit Zweck /…/, hiermit geht allerdings auch ein gewisser experimenteller Charakter /der Übersetzung/ einher /…/. Dieser Werther ist ein lebendiges und warmherziges Werk, es lechzt geradezu nach einem modernen Leser. Saudek belebt seine Übersetzung mit einer ausgezeichneten Konkretisierung und Vergegenständlichung der Sprache, er würzt sie mit saftigen Zuspitzungen oder Ergänzungen von Goethes Ausdrücken.]
Parallel zur Arbeit an dem Roman über Wilhelm Meister beschäftigte Saudek sich spätestens im Sommer 1928 auch mit der Übersetzung der Wahlverwandtschaften. Ende Juli vermeldete er Fischer aus Polnička, dass er „wie ein Sklave 370 Emil Saudek an V. Jirát, 27.08.1927, ebd. 371 E. A. Saudek an V. Jirát, s. d., ebd. 372 Im Februar 1928 schrieb Saudek an Jirát, dass er einen weiteren Teil der Übersetzung abschließe, und fügte hinzu: „Co se týče tvé rady, abych to dělal lajdáčtěji, jen aby to už bylo atd.: to prostě nejde a já ani nevím, je-li to tak dost pečlivě uděláno. Doufám, že to spolu ještě spravíme v korektuře. / Stonal jsem 4 dny (chřipka), zdržel jsem se a Fischer už asi soptí, že neodvádím povinné penzum“ [Was deinen Ratschlag betrifft, ich möge ein wenig schlampen, so dass es schneller fertig werde usw.: es geht halt nicht und ich weiß nicht einmal, ob es jetzt gut genug ist. Ich hoffe, wir können es bei der Korrektur noch aufbessern. / Ich war 4 Tage krank (Grippe) und bin im Verzug und Fischer schnaubt wohl schon vor Wut, dass ich das Pflichtpensum nicht erfülle] (E. S. Saudek an V. Jirát, 21.02.1928, ebd.).
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schufte“ und versprach, dass er bis Mitte August mit der „groben“ Übersetzung „bombensicher“ fertig sein werde: Je to někdy po čertech obtížné, nejenom svou realistickou stylizovaností, nýbrž i čiře technickými požadavky. Podařilo se mně, tuším, zachovat civilní titul „Spříznění“, aniž jsem se dostal do konfliktu s chemicko-symbolickými výklady v textu. […] Co je však nejhlavnějšího: jsem do té knihy tak zamilován, že zanedbávám dokonce W. Meistera! a to je co říc! Nikdy jsem nečetl tak sladce moudré a mužně dojemné, tak stylizované a přitom tak bezohledně realistické knihy.373 Es ist manchmal verdammt schwer, nicht nur wegen seines realistischen Stils, sondern auch wegen der rein technischen Ansprüche. Ich glaube, es ist mir gelungen, den zivilen Titel „Spříznění“ /Verwandtschaften/ zu behalten, ohne mit chemisch-symbolischen Auslegungen des Textes in Konflikt zu geraten. /…/ Was aber am wichtigsten ist: Ich bin in das Buch so verliebt, dass ich sogar den W. Meister vernachlässige und das ist schon was! Ich habe noch nie ein so süß-weises, männlich-rührendes, stilisiertes und zugleich rücksichtslos realistisches Buch gelesen.
Der Abschluss der beiden Goethe-Übersetzungen zog sich auch deswegen, da Erik Saudek zu dieser Zeit seinen Militärdienst leisten musste.374 Einen weiteren Vorstoß Saudeks ins Bewusstsein der kulturellen Öffentlichkeit markiert der Spätfrühling 1929. Ende Mai debütierte Saudek als Theaterregisseur, als im Saal der Legie malých [Legion der Kleinen] in Prag-Holešovice zum ersten Mal seine Inszenierung von Goethes Urfaust in Fischers Übersetzung zur Aufführung kam. Im Juli desselben Jahres erschien dann die gemeinsam mit Jirát vorgenommene Übersetzung von Wilhelm Meisters Lehrjahre (vgl. Polák 1929; ders. 1931). Im Herbst 1929 schrieb sich Saudek wiederum für Vorlesungen an der Universität ein und setzte sein Studium auch im Frühling und Sommer 1930 fort. Vermutlich kehrte er in diesem Zeitraum auch zur Übersetzung von Goethes Wahlverwandtschaften und des Dramas Torquato Tasso zurück, daneben arbeitete er wahrscheinlich an der Übersetzung des Romans The Bridge of San Luis Rey (Die Brücke von San Luis Rey, Melantrich, Oktober 1930) von Thornton Wilder. Miloš Hlávka vermutete in seiner Rezension ganz richtig, dass es sich um Saudeks erste Übersetzung aus dem Englischen handelte, zugleich konstatierte er, dass sich der Text „wie original tschechische Prosa liest, mit feinem Gespür für den Sprachrhythmus und peinlicher Sorgfalt für jedes Adjektiv“ (Hlávka 1930). Aloys Skoumal zufolge ‚beeinträchtigte‘ die Übersetzung das Original in „keiner Hinsicht, sie 373 E. A. Saudek an O. Fischer, 27.07.1928, LA PNP, Fonds O. Fischer. 374 Im September 1928 wurde das Stück Ollapotrida von Alexander Lernet-Holenia im Ständetheater uraufgeführt, Regie: Viktor Šulc, Bildausstattung: František Muzika und Übersetzung: E. A. Saudek, in einer der Hauptrollen war Eva Vrchlická zu sehen.
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Erik A. Saudek, wahrscheinlich in den 1930er Jahren (ES).
konnte im Gegenteil die ansteckende Anmut des Originals bewahren“ (Skoumal 1930/31). Trotz der großen Resonanz, die seine Arbeit inzwischen erfuhr, war Erik Saudek im Herbst 1930 und im Frühjahr/Sommer 1931 noch immer Student und bewegte sich auch in universitären Kreisen. Im Februar 1931 brachte Jan Reimoser seine Übersetzung von Kleists Marionettenaufsatz heraus,375 außerdem wirkte Saudek an Volkenštejns Theateradaptation von Kiplings Dschungelbuchs (Kniha džunglí) für die Legie malých [Legion der Kleinen] mit, das im Mai 1931 unter dem Titel Mauglí urraufgeführt wurde.376 Sein Studium an der Universität schloss er im Wintersemester 1931/32 ab, ob er einen Abschluss erzielte, ist nicht dokumentiert.
375 Jan Reimoser (1904–1979, bekannt auch unter dem Pseudonym Jan Rey) profilierte sich bereits während der 1930er Jahre als Tanztheoretiker, er war mit Eva Vrchlickás gleichnamiger Tochter verheiratet, die von 1930 bis 1939 im Ballettensemble des Nationaltheaters wirkte. 376 Siehe (23.09.2021).
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5. Shakespeare Ende 1931 erschien in der erwähnten Werkausgabe Goethes der Band Dramata [Dramen], der auch Saudeks Übersetzung des Torquato Tasso enthielt. In einem Brief, in dem Saudek Skoumal zu einem Besuch in seiner neuen Wohnung – in der Srbská-Straße 3 in Dejvice – einlud, informierte er ihn auch, dass er dem Nationaltheater versprochen habe, „den apokryphen Shakespeare The London Prodigal zu adaptieren“: Znáš to? Není to nic valného, ale v Berlíně to mělo úspěch a to na pražskou dramaturgii stačí. A já, prase, jsem neodolal možnosti zavděčit se pražské Thálii a slíbil jsem, že to udělám.377 [Kennst du es? Es ist nichts Besonderes, aber in Berlin hatte es Erfolg und für die Prager Dramaturgie reicht es. Und ich Schwein konnte der Versuchung nicht widerstehen, der Prager Thalia einen Gefallen zu tun und zu versprechen, dass ich es machte.]
Im Februar 1932 bilanzierte Otokar Fischer in Lidové noviny den bisherigen Stand der Goethe-Werkausgabe, wobei er Erik Saudek folgendermaßen charakterisierte: „Ein geborener Übersetzer, prädestiniert für die tschechischdeutsche Vermittlung, ein vaterbegabter und erudierter Übersetzer“ (Fischer 1932). Zur gleichen Zeit erschien der dritte Band der Reihe Spříznění volbou a jiné prosy [Die Wahlverwandschaften und andere Prosa] in den Buchhandlungen, mit dem titelgebenden Roman in Saudeks Übersetzung (vgl. Eisner 1932; Polák 1932). Spätestens im Sommer 1932 beendete Saudek sein Studium und musste sich nun definitiv dem Problem widmen, wie er seinen Unterhalt verdienen und seine berufliche Stellung festigen wollte. Ein Brief an Aloys Skoumal vom November 1932 illustriert seine Lage. Saudek übermittelte darin seine neue Wohnadresse (Bubeneč, Sadová-Straße 648), doch dominiert wird das Schreiben von einem Gefühl der Beklommenheit, er erwähnt Krankheit und Lethargie genauso wie den Druck durch diverse Übersetzungsverpflichtungen.378 Ende November 1932 erschien unter dem Titel Náhoda (dt. Spiel des Zufalls) die Übersetzung von Joseph Conrads Roman Chance, die er gemeinsam mit René Wellek vorgenommen hatte. Einige Monate darauf (im Februar 1933) wurde im Nationaltheater die Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenaufgang (Před západem slunce) in Saudeks Übersetzung aufgeführt, Anfang Mai außerdem die von ihm übertragene Komödie Die Marquise 377 E. A. Saudek an A. Skoumal, 04.12.1931, LA PNP, Fonds A. Skoumal. 378 E. A. Saudek an A. Skoumal, 07.11.1932, ebd.
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von O. von Ferdinand Bruckner im Stadttheater in den Weinbergen [Městské divadlo na Vinohradech]. 1933 begann Saudek ferner, deutsche und englische Lyrik für die Zeitschrift Listy pro umění a kritiku (und später auch für Rozhledy po literatuře a umění) zu übersetzen, darunter auch einige Shakespeares-Sonette. Im Sommer 1934 arbeitete er in Polnička an der Übersetzung („relativ kompliziert und langweilig“) von Maxwell Andersons Mary of Scotland,379 im Verlauf desselben Jahres erschienen zwei weitere Übersetzungen in Buchform, zum einen Conrads Abenteuerroman The Arrow of Gold (Zlatý šíp), zum anderen im Melantrich-Verlag Kellers Erzählband Die Leute von Seldwyla (Lidé seldwylští). Nichtsdestotrotz richtete er im März 1935 einen Brief an Skoumal, aus dem hervorgeht, dass er sich nicht länger nur auf das Übersetzen beschränken konnte: Er hatte eine Buchhalterstelle bei der Báňská a hutní společnost [Bergbau- und Hüttengesellschaft] gefunden, die ihn allerdings zwang, „von acht bis vier ununterbrochen“ zu ‚hocken‘, die Arbeit gehe ihm schwer von der Hand. Inzwischen tat sich am Horizont allerdings ein Shakespeare-Projekt auf: Jsem asi přece jen slaboch. / Teď překládám pro Vinohrady Kleistova Prince Homburského. Je to překrásný kus, snad nejkrásnější a nejoriginálnější (mimo Penthesileu), který německá literatura vůbec má. Je pln – abych tak řekl – formálních vynálezů. – Ale nicméně to mám za bláhovost, že jej chtějí hrát – po sobotě v Německu. – Abych to – deo volente – aspoň s desítidenním zpožděním dodělal, musím předstírati, že mám chřipku a nechodit do amtu. Ani nevíš, jak se stydím. / A v téhle mele a beznaději se dovídám, že mi asi přece dají Caesara. Kdy ho udělám? A to, co jsem dosud přeložil, se mi tolik líbí!380 [Ich bin vielleicht einfach ein Schwächling. / Im Moment übersetze ich Kleists Prinz Friedrich von Homburg für die Weinberge. Es ist ein herrliches Stück, wohl das schönste und originellste (außer Penthesilea), das die deutsche Literatur überhaupt hat. Es ist voller – sozusagen – formaler Erfindungen. – Ich halte es aber trotzdem für töricht, dass sie es spielen wollen – nach dem Samstag in Deutschland. Um es – deo volente – zumindest mit zehntägigem Verzug abschließen zu können, muss ich vortäuschen, dass ich Grippe habe, und darf nicht aufs Amt gehen. Du ahnst nicht, wie ich mich schäme. / Und in diesem Chaos und in dieser Verzweiflung erfahre ich, dass man mich doch noch mit dem Caesar betraut. Wann werde ich Zeit dafür finden? Und das, was ich bisher übersetzt habe, gefällt mir so sehr!]
Am 17. November 1935 wurde im Rahmen des Rundfunk-Zyklus Postavy světového písemnictví [Die Persönlichkeiten der Weltliteratur] eine Kostprobe aus Saudeks Übersetzung von Shakespeares Julius Caesar gesendet, mit einer Ein-
379 E. A. Saudek an A. Skoumal, 03.08.1934, ebd.; die Inszenierung von Marie Skotská wurde am 30.10.1935 im Nationaltheater aufgeführt. 380 E. A. Saudek an A. Skoumal, 21.03.1935, ebd.
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führung von O. Fischer.381 Die Inszenierung von Jiří Frejka hatte im März 1936 Premiere im Nationaltheater.382 Bei dieser Gelegenheit berichtete die Tagespresse über die Pläne des Verlags F. Borový, Shakespeares Dramen in tschechischer Neuübersetzung herauszugeben. Beginnen sollte das Projekt im Rahmen der Editionsreihe Pantheon mit Julius Caesar, und wie bereits bei Goethes Schriften sollte Fischer für die Qualität bürgen. Die Buchausgabe und zugleich die Theateraufführung des Stücks versprach Saudek glänzende Aussichten für die kommenden Jahre, zumal seine Leistungen insgesamt positiv aufgenommen wurden, Eduard Bass äußerte sich sogar mit Begeisterung: Literární měkkost Sládkova ustoupila slovu zvučnému, přesnému, petardovitě vybuchujícímu. Je to řeč básnická a jevištní, ale je to řeč, která prošla zkušenostmi politického rétorství, poučila se demagogií, ví, kterak udeřit v akordy citu, kterak chrlit žalobu, jak našeptávat úklad a jak změnit slovo v zápalnou smolnici. Řeč mužná, pevná, jadrná, přitom stále poetická a znamenitě srozumitelná. Toť věc a zásluha první a základní, protože na desítky let. / Pak Frejka s Tröstrem: divadlo mocné, vznešené a nové. Prvky expresionismu se ustalují v monumentalitu.383 [Die literarische Weichlichkeit von Sládek ist einem Wort gewichen, das Klang hat, genau ist und wie ein Feuerwerk explodiert. Es ist die Sprache der Poesie und der Bühne, aber auch eine Sprache, die durch die Schule der politischen Rhetorik gegangen ist, die etwas von der Demagogie weiß, eine Sprache, die es vermag, die Akkorde der Gefühle anzuspielen, Wut zu speien, Intrigen anzuzetteln und sich in eine Zündfackel zu verwandeln. Diese Sprache ist männlich, fest, kernig, dabei bleibt sie immer poetisch und wunderbar verständlich. Das ist das erste und grundlegende Verdienst, denn es währt Jahrzehnte. / Dann Frejka und Tröster: ein mächtiges, edles und neues Theater. Die expressionistischen Elemente verfestigen sich zur Monumentalität.]
Im November 1936 erschien die von Erik Saudek geleitete „Fachzweiwochenschrift für Theater, Musik, Film, Tanz und Rundfunk“ Komedie zum ersten Mal.384 Für die zweite (und letzte) Ausgabe vom ersten Dezember übersetzte er einen Auszug aus Lessings Hamburgischer Dramaturgie (Hamburská dramaturgie) und einen Essay von Sinclair Lewis über die „Dramatisierungskunst“, 381 Ende 1935 konnte bei Rudolf Škeřík noch Saudeks Übersetzung von Lawrences The Man Who Died (Ten, který zemřel) erscheinen, das Vorwort dazu schrieb René Wellek. 382 Nur einige Wochen früher, am 20.03.1936, wurde auch das Stück Zářivá chvíle (Shining Hour) von Keith Winter aufgeführt (Ständetheater, übersetzt von E. A. Saudek); im gleichen Jahr erschien außerdem die tschechische Übersetzung des Buchs Adolf Hitler von Konrad Heiden (F. Borový; übersetzt von E. A. Saudek, Z. Smetáček und F. Šelepa). 383 Bass (1936); vgl. auch Eisner (1936) und den umfangreichen Kommentar von T. Vodička (1936). 384 Die Autoren des Eintrags zu E. A. Saudek in Lexikon české literatury [Lexikon tschechischer Literatur] erwähnen, dass Saudek 1936 Dramaturg im Osvobozené divadlo [Das befreite Theater] war (Zizler/Pelikánová 2008: 37).
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außerdem veröffentlichte er einige Theaterkritiken. Am grundlegendsten äußerte sich Saudek zur Problematik des Theaters aber gleich in einem programmatischen Text, der die erste Ausgabe einleitete. Darin legte er eine anthropologische (wörtlich „psychobiologische“), von Freuds Psychoanalyse inspirierte Interpretation der Komödie als „soziale Pflicht“ vor – ihm zufolge sollte dem Menschen eine Methode sein, die Unsicherheit der Existenz auf mutige und zugleich kollektive Weise zu bewältigen (Saudek 1936: 2). Es bleibt unklar, ob Saudeks zentrale Rolle in der Shakespeare-Edition seine Situation so stark verbesserte, dass er auf die Buchhalterstelle hätte verzichten können, zweifellos aber brachte ihm das Engagement eine bessere Stellung in der Prager Kultur- und Kunstszene. Im Mai 1937 sprach Saudek einleitende Worte vor dem Auftritt der Ballettgruppe von Saša Machov, im Juni nahm er an der Gründung der Sektion des wissenschaftlichen Übersetzens unter der Schirmherrschaft des Klub překladatelů [Klub der Übersetzer] teil, neben Vorträgen von Roman Jakobson und Skoumal war auch ein Vortrag Saudeks über seine Shakespeare-Übersetzungen angekündigt. Am 13. Oktober wurde die Inszenierung von Shakespeares Twelfth Night, or What You Will (Reg. František Salzer, Večer tříkrálový / Was ihr wollt/) im Theater in den Weinbergen aufgeführt. Zu der Zeit rang Saudek als Übersetzer bereits mit dem nächsten Shakespeare-Stück – nämlich mit der Komödie A Midsummer Night’s Dream (Ein Sommernachtstraum); an Skoumal schrieb er u. a.: Já dobře vím, že překlad básnického díla je contradictio in adjecto, ale tak nemožné aspoň načarovat, aspoň nasimulovat trochu jednoty a stylu se mi dosud ještě nezdálo nikdy […]; co mně se zdá nenapodobitelné, to je bohatství rejstříků a témat, bezstarostně střídaných a proplétaných, a přece epigramaticky sevřených do ironické jednoty, která ani na okamžik nedá zapomenout, že jde o parodii na „nejsvětější“ city člověka (jaksi o parodii na Romea); ovšem, kdybych si to zas uvědomoval příliš simpliciter, čouhala by překladu z bot sláma mělké satiry; tak se potácím mezi Skyllou a Charybdou, a Shakespeare, povždy nenucený, dvojpólový, a přece jeden, mým překladem bude leda karikován […].385 [Ich weiß sehr gut, dass die Übersetzung eines Dichterwerks eine Contradictio in adjecto ist, aber es schien mir noch nie so unmöglich, wenigstens ein bisschen Einheit und Stil hervorzuzaubern /…/; nicht nachahmbar erscheint mir der Reichtum an Registern und Themen, die einander sorglos ablösen, die sich verflechten, und trotzdem epigrammatisch lapidar, in einer ironischen Einheit bleiben, die dir keinen Augenblick erlauben zu vergessen, dass es sich um eine Parodie der „heiligsten“ Menschengefühle handelt (eine Art Parodie auf Romeo); aber, wenn ich es wieder allzu simpliciter realisierte, würde das Stroh einer seichten Satire aus der Übersetzung hervorlugen; so taumele ich zwischen der Skylla und Charybdis, und Shakespeare, für immer ungezwungen, doppelpolig, und dennoch eins, wird durch meine Übersetzung höchstens karikiert /…/.] 385 E. A. Saudek an A. Skoumal, 21.10.1937, LA PNP, Fonds A. Skoumal.
XI. Erik A. Saudek – ein „vaterbegabter und erudierter“ Vermittler
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Als Buch erschien Saudeks Übersetzung von A Midsummer Night’s Dream beim Verlag Evropský literární klub (ELK) Ende Mai oder Anfang Juni 1938 (vgl. Albrecht 1937/38; Polák 1938; Eisner 1938a), nicht lange, nachdem er für eine Veranstaltung im Gedenken an Otokar Fischer, organisiert vom Kruh překladatelů [Kreis der Übersetzer] und dem ELK, ein Rezitationsprogramm aus dessen Werken zusammengestellt hatte (Hauptredner des Abends war Paul Eisner). In der zweiten Junihälfte wurde Saudeks Romeo und Julia-Übersetzung inszeniert, das Ensemble des Nationaltheaters zeigte unter der Regie von J. Frejka im Garten des Waldsteinpalastes. „Lieber Aloys, letzte Woche sind wir Snow White [d. h. Shakespeares The Tragedy of Cymbeline] glücklich losgeworden und sind sofort hierhergekommen“, schrieb Saudek Mitte August 1938 aus Pelles an Skoumal und fuhr fort: „Ich sollte arbeiten, aber es geht jetzt irgendwie nicht; ich habe schon Angst, wie alles ausgeht, aber ich hoffe auf Gott, der die Faulenzer nicht verlässt“.386 Ende 1938 machte Saudek noch mit Übersetzungen aus der deutschen und englischen Lyrik für Kritický měsíčník auf sich aufmerksam; einen Teil der Übersetzungen konnte er später in der Sammlung Růže ran [Wundenrosen] verwenden. Als Buch erschien zur gleichen Zeit Saudeks Übersetzung von Twelfth Night (Večer tříkrálový), durchgesehen und mit einem Nachwort versehen von Vilém Mathesius (vgl. Eisner 1938b). Anfang 1939 zogen Erik Saudek und Eva Vrchlická abermals um – in die Nad Mlynářkou-Straße beim Klamovka-Park; „wir haben noch kein Telephon“, schrieb Saudek an Jirát, „erst am Sonnabend habe ich den Guitry [gemeint ist Material zur Synchronisierung des Films Remontons les Champs-Élysées (Historky Elysejských polí von Sacha Guitry)] glücklich abgeschlossen und es liegt auf der Hand, dass ich nun mit den Den lustigen Weibern von Windsor im Verzug bin; Stejskal ist nah am Selbstmord, sonst aber zufrieden und kann noch eine Woche warten; ich werde es schon irgendwie durchziehen“.387 Veselé ženy windsorské (The Merry Wives of Windsor /Die lustigen Weiber von Windsor/) wurden am 22. Februar im Stadttheater in den Weinbergen aufgeführt (unter der Regie von Bohuš Stejskal, vgl. Píša 1939a).
386 E. A. Saudek an A. Skoumal, 13.08.1938, ebd. 387 E. A. Saudek an V. Jirát, 17.01.1939, LA PNP, Fonds V. Jirát.
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6. Im Schatten oder: „Protektorat“ Im Protektorat wurde es um Erik Saudek nicht ganz still, seine öffentlichen Auftritte wurden jedoch selten. So wurde Saudek neben Fischer und Eisner etwa im Text von Oldřich Králík mit dem Titel Poučení z překladů [Die Belehrung aus Übersetzungen], der im Dezember 1939 in der katholischen Revue Akord erschien, als „jüdischer Vermittler“ erwähnt. Allen dreien schrieb Králík, wenn auch im unterschiedlichen Maße, einen „Hang zur Psychologisierung“ und „subjektiver Zersplitterung des Originaltextes“ zu (Králík 1939/40: 109), womit er einer hyperessentialistische Auffassung folgte: „Je to už asi v povaze židovské, lépe řečeno židovského ducha, že všechno uvádí ve vztah k subjektu a ještě se opájí barvotiskovým, silně porušeným estetismem“ [Es liegt wohl schon im Wesen des Jüdischen, besser gesagt des jüdischen Geistes, dass er alles auf das Subjekt bezieht und sich noch an einem bunten, stark gestörten Ästhetizismus berauscht] (ebd.: 108). Grundlegende Informationen über Saudeks Leben zwischen 1939 und 1945 liefert ein Rückblick Skoumals. Er evozierte darin den erzwungenen Verbleib des Freundes in Prag, seine ständigen Umzüge, seinen Beitrag für die Unterstützung derjeniger, die in den Transporten endeten, seine erzieherische Tätigkeit im „Kinderheim in der Spálená-Straße“: Když mu pak v blahém předsmrtném oblouzení odešel na věčnost otec Emil Saudek, vypravil do transportu matku smířen s tím, že brzy půjde za ní. V mezní situaci člověka doslova stojícího na samém pokraji života a smrti pracoval neúmorně, přímo vášnivě na překladech. (Skoumal /1965/ 2016: 129f.) [Als dann der Vater Emil Saudek in seliger Umnachtung verstarb, begleitete er /d. h. Erik/ seine Mutter zum Transport, und hatte sich damit abgefunden, dass er selbst ihr bald folgen würde. In der Grenzsituation eines Menschen, der wortwörtlich zwischen Leben und Tod stand, arbeitete er unermüdlich, ja sogar leidenschaftlich an seinen Übersetzungen.]
Diese Übersetzungen durfte er jedoch nicht signieren, offiziell firmierten sie unter anderen Namen. Bereits im August 1939 kam im Garten des Waldstein-Palastes die Inszenierung von Večer tříkrálový zur Aufführung (vgl. Píša 1939b), im Dezember 1939 brachte das Stadttheater in den Weinbergen eine neue Aufführung von Shakespeares Zkrocení zlé ženy (Der Widerspenstigen Zähmung) auf die Bühne, die ebenfalls auf Saudeks Übersetzung beruhte (Regie: F. Salzer). Edmond Konrád konstatierte in seiner Besprechung jedoch: „Das Vinohrady-Theater wählte für die neue Aufführung eine neue, sehr sprachgewandte und geschmeidige Übersetzung. Ihr Autor ist Alois Skoumal“ (Konrád 1939). Im Februar 1941 informierte Jan Drda in Lidové noviny darüber,
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dass Skoumal die Neuübersetzung von Hamlet für das Stadttheater in den Weinbergen abgeschlossen habe (Drda 1941a), der Text erschien im selben Jahr im Verlag Fr. Borový. Dass es sich um Saudeks Arbeit handelte, war im engsten Umkreis – „im Theater und um das Theater herum“ bekannt (aufgeführt wurde die Inszenierung am 22. März 1941 unter Regie von B. Stejskal). Dennoch bemühte sich Skoumal bald nach dem Krieg um eine „Rektifikation“ und betonte, dass ihm „der Hamlet-Ruhm nicht gebühre“ (Skoumal 1945).388 Im Herbst 1941 erschien eine Auswahl deutscher Barocklyrik mit dem Titel Růže ran (/Wundenrosen/ Melantrich, 1941), für die „Karel Brož“ als Übersetzer zeichnete (Nachwort von Vojtěch Jirát). Skoumal zufolge finden sich in der Auswahl „Schreie aus der Tiefe, die Verfluchung des Kriegs und Urteile über die Gewalttäter“ (1965/2016: 130). Die Tatsache, dass sie bald nach dem Tod von Eriks Vater erschien, und die generelle Fragilität alles Menschlichen zu dieser Zeit erlaubt es, sie auch durch einen melancholischen Code wahrzunehmen. Es handelte sich in jedem Fall um ein erstrangiges literarisches Ereignis (vgl. Bojar 1941/42; Heyduk 1941; Tichý 1941; Dvořák 1942/43), das Buch wurde – in erweiterter Version – zwei Jahre später neu aufgelegt (vgl. Černý 1943). Erik Saudek überlebte – im Gegensatz zu seinen Eltern – den Krieg, um später zu einem prominenten Vertreter der kulturpolitischen Öffentlichkeit innerhalb der neuen „revolutionären“ Ordnung zu werden (vgl. Bejblík 1963/64; Pokorný 1963; Skoumal 1963; Stříbrný 1964).
388 Unter Saudeks Namen erschien die Übersetzung 1949 im Verlag Umění lidu, ein Jahr darauf noch einmal. – Wie aus einer Erinnerung Skoumals hervorgeht, gehörte František Halas zu denjenigen – neben Jirát und Božena Wirthová – die Erik Saudek und Eva Vrchlická auch während des Kriegs weiterhin besuchten; Skoumal erinnert sich außerdem an Krankenbesuche Saudeks bei Jindřich Hořejší und Vilém Mathesius (Skoumal 2016: 132).
Emil Saudek. Chronologie 14.09.1876
Geboren in Iglau in eine jüdische Familie, Kindheit im Dorf Pelles (Polnička) auf der böhmischen Seite des böhmisch-mährischen Hochlandes. Vater: Abraham/Adolf Saudek 1830–1902, Mutter: Anna Saudek (geb. Lustig) 1840–1927; Geschwister: Karel/Karl Saudek 1863–1930, Theresia/Rosa/Růžena Saudek (verh. Schwarzkopf) 1873–1933 09.07.1895 Abitur am deutschen Gymnasium in Iglau Oktober 1895 Immatrikulation an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Wiener Universität 06.12.1896 Aufnahme der Tätigkeit bei der Anglo-Österreichischen Bank in Wien Oktober 1897 Beginn des einjährigen freiwilligen Militärdiensts, zuerst beim Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 in Wien, ab Februar beim Infanterie-Regiment Nr. 81 in Iglau Oktober 1899 Fortsetzung des Hochschulstudiums 11.07.1902 Promotion zum Doktor in Jura 19.09.1903 Erster Brief an den Dichter Otokar Březina 27.12.1903 Eheschließung mit Elsa Groag (geb. 28. 10. 1879) in Linz 14.10.1904 Geburt des Sohns Erik (Erich) Adolf Saudek Frühjahr 1905 Beginn der Freundschaft mit dem Dichter J. S. Machar 06.11.1905 Saudeks erster Aufsatz (Bericht über einen Besuch bei Březina) erscheint in der Wochenschrift Přehled Erster öffentlicher Vortrag im Pokrokový klub [Fort20.10.1906 schrittlicher Klub] über J. S. Machar, weitere Vorträge über Březina und Machar im darauffolgenden Frühjahr; Bekanntschaft mit Miloslav Hýsek und einigen Wiener Slawisten Im Aprilheft der Prager Monatsschrift Čechische Re1907 vue erscheinen die ersten Übersetzungen von BřezinaGedichten, ab Oktober wird hier Machars Buch Rom (Řím) in Fortsetzung veröffentlicht Beginn der Zusammenarbeit mit dem Tagblatt Vídeňský Februar 1908 deník; Beginn der Bekanntschaft mit Tomáš G. Masaryk
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Oktober 1908 Im Wiener Moriz Frisch Verlag erscheint die Übersetzung der Sammlung Ruce (Hände) von Otokar Březina mit Graphiken von František Bílek, in der Folge knüpft Saudek viele literarische Kontakte, u. a. zu Stefan Zweig, Hermann Bahr, Ferdinand Gregori, Richard Dehmel; Publikation erster eigener Gedichte (Vídeňský národní kalendář) Zusammenarbeit mit den Prager Zeitschriften Union und 1909 Novina Juni 1909 Ein kurzer Besuch in Prag, anschließend Beginn des Briefwechsels mit der Schriftstellerin Růžena Svobodová 1910 Im Frühjahr lernt Saudek im Café Central den jungen Schriftsteller und Journalisten Ivan Olbracht kennen und beginnt im Wiener sozialdemokratischen Tagblatt Dělnické listy zu publizieren, darunter auch eigene Gedichte und Kurzgeschichten in der Beilage Besídka Dělnických listů; er schließt Freundschaft mit Hugo Sonnenschein; im März vermittelt er den Besuch Stefan Zweigs bei Růžena Svobodová und F. X. Svoboda in Prag; die Eheleute Machar und Saudek treffen sich regelmäßig im Atelier von Arnošt Mandler, zudem nehmen Emil und Elsa Saudek an Treffen in der Wohnung von J. Doležal teil; Arbeit an der Übersetzung der Kurzgeschichten Černí myslivci [Schwarze Jäger] von R. Svobodová, es gelingt nicht, einen Verleger zu finden; ab November publiziert Saudek Übersetzungen und Aufsätze im Slavischen Tagblatt in Wien 25.03.1911 Vortrag Cena lidské existence in der tschechischen Sektion des Freidenkerbundes (Volná myšlenka) in Wien, dort spricht Saudek über die Schrift Das Individuum und die Bewertung menschlicher Existenzen von Josef Popper-Lynkeus; im Aufsatz Jeden z úkolů českého inteligenta ve Vídni [Eine der Aufgaben des tschechischen Intellektuellen in Wien] formuliert er sein Vermittlungskonzept von Wien als „Brücke nach Europa“ 03.05.1912 Vortrag O poesii Otokara Březiny [Über die Poesie O.B.s] im Akademický spolek ve Vídni [Akademischer Verein in Wien] September 1912 Saudek gibt die Broschüre Dichter Machar und Professor Masaryk im Kampfe gegen den Klerikalismus im Anzengruber-Verlag heraus
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26.11.1912
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rchlický-Abend im Beethovensaal, veranstaltet vom V Deutsch-czechischen Komitee, dessen Mitglied Saudek wird; lernt bei dieser Gelegenheit Otokar Fischer kennen, mit dem er im freundschaftlichen Briefkontakt bleibt Zusammenarbeit mit Otto Pick und dem Kurt Wolff 1913 Verlag, es entsteht der Plan, die gesammelten Werke von O. Březina sowie einen zweibändigen Almanach Aus dem modernsten Böhmen herauszugeben Februar 1914 Besuch in Prag, wohnt bei O. Pick 1915 Im Augustheft der Weißen Blätter erscheint die Übersetzung von Březinas Essays Die Gegenwart (Přítomnost), im Wiener Tagblatt Abend erscheint der Aufsatz Johann Huss (Jan Hus); Übersetzung von Březinas Gedichts Meine Mutter (Moje matka) im Österreichischen Almanach auf das Jahr 1916, der von Hugo von Hofmannsthal redigiert wurde 1916 Im Januar Beendigung der Zusammenarbeit mit Dělnické listy, Saudeks weitere Publikationen erscheinen vor allem in den Vídeňské listy; Übersetzungen von Gedichten Březinas und O. Fischers erscheinen in der Aktion 1918 Saudek unterstützt die Gründung der Tschechoslowakischen Republik, im Kalendář česko-židovský erscheint sein programmatisches Essay/Pamphlet Naše poslání [Unsere Sendung], in dem er die jüdische Bevölkerung der böhmischen Länder aufruft, die tschechoslowakische Staatsidee zu unterstützen; in Wien trifft er sich mit Franz Werfel, Egon Erwin Kisch, Fráňa Šrámek u. a. 1919 Publikation von Březina-Essays in der Zeitschrift Der Daimon sowie in Der Neue Daimon und Genius; übersetzt Kurzgeschichten von Vojtěch Rakous für die Wiener Morgenzeitung (auch 1920) 1920 Im Kurt Wolff Verlag erscheint der Gedichtband Die Winde von Mittag nach Mitternacht (Větry od pólů), den Saudek unter Mitarbeit von Franz Werfel übersetzt hat; ab Mai Zusammenarbeit mit der Wochenschrift Vídeňské listy 1922 Im Prager Tribuna-Verlag erscheinen Die Geschichten von Modche und Resi und anderen lieben Leuten (2 Bde.) und An der Wegscheide von Vojtěch Rakous; nach längeren Verzögerungen wird auch die Schrift Das neue Europa (Nová Evropa) von T. G. Masaryk veröffentlicht; beim Ed. Strache
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Verlag in Wien erscheint die zweite Auflage von Machars Rom Juli 1922 Saudek zieht nach Prag und wird Prokurist bei der Anglo-Tschechoslowakischen Bank, Elsa und Erik A. Saudek folgen ihm ein Jahr später 1923 Im Kurt Wolff Verlag erscheint Březinas Essaysammlung Die Musik der Quellen (Hudba pramenů), wiederum unter Mitarbeit von Franz Werfel Februar 1929 Saudeks Publikation Pod oblohou Otokara Březiny [Unter dem Himmel von O. B.] erscheint, einschließlich einer Bilanz seiner eigenen Übersetzungs- und Vermittlungsarbeit 15.09.1930 Beendigung der Tätigkeit bei der Anglo-Tschechoslowakischen Bank; ab August Redaktionsmitglied des Finanzblatts Prager Börsen-Courier Entstehung eines umfangreichen Manuskripts über 30er Jahre Březina, einige Passagen werden im Kalendář česko-židovský veröffentlicht 29.04.1937 Saudeks letzter Beitrag im Prager Börsen-Courier erscheint 28.05.1937 Der letzte bekannte Aufsatz von Saudek erscheint (in der zweisprachigen Revue Most/Brücke) 23.10.1941 Emil Saudek stirbt in Prag 08.09.1942 Deportation von Elsa Saudek in das Ghetto Theresienstadt 23.10.1944 Deportation von Elsa Saudek in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
Abkürzungen ANM Archiv Národního muzea [Archiv des Nationalmuseums in Prag] AUK Archiv Univerzity Karlovy [Archiv der Karlsuniversität] AÚTGM Archiv Ústavu T. G. Masaryka [Archiv des T. G. MasarykInstituts] ES Emil Saudek, Privatnachlass, Deposit im MÚA AV ČR IPSL Institut pro studium literatury [Institut für Literaturforschung] LA PNP Literární archiv Památníku národního písemnictví v Praze [Literaturarchiv des Museums der tschechischen Literatur, Prag] MÚA AV ČR Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i. [Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik] NA Národní archiv [Nationalarchiv] ÖTM Österreichisches Theatermuseum, Wien s. d. sine dato [ohne Datumangabe] s. l. sine loco [ohne Ortsangabe] s. n. sine nomine [ohne Namensangabe] WStLA Wiener Stadt- und Landesarchiv
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Ortsregister Altbrazdim (Starý Brázdím) 283 Alt Hradischt (Staré Hradiště u Pardubic) 92 Amschelberg (Kosova Hora) 80 Augezd (Újezdec u Přerova) 82 Auschwitz-Birkenau (KZ) 7, 85, 90, 325 Austerlitz (Slavkov u Brna) 52 Bad Schandau (Žandov) 93, 264 Baden bei Wien 89 Bechin (Bechyně) 93 Berlin 21, 27, 28, 29, 32, 46, 47, 70, 93, 106, 157, 192, 193, 197, 201, 205, 208, 220, 235, 254, 276, 282, 315 Berlin-Zehlendorf 205 Beverly Hills 93 Bistritz am Hostein (Bystřice pod Hostýnem) 82, 132 Blatna (Blatná) 83 Böhmisch Brod (Český Brod) 92 Böhmisch Skalitz (Česká Skalice) 92 Brandeis an der Elbe (Brandýs nad Labem) 283 Bradford 83 Breslau (Wrocław) 85 Brünn (Brno) 86, 92, 132, 236, 254, 257, 260, 271, 292, 308 Budweis (České Budějovice) 83 Budwitz (Moravské Budějovice) 132 Časlau/Tschaslau (Čáslav) 302 Chotowin (Chotoviny) 89 Chrast (Chrast) 84 Chrudim 84, 85, 91, 302 Czernowitz (Tscherniwzi, Tschernowzy) 82 Dachau (KZ) 88, 93 Daschitz (Dašice) 92
Diwak (Diváky) 45 Freiberg in Mähren (Příbor) 132 Freiburg im Breisgau 65, 89 Gaya (Kyjov) 56 Genf 265 Göding (Hodonín) 132 Halbstadt (Meziměstí) 89 Hamden/Connecticut 93 Hermannstädtel (Heřmanův Městec) 83 Hohe Tatra (Vysoké Tatry) 280 Holleschau (Holešov) 133 Hrnčíře 87 Humpoletz (Humpolec) 33, 88 Iglau (Jihlava) 91, 285, 322 Innsbruck 235 Jarmeritz (Jaroměřice nad Rokytnou) 206 Jasnaja Poljana 264 Jistebnitz (Jistebnice) 86 Karolinenthal (Praha-Karlín) 84 Kiew 98 Kolin (Kolín) 85, 91 Komotau (Chomutov) 104 Koritschan (Koryčany) 56 Koudelau b. Tschaslau (Koudelov u Čáslavi) 86 Köthen 87 Krakau (Kraków) 94 Kremsier (Kroměříž) 132, 133 Kuttenberg (Kutná Hora) 30 Leipzig 23, 60, 76, 77, 154, 210, 239, 245
Ortsregister
Libochowitz (Libochovice) 69, 89 Linz 8, 323 Litzmannstadt (Ghetto) 89 London 84, 90, 91, 272 Luhatschowitz (Luhačovice) 280 Mährisch-Ostrau (Moravská Ostrava) 83, 84, 132 Mährisch Weißkirchen (Hranice na Moravě) 21 Maria Neustift (Ptujska Gora) 94 Morchenstern (Smržovka) 86 München 83, 84, 85, 87, 88, 90, 91, 93, 94, 245 Neupaka (Nová Paka) 84 Neutitschein (Nový Jičín) 131 Neuern (Nýrsko) 82 New York 21, 87
365 266, 267, 270f., 272, 275f., 279f., 283, 284, 285, 287, 288, 299f., 304, 307, 309, 315, 318, 320, 322, 323, 324, 325 Altstadt (Staré Město) 284 Dejvice 307, 311, 315 Holešovice 313 Königliche Weinberge (Královské Vinohrady) 68, 76, 316, 318, 319, 320, 321 Lieben (Libeň) 284, 286, 289 Neustadt (Nové Město) 68, 76, 307 Smichow (Smíchov) 87, 211 Prerau (Přerov) 132 Přestawlk (Přestavlky) 93 Pribram (Příbram) 29 Prien am Chiemsee 84 Proßnitz (Prostějov) 131, 132
Ober Jellen (Horní Jelení) 84 Olmütz (Olomouc) 131, 132, 135 Österreichisch Schlesien 70, 103 Oxford 92
Raschkowitz (Raškovice) 87 Reichenberg (Liberec) 84 Regensburg 77 Rom 119, 124, 125, 127 Roth Janowitz (Červené Janovice) 91
Pallein (Palonín) 92 Pardubitz (Pardubice) 93 Patzau (Pacov) 92 Pelles (Polnička) 9, 16, 285, 319, 322 Pettau (Ptuj) 94 Pisek (Písek) 302 Podiebrad (Poděbrady) 84 Postelberg (Postoloprty) 33 Prachatitz (Prachatice) 88 Prag (Praha) 7, 9, 12, 13, 24, 25, 28, 30, 31, 32, 38, 39, 45, 49, 54, 55, 57, 63f., 68, 70, 71, 73, 77, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 93, 99, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 110, 112, 128, 136, 141, 142, 144, 146, 157, 169, 170, 175, 194, 211, 218, 220, 237, 238, 253, 256, 257,
Saar (Žďár nad Sázavou) 9 Samotíšky 81 Semil (Semily) 86 Senftenberg (Žamberk) 80 Schandau bei Kohljanowitz (Žandov u Uhlířských Janovic) 93 Schwarzkosteletz (Kostelec nad Černými lesy) 89 Srbsko b. Beraun (Srbsko) 88 Steinmetzendorf (Vestec u Chrudimi) 91 Sternberg (Šternberg) 83, 91, 92 Straubing 82 Stuttgart 77, 89 Tabor (Tábor) 98, 110 Tegernsee 88 Tel Aviv 82
366 Teplitz-Schönau (Teplice v Čechách) 84 Tetschen (Děčín) 83 Theresienstadt (Ghetto, bzw. Internierungslager Terezín) 80, 86, 90, 91, 146, 325 Trautenau (Trutnov) 89 Trebitsch (Třebíč) 80 Treboraditz (Praha-Třeboradice) 86 Třebovle 86 Trmitz (Trmice) 84 Ungarisch Hradisch (Uherské Hradiště) 132, 133 Unter Hbit (Dolní Hbity) 86 Vierzehnheiligen bei Jena 83 Wallachisch Meseritsch (Valašské Meziříčí) 132
Ortsregister
Wien Favoriten 137 Innenstadt (I. Bezirk) 27, 38, 41, 49, 51, 54 V. Bezirk 61 VI. Bezirk 43 VIII. Bezirk 46 Ottakring 248f. Wischau (Vyškov) 69, 87 Wosseletz (Oselce u Horažďovic) 82 Wsetin (Vsetín) 30, 85 Zamość (Ghetto) 86 Zdounek (Zdounky) 87 Zenica 81 Zeschow (Žešov) 92 Zlin (Zlín) 132 Znaim (Znojmo) 87 Zürich 265
Register der Zeitungen und Zeitschriften Der Abend 33, 266, 271, 324 Allgemeine Oesterreichische Literaturzeitung 21–23 Akord [Der Akkord] 320 Die Aktion 238, 252f., 324 Der Anarchist 239 Der Anbruch 254 Arbeiterzeitung 76 Auf der Höhe 23 Bohemia 102 Bratislauer Zeitung am Abend (B. Z. am Abend) 271 Der Brenner 235 Čas [Die Zeit] 10, 28, 30, 35, 52–56, 101f., 106f., 111f., 124, 136f., 236, 243, 264, 284 Časopis pro moderní filologii [Zeitschrift für moderne Philologie] 312 Čech [Der Tscheche] 133 Čechische Revue 35, 46, 59, 108, 121, 123, 127, 180, 187, 210, 212, 274, 322 Červen [Juni] 246 Česká politika [Tschechische Politik] 76 Cesta [Der Weg] 307 Der Daimon 236, 254–256, 324 Dělnické listy [Arbeiterzeitung] 29, 35, 41, 47, 54, 61, 122, 133, 140, 237, 239, 266, 323f. Den [Der Tag] (Brünn) 133 Deutsche Zeitung (Wien) 23, 27 Deutsches Volksblatt (Komotau) 104 Dokumente des Fortschritts/Le Documents du Progrès 53, 188 Dunaj [Die Donau] 47 Die Fackel 121
Frankfurter Zeitung 248 Freies Blatt. Zur Abwehr des Antisemitismus 33 Der Friede 142, 254 Genius 254, 324 Gnosis 157 Hlas [Die Stimme] (Brünn) 133 Hlas národa [Volksstimme] 76 Host [Der Gast] 308 Die Initiale 236, 254 Ječmínek 133 Der Kampf 130 Kalendář česko-židovský [Der tschechischjüdische Kalender] 111, 175, 271, 284, 287, 289, 324f. Kalendář neodvislého dělnictva [Kalender der unabhängigen Arbeiterschaft] 152 Kmen [Der Stamm] 262 Komedie [Die Komödie] 317 Kritický měsíčník [Kritische Monatsschrift] 319 Der Kunstwart 201 Lidové noviny [Volkszeitung] 193, 199, 241, 252, 315, 320 Lípa [Die Linde] 270 Listy pro umění a kritiku [Blätter für Kunst und Kritik] 316 Lumír 125, 217, 247 Das literarische Echo 32, 46, 189f., 198f. Magazin für Litteratur 32 Meditace [Die Meditation] 183
368 Der Mensch 255 Moderní revue [Moderne Revue] 29, 31, 157, 210 Montagspost 106f. Montagsrevue aus Böhmen 22 Moravská orlice [Mährischer Adler] 76 Moravsko-slezská revue [Mährisch-Schlesische Revue] 38, 46, 195, 242 Národní listy [Nationalzeitung] 10, 34, 96–99, 112, 141, 182, 218, 220 Naše doba [Unsere Zeit] 28, 30, 101, 107 Našinec [Der Unsrige] 133 Neue Dresdner Nachrichten 279 Der Neue Daimon 236, 254–256, 324 Neue Freie Presse 27, 102, 189–191, 194 Neue Revue (Berlin) 197, 201 Neue Rundschau 47, 197, 199, 247 Die neue Welt 289 Neues Wiener Journal 141, 219, 283 Nord und Süd 201 Novina [Die Nachricht] 35, 43, 47, 188, 323 Noviny z Podradhoště [Tagblatt aus dem Radhoscht-Gebiet] 133 Nový život [Das neue Leben] 131 Okultní a spiritualistická revue [Okkulte und spiritualistische Revue] 157 Österreichische Rundschau (1883) 21 Österreichische Rundschau (1904–24) 32, 34f., 37, 198 Pester Lloyd 216 Pokroková revue [Fortschrittliche Revue] 237 Von Pol zu Pol 23 Politik (ab 1907 Union) 30, 75f., 101, 107 Pozorovatel [Beobachter] 133 Prager Presse 213, 220, 271, 279, 303, 309 Prager Tagblatt 109 Právo lidu [Volksrecht] 207, 247
Register der Zeitungen und Zeitschriften
Přehled [Überschau] 188, 194, 217, 237, 322 Reichenberger Zeitung 109 Reichswehr 31, 102 Ročenka Vídeňské matice [Jahrbuch des Schutz- und Kulturvereins Vídeňská matice] 35, 58 Rozhled [Rundschau] 40, 244, 271 Rozhledy [Rundschau] 28, 31, 76, 115 Rozhledy literární [Literarische Rundschau] 22 Rozhledy po literatuře a umění [Rundschau für Literatur und Kunst] 316 Rozvoj [Die Entwicklung] 271 Der Ruf 235 Samostatnost [Die Unabhängigkeit] 217 Saturn 237 Schaubühne 199 Slavisches Tagblatt 242, 323 Služba [Der Dienst] 260 Der Sturm 237f. Der Tag 197, 212 Tagespost 109 Tribuna [Tribüne] 112, 142, 220, 279, 288 Umělecký měsíčník [Monatsschrift für Kunst] 237 Union (früher Politik) 30, 35, 75, 107f., 187, 323 Venkov [Das Land] 216 Ver! 254 Ver Sacrum 50 Vídeňské listy [Wiener Blätter] 269, 277, 324 Vídeňský deník [Wiener Tagblatt] 35, 38f., 47–49, 51, 116, 120, 185, 187, 247, 251, 257, 266, 322
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Register der Zeitungen und Zeitschriften
Vídeňský národní kalendář [Wiener Volkskalender] 35, 41, 49f., 59, 127, 323 Volná myšlenka [Freier Gedanke] 42f., 44 Die Wage 32–35, 37, 129, 182 Die Wahrheit (Brünn) 257, 260, 271 Die Wahrheit (Prag) 175 Die weißen Blätter 214, 237, 246f., 254, 324 Die Welt (Wien) 29 Welt am Abend 220 Wiener Abendpost (Beil. der Wiener Zeitung) 31f.
Wiener Morgenzeitung 271, 286, 288f., 292–294, 300, 303f., 324 Wiener Zeitung 31, 54, 108 Die Zeit (Wochenschrift, Wien) 26–34, 101f., 106f., 182 Die Zeit (Tagblatt, Wien) 46, 129, 189f., 264 Zeit-Echo 248 Die Zeitschrift für Bücherfreunde 256 Das Zelt 309 Die Zukunft 197
Personenregister Adler, Alfred 309 Adler, Friedrich (Übersetzer) 25, 34, 55, 59, 70, 72, 76, 80, 220 Adler, Friedrich (Politiker) 80 Adler, Regina 69, 80 Adler, Victor 17, 29 Albert, Eduard 9, 23–28, 54, 70, 72, 75, 80f., 198, 213 Albert, Karl 166 Albrecht, Jaroslav 319 Altenberg, Peter (eigentl. Richard Engländer) 29, 38, 121, 254 Alvarez, Balthazar 164 Amann, Klaus 235, 254 Anderson, Maxwell 316 Antošíková, Lucie 286 Anz, Thomas 234, 235 Atze, Marcel 106 Auerbach, Berthold 282 Auředníček, Zdenko 30 Auředníčková, Anna (Annie) 30f., 34, 37, 67, 69, 81, 105, 289, 300 Aurnhammer, Achim 174 Baar, Jindřich Šimon 76, 82 Babler, Otto František 67, 72, 73, 81, 214, 222f. Bahenská, Marie 69 Bahr, Alois 27 Bahr, Hermann 11, 26–28, 34, 44, 45, 118, 141, 189, 193, 194, 197, 203, 210, 212, 219, 249, 250, 257, 260, 323 Balej, František 80 Balík, Štěpán 281 Baloković, Zlatko 47 Barbey d’Aurevilly, Jules Amédée 210 Barbusse, Henri 246
Barlach, Ernst 235 Barton, Fred Oliver 83 Bartoš, Miroslav 277f. Bass, Eduard 317 Batka, Richard 81 Baudelaire, Charles 31, 32, 115, 242 Baudnik, Zdenko 70, 72, 81 Bauer, František 161, 176 Bauer, František (Franz) 70, 72, 76, 81 Bayertz, Kurt 155 Becker, Sabina 243 Beckmann, Max 235 Bednář, Antonín 80 Beetz, Manfred 234f. Běhal, Klaudius (Biehal, Claudius) 69, 72, 82 Bejblík, Alois 321 Beller, Steven 17, 18 Belke, Ingrid 44, 137 Benda, Jaroslav 128 Bendl, Karel 81 Bendová, Eva 49 Benedek, Ludwig August von 37, 136 Benedikt, Klothilde (Clothilde) 283 Bensimon, Doris 29 Berger, Alfred von 34 Bergson, Henri 166f. Bernhard von Clairvaux 189, 190 Bernières Louvigny, Jedam de 164 Bezruč, Petr (eigentl. Vladimír Vašek) 64, 84, 88, 214, 220, 241, 245, 252, 255, 270 Biel, Ernst 86 Bílek, František 11, 157, 180, 182f., 186, 188, 191f., 201, 204, 210f., 212, 323 Binder, Hartmut 9, 214, 215, 216, 224, 226, 246, 253 Bitnar, Vilém 157
371
Personenregister
Blake, William 204 Blass, Ernst 259 Blatný, Lev 308 Blau, Josef 82 Blei, Franz 236 Boeckl, Matthias 50 Boguna, Julia 66 Böhme, Jakob 192 Bojar, Pavel 321 Boos zu Waldeck, Viktor 82, 127 Borgese, Giuseppe Antonio 208 Börner, Wilhelm 53 Bouček, Václav 53 Bouška, Sigismund 159, 210 Boyer, John W. 17, 33, 39 Bráf, Albín 45 Brahe, Tycho de 257 Braun, Felix 202, 213 Breisky, Karl 82 Breisky, Louise 25, 69, 82 Březina, Otokar (eigentl. Václav Jebavý) 8–12, 13, 16, 19f., 32, 33, 34, 35, 37, 38, 39, 40, 41f., 43, 44, 58, 60, 64, 67, 80, 81, 83, 87f., 90, 91, 93f., 115, 116, 117, 126, 128, 133, 141, 144, 148–179, 180–212, 213–233, 239, 240, 242, 246–262, 263, 266, 268, 270, 274, 280, 282, 288, 309, 310, 322–325 Brinkmann, Richard 234 Brjussow, Walleri Jakowlewitsch 80 Brix, Eugen 17 Brod, Elsa 69 Brod, Max 34, 35, 64, 65, 69, 71, 82, 170, 204, 237, 238, 256, 257, 258, 266, 270 Broda, Rudolf (Rodolphe) 53, 188f. Bruckner, Ferdinand 316 Brullé, Pierre 131 Brychta, František 39, 40–42 Buber, Martin 190, 192, 197, 205 Budňák, Jan 30, 79, 255
Burghauser, Jarmil 93 Čadková, Daniela 118 Calvin, Jean 123 Čapek, Jan Blahoslav 308 Čapek, Josef 87, 90, 237f., 250 Čapek, Karel 70, 76, 81, 82, 83, 86, 87, 90, 91, 237f., 250, 255, 279 Čapek Chod, Karel Matěj 90 Čapková, Kateřina 71, 112, 268, 284, 285, 288 Carlyle, Thomas 216 Castle, Eduard 256 Čech, Svatopluk 24, 25, 38, 67, 76, 81, 84, 85, 86, 89, 93, 217 Čejka, Jan 47, 49, 50 Čejková (Ehefrau von Jan Čejka) 49 Čelakovský, František Ladislav 24, 78, 81, 90 Černý, Jaroslav 321 Černý, Václav 163 Červenka, Miroslav 222, 228, 250 Červinka, Vincenc 82 Chalupný, Emanuel 126, 180, 187, 188, 189, 193, 194, 195, 197f. Chelčický, Petr (Peter von Cheltschitz) 87f., 83, 123, 126, 210, 257 Cikán, Ondřej 177 Cipr, Josef 47 Císař, Josef 93 Claudel, Paul 255 Colbert, Carl 33, 266 Comenius, Johann Amos (Komenský, Jan Amos) 70, 81 Conrad, Joseph 315, 316 Cromwell, Thomas 123 Csáky, Moritz 18 Darwin, Charles 119, 155, 158, 163, 164, 169 Davidová (geb. Kafka), Otilie (Ottla) 7f. Debussy, Claude 255
372 Dehmel, Richard 32, 193, 195, 197, 206f., 209, 210, 323 Dejmek, Jindřich 273 Diederich, Eugen 60, 197, 203, 263, 264 Dilthey, Wilhelm 151f. Döblin, Alfred 248 Doležel, Jaromír (Pseud. J. K. Pojezdný) 29, 39, 46–49, 50, 51, 180, 185, 242, 323 Donath, Adolf (Adolph) 29, 33 Donath, Oskar 70, 72, 82, 282, 304 Dostál-Lutinov, Karel 131 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 105, 115, 219, 264 Doubek, Vratislav 26, 28, 29, 30, 104, 112, 264 Drda, Jan 320f. Drews, Peter 65 Dreyfus, Alfred 21, 33 Driml, Karel 77, 89 Drož, Friedrich (Bedřich) 72, 82 Drtina, František 38, 53 Du Bois-Reymond, Emil Heinrich 154f. Dubská, Olga 55 Dubský, Gustav 35, 125, 126f., 128, 273f., 275, 277, 278 Dürich, Josef 41 Durych, Jaroslav 83, 178 Dvořák, Antonín 55, 80, 81, 88 Dvořák, Arnošt 82 Dvořák, Miloš 321 Dyk, Viktor 80, 126 Džambo, Jozo 65 Eben, Kamill (Camill) 83 Eckhart (Meister Eckhart) 151, 160, 203 Ehmer, Josef 285 Ehrenfels, Christian von 169f., 257f. Ehrenstein, Albert 12, 20, 119, 174, 214, 223, 224, 228–233, 234, 235, 236, 245–251, 254, 255, 256, 258, 259f., 261
Personenregister
Ehrmann, Salomon 82, 304 Eim, Gustav 10, 95, 96–99, 98f. Einstein, Albert 158 Einstein, Carl 245 Eisner von und zu Eisenstein, Karl 64–65, 83 Eisner, Otto 68, 70, 83 Eisner, Paul (Pavel) 9, 12, 63–65, 66, 67, 69, 70, 71, 72, 76, 77, 78f., 83, 90, 214, 218–220, 221, 223, 224, 227, 228, 253, 282, 315, 317, 319, 320 Emanuely, Alexander 18, 33, 239 Ermers, Max 53 Engliš, Karel 91, 272 Erben, Karel Jaromír 23, 24, 80, 81 Ernst, Paul 249 Ernst, Wenzel 25 Escher, Georg 64 Falk, Emerich 70, 83 Farář, Franziska (Farářová, Františka) 83 Fasora, Lukáš 131 Fechner, Gustav Theodor 163, 164 Fiala, Václav 88 Fibich, Zdeněk 81, 84, 85, 86 Filip, Aleš 131 Filipec, Josef 169 Fischer, Ernst 235, 236 Fischer, Karel 284 Fischer, Otokar 7, 14, 54, 56, 60f., 238, 244, 246, 247, 252f., 263, 266, 273, 293, 305, 307f., 309–313, 315, 317, 319, 320, 324 Flasche, Rainer 529 Foerster, Josef Bohuslav 47, 81 Folprecht, Josef 218 Fraenkl, Pavel 308 Frankl, Michal 268, 271, 286, 287, 291, 293, 299, 301 Frankl-Rank, Wilhelmine 69, 77, 84 Franko, Ivan 27
373
Personenregister
Franz von Sales 164 Franziskus von Assisi 160, 166 Frejka, Jiří 317, 319 Freud, Sigmund 17, 44, 122, 308, 318 Fried, Alfred Hermann 53 Friedjung, Heinrich 23 Friml, Rudolf 81 Frisch, Justinian 182, 183 Frisch, Moriz 60, 91, 181–182, 323 Frypés, Karel (Karl) 67, 69, 72, 75, 84 Frypés, Maria 69, 84 Fuchs, Rudolf 12, 64, 71, 77, 84, 214, 220, 223, 224, 227, 253, 255, 289, 299 Fuchs, Sabine 192 Fürth, Jacob (Jakob) 34, 70, 77, 84 Fux-Jelenský, Zdenko 25, 28, 37, 84 Garborg, Arne 115 Gehring, Petra 169 Geißler, Max 249 Gelber, Adolf 189f., 192 Gellner, František 241 George, Stefan 148, 174, 193, 259 Gleixner, Johannes 264 Glettler, Monika 95, 137 Glossy, Karl 34 Gočár, Jan 90 Goethe, Johann Wolfgang 14, 24, 152, 157, 191, 311–313, 315, 317 Goldbeck, Eduard 33 Goll, Iwan 261 Goller, Elsa 67, 84 Göbel, Wolfram 245 Götz, František 236, 259, 308 Gregori, Ferdinand 34, 37, 201f., 323 Grégr, Julius 96, 99 Groag, Heinrich 181f. Groag, Jonas 279 Groag, Regine 279 Groag, Wilhelm (Willy) 134, 137 Gruber, Bettina 166, 171, 259
Grün, Edmund 25, 28, 74, 76, 84f. Grünfeld, Max 304 Grünzweig, Walter 249 Guitry, Sacha 319 Gütersloh, Albert Paris 236 Haas, Alois Maria 160 Haas, Willy 257 Haase, Andreas 275f. Haberfeld, Hugo 34, 50, 182 Habermann (Habrmann), Gustav 80 Hacohen, Malachi Haim 138f. Haeckel, Ernst 158, 163f. Hájek, Jan 273 Hájek, Tomáš 30, 77 Hajšman, Jan 243 Halas, František 83, 321 Hálek, Jan 140 Hálek, Vítězslav 89 Hall, Murray G. 75, 78, 137, 181, 255, 256 Handl, Willi 34 Hanka, Václav 81 Hanuš, Stanislav 252 Harden, Maximilian 192f. Harmuth, Paul Josef 69, 70, 72, 77, 87 Hašek, Jaroslav 78, 90 Hašler, Karel 81 Hauer, Karl 121, 122 Hauffen, Wolfgang 219 Hauner, Emanuel 157 Hauptmann, Gerhart 315 Hauser, Johann N. 136 Hauser, Otto 37, 181, 185, 189f., 198, 213 Havlíček-Borovský, Karel 89, 93, 127 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 178, 190 Heiden, Konrad 317 Heine, Heinrich 128, 308 Heller, Hugo 56, 192 Hemerka, Vilo 47
374 Hennig, Sebastian 89 Herbatschek, Heinrich 30, 33, 52–55, 70, 77, 78, 85, 129, 136, 139, 142 Herben, Jan 89, 101f., 104, 105, 110, 112, 243, 284, 286 Herites, František 30, 31 Herrmann, Ignát 31, 76, 81, 89, 91, 92, 105 Herzl, Theodor 29 Hesse, Hermann 235 Heyduk, Adolf 25, 78, 86, 88 Heyduk, Josef 321 Heym, Georg 237 Hilbert, Jaroslav 87 Hiller, Kurt 237 Hilsner, Leopold 30, 112, 131, 264, 265, 287, 300, 301 Hladík, Václav 75, 89 Hlaváč, Bedřich (Friedrich) 85, 95, 98–112 Hlaváček, Karel 241, 252, 253, 255 Hlávka, Josef 26, 77 Hlávka, Miloš 313 Höbling, Franz 268 Hödl, Klaus 17, 21 Hoffmann, Camill 11, 29, 31–34, 46, 63f., 67, 69, 71, 85, 182, 189f., 195f., 198–200, 204, 253, 276, 279, 288 Hoffmann, Irma 34, 69 Hofman, Vlastislav 238 Hofmannsthal, Hugo von 8, 11, 27, 34, 108, 118, 162, 166, 189f., 193, 194, 197f., 199, 205f., 218, 220, 249, 324 Hoecker (Höcker, Höckrová), Josa (Josefine) 85 Höhne, Steffen 65 Hölder, Alfred 26, 27 Hölderlin, Friedrich 152 Holleis, Eva 27 Holmes, Deborah 21 Homer 190 Hora, Josef 246
Personenregister
Hořejší, Jindřich 310, 321, Hošťálek, Innocenc 38, 43 Hostinská, Zdenka 67, 69, 86 Hrdinová, Eva 72 Hrdličková-Šrámková, Miloslava 305 Hruban, Mořic 135, 136f. Hrubý, Václav 39 Hůlka, Jaroslav 76 Hultsch, Anne 214 Hurban-Vajanský, Svetozár 47 Hus, Jan (Johannes) 43, 123, 210, 265f., 268, 324 Husslein-Arco, Agnes 50 Hýsek, Miloslav 35, 38, 46, 48, 64, 126, 130, 139f., 157, 180, 181, 185, 187, 191, 192, 194, 196, 197, 198, 199f., 219, 220, 241, 242, 244, 253, 285, 305, 308, 322 Ibsen, Henrik 115 Ifkovits, Kurt 26, 28, 29, 45, 102, 219, 254 Iggers, Georg 304 Iggers, Wilma 282, 287, 304 Ignatius von Loyola 123, 164 Jähnichen, Manfred 9, 21, 22, 65, 72, 73, 74, 219, 220, 224 Jakobson, Roman 318 Jakubec, Jan 210 Jammes, Francis 216, 255 Janáček, Leoš 64, 80, 82 Janák, Pavel 90 Janča, Jan 47 Janowitz, Hans 77 Jaspers, Karl 150f. Jelínek (Jelinek), Jan 86 Jelínková, Eva 15, 236, 238 Jenewein, Felix 50 Jensen, Eugen 46 Jeřábek, Čestmír 308 Jeřábek, Luboš 94
Personenregister
Jesenská, Růžena 81 Jindřich, Jindřich 55 Jirásek, Alois 75, 76, 84, 85, 87, 94 Jirásek, Arnold 24, 26 Jirát, Vojtěch 305, 309, 311, 312, 313, 319, 321 Jizba, Jiří 93 Jodl, Friedrich 53 Johann, Klaus 65 Johanna von Orléans (Jeanne d’Arc) 166 Johannes vom Kreuz 164 Joß, Viktor 34 Juda, Karel 39 Julian (Iulianus), Flavius Claudius (römischer Kaiser) 119–121, 144 Jung, Václav Alois 293 Jurčič, Josip 105 Jurenka, Franz 72, 74, 86 Kačer, Jaroslav 45 Kafka, Franz 7, 8, 64, 65, 71, 170 Kamper, Jaroslav 75, 86, 87 Kandinsky, Wassily 259 Kann, Robert Adolf 243 Kant, Immanuel 160, 172 Kapper, Siegfried 284 Karásek, Josef 47, 48, 130, 180, 187 Karásek (ze Lvovic), Jiří 118, 157, 210, 270 Karásková, Melanie 47, 48 Karpe, Ludwig 71, 77, 86 Karpeles, Benno 254, 255 Kašpar, Adolf 293, 295 Kassner, Rudolf 191, 205 Kasten, Tilman 65, 77 Katharina von Siena 166 Katholnigg, Franz 218, 219, 220 Katz, Hermann 102 Katz, Otto 71, 86 Keller, Gottfried 316 Kelletat, Andreas 66 Kepler, Johannes 257
375 Kesser, Hermann 256 Key, Ellen 192, 193 Khol, František 90, 255 Kieval, Hillel J. 285, 290 Kipling, Rudyard 314 Kirsch, Edmund 72, 78, 86 Kisch, Egon Erwin 102 Klaar, Alfred 76 Klášterský, Antonín 25 Klein, Stefan Isidor 216 Kleist, Heinrich von 61, 314, 316 Klíma, Karel Zdeněk 193f. Klimt, Gustav 17, 49 Klokoč, Jan 91 Klostermann, Karel 82 Kocian, Quido 50 Kocmata, Karl F. 254 Kodíček, Josef 238, 252 Koeltzsch, Ines 13, 14, 65, 70, 265, 271, 272, 286, 293, 298, 303 Kohn, Jindřich 41 Kohn, Theodor 131 Kohout, Pavel 70 Kokešová, Helena 24, 27, 65, 75, 98, 99 Kokoschka, Oskar 51, 235, 257 Kompert, Leopold 282, 302 Konrád, Edmond 320 Konrád, Ota 269, 271 Kornberg, Jacques 33 Kornfeld, Paul 256, 259 Kosterka, Hugo 182 Kostrbová, Lucie s. Merhautová, Lucie Kotyk, Petr 131 Kounic, Václav Robert 98 Koutek, Jan (Johann) 68, 77, 86 Kovtun, Jiří 30 Kozel, Ludvík 81 Kraitlová, Irena 342 Králík, Oldřich 320 Kramář, Karel 34, 103, 140 Krátká, Petra 75
376 Kraus, Arnošt Vilém (Ernst Wilhelm) 7, 35, 67, 70, 71, 86, 108, 121 Kraus, Julius 34 Kraus, Karl 17, 29, 51, 121, 122, 236, 308 Krause, Frank 259 Krausová, Jana (Kraus, Johanna) 67, 86 Krejci, Harald 50 Krejčí, František 53 Krejčí, František Václav 28, 31, 34, 53, 247 Krejčová, Helena 283 Křička, Jaroslav 80, 83 Křička, Petr 80, 252 Kristan, Etbin 117 Krofta, Kamil 38, 85, 279 Krolop, Kurt 63, 238 Krupička, Rudolf 47, 49 Kuba, Ludvík 49, 50 Kubíček, Tomáš 236 Kučera, Martin 104, 112 Kučera, Rudolf 271 Kučera, Vladimír 275, 277 Kuffner, Jozef 74 Kuklová, Michaela 65 Kundera, Ludvík 223 Kupka, František 118, 128, 131 Kvapil, Jaroslav 45, 57, 76, 80, 82, 91 Kwaysser, Marie 25, 72, 86 Kysela, František 90 Laichter, Josef 91 Lahoda, Vojtěch 50, 182 Lammasch, Heinrich 53 Lang, Ladislaus 106 Langer, František 90, 237 Largier, Niklaus 160, 161 Laurin, Arne s. Lustig, Ernst Lawrence, David Herbert 317 Lederer, Max 304 Leisching, Julius 34 Leo X., Pabst 123
Personenregister
Lepař, Bohuš 72, 87 Leppin, Paul 32, 34, 213 Lernet-Holenia, Alexander 313 Le Rider, Jacques 115 Lešetický (z Lešehradu), Emanuel 72, 83, 90, 92, 157 Leschner, Leopold 70, 72, 87 Lessing, Gotthold Ephraim 152, 317 Letty, Junia 93 Levetzow, Karl Michael von 45 Levý s. Moreno Levy, Jakob Lewis, Sinclair 317 Lier, Jan 85 Lissauer, Ernst 60, 235, 243, 266 Lokota, Paula (verh. Harmuth) 70, 76, 87 Loos, Adolf 17, 51, 235, 308 Lothar, Rudolf 33 Löwenbach, Jan 77, 83, 253 Lublinski, Samuel 162 Lucka, Emil 115, 189, 192, 235 Lustig, Ernst (Arnošt; Pseud. Arne Laurin) 87, 237 Luther, Martin 123 Lužická, Věnceslava 85 Macek, Antonín 81, 255 Mach, Ernst 190 Mácha, Karel Hynek 89 Máchal, Jan 103 Machar, Josef Svatopluk 10, 16, 26, 28, 29, 30, 33, 35, 37, 38, 39, 40, 42, 43, 46, 48, 50, 51, 52, 53, 55, 59, 67, 76, 82, 83, 84, 85, 88, 90, 91, 92, 101, 102, 108, 113–147, 203, 211, 236, 248, 252, 254, 255, 263, 264, 274, 282, 286, 305, 322, 323 Machát, Antonín 41 Machov, Saša 318 Mader, Julius 70, 87, 91 Mádl, Arnošt 48f., 50 Mádl, Karel Boromejský 49
Personenregister
Maeterlinck, Maurice 242 Mágr, Antonín (Anton) Stanislav 68, 78, 87, 214, 257, 279 Mahen, Jiří 255 Major, Antonín 94 Makarska, Renata 66, 78 Malířová, Helena 47, 49, 246 Malybrok-Stieler, Ottilie 25, 69, 88 Mandler, Arnošt (Ernst) 33, 50f., 71, 72, 88, 142, 323 Mann, Heinrich 166 Mann, Thomas 243 Mannheimer, Georg 70, 88 Marek, Pavel 131, 133 Maria, Jaroslav 87 Marlé, Arnold 309 Masaryk, Charlotte 81 Masaryk, Tomáš Garrigue 10, 12, 13, 18, 28, 30, 34, 38, 53, 82, 83, 85, 89, 91, 101, 102, 104, 105, 110, 111, 112, 124, 126, 129, 135, 136f., 138, 139, 140, 141, 167, 169, 170, 174, 188, 243, 254, 255, 263–280, 284, 286, 287, 288, 293, 298, 303, 304, 322, 323, 324 Masaryková, Alice 265 Mathesius, Vilém 319, 321 Mattes, Eduard 93 Mečíř, Karel 104f. Med, Jaroslav 217 Melichar, Václav 72, 88 Merhaut, Luboš 28, 131 Merhautová (Kostrbová), Lucie 9, 10, 12, 22, 23, 32, 33, 35, 39, 63, 64, 65, 74, 75, 108, 121, 139, 185, 189, 205, 213, 236, 248, 255, 260, 264, 286, 287, 288, 294 Meyer, Georg Heinrich 247 Meyreder, Rosa 17 Meyrink, Gustav 34, 270 Mieses, Matthias 296 Mittelmann, Hanni 247
377 Mombert, Alfred 202, 241 Morawitz, Karl von 263 Moreno Levy, Jakob 255f. Mosković, Boris 140 Motyčka, Lukáš 14, 15 Moudrý, Gabriel 110 Mrštík, Alois 44, 45, 46, 56, 82 Mrštík, Vilém 31, 44, 45, 46, 56, 188 Mühl, Dieter Josef 292 Mühlberger, Josef 220 Müller, Karl (Karel) 22f., 24, 69, 72, 78, 89 Müller, Robert 235 Murko, Matija 27 Musil, František 80 Musil, Robert 166 Musil, Roman 131 Musilová, Helena 45 Muzika, František 313 Nachlinger, Maria 253 Nádherný von Borutín, Erwin 69, 72, 89 Nakonečný, Milan 157 Navrátil, Michal 99 Necker, Moritz 189 Němec, Mirek 65 Němcová, Božena (eigentlich Barbora Pankel) 76, 83, 92 Neruda, Jan 25, 45, 74, 76, 86, 89, 92, 93, 217, 220, 254 Nessler, Viktor (Victor) 75, 89 Netopil, Franz 80 Neumann, Eduard 72, 78, 89 Neumann, Stanislav Kostka 80, 241, 246, 252 Nezdařil, Ladislav 9, 65, 213, 219, 224, 228 Nezval, Vítězslav 83, 308 Niedhammer, Martina 286, 291, 293 Nielsen, Frederic W. (Friedrich W.) 72, 73, 78, 89
378 Nikolaus von Kues 160 Novák, Arne 90, 119, 124, 210, 217f., 220, 221 Novák, Vítězslav 82, 88 Novalis (eigent. Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) 152 Nowak, Karl (Pseud. Isaac Reismann) 71, 76, 89 Obrátil, Karel Jaroslav 132, 133 Olbracht, Ivan (eigent. Kamil Zeman) 29, 41, 47, 49, 61f., 86, 87, 90, 92, 239, 245, 246, 266, 323 Ofner, Julius 27, 30 Offenthaler, Eva 52 Ondříček, František 47, 55 Orzoff, Andrea 273, 288 Österreicher (Östreicher), Adalbert s. Rakous, Vojtěch Ostrčil, Otakar 80 Ostrowski, Alexander Nikolajewitsch 82 Otruba, Mojmír 283 Otto, Jan 75, 105 Otto, Rudolf 175–177 Palaček, Václav 90 Palkovský, Břetislav 87 Pallas, Gustav 216 Pammrová, Anna 159f., 164, 221 Pánková, Markéta 69 Paquet, Alfons 202 Patrný, Jan 80 Paulus von Tarsus 166 Pawikovski, Gustav 25, 72, 89 Pazi, Margarita 289 Pekař, Josef 86 Pelikánová, Jitka 317 Penížek, Josef 10, 34, 97, 98–100, 101, 103f., 105, 107, 109, 110f., 112 Pernerstorfer, Engelbert 130 Pešat, Zdeněk 113 Petrbok, Václav 9, 23, 25, 60, 63, 70, 106, 220, 251, 285
Personenregister
Pfemfert, Franz 77, 252 Pfleger Moravský, Gustav 88 Philippovich von Philippsberg, Eugen 27 Pick, Friedrich Karl 72, 78, 90 Pick, Leopold 25 Pick, Otto 12, 34, 60, 64, 67, 71, 72, 75, 76, 77, 78, 80, 83, 90, 91, 141, 142, 202, 213–231, 237, 246, 247, 248, 251–253, 279, 288, 303f., 324 Pippich, Karel 85 Píša, Antonín Matěj 308, 319, 320 Pivoda, František 88 Planck, Max 158 Plessner, Helmuth 161 Podhajská, Minka 49 Poincaré, Jules Henri 158 Pojezdný, J. K. s. Doležal, Jaromír Pokorný, Jaroslav 321 Polák, Karel 312, 313, 315, 319 Polgar, Alfred 254 Pollak, Ernst 77 Pomajzlová, Alena 237 Popper(-Lynkeus), Josef 38, 42–44, 189f., 192, 323 Popper, Karl 44 Popper, Pavel 39 Porębski, Czesław 169 Pospíšil, Carl 81 Prahl, Roman 50, 182 Pražák, Albert 92 Pražský, Přemysl 281 Preiss, Jaroslav 272 Preissová, Gabriela 82, 83 Přibík, Zdeněk V. (eigent. Josef Kopáček) 47 Procházka, Arnošt 187, 210 Przybyszewski, Stanisław 28, 115, 121f., 210 Radimský, Václav 50 Rahden, Till van 21 Rais, Karel Václav 76, 82
Personenregister
Rakous, Vojtěch (Österreicher/Östreicher, Adalbert) 82, 91, 141, 272, 281–304, 324 Raušar, Josef Zdeněk 47f. Rašín, Alois 83, 140 Reichenberger, Andrea 155 Reimoser, Jan 314 Reiner, Grete (Reiner-Straschnov/ Straschnow, Grete) 67, 69, 78, 90f. Reisinger, Roman 32 Reiss, Leo 254 Reschauer, Heinrich 23 Rheinhardt, Emil Alphons 255 Ried, Max 53 Rilke, Rainer Maria, 166, 179, 192, 223 Rix-Meisl, Marie 69, 91 Rodin, Auguste 182 Rokycana, Jaroslav 284 Rolland, Romain 246 Rosenfeld, Oskar 52, 56f., 242 Rothe, Wolfgang 259 Rund, Michael 51 Ruth, František 84 Rutte, Miroslav 307 Sacher-Masoch, Leopold von 23 Šaff, Vojtěch Eduard 50 Sagl, Hermann 106 Sak, Robert 75 Šalda, František Xaver 37, 47, 83, 87, 90, 126, 185, 188, 210, 218f., 221, 237 Salten, Felix 106, 129f. Salus, Hugo 270 Salzer, František 318, 320 Saudek, Anna (geb. Lustig) 322 Saudek (Saudková, geb. Groag), Elsa 7f., 13f., 39, 46f., 49, 51, 69, 117, 134, 141, 143, 146f., 239f., 278–280, 305f., 320, 322f., 325 Saudek, Abraham (Adolf) 305, 322 Saudek, Erik Adolf 7, 13f., 147, 261, 279, 305–321
379 Saudek, František 7 Saudek, Karl (Karel) 322 Saudek, Robert 68, 76, 91 Saudek (Saudková, verh. Schwarzkopf), Theresia (Rosa, Růžena) 322 Saudek, Vladimír 7 Saudková (geb. Davidová), Věra 7f. Sauer, August 7 Sauer, Hedda 34 Savonarola, Hieronymus 123 Scheinpflugová, Olga 309 Schelling, Friedrich 189f. Schick, Em. 91 Schick, Ignác 30, 101 Schieszl, Josef 275 Schlaf, Johannes 11, 32, 190f., 193, 197f., 202, 204, 212, 249 Schneider, Otto 254f. Schnitzler, Arthur 17, 34, 44, 235 Scholz, Wilhelm von 190f., 205 Schönberg, Arnold 17, 51, 235 Schönhof, Hans 83 Schorske, Carl E. 17 Schück (Schük/Schök), Lisie 69, 91 Schulzová, Anežka 89 Schwaiger, Hanuš 50 Schwarz, Vincy 76, 87, 91 Schweiger, Werner J. 51, 235 Sedláček, Tomáš 45 Seilern, Karl Franz von 54 Sekler, Eduard 55 Šelepa, František 317 Selver, Paul 142, 216f. Sengoopta, Chandak 115, 122 Serner, Walter 259 Ševčík, Otakar 47 Shakespeare, William 81, 85, 190, 315–320 Siegetsleitner, Anne 137 Silesius, Angelus 60 Silverman, Lisa 21 Šimek, Otakar 219 Simon, Sherry 18f.
380 Simonek, Stefan 17, 28, 121 Singer, Isidor 27 Singer, Isidor(e) 21–23, 27 Singule, Hans 72, 92 Škeřík, Rudolf 317 Skłodowska Curie, Marie 158 Skoumal, Aloys 305, 313–316, 318–321 Škrach, Vasil Kaprálek 265, 272–279 Skrejšovský, Jan Stanislav 75 Sládek, Josef Václav 30, 80, 317 Šlejhar, Josef Karel 31, 86 Smetana, Bedřich 24 Smetáček, Zdeněk 317 Šmilovský, Alois Vojtěch (eigentl. Alois Schmillauer) 76 Smital, Anton (Smítal, Antonín) 69, 72, 76, 92 Sobota, Emil 275 Sokol, Karel Elgart 91 Sonnenschein, Hugo 12, 20, 37, 39f., 44, 46–48, 52, 56f., 234, 236, 239–249, 251, 255f., 258f., 261, 266f., 323 Sova, Antonín 25, 30, 64, 82f., 86, 88, 210, 214, 252, 309 Spáčil-Žeranovský, Jan 69, 92 Spera, Cornelia (eigentl. Angelika Jahn) 92 Spina, Franz 7, 34 Sprengel, Peter 27, 34 Šrámek, Fráňa 80, 90, 252, 305, 324 Šrámek, Jan 137 Šrámková, Barbora 65 Stadler, Ernst 248, 267 Stadler, Friedrich 137 Stašek, Antal (eigentl. Antonín Zeman) 211 Štech, Václav Vilém 90 Stefan, Paul 235 Stein, Viktor (Vítězslav) 29 Steiner, Franz B. 72, 92 Steiner, Rudolf 157f. Stejskal, Bohuš 319, 321
Personenregister
Štelovský, Josef 39 Stern, Friedrich 182 Sternberg, Vojtěch Václav 104 Stoessl, Otto 182 (Stössler), Georg Stephan 92 Storch (Štorch), Gotthard 63 Strache, Eduard 128, 142, 144, 254, 324 Strauss, Rudolf 33 Streim, Gregor 27, 34 Stříbrný, Zdeněk 321 Stricker, Robert 292 Strigl, Daniela 106 Stürgkh, Karl von 54 Suarés, André 255 Šubert, František Adolf 24, 84 Suczek, Jindřich 39 Šulc, Viktor 313 Suschitzky, Philip 137f., 142, 255 Suschitzky, Wilhelm 137f., 142, 255 Suso, Heinrich 160, 203 Šusta, Josef 125f. Šušteršič, Ivan 135 Sutnar, Jaroslav 47 Suttner, Arthur Grunduccar von 37 Suttner, Bertha von 52f. Švabinský, Max 29 Světlá, Karolina (eigentlich Johanna Rott) 81 Svoboda, František Xaver 57, 69, 323 Svobodová, Růžena 31, 37, 47, 57, 85, 90, 122, 126, 180, 201, 210, 239, 252, 264, 270, 305f., 323 Sydow, Eckart von 259 Sylvester, Julius 136 Synek, Adolf 78, 91 Szabó, Miloslav 268, 271, 299 Szegeda, Wilhelm 81 Tagore, Rabindranath 81 Tashinskiy, Aleksey 66 Tauler, Johannes 60, 164 Taussig, Ervín 252
Personenregister
Teige, Karel 236, 308 Telmann, Fritz (eigentl. Theumann, Friedrich Karl) 52–55, 139 Teresa von Ávila 164 Těsnohlídek, Rudolf 82 Theer, Otokar 32, 90, 237f., 250, 252, 266 Theinhardtová, Markéta 131 Thomas von Aquin 160 Theumann, Theodor 52 Tichý, Vítězslav 321 Timms, Edward 17, 51 Tlučhoř, Luise (Tlučhořová, Luisa) 92 Tolstoi, Lew Nikolajewitsch 126, 264 Toman, Karel 252, 309 Tomášek, Jaroslav 80 Topoĺská, Lucy 70 Topor, Michal 11, 14, 32, 37, 42, 43, 75, 128, 213–216, 219, 261, 274, 285 Trager, Eugen 213 Trakl, Georg 247f., 267 Traub, Karel 43 Traub, Rudolf 71f., 92, 217 Trávníček, Mojmír 223 Trčka, Antonín Josef 214 Třeštíková, Anna 7 Trinko, Giovanni 81 Tröster, Josef 317 Trubetzkoy, Nikolai Sergeevič 170 Tschechow, Anton Pawlowitsch 44 Tschuppik, Karl 254 Turgenjew (Turgeněv), Iwan Sergejewitsch 105 Uexküll, Jakob Johann Baron von 158 Ullmann, Ludwig 235 Unamuno, Miguel de 309 Uprka, Joža 45, 50 Vachek, Emil 81f. Václavek, Bedřich 236, 259 Václavek, Ludvík 72, 75–77
381 Váhala, František 47, 49, 58 Vajtauer, Emanuel 91 Valéry, Paul 166 Valeš(ová), Vlasta 95 Vančura, Vladislav 87 Vassogne, Gaëlle 65 Vašek, Richard 275 Veleminsky, Hedwig (Velemínská, Hedvika) 67, 92 Verhaeren, Émile 32, 57, 195f., 198, 204, 217, 242, 249 Verlaine, Paul 32, 242 Viková Kunětická, Božena 75, 89 Villani, Oskar von 54 Voborník, Jan 93, 159 Vodička, Timotheus 317 Vogl, Carl 93, 257 Vohryzek, Victor (Viktor) 71f., 93, 127 Vojtěch, Daniel 31, 282 Vojvodík, Josef 180, 222 Vondung, Klaus 259 Vrba, Jan 82 Vrchlická, Eva 311, 313f., 319, 321 Vrchlická, Eva (die jüngere) 314 Vrchlický, Jaroslav (eigentl. Emil Jakub Frida) 24–26, 28f., 35, 42, 52–55, 58, 63, 67, 74, 76f., 80–86, 91–93, 127, 195, 214, 217f., 252, 255, 324 Vybíral, Bohuš 39f., 46–48, 54, 242 Vycpálek, Ladislav 80 Wagner, Karl 43f. Wahrmund, Ludwig 39, 264 Waldau, Alfred (eigentl. Joseph Waldemar Jarosch) 74 Wallas, Armin A. 51, 122, 235f., 246, 254, 259 Wantoch, Hans 34 Weiskopf, Franz Carl 64, 67, 71f., 86, 93 Weinberg, Manfred 65 Weinberger, Josef 70, 72, 78, 93 Weiner, Richard 252
382 Weiß, Ernst 256 Wellek, Bronislav 25f., 28, 55, 72, 93 Wellek, René 72, 93, 315, 317 Wels, Rudolf 51 Weltsch, Felix 170, 289 Wenig, Adolf 81 Wenzig, Josef 25, 74f., 196 Werfel, Franz 12, 64, 71f., 84, 91, 93, 173, 202, 213–215, 219f., 223–231, 233, 236–238, 245–247, 251, 255f., 261, 324f. Wertheimer, Max 170 Whitman, Walt 32, 195f., 198, 202, 207, 210, 219, 237, 242, 249f. Wiendl, Jan 236 Wiener, Oskar 34 Wilde, Dieter 39, 239 Wilde, Oscar 83, 210 Wilder, Thornton 313 Winicky, Ottokar 25 Winter, Gustav 217 Winter, Keith 317 Wirthová, Božena 321 z Wojkowicz, Jan 80, 238 Wolf, Michaela 19 Wolff, Kurt 60, 77, 82, 84, 70, 91, 93f., 173, 202, 213–215, 217, 225, 245–147 , 251, 254, 266, 274, 324f.
Personenregister
Wolker, Jiří 76f., 89, 91, 220 Wonisch, Regina 95 Wögerbauer, Michael 65 Wukadinowic (Vukadinović/ Wukadinović), Spiridion 69, 72, 94 Žáček, Jan 45 Zajíček-Horský, Jaroslav 37 Žák, Jaroslav 70, 87 Zampach, Della 55 Zavřel, Edmund 311 Zbytovský, Štěpán 12, 14, 39, 60, 64, 70, 141, 173, 202, 214, 216, 246, 249, 251, 266, 274, 304 Zeitlhofer, Hermann 285 Zenker, Ernst Viktor 33 Zeyer, Julius 24f., 28, 30, 70, 76f., 84f., 87f., 92f., 106, 157, 210 Žižka von Trocnov, Jan 123, 210 Zizler, Jiří 317 Zola, Émile 33 Zuckermann, Hugo 39 Žunkovič, Martin 94 Zweig, Stefan 8, 11, 29, 32, 34, 37, 57, 174, 190–194, 198, 200–202, 204–206, 208, 216, 221, 246, 248, 263f., 323
Adressen der Reihenherausgeber Prof. Dr. Steffen Höhne
Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar / Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut f. Musikwissenschaft Weimar-Jena Platz der Demokratie 2/3 D-99423 Weimar [email protected]
PhDr. Václav Petrbok, Ph.D. Ústav pro českou literaturu AV ČR, v. v. i. Na Florenci 3 CZ-110 00 Praha 1 [email protected] Prof. Dr. Alice Stašková Institut für Germanistische Literaturwissenschaft Friedrich-Schiller-Universität Jena Fürstengraben 18 D-07443 Jena [email protected]
Mitglieder des Forschungsteams Prof. Vratislav Doubek, Ph.D. Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i. Gabčíkova 2362/10 CZ-182 00 Praha 8 [email protected] Dr. phil. Ines Koeltzsch, Ph.D. assoziierte Projektmitarbeiterin Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i. Gabčíkova 2362/10 CZ-182 00 Praha 8 [email protected]
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Mitglieder des Forschungsteams
Mgr. Lucie Merhautová, Ph.D. Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i. Gabčíkova 2362/10 CZ-182 00 Praha 8 [email protected] PhDr. Václav Petrbok, Ph.D. assoziierter Projektmitarbeiter Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i. Gabčíkova 2362/10 CZ-182 00 Praha 8 [email protected] Mgr. Michal Topor, Ph.D. Institut pro studium literatury, o. p. s. Jankovcova 938/18a CZ-170 00 Praha 7 [email protected] Prof. Dr. phil. Josef Vojvodík assoziierter Projektmitarbeiter Institut pro studium literatury, o. p. s. Jankovcova 938/18a CZ-170 00 Praha 7 [email protected] Mgr. Štěpán Zbytovský, Ph.D.
Institut pro studium literatury, o. p. s. Jankovcova 938/18a CZ-170 00 Praha 7 [email protected]