eLearning: Einsichten und Aussichten 9783486595062, 9783486580037

Nach einer anfänglich großen Euphorie ist in Wirtschaft und Bildung eine gewisse Ernüchterung über die Möglichkeiten und

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German Pages 368 [366] Year 2006

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eLearning: Einsichten und Aussichten
 9783486595062, 9783486580037

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eLearning: Einsichten und Aussichten

von

Rolf Schulmeister

Oldenbourg Verlag München Wien

Prof. Dr. Rolf Schulmeister gründete nach einer Ausbildung zum Sprach- und Literaturwissenschaftler 1971 das Interdisziplinäre Zentrum für Hochschuldidaktik (IZHD) der Universität Hamburg (jetzt Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung), an dem er seit 1976 als Professor für Hochschuldidaktik tätig ist. Seine Forschungsschwerpunkte sind seit Mitte der 80er Jahre Multimedia und eLearning. Er ist ebenfalls als Professor im Institut für Deutsche Gebärdensprache in der Fakultät fur Sprache, Literatur und Medien tätig. Als Direktor des ZHW trägt er die Verantwortung fur den Studiengang „Master of Higher Education" fur die hochschuldidaktische Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, dem bisher einzigen Master-Studiengang zur Vermittlung einer akademischen Lehrqualifikation. Er ist Autor von über 10 Büchern und über 100 Aufsätzen. Weitere Bücher von ihm bei Oldenbourg sind: „Grundlagen hypermedialer Lernsysteme" (2002); „Virtuelle Universität Virtuelles Lernen" (2001), „Lernplattformen für das virtuelle Lernen" (2003). Unter seinen Multimedia-Projekten sind sowohl Programme zum Erlernen der Gebärdensprache (Die Firma) als auch zum Erlernen der Statistik und Methodenlehre (Methodenlehre-Baukasten). Besonders glücklich ist er über die Systeme, die in der Lage sind, Text in Gebärdensprache zu übersetzen (EU-Projekte ViSiCAst und -

eSIGN).

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 © 2006

www.oldenbourg-wissenschaftsverlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu-

lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Margit Roth Herstellung: Anna Grosser Umschlagkonzeption: Kraxenberger Kommunikationshaus, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt Lektorat:

3-486-58003-5 ISBN ISBN 978-3-486-58003-7

Vorwort

i

Einleitung

3

KAPITEL 1

Dekonstruktion des Mythos eLearning

11

Unsere eLearning-Ziele .11 Amerikanische Zahlenspiele .15 Online-Kurse als Kompensation .27 Warum funktioniert dieses System? .38 Digital Divide: Schere zwischen Arm und Reich .45

Qualität im eLearning .49 Meine Zweifel

an unseren

Zielen

.62

VI

eLearning: Einsichten und Aussichten

Kapitel 2

Die Diversität der Studierenden und eLearning

65

Vorbemerkung

.65 Die Diversität in den Hochschulen der USA .71 Warum ist Diversität auch für uns wichtig? .74 Motivation und Angst .76 Kognition und Lernstile .81 Kognitive Operationen und kognitive Niveaus .97 Lernstrategien .100 Kulturelle und ethnische Diversität Studierender .103 Lernpräferenzen und ihre Abhängigkeit von institutionellen Faktoren. 104 Die Gender-Problematik .106 Diversität als Marketing-Maßnahme? 108 .112 Rückkopplung .

Kapitel 3

Adaptive Lernsysteme als Lösung der Diversitätsproblematik ?

113

Adaptive Lernsysteme .113 Methoden der Adaptivität .127 128 Adaptivität als Lösung der Diversitätspoblematik? .

Offene Lernsituationen

KAPITEL 4

Der Diskurs im

.131

eLearning

135

Vorbemerkung .135 136 Erste Annäherung: Was ist ein Diskurs nicht? Zweite Annäherung: Was ist ein Diskurs? 139 141 Sprechakte .

.

.

Warum interessiere ich mich für den Diskurs? .143 148 Beobachtungen zur Kommunikation im eLearning der Online-Kommunikation 150 Analyse Unterschiede von Chat und Forum .155 157 Chat: Synchrone Kommunikation 162 Foren: Asynchrone Kommunikation .

.

.

.

VII

Inhalt

Vergleich von Chat und Forum .171 Methoden zur Förderung des Diskurses .172 Visualisierung von Argumentationen .175 Software für die Konstruktion von Argumenten .178 .189 Konsequenzen .190

Diskussion

Kapitel 5

Didaktische Szenarien im eLearning

191

.191 Didaktische Szenarien bündeln die Vielfalt .199 Konzepte für die Beschreibung von Szenarien .202

Vielfältige Formen von eLearning in der Lehre

Kapitel 6

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

205

Vorteile oder Mehrwerte von eLearning .205 Die Überwindung der Zeitschranke: Vernetzte Lernphasen und Virtualisierung der Zeit .210 Die Überwindung der Raumschranke: Vernetzung und Virtualisierung verteilter Objekte .219 Die Überwindung der Analog-Digital-Schranke: Interaktivität von Lernobjekten .239 Lernen durch Üben mit interaktiven Lernobjekten .243 Die Überwindung der Normenschranke: Expansion der Lernchancen .249

KAPITEL 7

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

255

Vorbemerkung .255 Werkzeuge für den niedrigschwelligen Einstieg .257 Assignments: Varianten der Aufgabengestaltung .264 Fragen stellen .267

Streitgespräche .269 Digital Storytelling: Lernen durch Narration .272 Medien einsetzen

.276

VIII

eLearning: Einsichten und Aussichten

Fallbasiertes Lernen: Praxisbezug .277 .Multiple Views': Kritisches Denken, Reflexion und Diversität im Lernen .282 Sequenzierung der Inhalte .287

Lernmodelle .291 Unterrichtsmethoden .294

Anhang:

Der SAT

297

.297 Der SAT .298 Ausschnitte aus einem SAT-Testbogen .300 Kritik am SAT .306 ACT .307 Konsequenzen .308

Vorbemerkung

Literaturverzeichnis

311

Autoren

339

Sachbegriffe

345

Abbildungen

353

Tabellen

359

Vorwort

Dieses Buch fällt in eine Phase europäischer Bildungspolitik, die durch die gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister von Bologna vom 19. Juni 1999 zur Schaffung des europäischen Hochschulraumes als Schlüssel zur Förderung der Mobilität und arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung seiner Bürger geprägt ist [http://www.bmbf.de/pub/berlin_communique.pdf]. Seitdem stehen die Hochschulen unter dem Druck der Transformation der Studiengänge in die Bachelor/Master-Studienstruktur. Es ist das erste Mal, dass in Europa auf bildungspolitischem Gebiet die nationalstaatliche Ebene überschritten wurde. Merkwürdigerweise findet in Deutschland zeitgleich eine politische Debatte zwischen Bund und Ländern über die Rücknahme der bildungspolitischen Kompetenzen des Bundes statt. Die Bachelor/Master-Struktur stammt aus England und den USA. Die dort historisch gewachsenen Strukturen und Institutionen sind allerdings erheblich variantenreicher und flexibler als es sich die Bildungsminister Europas offenbar vorgestellt haben. Nachdem ich in Diskussionen über diese Frage immer mehr erkennen musste, wie wenig wir über das als Vorbild herangezogene amerikanische Bildungssystem wirklich wissen und wie sehr dieses Nichtwissen unsere Ziele bei der Einführung des eLearning gefährden kann, erhielt das Buch sein erstes Kapitel, eine Analyse des eLearning in den USA. Das zweite Kapitel fasst erstmalig meine Forschungen zur Diversität der Studierenden zusammen, die seit 1980 in Abständen durchgeführt wurden. Das dritte Kapitel mit der Studie zum Diskurs im eLearning verdankt ihre Existenz einer Auseinandersetzung über die Wissenschaftlichkeit der Kommunikation im eLearning. In beiden Studien geht es um Fragen der didaktischen Qualität im eLearning und zugleich um komplexe theoretische Fragen der Didaktik.

Kapitel sind als Gegengewicht zu den empirisch und theoretisch aufgeladenen ersten vier Kapiteln gedacht. Der Gedanke, eine .Didaktik light' für eLearning zu beschreiben, wurde angeregt durch Anfragen von Kolleginnen und Kollegen, die mit eLearning beginnen wollten und beim didaktischen Design des Lernmaterials ihr Kompetenzdefizit in der Didaktik erkannten. Ihnen will ich helfen, einen leichten Einstieg ins eLearning zu finden und dabei

Die anderen

trotzdem didaktisch vertretbare Methoden zu verwenden. Dazu müssen im letzten Kapitel viele Beispiele aus der Praxis herhalten, und ich muss das Wagnis eingehen, wegen einer popularisierenden Didaktik von der Fachwelt kritisiert zu werden.

Insofern besteht das Buch aus zwei Teilen, einigen stark empirisch orientierund zugleich theoretisch fundierten Kapiteln zu Entwicklungen und Trends mit gravierenden bildungspolitischen Konsequenzen und einem eher pragmatischen Teil für den leichten Einstieg in die virtuelle Lehre. Der erste Teil dürfte besonders die erste Hochschullehrergeneration im eLearning ansprechen, der zweite Teil ist mehr für die nächste Generation der Lehrenden im eLearning gedacht. ten

Danksagungen

Es ist ein Wagnis, sich mit amerikanischer Bildungspolitik und der Situation des eLearning in den USA zu befassen, selbst wenn man oft in den USA gewesen ist. Ich bin deshalb froh, von meiner amerikanischen Kollegin Debora Weber-Wulff Rückendeckung für die meisten meiner Einsichten und Interpretationen der amerikanischen Bildungsstatistik bekommen zu haben. Gabi Reinmann danke ich für die vielen hilfreichen Kommentare, die mich vor allzu voreiligen Verallgemeinerungen bewahrt haben. Mit Christian Stary habe ich einen intensiven Austausch über Sprechakttheorien und ihre Relevanz für den didaktischen Wissenstransfer geführt. In meinen Projekten sind einige Multimedia-Anwendungen entstanden, auf die ich sehr gern als Beispiele in meinen Publikationen zurückgreife, z.B. „Die Firma" zum Lernen der Gebärdensprache, die Übersetzung von Text in Gebärdensprache und deren Darstellung durch Avatare in „ViSiCast" und „eSIGN" sowie der „MethodenlehreBaukasten" zum Lernen der Statistik. Das Zustandekommen dieser Programme verdanke ich Christiane Metzger, Heiko Zienert (für „Die Firma"), Thomas Hanke (für „ViSiCast" und „eSIGN") und Klaus Nuyken (für den „Methodenlehre-Baukasten"). Jasmin Hamadeh und Anke Grotlüschen danke ich für die Überlassung von Chat-Beispielen aus ihren virtuellen Seminaren. Und vielen anderen danke ich dafür, dass sie mich gedrängt haben, mich an ein neues Buch zu setzen und einige meiner Vorträge als Buch zu veröffentlichen.

Einleitung

Nur ist

wer

vor

nicht sucht,

Irrtum sicher. Albert Einstein

eLearning und Blended Learning

Wer sich in den letzten Jahrzehnten daran gewöhnt hat, Präsenzhochschulen und Fernuniversitäten zu unterscheiden, mag zunächst erstaunt sein, dass die aktuelle Diskussion mehr die Integration des eLearning in die Präsenzlehre betont als die Schaffung virtueller Universitäten, obwohl letzteres Ziel vor wenigen Jahren (s. Schulmeister 2001) noch als das am ehesten erstrebenswerte, weil allein profitable Ziel von eLearning galt, wenngleich es auch damals schon nicht unumstritten war. In der Tat ist die Integration von eLearning in die Präsenzlehre, das sogenannte Blended Learning, sinnvoll. Sie verfolgt mehrere Ziele: •





die Präsenzlehre und das Selbststudium der Studierenden können durch den Zugriff auf Informations-Ressourcen und Lernobjekte, auf Daten und Medien im Internet erheblich bereichert werden die Betreuung der Studierenden kann auch in den Phasen zwischen Lehrveranstaltungen verbessert und durch dafür speziell entwickelte Lernmaterialien und computergestützte Kommunikationsmethoden unterstützt werden durch Einbeziehung des Internets in die Lehre können die Aktualität und der Umfang der Lehrinhalte gesteigert werden

4

eLearning: Einsichten und Aussichten



die Chancen für Studierende, die durch besondere Bedingungen am Präsenzstudium nur eingeschränkt teilnehmen können, können durch eLearning stark verbessert werden: in ihrer Mobilität behinderte Studierende, temporär erkrankte Studierende, halb oder voll berufstätige Studierende und familiär gebundene Studierende sowie studierende Mütter mit kleinen Kindern und Studierende mit Auslandsstipendien können orts- und zeitunabhängig an Lehrveranstaltungen teilnehmen und müssen auf diese Weise kein Semester versäumen.

Diese Argumente scheinen mir die wichtigsten Gründe zu benennen, die uns veranlassen können, eLearning auch in einer Präsenzhochschule anzubieten. Wenn im Folgenden von eLearning die Rede ist, so ist damit in der Regel ein Ensemble von Online-Lernen und Präsenzlernen, das sogenannte Blended Learning gemeint. Der Leser wird aber aus dem Kontext heraus auch sicher die Stellen identifizieren können, an denen ich mit dem Begriff eLearning ein reines Fernstudium bzw. das amerikanische Distance Education meine. Historische Vorläufer von

eLearning

Im Grunde ist TICCIT waren

e-Learning viel älter als man vermuten würde: PLATO und Lernprogramme für Schüler, die auf Computern im Time-Sharing-Verfahren in einer Art begrenztem Netzwerk liefen (Schulmeister 1997 und 2002, S. 98ff). Die Schülerstationen befanden sich allerdings in festen Computer- oder Klassenräumen. Also, ortsunabhängig war diese Form des eLearnings noch nicht. Aber immerhin gab es bereits Netzwerke, und das Lernprogramm befand sich auf einem zentralen Host-Computer, an dem mehrere Lernerstationen angeschlossen waren. Email

gab es in frühen Formen bereits seit 1970. Selbst die Methode der Computer-Konferenz ist älter als man vermuten würde: Sie wurde bereits 1970 von Murray Turoff unter dem Namen EMISARI entwickelt (Hiltz & Turoff 1978) und wurde sogar schon damals für Lernzwecke eingesetzt. Fernstudium und eLearning

Das Fernstudium ist bis in die 90er Jahre klassisches Korrespondenzstudium gewesen. Nach der Erfindung des Fernsehens wurde viel mit Fernsehübertragung oder Video gearbeitet. Noch Ende der 80er Jahre wurden selbst von der Europäischen Gemeinschaft große Fernstudienprojekte mit Satellitenübertragung und regionalen Empfangsstationen für Unterrichtsfernsehen mit Millio1. Distance Education (DE) wird in amerikanischen Statistiken als Sammelbegriff sowohl für das klassische Fernstudium (Korrespondenzstudium), das heute ebenfalls mit virtuellen Komponenten arbeitet, als auch für die als Ergänzung zum Präsenzstudium angebotenen „online courses" (DE courses; virtuelle Kurse) gebraucht.

Einleitung

5

gefördert. Das Fernstudium in den USA, Kanada, Mexiko, Südamerika Norwegen, Thailand und andernorts funktionierte als Übertragung von Sendungen in großen Netzwerken per Satellit, die in ärmeren Gegenden in Empfangsstationen oder Lernzentren empfangen wurden (Farrell 1999; Schulmeister 2001). Die Abgrenzung des eLearning vom Fernstudium ist schwierig: In den USA werden beide Formen häufig, z.B. in den Statistiken, unter dem Begriff Distance Education zusammengefasst. Und tatsächlich entwickelt sich das Fernstudium gerade in den großen kanadischen Fernuniversitäten sukzessive in Richtung des eLearning. nen

Online-Seminare per Email

Selbst die ersten virtuellen Seminare gab es schon Mitte der 80er Jahre, sie begannen als Email-Seminare, also als echte elektronische Korrespondenz-Seminare, nachdem man gerade die Möglichkeiten der Peer-to-Peer (P2P)Verbindung von Computer zu Computer entwickelt hatte. Starr Roxanne Hiltz und Murray Turoff zählen zu den Pionieren des eLearnings per Kommunikation. Ihr erstes Buch „The Network Nation: Human Communication via Computer" erschien bereits 1978. Es wurde 1993 nachgedruckt, nachdem es in einigen Thesen, vor allem Prognosen, revidiert worden war, denn alle vorhergesagten Trends traten sehr viel später ein als gedacht. Hiltz

(1994) berichtet über ein Experiment mit einem sog. virtuellen Klassen-

raum, das bereits

1985-1987 zwischen New Jersey in den USA und Upsala in Finnland stattfand. Anfangs wurde mit Email experimentiert, bevor Methoden hinzukamen, die Informationen aufbewahren, ordnen und Kommunikation transparent machen konnten wie Bulletin Boards, Foren mit thematischen Fäden (Threads) oder Konferenzsysteme. Die Möglichkeiten, Arbeitsgruppen und Räume im virtuellen Raum einzuteilen und zeitgleich agieren zu lassen, waren beschränkt. Aber dennoch lassen sich diese frühen Aktivitäten, die recht bald unter dem Begriff Virtual Classroom™ versammelt wurden, als Formen des eLearnings einordnen. Den Begriff Virtual Classroom™ hat sich das New Jersey Institute of Technology (NJIT), an dem Hiltz und Turoff gearbeitet haben, als Warenzeichen (Trademark) eintragen lassen [http:// w w w. nj it.edu/old/Trademark/VC_Regi stration .html ].2

2. Ich zitiere im Folgenden häufig Quellen aus dem Internet. Ich gebe nur bei solchen URLs ein Datum an, die nicht mehr an der ursprünglichen Adresse aufgefunden wurden. Alle anderen URLs wurden in der Zeit von Januar bis Februar 2006 (erneut) aufgesucht. Bei Online-Dokumenten gebe ich keine Seitenzahlen an.

6

eLearning: Einsichten und Aussichten

Software-Werkzeuge für

entwickelt, mit deren Hilfe alte und

eLearning

Seit diesen frühen

Experimenten

wurde eine Vielfalt neue

an

Software-Systemen

Medien, Software-Werkzeuge und

technische Kommunikationsmethoden im Unterricht sowohl offline als auch

online, sowohl asynchron als auch synchron eingesetzt werden können. Es ist hier allerdings nicht der Ort, auf diese eLearning-Systeme und -Methoden detaillierter einzugehen (s.a. Schulmeister 2003). Einige Unterscheidungen sollen an dieser Stelle dennoch wenigstens erwähnt werden, weil die Begriffe in der Argumentation immer wieder benutzt werden: •







Es gibt Serversysteme mit großen Datenbanken für den Datei-Austausch wie BSCW [http://bscw.fit.fraunhofer.de], in denen Lehrende und Lernende Bilder, Filme, Audiodateien, Texte, Links und andere Dokumente speichern und runterladen können, in denen sie diese Dokumente aber nicht lesen oder bearbeiten können.3

In den letzten Jahren recht bekannt

geworden ist die Software-Gattung der Learning Management Systeme (dt. Lernplattform, abgekürzt LMS), in denen mit Hypertext-Büchern, CBT-artigen Übungsprogrammen und Tests online gelernt werden kann (Schulmeister 2003); als Grundlage für Lernplattformen, als Speicher für Lernobjekte spielen zukünftig die Content Management Systeme (CMS) (Baumgartner & Häfele 2004) eine Rolle. Noch vergleichsweise unbekannt sind die unter dem Begriff Virtueller Klassenraum (engl. Virtual Classroom, VC) bekannten Systeme, die für die Kommunikation einen Chat-Kanal zur Verfügung stellen oder auch einen Audio- oder Videokonferenz-Modus anbieten, die eine gemeinsame Nutzung von Anwendersoftware zulassen (sog. „shared application") und die für das kooperative Lernen den Arbeitsgruppen mehrere „Räume" zum gemeinsamen Lernen anbieten. Eine rasche Verbreitung finden Wiki-Systeme, in denen Freiwillige Lexika entwickeln, Rezensionen sammeln oder andere Wissensgebiete komplettieren. Dies gilt auch für WebLogs, halboffene Umgebungen, deren Eigentümer beispielsweise Tagebücher führen oder aktuelle Ereignisse kommentieren, worauf die Leser mit eigenen Beiträgen reagieren können, Links setzen, so dass allmählich kleine Subnetze im Internet entstehen, in denen auch wissenschaftliche Themen diskutiert werden können.

man bereits den Begriff „cooperative" im Titel von BSCW für eine Übertreibung hält, weil es sich bei BSCW um einen ausschließlich asynchron funktionierenden Dateiserver handelt, dann ist die Zuschreibung, man habe mit BSCW eine „Wissensmanagementplattform" verwendet (so Silvia Hellmer 2005, S. 235) erst

3. Wenn

Recht übertrieben.

7

Einleitung

Bildungspoliti-

sche Trends und deren Risiken für

eLearning

Meine Ziele für das eLearning

Nun sind die

erwähnten Vorteile von eLearning nicht die einzigen beobachten und im Auge zu behalten gilt: Zur Chronistenplicht gehört es, auch die Rückwirkung der Trends der amerikanischen Bildungspolitik auf das noch junge eLearning zu analysieren, um die drohenden Konsequenzen, die die europäische Hochschulpolitik seit Bologna für das eLearning haben kann, besser vorhersehen zu können. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Bologna nichts anderes ist als eine schematische Imitation des amerikanischen Bildungssystems.

Trends, die

Ist

eingangs

es zu

eLearning

nur

„Click Education"? frage ich im

ersten

Kapitel,

um

einen

Ausdruck des Präsidenten des Teachers College der Columbia University aufzugreifen. Ich stelle auf den Prüfstand, ob und wie weit meine eigenen Ziele inzwischen erreicht worden sind und ob es sich bei den viel gelobten amerikanischen Fernstudienangeboten nicht eher um ein „Zerrbild" der Forderungen nach offenen und authentischen, selbstgesteuerten und problemorientierten

Lernumgebungen handelt. Kapitel analysiere ich anhand der Statistiken von amerikanischen Bildungsforschungsinstitutionen über den Zeitraum von 1999 bis 2005 die großen Zahlen, die die Profitabilität des amerikanischen Fernstudiums belegen sollen, und diskutiere die tatsächliche Nutzung von eLearning-Angeboten aus bildungspolitischer und didaktischer Sicht. Es geht mir dabei um die Dekonstruktion des Mythos Amerika, um die Befreiung von dem Druck, den die angeblich großen Dimensionen des eLearnings in den USA auf unsere Politiker ausüben, und gleichzeitig geht es mir um die potenziellen Folgen von Bologna. Bedauerlicherweise sind die Apologeten des expansiven eLearnings, in Deutschland ausgestorben. Sonst stünden uns herrliche Auseinandersetzungen bevor. Im ersten

Dekonstruktion der amerikanischen eLearningStatistiken

Die

riesigen Zahlen des U.S. Departments for Education zum Online-Studium wenn man weiß, auf welcher Grundlage sie beruhen. Die für die Nutzung von Online-Kursen ist die Kompensation Hauptmotivation für nicht geschaffte Leistungspunkte im Präsenzstudium. Der Druck der Studieneingangstests erzwingt die virtuelle Nachhilfe, die Anforderungen des Bachelor erzeugen die Nachfrage für die virtuelle Lehre. Es sind pragmatische Gründe wie Bequemlichkeit, die als Gründe für die Nutzung von eLearning genannt werden, und nicht die didaktischen Möglichkeiten und Vorteile dieser neuen Lehrform. Die Nachfrage nach Online-Kursen, mit denen sich die für die berufliche Laufbahn benötigten Leistungspunkte erwerben lassen, steigt in den USA rasant, aber ein Anstieg der Lehrqualität ist damit nicht verbunden. werden relativ klein,

8

eLearning: Einsichten und Aussichten

Während die Fernstudienkurse boomen, scheinen die amerikanischen Privatschulen sich als Refugium für Präsenzlehre und für Qualität reservieren zu wollen. Das Studium dort muss teuer bezahlt werden, dafür erleben die Studenten eine traditionelle „Campus Experience", und hochqualifiziertes Lehrpersonal steht ihnen persönlich zur Verfügung. Im Umkehrschluss produziert billige Online-Lehre dann auch billige oder gar keine Forschung. So spaltet sich das Studienangebot in Elite und Masse, Brick Education und Click Education. Ist eLearning die Reparaturmaßnahme für das System, das wir mit dem Bachelor und Master gerade einführen? Zur Diskussion dieser Frage will ich anregen und einige Antworten will ich selbst versuchen.

grundlegenden Zweifeln und der Kritik an den möglichen negatibildungspolitischen Trends, die das von uns konzipierte eLearning in eine ganz andere Ecke drängen könnten, will ich mich in den weiteren Kapiteln den inneren Fragen des eLearnings zuwenden. Die Diversität Studierender und die didaktischen Konsequenzen für eLearning werden im zweiten Kapitel diskutiert. Anschließend diskutiere ich die Frage, ob adaptive Lernsysteme eine Lösung für die Diversitätsproblematik sind, sowie die Frage, wie ich als Lehrender die Studierenden zu anspruchsvollen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, zu wissenschaftlichen Diskursen motivieren kann. Nach diesen ven

Die Diversität der Studierenden

Zur problematischen Seite des eLearnings zählen alle Fragen des didaktischen Designs. Einer der relevanten Aspekte jedes didaktischen Designs ist die Diversität der Studierenden und die Problematik, wie mit Diversitätsaspekten didaktisch umzugehen ist. Was macht die Diversität der Studierenden aus? Der Beitrag geht auf Forschungen zu einigen lernrelevanten Variablen ein, die die Diversität der Studierenden ausmachen: Motivation, Kognition und Lernstile, Lernstrategien, Lernpräferenzen, Bewusstsein und Selbstreflexion.

Sind

Warum ist die Diversität der Studierenden ein wichtiges Thema? Sie hat Folgen für die Gestaltung des Unterrichts. In der Diskussion spielen Vorstellungen eine Rolle, die von der Berücksichtigung differierender Lernerfahrungen und innerer Differenzierung des Unterrichtens über die Diversifizierung des Lernmaterials und die Auswahl von Lehrmethoden, die mit unterschiedlichen Lernstilen und Motivationen interagieren, bis hin zu adaptiven Lernsystemen reichen, die sich an die Lernereigenschaften anpassen sollen. Um über das Fazit schon mal die Spannung zu erhöhen: Ich beabsichtige nicht, eine Diskussion darüber zu führen, ob adaptive Systeme eine Lösung für etwas sein können, ich behaupte, dass sie keine Lösung für irgendetwas sind.

adaptive Systeme eine Lösung?

Einleitung

Der Diskurs im

eLearning

Mehrwert des

eLearning

9

Eine schwierige Aufgabe, aber ein bedeutendes Ziel der Lehre vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist der Diskurs. Diskurse zwischen Lehrenden und Lernenden sind schon unter normalen Bedingungen der Präsenzlehre schwer zustande zu bringen, um so schwieriger aber im eLearning. Zunächst möchte ich in dem Kapitel daran erinnern, was Diskurse in der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Ausbildung eigentlich sind, haben wir doch in unserer Alltagskommunikationen eine arge Inflation des Begriffs einschleichen lassen. Dann will ich klären, warum Diskurse im eLearning schwer zu verwirklichen sind. Schließlich gehe ich auf Forschungsprojekte ein, die Software-Methoden für die Unterstützung von wissenschaftlichen Argumentationen in eLearning-Umgebungen entwickeln wollen.

Wie häufig wird man gefragt, worin denn die angeblichen Vorteile von Multimedia bestünden und ob man dasselbe nicht mit Tafel und Kreide oder auf Papier erreichen könne! Analoge Fragen werden zu eLearning gestellt, z.B. warum man eLearning einführen wolle, obwohl doch alle Studierenden vor Ort seien. In dem Kapitel des Buches versuche ich, einmal auf andere Weise Antworten auf diese Fragen zu geben: eLearning und Multimedia helfen, bestehende Schranken für Lernen und Lehre zu überwinden: die Zeitschranke, die Raumschranke, die Getrenntheit der analogen Medien und die Barrieren normativer Einstellungen. Betrachten wir eLearning aus dieser Sicht, so wird sehr deutlich, dass eLearning trotz aller politischer Bedenken enorme Vorteile für Lehre und Lernen haben kann, technische, organisatorische und mediale Vorteile, aber durchaus auch einen didaktischen Mehrwert. Während sich dieses Kapitel damit befasst, was prinzipiell getan werden könnte, um vorhandene Schranken des Lernens zu überwinden, ohne Rücksicht darauf, was die Entwicklung solcher Lösungen vielleicht kosten mag tatsächlich referiere ich in dem Kapitel einige Beispiele, die hohe Projektkosten hatten —, gehe ich im nächsten und letzten Kapitel auf Beispiele ein, die wenig technischen Aufwand voraussetzen und geringe Sachmittel benötigen.



Praktischer Einstieg in eLearning

Da eLearning über enorme Potenziale für die Lehre verfügt, möchte ich schließlich Konzepte oder Rezepte für eLearning für den Hochschullehrer vorstellen, der gern damit anfangen möchte und dem die Einstiegsschwelle ohne Hilfestellung verständlicherweise zu hoch ist. Der

Zugang sollte nicht zu Anforderungen, auf

schwer gemacht werden. Gerade angesichts der technischem und softwaretechnischem Gebiet, die eines muss Möglichkeit niedrigschwelligen Zugangs oder Eintritts in die bestehen. Dies muss auch für die Didaktik gelten. Wenn QuaeLearning-Welt neuen

10

eLearning: Einsichten und Aussichten

didaktischer Sicht hohe Multimedialität, hohe Interaktivität, hoher Programmieraufwand, Kreation von Lernumwelten mit hoher Komplexität oder gar quasi-intelligente Programme bedeuten würde, dann würden wir nie über Prototypen hinauskommen.

lität

aus

,niedrigschwelliger Zugang' soll sich dabei einerseits auf die Softwaresysteme beziehen, die für eLearning benutzt werden müssen, andeDer Ausdruck

rerseits aber auch auf den Einsatz didaktisch alternativer Methoden, die einen deutlich geringeren Entwicklungs- und Gestaltungsaufwand verlangen, ohne dabei gravierende Abstriche von dem didaktischen Anspruchsniveau zu machen. Ich habe bei der Auswahl der Beispiele darauf geachtet, dass sie keine hohen Kosten verursachen, und ebenso bei der Auswahl der didaktischen Methoden, dass der Aufwand der Lehrenden, sie zu verstehen und einzusetzen, möglichst gering ist. Insofern wird der Ausdruck ,einfacher' Zugang zum eLearning dem Sachverhalt nicht gerecht, es geht zugleich um einen kosten-

günstigen Zugang.

Einblicke und Ausblicke

Das Buch geht auf bildungspolitische Aspekte ein, es warnt vor Fehlentwicklungen in der Zukunft, gerade im Zusammenhang mit der Bachelor/MasterTransformation der europäischen Studiengänge. Es preist aber auch die Vorteile und den Mehrwert von Multimedia und eLearning und bietet Lehrenden konsequenterweise Tipps für den einfachen Einstieg ins eLearning.

Die Argumentationen im Buch sind voller Widersprüche, sie sind voller Skepsis und voller Zuversicht. Sie zeichnen kritische Tendenzen und hoffnungsvolle Perspektiven. Sie raten ab und raten zu. Was überbrückt diese Gegensätze? Ein Verlangen nach der Qualität des Lernens und Lehrens und der Wunsch, dass auch eLearning einen Beitrag dazu leisten möge. Mein denken über die meisten der in diesem Buch angeschnittenene Themen ist nicht abgeschlossen. Die angesprochenen Probleme bleiben offen, und es wird wohl notwendig sein, sich dieselben Fragen in Abständen erneut zu stellen.

KAPITEL 1

Dekonstruktion des Mythos

eLearning Wir brauchen eine neue Bildungsreform, die sich nicht darauf beschränkt, Erkenntnisse der Organisationslehre und der Betriebswirtschaft auf Schulen und Hochschulen zu übertragen.

Johannes Rau 2004

1.1

Unsere

eLearning-Ziele

Ich erinnere mich (nicht ungern) daran, dass wir in den letzten Jahrzehnten in der Hochschuldidaktik und im letzten Jahrzehnt speziell in der Diskussion um Multimedia und eLearning stets wertvolle didaktische Ziele und Konzepte vertreten und propagiert haben. Ich habe Plädoyers für offene Lernumgebungen gehalten, Methoden für das selbstgesteuerte Lernen entworfen, den Wert der Kommunikation und Interaktion im Lernprozess betont, die Funktion der Authentizität der Inhalte und Gegenstände des Lernens analysiert, Ideen für konstruktivistische Lernaufgaben skizziert, die Verbreitung des problemorientierten Lernens in der Medizin mit Interesse verfolgt, Lernprogramme mit dem Anspruch des Entdeckenden Lernens entwickelt, projektorientierte Lehre entworfen und die Bedeutung des wissenschaftlichen Diskurses für das Lernen

herausgestellt.

/2

eLearning: Einsichten und Aussichten

einig4,

Ich weiß mich in diesen Zielen mit vielen meiner Kollegen auch mit Derek Bok (2003, S. 170), der Dekan der Harvard Law School und immerhin 20 Jahre lang Präsident der renommierten Harvard University gewesen ist. Er skizziert das Versprechen des eLearning wie folgt: „The promise of the new educational technology lies in developing highly interactive classes that make good use of simulations, case-method discussions, games, and other means of provoking discussion among students and instructors."

Die Amerikanisierung der

Bildung

Wenn ich mir heute anschaue, was sich unter den von unseren europäischen Hochschulpolitikern zum Vorbild erkorenen amerikanischen Bachelor- und Masterstudiengängen, deren eLearning-Angeboten und dem amerikanischen Fernstudium (Distance Education, DE) verbirgt, wobei unter letzterem auch die Angebote der amerikanischen virtuellen Universitäten mitgemeint sind, erkenne ich eher ein Zerrbild meiner Ziele5: In den USA dient die Masse des eLearning gar nicht der Bachelor-Ausbildung, die meisten eLearning-Angebote folgen dem klassischen Modell des Korrespondenzstudiums und sind in Gefahr zur Reparaturmaßnahme für ein zum Problem gewordenes BachelorMaster-Studienmodell zu degenerieren. Wir sind auf dem besten Wege, genau diese Entwicklung zu kopieren wenn wir ,







Bachelor- und Master-Studiengänge einführen (nur dreijährig) auf das dreizehnte Schuljahr verzichten, das der Grund für den dreijährigen Bachelor gewesen ist die Studierenden anders selektieren als durch das Abitur, nämlich durch Bewerbungsunterlagen, Studieneingangstests wie dem SAT7 oder dem ACT und durch persönliche Gespräche

4. siehe etwa die

Beiträge im Band von Horst Mayer und Dietmar Treichel (2004) selbstgesteuerten und handlungsorientierten Lernen. oder .unserer' Ziele, wenn ich die Einstellung meiner Leser antizipieren darf. Neuerdings importieren wir sogar die Graduiertenkleidung aus England und Amerika (graduation caps und gowns) und gestalten die Abschlussfeiern auf amerikanizum

5. 6.

sche Art (z.B. die Universitäten Bonn und Greifswald und die IUB Bremen). Auch die Professoren treten wieder in den tradierten Talaren auf [http://www.uni-

7.

bonn.de/www/Universitaetsfest/Talar.html; http://www.uni-bonn.de/www/Universitaetsfest/Willkommen.html], die bei Firmen ausgeliehen werden können, z.B. bei der Talaris e.K. in Bremen [http://www.talaris.de/]. SAT ist ein Akronym für Scholastic Aptitude Test [http://www.collegeboard.com/], den einige amerikanische Universitäten als Studieneingangstest benutzen. Politische und methodische Kritik begleitet seit jeher den SAT (Bowen & Bok 1998, S. 16). Im Anhang werde ich ausführlicher darauf eingehen, da die Analyse des Tests wichtige Begründungen für Argumente in diesem Kapitel liefert.

Dekonstruktion des Mythos





13

eLearning

Studiengebühren einführen Teilzeitstudierende als Teilzeitstudierende

zum

Studium zulassen

genau wie die Amerikaner! —

Absehbare Ent-

wicklungstrends

Kritische Stirn-

Qualität eLearning

men zur

des

In dieser Situation stellt sich mir die Frage, ob eine intensivere Einsichtnahme in das amerikanische Bildungssystem uns eventuell mehr über die zu erwartenden bildungspolitischen Entwicklungen und Konsequenzen des BachelorMaster-Systems erzählen könnte. Ich will diese Frage allerdings nicht als allgemein bildungspolitische Frage erörtern, sondern die Diskussion auf die bildungspolitische Rolle des Online-Studiums im amerikanischen tertiären Bildungssystem konzentrieren. Neben den Propagandisten der virtuellen Universitäten und des virtuellen Studiums (s. Schulmeister 2001) gibt es auch in den USA Kritiker dieser Entwicklung. So äußert sich beispielsweise Mitchel Resnick (2002) vom Media Lab des MIT kritisch zur Didaktik des Einsatzes von Technologie im Unterricht generell: „In

places where new technologies are being used in education today, technologies are used simply to reinforce outmoded approaches to learning. Even as scientific and technological advances are transforming agriculture, medicine, and industry, ideas about and approaches to teaching and learning remain largely unchanged. To take full advantage of new technologies, we need to fundamentally rethink our approaches to learning and education and our ideas of how new technologies can support them." most

the



Auch Carol Twigg (2003) macht deutlich, dass eLearning noch keine eigenen Lehrformen hervorgebracht hat: „To date, when we have applied technology to higher education, we have simply bolted technology onto our existing formats." (S. 117) Desgleichen betont die American Federation of Teachers (AFT 2003): „Today most DE courses are simply online versions of traditional courses, which means that DE has affected higher education but has not fundamentally changed the nature of the student-teacher interaction." Die AFT plädiert aus diesen Gründen für „Interactive DE" und Blended Learning. Der langjährige Präsident der Harvard University Derek Bok (2003, S. 171) führt diese Art der Billiglehre auf die Kosten zurück, die eine qualitativ hochwertige Lehre verursachen würde, Kosten, die wiederum dazu führen müssten, größere Gruppen mit einem geringeren Betreuungsfaktor einzurichten:

„In order material

to

enlarge the size of their audience, providers will favor simpler intellectually demanding coursework. By minimizing in-

over more

14

eLearning: Einsichten und Aussichten

teractivity, they will cause their students to learn less.

In these ways, the profit motive will lead universities to offer inferior instruction by trading their reputation and on the gullibility of their students."

Wird sich diese Situation je verbessern? Oder werden wir eines Tages über die Didaktik des Online-Lernens genauso den Schleier der Nichtbeachtung ausbreiten wie es in den letzten fünf Jahrzehnten mit der Präsenzlehre und ihrer Hochschuldidaktik geschah?

Wirft man einen flüchtigen Blick auf das amerikanische Bildungssystem, so stößt man zunächst auf unglaublich große Zahlen. Aber eine eingehende Analyse macht schnell deutlich, dass die uns demonstrativ vorgehaltenen großen Zahlen, die die Effektivität, die Qualität und die Profitabilität des amerikanischen Fernstudiums belegen sollen, einfach nicht stimmen können. Wenn wir nach einem Parforceritt durch die amerikanische Bildungsstatistik feststellen müssen, dass wir es bei dem sich ausbreitenden Phänomen des eLearning mit einer unheiligen Allianz von pragmatischen und ökonomischen Entscheidungen einerseits und entsprechenden Einstellungen der Studierenden andererseits zu tun haben, eine Allianz, die zum Quick & Dirty als Produktionsprinzip führt und die Machbarkeit zum obersten Prinzip erhebt, dann wird es Zeit die Frage zu stellen: Ist es sinnvoll, was wir tun? Für wen schaffen wir?

Dekonstruktion des Mythos

15

eLearning

Die Zeit der fertigen

Rezepte,

der einfachen und auswendig gelernten Formeln,

die genügten,

um

die

Komplexität unseres Lebens zu erklären, neigt sich dem Ende zu.

"

Juan Luis

1.2 Amerikanische

Cebrián, Club of Rome 1998

Zahlenspiele

Byron C.

Anderson staunte im Jahre 2002 darüber, dass er bei einer Google Suche zum Begriff .Distance Education Degree' 1.100.000 Links angeboten bekam. Ich habe die Suche wiederholt: Heute, am 22. Oktober 2005, bietet Google 39.700.000 Links an. Die Referenzen bezeichnen natürlich nicht alle Online-Degrees, es sind sicher auch viele Doubletten darunter, und ein Großteil ist den verbesserten Algorithmen der Suchmaschine zu verdanken, aber das Wachstum ist doch erstaunlich. Mehr als 3 Millionen Studierende im eLearning?

Das National Center for Education Statistics (NCES), eine Abteilung des U.S. Department of Education, ist eine Fundgrube für Daten zum amerikanischen Hochschulsystem, zu den Studiengängen, dem Fernstudium und den Studierenden der USA. NCES berichtet in ihrem Statistical Analysis Report February 2002 zur „Distance Education Instruction by Postsecondary Faculty and Staff' (Ellen M. Bradburn, NCES 2000-155), dass die USA die beeindruckende Menge von 16,5 Millionen Studierenden hätten, von denen 3,3 Millionen Studierende Online-Kurse belegen würden, dass 5,9 Prozent der Kurse als Online-Kurse (Distance Education, DE) angeboten würden und 6 Prozent des Lehrkörpers der Hochschulen mindestens einen DE-Kursus anböten. Das wäre in der Tat eine beachtliche Menge an Studierenden im eLearning, an Online-Kursen und engagierten Hochschullehrern.

8.

Byron

C. Anderson: Digital Education: The Legitimacy of the Higher Education Virtual Campus Accountability, Credibility and Accreditation. In: DESIEN vol. 7 v. 6. Juli 2002 [http://www.uwex.edu/disted/desien/2002/0207/full.htm].

16

eLearning: Einsichten und Aussichten

Im NCES Report Distance Education at Degree-Granting Postsecondary Institutions (2003-017) schätzen Tiffany Waits und Laurie Lewis die Zahl der auf verschiedenen College-Niveaus angebotenen „credit-granting" Fernstudienkurse auf 118.100, von denen allerdings 76 Prozent für Undergraduates gedacht sind. Sie schätzen, dass 2.876.000 Kursbuchungen von Studierenden erfolgten, 82 Prozent davon durch Undergraduates (was hier mit Undergraduates wirklich gemeint ist, darauf werde ich später zurückkommen). Auch Hans Weiler (2005), ehemaliger Professor der Stanford University und Mitbegründer der Viadrina Universität, meint: „Der Fernstudien-Markt in den USA ist in den letzten Jahren steil angestiegen". Zwar mahnt er zur Vorsicht, „die Zahlenangaben sind mit Vorsicht zu genießen", um sich dann aber doch deutlich beeindruckt von den großen Zahlen zu zeigen:

„aber die Größenordnungen und Wachstumsraten sind eindrucksvoll:

von

1997-98 bis 2000-01 hat die Zahl der Studierenden in Fernstudiengängen sich mehr als verdoppelt, auf über 2,8 Mio.; so gut wie alle öffentlichen Hochschulen (97 Prozent) bieten inzwischen zumindest einen Teil ihrer Lehrveranstaltungen online an; rund drei Millionen Studierende haben davon 2004 Gebrauch gemacht, 600.000 für ihr gesamtes Studienprogramm ".

Elaine Allen und Jeff Seaman (2004) berichten in ihrer für die Alfred P. Sloan Foundation angefertigten Studie „Entering the Mainstream: The quality and Extent of Online Education in the Unites States, 2003 and 2004" von 1.602.970 Studierenden, die im Jahre 2002 mindestens einen Online-Kurs gebucht haben, von 1.971.397 Studierenden im Jahr 2003. Das National Center for Education Statistics des U.S Department of Education (NCES) hat Projektionen bis 2013 veröffentlicht, die einen enormen Anstieg der Studierendenzahlen von bis zu 20 Prozent prognostizieren und jeden europäischen Hochschulpolitiker erschrecken dürften. Wie kann es angehen, dass NCES annimmt, von den 16,5 Millionen Studierenden in den USA seien 3,3 Millionen Fernstudenten, also immerhin 20 Prozent, wohingegen das Chancellor's Office der California Community Colleges (CCC 2001 ) davon ausgeht, dass 1995 erst 0,63 Prozent und 2001 erst 1,2 Prozent der Kurse Online-Kurse waren? Ich möchte in Erfahrung bringen, was sich hinter diesen und ähnlichen Zahlen verbirgt. Ich möchte im Folgenden diese Zahlen wie ein Zahlen-Detektiv analysieren und für den deutschen Leser auf dem Hintergrund unserer europäischen Erfahrungen und Kategorien interpretieren und verständlich machen. Ich werde mich zu diesem Zweck der offiziellen Daten folgender Institutionen bedienen:

Dekonstruktion des Mythos















17

eLearning

Department of Education: National Center for Education Statistics (NCES); [http://nces.ed.gov/] National Postsecondary Education Cooperative (NPEC); angesiedelt bei NCES; [http://nces.ed.gov/npec/] U.S. Department of Commerce: Economics and Statistics Administration: U.S. Census Bureau; [http://www.census.gov/] U.S. General Accounting Office (GAO); neuerlich: U.S. General Accountability Office [http://www.gao.gov/index.html] National Education Association (NEA); [http://www.nea.org/index.html] Council for Higher Education Accreditation (CHEA); [http://www.chea.org/] U.S.

American Council on Education (ACE);

[http://www.acenet.edu/] •

American Distance Education Consortium (ADEC);

[http://www.adec.edu/] •

Chancellor's Office der California Community

Colleges (CCC);

[http://www.cccco.edu/]



Sloan Consortium

(Sloan-C); [http://www.sloan-c.org/]

Folgende Sachverhalte sind erwähnens- und bedenkenswert, Interpretation dieser großen Zahlen geht: enrollments' sind

Kursbuchungen,

nicht Personen

wenn es um

die

Erstens muss berücksichtigt werden, dass als „enrollment" im Fernstudium nicht der individuelle Studierende, sondern die einzelne Einschreibung oder Kursbuchung gezählt wird. Die Statistiken gehen von zwei verschiedenen Formen von Einschreibungen aus: Den Immatrikulationen in einer Präsenzhochschule (16,5 Millionen), die pro Person gezählt werden, und den Einschreibungen in Online-Kurse (3,3 Millionen), die pro Kurs gezählt werden. So kommt es zur Doppel- und Mehrfachzählung ein- und desselben Studenten, sobald er mehrere Kurse belegt (CCC 2001), d.h. die große Zahl von 3,3 Millionen reduziert sich mindestens um die Hälfte, wenn wir aussagen wollen, wieviele Studierende Online-Kurse buchen. Die Studierenden belegen allerdings überwiegend nur einen DE-Kurs (CCC 2001b; Allen & Seaman 2003). Deshalb heißt es in den meisten Statistiken: ,Studierende, die mindestens einen Online-Kurs gebucht haben'. Auf die Gründe für dieses Belegoder Studierverhalten, sich in einer Präsenzhochschule einzuschreiben, dann aber zusätzlich einen oder mehrere Online-Kurse zu belegen, werde ich später noch zurückkommen (s. Kap. 1.3, „Was wissen wir über die Klientel? OnlineKurse als Kompensation", S. 27).

18

eLearning: Einsichten und Aussichten

Ein solches Belegverhalten erklärt sich daraus, dass die Studierenden primär regelhaft in einer Präsenzhochschule, einer on-campus Universität, eingeschrieben sind (CCC 2001; AFT 2003): „The promise of greatly increased access to new student populations expressed in the early DE literature has not materialized. In fact, the vast majority of students taking online DE classes are actually enrolled in traditional brick-and-mortar campuses." (Heterick & Twigg, S. 4). Dies zeigt sich auch an den flächendeckenden Evaluationen der University of Central Florida [http://pegasus.cc.ucf.edu/~rite/impactevaluation.htm#Who]: Die Mehrheit (75-80%) ihrer Online-Studierenden sind in erster Linie Präsenzstudierende. Robert Zemsky und William Massy (2004) bestätigen diesen Sachverhalt in einer Studie der University of Pennsylvania: „At the institutions participating in the study, more than 80 percent of their enrollments in ,online' courses came from students already on their campuses."

Die meisten Studenten werden mehrfach gezählt, als Immatrikulierte einer oncampus Universität und als Kursbucher. Sie sind mehrheitlich in erster Linie klassische Präsenzstudenten und nicht der neue Typus des virtuellen Studenten. Nach der Studie von Elaine Allen & Jeff Seaman (2003), die für das Jahr 2002 noch von 1,6 Millionen Studierenden ausgingen, die mindestens einen Online-Kurs buchten, stammten nur 30 Prozent der Kursbelegungen von Studierenden, die alle Kurse online absolvierten. Demnach sind ein Drittel echte Fernstudenten. Es ist deshalb geboten, die 3,3 Millionen Einschreibungen zu halbieren oder noch stärker zu minimieren, um auf die reale Zahl der Studierenden zu kommen, ganz im Sinne von Hittelmann (CCC 2001b): „These percentages are likely to be lower since students tend to take only one distance education course." Diese Differenzierung allein kann aber noch nicht hinreichend die Differenzen erklären. Wir müssen nach weiteren Gründen suchen.

eLearning ist überwiegend

Sache der Under-

graduates

Zweitens stammen 82 Prozent der Einschreibungen aus Online-Kursen auf dem Undergraduate-Niveau und nur 18 Prozent aus Kursen auf dem GraduateNiveau, wobei die staatlichen 2-year Colleges die Hauptlast der Undergraduate-Kurse tragen:

Undergraduate

Graduate

1.435.000 public 2-year 566.000 322.000 public 4-year 278.000 202.000 private 4-year Tab. I Kursbelegungen nach Hochschularten; NCES 2004

Dekonstruktion des Mythos eLearning

19

Die Differenzierung in Kurse für Undergraduates und Graduates reicht jedoch immer noch nicht aus, um uns Klarheit darüber zu verschaffen, was diese Verteilung zu besagen hat. Und deshalb muss ein weiteres Argument herhalten:

Über 50% der eLearning-Studenten

stammt

Community Colleges aus

Drittens lässt sich feststellen, dass die Masse der Online-Kurse durch 2-year Colleges oder Community angeboten wird und nicht durch 4-year die den Bachelor Institutionen, anbieten, was darauf deutet, dass die Kurse für Kurse für den Associate Degree sind, denn das Undergraduates überwiegend ist genau die Aufgabe dieser Hochschultypen, als Brücke zum Bachelor-Studium der Universitäten zu dienen und die Associate Degrees zu verleihen:

Colleges9

Zahl der Enrollments

Anzahl der Institutionen

Grad der

Beteiligung

90% public 2-year 945.000 620 89% public 4-year 589.000 .800 40% private 4-yeara Tab. 2 Beteiligte Institutionen an Online Einschreibungen; NCES 2004 a. Private 2-year Colleges sind in dieser Statistik der NCES nicht enthalten,

1.472.000

weil sie keine

nennenswerten

Anzahlen

1.070

an

Online-Kursen anboten.

Über die Hälfte der Online-Studenten stammt also aus den 2-year Colleges, in denen sie einen Associate Degree erwerben wollen (Allen & Seaman 2003).

Welche Bedeutung dieser Information wirklich zukommt und wie sich neben den Associate Degree-Studierenden der Rest ausnimmt, ist interessant und bedarf einer weiteren Differenzierung:

„Community colleges were developed, and still exist, for two major purposes. The as a bridge from high school to college by providing courses for a bachelor's degree (B.A. or B.S.). Four out of 10 college-bound high-school graduates start their college education this way. The second function of community colleges is to prepare students for the job market by offering entrylevel career training as well as courses for adult students who want to upgrade their first is to serve transfer toward

skills for workforce reentry or advancement."

[http://www.collegeboard.com/arficle/0,3868,4-21 -0-8169,00.html]

10. Hier begegnen wir dem Begriff der Associate Degrees zum ersten Mal. Es handelt sich um einen akademischen Grad unterhalb des Bachelors, der bei der BolognaReform des Studiums in Europa nicht mit angedacht wurde. Ich werde versuchen, im nächsten Abschnitt (Kapitel 3) näher zu erklären, um was es sich dabei handelt, woraus hervorgehen wird, warum die Masse der Online-Kurse dem Erwerb der Associate Degrees dienen.

20

eLearning: Einsichten und Aussichten

eLearning dient überwiegend

Viertens erkennt man im Vergleich, dass die Associate Degree-Studierenden den Löwenanteil in der Online-Ausbildung einnehmen, während die MasterStudiengänge und Promotionsstudiengänge einen geringeren Anteil haben, und die Bachelorstudiengänge, an die man in Deutschland vermutlich zuerst als Kandidat für das Online-Studium denken würde, nur einen knappen Anteil einnehmen: „The fewest online learners are in Baccalaureate (105,917 students), about an equal number in Masters and Doctoral/Research (272,096 and 209,512, respectively), and the largest number in Associates (653,600)." (Allen & Seaman 2003)

den Associate

Degrees

#

Associate

# Master

Specialized #

Doctorate

# Bachelor

Abb. 1 Herkunft der Fernstudenten nach Studienniveau (Allen & Seaman 2003)

beim Lesen der amerikanischen Statistiken generell in dass in allen Hochschulstatistiken die staatlichen 2-year stellen, Man

muss

Rechnung

Colleges"

(Junior Colleges; Community Colleges) mitgezählt werden, von denen die Masse der Online-Studienangebote stammt (Allen & Seaman 2004; Wirt, Choy et al 2004), die aber anscheinend nur ein Ersatz für die in den USA fehlende gymnasiale Oberstufe sind, wie dem Urteil der Bund-Länder-Kommission (2004) zu entnehmen ist: „Die Studieninhalte bewegen sich weitgehend

Dekonstruktion des Mythos

eLearning

21

auf dem Niveau der gymnasialen Oberstufe." Dies hat Konsequenzen für die Art des Online-Angebots, das im Wesentlichen aus Brückenkursen und Kursen im Bereich .General Education' besteht, wie ich im nächsten Abschnitt eingehender darlegen werde.

Private Hochschulen als Refugium der Präsenzlehre

Fünftens stammen 82,9 Prozent der Einschreibungen von Studierenden staatlicher Hochschulen, während nur knapp 200.000 Einschreibungen von Studierenden aus Privathochschulen stammen (Allen & Seaman 2004). Der Tabelle 2 auf Seite 19 war zu entnehmen, dass es mehr private 4-year Colleges als staatliche 2-year und 4-year Colleges zusammen gibt (die privaten 2year-Anstalten noch nicht einmal mitgerechnet!), die aber dennoch weniger als 20 Prozent der Online-Kurse anbieten. Eine solche Beobachtung öffnet Tür und Tor für eine Reihe von Vermutungen. Eine soll hier angestellt werden: Kann es sein, dass die staatlichen Hochschulen den Wettbewerbsdruck stärker spüren und deshalb Online-Studium als zusätzliche Attraktion anbieten müssen, während die Privathochschulen den Präsenzmodus als attraktives Alleinstellungsmerkmal für eine zahlende Klientel reservieren wollen? Wenn das Interesse der Studierenden, wie Arthur Levine (2003, S. 26), Präsident des Teachers College der Columbia University, meint, hauptsächlich auf ein Studium in einer on-campus Universität gerichtet ist, dann könnte er Recht haben mit der Befürchtung, dass die Option Präsenzstudium zukünftig nur wenigen vorbehalten sein wird:

11. NCES, The Conditions of Higher Education 2005, Supplemental Notes: Note 8: Classification of Postsecondary Education Institutions, klassifiziert die postsekundären Institutionen auf drei Niveaus nach der Höhe des von ihnen verliehenen akademischen Grads: 4-year-and-above institutions: Institutions or branches that award at least a 4-year degree or higher award in one or more programs, or a postbaccalaureate, postmaster's, or post-first-professional certificate. 2-year but less-than-4-year institutions: Institutions or branches that confer at least a 2-year formal award (certificate, diploma, or associate's degree), or that have a 2year program creditable toward a baccalaureate degree. Less-than-2-year institutions: Institutions or branches that have programs lasting less than 2 years that result in a terminal occupational award or are creditable toward a degree at the 2-year level or higher. Postsecondary institutions are further divided according to these criteria: degreegranting versus nondegree-granting; type of financial control; and Title IV-participating versus not Title IV-participating.

22

eLearning: Einsichten und Aussichten

„My greatest fear is that in years to come this experience will be available only to the most affluent, best, and brightest in the nation. Others will be forced into cheaper click education." Die Befürchtung ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, wenn man bedenkt, dass 90 Prozent der public 2-year Institutionen und 89 Prozent der public 4-year Institutionen Online-Kurse anbieten, aber nur 40 Prozent der privaten Universitäten (NCES 2004-077; Indicator 32; Distance Education at Postsecondary Institutions), obwohl diese Privathochschulen zahlenmäßig weitaus stärker vertreten sind (Tabelle 2 auf Seite 19). Die Privathochschulen sind möglicherweise diejenigen, die Studierenden auch in Zukunft noch eine reale soziale Atselbstverständlich nur gegen Bezahlung. Eine andere mosphäre bieten Vermutung wäre die, dass die Privaten es den Öffentlichen überlassen, den Pionier zu spielen, die ersten kostspieligen Experimente zu veranstalten und die dafür notwendigen Investitionen zu tätigen. —

Virtuelle Universitäten nicht

erfolgreich

Dieser These scheint die Beobachtung zu widersprechen, dass virtuelle „forprofif'-Universitäten auf den Bildungsmarkt drängen, eine Beobachtung, die Greg Capelli (2003, S. 50) von der Credit Suisse First Boston zu der These veranlasst, „it was only a matter of time before the private, for-profit enterprise leaders began to realize the inefficiencies in the system for higher education and began to offer a redefined product designed with the demands of contemporary students in mind." Ob diese neudefinierten Unternehmen mit ihren modernisierten Produkten nun ein großer Erfolg werden oder eine neue Qualität bieten, darf bezweifelt werden (Schulmeister 2001). Arthur Levine (2003, S. 20) sieht zur Zeit ein Patt zwischen traditionellen und virtuellen Universitäten, dessen Lösung nicht vorhersehbar ist: „Either the for-profit sector will buy bricks before traditional colleges develop the capacity to operate in the click environment, or just the opposite may occur."12 Derek Bok (2003, S. 169) warnt ausdrücklich vor der Kommerzialisierung der Ausbildung: „educators follow a treacherous course if they try to use the Internet for profit, especially when they join with venture capitalists to achieve their ends."

Zusätzlich zu diesen Differenzierungen ist zu bedenken, dass sich die OnlineStudierenden recht ungleichmäßig auf die Hochschulinstitutionen verteilen. 12. In den USA werden die Präsenzuniversitäten als „brick and mortar universities" oder kurz „brick universities" bezeichnet, die virtuellen Universitäten hingegen als „click universities". Arthur Levine prägt für Blended Learning-Institutionen den Ausdruck brick-and-click universities und für das Online-Studium das Wortspiel „click education".

ê

Dekonstruktion des Mythos

23

eLearning

zeigt eine vom U.S. General Accounting Office (GAO 2004) zusammengestellte Übersicht über 14 Hochschulen mit der Zahl der von ihnen unterrichDas

Studierenden und dem Prozentsatz, zu dem diese online studieren, wobei mich der politische Anlass13 nicht interessiert, der zur Aufstellung dieser Liste geführt hat, sondern nur die Zahlen der online Studierenden, in der Differenzierung nach Hochschulen, ein Datum, das nirgendwo anders in der amerikanischen Statistik zu bekommen ist: teten

Studenten, die online

Grün-

Studenten 2000-2001

studieren,

dungsjahr

Capella University

3,985

100

Private for

College Eastern Oregon University Southern Christian University U.S. Sports Academy Univ. of Maryland U. College Waiden University Western Governors' University Jones International University North Central University National Technical University University of Phoenix

1,496

100

Public

1992

4,908 ,029

69

Public

1970

93

Private

704

100

Private

29,442

77

Public

1994

1,544

100

profit Private nonprofit Private for profit Private for profit Private nonprofit Private for profit

1970

Hochschule

Charter Oak State

in%

242

100

446

100

319

100

969

100

169,021

29

Hochschultyp

profit

nonprofit nonprofit

Private for

1993

1993 2001

1999 1995 1997 1984 1989

Tab. 3 Hochschulen und Studierende (GAO 2004)

13. Diese Liste hatte einen ganz spezifischen Anlass, der mit dem hier diskutierten Thema eigentlich nichts zu tun hat. Es ging um den Fall, dass Studierenden, die ausschließlich online studieren, die „federal student aid" (das amerikanische BAföG) verweigert werden sollte, um möglichem Betrug vorzubeugen wie der Chronicle of Higher Education vom 27.2.2004 schreibt: „The law, known as the 50-percent rule, bars colleges from participating in federal financial-aid programs if at least half their students study online or if more than half the institutions' courses are offered at a distance. The law is aimed at preventing fraudulent distancelearning institutions from exploiting federal aid programs."

[http://chronicle.com/errors.dir/noauthorization.php3?page=/daily/2004/02/ 2004022703n.htm])

eLearning: Einsichten und Aussichten

24

Studenten, Hochschule American Intercontinental U. St.

Joseph's College Tab. 3

die online

Grün-

Studenten 2000-2001

studieren, in %

dungsjahr

5,885

54

2001

Hochschultyp Private for profit 56 Private nonprofit 5,063 Hochschulen und Studierende (GAO 2004)

1974

gibt einiges zu denken14: GAO berichtet, dass 49.000 Studierende der University of Phoenix Fernstudenten sind und 70 Prozent der Studierenden der staatlichen University of Maryland mindestens einen Online-Kurs belegen, während die Kurse der Western Governor's University und der Jones International University allesamt Online-Kurse sind. Sofern man dieses Beispiel verallgemeinern darf, gibt es eine große Zahl sehr kleiner Hochschulen, die wenig zu den großen Zahlen des Fernstudiums beitragen, und wenige große Hochschulen, die das Profil hinter den großen Zahlen bilden (s.a. Judith Eaton 2001 in ihrer Studie für das Council for Higher Education Accreditation CHEA), wobei man berücksichtigen muss, dass die größten, nämlich die University of Phoenix Online und die University of Maryland wirkliche Sonderfälle darstellen, die nicht mit anderen Universitäten vergleichbar sind.15 In der Tat wird auch von NCES immer wieder berichtet, dass die Privathochschulen, die überwiegend noch sehr jung sind, kaum Online-Kurse anbieten (die privaten 4-year Colleges sind aus diesem Grund in den Statistiken erst gar nicht enthalten), während die staatlichen Hochschulen, vor allem die 2-year Colleges, die Hauptlast der Entwicklung tragen (siehe oben). Diese Liste

14. ganz

abgesehen davon, dass man über einige Zahlen richtig ins Grübeln gerät. So schrumpft die mit viel Werbung von immerhin 16 Staaten der USA ins Leben gerufene Western Governors' University (WGU; Schulmeister 2001, S. 95ff.) mit unter 300 Studierenden auf das Niveau einer kleinen Privatuniversität zusammen, und auch die private Jones International University (JIU; Schulmeister 2001, S. 94f.) kann keine nennenswerte Klientel aufweisen, die einen wirtschaftlichen Betrieb

garantieren würde. 15. Der virtuelle Zweig der Phoenix University (Schulmeister 2001, S. 64ff.) kann auf über 80 Fernstudienzentren zurückgreifen, die über die USA verteilt sind, und baut auf einer Fernstudientradition für Beruftstätige auf, die bereits vor dem Internetboom bestanden hat. Die University of Maryland verfügt über mehrere Fernstudienfilialen im Ausland und eine enge Kooperation mit der Open University Britain. Das University College [http://www.umuc.edu/] in dem aus 13 Hochschulen bestehenden Universitätssystem Maryland wirbt um Berufstätige.

Dekonstruktion des Mythos

Niedrige Ausgangsbasis für eLearning

25

eLearning

Das Chancellor's Office der California Community Colleges (CCC 2001) hat mit dem Distance Education Report 2001 einen spannenden, weil sehr offenen und ausführlichen Bericht vorgelegt, der erhellende Zusammenhänge zwischen mehreren Variablen herstellt und Erklärungen bietet (spätere Berichte haben nicht mehr so ungeschützt Wahrheiten ins Internet geschrieben, sondern muten durchaus „bereinigt" an). Das CCC legte 2000 folgende Zahlen für die

California Community California

Colleges vor:

Community Colleges

1995

Zahl der Kurse

Studierende Anteil

am

(enrollments!)

Gesamten Tab. 4 Online-Kurse und

Obere Wachstumsgrenze für

eLearning?

2000

1.562

3.979

54.525

104.153

0,63%

1,2%

Buchungen

Auch hier beeindrucken die großen Zahlen und vor allem die großen Steigerungsraten, aber wie sieht die Verteilung wirklich aus? Rechnen wir die großen Zahlen um in den prozentualen Anteil an allen Kursen der California Community Colleges, dann wird deutlich, dass das Ausgangsniveau sehr gering ist: Die eineinhalbtausend Kurse aus 1995 machen gerade mal 0,63 Prozent der insgesamt angebotenen Kurse aus. Zwar steigt dieser Prozentsatz im Jahr 2000 auf 1,2%, doch ist das ein immer noch sehr niedriges Ausgangsniveau. Zudem wissen wir aus fast jeder Statistik über Wachtumsrelationen, dass es einen ,ceiling effect' (dt. Deckeneffekt) gibt, also einen Prozentsatz, an dem die Wachstumskurve in eine Konstante übergeht, soz. „an die Decke stößt" und nicht mehr weiter wächst. Die Studie von NCES zur Prognose der Studierendendaten bis 2013 (NCES 2004-013) legt zwar ein weiteres Wachstum der Studierendenzahlen und Absolventenzahlen nahe, jedoch wage ich zu bezweifeln, ob angesichts der offensichtlich subsidiaren Funktion des eLearning in der amerikanischen Hochschullandschaft die Quote des OnlineLernens höher als 10% steigen wird. Für den Bereich der

Online-Ausbildung

haben wir

nur

den Zeitraum 1995-

2000, in dem sich die Online-Einschreibungen und -Kurse ungefähr verdop-

pelt haben, als Maßstab für eine Prognose zur Verfügung. Nehmen wir an, dass sich diese Zahlen alle fünf Jahre verdoppeln, so würden wir in 2010 bei einem Anteil von 4,8 Prozent an den gesamten Kursen in den USA anlangen. Das ist noch nicht sehr viel. Aber selbst, wenn das Wachstum noch einige Jahre mehr exponentiell steigen oder sich beschleunigen würde, so müssen wir damit rechnen, dass es eine oberste Grenze des Online-Anteils an der

26

eLearning: Einsichten und Aussichten

gesamten Lehre gibt. Diese wird nicht bei 100% oder 50% liegen, sondern

erheblich niedriger. Selbst wenn es reine Spekulation ist, so ist die Frage nach der vermutlichen obersten Grenze berechtigt: Liegt sie bei 10% oder gar bei 20%? Und welche Konsequenzen für die Hochschullandschaft hätten diese Werte?

Verteilung über

Weitere

Hochschularten und Fächer

1.

Beobachtungen mögen die Bedeutung dieser Zahlen relativieren: Der Anteil der Online-Lehre ist nicht gleichmäßig über die Hochschularten

verteilt. Privathochschulen halten sich bisher zurück. 2. Der Anteil der Online-Lehre ist nicht gleichmäßig über die Hochschulniveaus verteilt. Die 2-year Colleges übernehmen den Löwenanteil. 3. Der Anteil der Online-Lehre streut nicht gleichmäßig über die Fachdisziplinen. Business Administration liegt ganz vorn im Rennen, ziemlich gleich danach kommen Studiengänge, die wir bisher gar nicht kennen, wie z.B.

Nursing.16

4. Der Anteil der Online-Lehre ist nicht einmal gleichmäßig auf die Kurse einer Hochschule verteilt. Carol Twigg (2003) referiert aus einer internen Studie des Maricopa Community Colleges in Arizona, das über 100.000 Studierende immatrikuliert und mehr als 2.000 Online-Kurse anbietet. Sie berichtet, dass allein 25 dieser Kurse bereits 44 Prozent der Einschreibungen ausmachen (S. 118), während die anderen 1.975 Kurse zusammen nur 56 Prozent der Studierenden anziehen. Es gibt demnach also Fächer oder Lehrgebiete, die in den Maricopa Community Colleges bereits für fast die Hälfte aller Einschreibungen verantwortlich sind, vergleichbar mit den Grundkursen der Wirtschaftswissenschaft oder den Mathematik-Vorlesungen für Ingenieure in Deutschland, in denen große (übermäßig große) Gruppen unterrichtet werden. Wir können vermutlich davon ausgehen, dass die von NCES ausgemachten „Top 30 Postsecondary Courses (Wirt, Choy et al 2004, Indicator 30; NCES 2004-077) auch im Online-Studium die Rangliste anführen werden. Mit anderen Worten: eLearning bildet,Klumpen' in der Hochschullandschaft und ist keineswegs als integrierter Bestandteil der Lehre durchgängig in Hochschulen, Fächern und Hochschulniveaus repräsentiert. Was auch bedenklich stimmen kann: Teilt man die Zahl der Enrollments durch die Zahl der Kurse, so kommt sowohl bei den Angaben der California Community Colleges als 16. Ich kann mir die

Bemerkung nicht verkneifen: Es gibt sogar Angebote zu „staatstragenden' Studiengängen wie Bioterrorismus oder Public Health Emergencies.

Dekonstruktion des Mythos

27

eLearning

auch bei den nationalen Zahlen von NCES ein arithmetischer Durchschnitt von 28-30 Studierenden pro Kurs zustande, was bedeutet, dass es etliche sehr große Kurse geben muss und zum Ausgleich sehr viele kleine Kurse. In der Tat findet man in einigen Berichten Zahlen von bis zu 200 Studierenden pro Online-Kurs, Größenordnungen, die darauf verweisen, dass die Online-Kurse Abbilder der wirtschaftswissenschaftlichen Veranstaltungen aus dem Grundstudium der Präsenzuniversitäten sind, die keineswegs unseren Vorstellungen von Qualitätsverbesserung der Lehre entsprechen. Mit anderen Worten: Die absoluten Zahlen angebotener und gebuchter Kurse und eingeschriebener Studierender sagen nichts aus über die verantwortlichen Faktoren für die rasante Entwicklung auf dem eLearning-Sektor. Man muss schon hinter die Zahlen schauen, um die Wirklichkeit des eLearning zu entdecken. Dies möchte ich nun mit einem etwas anderen Fokus fortführen, indem ich mir die Studierenden anschaue und ihre Motive analysiere, OnlineKurse zu buchen.

1.3 Was wissen wir über die Klientel? Online-Kurse als Kompensation Studienmotive für die Wahl von Online-Kursen

Geht

man davon aus, dass das virtuelle Studium ursprünglich in Konkurrenz Präsenzstudium oder als Fortsetzung des Fernstudiums mit anderen elektronischen Mitteln entstanden ist (Schulmeister 2001) und eigentlich Studierende aus Präsenzhochschulen (on-campus universities) abziehen oder auch neue Klientelen für das virtuelle Studium gewinnen sollte, dann kann man heute sagen, dass dieses Ziel nicht oder nur zum Teil erreicht wird, denn es stellt sich heraus, dass weitaus die meisten Studierenden, die Online-Kurse buchen, ganz normal an Präsenzuniversitäten eingeschrieben sind und keineswegs nur auf die Lockungen der neuen Technologien reagieren: „The hope that new DE delivery technologies would attract those students living some distance from their community college campuses appears to be unfounded." (CCC Dist_Ed_2001 ) Von den etwa 1,6 Millionen Online-Buchungen stamzum

men nur

578,000, also

Seaman 2003).

etwa

30%,

von

klassischen Fernstudenten

(Allen &

28

eLearning: Einsichten und Aussichten

Unter der Überschrift „Who are distance learners?" leitet die Western Interstate Commission for Higher Education (WICHE) ihre Erläuterungen zum Fernstudium ein [http://www.wiche.edu/] :

„Distance learners are people who, because of time, geographic, or other constraints, choose not to attend a traditional classroom. Financial considerations, family obligations, or work requirements may point to distance education

as an

appropriate way to meet their educational goals."

Das sind alles Vermutungen, nicht unvernünftige und mit meinen Beobachtungen übereinstimmende Vermutungen, aber stimmen sie wirklich? Es gibt eine recht solide Erhebung der Motive oder Gründe, der „reasons for choosing an online course", von den California Community Colleges (2001): I

I

Convenience Fulfill requirement for AA/AS

I Improve job opportunities Instructor reputation

_|

Fulfill requirement for transfer Personal interest Other

75

56

38 19

0

Reason Abb. 2 Motive

von

to

chose DE

Fernstudenten (CCC 2001)

„Convenience", Bequemlichkeit, ist bei weitem das meistgenannte Motiv für die Wahl von Online-Kursen, danach folgen die Anforderungen für die Associate Degrees und für den Transfer ins Bachelor-Studium. Die Verfasser der Studie bemerken mit Bedauern, dass die Reputation der Lehrenden die letzte Rolle als Anziehungskraft für eLearning spielen würde. Das Bild sieht zwei 17. Publiziert

von

der Western

(WCET), die WICHE

conguide/conguidb.htm].

Cooperative for Educational Telecommunications [http://www.wcet.info/resources/pubIications/

unterstützt

Dekonstruktion des Mythos

eLearning

29

so aus, auch wenn sich zwischen den Items die Reileicht verschoben hat: „The most important reasons for taking a DE henfolge course is its convenience (n = 3,208) followed by the need to fulfill requirements for an associate degree (n = 2,349) or fulfill requirements for transfer (n = 2,309)." (CCC 2003) Die beiden auf das Bachelorstudium vorbereitenden Kurstypen nehmen die vorderen Plätze in der Statistik der Studienwahlmotive ein. Diese Statistik ist für Europäer schwer zu verstehen. Ich will versuchen, sie zu übersetzen. Dazu werde ich mich im nächsten Abschnitt mit dem Motiv .convenience' befassen und mit den Motiven „requirements for transfer" und „requirements for AA/AS" auseinandersetzen müssen.

Jahre

später immer noch

CONVENIENCE Was meint der

Begriff .convenience', der in Untersuchungen zu Studienmotiauftaucht, aber ebenso in der Werbung und Selbstdarstellung der Hochschulen auftritt? Er meint die Einsparung von Fahrtzeiten („no need for commuting") ebenso wie das Lernen aus der Bequemlichkeit des eigenen Hauses heraus oder die Chance, Online-Kurse dann zu belegen, wenn man sie braucht, ein Zeitmanagement zu betreiben, das Arbeit und Lernen vereint, etc. ven

Die umfassenden Evaluationen sowohl der Online- als auch der Präsenzkurse der Research Initiative for Teaching Effectiveness der University of Central Florida gelangen zu der Erkenntnis: „The majority of students (79%) take fully online courses because of the convenience of not coming to campus" [http://pegasus.cc.ucf.edU/~rite/impactevaluation.htm#Who]. Der Report der California Community Colleges (CCC 2001) verzeichnet als Hauptmotiv, das den Begriff der convenience' erläutern könnte, „the ability to fit courses into their daily schedule", also die Möglichkeit, all die verschiedenen Anforderungen planen und organisieren zu können. Auch in den vom EDUCAUSE18 Center for Applied Research herausgegebenen ECAR -Studien ist „convenience" das dominante Motiv der Studierenden für die Nutzung der Informationstechnologie: war seit 1964 bekannt unter dem Namen EDUCOM [http:// www.educause.edu/ir/library/html/erm/erm98/erm9853.html], das besonders bekannt durch seine Jahrestagungen und die dort verliehenen Preise für MultimediaAnwendungen geworden war. 1997 vereinten sich CAUSE und EDUCOM zu EDUCAUSE. CAUSE war eine seit 1962 existierende Vereinigung für die Entwicklung und das Management von Informationssystemen in Hochschulen. EDUCOM hatte es ebenfalls mit Informationssystemen in Hochschulen zu tun, ihre Orientierung war aber eher didaktisch.

18. EDUCAUSE

30

eLearning: Einsichten und Aussichten

Convenience Helped me manage my class activities Saves me time Improved my learning No benefits Other

49%

Abb. 3 Motive

von

Studierenden für die Nutzung von Informationstechnologie (Kvavik, Caruso und Morgan 2004)

Die ECAR-Studie von Robert B. Kvavik, Judith B. Caruso und Glenda Morgen (2004) berichtet, dass das ,convenience'-Motiv auch das Hauptmotiv der Studierenden für die Nutzung der Informationstechnologie ist. In der Studie aus 2004 wurden 9.350 Freshmen und 9.050 Senior Students aus 13 Hochschulen befragt (Rückmeldung: 4.374) sowie 132 Studierende in Fokusgruppen aus sechs Hochschulen interviewt. Mit 48,5% bezeichnete die Mehrheit der Studierenden convenience' als ihr Hauptmotiv. Nimmt man die Motive convenience' und ,Saves Me Time' zusammen, kommt dieses Motivbündel auf fast 65%, während die Unterstützung beim Lernen und bei der Organisation des Lernens mit zusammen 29,5% („Helped Me Manage My Class Activities" mit 16,7% und „Improved My Learning" mit 12,8%) erheblich geringer ausfällt, Motive, die die Autoren der Studie lieber weiter vorn gesehen hätten.

19. ECAR ist das Akronym für Educause Center for Applied Research, einem Institut der Vereinigung EDUCAUSE [http://www.educause.edu/].

Dekonstruktion des Mythos eLearning

Die

31

der ECAR-Studie von Caruso und Kvavik (2005) ein Jahr hat diese Erkenntnisse im Wesentlichen bestätigt, obwohl die Studie später eine erheblich größere Stichprobe erfasst hat (140.000 Studierende wurden befragt, mehr als 18.000 haben geantwortet, und 63 Hochschulen haben sich beteiligt). Da die Vermutung, denke ich, berechtigt ist, dass die Studierenden, die auf diese beiden Studien freiwillig geantwortet haben, auch diejenigen Studierenden sind, die bereits mit Informationstechnologie und Neuen Medien gut bekannt sind (das zeigen die hohen Quoten in Bereichen wie Computerbesitz, Breitband-Zugang, Benutzung von LMS oder CMS usw.), ist das Ergebnis zu den Motiven besonders interessant. Aufschlussreich ist auch die Beobachtung, dass für Spiele, das Herunterladen von Musik und andere ähnliche Freizeitaktivitäten mehr Zeit investiert wird als für das Studium. Die Motivverteilung sieht 2005 wie folgt aus:

Replikation

Motive

Anteil

Convenience

50,3%

Manage my course activities Helped me communicate with my class mates Improved my learning

13,5% 19,7%

No benefits

12,7% 2,8%

Other

1.1' Tab. 5 Motive für die Nutzung der Informationstechnologie

REQUIREMENTS FOR AA/AS Associate Degree for Arts Associate Degree for Science -

Was meint „Fulfill requirements for AA/AS"? Was meint „Fulfill requirements for transfer"? AA und AS bezeichnen den Associate Degree in Arts resp. den Associate Degree in Science. Was ist damit gemeint? Ein Associate Degree ist ein Grad, den 2-year Colleges nach erfolgreichem Abschluss der Undergraduate Studienphase oder Junior Colleges nach zwei Jahren Studium verleihen können und der zum Übergang auf ein 4-year College berechtigt. Die Ausbildung entspricht den ersten beiden Jahren in einem Bachelor-Studium an einer Universität. Es gibt zwei Arten von Associate Degrees: „( 1 ) Technological and vocational specialties that are generally completed in 2 yr. of college study and are usually sufficient for entrance into an occupational field, and (2) college or university parallel programs that are like the first 2 yr. of a 4yr college curriculum often referred to as a Transfer Degree. Examples AS Degree in Accounting, AS Degree in Paralegal Studies. -

32

eLearning: Einsichten und Aussichten

(These programs generally require a minimum of 90 credits)." [http:// www.mtbaker.wednet.edu/career/definiti.htm] Die Associate Degrees berechtigen also erstens zum Eintritt ins Berufsleben und zweitens zum Übergang in ein 4-year College zum Erwerb des Bachelors. Studierende, die den ersten Weg wählen, schließen damit zunächst ihre Ausbildung ab, können aber später wieder zurückkommen. Studierende, die den zweiten Weg wählen, wollen einen Bachelor-Abschluss machen. Die 2-year Colleges werden offensichtlich deshalb von der Mehrheit der Studierenden gewählt, weil das Studium an den 2-year Colleges und Community Colleges erheblich preisgünstiger ist und man bei ihnen die Berechtigung für den Übergang zu einem 4-year College kostengünstiger erwerben kann. Ein anderer Grund für die Wahl ist der, dass Bewerbungen bei Universitäten nicht erfolgreich waren, z.B. wegen eines zu niedrigen SAT-Wertes. Aus diesen Motiven heraus wählen viele Studenten den Abschluss in einem Community College und erreichen so die Berechtigung für den Transfer in einen Bachelor-Studiengang. Um die dafür benötigten Leistungspunkte durch Kurse im Bereich General Education zu erwerben, belegen viele dann Online-Kurse.

Merkwürdiges Belegverhalten

Ein

Beleg für diese These dürfte die Beobachtung sein, dass die Studierenden überwiegend dann den Online-Kurs einer anderen Einrichtung belegen, wenn dieser Kurs von ihrem College nicht angeboten wurde20 oder weil sie ihn oder die entsprechenden Leistungspunkte aus irgendeinem Grund verpasst haben. In Wirklichkeit ist ihr Interesse auf das Präsenzstudium gerichtet, meint der Präsident des Teachers College der Columbia University, Arthur Levine (2004, S. 26): „Many people are going to want a traditional campus experience, including students, and the parents who have waited 18 years for them to leave home, among others."

Associate Degrees: Inhalte

Die Anforderungen für den Associate Degree ähneln dem Stoff der gymnasialen Oberstufe. Dies wird deutlich in den Beschreibungen der Kurse. Ich habe ein Angebot ausgewählt, das eine halbwegs klare und ausführliche Beschreinur ein Beispiel: so sagt beispielsweise das Defense Language Institute Foreign Language Center, das einen Associate of Arts in Foreign Language (AA/FL degree) vergibt, dass es selbst nicht alle Kurse für die erforderlichen General Education Requirements anbieten kann: „DLIFLC does not teach all the required general education courses a student needs to receive an AA/FL degree. To satisfy general education requirements, students must complete at least 27 semester units,

20. Dafür

which must include the minimum number of units indicated in each of these general education areas." [http://www.dliflc.edu/daa/academic_admin/AcademicAd-

min/AAdegreereq.pdf]

Dekonstruktion des Mythos

bung

der

33

eLearning

Anforderungen bietet,

das

Angebot

der

FingerLakes University

[http://www.fingerlakes.edu/academics/degree_requirements.html],

die so etwie das Eingangstor oder die Brückeninstitution zur State University of New York (SUNY) ist. Ich gebe das Angebot hier nur ausschnittweise wieder:

was

AREA A English: Written Communication

AREA B Critical Thinking (Satisfied through MS 120 & 220)

Applicable courses must satisfy the writing and composition requirement for graduation of the delivering institution.

Logical thought, critical evaluation, and clear and precise expression. Courses in this area have an oral presentation component allowing students to demonstrate their ability to persuade, debate, argue

or

inform in

a

clear, concise and

logical manner. Emphasis is on content and delivery in the foreign language. AREA C Science include a lab.)

(Course must

AREA D Humanities (Satisfied through AS 140,240 &340)

Understanding scientific methods and achievements of at least one of the biological or physical sciences.

Appreciation, understanding, and sensitivity for artistic and cultural creation and expression. Courses in this area have components in the fine and performing arts, the literature of the language as well as the philosophy and religion of the language area.

AREA E Social Science 3

AREA F Technology 3 Hands-on use of computers in today's

general understanding of American History, World History, Western Civilization, and/or U.S. Government. Courses fulfilling this requirement should be general survey courses on World/U.S. History or U.S. National Government. A

work environment. Use of desktop computers; techniques of word processing, databases and spreadsheets; web searches, concerns of virus prevention and detection; and data security. (Computer history, hardware design, computer maintenance and management of com-

puter systems are

not

acceptable.)

Die Kurse in General Education sind eine Art Studium Generale in Geschichte und Naturwissenschaft, Geistes- und Sozialwissenschaft, das zusätzlich propädeutische Aufgaben wie Schreiben lernen und die Schulung kritischen Denkens sowie die Nutzung der Informationstechnik umfasst. Das Niveau dieser Themen lässt sich relativ gut aus den Beschreibungen ablesen. Für die „General Education Course Requirements for Transfer Programs" ist Englisch quasi

34

eLearning: Einsichten und Aussichten

Hauptfach, Leibesübungen (physical education) sind obligatorisch. Als Anhang zur Kursliste wird gleich ein Formular mit den Sportkursen mitgegeben, die zu belegen sind. Ich will bei dieser Gelegenheit betonen, dass ich nicht das Niveau dieser Inhalte oder die Tatsache kritisieren will, dass sogar Leibesübungen, Turnen und Sport im Katalog von General Education enthalten sind, schließlich handelt es sich um ein der gymnasialen Oberstufe ähnliches allgemeines Bildungsangebot. Es muss dann aber umgekehrt auch attestiert werden, dass es sich noch nicht um ein Studium in unserem Sinne handelt und dass man den vierjährigen amerikanischen Bachelor nicht gegen den dreijährigen deutschen Bachelor ausspielen darf (jedenfalls solange wir das 13jährige Abitur haben).

REQUIREMENTS FOR TRANSFER Remedial Courses

Hinter dem Motiv „requirements for transfer" versteckt sich Analoges, nämlich der Erwerb von Voraussetzungen für den Übergang zu einem 4-year College und zum Bachelor-Studium Das Motiv bezeichnet also ebenfalls Studienleistungen, die vor dem eigentlichen Fachstudium erbracht werden müssen. Viele der Kursbuchungen haben zum Ziel, versäumte Grundlagen nachzuholen oder verpatzte Seminare wieder gut zu machen. Man spricht in dem Zusammenhang ganz offen von „remedial coursetaking". Dieses Motiv ist nun keineswegs nur für die Online-Kurse reserviert, im Gegenteil, die Online-Kurse passen sich in eine schon vorhandene Landschaft ein wie Wirt, Choy et al (2004) mit der NCES-Studie „The condition of education 2004" (im besonderen Teil Indicator 31 mit dem Titel „Remedial Coursetaking"; NCES 2004-077) explizit machen: Die amerikanischen Hochschulen bieten für 28% ihrer Studierenden „remedial courses" an, die 2-year Colleges sogar für 42% der Studierenden. Die Funktion des eLearning in den USA ordnet sich also in eine bereits vorhandene Tradition der Nachhilfe (s. Kap. 1.4, „Warum funktioniert dieses System?", S. 38) nahtlos ein. .

Es ist erschreckend: Schon bei den Schülern der 11. und 12. Klassen, die Online-Kurse für Schulfächer bei der Firma Class.com buchen, finden wir eine

21. siehe die Definition

von

Ellen M. Bradburn und David G. Hurst

(2001) im NCES-

Report „This report defines transfer as follows: initial enrollment at a community college followed by subsequent enrollment at any 4-year institution within the 5year study period."

Dekonstruktion des Mythos

35

eLearning

ähnliche Motivationslage wie bei den Studierenden in und Universitäten, die einen Online-Kurs belegen:

Community Colleges

most common reason students (i.e. Schüler, R.S.) take Class.com couris for credit recovery. Common credit recovery applications include remediation, summer school, alternative education, and other programs aimed at closing achievement gaps." [http://www.class.eom/content/4/real_world.pdf]

„The ses

Credit

Recovery

Das Hauptmotiv ist also das Stopfen von Lücken („achievement gaps"), der Ersatz fehlender Scheine, der als „credit recovery" oder als „remedial coursetaking" bezeichnet wird, womit gemeint ist, dass verpasste oder verpatzte Kurse nachgeholt oder schlechte Noten durch Wiederholung verbessert werden. Das Wiederholen von Kursen ist virtuell besser mit dem sonstigen Zeitplan im Präsenzstudium zu vereinbaren, und die Studierenden müssen nicht ein ganzes Studienjahr warten, bis der betreffende Kurs wiederholt wird. Für Schüler sieht die Rangfolge der Motive wie folgt aus22:

Making up credits Scheduling conflict Accelerating graduation

23%

Prefer online

16%

22% 18%

courses

Cyber/Home school Courses

offered at my school

6%

Medical problems

3%

Teacher/School conflict

3%

Other

2%

Tab. 6 Motive

Stimmen von Lernenden zu ihren Motiven

no

l'y,

von

Schülern für die Wahl

von

Online-Kursen

Die Indiana State

University hat ein WebLog eingerichtet zu der Frage [http:// www.indstate.edu/distance/viewpoint/chose.html] „why chose distance education?" Ihre Motive für die Wahl von Online-Kursen begründen die Studierenden überwiegend mit den Erfordernissen des Jobs oder der Familie:

22. Die Daten beruhen auf 1.235 Fragebögen, die bis zum 30. Juli 2003 erhoben wurden. Sie wurden von Schulen an Class.com übermittelt oder per Fragebogen in Partner-Programmen erhoben.

36

eLearning: Einsichten und Aussichten

„I received a job promotion that required me to move out of state. Rather than decline the job offer or postpone my work toward my Master's, I decided to try the distance education program"; „I work from 7:00 till 4:30 most days and have an hour's commute from home my time is limited";

so

„Convenience is major advantage. Long commuting time are cut down due to ability to communicate via www and/or e-mail. Thus, it is much easier to

spend time

with my husband & 3 children that would otherwise be used for travel to & from campus."

Aber es werden auch andere Motive und Mischungen des „,convenience'-Motivs mit anderen Motiven (Leistungsmotivation; Lernmotivation; selbstgesteuertes Lernen) erwähnt:

„Five years ago, when I returned to school for my master's degree, I had never used a windows program. Now I am composing spreadsheets, setting up databases and doing a great deal of research online utilizing remote access to libraries. The work that I have done has provided me with the exposure to possibilities that I had never dreamed of before. It has forced me to stretch, to get out of my comfort zone."

„For one, it enables me to work full-time and go to school full-time to pursue a degree. I also enjoy self-instruction; I learn a lot more and can work at my own pace, which is fast so deadlines are met"; Am Ende dieser Exkursion in die Hintergründe der amerikanischen Hochschulstatistik bleibt die Erkenntnis, dass die hohen Zuwachszahlen des Fernstudiums in den USA folgende Gründe haben:

Erstens scheint es sich bei vielen Online-Studierenden primär um die Vorbereitung auf das akademische Studium zu handeln, nicht aber das Fachstudium selbst, das die Studierenden, die überwiegend in den Community Colleges eingeschrieben sind, zum Buchen von Online-Kursen motiviert (transfer

degrees). Zweitens scheint es für die Studierenden, die über die 2-year Colleges in das Universitätsstudium gelangen wollen, schwierig zu sein, die nötigen Leistungspunkte in Kursen im eigenen College zusammen zu bekommen, weshalb online Kurse anderer Institutionen hinzugebucht werden. Drittens vermute ich, es gibt noch einen weiteren Grund: Die amerikanischen Studiums führt leicht zu verpatzten Kursen,

Verschulung des Leistungspunkt-

Dekonstruktion des Mythos

eLearning

37

einbüßen und Zeitverlusten im Studium, was sich durch parallel gebuchte Online-Kurse vermeiden lässt (die Motive .remedial coursetaking' und ,credit recovery'). Das alles sind jedoch keine vernünftigen Gründe, die deutsche Hochschulpolitiker veranlassen sollten, die Bedeutung des eLearning in den USA so zu überschätzen, wie es in den letzten Jahren geschehen ist.

Viertens sind es nicht die neuen Medien und das Internet, die zu einem Online-Kurs bewegen, sondern die bequeme Vereinbarkeit mit den dominierenden Lebens- und Arbeitsbedingungen, denn viele Studierende müssen sich ihren Lebensunterhalt und die Studiengebühren erarbeiten. Fünftens wird eine große Gruppe von Online-Studierenden von Angehörigen der arbeitenden Bevölkerung gebildet, die studieren möchten, und von Studierenden, die arbeiten müssen, um sich die Kosten für das Studium zu verdienen.

Die Differenzierung in Angestellte, die studieren, und Studenten, die arbeiten, haben Ali Berker und Laura Horn (2003) in ihrer Studie für NCES „Work First, Study Second" vorgenommen. Wirt, Choy et al (2004) haben in ihrer Studie für NCES „The Condition of Learning" (im Teil Indicator 29) die Unterscheidung „Employees Who Study" aufgegriffen und untersucht und kommen zu dem Schluss:

„Approximately one-third of undergraduates are older students who are combining school and work: 43 percent of 1999-2000 undergraduates were age 24 and above, and, of those students, 82 percent worked while enrolled (NCES 2002-168). Furthermore, about two thirds of these older working students characterized themselves as primarily employees who studied', as opposed to ,students who worked to meet their educational expenses' (NCES

2003-167)."

Viele Studierende sehen sich in erster Linie als Angestellte und erst in zweiter Linie als Studierende (NCES: The Condition of Education 2004, S. 81). Im Einklang mit diesen Beobachtungen steht, dass die meisten Studierenden der Online-Kurse in Präsenzuniversitäten eingeschrieben sind (CCC 2001) und dass die meisten Studierenden nur einen Online-Kurs buchen, nämlich offenbar den Kurs, dessen Leistungspunkte sie noch benötigen (CCC 2001), weil er an ihrem College nicht angeboten wurde, weil sie ihn verpasst haben oder weil sie den Online-Kurs besser mit ihren Arbeitszeiten vereinbaren können. Diese Motive gelten in ähnlicher, wenn auch nicht in so extremer Weise für das kanadische Fernstudium:

38

eLearning: Einsichten und Aussichten

„Similar to higher education institutions in the U.S., Canadian institutions are seeing a growing trend of on-campus students going online for at least a portion of their education. Thirty-five percent of 18,000 distance education course enrollments at UW are from students who are pursuing their degrees on

campus."

„At the University of Manitoba (UM), where 3,500 students are enrolled in 25,000 distance education credit hours, more than 60 percent are a subset of the on-campus

population." (George Lorenzo 2004)

Dies mögen „triviale" Motive für unsere eLearning-Protagonisten in Europa sein, aber es sind realistische Motive und reale Größen, an denen man seinen Enthusiasmus abkühlen und seine hehren Ideale messen kann und sollte. Wenn man noch einen Schritt hinter diese Motive schaut, so wird man vermutlich herausfinden, dass die Expansion der Online-Hochschullehre zwei Faktoren zu verdanken ist: Dem rigiden amerikanischen Hochschulsystem mit den vielen Leistungsprüfungen, das dazu zwingt, sich die nötigen Voraussetzungen auf ungewöhnliche Weise anzueignen, und der Existenz einer Informationstechnologie, die es möglich macht, dieses Ziel auf möglichst bequeme Art und Weise, nämlich unabhängig von Ort und Zeit, zu erreichen. Nach diesem Exkurs stellt sich die Frage, ob wir je diese Motive der Studierenden im Auge hatten, als wir begannen, uns der faszinierenden Welt des eLearning als Didaktiker, Entwickler oder Gestalter zuzuwenden, und ob wir eigentlich je vorhatten, dieser Klientel eLearning anzubieten.

/. 4 Warum funktioniert dieses

System ?

Der Druck des

Systems wird nach unten weitergegeben. Die meisten amerikanischen Hochschulen testen die Bewerber um einen Studienplatz mit dem SAT, dem Scholastic Aptitude Test, dessen einer Part verbale Kompetenzen prüft (max. 800 Punkte) und dessen anderer Part (ebenfalls max. 800 Punkte) mathematische Fähigkeiten testet. Die von dem Test erfassten Leistungen sind trainierbar, einer der Gründe, warum in der Geschichte des SAT die nationalen Mittelwerte der Studienbewerber ständig gestiegen sind23.

23. Um besser

zu

verstehen,

was

hinter dem SAT steht und wie

er

das amerikanische

Bildungswesen beeinflusst, werde ich ausführlicher auf den Studientest im Anhang (s. Kap., „Anhang: Der SAT", S. 297) eingehen.

Dekonstruktion des Mythos

Amerikanische Schüler trainieren für den SAT

eLearning

39

Dies führt dazu, dass bereits Schüler sich auf den Hochschuleingangstest vorbereiten. Das Fernsehmagazin frontline [http://www.pbs.org/wgbh/pages/ frontline/] ist Teil des Senders PBS [http://www.pbs.org] und eines der wenigen kritischen News-Magazine der USA, hat zu dem Thema SAT und Schüler einen informativen Filmbeitrag geliefert [http://video.pbs.org:8080/ramgen/ wgbh/pages/frontline/excerpts/1802.rm], der einen deutlichen Eindruck davon vermittelt, welcher Druck bereits auf 13 und 14jährige Schüler ausgeübt wird, sich mit stupidem Drill in Trainings auf das Bestehen des SAT mit mindestens 1.500 Punkten vorzubereiten. Ich zitiere an dieser Stelle die wesentlichen Passagen des Films:

Abb. 4 Zwei Szenen

aus

dem frontlineFilm „Secrets of the SAT" (Video)

SECRETS OF THE SAT

Written, produced and directed by Michael Chandler A Frontline Movie

Sprecher:

few days, millions of Ameteenagers will take a test that will determine their future. They have spent thousands of hours and thousands of dollars, obsessed with higher scores. But what do the SATs In a

rican

really

measure? And are fair? Tonight on FRONTLINE, real Secrets of the SAT.

[...]

they the

40

eLearning: Einsichten und Aussichten

Sprecher:

Saturday, October 9th, half million American teenagers mostly high school seniors will take the most important test in their young lives, the On a

-

SAT.

Schülerin: Lehrerin:

Sprecher:

[...] The SAT is

three-hour multiof verbal and math skills. A perfect is 1600 points. It has score become a very important number for kids who want to get into America's top universities. a

ple-choice examination

Lehrerin:

[...]

Schülerin:

[...]

Sprecher:

The average SAT scores for students admitted to Princeton is 1465; MIT, 1475; Harvard, 1495; and Stanford, 1500.

Dozent

[sitzt vor einem vor ihm stehenden Studierenden asiatischer Abstammung] "And so your SAT-1 is don't tell me. It's 1570?"

:

-

Student Dozent

:

"No.

"

"Fifteen-ninety?"

:

Student:

"No"

Dozent

"Fifteen-sixty?"

:

Student Dozent

:

:

"

No.

.

"

"What?"

Dekonstruktion des Mythos

Student Dozent

:

:

41

eLearning

"Fifteen-fifty". this rumor around All that you were actually smarter than you are."

"Boy!

school

Hintergrund des Bildes spricht eine Lehrerin, die mit [Im

einer Gruppe

von

SAT-Test übt ...]

Sprecher :

Schülern

den

.

entire industry has grown up dedicated to raising test sco-

An

res,

beginning

at

a

younger and

younger age.

Lehrerin:

[Bespricht mit der Prep-Gruppe eine Aufgabe ] ...

Sprecher:

storefront off the Pacific Highway in Laguna Beach, California, 13- and 14-yearolds practice for their SATs in a program called The Cambridge In

a

Coast

Colloquium.

It

costs

$500

a

year and lasts for five years.

Lisa Muehle, Lehrerin:

[...]

[Zwei Schüler, die sich positiv

SAT-Training äußern. Eine Testsituation wird simuliert. Die Schüler werden gefragt, welche Marke im SAT sie anstrezum

ben. ]

[Alle nicken.]

Antwort:

1500.

Muehle:

This is not your dad's SAT anymore, okay? It's a whole different world. You don't show up to the SAT anymore without some along prep because the SAT, with your grade-point average,

42

eLearning: Einsichten und Aussichten

the two most important criteria that college admissions departments look at.

are

Mutter:

just to

get

can't

what

Die

see

how competitive it is in college now. And I

imagine going through they're going through.

im SAT können sich vermutlich nicht alle Eltern die ihre Kinder leisten, gern auf ein College geschickt hätten, und welche Schüler möchten wohl gern nachmittags derartige zusätzliche Trainings auf sich nehmen. Das zeigt, wie weit die Anforderungen dieser Bachelor-Gesellschaft bereits in die Köpfe junger Schüler eingedrungen sind.

Indische CallCenter: Nachhilfe für amerikanische Schüler

jahrelangen Trainings

Damit noch nicht genug. Schüler, deren Eltern es sich leisten können, sind seit Beginn ihrer Schulzeit daran gewöhnt, zusätzlich zur Schule Nachhilfe-Unterricht zu nehmen. Neuerdings erhalten sie diese Nachhilfe, weil sie billiger ist, von in Call-Zentren organisierten Tutoren in Indien als e-Nachhilfe, e-Tutoring oder e-Mentoring live über das Internet:

Abb. 5 Indisches Call Center für Nachhilfe und Tutoren und zwei Schülerinnen [New York Times online]

Dekonstruktion des Mythos eLearning

43

International Herald Tribune

MlI Thunday.SeptemberH.2005 BUSINESS

TECHNOLOGY

„ & INNOVATION

Latest in outsourcing: Homework Tutoring cheaper via India hookup y Sa rit ha Kai

COCHIN. India: A few minutes before

7 on a recent morning, Greesbma Salin swiwled her chair to face the computer,

slipped on her headset and said in faintly accented English, "Hello,

Daniela." Seconds later she heard the response, "Hello, Grecshroa." The two chatted excitedly before Salin said, "We'll work on pronouns today."

Then she typed in, "Daniela thinks that Daniela should give Danielas horse Scarlett to Daniela's sister.™ "Is this an awkward sentence?" she asked. "How can you make it better?" Nothing unusual about this exchange

except that Salin, 22,

was

in Cochin,

J. Emitió f lorn For The New Tort Thnn

a

in coastal southern India, and her Daniela, left, and Serena Marina ro. of Malibu, ( allfornia, are helped by Indian tutors. student, Daniela Marinaro, 13, was at

city

her home in Malibu, California.

$230. twice what they would earn in of out- entry-level jobs at local schools. Critics have raised concern about the ican students. Twice week for a quality of the instruction. month. Salin, who grew up speaking an "Online tutoring is not closely reguIndian language. Ma laya lam, at home, lated or monitored," said Rob Weil, has been tutoring Daniela in English deputy director of the educational isgrammar, compréhension and writing. sues department at the American FedUsing a simulated whiteboard on a eration of Teachers. There are few incomputer connected with Daniela's by dustry standards." the Internet and with a copy of Quality becomes a trickier issue with Daniela's textbook in front of her, she overseas tutoring because monitoring is the teenager through the intrica- harder, said Boria Sax. director of reguides cies of nouns, adjectives and verbs. search, development and training for Daniela said, "I get C's in English and the online offerings of Mercy College, I want to score A's." She added that she based in Dobbs Ferry. New York. had given no thought to her tutor's beGrowing Stars is rapidly expanding ing 20,000 miles, or 32,000 kilometers, to accommodate students from the East away, other than that the situation had Coast of the United States, as well as felt "a bit strange in the beginning." Canada, Great Britain and Australia. She and her sister, Serena, 10, are just Its recruits, mostly with recent posttwo of the 350 Americans enrolled in graduate and teaching degrees, already Growing Stars, an online tutoring ser- have deep subject knowledge. They vice that is based in Fremont, Califor- must go through two weeks of training nia, but whose 38 teachers are all in on techniques, culture and accent. Cochin. They offer tutoring in math"They learn to use 'eraser' instead of ematics and science, and recently in its Indian equivalent, 'rubber,' and unEnglish, to students in Grades 3 to 12. derstand that 'I need a pit stop' could

Salin is part of a

new wave

of Amersourcing to India: the tutoring a

Five

days

each week, at 4:30

a.ra.

in

Cochin, the teachers log on to their computers just as students in the United

States settle down to their books and homework in the late afternoon. Growing Stars is one of at least a halfdozen companies across India that are American children complete helping their homework and prepare for tests. As in other types of outsourcing, the driving factor in "homework outsourcing," as the practice is known, is the cost. Companies like Growing Stars and Career Launcher India in New Delhi charge American students $20 an

mean

i need to go to the

Thomas Marinaro,

a chiropractor in Angeles and the father of Daniela face-to-face tutoring he previously arranged for his daughters at home. After three months with Growing Stars, however, Marinaro said the girls' mathematics skills were already much im* proved. As a bonus, the program cost a third of what he paid the home tutor. Biju Mathew, an Indian-bom software engineer, set up Growing Stars after moving to Silicon Va Hey five years ago to work for a technology start-up company. In India, be had been paying $10 a month for twice-a-week tutoring

Los

and Serena, had been unhappy with the

sessions for his children. In the United States, he found, a similar service could cost $50 or more per hour. The idea of homework outsourcing was born, and the company began offer2004, ing its services in January Growing Stars has been cautious, offering its students a choice of U.S.- or India-based tutors for English. H charges a $10 premium above its normal $20 rate for students who choose tutors in the United States. When parents have ex-

loo,' said Saji pressed concern over a tutor's accent, the "

Philip, a software entrepreneur of Indiorigin and the chairman and cofounder of Growing Stars, who works in New

an

firm has offered» change of instructor. Other online tutoring firms in the United States

adopt varied approaches.

Jersey. Tutor.com, for instance, uses only tutors Still, the cultural divide is reaL In based in North America. SmarThinking

Cochin, Leela Bai Nair, 48,

a

former of Washington has tutors in the United

teacher who has 23 years of experience States but also has instructors in South

and is an academic trainer for Growing Africa, the Philippines, India and Chile. Stars, said she had been "floored at first But only those in the United States when 10-year-old American students provide English lessons. addressed me as Leela. All my teaching Philip said his company's work life in India, my students addressed me would help make Americans more comas Ma'am." she said. petitive. That same morning in Cochin, an "Offshore tutoring,** he said, "is a step hour for personal tutoring, compared English teacher, Anya Tharakan, 24, di- toward ensuring that we are not ahvays with $50 or more charged by their rected her student away from the sub- beaten in competition against Japanese American counterparts. ject of video games to concentrate on a carmakers, Indian software firms and Growing Stars pays its teachers a passage from "Alice in Wonderland," Chinese manufacturers." TteNrw York Tins monthly salary of 10,000 rupees, or enlivening the lessons with puzzles.

Abb. 6 Aus der International Herald Tribune 8.9.2005, S. 14 [Nachdruck eines Artikels der New York Times]

44

eLearning: Einsichten und Aussichten

Es wird deutlich: Die Regeln dieses BA/MA-Studiensystems verlagern den Druck nach unten in biographisch frühere Regionen des Lernens. Zugleich ist der Aufwand mitzuhalten, für die Eltern und später für die Studierenden mit erheblichen Kosten verbunden. Ich zögere nicht, diese bildungspolitische Entwicklung als neue Form eines sozialen Darwinismus zu bezeichnen.

Indische Tutoren für Nachhilfe in Mathematik

Die

kostengünstigen Services der bekanntlich in Mathematik besonders begabten Inder lassen sich die amerikanischen Mathematik-Studenten später ebenso wenig entgehen. Die indische Presse freut sich über die Nachfrage durch die amerikanischen Studenten und über zusätzliche Einnahmequellen für das Land wie einige Zeitungen des Landes im August 2005 berichten:

ibMe litst Stmes

(Starch)

Friday, September 9, 2005

Tutoring US math students adds new twist to Indian outsourcing saga Shankar Jay

AFP * I.T.

August 29.

2005

BANGALORE, India

At night 22-year-old Indian mathematics research student Gurpreet Singh logs on to the Internet to teach students sitting thousands of kilometers (miles) away in the United States. -

Abb. 7 Middle East Times Online

vom

29.08.2005

Die tutorielle Betreuung der Studenten durch Mathe-kundige Inder wird noch übertroffen von der „Beratung" der Doktoranden durch Profis

Thesis and Dissertation Advisors' on call -

Abb. 8 Ein

-

nur

j

^s0r

Beratungsbetrieb für Doktoranden

wie Thesis and Dissertation Advisor On Call [http://www.dissertationadvisors.com/] oder dissertations.com [http://www.dissertations.com] (nicht zu verwechseln mit den Verlag und Vertrieb für Dissertationen dissertation.com), auf deren Website die Dankesbriefe fast gescheiterter Doktoranden für das segensreiche Wirken dieser Nachhilfe-Agenturen zeugen. -

-

Dekonstruktion des Mythos eLearning

7.5 Gegensätze zwi-

schen den Rassen

45

Digital Divide: Schere zwischen Arm und Reich

nicht nur die Unterscheidung arbeitende Studenten und studierende Angestellte oder die Unterscheidung Studierende aus 2-year Colleges oder 4year Colleges und Universitäten etc., sondern noch ganz andere Diversitäten. Ein Blick in die Rolle der Ethnien im Fernstudium kann uns weitere Gründe an die Hand geben, vorsichtig bei der Einschätzung amerikanischer Statistiken zu sein. Es ist nichts Neues, dass Benachteiligungen in einer Gesellschaft und in einem Bildungssystem existieren, sei es aus Gründen sozialer Herkunft, ethnischer Abstammung oder Behinderung. Viele Wissenschaftler und Hochschullehrer, die sich früh mit eLearning befassten, teilten die Erwartung, dass sich solche gesellschaftlichen Disparitäten durch eLearning abbauen ließen. Aber in diesem Kontext geht es um eine neue Barriere, die Diversitäten zwischen Gruppen von Studierenden produziert, die zu einer Benachteiligung im Bildungssystem führen. Es geht um die Vorstellung, dass Studierende durch das computer-unterstützte multimediale Studium zusätzlich benachteiligt werden, weil sie keinen Zugang dazu haben können. Die Digital Divide scheint sogar größer zu werden. Es

gibt

„The data for August 2000 from the NTIA study show that divides still existed between different racial and ethnic groups, old and young, single- and dual-parent families, and those with and without disabilities" (NTIA 2000).

Der Erfolg asiatischer Studenten

Das U.S. Census Bureau (2003) berichtet über die College-Abschlüsse der verschiedenen Ethnien im Alter von über 25 Jahren, dass die asiatischen Studierenden gemessen an der Größe ihrer Stichprobe den höchsten prozentualen Anteil an Bachelor-Absolventen haben, nämlich 50 Prozent, während die Anteile bei den weißen Studierenden nur 30 Prozent, bei den schwarzen Studierenden nur 17 Prozent und bei den hispanischen Studierenden knapp 10 Prozent betragen. Bei dieser Stichprobenbildung (über 25 Jahre) ist zu beachten, dass in ihr Jahrgänge enthalten sind (z.B. über 50 Jahre), für die ein Studienabschluss noch nicht so viel bedeutet hat wie für die Jüngeren zwischen 25 und 29 Jahren.

46

eLearning: Einsichten und Aussichten

65 49

%Anteil

33

an

rd6r Gruppe

16

25 years and

M

Weiße

I

over

Asiaten

25

to

29 years

Schwarze

Abb. 9 Bachelor-Abschlüsse nach Alter und Ethnien

Hispanos

(U.S. Census Bureau 2004)

Betrachtet man die Werte dieser ethnischen Gruppen allein für die Altersjahrgänge zwischen 25 und 29 Jahren, also für die Stichprobe derjenigen, die gerade mit einem Abschluss die Hochschule verlassen haben, so fällt auf, dass die Prozente für die asiatischen Studierenden auf 62 Prozent steigen, während sie für die anderen Gruppen stagnieren. Dies legt die Folgerung nahe, dass die asiatischen Studierenden sich auf der Überholspur befinden und noch nicht die Grenzen ihrer Kompetenz erreicht haben. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die High-School-Werte mit den Hochschul-Werten vergleicht: White

Black

Asian

Hispanic

100 _

75

50

25

High

School

Bachelor

Abb. 10 Schul- und Bachelorabschluss nach Ethnien

or more

(U.S. Census Bureau 2004)

Dekonstruktion des Mythos

Asiatische Studierende auf der

Überholspur

eLearning

47

Die Besonderheit der asiatischen Substichprobe wird besonders im Vergleich mit den Schulabschlüssen deutlich. Ich beziehe mich dabei nicht auf das Faktum, dass bei allen ethnischen Gruppen die Zahl der Hochschulabschlüsse niedriger ist als die der Schulabschlüsse das ist selbstverständlich sondern ich beziehe mich auf die Beobachtung, dass die ethnischen Gruppen in ihrem Schulabschluss noch recht nahe bei einander liegen (mit Ausnahme der Schüler hispanischer Herkunft), während die Gruppen im Grad des erreichten Studienabschlusses weit auseinander driften. ,

-

-

Die Asiaten liegen in der Schule mit den Weißen gleich auf, aber im Studium nehmen sie dann die Spitze ein, während die schwarzen oder afro-amerikanischen Studierenden, die noch zu 80 Prozent den High School Abschluss geschafft hatten, im Studium stark abfallen. Die hispanischen Studierenden hatten bereits in der Schule das Nachsehen und fallen im Studium noch stärker ab. Die asiatischen Studierenden überholen alle anderen Gruppen bei Weitem. Durch diesen Vergleich wird der Vorsprung, den asiatische Studierende sich bei den Hochschulabschlüssen erarbeiten, noch bedeutsamer. Würde der Anteil der Bürger asiatischer Herkunft an der amerikanischen Bevölkerung höher sein als er ist, dann dürfte das Ergebnis konservativen U.S.-Bürgern sicher nicht gefallen.

Die Lücke zwischen Schwarzen und Weißen

Wenden wir uns den Differenzen zwischen Weißen und Schwarzen sowie zwisehen Weißen und Hispanos zu. Hier wir die Existenz der Digital Divide augenscheinlich. Selbst wenn der allgemeine Leistungstrend im Verlauf der Geschichte allmählich aufwärts zeigt, wie die neueste Studie der National Assessment of Educational Progress (NAEP) herausstellt, bekannt als „the Nation's Report Card" [http://nces.ed.gov/nationsreportcard/about/], die Lücke zwischen den Weißen und den Schwarzen und den Hispanos bleibt in etwa konstant. Das Long-Term Trend Assessment von NAEP aus 2004 [http:// nces.ed.gov/nationsreportcard/ltt/results2004/natsubgroups.asp] bezieht asiatische Studierende noch nicht in die Analyse ein. Folgt man jedoch der Analyse von William Bowen und Derek Bok (1998), so ist eine noch ungünstigere Prognose wahrscheinlich: „Most troubling of all, a recent study suggests that the black-white gap in test scores among high schools seniors may actually widen over the next few years." (S. 23) Diese Erkenntnisse bleiben nicht auf die USA beschränkt. Wir finden ähnliche Relationen zwischen ethnischen Gruppen in anderen angelsächsischen Ländern die zum Commonwealth zählen. Jozef Hvorecky, slowakischer Hochschullehrer aus Bratislava, der für die University of Liverpool Online-Kurse abgehalten hat, berichtet über die ethnische Zusammensetzung der Teilneh-

48

eLearning: Einsichten und Aussichten

seiner sieben Online-Kurse, an denen 109 Studierende aus 18 Ländern teilnahmen, und welche Erkenntnisse sich hinsichtlich der Rolle des virtuellen Studiums für die Bedeutung der Digital Divide ergaben: „Despite the large variety of countries and the students' good study results, the author becomes more and more convinced that the Digital Divide is widening." mer

Wie kommt Jozef Hvorecky zu dem Schluss? Die größte Gruppe Studierender kam aus England. Aber über die Hälfte der Teilnehmer stammte aus anderen Ländern. Unter diesen waren jedoch nur vier Entwicklungsländer (China, Iran, Jamaika und Tansania) mit jeweils einem Studenten vertreten. Betrachtet man die Nationalitäten dieser Studierenden, dann dreht sich das Bild. Die Zahl der Nationalitäten ist kleiner als die der Herkunftsländer. 22 Studenten stammen aus Entwicklungsländern, ihr Wohnsitz ist jedoch England. Jozef Hvorecky betrachtet dies als Indiz für die Existenz eines „brain drain". Mit anderen Worten: eLearning erfüllt nicht das Ziel, Studierende aus Entwicklungsländern an ein Studium heranzuführen. Neben der ethnischen Diversität und der digital Divide zwischen reichen Ländern und Ländern der dritten Welt, gibt es auch eine institutionelle Barriere. NPEC (2004) spricht von der „Postsecondary Education Digital Divide" und mutmaßt, dass große 4-year Universitäten eine größere Informationstechnologie-Kapazität besäßen und deshalb kleinere Hochschulen ausmanövrieren könnten: „according to NCES, technology-mediated distance education was related to institutional size; distance education courses were more likely to be offered by medium and large institutions than by small institutions". Ob die Bedenken berechtigt sind, ist meines Erachtens noch nicht ausgemacht. Es wäre ebenso denkbar, dass kleinere Institutionen sich auf eine qualitativ hochstehende Präsenzlehre als Wettbewerbsziel spezialisieren, während größere Institutionen versuchen könnten, die Massenlehre durch eLearning-Support zu modernisieren.

Dekonstruktion des Mythos

1.6

49

eLearning

Qualität im eLearning Die

Informationstechnik wird eine

Revolution in den Klassenzimmern auslösen. Wir müssen die Pädagogikfür das Informationszeitalter aber erst noch erfinden.

Roman

Herzog

1999

Wenn schon das Bild des eLearning, das die amerikanische Statistik zeichnet, ganz anders aussieht als wir es erwartet haben, hält dann nicht wenigstens die Qualität des eLearning in den USA unseren Erwartungen stand? Es gibt eine Reihe von Faktoren, die als Indiz für didaktische Qualität gelten können. Zu diesen Kriterien zähle ich die Art der Mediennutzung, die wissenschaftliche Qualifikation der Lehrenden, den Status der Lehrenden, die „attrition rates" (Abbrecherquoten), die „retention rates" (Verbleibsquoten) und die Zufriedenheit der Studierenden mit dem Online-Studium. Ich werde versuchen, zu einigen dieser Indikatoren statistische Angaben zu finden, um ein genaueres Bild der eLearning-Qualität zeichnen zu können.

Die Medien: Die

Qualität der Medien in Online-Kursen

Die Berichte der California Community Colleges (2001) liefern detaillierte Daten zum Medieneinsatz in den Online-Kursen. Ihre Angaben sind allerdings beschränkt auf den Gesichtspunkt, welche Medien für Online-Kurse genutzt werden. Zu der didaktisch noch brisanteren Frage, wie diese Medien eingesetzt werden, wurden leider keine Daten erhoben:

eLearning: Einsichten und Aussichten

50

DED#80

O DED#30

O DED#60

Instructional media

Kurse 3.500

1.750

1995

1996

1997

1998

1999

Abb. 11 Medieneinsatz in Online-Kursen (CCC 2001)

Video

vor

Internet

Das

meisten genutze Medium ist mit DED#80 der Versand von Videokasmit Vorlesungen (CCC 2001). DED#30 betrifft den Versand von schriftlichen Lehrbriefen, das alte Korrespondenzstudium. Erst mit DED#60 ist das computer-unterstützte Lernen gemeint, das ab 1997 allmählich ansteigt. Noch 2000 berichtet die National Education Association (NEA 2000) ein Übergewicht der video-basierten Fernkurse: „We see two basic types of distance learning courses: Web-based courses (44%) and those relying primarily on video technologies (54%)". Das Fernstudium in den USA kennt mehrere Vertriebskanäle, wobei lange Zeit die Methode des Versands oder der Übertragung von Video dominierte: Das Internet ist nicht „the predominant distance learning technologies. That honor goes to live video instruction, which is the most popular and fastest growing distance education delivery mode in the United States" [http://www.cete.org/acve/docgen.asp?tbl=mr&ID=88]. am

setten

Anstieg der Internet-Nutzung

Interessant sind die Daten aus dem CCC Report von 2005, weil sie deutlich machen, dass die Entwicklung des Medieneinsatzes im Fernstudium um 2001 und 2002 eine dramatische Wende nimmt: Erst sieben Jahre, nachdem die Internet-Technologie zur Verfügung steht, wird sie praktisch eingesetzt. Während Video und Text und andere Medien auf dem Stand eingefroren werden, steigt der Einsatz Internet-basierter Kurse enorm an:

51

Dekonstruktion des Mythos eLearning

O CAI

O ITV

O Online

Kurse 9.000

6.750

4.500

2.250

0 95/96

96/97 97/98 98/99 99/00 00/01

Abb. 12 Medieneinsatz bis 2003/2004

01/02

02/03

03/04

(CCC 2005)

Video und Fernsehen und Computer-Assisted Instruction (CAI) nehmen nur leicht zu, während der Einsatz des Internets ab 2001 extrem stark ansteigt Dieser Anstieg muss jedoch nicht heißen, dass damit die interaktive Revolution im digitalen Klassenzimmer ausgebrochen ist, sondern es trifft die Einschätzung nach wie vor zu, dass das Fernstudium in den USA zu einem guten Teil ein Korrespondenzstudium auf elektronischer Basis ist. Denn die didaktische Qualität entscheidet sich ja nicht nur vom Medium her, sondern vor allem von der Art des Einsatzes dieses Mediums. Auch die Internet-basierten Kurse können den Charakter eines Korrespondenzstudiums annehmen, wenn im Wesentlichen die digitalen Texte nur zum Download angeboten werden. .

Das lässt eine Statistik erahnen, die von Rhonda M. Epper und Myk Garn (2003) für die State Higher Education Executive Officers (SHEEO) und die Western Cooperative for Educational Telecommunications (WCET) erhoben wurde. Es wurden 61 Virtual Colleges und University Consortia befragt, vornehmlich verselbständigte virtuelle Ableger von Präsenzuniversitäten. Von 51 Institutionen liegen die Daten vor. Danach nutzen zwar 100% das Internet, aber auch andere Methoden und Medien, wobei Video nach wie vor eines der 24. Während in der vorherigen Statistik die Kategorie DED#60 das computer-unterstützte Lernen bezeichnete, werden CAI und Internet-basiertes Lernen in dieser Statistik getrennt verzeichnet.

52

eLearning: Einsichten und Aussichten

dominierenden Medien ist: Video wird in drei Varianten übertragen (als ITV compressed video zu 56.9%, per Satellit zu 33.3% und per Kabel zu 43.1%), Korrespondenz zu 35.3%, Präsenzunterricht zu 15.7% und eine originelle Variante, die bisher noch nicht erwähnt wurde, den Traveling Teacher zu 11.8%. Kritik der mediendidaktischen

Qualität

Zemsky und Massy (2004) hat sich an diesem medialen Charakter des Fernstudiums nichts durch die Nutzung des Internets geändert, denn es wird überwiegend als Distributionsmedium genutzt: „For the most part, however, what the Web provides are merely correspondence courses distributed electronically." Auch Friedrich Hesse betont diesen Eindruck in seinem Bericht über die Reise mit Staatsekretär Uwe Thomas (2001) in die USA: „Entsprechend sind die netzbasierten Lehr-Lernstrukturen auch sehr stark an der alten Metapher des klassischen Unterrichtens orientiert und in vielen Fällen 1:1 übertragen worden." Er führt dies unmittelbar zurück auf die zunächst als Stärke angesehene wirtschaftliche Orientierung der amerikanischen Hochschulpolitik und den mit dem Wirtschaftshandeln verbundenen Zeitdruck, der nicht geeignet ist, innovative Konzepte hervor zu bringen. Sein Urteil über das amerikanische eLearning ist ernüchternd: „Will man die gesamte OnlineSzene soweit sie Lehren und Lernen und Wissensprozesse betrifft beschreiben, so ist sie wenig visionär gestaltet." Für

-

-

Es ist nicht nur die Rolle der Medien, die relevant für den Lernerfolg der Studierenden oder die Qualität der Ausbildung sein kann, sondern auch die Bedeutung des didaktischen Konzepts oder der benutzten und präferierten Lernmodelle. Zu dieser Problematik liegen keine Daten vor. In den Umfragen wurden keine Daten zu diesen Fragen erhoben, vermutlich weil den Fragestellern selbst diese Fragen wenig bedeuten.

Leider sind die bekannten Daten allesamt recht unzuverlässig. Aus einer Befragung von NCES (2003) geht hervor, dass die Hochschulen Internet-Kurse in Form synchroner und asynchroner Computer-unterstützter Instruktion anbieten, aber ebenso mit Video arbeiten. Ich habe hier nicht die ganze Tabelle abgedruckt, sondern zitiere nur die Werte für die staatlichen 4-year Colleges: Medieneinsatz oder

Übertragungsmodus

Two-way One-way video with two-way audio One-way live video

video with two-way audio

80

Tab. 7 Online-Kurse und Medieneinsatz (NCES 2003-017, Tab. 10)

Dekonstruktion des Mythos

eLearning

Medieneinsatz oder

53

Übertragungsmodus

One-way Prerecorded video Two-way audio transmission One-way audio transmission Synchronous Internet courses

40

Asynchronous Internet courses

87

CD-ROM

29

Multimode

29

11

10 55

packages Other Technologies Tab. 7 Online-Kurse und Medieneinsatz

(NCES 2003-017, Tab. 10)

Die Tabelle mit ihren weit über 100% hinausgehenden Werten ist schlecht zu lesen. So ist z.B. nicht klar, was unter den hohen video- und audio-basierten Zwei-Wege-Lehranteilen zu verstehen ist. Ist eine interaktive Lehre in kleinen Gruppen gemeint oder eine Vorlesung mit minimalem Rückkanal. Was genau ist unter asynchroner Internetbasierter Lehre zu verstehen, deren Anteil höher ist als der Anteil synchroner Lehre. Die Befragung macht zwar deutlich, dass die Medienlandschaft allmählich gemischter wird, allerdings lässt diese Tabelle keine Rückschlüsse auf das wirkliche didaktische Arrangement zu. Die Tatsache jedoch, dass die meisten Teilnehmer von Online-Kursen in Präsenzhochschulen immatrikuliert sind, veranlasst die Autoren der California Community Colleges (CCC 2001) zu der Schlussfolgerung, dass es nicht die Attraktion der Medien ist, die die Studierenden zu Online-Buchungen verleitet: „The hope that new DE delivery technologies would attract those students living some distance from their community college campus appears to be unfounded." Nicht die neuen Medien als Medien sind es, die zu dem Anstieg an Einschreibungen in Internet-basierte Fernkurse geführt haben, sondern die Eigenschaft der Neuen Medien, das Hauptmotiv der Studierenden, die convenience', effizient bedienen zu können: „the ability to fit courses into their daily schedule is the chief reason students take DE classes."

Die

Lehrqualität: Lehrende im eLearning

Die Lehrenden, ihre Ausbildung, ihr wissenschaftlicher Status und ihre Lehrqualifikation sind wichtige Variablen für die Qualität der Online-Lehre. Nach NCES (2002) sind es etwa 6 Prozent der Lehrenden, die mindestens einen Online-Kurs anbieten (Ellen M. Bradburn, NCES 2000-155). Die National Edu-

54

eLearning: Einsichten und Aussichten

cation Association (NEA 2000) geht davon aus, dass jeder lOte Hochschullehrer einen Online-Kurs anbietet. Mich interessiert in diesem Kontext, welche Qualität die Lehrenden in die virtuelle Lehre einbringen. Mehrere statistische Überblicke über den Bereich des Fernstudium interessiert die Frage, wie die Beteiligungsquote von Lehrenden verschiedener Ethnien ausfällt (Ellen M Bradburn & Linda Zimbler, NCES Statistical Analysis Report: Distance Education Instruction by Postsecondary Faculty and Staff: Fall

1998,2002-155): 12%

9%

6%

3%

\•

Softwarelösungen »

Bereiche sind Dito

Homepage von dito (Fraunhofer AOI)

das Schwesterprogramm Digalo von Fraunhofer AIS zur Visualisierung von Argumentationen [http://zeno8.ais.fraunhofer.de/digalo/webstart/index.htmlJ. Hierzu existiert ein Buch von Oliver Märker, Matthias Trénel (Hrsg.): Online-Mediation. Neue Medien in der Konfliktvermittlung mit Beispielen aus Politik und Wirtschaft: Berlin: edition sigma 2003. Die Autoren zielen mit dem Begriff Mediation tatsächlich auf Konfliktvermittlung ab, nicht auf Moderation, obwohl das Programm durchaus als Werkzeug zur Begleitung von wissenschaftlichen Diskursen geeignet erscheint, die nicht Konflikte beinhalten müssen, wie auch die anderen zur Beschreibung benutzten Ausdrücke deutlich machen: „Dokumentationsinstrument für komplexe Diskussionen", „Wissen effektiver strukturieren", „Gestaltung von sachorientierten Diskussionen (Diskursen)". s.a.

-

188

eLearning: Einsichten und Aussichten

dito arbeitet mit dem Prinzip der Verknüpfung Texten aus der Online-Kommunikation.

von

Objekten, in der Regel von

Scripted Cooperation

Kooperationsskripte regeln die Zusammenarbeit

Eine alternative Methode für die Unterstützung von Diskursen wird als „scripted cooperation" bezeichnet. Das Programm wurde im Forschungsprojekt „Wissenskonstruktion und Grounding-Entscheidungen beim netzbasierten kooperativen Lernen mit Lernprotokollen" entwickelt [http://www.fhnon.de/

fbwp/pfister/inhalte/dfgprojekt/projekt.htrn]. Ein

Kooperationsskript ist vergleichbar mit einer Vorschrift, nach der eine kooperierende Gruppe vorzugehen hat. Diese Vorschrift kann die Phasen der Kooperation skizzieren, aber auch eine Rollenverschreibung vornehmen und eine Aufgabenverteilung oder Regeln vorschreiben. Diese Methode wird in der Dissertation von Armin Weinberger (2003) ausführlich beschrieben. Der

Lernprotokolle: implementierte Kooperationsskripte

methodologische Status und die lerntheoretische Provenienz des SkripteKonzepts wäre noch näher zu klären. Skripte realisieren eine präskriptive Didaktik, die den lernenden Subjekten Aktivitäten und Prozesse vorschreibt, dabei umfassen Skripte soziale und kognitive Aktivitäten. Die kognitiven Aktivitäten aber werden nicht wirklich kognitiv, sondern unabhängig von Inhalten und Kontext beschrieben. Aufgaben werden als Tätigkeiten induziert. Pfister & Mühlpfordt (2002) nutzen Lernprotokolle als Methode. Das Lernprotokoll ist ein strukturiertes Werkzeug (Abbildung 42 auf Seite 189). Als Lernprotokoll bezeichnen sie im Programm implementierte Kooperationsskripte. Sie beschreiben zwei Formen von Lernprotokollen: Zum einen das „Explanation Protocol" für die Erklärung von Diskursen, zum anderen das „Cooperative Text Processing Protocol": „Participants explicitly identify the reference of their contributions as well as the type of contribution; furthermore, the order of contributions is predetermined. Learning protocols can be defined with respect to a variety of typical discourse situations, such as giving an explanation, or summarizing text. We describe two learning protocols and present empirical results which confirm the hypothesis that structured discourse leads to superior learning compared to unstructured chat."

Der Diskurs ¿m

eLearning

189

LEEESsa Same Session

«Jfllg)

New Session

Component Model

¡Vulkanismus i/iilkanaiishnirhf mtstrtiwi, wenn vlagma durch Öffnungen in der

Erdkruste austritt Dies kann entweder allmählich bei basaltischem Magma

Form finer Eruption b« andesitis ehern Magma geschehen Vulkane baden sich entweder an den rider

in

Subduktionszonenvon tekionischen Catien

(Ätna. Sizilien), an

nittelozeanischen Rucken /Hekla, Island) oder an Hot Spots (Mauna

c

Kömnent3r (von 2):

Tutor:

möglicriwerweise gibt es viele Arien, je nachdem wieviel

Tutor Mit lerner:

Kieselsäure dnn ist Frage (von 1Î was ist eine

SuDduktionszone?

Erklärung (von Tutor» das ist die Region, wo

sich eine ozearische Platte unter eine

Neuei Meta-Berlray

Kontinentalplalte sctiiebt, gemäß der Theorie

derj^j

Kümmern ar

Frage Eikbnuiiy

1

zfcren Sie zuerst, worauf sich Ihr Beitrag

*^en sotl Drücken Sie dann die rechte Beitrags

raste und wählen Sie die Art Ihres Geben Sie danach Ihren Eertrag ein

Sie sind dran

Abb. 42

Lernprotokoll: Erklärungsdiskurs (Pfister & Mühlpfordt)

Die Realisierung des Kooperationsskripts erfolgt entweder durch Instruktion oder durch Implementation. Beiträge werden charakterisiert als Typ, Bezug (Referenz), Rolle (schränkt die zulässigen Typen ein) und Reihenfolge. Die intendierte Funktion dieser Kategorisierungen besteht darin, dem Diskurs eine Struktur über zu stülpen in der Annahme, dass strukturierte Diskussionen leichter erinnert werden können.

4.15 Diskussion Die beschriebenen Programme sollen das Argumentieren durch Methoden unterstützen. Methoden sind wichtig. Aber sind Methoden wirklich alles? Muss man sich nun vorstellen, dass zukünftig alle Studierenden sich solcher Werkzeuge bedienen sollen, um Beiträge in Foren einzugeben? Ist das der Grund, warum ich diese Instrumente hier vorgestellt habe? Nein. Man wird bei

entsprechend qualifizierter Moderation durch einen methodologisch gebildeten Dozenten auch ohne diese Werkzeuge mit den Studierenden 83. Es ist in diesem

Zusammenhang vielleicht erwähnenswert, dass es auch spezielle Analyse und Diagnose von Argumentationen gibt, z.B. Aracuaria [http://www.computing.dundee.ac.uk/staff/creed/araucaria/], das über eine eigene Argument Markup Language auf der Grundlage von XML verfügt, sowie Genie Werkzeuge

und SMILE

zur

[http://www2.sis.pitt.edu/~genie/].

190

eLearning: Einsichten und Aussichten

in Foren regelhaft argumentieren können. Es wird Aufgabe der Dozenten sein, durch tutorielle Beratung das Niveau des Diskurses zu sichern. Eine durch Vorschriften geregelte asynchrone Kommunikation scheint pädagogisch eher hinderlich zu sein, besonders bei wiederholtem Einsatz.

gibt allerdings Indizien dafür, dass der Einsatz dieser Instrumente effektiv sein kann (Pfister & Mühlpfordt 2002; Weinberger 2003). Kyza, Golan et al (2002) untersuchten Lernprozesse bei Schülern mit Hilfe eines „Progress Portfolio"-Werkzeugs (Northwestern University), das mehrere Methoden als instruktionale Hilfen anbietet („scaffolds"). Sie stellten einen effektiven Beitrag der Methode zum selbstregulierten Lernen fest. Ähnliches mag zutreffen, wenn man Argumentationshilfen in Foren anbieten würde. Nur regelhaft sollte man dies nicht tun. Ziel sollte es eher sein, die Qualifikation des Lehrkörpers zu verbessern, damit die tutorielle Beratung auch diesen Aspekt der Methodologie abzudecken weiß.

Es

4.16 Konsequenzen Hochschullehrer sind auf eine Lehre, wie sie in der synchronen oder asynchronen Kommunikation erforderlich ist, in der Regel nicht vorbereitet, wie Dianne Conrad (2004) in Interviews mit fünf Hochschullehrern feststellte, die zum ersten Mal online lehrten. Deren Sorgen konzentrierten sich auf die Kontrolle über den Fachinhalt der Lehre, obwohl sie vorher an einem didaktischen Training teilgenommen hatten: revealed very little awareness of issues of collaborative learning, of learners' social presence, or of the role of community in online learning environments. While they acknowledged that their individual hands-on training experiences with me had been useful, they did not recount to me observations of learners' social interactivity nor did they reflect on the social aspects of their instructional roles that I had described as important to community-building activities."

„They

Ein größeres Angebot an Schulungen für Software, vor allem aber didaktische Trainings für Lehrkräfte können die Situation verbessern (Schulmeister 2005). Selbst Ausbildungsmaßnahmen in eCompetence und Hochschuldidaktik sind nicht ausreichend. Methodologisches Wissen um das Wesen des Gegenstands, mit dem sich die eigene Wissenschaft befasst, und um das Wesen des Diskurses muss hinzukommen. Die erkenntnistheoretischen Fragen werden in der Lehre der meisten Fachwissenschaften nicht oder nur selten behandelt.

KAPITEL 5

Didaktische Szenarien im

eLearning The world view created by one theoretical view often cannot accommodate the world view created by another. That is not a cause for anxiety, but, rather, for celebration.

Donald J.

5.7

Cunningham

1992

Vielfältige Formen von eLearning in der Lehre

Bevor ich auf didaktische Konzepte und Hinweise für die praktische Gestaltung von eLearning in der Lehre eingehe, was ich in den nächsten zwei Kapiteln zu tun beabsichtige, will ich zunächst plastisch die Vielfalt der Formen illustrieren, in denen eLearning auftreten kann. eLearning ist bis heute kein fester Begriff für ein eindeutiges Phänomen. Der Begriff eLearning kommt sowohl als Gegensatz zum Präsenziemen vor (online learning versus on-campus learning) als auch als eine Kombination mit dem Präsenzunterricht (Blended Learning). eLearning oszilliert zwischen rein virtueller Lehre und Präsenzlehre. Die amerikanischen .online courses' sind rein virtuelle Kurse.

192

eLearning: Einsichten und Aussichten

Typen von

Ich will im Folgenden Beispiele für den Einsatz Neuer Medien beschreiben, die das gesamte Spektrum an Multimedia-und eLearning-Methoden illustrieren. Ich beginne mit dem Beispiel eines Seminars, das auf vier verschiedene Weisen mit einem unterschiedlich hohen Grad an eLearning-Methoden durchgeführt wurde. Diese vier Seminarformen sollen illustrieren, wie eLearning im Grad der Virtualität variieren kann. Der Grad der Virtualität ist der Parameter, der in der Literatur wohl am meisten zur Beschreibung von eLearningSzenarien herangezogen wurde.

Online-Seminaren

Präsenzseminar

Präsenz

Das Seminar findet ausschließlich als Präsenzseminar statt. Alle benötigten Lernmaterialien befinden sich in Büchern, Ordnern, Bibliotheken, Karteien etc. Im Seminar werden keine Medien genutzt. Man könnte sagen, im Grunde findet kein eLearning statt, es sei denn man wolle die Tatsache, dass die Studierenden gelegentlich im Internet recherchieren und Quellen aus dem Internet nutzen, als partielle Form des eLearning bezeichnen.

Das Seminar findet ebenfalls ausschließlich als Präsenzseminar statt. Ab und zu werden im Seminar elektronische Materialien aus dem Internet genutzt. Die Studierenden greifen über eine Web-Site oder eine AustauschPlattform wie BSCW auf Lernmaterial und Aufgaben zu. Gelegentlich werden die im Internet gesammelten Beispiele in den Unterricht im Präsenzseminar einbezogen. Präsenz- und eLearningKomponente bleiben getrennt.

Blended

Learning

Virtuelles Seminar

Das Seminar ist zwar Präsenzseminar, aber einige Sitzungen oder betreute Arbeitsgruppen finden online statt. Die Studierenden stellen in einer Plattform die Ergebnisse ihrer Recherchen, ihre Präsentationen und ihre Hausaufgaben ein. Diese Arbeit findet unabhängig von Terminen asynchron statt. Die Arbeitsgruppen treffen sich gelegentlich online zu bestimmten Terminen und diskutieren dann synchron ihre Aufgaben und Themen. Tab. 27 Vier Formen der

Protagonisten

für eLearning

begleitet durch Netz

Das Seminar findet nach einer Einführung in die Software nur noch online statt. Die Studierenden stellen ihre Recherchen und Materialien in den virtuellen Klassenraum ein. Diese Arbeit findet asynchron statt. Die Arbeitsgruppen treffen sich regelmäßig online, ihre synchronen Sitzungen werden evtl. durch Tutoren moderiert. Plenumssitzungen finden synchron online statt und werden durch den Dozenten moderiert.

Integration von eLearning und Präsenzseminar

Im Folgenden wähle ich einige bekannte Protagonisten für eLearning aus und beschreibe Projekte, die sie durchgeführt haben, um anschließend zu illustrieren, wodurch sich diese Projekte unterscheiden.

Didaktische Szenarien im

193

eLearning

Wolfgang Effelsberg

Alois Ferscha

Teleteaching-Vorlesungen Wolfgang Effelsberg hat Teleteaching zwischen den Universitäten Heidelberg und Mannheim eingeführt. Studierende des Studiengangs Techni-

MobiLearn

sche Informatik in Mannheim benötigen Kurse in Physik, die es in

Heidelberg gibt. Heidelberg hingegen

besitzt keine Informatik. Der Austausch per Teleteaching erspart Studierenden die Fahrt zwischen beiden Universitäten.

Freiburg und Karlsruhe sind dem Verbund beigetreten. Das Projekt erlaubt drei instruktionale Formen, die hinsichtlich Reichweite, Interaktivität und Individualisierung des Lernprozesses variieren: Die Tele-Vorlesung, das interaktive Tele-Seminar und das Selbstlernen zuhause.

MobiLearn, eine Lernumgebung

von

sechs Instituten österreichischer Universitäten, bietet zwölf Content-Module für Medieninformatik, die zwölf Lehrveranstaltungen entsprechen. Jedes Modul ist in Lerneinheiten unterteilt, die etwa eine Stunde Lernzeit einnehmen. Der Inhalt

Texten und komplexen Applets befinden sich in ei-

aus

interaktiven

Lernplattform und können auf unterschiedlichen Endgeräten gelesen und bearbeitet werden. Die Inhalte (soweit nicht interaktiv) können automatisch in unterschiedlichen Formaten generiert werden, z.B. als Folien für die Vorlesung oder als PDF zum Ausdrucken. Für das selbständige Lernen und die Teamarbeit gedacht, kann MobiLearn auch in allen bekannten Lehrformen genutzt werden. ner

http://www.informatik.uni-mannhttp://www.mobilearn.at/ heim.de/pi4/projects/teleTeaching/ Tab. 28 eLearning-Beispiele: Teleteaching und web-basierte Vorlesung

Vorlesungen mit Medien-

Begleitung

Beispiel kann man noch nicht von eLearning sprechen. Teleist Unterricht, der zeitgleich an andere Orte übertragen wird [http:// www.e-teaching.org/lehrszenarien/vorlesung/teleteaching/]. Zeichnet man die Vorlesung auf und stellt sie ins Netz, so wird daraus ein erster Ansatz zu eLearning, da die Konserve zeitversetzt angeschaut werden kann. Der Einsatz einer web-basierten Lernumgebung mit interaktiven Übungen bei Alois Ferscha und anderen in Linz, Klagenfurt und Wien findet begleitend zu Präsenzveranstaltungen statt. Die interaktiven Übungen können individuell gelernt und im Präsenzunterricht aufgegriffen werden. MobiLearn kann als optimale Realisierung des Blended Learning-Konzepts gelten. Beim

ersten

teaching

194

eLearning: Einsichten und Aussichten

Frank Schätzlein Proseminare mit

Wolfgang Swoboda Netzunterstützung

Frank Schätzlein führt seine Proseminare „Grundlagen der Medien" im medienwissenschaftlichen Grundstudium der Universität Hamburg als Blended Learning mit Hilfe der Groupware BSCW durch. BSCW dient dabei Speicher (Volltexte, Handreichungen zum Methodenwissen, Audiodateien/Hörbeispiele, Literaturlisten, Aufgaben, Präsentationen, Handouts usw.) und

Kommunikationsplattform (Diskussion, Fragenspeicher, Mail

u.

ä.).

Die Verbindung zwischen Präsenzphase und der Arbeit mit der Groupware erfolgt zum einen durch verschiedene Aufgaben, die online bearbeitet werden und deren Ergebnisse in das BSCWSystem eingestellt und in der folgenden

Sitzung aufgegriffen werden, zum an-

deren durch das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten (Glossar, Bibliographie, Pressespiegel, Linksammlung, Themen/Fragenspeicher) auf der Grundlage der behandelten Themen. Die Kombination von Plattform und Seminar bietet einen zusätzlichen Lernweg' und Zugang zum Seminarthema und Arbeitsmaterial. ,

www.frank-schaetzlein.de/lehre/

Seminare mit

Lernplattform

Wolfgang Swoboda unterrichtet Journalistik, Medienwirtschaft und Kommunikationspolitik in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg sowie Medieninformatik in Berlin, Brandenburg und Lübeck. Er verfügt über eine Menge historischen und aktuellen Materials zu Presse, Hörfunk, Fernsehen, Musikindustrie und anderen Medienmärkten, das er in einer Datenbank entwickelt und aktualisiert und von Hamburg aus in eine verfügbare Plattform einspielt. Die didaktischen Formen des Einsatzes sind variantenreich: In Übungen zur Redaktionellen Praxis und in Projekten mit Medienbetrieben erarbeiten die Studierenden selbst den Content und sind auch verantwortlich für die Präsentation der Ergebnisse. Andere Kurse leben vom bereitgestellten Multimedia-Material. Es kann Aufgaben und Fragen dazu geben, zu denen die Studierenden arbeiten und sich im Seminar und in Foren verständigen können. In einer dritten Variante teilt Swoboda sich mit anderen Kollegen BA-Module, wobei eine Kollegin die Veranstaltung betreut, während Swoboda mit den Studierenden auf der Plattform arbeitet und erst zu den Prüfungen anreist.

http://www.bui.haw-hamburg.de; http:// www.elbe-studios.de; http://www.AnsTageslicht.de; http://www.elchportal.de Tab. 29 eLearning-Formen: Ansätze für Blended Learning

Didaktische Szenarien im

eLearning

195

Beispiel von Frank Schätzlein unterstützen die Neuen Medien im Wesentlichen den Präsenzunterricht. Die gelegentliche Referenz auf Inhalte der Plattform im Präsenzunterricht, das Hin und Her zwischen Plattform und Unterricht ist ein Ansatz zur Integration des eLearnings in die Präsenzphasen. Das Beispiel von Wolfgang Swoboda deutet an, wie vielfältig LehrmaterialSammlungen im Unterricht genutzt werden können, und dass Lehrmodelle, die diese Vielfalt inkorporieren, einen Rahmen um den eLearning-Kern herum bilden, der jedesmal andere Lehrmethoden erfordert. Im

Nicolae Nistor & Heinz Mandl Online-Seminare

Jozef Hvorecky

zum

Wissensmanagement

Virtuelle Seminare für Liverpool

In der Virtuellen Hochschule Bayern bieten Nicolae Nistor und Heinz Mandl von der LMU München ein Online-Seminar „Einführung in das Wissensmanagement" an. Es wird als virtuelles Seminar durchgeführt.

The

Die Teilnehmer des Seminars lernen Konzepte zur Repräsentation, Kommunikation, Generierung und Nutzung von Wissen kennen und erhalten einen ersten Einblick in mögliche Strategien und Instrumente für das Wissensmanagement. Sie bekommen mehrere Fallbeispiele, die zu bearbeiten sind. Es gibt einen Fahrplan, Aufgaben und Zeitvorgaben, ganz ähnlich wie es in dem nächsten Beispiel aus Liverpool

beschrieben wird. Als Abschlussarbeit wird von jeder Gruppe eine Präsentation einer Falllösung verlangt.

principle method of education is self-learning. The students are given textbooks and other study materials in advance, but they are supposed to read them and learn by themselves. The class progress is coordinated. The course is split into blocks (of a few chapters) which must be completed within a given period. Students should offer their help to others. Their support is valued and graded. Intensive communication is recommended and facilitated. To intensify critical thinking and in-depth learning, the course design should facilitate assimilation of the theory through clarifying concepts and their application. A typical method uses .discussion questions' [...]

The teacher's role has changed [...] For that reason they are often characterized as

.moderators'

or

.facilitators'.

Die inhaltliche und didaktische Konzeption stammt von Gabi Reinmann.

http://wissman.emp.paed.uni-muen-

chen.de/; s.a. Reinmann-Rothmeier & Mandl (2001) Tab. 30

http://www.eurodl.org/materials/contrib/2004/Hvorecky.htm

eLearning-Formen: Online-Kurse

196

eLearning: Einsichten und Aussichten

Online-Seminare wie diese beiden sind das andere Extrem des eLearning. Hier liegt die Priorität auf der Präsenzkomponente. Bei manchen Online-Seminaren gibt es gar keine Präsenzanteile mehr. Die Teilnehmer können aus allen Ländern kommen und sich von überall her ins Seminar einloggen. In der Regel arbeiten Online-Seminare mit einer Mischung von Texten, Arbeitsgruppen, Diskussionen in Foren und im Chat, wobei die Anteile variieren können. Viele Online-Seminare haben einen Fahrplan, geben einen zeitlichen Rhythmus vor und setzen Fristen, bis zu denen Arbeiten abgeliefert werden müssen, während projektorientierte Seminare weniger mit festen Vorgaben arbeiten.

Apostolopoulos

Rolf Schulmeister

Nicolas

Methodenlehre-Baukasten

Statistiklabor

Der Methodenlehre-Baukasten ist ein Lernprogramm für die Methodenlehreund Statistik-Ausbildung in den Fächern Psychologie, Soziologie, Erziehungswissenschaft und Medizin. Die Studierenden dieser Fächer finden in dem Programm Bücher für Methodenlehre und Statistik, ein umfangreiches Glossar und viele Lektionen mit über 700 hoch-interaktiven Übungen. Sie können mit diesem komplexen Lernprogramm die Grundlagen der Methodenlehre erlernen, sich im eigenen Lerntempo den Stoff der Statistik aneignen und sich auf Prüfungen vorbereiten.

Das Statistiklabor ist ein

System kann als Begleitmaterial zu Präsenzveranstaltungen eingesetzt werDas

den, es kann aber ebenso

von

Lehren-

den in Lehrveranstaltungen präsentiert werden. In Tutorien oder Studiengruppen können ausgewählte interaktive

Übungen gemeinsam durchgegangen werden.

Statistik interaktiv berechnet werden. Im Arbeitsblatt gibt es Objekte für Datensätze und Berechnungen, die durch Links verbunden werden können, wodurch Datenflüsse simuliert, Tabellen erstellt und Kennwerte berechnet werden können. Mit dem Labor können komplexe Aufgaben bearbeitet werden. Die Lehrenden können Aufgaben geben, die die Studierenden mit dem Werkzeug bearbeiten sollen. Das Statistiklabor kann alle während einer

Sitzung erzeugten Berechnungen

aufzeichnen und auf diese Weise auch ePrüfungen unterstützen. Im Sommer 2005 bearbeiteten 260 Studierende einen Teil der Klausuren zu Statistik I und II mit dem Statistiklabor.

http://www.statistiklabor.de eLearning-Formen: Selbstlernprogramme I

www.methodenlehre-baukasten.de

Tab. 31

WerkzeugkaUnterstützung der statistischen Ausbildung. Mit den Werkzeugen kann sten zur

Didaktische Szenarien im

Christiane Metzger, Heiko Zienert, Rolf Schulmeister

Burkhard Tönshoff, Sabine via Parthe-Peterhans et al

„Die Firma": Entdeckendes Lernen

Campus Pädiatrie: Problemorien-

der

CD-ROMs mit einem Lernprogramm zur Deutschen Gebärdensprache, das auf natürlichen Dialogen aufbaut und durch interaktive Übungen Feedback erteilt. Die Lernprogramme sind für Studierende der Deutschen Gebärdensprache entwickelt worden, die Gebärdensprache als linguistisches Fach studieren wie andere Studierende Anglistik oder Romanistik.

Campus Pädiatrie ist ein Lernprogramm, mit dem authentische Fälle aus der Kinderheilkunde in einer realitätsnahen, interaktiven und multimedialen Weise sowohl auf CD-ROM als auch über das Internet bereitgestellt werden, um die Problemlösekompetenz von Medizinstudenten und Ärzten in der Weiterbildung zu verbessern. Der Lernende kann eine Anamnese erheben, Untersuchungen durchführen und Diagnoseund Therapieentscheidungen treffen.

Programme sind zum Selbstlernen gedacht. Jedes der beiden Programme beansprucht etwa 30 Lernstunden, „ersetzt" drei Wochen intensive Sprachlehre. Die überwiegende Zeit davon verbringen die Studierenden allein mit

Das Programm wird in der UniversitätsKinderklinik Heidelberg ergänzend zu Kursen am Patientenbett eingesetzt. Ein Ersatz von Präsenzkursen durch virtuelle Fälle ist nicht geplant, aber die Vielfalt der Fälle könnte sonst nicht geboten werden. Sie ist ein echter Mehrwert. Die Studierenden bearbeiten jeweils einen Fall pro Woche. Sie werden dabei durch Tutoren betreut. Sie können weitere Fälle zuhause bearbei-

geben. Metzger, Schulmeister und Zienert 2000 und 2003; Metzger & Schulmei-

ten.

Die

der CD-ROM. Phasenweise ist auch ein Lernen in Tandems oder kleinen Gruppen sinnvoll. Das Lernen wird wöchentlich begleitet durch Tutoren, die bei Problemen helfen und Rückmeldung

ster

2004

Tab. 32

Werkzeuge

Köpf, Syl-

tierte Lernen in der Medizin

Gebärdensprache

„Die Firma I" und „Die Firma II" sind

Selbstlernprogramme wie

197

eLearning

http://www.neuemedien.uni-hd.de/ projekt3.html

eLearning-Formen: Selbstlernprogramme II

Der Methodenlehre-Baukasten (MLBK) ist ein Web-basiertes Selbstlernprogramm. Zwar können Übungen daraus auch in Vorlesungen demonstriert oder in Tutorien gemeinsam genutzt werden, aber Präsenznutzung und Online-Nutzung können auch streng getrennt werden. Im Extrem kann der Dozent in seinen Methodenkursen ein anderes Lehrbuch empfehlen, die Studierenden können den Baukasten trotzdem als Selbstlernprogramm nutzen.

198

eLearning: Einsichten und Aussichten

Das Statistiklabor ist ein interaktives Werkzeug, in dem sich Statistik konstruieren lässt. Das Programm muss im Gegensatz zum Methodenlehre-Baukasten im Präsenzunterricht genutzt werden, weil die Studierenden lernen müssen es zu benutzen. Das hat auch einen Vorteil, denn auf diese Weise lernen sie gleichzeitig die Statistik kennen. Wird das Werkzeug erst einmal beherrscht kann es auch in ePrüfungen eingesetzt werden.

Mit diesen beiden

Umgebungen begeben wir uns auf das Gebiet der interaktiÜbungsprogramme oder interaktiven Werkzeuge, mit denen man selbständig lernen oder Lernprozesse unterstützen kann. Sie können sowohl in Veranstaltungen als auch begleitend zu Veranstaltungen oder unabhängig von Veranstaltungen genutzt werden. ven

Lernprogramme im Curriculum

Variation der

eLearningProjekte

Auch diese beiden Beispiele beschreiben Selbstlernprogramme. Aber ihr curricularer Stellenwert ist ein anderer: Sie werden integriert im Studium eingesetzt. Der weitere Unterricht in Präsenzform rechnet damit, dass die Programme durchgearbeitet wurden und entsprechende Kompetenzen vorhanden sind. Zugleich ist etwas anderes bemerkenswert. Beide Programme sind so konstruiert, dass sie ein bestimmtes Lernmodell unterstützen. So beruht das Lernprogramm zur Gebärdensprache auf dem Modell des Entdeckenden Lernens, während das Pädiatrie-Lernprogramm sich am Modell des Problemorientierten Lernens orientiert. Was alles variiert in diesen Projekten? Wie lassen sich aus dem Vergleich dieser Beispiele auf einfache Weise Kriterien für die Beschreibung von didaktisehen Szenarien gewinnen? •

Einige Projekte

sollen die

Vorbereitung auf eine Präsenzveranstaltung un-

terstützen, andere dienen der Nachbereitung einer Präsenzveranstaltung, wieder andere werden für die kontinuierliche Begleitung einer Präsenzverdrei Formen können die virtuellen Formen im Sandwich-Modus wechseln.

anstaltung eingesetzt. Zwischen diesen •

Einige Projekte integrieren die Medien in die Präsenzveranstaltung, andere setzen sie nur außerhalb der Präsenzveranstaltung ein. Auch hier gibt es Mischformen.



In vielen Fällen beziehen sich die digitalen Lernmaterialien in Gliederung und Gestaltung unmittelbar auf Inhalt und Ablauf einer Präsenzveranstaltung und sind nur abhängig von ihr einsetzbar. Nur relativ wenige Lernumgebungen sind wirklich unabhängig von einer speziellen Veranstaltung nutzbar und eignen sich gut zum Selbstlernen.

Didaktische Szenarien im eLearning



Überwiegend

werden Medien und Lernprogramme allerdings zusätzlich Präsenzlehre eingesetzt. Nur in wenigen Fällen ersetzen Selbstlernprogramme umgekehrt den Präsenzunterricht zumindest phasenweise, werden also substitutiv eingesetzt.

bzw. additiv





Was sind didaktisehe Szenarien?

199

zur

Noch werden Medien und Lemprogramme meistens offline genutzt, in einigen Fällen jedoch, häufig bedingt durch besondere technische Eigenschaften (z.B. Zugriff auf Datenbanken in dynamischen Umgebungen), steht das Lemmaterial nur online zur Verfügung, und die Studierenden können damit nur online lernen und arbeiten. Virtuelles Lernen findet überwiegend asynchron statt, z.B. in Lernplattformen mit Inhalt, Übungen und Foren, aber einige Formen von eLearning sehen spezielle synchrone Lemphasen für die Kooperation von Arbeitsgruppen, zwecks Rückmeldung durch Moderatoren und Tutoren oder als zeitgleicher Diskurs der gesamten Lerngruppe vor.

5.2 Didaktische Szenarien bündeln die Der

Vielfalt

stammt vom lat. scaenarius = zur Bühne gehörig und Bühne ab und bezeichnet in der römischen Geschichte eine Szenenbeschreibung für ein Theaterstück und heutzutage ein Drehbuch mit den Orten, Spielern und Requisiten. Der Begriff ist nach wie vor in Theater, Film und

Begriff Szenario

scaena

=

Oper gebräuchlich.

Was wird in diesem Beitrag unter .Szenario' verstanden? Nicht gemeint, aber verwandt, ist die Lehrmethode, die unter dem Begriff scenario-based learning oder als goal-based scenario (Schank & Cleary 1995) bekannt geworden ist, in der die Lernprozesse ihren Ausgangspunkt von Geschichten nehmen. Nicht gemeint, aber ebenfalls verwandt, ist die Szenarientechnik, die in der Wirtschaftswissenschaft Anwendung findet [http://www.sowi-online.de/methoden/ dokumente/retzmszen.htm]. Auch nicht gemeint sind die Szenarien, die in Form von Zukunftsprognosen an die Wand gemalt werden, also erfundene Geschichten, in denen die Zukunft möglichst plastisch ausgemalt wird (z.B. das „Szenario Bildungslandschaft 2005" von Andrea Back oder das „Szenario: Die Universität im Jahre 2005" von José Encamaçâo und Wolfgang Leidhold).

Wichtig ist der

Bei den didaktischen Szenarien in diesem

formale Status der Szenarien

Beispiele

Zusammenhang handelt es sich um für Lehren und Lernen, um Unterrichtssituationen und -modelle, die in ihren Komponenten, den Relationen der Komponenten untereinander und in den Prozessen, die davon ihren Ausgangspunkt nehmen, möglichst konkret und möglichst formal beschrieben werden. Ich gehe davon aus, dass

eLearning: Einsichten und Aussichten

200

ein Szenario eine komplexe reale Situation meint, die aus einer institutionellen Organisationsform, einer Lernumgebung und einer Unterrichtssituation besteht, welche in der Regel mehrere Lehrmethoden umfasst. Michael Wache formuliert es so:

„Die Aufteilung in bestimmte Grundmuster (Typen) bildet hinsichtlich des die oberste Beschreibungsebene theoretischer Betrachvon e-Learning-Szenarien. E-Learning-Szenarien über die Didaktik tungen besitzen mehrere konstituierende Merkmale, an Hand derer sie sich in der Praxis und Theorie als Exemplare bestimmter Typen identifizieren und abgrenzen lassen. Diese Merkmale werden bei der Beantwortung folgender Fragen fassbar:

Abstraktionsgrades



Wer (Lehrender Lerner Ko-Lerner) ist mit welcher Aktivität am Lernszenario beteiligt? Wer (Lehrender Lerner Ko-Lerner) steuert den Lernprozess in Bezug auf Lernziele, Lerninhalte, Lernwege, Lernmethoden, Lernerfolgskontrolle? Welche Lernmethoden werden praktiziert? Wie ist das Verhältnis von virtuellen und präsenzgebundenen Prozeduren? Welche kognitive Struktur hat der Lerninhalt? Welche digitalen Technologien (Offline Online) kommen zum Einsatz? -



-

• •

• •

-

-

-

Für die Beschreibung und Unterscheidung der Typen von e-Learning-Szenarien haben sich in der Fachwissenschaft keine verbindlichen begrifflichen Konventionen durchgesetzt." [http://www.bpb.de/methodik/

87S2YN,5,0,Grundlagen_von_eLearning.html#art5] Gründe für die

Beschreibung von

Warum denken wir über didaktische Szenarien nach? Auf diese mehrere Antworten:

Frage gibt es

Szenarien Erstens kann die Reflexion über das eigene Szenario den Hochschullehrer bei der Planung des Unterrichts leiten, sie kann ihn auf übersehene Komponenten der Unterrichtssituation hinweisen oder auf Prozesse des Unterrichtsgeschehens aufmerksam machen, und sie kann ihm bei der Methodenauswahl und der Gestaltung der Prüfungsmodalitäten helfen. Beim Design einer eLearningMaßnahme ist die Integration der verschiedenen Komponenten in ein didaktisches Szenario eine sinnvolle Methode, um die im Szenario impliziten didaktischen Komponenten auf deren interne Konsistenz hin zu überprüfen. Die Wahl eines bestimmten Szenarios kann Rückwirkungen auf die didaktische Gestaltung der Präsenzphasen haben bzw. danach verlangen. Zweitens wäre eine Konvention zur Beschreibung von didaktischen Szenarien wünschenswert als Voraussetzung für die Werbung für eLearning-Angebote,

Didaktische Szenarien im

eLearning

201

die Ankündigung von Kursen, das Marketing und den Verbrauchertest. Kodifizierte Szenarien bieten Vorteile für Planungssicherheit und Forschung. Nur die Beschreibung von eLearning-Angeboten (öffentliche Ausschreibung) auf der Basis eines definierten und konventionalisierten didaktischen Szenarios wird den Interessenten eine vernünftige Auswahl zwischen konkurrierenden Angeboten erlauben. In meinem Buch „Lernplattformen für das virtuelle Lernen" (Schulmeister 2003, S. 166ff.) habe ich darüber laut nachgedacht, wie schwierig es sein mag für einen Interessenten, Studierenden oder Klienten ein Weiterbildungsangebot zu wählen, da die Anbieter ihre Kurse nicht mittels vergleichbaren Kriterien oder eben didaktischen Szenarien darstellen, so dass der Studierende den Kurs wie „die Katze im Sack" kaufen muss. Denn kritisch ist die Intransparenz der Information über Bildungsangebote wegen fehlender Standards der Beschreibung. Wie können Studierende erkennen, was sie bei einem der virtuellen Kurse virtueller Bildungsanbieter tatsächlich erwartet? Sie haben nur die Wahl, sich entweder nach dem Renommee des Anbieters oder dem einschlägigen Thema für eines der Angebote zu entscheiden, solange die Anbieter ihre Kurse in Form, Ziel und Methode nicht allgemeinverständlich beschreiben. Nur wenige virtuelle Universitäten geben Auskunft über die Medien oder die didaktischen Methoden, die eingesetzt werden. Aber selbst dann ist dem Interessenten immer noch nicht klar, wie die Medien und Methoden didaktisch eingesetzt werden, als Berieselung mit Inhalten, zur Motivierung oder als zu analysierendes Objekt kognitiven Lernens. Und selbst wenn eine virtuelle Universität eine Kommunikationsplattform zusätzlich oder integriert in die Lemplattform einsetzt, so kann der Interessent daraus nicht schließen, ob es Arbeitsgruppen mit tutorieller Begleitung gibt und welchen relativen Anteil die Moderation in den Kursen einnimmt. Drittens dürfte diese Argumentation nicht nur für Bildungsangebote und die Auswahl von Angeboten relevant sein, sondern auch für die wissenschaftliche Evaluation von Experimenten, für die Qualitätssicherung und das Benchmarking und für die Evaluation und Akkreditierung von Bildungsgängen etc. Wir brauchen die Transparenz der didaktischen Eigenschaften von eLearningMaßnahmen, weil sonst kein Vergleich zustande kommen kann. Um Ausbildungsangebote und Selbstdarstellungen überprüfbar zu machen, benötigen wir überprüfbare Kriterien und Metadaten, die sich auf die didaktischen Aspekte der Online-Angebote beziehen (Schulmeister 2001, S. 146ff). Metadaten werden von Dublin Core [http://www.en.eun.org/etb/dublincore.html], IEEE LOM (Learning Objects Metadata) [http://grouper.ieee.org/groups/ltsc/ wgl2/] oder dem Projekt Ariadne diskutiert [http://ariadne.unil.ch/Metadata/

202

eLearning: Einsichten und Aussichten

müssten die Metadaten bisher an Entwürfen vorliegt.

ariadne_metadata_v3finall.htm]. Allerdings

eLearning

weit über das

hinausgehen,

was

zum

Diese drei Gesichtspunkte, die didaktische Planung, die Selektion von Kursen und die Evaluation von Kursen mögen wichtig sein, dennoch sind die kritischen Anmerkungen von Michael Wache bedenkenswert:

„Eine alle Bildungsbereiche abdeckende Typologie der didaktischen Grunddes e-Learning gibt es bislang nicht. Diese hätte auf Grund ihres hohen Abstraktionsgrades auch wenig Erkenntniswert. Typologien bilden deshalb immer nur im Geltungsbereich der jeweiligen Bildungsbereiche eine methodisch sinnvolle Systematisierung für die didaktische Gestaltung von muster

eLearning-Szenarien." (ebda)

5.3 Versuche der

Typologisierung

Konzeptefür die Beschreibung von Szenarien

Nichtsdestotrotz will ich kurz auf die Versuche zur Typologisierung von eLearning-Szenarien eingehen bzw. sie zumindest erwähnen. Ein simpler Vergleich von Unterrichtsexperimenten aus verschiedenen Bereichen oder von verschiedenen Autoren genügt um zu verdeutlichen, dass es nicht ausreicht, Unterricht in Form von Szenarien zu beschreiben, sondern dass die Beschreibung von Szenarien selbst standardisiert sein muss, um einen Erfolg zu garantieren. Ich werde im Folgenden einige Versuche erwähnen, die diesen Weg gegangen sind. Linda Harasim, Roxanne Hiltz, Lucio Teles und Murray Turoff (1995) unterscheiden drei Modi des eLearning-Einsatzes, den „adjunct mode", den „mixed mode" und den „online mode" (S.77ff): Unter dem

„adjunct mode", dem Zusatzmodus, verstehen sie die Chance für Studierende, ihre Lehrenden außerhalb der Sprechstunden mittels elektronischen Kommunikationsmethoden erreichen zu können, einen Tutor online zu kontaktieren und online Arbeitsgruppentreffen durchführen zu können. Ich würde zu dem Modus auch rechnen, wenn Studierende jederzeit Zugang zu digitalisierten Inhalten bekommen können. Im „mixed mode", dem Mischmodus, sind die netzbasierten Lernaktivitäten integrierter Bestandteil des Curriculums und nehmen eine Vielfalt von Formen an. Jetzt sind es nicht mehr nur die Kommunikationsschnittstellen

Didaktische Szenarien im eLearning

203

und extra-curriculare Aktivitäten (Informationen, Auskünfte und Terminvereinbarungen), für die das Netz genutzt wird, sondern regelhafte Lernaktivitäten, individuelle und gmppenbezogene, die online stattfinden. Im „online mode", dem Online-Modus, zählen Harasim et al im wesentlichen Online-Seminare im CMC-Modus (computer-mediated communication), die gedruckte Lehrbücher als Grundlage haben, überwiegend asynchron funktionieren, nur selten eine Präsenzsitzung vorsehen (z.B. zur Einführung) und nur gelegentlich synchrone Online-Sitzungen abhalten. Kriterium ist der Grad der Virtualität

Das Kriterium

Harasim et al für die Unterscheidung dieser drei Formen e-Learning augenscheinlich der Grad der Virtualität des eLearningProjekts, beginnend bei einer Form, die nur einen geringen Nutzungsgrad für netzbasiertes Material bzw. Aktivitäten vorsieht, bis hin zu einer Form, die überwiegend virtuell stattfindet. Dazwischen befinden sich die Mischformen, die heute meist als Blended Learning bezeichnet werden. Das Kriterium Grad der Virtualität drängt sich anscheinend auf. Jedenfalls ist es weit verbreitet, tritt z.B. auch bei Palloff & Pratt (2001) auf, die Online-Kurse in drei Kategorien einteilen: „web courses", „web-enhanced courses" und „web-centric courses" (S.67): von







von

ist

„Web courses" meinen dabei Kurse, die durch Lernmaterial begleitet werden, das auf einer Website residiert, so dass die Studierenden jederzeit daran können, ohne groß miteinander in Kontakt kommen zu müssen; „Web-enhanced courses" sind solche Kurse, die sowohl eine Präsenzkomponente als auch eine virtuelle Komponente kennen, also das was wir heute als blended learning bezeichnen; Unter „Web-centric courses" verstehen sie interaktive Kurse, die schließlich im Netz stattfinden.

aus-

Im Grunde nichts anderes meint Robin Mason (1998) mit ihren drei Modellen Online-Seminaren, die sie als „content + support model", „wrap-around model" und „integrated model" bezeichnet. von

Allen und Seaman (2004) bedienen sich in ihrer Studie für das Sloan-Consortium einer ähnlichen Kategorisierung, wenngleich mit dem quasi-objektiven Schein prozentual abgestufter Skalierung versehen. Auch hier spielt als einzige Skala der Anteil virtuellen Lernens am gesamten Unterrichtsgeschehen eine Rolle, von 0% virtuellen Anteilen über bis zu einem 79%-Anteil an der Hybridmischung, während die pure Online-Version von eLearning als 80+%Anteil definiert wird.

204

eLearning: Einsichten und Aussichten

Weitere formale Typologien für Szenarien

Ich will die Diskussion über didaktische Szenarien und wie formalisierte BeSchreibungen von Szenarien kodifiziert werden können, in diesem Buch nicht weiter führen. Zu diesem Thema habe ich erstmals in Schulmeister (2000) einen Vorschlag unterbreitet, den ich in Schulmeister (2003) weiter ausgearbeitet habe. Inzwischen gibt es dazu mehrere Stimmen, die von Dieter Euler (2004), Peter Baumgartner und Ingrid Bergner (2003), Egon Bloh (2005) und schließlich Sabine Seufert und Dieter Euler (2005). Dies werden bestimmt nicht die letzten Versuche bleiben. Um abschließend noch einmal auf den Zweck dieses Kapitel zurückzukommen: Die Illustration der Variationen im eLearning und Blended Learning soll und wie und Kommuniwo Kombinationen mehrerer Medien verdeutlichen, kationsmethoden vorkommen können. Die Ausbreitung der Vielfalt kann die Chance in sich bergen, eigene Ansätze in der angestammten Fachkultur zu finden, die Phantasie für neue Lösungen anzuregen und eine Lust am Probieren entstehen zu lassen. Die beiden nächsten

sollen diese Zielsetzung verstärken, das eine Kapitel (s. Kap. 6, „Die Überwindung von Schranken durch eLearning", S. 205), indem es den Wert kreativer Lösungen betont, um die vorhandenen Schranken im Lehren und Lernen zu überwinden, das andere Kapitel (s. Kap. 7, „Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning", S. 255), indem es einfache Zugänge zu didaktisch anspruchsvollen Konzepten für das Blended Learning schildert.

Kapitel

KAPITEL 6

Die Überwindung von Schranken durch eLearning

Given human evolution and human history, we cognitive scientists err in insisting on one model of cognition, one model of mind. Any one model. Jerome S. Bruner 1996

6.1 Vorteile oder Mehrwerte Die

von

eLearning

Bezeichnung AAL Anytime, Anywhere Learning ist der Name für eine eLearning-Initiative der Firma Microsoft [http://www.microsoft.com/education/AAL.mspx], die den Einsatz von Laptops oder Notebooks in Schulen fördern soll. Der Slogan soll suggerieren, dass die Schüler auf ihrem Notebook von jedem Ort aus und zu jeder Zeit in einem Netzwerk lernen können. Das ubiquitäre oder mobile Lernen mag sinnvoll sein und sich langfristig als ausgesprochen nützlich erweisen, wie Erfahrungsberichte über Notebook-Klassen dokumentieren, es sollte jedoch nicht der einzige Fokus auf eLearning sein. =

206

eLearning: Einsichten und Aussichten

Ein großer Vorteil des multimedial unterstützten Lernens und des eLearning besteht in der Überwindung bestehender Schranken. Mit dem Ausdruck „Überwindung von Schranken" meine ich aber nicht die in eLearning-Kreisen verbreitete Einstellung, mit eLearning könne man von jedem Ort der Welt aus lernen, sozusagen „Mobile Learning", zum Beispiel das Klischee vom Studierenden am Strand, der sich in die UCLA einwählt. Ich meine mit der Überwindung von Schranken ebenfalls nicht die verbreitete Vorstellung vom Lernenden, der sich zu jeder Zeit des Tages und der Nacht lemenderweise betätigt. Ich meine, dass die wahren Mehrwerte des eLearning woanders liegen, zwar in der Überwindung der Gebundenheit an Zeit und Raum, aber in anderer Weise als in der populären Vorstellung von eLearning, und in der Ablösung der analogen Medien durch die digitalen Medien sowie in der Überwindung eingespielter sozialer Normen. Um diese Aussage näher begründen zu können, muss ich ein wenig ausholen:

Von Rechnern wissen wir, dass ihre besonderen Eigenschaften vor allem in der Beschleunigung der Prozessverarbeitung von berechenbaren Daten, in der Randomisierung des Datenzugriffs und in der Reversibilität von Handlungen bestehen; diese Virtualisierung der Zeit setzt die komplette Digitalisierung der Daten voraus. Vom Internet wissen wir, dass die Funktionen, die das Netz über den Rechner hinaus für den Benutzer vorhält, vor allem die universale Adressierbarkeit und Vernetzung verteilter Objekte und die Kommunikation von Rechnern untereinander ist. Auf den Betriebssystemen der Rechner und als Applikationsschicht im Internet laufen zusätzliche Softwarepakete, die eine ganz wichtige Funktion hinzufügen, nämlich die Funktionalität der menschlichen Kommunikation per Email, Audio und Video. Desweiteren spielt eine Rolle, dass mit der Vernetzung praktisch ein unbegrenzter Speicher für kulturelle Ressourcen gegeben ist. Die Vernetzung verteilter Objekte und die Virtualisierung der Zeit sind zunächst technische Eigenschaften, die aber, überlegt eingesetzt, zu didaktischen Mehrwerten führen können. Die Digitalisierung ermöglicht die Kombination von diskreten und kontinuierlichen Medien und ist somit die Grundlage für Multimedia. Die Rechengeschwindigkeit der Computer macht Echtzeitverarbeitung und Manipulationen von Zeit (Zeitlupe, Zeitraffer) möglich und damit sonst nicht sichtbare Prozesse erlebbar. Die Vernetzung gestattet den Zugriff auf einen wachsenden Reichtum an verteilten Ressourcen und die Bidirektionalität des Lernens, Arbeitens und Kommunizierens. Es kommt zunehmend zu einer Vermischung realer und virtueller Objekte. Auf wenige Begriffe gebracht heißt dies: Interessant für eine Begründung didaktischen Mehrwerts im eLearning sind die Vernetzung der Lernphasen, das vielfältige Spiel mit der

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

Zeit in

207

Simulationen, die Vernetzung verteilter Lernobjekte und Lernorte, die

von Lernobjekten sowie die Interaktivität der Lernobjekte, ihre ,Bespielbarkeit', schließlich die dadurch gegebene Expansion der Lernchancen. Mit diesen wenigen Begriffen will ich im Folgenden den potenziellen Mehrwert von eLearning begründen. Ich möchte folgende vier Schranken beschreiben, die mit Multimedia und eLearning überwunden werden können:

Virtualisierung

II Die Raumschranke

I Die Zeitschranke

Vernetzte Lernphasen der Zeit

Virtualisierung -

Vernetzte Lernphasen I: Expansion der Lernzeit

Vorlesungsaufzeichnung Veranstaltungsvor- und -nachbereitung Nutzung von Kommunikationsmethoden Vernetzte Lernphasen II: Wechsel von asynchronen und synchronen Lernphasen Virtualisierung der Zeit Zeitraffer, Zeitlupen und historische Perspektiven

Vernetzung und Virtualisierung verteilter Objekte Vernetzung verteilter Lernobjekte und Lernorte



• •

III Die

Analog-Digital-Schranke

Interaktivität

von

Lernobjekten

Kombination von diskreten und kontinuierlichen Medien

Interaktivität der Lernobjekte

Dynamisierung diskreter Medien Bidirektionalität

von

Medien

Üben mit interaktiven Lernobjekten

Virtualisierung von Lernobjekten

und

Lernorten • • • •

Virtuelle Labore Virtuelle Exkursionen Virtuelle Patienten und Tiere Virtuelle Gänge durch Lernorte

IV Die Normenschranke

Expansion der Lernchancen Individualisierung des Lernens Personalisierung des Lernmaterials Berücksichtigung der Diversität Partizipation aller im Unterricht Barrierefreiheit Neue Lerntheorien und Lernmodelle,

Vernetzung von Perspektiven Was sich hinter diesen Überschriften verbirgt, will ich vorab kurz erläutern, um danach auf konkrete Anwendungen einzugehen, die diese Ideen illustrieren

können.

208

eLearning: Einsichten und Aussichten

ZEIT

RAUM

Lernende und Lehrende können durch

eLearning verändert auch die Vorstellung vom Raum oder das Konzept des

eLearning anders als gewohnt mit der Lernzeit umgehen. Die Lernzeit kann beliebig verteilt werden und muss nicht an organisierte Präsenzphasen gebunden bleiben. Um es mit bekannten Fachbegriffen auszudrücken: eLearning ist zeitlich in anderer Weise verteiltes Lernen („distributed learning"). eLearning ermöglicht eine Extension oder Expansion der Kontaktzeit, eine Expansion der Lernzeit und eine partielle Virtualisierung des traditionellen Unterrichtsmodells. Zeit wird im

Raumes. Im traditionellen Lernen müssen alle Lernobjekte vorhanden (lokal präsent) und real sein. Dies ist im eLearning anders: Zum einen haben wir

individuellen Präferenzen.

mit verteilten Lernobjekten („distributed learning objects") und sogar mit verteilten Lernorten zu tun, zum anderen begegnen wir zunehmend virtuellen Lernobjekten (virtuelle Patienten, virtuelle Organe, virtuelle Maschinen) und virtuellen Lernorten (virtuelle Exkursion, virtuelle Labore, virtuelle Baustellen). eLearning gewährt einen globalen Zugang zu raren Ressourcen und expandiert den Raum des Lernens.

ANALOG-DIGITAL

NORMEN

eLearning-Modell beliebig verteilbar, und die Verteilung gehorcht zunehmend

Die Digitalisierung der analogen Medien hat völlig neue Effekte mit sich gebracht. Alle Medien sind miteinander zu verbinden. Einerseits ist die digitale Verknüpfbarkeit die technische Voraussetzung für verteiltes Lernen und die Virtualisierung von Lernobjekten und Lernorten, andererseits ist sie die Voraussetzung für die Interaktivität von

Lernobjekten. Diese Verknüpfbarkeit ist heute eine noch weitgehend technische Vernetzung. Der Einsatz von Metadaten kann zukünftig aber auch semantische Formen der Vernetzung fördern. Dann kann die Verknüpfung der Medien auch zu einer Vernetzung von symbolischen Relationen und Referenzen führen.

es

Die

Überwindung ethnischer, sozialer,

politischer und anderer Barrieren führt

zum Aufbrechen normativer Einstellungen und zu Vorteilen für das Individuum, z.B. zur Individualisierung des Lernens, zur Personalisierung des Lernmaterials, zu größerem Spielraum für Minoritäten, seien es die Minderheitengruppen Behinderter oder die ethnischen Minoritäten.

eLearning kann eher als der klassische Unterricht zu einer Diversifizierung und Differenzierung der Lernchancen bei-

tragen. In diesem Sinne ist die Überwindung von normativen Barrieren auch als ein Beitrag zum verteilten Lernen und als Expansion der Lernchancen zu betrachten.

Die

Was ist ein didaktischer Mehrwert?

209

Überwindung von Schranken durch eLearning

Ich nutze den Begriff Mehrwert nur zögerlich und ungern, da er häufig recht leichtfertig benutzt wird und abgegriffen wirkt. Vor allem wird unter Mehrwert, wenn der Begriff im Zusammenhang mit eLearning und didaktischen Fragen gebraucht wird, viel zu schnell ,didaktischer Mehrwert' verstanden. Die Überwindung der vier Schranken durch Formen verteilten Lernens, durch die Expansion des Lernens und die Virtualisierung des Lernens sowie durch vemetztes Lernen führt zu enormen Vorteilen in technischer, organisatorischer, sozialer und politischer Hinsicht, jedoch nur selten auch zu didaktischem Mehrwert. eLearning und Multimedia bieten einen gewissen technischen Komfort, sie lassen manche Vorgänge leichter organisieren, sie sparen manchmal Zeit und Wege, sie unterstützen und erleichtern die Kommunikation, sie helfen, den Zugang zu Informationen barrierefrei zu gestalten, aber all das sind keine didaktischen Mehrwerte. Ich würde selbst die Tatsache, dass im Internet ein Reichtum an vernetzten Informationen und Objekten entsteht, nicht als didaktischen Vorteil an sich bezeichnen.

zeigt sich eher in solchen Fällen, in denen mit Hilfe technischer, organisatorischer, kommunikativer oder informationeller Vorteile Lernen gestaltet und verbessert wird. Und dies sind beispielsweise Fälle, in Didaktischer Mehrwert

denen •





durch multiple Medien eine mehrkanalige Wahrnehmung ermöglicht wird, z.B. durch die Visualisierung komplexer, unsichtbarer, abstrakter oder numerischer Vorgänge, durch die Virtualisierung von Lernobjekten reale Objekte zugänglich gemacht oder manipulierbar gemacht werden, die als reale Objekte nicht oder nur mit großen Einschränkungen zugänglich bzw. manipulierbar sind, was z.B. bei der Ökologie oder bei den virtuellen Patienten der Medizin der Fall ist, in multimedialen Lemumgebungen Lemobjekte in interaktiver Form zum aktiven Üben angeboten werden, wie z.B. in den Übungen meiner Statistik-Lernprogramme [http://www.methodenlehre-baukasten.de] oder in den Feedback-Übungen unseres Gebärdensprachlernprogramms „Die Firma 2" (Metzger, Schulmeister & Zienert 2003).

Was es mit den erwähnten vier Schranken und der Schranken durch eLearning auf sich hat, will ich im schreiben.

Überwindung

Folgenden

dieser näher be-

210

eLearning: Einsichten und Aussichten

6.2 Die Überwindung der Zeitschranke: Vernetzte Lernphasen und Virtualisierung der Zeit Unterschiedliche Zeitmodelle

Ich meine mit „Überwindung der Zeitschranke" nicht jenes stresstreibende Phänomen, das als 24-7 Lernen bezeichnet wird, lernen zu jeder Zeit 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Ich halte es für viel wertvoller, dass man im eLearning mit ganz unterschiedlichen Zeitmodellen arbeiten kann. So kann man mit den Studierenden auch zwischen den Veranstaltungen kommunizieren und sie in ihren individuellen und sozialen Lernphasen und Arbeitsvorhaben begleiten, man kann auf phantasiereiche Weise asynchrone Lernphasen mit synchronen Lernphasen abwechseln lassen, individuelle Lernphasen individuell planen und nutzen (self-paced) usw. Es ergeben sich folgende Wege, die Zeitschranke im eLearning zu überwinden: •









Intervention und tutorielle Begleitung in Lernphasen Wechsel von asynchronen und synchronen Lernphasen

Zeitraffer-Funktionen (Simulation) Historische Perspektiven

Zukunftsperspektiven.

Einige dieser Wege oder Methoden möchte ich in den folgenden Abschnitten mit Beispielen illustrieren. VERNETZUNG

VON

PRÄSENZ- UND ONLINE-LERNPHASEN

Interaktion in

Normalerweise sehen wir unsere Studierenden

nicht-geplanten Lernphasen

und

nur in den Lehrveranstaltungen Ihre Arbeiten in den bekommen wir in der Sprechstunden. gelegentlich dann sind. manchen Fällen das „Kind bereits In ist Regel erst, wenn sie fertig in den Brunnen gefallen". Außerhalb dieser Anlässe sind sie „aus den Augen, aus dem Sinn". eLearning zeigt, dass dies nicht so sein muss, und viele Untersuchungen zu eLearning haben gezeigt, dass die Studierenden den angebotenen Kontakt dankbar annehmen und den im Grunde geringfügigen Kontakt in den virtuellen Seminaren, per Email, im Chat oder als Feedback zu Foreneinträgen, bei Befragungen sogar als intensiver einschätzen als den realen Kontakt zu den Lehrpersonen in den Präsenzveranstaltungen. Die folgenden Beispiele handeln von der instruktionellen Intervention der Lehrenden und der tutoriellen Begleitung von Studierenden in Lernphasen außerhalb der Präsenzveranstaltungen. Es geht in diesen Beispielen um die Vernetzung traditionell

separater Lernphasen.

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

211

Vorlesungsaufzeichnung Eine Methode, Studierende mit Lehrveranstaltungen zu erreichen, ohne dass sie präsent sein müssen, ist die Vorlesungsaufzeichnung (und nicht das Teleteaching, das nur die zeitgleiche Übertragung einer Veranstaltung zwischen zwei oder mehreren Orten bezeichnet; Tobias Lauer & Stephan Trahasch 2005). Es scheint sich die Vorstellung zu verbreiten, dass mit der digitalen Aufzeichnung von Vorlesungen, die anschließend ins Netz gestellt werden, mehr Studierende erreicht werden können. Studierende, die durch besondere Bedingungen am Präsenzstudium nur eingeschränkt teilnehmen können, können von den Vorlesungsaufzeichnungen stark profitieren: In ihrer Mobilität behinderte, temporär erkrankte, halb oder voll berufstätige oder familiär gebundene Studierende sowie studierende Mütter mit kleinen Kindern und Studierende, die einen Auslandsaufenthalt wahrnehmen, können sich die Vorlesungen orts- und zeitunabhängig ansehen und müssen auf diese Weise kein Semester versäumen. Verschiedene Methoden der

Aufzeichnung

Die Form der Vorlesungsaufzeichnung kann stark variieren: Sie kann erstens aus der Videoaufnahme des Lehrenden im Vorlesungsraum bestehen, zweitens aus den Folien der computergestützten Präsentation plus dem Ton des Vortrags und drittens aus den mitgeschnittenen Aktionen des Vorlesenden auf dem Bildschirm oder dem an die Wand projizierten Bildschirm des Computers plus dem Ton des Vortrags. Alle drei Methoden können kombiniert werden, so dass sowohl der Vorlesende zu sehen ist als auch die Objekte und sogar die Aktionen auf dem Bildschirm. Es gibt spezielle Softwarewerkzeuge, die Aktionen auf dem Bildschirm und die Stimme des Vortragenden aufzeichnen84. Für den Zweck der Vorlesungsaufzeichnung gibt es bereits mehrere Systeme mit unterschiedlichen Eigenschaften, z.B. Authoring on the Fly [http://ad.informatik.uni-freiburg.de/mmgroup.aof/] von Thomas Ottmann, Freiburg, das die Folien des Vortrags inklusive des Vortrags und der auf den Folien ausgeführten Handlungen (z.B. zeichnen, etwas anstreichen, etwas abhaken etc.) aufzeichnet. TeleTeachingTool (TTT) ist eine Client/Server-Software der Universität Trier [http://teleteaching.uni-trier.de/ttt.html]. Sie überträgt Audio, Vi-

deo und Folien. virtPresenter [http://www.virtuos.uni-osnabrueck.de/Content/ VirtPresenter] ist ein Produkt des Zentrums zur Unterstützung virtueller Lehre der Universität Osnabrück (virtUOS). LectureLounge [http://dmtp.ipsi.fraun84. Informationen

zu Produkten für die Bildschirmaufzeichnung [http://www.e-teaching.org/technik/produkte/].

finden sich unter

212

eLearning: Einsichten und Aussichten

stammt vom Fraunhofer Institut IPSI und der FH Darmstadt. Am verbreitetsten scheint Lecturnity zu sein, das von den Universitäten Darmstadt, Freiburg, Göttingen, Stuttgart, von ELAN und dem Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz etc. eingesetzt wird: Die Folien der Präsentation werden auf dem Computer durch Lecturnity mitgeschnitten, das im Paket mit dem interaktiven SMART Board angeboten wird85. Robert Mertens, Andreas Knaden et al (2005) beschreiben die Integration der Vorlesungsaufzeichnung in ein LMS. Stephan Trahasch und Tobias Lauer (2005) diskutieren Methoden der Unterstützung von Diskussionen durch Annotationen und verankerte Skripte an Vorlesungsaufzeichnungen und gehen auch auf Kooperationsskripte ein, die bereits in Kapitel 4.14, „Software für die Konstruktion von Argumenten" zur Sprache kamen. Marc Krüger (2005) diskutiert pädagogische Aspekte. Laut Krüger besteht die vorwiegende Anwendung genau aus Vorträgen und Vorlesungen, „d.h. es wird gewöhnlich keine Lehrer/ Lernerinteraktion erfasst", obwohl „Forschungsergebnisse zeigen, dass die Vorlesungsaufzeichnung ein elektronisches Medium ist, welches sich erfolgreich in die unterschiedlichsten Lernarrangements einbinden lässt".

hofer.de/lectureLounge/start_de.htm]

Veranstaltungsvor- und -nachbereitung Seit jeher ist die Vorbereitung der Studierenden auf eine Lehrveranstaltung und ebenso die Nachbereitung einer gelaufenen Veranstaltung ein Problem für die Didaktik gewesen. Medien und eLearning lassen sich hervorragend zur Veranstaltungsvorbereitung und -nachbereitung einsetzen. Mit eLearningMitteln motiviere ich die Studierenden eher dazu, auch die Vor- und Nachbereitung in den Blick zu nehmen. Auf diese Weise erreiche ich die Studierenden auch zwischen den Terminen der Präsenzveranstaltungen, wodurch sich neue Lernchancen (und Erweiterungen der Lehre) ergeben, die sonst nicht zur Verfügung stehen bzw. die nur mit größerem Aufwand zu realisieren sind: •





ich kann den Studierenden Anregungen für die Vor- oder Nachbereitung eines Seminars geben, ich kann dafür sorgen, dass die Studierenden alle Materialien haben, die sie für ihr Selbststudium benötigen, ich kann Arbeitsgruppen Aufgaben erteilen, Rückmeldung geben, die Vor-

bereitung auf Präsentationen unterstützen und ihre Arbeiten korrigieren.

Beschreibung zu Lecturnity findet sich im Portal e-teaching.org [http:// www.e-teaching.org/technik/produkte/lecturnitysteckbrief]. Dort werden auch noch andere Produkte erwähnt [http://www.e-teaching.org/technik/produkte/].

85. Eine

Die

Medien für die Vor- und Nachbereitung von Lehr-

Veranstaltungen

Nutzung von DateiaustauschSoftware

Überwindung von Schranken durch eLearning

213

Beispiele für den Einsatz von Medien in Lernphasen außerhalb von PräsenzVeranstaltungen, zur Vorbereitung oder zur Nachbereitung von Lehrveranstaltungen habe ich andernorts (Schulmeister 2001, S. 333) bereits vorgestellt. Inzwischen finden sich bei einer Suche im Internet viele gute Beispiele für diesen Zweck, die mit einer Vielzahl von Methoden aufwarten: Ausführliche Inhaltskataloge, Skripte und Literatur- und Linklisten werden in eine Plattform wie BSCW zum Runterladen gestellt. Aufgaben zur selbständigen Bearbeitung, terminiert oder unterminiert, werden in der Plattform veröffentlicht. Listen mit Fragen oder Fallbeispielen sollen das Angebot komplettieren.

gibt eine Reihe von Dateiaustausch-Plattformen, in denen man Lektüre, Aufgabenblätter, Fragenkataloge, andere Lernobjekte und sogar Medien zur Vorbereitung einer Veranstaltung hinterlegen kann, z.B. BSCW vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) [http://bscw.fit.fraunhofer.de/], ohne den Aufwand eines Learning Management Systems, einer Lernplattform (Schulmeister 2003), auf sich nehmen zu müssen. Darauf werde ich später noch in anderem Zusammenhang zu sprechen kommen (Kapitel 7.2 „Werkzeuge für den niedrigschwelligen Einstieg", S. 257). Es

Es gibt Dozenten und Studenten, die Situationen in der Gruppe fotografieren oder Beiträge und Präsentationen auf Video aufnehmen und anschließend in die Plattform einstellen und zum Runterladen anbieten. Das Interface dieser Veranstaltungsseiten in der Lernplattform kann ruhig minimalistisch sein. Das Design ist nicht das Entscheidende. Auch die Navigation darf minimalistisch sein. Es kommt auf die angebotenen Inhalte an, mit denen sich die Studierenden zwischen den Veranstaltungsterminen beschäftigen sollen, dürfen oder können. In der Regel funktioniert es. Die Studierenden können dieses Medium auch für eigne Zwecke nutzen. Sie können in der Plattform Fragen anbringen, Antworten geben, Thesenpapiere, Entwürfe und fertige Arbeiten austauschen. Hier bieten sich aber auch noch andere Wege und Methoden an.

Nutzung von Kommunikationsmethoden Mit den in verschiedenen Lemsystem-Typen integrierten Kommunikationsmethoden Chat und Forum sowie mit simpler Email ist es mühelos möglich, mit den Studierenden zwischen den Veranstaltungszeiten Kontakt aufzunehmen, Informationen auszutauschen und ihre Betreuung, individuell oder von Arbeitsgruppen, zu übernehmen.

214

eLearning: Einsichten und Aussichten

Die Rolle der Email im

Der einfachste Weg ist Email. In den Berichten über amerikanische OnlineSeminare und in den Umfragen zu den Online-Kursen spielt Email deshalb eine tragende Rolle (z.B. Kirkley, Savery & Grabner-Hagen 1998), die dominante Rolle aller Kommunikationsmethoden. Email wird von den Hochschullehrern, die Online-Kurse unterrichten, mehr genutzt als von den Hochschullehrern, die nur Präsenzkurse unterrichten:

eLearning

means of communication employed by faculty and students outside of the normal instruction time— both in Web-based courses and in not-Web-based courses. Indeed, there is a tremendous amount of faculty-student contact via e-mail [...]. Eighty-three percent (83%) of faculty teaching Web-based courses use e-mail to communicate with a typical student in their class once a week or more. Almost half (42%) of faculty teaching not-Web-based courses use e-mail to communicate with a typical student once a week or more." (NEA 2000)

„E-mail is the dominate

Neue Kommunikationsmethoden

Es gibt für diese Zwecke durchaus besser geeignete Mittel als nur die Email. Die Kommunikationsmethoden, die im eLearning heute zur Verfügung stehen, sind enorm leistungsfähig geworden (Kapitel 4 „Der Diskurs im eLearning", S. 135). Es gibt die synchronen Chats (mit Audio und Video) und die asynchronen Foren, es gibt mit den Wiki-Umgebungen [http://wiki.org/ wiki.cgi?WhatIsWiki], an denen sich Externe beteiligen können, und den WebLogs [http://de.wikipedia.org/wiki/Weblog], die sich gegenseitig verlinken können, weitere asynchron nutzbare Werkzeuge der Kommunikation, die zu einem regen Informationsaustausch anregen. All diese Kommunikationsmethoden erlauben es, Studierende während der Woche zu beraten und beispielsweise Unterlagen zu Themen und Fragen nachzureichen, die erst in der Veranstaltung oder bei Arbeitsgruppen nach der Veranstaltung entstanden. Foren und WebLogs ermöglichen es den Studierenden, Fragen zu stellen und Beiträge nachzuholen, die im Zeitdruck der Veranstaltung unter den Tisch gefallen waren, und weitergehende Gedanken untereinander auszutauschen. Auf diese Beiträge kann dann in der nächsten Sitzung wieder zurückgegriffen werden. All dies führt nicht nur zu besser vorbereiteten Studierenden, sondern kann sogar die Qualität der Kommunikation und Interaktion in der nächsten Präsenzveranstaltung verbessern. Die Fragen und Hinweise der Studierenden implizieren möglicherweise Hinweise auf Defizite im Lernmaterial, Lücken im Konzept der Veranstaltung oder Planungsfehler und kann dadurch zur Qualitätssicherung für die Lehre beitragen.

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

215

VERNETZUNG ASYNCHRONER UND SYNCHRONER LERNPHASEN

Lernplattformen (Schulmeister 2003) und Virtuelle Klassenräume enthalten in der Regel mit Chat oder Forum asynchrone und synchrone Kommunikationsmethoden. Spannender als die Nutzung jeder der beiden Kommunikationsmethoden für sich ist aber der Wechsel zwischen den synchronen und den asynchronen Lernphasen. Im Chat und in kooperativen Whiteboards (elektronische Tafel mit Schreib- und Malwerkzeugen) können die Studierenden synchron miteinander kommunizieren und Ideen entwickeln, während sie in den asynchronen Lernphasen die Zeit haben, in aller Ruhe in den Foren die Ideen systematisch weiter zu entwickeln und auf diese Weise einen über die Zeit gestreckten Diskurs (Kapitel 4 „Der Diskurs im eLearning", S. 135) mit den Kommilitonen zu führen.

Die von

Vernetzung Lernphasen

Die Vernetzung von Lernphasen bietet neue Möglichkeiten der Kommunikation und Lerngestaltung, für die ich ein paar Ideen vorstellen möchte: •

die Lerngruppe kann synchron im Chat die Aufgaben umkreisen, näher definieren und dann einen Arbeitsplan entwerfen, wobei es sich empfiehlt, parallel zum Chat ein Whiteboard für Zeichnungen oder Mindmaps zur Verfügung zu haben; anschließend können die Beteiligten im Forum die Schritte und Prozesse des Projekts schrittweise ausarbeiten, bis ein Pro-

jektplan zustandekommt. •



Asynchrone synchrone Lernphasen

und

im Zuge einer Projektarbeit recherchieren die Studierenden einer Arbeitsgruppe, sammeln Fakten und Argumente und schreiben erste Reflexionen asynchron in ein Forum; sie verabreden sich während dieser Arbeitsphase gelegentlich für Chats, um dort den Wert der gesammelten Informationen zu klären, ihre Brauchbarkeit für die gemeinsame Arbeit und die Zusammenhänge zwischen Fakten und Argumenten zu diskutieren und anschließend zurück im Forum Stücke der Arbeit auszuarbeiten. die Lerngruppe führt eine Pro- und Contra-Diskussion im Chat, die später asynchron im Forum systematisiert wird; die Gruppe kann die Pro- und Contra-Diskussion, wenn sie mehr und sorgfältig überlegte Argumente generieren soll, auch im Forum führen, um dann die Argumentationslücken und den Wert der Argumente im synchronen Chat zu diskutieren.

Unter dem Wechsel zwischen

synchronen

und

asynchronen Lernphasen

und

Kommunikationsmethoden muss nicht nur der Wechsel zwischen Chat- und Forumskommunikation verstanden werden, sondern ebenso die im Blended Learning-Konzept angestrebte Vernetzung von Präsenzphasen und virtuellen

216

eLearning: Einsichten und Aussichten

Phasen, wobei mit Präsenzphasen nicht immer Situationen gemeint sind, in

denen die Studierenden zeitgleich zusammen sind (also synchron). In Exkursionen befinden sich die Studierenden zwar gemeinsam vor Ort (synchron), haben aber kaum Gelegenheit, eine gründliche Bearbeitung ihrer Funde vorzunehmen. Das können sie später in einer Lemplattform machen (asynchron). In sozialen Praktikumsphasen befinden sich die Studierenden vereinzelt an verschiedenen Orten (asynchron) und können von dort Fragen und Beiträge in eine Plattform einstellen. Aber sie können in Abständen zu einer Reflexion ihrer Erfahrungen in einem virtuellen Klassenraum zusammentreffen (synchron). In Laborpraktika arbeiten die Studierenden in Gruppen zeitgleich an einer Aufgabe und können die Ergebnisse später über ein Forum austauschen.

Die Virtualisierung der Zeit

Zeitraffer, Zeitlupen und historische Perspektiven Simulationen von zeitabhängigen Vorgängen (Schulmeister 1996) verkürzen die tatsächlich benötigte Zeit für bestimmte Prozesse so stark, dass sie bequem in der Lehrzeit oder Lemzeit beobachtet werden können. Dies gilt für die Simulation tierischer oder pflanzlicher Reproduktion ebenso wie für ökonomische Wachstumszyklen, ökologische und politische Modelle. '

About

Stages

Processe»

Organogénesis;

Genetics

í

Methods

FlyMove

Software requirements Download

Feedback Your contnbution

Citing FiyMove Team

Welcome to

Project funding German

school version

Disclaimer

Abb. 43

Menü mit Reitern

FlyMove -

Simulation biologischer Wachs-

tumsprozesse

Programm FlyMove ist ein Projekt der Universität Münster [http://flymove.uni-muenster.de/]. FlyMove (Weigmann, Klapper et al 2003) befasst sich, wie man an den Reitern in der obigen Abbildung erkennen kann, mit Stadien der Entwicklung der Drosophila (17 Stadien durch Animationen und Filme dokumentiert), Prozessen, die dabei eine Rolle spielen wie Zellteilung, Das

Die

217

Überwindung von Schranken durch eLearning

Zellverschmelzung etc, der Organogenese, der Genetik und den Methoden der Analyse (letztere Option ist noch in Bearbeitung). Drosophila wird gern für die Forschung gewählt, weil die Vermehrung schnell verläuft. Die Generationswechsel lassen sich im Computer beschleunigen oder verlangsamen.

stage 8 Germband elongation continues (yellow line end).

shows

posterior

Abb. 44 Ein Film in Fly Move

Überlagerte Diagramme zeigen Phasen

Es wird mit mehreren Medien gearbeitet: Fotos, Filmen und Animationen sowie interaktiven Animationen. Schwierige unsichtbare Vorgänge werden durch interaktive Flash-Diagramme illustriert, in denen entweder verschiedene Organe oder Entwicklungsphasen überlagert werden. Entwicklungen von Zellen und Eiern etc. werden im Zeitraffer demonstriert.

Abb. 45 Interaktives

Flash-Diagramm in FlyMove

eLearning: Einsichten und Aussichten

218

Vieles

Geschichte: in

Perspektiven Vergangenheit

die

von

dem, was wir lehren, hat historische Vorstufen oder Vorgänger. Die

Hypertext-Technologie macht es auf relativ einfache Weise möglich, aktuelles Wissen mit historischen Quellen zu verknüpfen. Das Programm PastPerfect, auf das ich im Kapitel 7.9, ,„Multiple Views': Kritisches Denken, Reflexion und Diversität im Lernen" näher eingehen werde, macht deutlich, wie einfach im Hypertext vielfältige Bezüge zu Personen und Ereignissen aus anderen Epochen hergestellt werden können. Insofern verwundert es, dass kein einziges Projekt der Geschichtswissenschaft unter den vom BMB+F (2004) geförderten Projekten gewesen ist und dass im Internet fast nur Linksammlungen zur Geschichte zu finden sind. Aber recht gute private Projekte finden sich im Internet, z. B. ein ganz erstaunlich umfangreiches Projekt von Schülern des Lessing Gymnasiums in Döbern zur Jüdischen Geschichte und Kultur [http://

www.judentum-projekt.de/index.html],

das Informationen zur Geschichte, zu mit Materialien und Kursplänen verbindet, dePersönlichkeiten, Religion ren Kategorien noch vielfältig untergliedert sind: zur

Abb. 46 Jüdische Geschichte:

Projekt des Gymnasiums in Döbern, Brandenburg

Zeitraffer, Zeitlupen, Zeitlinien, Simulationen und Prognosen sind Formen der Virtualisierung der Zeit, einer Methode, deren Möglichkeiten wir noch nicht voll begriffen haben, sondern gerade erst zu erforschen beginnen.

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

6.3 Die

219

Überwindung der Raumschranke:

Vernetzung und Virtualisierung verteilter Objekte Ich meine mit „Überwindung der Raumschranke" nicht das Vielflieger-Syndrom, den Geschäftsreisenden, der an jedem Ort der Welt lernen oder von jedem Ort aus auf Daten zugreifen können muss, der zwischen dem Aussteigen aus dem Taxi und dem Einsteigen ins Flugzeug schnell noch etwas „lernen" muss. Sofern von der Überwindung räumlicher Distanzen die Rede ist, finde ich ganz andere Anwendungen viel interessanter, nämlich jene Anwendungen, die räumliche Distanzen durch Vernetzung verteilter Lernobjekte und Lernorte überwinden oder die durch die Virtualisierung von Lemobjekten und Lernorten einen Zugriff auf nicht-Vorhandenes oder nicht-Zuhandenes schaffen: •



Globaler Zugang zu und Datenbanken

Überwindung Räume



Zugang zu raren Ressourcen

raren

natürlicher

Ressourcen,

zum

Beispiel über verteilte Archive

Zugangsschranken (Ökologie)

durch virtuelle

Umgehung von Risikoschranken (Technik, Natwiss., Medizin) tualisierung entsprechender Einrichtungen und Gegenstände

durch Vir-

Die Vernetzung verteilter Lemobjekte ist ein nützlicher Weg, individuelle Ressourcen, Unikate und Originale, in einer Lemumgebung zu vereinen, die sich an verteilten Orten befinden. Die Vernetzung verteilter Lemobjekte macht rare Ressourcen öffentlich zugänglich. Die Intemettechnologie macht die Vernetzung im Prinzip leicht. Um so erstaunlicher ist es, dass es kaum vernetzte Archive, Museen oder Sammlungen gibt. Ein Grund dafür ist, neben mangelnder Bereitschaft zur Kooperation, vor allem darin zu sehen, dass die Digitalisierung der Objekte der meisten Sammlungen kostspielig, personalintensiv und mit einem zeitraubenden Aufwand verbunden ist. Es lagern in den Kellern vieler Universitätsinstitute wertvolle historische Diasammlungen, archäologische, botanische und zoologische sowie medizinische Objekte, zu denen die Studierenden meistens keinen Zugang haben, während sie als digitale Objekte

zugänglich wären.

Ein Projekt, das diesen Weg gegangen ist, ist Prometheus, ein verteiltes Bildarchiv [http://www.prometheus-bildarchiv.de]. Die besondere Leistung von Prometheus besteht darin, mehrere Bildarchive und Datenbanken in Deutschland und der Schweiz zu einem virtuellen Verbund zusammengeschlossen zu haben, so dass deren Bilder, Fotos und Dokumente für alle Benutzer mit derselben Technik und über ein gemeinsames Portal zugänglich sind.

220

eLearning:

Einsichten und Aussichten

Abb. 47 Prometheus-Bildarchiv

Die

vom

Prometheus-Projekt

vereinten

Sammlungen

sind der Nukleus eines

Netzes, in dem auf rare Ressourcen zugegriffen werden kann: Bern (CH)

imago_diathek (HU Berlin)

Berlin, Freiburg i. Br. Freiburg (CH) REQUIEM (HU Berlin)

Dresden Datenbank TU Dresden

Düsseldorf Medialhek

Frankfurt/Main DILPS

Gießen Giovanni Battista Piranesi Digitale Diathek EikOnline

Halle Robertin

Heidelberg

Köln Dada Web Arachne Stadtansichlen

München ArteMIS

Berlin DiDi (TU Berlin)

EasyDB

Wiss. Bildarchiv f. Architektur

Bibliotheca Palatina digital -

Nürnberg RUDI

Einblattdrucke Bayerische Staatsbibliothek

Regensburg

Würzburg

Diözesanmuseum (PIKK)

Assisi Bildarchiv

Zürich (CH) ETH Zürich

Tab. 33 Im Prometheus Bildarchiv vernetzte Bilddatenbanken

Überwindung von Schranken durch eLearning

Die

221

Berlin

Halle

Düsseldorf Köln

Dresden Gießen

Würzburg Heidelberg Nürnberg Regensburg

Freiburg

München Zürich Bern

Abb. 48 Orte der verteilten Datenbanken in Prometheus

Das Prometheus-Projekt bietet seinen Benutzem neben Bildern auch Werkzeuge für die Bearbeitung von Bildern, die zur Vorbereitung auf Lehrveranstaltungen oder Vorträgen eingesetzt werden können: •

projektor+editor Ein Editor für Vorträge mit Bildern, begriffsnetz Ein Editor für die Informations-Aufbereitung, Ein Verwaltungsprogramm prometheus-Accountverwaltung —







Einrichten und Verwalten •

Zum

MapView kann.

Anlegen

einer

Bildermappe,

Das

die

man

offline nutzen



VIRTUALISIERUNG VON LERNOBJEKTEN Schriften aus dem Mittelalter transkribieren lernen

für das

Prometheus-Accounts, —

von

UND

LERNORTEN

Prometheus-Projekt ist ein gutes Beispiel für die Vernetzung von verteilLemobjekten und Lernorten. Eine andere Methode, die Raumschranke zu überwinden, ist die Virtualisierung von Lemobjekten und Lernorten. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Projekt ad Fontes aus Zürich, mit dem man die Transkription mittelalterlicher Schriften erlernen kann: ten

222

eLearning: Einsichten und Aussichten

Ein

Rundgang durch

das Stiftsarchiv

MB]

i. 4

:

.

Nachdem Du Dich beim Pförtner an der im Seitenflügel gemeldet hast und Dich 211m Archiv begleite ¡

Klosterpforte er

:

Intreten

Bild, halte die Maustaste schwenke nach links oder rechts! Mil hgang kann ;l den nächsten Raum wechseln Klicke ins

.

B ZU

n

ÜBERSICHT

WEITER 3

Abb. 49 ad Fontes: Virtueller Runduan« durch das Stiftsarchiv des Klosters

Das

Programm beginnt mit einem virtuellen Rundgang durch das Stiftsarchiv. TRAINING

; TUTORIUM

; RESSOURCEN

j tlyADFCINTFS

|

ARCHIV

ÜBERSICHT

hier kannst Du Dane Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Archivquetlen auf die Probe stellen oder Dich an diese Kompetenzen herantasten. Alle Beispiele stammen aus dem

1, Aufgabe (Archivordnung; Schriften lü. Jahrhundert)

aus

2. Aufgabe

dem

dem

Stiftsarchiv Einsiedeln

(Öffnungen; Schriften i 17. Jahrhundert)

ifqebaut ist... | Wie das Wie das P Programm funktioniert.., | Panoramen aus dem Kloster Einsiedeln

fy.

-,

..¡v

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aus

14.,

! '

1. Aufgabe

Schriften

aus

ue

d 18.

dem Marchenstreit; dem 16. und 18. Jahrhundert)

(Urkunden

aus

(Schiedsgericht; Schriften Jahrhundert)

Abb. 50 Das Archiv in ad Fonles

aus

dem

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

223

ad Fontes kennt mehrere Benutzer-Modi, die in der oberen Bildleiste der Abbildung zu erkennen sind: Archiv, Training, Tutorium, Ressourcen, MyAdFontes und Forum. Die beiden letzteren sollen uns hier nicht interessieren. Das Archiv fordert zu Aufgaben heraus. Das Archiv bietet praxisnahe Aufgaben, die an die Lernziele heranführen und die man zur Lernkontrolle nutzen kann. Die Abbildung zeigt vier vorgegebene Aufgaben, die an das Lesen von Texten aus verschiedenen Jahrhunderten heranführen sollen. Wird im Archiv ein Text genutzt, so stehen Querverweise zu demselben Text im Tutorium, Training und in den Ressourcen zur Verfügung. Im Tutorium lernt man die mittelalterlichen Schriften der Handschriften durch Kurzinformationen kennen. Der Sprachgebrauch ist gewöhnungsbedürftig: Das Archiv enthält aktiv zu lösende Aufgaben, während das Tutorium im wesentlichen nur passiv zu konsumierende Informationen bietet. Das Tutorium klärt über auf: Wie man Dokumente

Methoden der Handschriftbearbeitung man Handschriften liest, wie Handschriften beschrieben werden, wie Währungen berechnet und Datierungen umgerechnet werden können. In den Ressourcen stehen weitere Informationen zur Verfügung und zu allen wichtigen Daten auch Tabellen, Literaturhinweise und Links.

folgende

findet, wie

Der Kern des Programms, die Transkriptionsübung, befindet sich hingegen in einem Teil, der als Training bezeichnet wird. Im Training lernt der Benutzer etwas über die Arten der Handschriften, die Methoden der Schrift- und Seitengestaltung und die Regeln der Transkription, und es werden folgende Tätigkeiten angeboten: •









86.

Transkribieren lateinischer Texte Transkribieren deutscher Texte

Datierungen auflösen Rechnungen prüfen. Hier kann man lernen, mit alten Mass-, Gewichtsund Münzangaben umzugehen. Im ad fontes-Quiz kann man sein historisches Allgemeinwissen spielerisch überprüfen und erweitern. Über Entstehung und Hintergrund

von ad Fontes informiert die Dissertation von Andreas Kränzle und Gerold Ritter: Ad fontes. Zu Konzept, Realisierung und Nutzung eines E-Learning-Angebotes. Universität Zürich. 2004. Die Dissertation ist im Netz erhältlich: [http://www.dissertationen.unizh.ch/2005/kraenzleritter/

diss.pdf].

224

eLearning:

Einsichten und Aussichten

HOHE

TP.AIMHG

!

Gotische Minuskel 14. Jahrhundert Handschrift 90 der Stiftsbibliothek Einsiedeln enthalt ein :': Brevier. Auf dec vorliegenden Seite siehst Du die Textstellen ¿u einer '-lahjtin und einer ersten Moctum aus dem iB Psaiterium v

'

fetiatum, in dem die Psalmentexte in ihrer

liturgischen Reihenfolge zusammen mit anderen liturgischen Texten (£ Antiphonen, •% Hymnen etc) eingetragen sind. Rot

sind die

Bezeichnungen der ien Position für die Texte: psalmus, collecta, oratio, ymnus (für antiphona, capitulum,

hervorgehoben

hymnus), lectio.

Man sieht die eingeritzte Linierung, die auf dei ganzen Seite auch den linken und rechten Rand der Spalten begrenzt.

Die Großbuchstaben sind gekennzeichnet von einem 'Ï Zierstrich, der schon soweit Bestandteil der Buchstabens geworden ¡st, daß er die Form zu verändern scheint: besonders bei C, aber auch bei E oder D. Die den Text strukturierenden Wörter sind besonders stark abgekürzt: So steht häufig nur einfach a* für antiphona und pJs für Psalmus, or*

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Abb. 53 Virtuelles Labor: DCSS

Digital Communications Simulation System

Die Entwickler der Geräte für die virtuellen Labore bemühen sich eine hohe Realitätstreue für ihre virtuellen Objekte.

häufig

um

228

eLearning:

Einsichten und Aussichten

Abb. 54

Mikroskop als

virtuelles Gerät

Vergleich:

Reales und virtuelles Labor

Ein anderes Beispiel für die Nutzung virtueller Geräte ist das virtuelle Mikroskop [http://vmic.unibas.ch/] der Lemumgebung Patho Basiliensis (http:// pages.unibas.ch/patho/] von Katharina und Dieter Glatz-Krieger, das 2004 den MedidaPrix erhalten hat. Im virtuellen Labor können Blutproben mit Krankheitsbildern in verschiedenen mikroskopischen Auflösungen studiert werden:

«*

Abb. 55

Mikroskop aus PathoBasiliensis

Die

Überwindung von Schranken durch eLeaming

229

Mikroskop ist selbstverständlich kein Ersatz dafür, selbst das Mikroskopieren mit echten Mikroskopen zu lernen. Aber es ist ein gutes Mittel, viel Erfahrung mit der Analyse von Proben zu sammeln, ohne darauf warten zu müssen, ob man an eines der hochauflösenden Mikroskope heran kommt, von denen in den studentischen Laboren meist nur wenige vorhanden Das virtuelle

sind.

Fernsteuerung realer Geräte

Zu unterscheiden von virtuellen Laboren sind sogenannte Fernlabore (remote laboratory oder telematische Labore; s. Schulmeister 2001, S. 249f.), z.B. im Projekt LearNet (BMB+F 2004, S. 175) für Automatisierungstechnik und Mechatronik (Konsortialführer: Ruhr-Universität Bochum). Fernlabore bestehen aus Programmen auf dem Computer, die über das Internet auf weit entfernte reale Experimentalanlagen, Geräte und Labore zugreifen können. Die Geräte an den weit entfernten Orten sind so eingerichtet worden, dass sie mit einem Programm vom Studierenden gesteuert werden können.

Virtuelle Exkursionen

Überwindung

natürlicher Zu-

gangsschranken

(Ökologie)

Virtual Excursion (oder VirtEx)87 ist eine Lernumgebung für Botanik, Bodenkünde und Ökologie, das sich an Studierende aus fünf Studiengängen richtet, Die Autoren Matthias Baltisberger, Konrad Osterwalder und Anja Klingenbock vom Swiss Federal Institute of Technology der ETH Zürich sagen es präziser: Pflanzensystematik, Vegetationsökologie und Bodenkunde. Virtual Excursion ist ein interaktives Multimedia-Programm, das im Unterricht integriert genutzt werden kann, aber weil es sich auf einer DVD befindet auch zuhause zum Selbststudium genutzt werden kann. Der Grundgedanke der Virtex-Didaktik ist die Zweiteilung in Leitprogramm und DVD. Ein Leitprogramm ist ein Skript mit Hinweisen und Aufgaben, das nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Kontext der Veranstaltung oder der vorzubereitenden realen Exkursion variiert und ausgetauscht werden kann, während VirtEx auf der DVD gleich bleibt. Das Konzept der Leitprogramme stammt von Karl Frey. Angestrebt wird eine Form von Mastery-Learning (J.B. Carroll 1963; J.H. Block 1971; B.S. Bloom 1980). -

-

Kein Programm in diesem Kapitel passt so gut zum Thema „Überwindung von Schranken" wie VirtEx, dessen Autoren diesen Tenor sogar selbst in einer ihrer Selbstbeschreibungen anschlagen:

Darstellung von VirtEx findet man im Portal des Instituts für Wissensmedien E-Teaching.org [http://www.e-teaching.org/referenzbeispiele/virtEx].

87. Eine

230

eLearning: Einsichten und Aussichten

„die Naturbeobachtung [in traditionellen Exkursionen, R.S.] ist auf ein klei-

Zeitfenster begrenzt, das aus Organisationsgründen nicht frei wählbar ist. Virtual Excursion überwindet die Beschränkungen dieser Unterrichtsform. Die Dimension Zeit ist frei zugänglich, und Raum wird überwindbar." nes

Virtual Excursion soll reale Exkursionen keinesfalls ersetzen, sondern zur Repetition und Prüfungsvorbereitung und zur Vorbereitung realer Exkursionen dienen. Mit VirtEx können die Studierenden eine Exkursion virtuell ausführen, wobei sie selbst navigieren und das Tempo bestimmen.

Abb. 56 Das Menü

von

VirtEx

von VirtEx bietet dem Benutzer sechs Modi: Eine Suche, Überblicke, Ökologie, 3D-Objekte von Pflanzen, Bodenproben und -künde und das

Das Menü

übliche

„Über VirtEx" mit Verfasser- und Copyright-Angaben.

Ausgangsmaterialien für die virtuelle Exkursion sind Panoramafotos und Filmsequenzen über verschiedene Standorte. Vom Panorama aus können InDie

formationen und Bilder von einzelnen dort wachsenden Pflanzen über das Bodenprofil, in dem sie gedeihen, bis hin zur Übersichtsdarstellung des jeweiligen Ökosystems, in dem der Ausschnitt lokalisiert ist, eingesehen werden. Startpunkt, um verschiedene Standorte ansehen zu können, sind die

Die

231

Überwindung von Schranken durch eLearning

Panoramaansichten innerhalb der jeweiligen Vegetationen. Das System ist so dass weitere Landschaften relativ leicht ergänzt werden können. Tritt der Benutzer in eine Landschaft ein, so kann er sich in dieser auf vielfältige

gebaut, Weise

bewegen. Aus der Selbstbeschreibung:

„So .wandern' Studierende am Computer mit zwei Clicks vom Maggiatal in der Südschweiz (Tessin) in den Schaffhauser Randen (nördlichster Zipfel der Schweiz), besuchen unerreichbare Orte (z.B. ein geschütztes Hochmoor oder eine steile Felswand) und betrachten einen Standort über mehrere Jahreszeiten. Virtual Excursion lädt Studierende einerseits zum freien Erkunden ein, bietet aber auch Leitprogramme mit Aufgaben an, mit denen sich das ganze Lernpotential erschliessen lässt."

Der Benutzer erhält eine Übersicht über die vorhandenen Landschaften:

Abb. 57 Auswahl der

zu

besuchenden Lokation

Die Panoramaansichten vermitteln einen Eindruck

(VirtEx)

von der Dreidimensionalivermutlich eher ein räumliches Verständnis der Landermöglichen schaften. Sie bieten eine raffinierte Methode, sich im virtuellen Raum umsehen zu können. Man kann seine Position auf mehrere Arten verändern. Man kann navigieren, indem man einen der Parameter der Landschaft ändert, z.B. die Höhenlage oder die Feuchtigkeit. In dem einen Fall gelangt man in

tät und

232

eLearning: Einsichten und Aussichten

höher

gelegene Gegenden, im anderen Fall entsteht in demselben Wald eine Sumpfvegetation. Im Panorama kann der Benutzer HotSpots einschalten. Die Hotspots sind Bereiche, in denen der Benutzer Details der Standorte, Zooms, betrachten kann:

Abb. 58 Landschaft mit

HotSpots (zu untersuchenden Stellen) im Juli

Abb. 59 Landschaft

zu

anderer Jahreszeit

(Winter)

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

233

Von einem Standortpanorama aus lassen sich die wichtigen Pflanzenarten stufenlos heranzoomen. Die auf dunklem Untergrund abgelichteten Pflanzen sind dreidimensional drehbar. Es werden die Beziehungen zwischen Pflanzen und der Vegetation an einem Standort deutlich erkennbar.

Abb. 60 Bodenschichten mit erläuterndem Tutor

Mehrere Bodensorten werden im Querschnitt mit einer Messlatte gezeigt, damit die Größenverhältnisse abschätzbar sind. Auf Anforderung erscheint ein Tutor, der die Bodenschichten erläutert.

Virtuelle Patienten und Tiere Bekannt geworden sind Programme mit einer Frosch-Sezierung. Bereits eines der ersten Autorenprogramme, Course Builder, ein Vorgänger von Authorware, lieferte ein Beispiel mit aus, in dem man einen Frosch aufschlitzen und seine Organe zuteilen musste. Ich hatte von MacFrog berichtet, später SimNerv, das an der Universität Marburg entwickelt wurde (Schulmeister 1997, S. 381). Der Bekanntheitsgrad ließ zu wünschen übrig, da es auf CD-ROM durch einen Verlag (Thieme) vertrieben wurde. 1994 erschien ein Beispiel im Internet, das deshalb bekannter wurde, weil es jedem zugänglich war [http:// curry.edschool.virginia.edu/go/frog/Frogl/menu.html]. Seit 2002 steht eine neue Version unter dem Namen Net Frog Dissection im Netz [http://curry.edschool.virginia.edu/go/frog/Frog2/]. Das Beispiel des Frosches hat Schule ge-

234

eLearning: Einsichten und Aussichten

macht, es gibt eine Reihe von Nachahmern [http://www.froguts.com/ flash_content/ oder http://www.ofsd.kl 2.wi.us/science/internal.htm]. Man kann sich gut vorstellen, dass virtuelle Patienten ein willkommenes Übungsobjekt in der Medizinausbildung sind [z.B. http://research.bidmc.harvard.edu/VPTutorials/], da Medizinstudenten erst spät mit realen Patienten in Kontakt kommen. Zwar nutzt man gern einen .simulierenden Patienten', einen dafür eigens trainierten ehemaligen Kranken oder einen Schauspieler, [z.B. http://www.hzo-film.de/index.htm?=project028_D.htm] der die Krankheit simuliert, aber der virtuelle Patient hat enorme Vorteile, denn er ist unabhängig von Zeit und Ort erreichbar und kann so oft wie gewünscht in Anspruch genommen werden.

Ehrgeiz der Entwickler besteht verständlicherweise darin, möglichst photorealistisch aussehende virtuelle Menschen zu konstruieren und diese dann für Operationen und andere Behandlungen manipulierbar zu machen. Der

Abb. 61 Virtuelle

Virtuelle Operationen an virtuellen Patienten

Operation

mit Julius

Das Bonner Forschungszentrum caesar [http://www.caesar.de/1059.0.html] entwickelt die Software „Julius", die et al Patientenaufnahmen in dreidimensionale Bilder umwandelt. Julius soll dem Chirurgen helfen, Operationen in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Neurochirurgie oder Orthopädie genau

Die

Überwindung von Schranken durch eLearning

235

planen und überwachen zu können. Dazu werden Magnetresonanz-Tomographiedaten durch den Computer in dreidimensionale Bilder eines virtuellen Patienten transformiert.

Abb. 62 Virtueller Patient

Interaktive virtueile Patienten

Das Advanced Educational Systems Department (AES) ist die Abteilung für die Entwicklung hypermedialer Lernmedien der New York University School of Medicine [http://aes.med.nyu.edu/research/]. Am AES wird ein virtueller Patient entwickelt, dessen Organe animiert sind und der Interaktionen mit vielen Teilen seines Körpers zulassen soll. Zusammenhänge wie Blutdruck und Ohnmacht sollen simuliert werden können, der Patient soll mit unterschiedlicher Mimik auf die körperliche Untersuchung reagieren können. Die Untersuon

Spring 2005 Vol. 1 No. 2 [http://www.nyu.edu/ nyutoday/archives/18/1 lR/PageOneStories/virtual.html] beschreibt das Konzept und die Entwicklungsarbeit.

88. Ein Artikel in der NYU Research

236

eLearning: Einsichten und Aussichten

am „virtual surgery patient" soll mit mehreren medizinischen Instrumenten wie beispielsweise Röntgenapparaten, Spritzen und Geräten für die Blutdruckmessung durchgeführt werden können.

chungen

Virtuelle

Gänge durch Lernobjekte und Lernorte

Von Landschaften (VirtEx), Archiven (ad Fontes) und Bildsammlungen (Prometheus) war schon die Rede. Virtuelle Gänge durch virtualisierte Lernobjekte (Organe, Maschinen) und Lernorte (Museen, Gebäude) sind heute nichts Besonderes. Doch es gibt interessante Beispiele:

Begehung eines Kunstwerks

Ein besonders originelles Beispiel bietet die Umsetzung der Rauminstallationen der Künstlerin Anna Oppermann, über die ich bereits einmal berichtet habe (Schulmeister 2001, S. 345). Anna Oppermanns künstlerische Objekte sind Rauminstallationen, die man in der Ausstellung nur aus der Ferne betrachten, aber nicht „begehen" kann. Durch Carmen Wedemeyer im Hypertext-Format auf CD-ROM gebracht, lässt sich der Raum überwinden, den das Objekt selbst einnimmt, das Kunstwerk wird „begehbar". Die vielen einzelnen Objekte der Installation können aus dem Gesamtbild herausgelöst werden, so dass man als Beobachter näher an die einzelnen Objekte des Ensembles herantreten kann, als es die Installation im Museum erlauben würde. Ein anderes Beispiel für eine Begehung virtueller Objekte bietet das Projekt UNITRACC Underground Infrastructure Trainings and Competence Center: -

Virtuelle Baustelle

Detailansicht -

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±1

Schulmeister 2005-01-05 19X35 Schulmeister 2005-01-03 1732

LJ Organisationen Organisationen rund um das Internet und das World Wide Web und deren

Schulmeister 2005-01-16 17 37

to

Roland.Leika2005-01-15 1322

I3

Schulmeister 2004-10-24

M

Aufgaben

Abb. 75 Ein Blick in einen Seminarordner in BSCW

Seminare in BSCW

Was

zeigt die obige Abbildung? Sie gewährt einen

Blick in eines meiner Se-

minare, in den Dokumentenspeicher für das Seminar „Grundlagen des Internet". Man sieht lauter Ordner, von denen die meisten von mir, zwei auch durch Seminarteilnehmer angelegt wurden. In den Ordnern wiederum befinden sich weitere Ordner und/oder unterschiedlich viele Dateien und Dokumente völlig verschiedener Formate (s. nächste Abbildung), die von BSCW beim rauf- und runterladen automatisch erkannt werden, so dass man sich als Lehrender nicht noch mit den MIME-Typen auskennen muss. Eine Einschränkung besteht aber: Man kann die Dokumente in BSCW nicht direkt öffnen und lesen oder gar bearbeiten, sondern ist darauf angewiesen, ein Dokument erst runter zu laden, bevor man es mit einem Programm öffnen kann:

eLearning: Einsichten und Aussichten

260

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Geschichte des internet Dokumente zur Geschichte des Internet,

Biographien

Name

Size

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Internet Maps Landkarten

B

Die Geschichte des Internets

-

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Schulmeister

2004-10-25

230 K B

Yuanchen

2004-10-18

170K

Andreas.. Rath

2004-10-29

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2004-10-20

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2004-10-20

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Backbone-Karten

¥\ Internet Timeline 1957-2003

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2004-10-25

httpJAvww.telegeography.com/rnaps/index.php Maps Backbone http:/AYWw.nthelp.corn/maps.htm

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Last Modified

Schulmeister

A Short

History of Internet Protocols at CERN.webloc

Web-Adresse

zu

Internet-Protokollen

Internet History.wettloc URL für Internet-Geschichte

Internet

Society ¡ISOC) All

the InterneM.webloc adresse der Internet Society

About The Internet-

History of

30

Abb. 76 Blick in einen BSCW-Ordner: Verschiedene

±1 ±i

Datei-Typen

Ein solches Werkzeug oder eine solche Umgebung ist als erster Einstieg in eLearning recht praktisch, weil man Lehrveranstaltungen damit problemlos begleiten kann. Erstens muss man sich um die Technik nicht kümmern, das erledigt freundlicherweise Fraunhofer FIT. Zweitens sind die wenigen Prozeduren, die man beherrschen muss, um Studierende zu einem Kurs einzuladen, ausgesprochen einfach gestaltet. Drittens kann man seinen Studierenden in einer halben Stunde die wichtigsten Prozeduren erklären, um mit BSCW umgehen zu können. Der Vorteil des Einsatzes von BSCW besteht darin, dass man keine Lektüreordner in der Bibliothek mehr hinterlegen muss, dass alle Beteiligten stets alle im Unterricht benötigten Unterlagen und Informationen haben oder zumindest von überall her Zugriff darauf haben.

Asynchrone Kommunikation

Man kann in BSCW zu jedem Ordner oder jeder Datei Foren anlegen. Studierende können sie nutzen, um Fragen zu stellen oder Meinungen zu äußern. Lehrende können sie nutzen, um Anweisungen und Aufgaben zu präzisieren oder Rückmeldung zu geben.

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

261

Die Begleitung einer Lehrveranstaltung mit einer derartigen Plattform ist eine minimalistische Lösung, um mit eLearning zu beginnen, aber eine recht praktische, die Sie vermutlich selbst dann nicht aufgeben werden, wenn Sie bereits in aufwändigere Umgebungen eingestiegen sind. Der zur Verfügung gestellte Speicherplatz ist mit 20 Megabyte manchem gering. Sollten Sie mehr Speicher benötigen, müssen Sie Ihr Rechenzentrum überzeugen, BSCW in Ihrer Hochschule lokal zu installieren.

Learning Management Systeme oder Lernplattformen

Die nächste Stufe eines

niedrigschwelligen Einstiegs ins eLearning bilden die Learning Management Systeme (dt. Lernplattformen, Abk. LMS), die sich in den letzten Jahren mit großer Geschwindigkeit verbreitet haben (Schulmeister 2003). Diese Software-Systeme verwalten Kurse, Studierende und Lernmaterial. In einem LMS kann man die Lerninhalte und Lernobjekte auf HypertextSeiten lesen und mit den Inhalten arbeiten. Autorenwerkzeuge erleichtern

Lehrenden die Arbeit, so dass man im Wesentlichen ohne HTML-Kenntnisse auskommt, um Inhalte in einer Lernplattform darstellen zu können. Natürlich gibt es Lernplattformen, die einfacher oder komplizierter sind. Bei einem System mit guter Benutzerschnittstelle, dürfte eine eintägige Einweisung in die Nutzung einer Lernplattform zunächst ausreichen, um die Arbeit damit beginnen zu können. Die Wartung und Pflege der Lernplattform muss nicht Ihre Sorge sein, denn eine Lernplattform kann viele Kurse und Studierende versorgen. Installation und Vorhaltung eines LMS ist eine Infrastruktur-Maßnahme, die das Rechenzentrum Ihrer Hochschule oder Hochschulregion übernimmt. In Hamburg bietet das Rechenzentrum der Universität diesen Dienst für alle Hochschulen des Landes. Auch Netzwerke können diese Aufgabe übernehmen: In der Schweiz agiert der Swiss Virtual Campus (SVC) als Provider für alle Hochschulen, in Rheinland-Pfalz hält der Virtuelle Campus RheinlandPfalz (VCRP) die Lernplattform für alle Hochschulen des Landes vor. Auch in den USA bilden sich immer mehr Consortien heraus, die den Betrieb eines hoch skalierenden Learning Management Systems für alle Hochschulen des jeweiligen Staates übernehmen (Maryland, Minnesota etc.). Der Vorteil einer Lernplattform besteht neben dem Komfort der Kursverwaltung darin, dass Sie als Lehrender Inhalte mit Aufgaben versehen und an Fristen koppeln können, z.B. die Klausurseiten erst ab einem bestirnten Datum freischalten können. Sie erhalten am Ende prüfungsrelevante Daten zu der Zahl und Art der Aufgaben, die jeder Studierende bearbeitet hat. Auch enthält eine Lernplattform in der Regel Kommunikationsmethoden wie Chat und Forum sowie eine Arbeitsfläche oder elektronische Tafel, die kooperativ genutzt werden kann (ein sogenanntes Whiteboard; zu weiteren Funktionen und Methoden siehe ausführlich Schulmeister 2003). Der Einsatz einer Lernplattform

262

eLearning: Einsichten und Aussichten

umfangreichen Stoff aus der Präsenzveranstaltung in unmittelbarem Zusammenhang zum Inhalt Sie ausgliedern wollen, und Tests absolvieren lassen wollen. Aufgaben geben

lohnt sich für sie,

wenn

Sie

wenn

Neuere Systeme: Virtueller Klassenraum, Wiki und WebLog

Die nächsten Schritte ins eLearning sind schon schwieriger und benötigen einige technische, zumindest softwaretechnische Kenntnisse. Hierfür ist ein Schulungs- und Supportangebot der Hochschule unabdingbar. Noch vergleichsweise unbekannt ist die unter dem Begriff Virtueller Klassenraum (virtual classroom) bekannt gewordene Softwaregattung, die für synchron stattfindendes Unterrichten bzw. für die synchrone Arbeit von Lerngruppen gedacht ist. Der Virtuelle Klassenraum besteht in einer Bildschirmfläche, auf der gemeinsam ein Whiteboard oder eine Anwendersoftware wie Word, Excel, Präsentationen, aber auch CAD-Software, Mathematik-Software etc. benutzt werden kann (sog. „shared application"). Einige Virtuelle Klassenräume bieten für das kooperative Lernen den Arbeitsgruppen mehrere „Räume" zum gemeinsamen Lernen an. Ältere Systeme bieten nur den Textchat, während neuere wie z.B. SmileTiger, auch einen Audio- und/oder Videokonferenzmodus haben. Einige Systeme arbeiten mit Symbolen, die anzeigen, wer sich meldet, wer redet, wer aktiv ist, etc. (die sog. Awareness-Komponente), um die Moderation zu erleichtern. Eine rasche Verbreitung nehmen seit kurzem die Wiki-Systeme, in denen Tausende freiwilliger Helfer Lexika entwickeln, Rezensionen sammeln oder andere Wissensgebiete komplettieren. Ebenso rasch verbreiten sich die Weblogs, halboffene Umgebungen, deren Eigentümer beispielsweise ein Tagebuch führen oder aktuelle Ereignisse kommentieren. Auf diese Ausführungen können die Leser mit Beiträgen in eigenen Weblogs reagieren und anschließend Original und Kommentar durch einen wechselseitigen Link (RSS Feed) miteinander verbinden. Es würde zu weit führen und der Intention dieses Kapitels widersprechen, wollte ich die beiden neuen Software-Typen an dieser Stelle ausführlicher erläutern. Ein Blick in ein Wiki wie beispielsweise Wikipedia oder in ein WebLog im Internet dürfte zudem illustrativer •

sein

94

.

Die Bedienung dieser Softwarewerkzeuge ist relativ rasch zu erlernen. Die Last der Installation und des Einrichtens kann Ihnen jedoch nicht abgenommen werden, da die Wikis und WebLogs als ebenso individuelle Werkzeuge behandelt werden wie Ihre Homepage. Die Learning Management Systeme 94.

Beispiele

für

WebLogs:

Peter

Baumgartner [http://www.peter.baumgartner.name/

], Jochen Robes [http://www.weiterbildungsblog.de/]

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

263

beeilen sich zur Zeit, diese Methoden in sich zu integrieren, um die Entwicklung nicht an sich vorbeilaufen zu lassen. Dann können Sie damit rechnen, dass Ihr Rechenzentrum Ihnen die Arbeit wieder abnehmen kann. Der Einstieg in das Blended Learning mit Unterstützung einer Plattform wie BSCW oder einer Lernplattform kann bereits spürbare Rückwirkungen auf die Präsenzlehre haben. Robin Wingard (2004) berichtet über eine Studie des Learning Technology Consortium, in dem sich neun Universitäten zu einem Verbund zusammengeschlossen haben, der gemeinsam die Technologieentwicklung beobachtet und Untersuchungen zu eLearning fördert und evaluiert. Sieben Mitglieder des Consortiums haben an der Studie teilgenommen Es wurde jede Institution gebeten, zehn Lehrende zu benennen, die an der Studie teilnehmen sollten. Es mussten Lehrende sein, die seit mindestens vier Semestern Internet-angereicherte Kurse anboten, in denen sie mit reichhaltigen Inhalten, Medien und Kommunikationswerkzeugen arbeiteten. Die Fragerichtung der Studie ist originell. Es wurde einmal nicht nach den Effekten der netzbasierten Ausbildung gefragt, sondern nach den Rückwirkungen, die die Integration von eLearning-Methoden auf die Präsenzseminare hatte, wobei elf verschiedene Typen von Unterrichtshandlungen in den Blick genommen wurden und gefragt wurde, ob sie abgenommen hätten, gleich geblieben oder angestiegen wären. .

Die Studie berichtet, dass die Didaktik der Präsenzlehre sich durch den Einsatz von eLearning-Methoden verbessert: Dass der Einsatz der Unterrichtstechnologie im Präsenzseminar am stärksten von allen Unterrichtshandlungen zugenommen hat, ist selbsterklärend, dass andere Unterrichtshandlungen gleich geblieben sind wie z.B. Prüfungen und Evaluation, verwundert nicht, dass die Interaktion zwischen Studierenden und dem Tutor in der Präsenzlehre angestiegen ist, während die Interaktion zwischen den Studierenden nicht zugenommen hat, das lässt sich vermutlich nicht so leicht erklären. Erfreulich ist, dass der Einsatz der Diskussionsmethode zugenommen hat, während die Vorlesungen stark zurückgegangen sind. Zugenommen haben „preparing students to use course material" und „Keeping students on task" .

Mitglieder im Consortium sind: Indiana University, Virginia Tech University, University of Delaware, University of Florida, University of Georgia, University of North Carolina, University of Notre Dame, University of Pittsburg und Wake Forest University. Die Universitäten, deren Namen kursiv gesetzt sind, haben sich an der Studie beteiligt. Die Datenverarbeitung des Berichts ist leider recht dürftig, deshalb berichte ich nur Tendenzen, keine Zahlenangaben.

95. Die

264

eLearning: Einsichten und Aussichten

7.3 Aufgabendesign

Assignments:

Varianten der Aufgabengestaltung

Viele eLearning-Kurse arbeiten mit „Assignments", d.h. sie stellen den Studierenden Aufgaben. Die Studierenden erledigen diese Aufgaben und stellen sie in die Lernplattform ein. Diese Aufgaben dienen in den meisten Fällen dem Üben, der Selbstkontrolle oder dem Testen. Diese Funktionen strebe ich an dieser Stelle weniger an. Aufgaben sind „aus didaktischer Sicht das ,Herz' einer Lernumgebung" schreibt Gabi Reinmann (2005, S. 207), modern formuliert, die Aufgabe ist das zentrale Lernobjekt jeder Lernsituation, des expositorischen Unterrichts ebenso wie der klassischen Übung und dem Laborpraktikum. Die Aufgabe kann selbst das Kernelement in einem Multimedia-Lernprogramm, in einer Lernsituation nach dem Entdeckenden Lernen oder im Fallbasierten oder Problemorientierten Lernen sein. Sie verkleidet sich in diesen Lernmodellen nur anders, als Element des didaktischen Arrangements, als Paradox, als Problem, als Konflikt oder als Fall. Von daher kommt natürlich der Aufgabenstellung oder, wie es Gabi Reinmann nennt, dem „Aufgabendesign" (S. 208) entscheidende Bedeutung zu. Dies führt Gabi Reinmann zu der These: „Aufgaben [...] haben nicht nur die Funktion, Lernende zu Aktivitäten ermuntern und Lernerfolge sicherzustellen [...]; vielmehr lenken Aufgaben einen Großteil der Lernaktivitäten und sie bestimmen die ablaufenden Prozesse innerhalb der Lernumgebung." Ich will die Methode des Aufgabenstellens hier nicht generell erörtern oder nach Lernmodellen und Lerntheorien differenzieren, es gibt Ausbildungsbereiche wie die Berufspädagogik, in denen die aufgabenorientierte Didaktik schon immer eine große Rolle gespielt hat (siehe Zimmer 2003; Zimmer 2004; Reinmann 2005, S. 207ff). Ich will mich in diesem Abschnitt mit dem Einsatz von Aufgaben im eLearning befassen, die mit geringem Aufwand für den Dozenten verbunden sind, die aber dennoch sehr wirksam sein können und bei den Studierenden gut aufgenommen werden. Beim Aufgabendesign, wie bei fast allem, kann man mehr oder minder originell verfahren. Das soll das Thema hier sein. Dazu möchte ich gleich ein Beispiel bringen:

Geschichte Online: Universität Wien

Die Autoren der Lernumgebung „Geschichte Online"

an

der Universität Wien

[http://gonline.univie.ac.at/index_m2.php?lid=l&sid=1256] haben sich eine interessante Variante der Aufgabenstellung ausgedacht. Am Beispiel des Hauses Leopoldsgasse 26 lernen die Studierenden zu recherchieren und Datenbanken

nutzen, in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, im Wiener Häuserkataster, in Fremdentabellen und in Konskriptionslisten. zu

265

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

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Die

Übung ist m FLASH programmiert, [hre Durchführung setzt die Installation eines entsprechenden Plugins in Ihrem Browser

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WWW herunterladen

können.

Historische Présentât...

Metzwerke

Abb. 77 Geschichte Online, Teilmodul Recherche, Universität Wien

Diese Idee ist jederzeit abwandelbar und auf jeden Studienort applizierbar. Mir fallen beispielsweise die Kriminalromane von Boris Meyn „Der Tote im Fleet" (rororo 22707) oder „Die rote Stadt" (rororo 23407) ein, in denen die Hintergründe für den Hamburger Brand oder die Entstehung der Speicherstadt im Hamburger Hafen eine Rolle spielen. Sie sind eine spannende Lektüre für die Studierenden und zugleich eine Grundlage, aus der sich eine Menge Aufgaben ergeben. Wer diese Krimis liest, dem stellen sich Fragen wie „Wie kam es zum Bau der Speicherstadt im Hamburger Hafen?" „Was stand an der Stelle der heutigen Zentrale der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG?" „Wer stellte die Regierung Hamburgs?" „Wer entschied über so wichtige Bauvorhaben wie die Alster?" Diese Fragen reizen zur Recherche in Stadtarchiven und Einwohnermeldeämtern und können den angehenden Historiker beflügeln, die relevanten Methoden seines Studiums „ganz wie im Fluge" zu lernen. Ein zweites Beispiel möchte ich hinzufügen: Reinhard Keil-Slawik von der Universität Paderborn bietet seinen Studierenden den Stoff seiner InformatikVorlesung auf CD-ROM, und zu jeder Sitzung gibt es auch kleinere Aufgaben. In der nachstehenden Abbildung beispielsweise gibt er die Problematik des Einzugs und der Abrechnung der Autobahngebühren zum Nachdenken auf96.

266

eLearning: Einsichten und Aussichten

Autobahngehühren Autobahngebühren gibt es AutobahngebuhR'n. die pauschal erhoben wenlen tnian kauft dann wie beispielweise in der Schweiz eine Vignette» Als gerechter win! jedoch ein System angesehen, bei

In manchen Landern

-

dem jeder Aule-fahler nur tilr die Kilometer bezahlt. die er auch talsachlich auf der Autobahn tahrt. Dann zahlen die Autofahrer jeweils eine Gebühr liar die Stecke, die sie fahren wollen, bar an einem Kassenhauschen. Ott werden auch Kreditkarten akzeptiert -

Abbildung

I : Mautstellen führen

m

Staus und erhöhter Umweltbelastung

Bei einem

.geschlossenen System« werden die Auf- und Abfahrten der Autobahn mit Schranken bzw Kontmltslationen versehen, wodurch jedoch teichl Staus erzeugt werden vor allem bei hoher Verkehrsdichte. Atilienjcm isl der Lamisehatlsverbrauch der Zahlstellen enorm. -

Abb. 78 Keil-Slawik: Eine

Ziele, die mit Aufgaben verbunden sein können

Aufgabe zum Thema Autobahngebühren

Es geht mir bei diesem Thema nicht um Übungsaufgaben zur Anwendung des vorher abgelieferten Wissens, sondern um intelligente fantasiereiche Varianten zur Methode „Aufgabenstellung". Die Lernziele im Aufgaben-Lernen können dabei stark variieren. So können Aufgaben eingesetzt werden, um folgende Ziele zu erreichen: Recherchieren lernen

(story-based)

lernen

Analysieren (fallbasiert) und Theorien Hypothesen vergleichen und relationieren (pro & contra) Hypothesen bilden, Theorien testen Evaluieren (Handeln & Entscheiden) Das sind

Basiskompetenzen

sollte solchen Anwendungen

96. Das um

der neuen Bachelor-Studiengänge. Von daher großes Gewicht und hohe Nachfrage zukommen.

Beispiel ist deutlich älter als die kürzlich erst die Maut auf Autobahnen in Deutschland.

geführte politische

Diskussion

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLeaming

267

Maskengestaltang Kin

Online-Shop im WWW bietet zur Abwicklung von Bcsiellungcn und Lieferungen einem ..Warenkorb'' /iMtiimcngestellt bat, folgende Eingabemaske an

von

Waren, die

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zuvor in

GesaHd anhand der in der Vorlesung vorgestellten Pim/ipien

zur

begründet E:urcn Vorschlag s&hwartaitig

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Abb. 79 Reinhard Keil-Slawik: Die

7.4

Name der Batik

Wai«*ortr

l~~

Wohnort

f

r

|

Vorname

Bankleitzahl

[

Nachname

Straße

{

Maskcngesuitung eine neue Maske und

Anzahl

Preis

Waschmaschine

1

1145,90

Trockner

1

890,90

Aufgabe lautet, eine Maske zu erstellen

Fragen stellen

Noch einfacher zu realisieren ist die seit Sokrates bekannte Methode, Fragen zu stellen. Warum sollte diese Methode interessant sein? Schlicht gesagt, weil sie keine Antworten gibt, oder im Fachjargon formuliert, weil sie keine expositorische Methode ist, sondern eher eine heuristische Methode.

Fragen regen die Reflexion

an

Roger Schank & Chip Cleary (1995) behandeln in ihrem Buch „Engines for Education" das Thema Fragen im Kapitel „Learning by Reflection". Dies ist es in der Tat, was die didaktische Strategie des Fragenstellens anstrebt, das Nachdenken bzw. die Reflexion zu fördern. Sie zitieren et al einen OnlineDialog mit einer Software namens Sounding Board (S. 109), in dem sich der Lehrer strikt darauf beschränkt, Fragen zu stellen, während die Schüler oder Studenten antworten müssen. Das ders

Peter Faulstich und Anke Grotlüschen ist besondem Hochschulunterricht stammt. Die Abbildung einen Ausschnitt einem aus ihrer virtuellen Seminare, der ausschließlich zeigt aus Fragen zum Stoff und Notizen zu den Fragen besteht oder könnte man hier der Stoff ausschließlich aus besteht sogar sagen, Fragen?

folgende Beispiel interessant, weil

von

es aus



268

eLearning: Einsichten und Aussichten

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Abb. 80

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Gunjüt (Tuto s]

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Seminarbeispiel von Peter Faulstich und Anke Grotlüschen

zu dieser Methode möchte ich ein Beispiel aus der schon erwähnten Vorlesung von Reinhard Keil-Slawik vorstellen. Die Aufgabe 5 zu seiner Vorlesung besteht im Wesentlichen aus lauter Fragen.

Auch

Zogangskötitrolle Jede lnduktionskarte besitzt eine eindeutige Nummer, und nur diese Nummer ist auf der jeweiligen Karte gespeichert. Die Karte enthält keine wetteren Daten Zum

Betreten und Verlassen de* ¿ugangskontmlherten Bereiches ist die Karte in das Kartcnlesegerat einzustecken. Von der Überwachungsanlage werden dabei automatisch Kartennummer. Datum, ührzeit. Türnummer und das zu protokollierende Ereignis (Eingang oder Ausgang) gespeichert. Weitere Daten werden nicht aufgezeichnet. Der Umfang der Speicberung beträgt höchstens 7200 Ereignisse.

Die Speicherung und Hutzung der erhobenen Daten erfolgt durch die Universität ausschließlich für Zwecke eines ordnungsgemäßen DV Betrieben, der DaterLschutzkontrolle oder der Datensicherung ent.sprechend der Zweckbindungsregehtngen des BDSG. I Wie können die Daten vor unbefugter Einsichtnahme geschützt werden7 2. Wenn denn ein Diebstahl vorliegt, wer sollte bei der Öffnung der

Kontrollanlage anwesend sein?

3. Wie sieht das Verfahren für das Auslesen der Daten

aus

aus'

der Kontrollanlage

4. Wie wird der .'die Karten Inhaberin identifiziert ? 5. Was ist nach der Identifizierung mit den Daten /u tun''

Abb. 81 Die

Aufgabe besteht aus Fragen (Vorlesung von Keil-Slawik)

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Fragenstellen ist eine heuristische Methode

Beim

Frage

Design zu

von

Fragen

kommt

es

ein

269

wenig

darauf an, eine interessante

finden, zugleich aber den für die Beantwortung benötigten Aufwand

angemessen kalkulieren zu können. Dann kommt es darauf an, einen Aufgabentyp zu finden, der für das zugrunde liegende Lernmodell angemessen ist.

Fragen können Fragen sein, aber auch Aussagen oder Aufforderungen oder Kritik. Fragen können stimulieren, zu Thesen herausfordern, Wissen und Aktivitäten kontrollieren, ein Gebiet sondieren, eine Vermutung oder Meinung bestätigen, aber auch kritisieren, beleidigen oder verächtlich machen. Fragen können aber auch helfen, ein Lernobjekt zu analysieren, Alternativen zu finden, Entscheidungen zu treffen, zu evaluieren und zu bewerten. Die Funktionen und Wirkungen von Fragen sind vielseitig. Gut gestellte Fragen funktionieren in der Regel ohne großen Aufwand an Erklärungen. Gute Fra-

gen wirken heuristisch, das heißt sie aktivieren vorhandenes Wissen des Gefragten, mit dem er/sie versuchen mag, eine Antwort zu produzieren. Gut gestellte Fragen fördern die Selbsttätigkeit der Studierenden.

7.5

Streitgespräche

Die Bedeutung von Theorien lässt sich weniger durch Selbstdarstellungen und Sekundärliteratur als vielmehr durch Konfrontation mit alternativen Hypothesen oder konkurrierenden Theorien verstehen. Besonders glückliche Umstände der Geschichte der Wissenschaft lassen derartige Konkurrenzen oder Paradigmenwechsel gelegentlich in direkter Konfrontation sichtbar werden. Berühmte Streitgespräche oder berühmte Auseinandersetzungen hervorragend als Streitgespräche arrangieren:

Abb. 82 Ausubel

versus

lassen sich

Bruner: Streit um das Entdeckende Lernen

270

eLearning: Einsichten und Aussichten

So eignet sich beispielsweise die treffliche Auseinandersetzung zweier Größen der kognitiven Psychologie, Jerome S. Bruner (1961) und David P. Ausubel (1968), um das Entdeckende Lernen, dokumentiert in dem Band von Heinz Neber (1973), hervorragend zur Diskussion grundlegender Fragen einer angemessenen Didaktik und Lernmethodik für den Kognitivismus.

Berühmte Ausein-

andersetungen

Während in diesem Fall die beiden ,Streithähne' demselben Lager angehören, entstanden andere berühmte Auseinandersetzungen als Streit zweier Lager über die jeweiligen Wissenschaftsauffassungen. Bekannte historische Beispiele für Streitgespräche' sind •

der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, gut dokumentiert im Sammelband (Adorno, Popper et al 1969) mit Beiträgen der sog. kritischen Rationalisten Hans Albert und Karl Popper einerseits und der Vertreter der kritischen Frankfurter Schule Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas

andererseits; •

Paradigmawech-

sei: Instruktionalismus versus Konstruktivismus

die Auseinandersetzung zwischen Jürgen Habermas und Niklas Luhmann über die „Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie" (Habermas & Luhmann 1971).

Ein weiterer glücklicher Umstand hat zu einer ausführlichen Dokumentation der methodologischen, aber sehr ideologisch geführten Auseinandersetzung zwischen den Instruktionalisten und Konstruktivisten geführt, die in der Zeitschrift Educational Technology 31 (1991) ausgetragen wurde (s. Schulmeister 1997, S. 166-173) und die in dieser ehemaligen Hauszeitschrift der Instruktionalisten sowie in dem von Thomas Duffy und David Jonassen (1992) herausgegebenen Sammelband durch etliche Beiträge aus beiden Lagern gut dokumentiert wurde. Es handelt sich bei diesem Streitgespräch um einen historischen Paradigmawechsel ganz im Sinne Thomas S. Kuhns (1967), nämlich die Ablösung des Instruktionsdesigns durch den Konstruktivismus:

Abb. 83 Zwei der Streithähne

(Merrill und Cunningham) und ihre Aussagen

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLeaming

271

David Merrill

Donald J.

Utah State

Indiana

University

Professor of Instructional Techno-

logy

Cunningham University, Bloomington

Barbara Jacobs Chair (Professor of Education) und Director, Center for Research on Learning and Techno-

logy „

We do

not

subscribe

rasa straw man

of

the tabula

„1 have no objection to Merrill [...J

extreme con-

assuming that knowledge can be represented .outside the mind' and presuming ,that there is some correspondence between (this knowledge) and representations in the mind. Given this assumption, his work is a masterful embodiment of the objectivist perspective. But it does concern me that he rejects out of hand the alternative view and fails to recognize the objectivist foundation that underlies his work. I am not asking him to accept my assumptions, but simply to acknowledge that his are different but no more .defensible' (at this point in time, at least) than mine. "a (S. 158)

to

structivism ".

Zum Objektivismusvorwurf Konstruktivisten:

der

'

„If I hire a surgeon to do heart surgery, PLEASE let me have one who knows the trivial case and knows that my heart looks like every other human heart. Please don't let him negotiate new meanings [...] I want her/him committed to the standard objective view. The trivial case is not so trivial. To dismiss so casually the objective case is perhaps the greatest danger of radical constructivism. (S. 108) "

a.

Die

Aussagen werden nach ihren jeweiligen Beiträgen in Duffy & Jonassen

(1992) zitiert. Wissenschafts-

geschichte

als

fiktives Streit-

gespräch

Sofern es keine direkten Konfrontationen gegeben hat oder diese nicht dokumentiert wurden, kann man historisch wichtige Auseinandersetzungen um die Geltungsansprüche anderer Wissenschaftsauffassungen durch Kontrastierung klassischer Texte fiktiv nachstellen: So lassen sich relativ leicht Texte von B. F. Skinner und Jean Piaget finden, die den Gegensatz von Behaviorimus und Kognitivismus hervorragend deutlich illustrieren, obwohl diese beiden meines Wissens nie miteinander diskutiert und es auch nicht für nötig befunden haben, sich aufeinander kritisch zu beziehen.

272

eLearning: Einsichten und Aussichten

Abb. 84 Burrhus F. Skinner

versus

Jean

Piaget

Aber natürlich lassen sich

„Streitgespräche" auch durch weniger spektakuläre mit Zitaten aus Texten, mit Stimmen vom Viarrangieren Gedankengebäude deo, sogar durch Beiträge von Studierenden. Originell ist das Streitgespräch zwischen Skinner und „Skinner", den beiden namensgleichen Wissenschaftlern,

dessen historischer

Auseinandersetzung Theodor Ickler berichtet [http://ltsc.ph-karlsruhe.de/Ickler.pdf]. Auch die Form des Streitgesprächs ist von

leicht variierbar, indem man sich historischer Vorbilder bedient. Ich hatte bereits in Kapitel 4.12 „Methoden zur Förderung des Diskurses", S. 172 über brauchbare Methoden für Streitgespräche berichtet. Es müssen auch nicht immer „Streitgespräche" sein. Interessant sind auch Beiträge von Forschern, die sich auf Beiträge ihrer geistigen Vorgänger beziehen und deren Gedankengänge weiterentwickeln wie dies beispielsweise in der Entwicklungslinie der modernen Hermeneutik durch Wilhelm Dilthey der Fall gewesen ist, auf den sich Hans-Georg Gadamer kritisch bezog, der wiederum durch Jürgen Habermas weiterdiskutiert wurde.

7.6

Digital Storytelling: Lernen durch Narration

Geschichtenerzählen ist eine sehr, sehr alte Methode des Lehrens und spätestens seit der Jasper Series von der Cognition and Technology Group at Van-

derbilt und den Büchern von Roger C. Schank auch eine moderne Methode des Lehrens und Lernens geworden. Mit dem Thema „Digital Storytelling" befassen sich sogar eigens dafür eingerichtete Institute, so das Center for Digital Storytelling in Berkeley [http://www.storycenter.org/], der Verein für Digital Storytelling [http://www.digitalstorytelling.org/about.htm] in Raleigh,

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

273

Carolina, das International Storytelling Center in Jonesborough, Ten-

North

[http://www.storytellingcenter.com/], das Digital Storytelling Festival in Sedona, Arizona, das vom 16.-18. Juni 2005 zum siebten Mal stattfand, sowie das Zentrum für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt [http:// www.zgdv.de/zgdv/departments/z5], das unter der Leitung von Stefan Göbel eine Arbeitsgruppe zu Digital Storytelling eingerichtet hat usw. Das sind nur wenige Beispiele für eine weltumspannende Bewegung, die am besten bisher auf der australischen Website Tech Head Stories der Medienfirma McLellan Wyatt Digital dokumentiert ist [http://tech-head.com/dstory.htm]. nessee

Abb. 85

Narratives

Konzept zum Lernen der

Gebärdensprache

Digital Storytelling in „Die Firma 2 Gebärdensprache interaktiv"

Christiane Metzger, Rolf Schulmeister und Heiko Zienert (2000, 2003) haben sich dieser Methode im Programm „Die Firma" zum Lernen der Gebärdensprache bedient. Die Geschichte im Programm handelt von einer Baufirma, in der Gehörlose zusammen mit Hörenden an einem Neubau mit Wohnungen und Büros und einer Tiefgarage arbeiten. Alle Dialoge bestehen aus Gesprächen, die gehörlose Mitarbeiter der Baufirma im Alltag führen. Die Studierenden der Gebärdensprache und des Gebärdensprachdolmetschens, die zum Studienbeginn in der Regel keine Gebärdenssprache beherrschen, werden mit der Aufgabe konfrontiert, die grammatischen und linguistischen Prinzipien

eLearning: Einsichten und Aussichten

274

der Gebärdensprache durch eine sorgfältige Analyse der Dialoge selbständig heraus zu finden. Die Geschichte bietet den authentischen Kontext für Vokabeln und Grammatik und erleichtert so die Analyse der Gebärden'texte'. Bei der Methode Storytelling ist zu beachten, dass die Geschichten authentisch sind und im Fall abstrakter oder formaler Inhalte einen konkreten Kontextbezug bieten. Der Bezug des Lernprogramms und der Lerninhalte zur Story kann dabei ganz unterschiedlich realisiert werden.

Die

Story in

„Statistik

inter-aktiv"

Nicolas Apostolopoulos (FU Berlin) hat in seinem Projekt „Statistik interaktiv"97 für Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine Geschichte erzählt, die den Sinn und die Funktion der Statistik in einem gesellschaftlichen Umfeld illustriert. Das Programm zum Erlernen der Statistik beginnt mit der Geschichte einer Bürgerinitiative, die sich gebildet hat, weil der Lärm durch den Verkehr stark angestiegen ist.

Der Redakteur der Lokalzeitung wittert eine Story, die Sprecherin der Bürgerinitiative trägt die Idee der Lärmmessung im Wohnviertel vor. Es werden Messungen durchgeführt.

Abb. 86 Eine

Bürgerinitiative untersucht Straßenlärm und benötigt dazu Statistik

97. Statistik interaktiv! ist als Buch mit CD-ROM im Springer-Verlag Heidelberg schienen (ISBN 3-540-43062-8). Die Abbildungen entstammen einem Video.

er-

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Die und

275

Aktivistin besucht den Bezirksverordneten ihm die Daten vor. Der kann mit den Daten nichts anfangen. Er verlangt statistische Beweise für die Schlussfolgerungen. Ein Dozent an der Uni liefert das nötige Statistik-Knowhow (eine Regressionsanalyse) , und die Sprecherin kann den Bezirksverordneten mit ihren Argu-

legt

menten

überzeugen.

Die einzelnen Phasen der Geschichte werden in den Erläuterungen der statistischen Methoden wieder aufgegriffen, wodurch für die statistischen Methoden ein kontextueller Bezug hergestellt wird. Auch in einer neueren Version des Programms, das als „Neue Statistik" bezeichnet wird [http://www.neuestatistik.de], werden die Lektionen in eine Story eingebunden.

Digital Storytelling kann mehrere Funktionen erfüllen. Das Erzählen kann als Narration zur Unterhaltungs- und Motivationskomponente im Lernen beitragen, es kann aber auch seinen Sinn darin sehen, den notwendigen realen, sozialen oder fachlichen Kontext für die Lernaufgabe bereitzustellen. Wenn es wichtig ist, einen authentischen Kontext für Lernprozesse zu liefern, dann lassen

Was meint ,Kontext' im MethodenlehreBaukasten

sich auch andere Formen denken,

um

diesen Kontext herzustellen.

Der bereits erwähnte „Methodenlehre-Baukasten" beispielsweise, ebenfalls ein Lernprogramm zur Statistik [http://www.methodenlehre-baukasten.de], geht mit dem Kontextbezug ganz anders um: Hier werden die statistischen Methoden durchgängig am Beispiel eines Forschungsprojekts abgehandelt. Da das Programm die Statistik für mehrere Disziplinen anbietet, wird der jeweilige Forschungssatz variiert: So wird in der Psychologie eine Burn-out Studie genutzt, für Soziologen der SOEP-Datensatz und für Erziehungswissenschaftler die Shell-Jugendstudie. Diese Forschungsprojekte und ihre Datensätze mit ihren Fragestellungen und Theorien bieten den Kontext, in dem die statistischen Methoden sinnvoll verankert werden können. Auf diese Weise spielen in jedem Abschnitt des Lernprogramms und in jeder Übung die Daten und Variablen aus dem jeweiligen Forschungsprojekt eine wichtige Rolle, und deren inhaltliche Fragestellungen und Hypothesen bilden den authentischen Kontext, in dem die Lernprozesse situiert werden. Die narrative Methode kann möglicherweise durch die seit kurzem in Mode kommenden WebLogs Aufschwung erhalten, da das rasante Aufkommen der WebLogs vermutlich auf die häufig recht persönlich motivierte narrative Komponente zurück zu führen ist, aber sicherlich auch auf das Bedürfnis, „RSS-Beziehungen" zu stiften bzw. geliefert zu bekommen.

eLearning: Einsichten und Aussichten

276

7.7 Medien einsetzen gibt wissenschaftliche Themen und Fachdisziplinen, die sich für eLearning eigentlich nicht eignen. Zu diesen zählen viele Themen, die es mit intensiver und nicht beschränkter Kommunikation zu tun haben wie die Gesprächstherapie, die psychologische Beratung etc. Zu diesen Themen zählen aber auch solche Lernzielbereiche, bei denen haptische und andere sensorische Erfahrungen wichtig sind wie einige Experimente in der Chemie. In diesen Fällen sind textbasierte Dokumente keine große Hilfe. Es

Eine gute Methode ist für manche Fälle jedoch der Einsatz von Film und Ton. Video ist eine günstige und preiswerte Möglichkeit, relativ viel Inhalt in kurzer Zeit zu produzieren. Video ist jedoch nur zur Wiedergabe von realen Ereignissen und Abläufen geeignet, wird im wesentlichen rezeptiv zur Kenntnis genommen und kann die notwendigen Lernprozesse nicht ersetzen. Alexander Redlich hat in dem Projekt Level-Q [http://www.level-q.de/] das Medium Film als Mittel der Wiedergabe von Gesprächsprozessen benutzt. Das Programm soll in Fragen der Gesprächsführung einführen. Ein Vorbild für diesen Ansatz war die multimediale Diplomarbeit von Mario Jacobs (s. Schulmeister 2001, S. 316-318).

¡Utjursfjlä [Übung 21

[Übung 3) [Feedbackj

Untere Aufgabe

%.

Herr Bittbaumer soll demnächst als Vorstandsassistent bei einer Softwarefirma eingestellt werden. Auf Einladung der Firma findet heute ein Gespräch im Team über seine Aufgaben statt. Der Chef. Herr Rimmel, redet seht ausführlich über verschiedene Punkte. Herr Bittbaumer mochte die Informationen voHstaneJig aufnehmen. Versuchen Sie selbst dem

Gesprächsveriauf zu folgen.

Schauen Sie sich die Szene an und üftertegen Sie. wie Herr Bittbaumer kompetent im Sinne des aufmerksamen Zuhörer» reagieren sollte. -

-

Ges prac hs teilnehmer

5L :TJ II Abb. 87 Szene

aus

Level-Q: Ein neuer Mitarbeiter wird eingeführt

277

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Die Lernumgebung in Level-Q zielt auf die Einführung von Studierenden in die Berufspraxis während des Bachelor-Studiums und wird zur Vorbereitung von Präsenzseminaren in einem Blended Learning-Szenario eingesetzt.

tUDungll [Ua.,

;....

[Übung 3] ;r..

: ,

Unser Feedback

Da hott Herr Bitftaumef ein bissdien das Gras wachsen. Das hat Frau Buchte nichtgesasl, sondern: (....das Team wird Sie untersetzen'). Er interpretiert zu wei statt aufmerksam zuzuhören.

'

m"

m

M

Antwort 1

Abb. 88 Drei

Antwortmöglichkeiten als Rückmeldung: Welche Reaktion des Mitarbeiters halten Sie für angemessen?

Film als Medium ist relativ leicht einzusetzen, jedenfalls weitaus günstiger als Animationen und interaktive Übungen, die programmiert werden müssen. Und fast jede Hochschule verfügt über die technischen Mittel und viele auch über medientechnisch geschultes Personal in Medienzentren.

7.8 Fallbasiertes Lernen:

Praxisbezug

Fallbasiertes Lernen kann einerseits dazu dienen, einen Praxisbezug für die zu lernenden Fachinhalte herzustellen oder einen Anwendungsfall für gerade erworbenes Wissen bereitzustellen. Es kann andererseits aber der Anlass sein, durch die Konfrontation mit Praxis und Anwendung, eigene Wissensdefizite zu erkennen und neues Wissen selbständig zu erwerben.

278

eLearning: Einsichten und Aussichten

Auch Fallbasiertes Lernen muss nicht besonders aufwändig sein. Die Sozialpädagogen aus Graz beispielsweise setzen in dem Projekt „TELE»SOZIAL: Fernlehre in der Sozialarbeit" [www.telesozial.net] schlichte textbasierte Fälle ein, zu denen die Studierenden online Lösungen einreichen können:

„Skaterprojekt" Ku rzbesch re Übung :

Konflikt in einer großen Wiener Wohnsiedlung: 1.600 Kinder und Jugendliche müssen sich den spärlichen Freiraum mit 3.200 Erwachsenen teilen. Erwachsene vertreiben, beschimpfen und bedrohen jugendliche Skater der Anlage, die dort ihre sportlichen Übungen machen und damit Lärm erzeugen. Erste Handgreiflichkeiten. Die Situation droht zu eskalieren.

Hier wird eine Konfliktsituation zwischen ruhebedürftigen Erwachsenen und sportbegeisterten Jugendlichen in einer Großwohnanlage beschrieben. Wie kann der Konflikt zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen von Gemeinwesenarbeiterinnen bearbeitet werden?

gibt unterschiedliche Formen von Fällen, die unter dem Begriff fallbasierrangieren: Es gibt die abgelaufenen und gelösten Fälle, die nur noch nachzuvollziehen sind im Hinblick darauf, warum sie erfolgreich waren oder gescheitert sind. Diese „gebrauchten" Fälle (case histories) werden gern als Lehrbeispiele in der Wirtschaftswissenschaft oder zur Illustration in den Ingenieurwissenschaften genutzt. Dann gibt es die offenen Fälle wie den obigen, die dadurch, dass sie noch keine Lösung haben, dem explorativen oder problemlösenden Lernen nahekommen. Diese Fälle werden gern in den Rechtswissenschaften verwendet. Weitere Typen von Fallstudien siehe [http:/ /en. wikipedia.org/wiki/Case_study]. Es

tes Lernen

Das Fallbasierte Lernen hat eine längere Geschichte (siehe Merseth 1991), und es hat zwei besondere Ausprägungen erfahren: die Fallstudien-Methode, die auf wirtschaftswissenschaftlichem Gebiet bereits seit Anfang des letzten Jahrhunderts von der Harvard Business School praktiziert wurde98, und das problemorientierte Lernen (POL) in der Medizinausbildung seit Beginn der 70er Jahre Die sogenannte Harvard Case Method wurde international von .

98.

[http://harvardbusinessonline.hbsp.harvard.edu/b02/en/cases/cases_home. jhtml;jsessionid=Z0AG4SGOIGClWAKRGWDSELQ?_requestid=63780].

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

279

vielen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten übernommen, meist aber nur sporadisch. Es gab Übertragungen auf rechtswissenschaftliche Ausbildungsgänge, die sich in angelsächsischen Ländern gut für fallbasiertes Lernen eignen, weil das Recht dort Fallrecht ist (siehe die Sammlung der Stanford Law School ). Der maßgebliche Vertreter des fallbasierten Lernens in der Medizinausbildung ist H.S. Barrows (1985), der seine Ideen 1969 an der McMaster University (Hamilton, Ontario, Canada) verwirklichte. Seitdem gibt es mehr als zwanzig medizinischen Fakultäten in den USA, in Holland und Australien, die eine problemorientierte Medizinerausbildung eingeführt haben. Seit kurzem werden auch in Deutschland Ausbildungsgänge in der Medizin angeboten, die sich diesem Konzept verschrieben haben1 .

Der Beginn des Problemorientierten Leinens in der Medizin koinzidierte mit den Beginn der Informationstheorie und Allen Newells und Herbert Simons Idee vom „General Problem Solver" (1972), die den Beginn der Künstlichen Intelligenz markierte, mit dem Entwurf des Entdeckenden Lernens wenige Jahre vorher durch Jerome Bruner (1961) und der Entstehung der Forschung zum Problemlösen in der Psychologie (z.B. Dörner 1976). Zu dieser Gattung von fallbasierten und problemorientierten Unterrichtsmethoden und Lernformen gehört auch das von Roger Schank propagierte „case-based teaching" (s. Roger Schank & Chip Cleary 1995; s.a. Riesbeck 1996). Es ist nichts wesentlich Anderes, das neuerlich unter dem Stichwort „Investigative Case-Based

Learning" erscheint .

99. Eine hervorragende Sammlung von Erläuterungen, multimedialen Beispielen, Aufsätzen und Links findet sich auf Webseiten von VirginiaTec [http://www.ed-

tech.vt.edu/edtech/id/models/casebased.html].

100. [http://www.law.stanford.edu/casestudies/]. 101. Die Privathochschule Witten-Herdecke fing in Deutschland mit diesem Modell an. Inzwischen gibt es eine Reihe von Reformvorhaben, z.B. der Reformstudiengang der Berliner Charité an der Humboldt Universität [http://esc.charite.de/rsm/], an der Ruhr-Universität Bochum [http://www.ruhr-uni-bochum.de/rms/index.html], der Bund-Länder-Modellversuch „Problemorientiertes Lernen in der Mediziner-Ausbildung" des UKE der Universität Hamburg [http://www.uke.unihamburg.de/studiengaenge/modellstudiengang/index.php] sowie das Vorhaben HEICUMED der Universität Heidelberg. 102. Margaret A. Waterman, Southeast Missouri State University, und Ethel D. Stanley, Beloit College [http://www.bioquest.org/case99.html].

280

eLearning: Einsichten und Aussichten

Ich

gehe an dieser Stelle bewusst nicht auf so hervorragende multimediale Realisierungen des Problemorientierten Lernens ein wie das Programm Campus Pädiatrie (Campus Pädiatrie 2000), das ich einem Aufsatz (Schulmeister 2002) hinsichtlich der Realisierungsformen Problemorientierten Lernens analysiert habe. Ich wiederhole dies hier nicht, weil es mir darauf ankommt, einfache Lösungen vorzustellen, die einen wenig aufwändigen Einstieg ins Fallbasierte Lernen bieten. Beispiele genug findet man für alle Fachdisziplinen im Internet, wobei ich die Beurteilung der Qualität der dort gebrachten Beispiele den Fachwissenschaftlern überlassen muss. So finden sich Beispiele für das Fach Biologie [http://www.bioquest.org/flea.html], für Geowissenschaften

[http://serc.carleton.edu/introgeo/icbl/index.html] oder anderes [http://serc.carleton.edu/introgeo/icbl/Examples/index.html]. Recht narrativ beginnt ein Fallbeispiel aus der Ökologie zur Renaturalisierung eines Feuchtgebiets namens „Scenario Swampeast Missouri!" um mit den Fragen für die weitere Arbeit zu enden:

-

„Nate Eddleman had just graduated from college and become an ecological preservationist. Before beginning his new career he wanted to spend some time discovering his roots. He came to the Bootheel of Southeast Missouri to grow closer to his great-grandfather Sam and learn more about how Sam kept his family afloat during the Great Depression. While in the region, Nate also wanted to enjoy the outdoors and historical sites. He chose to camp at Lake Wappapello with his great-grandfather to enjoy his company and do some fishing. One evening, the two sat at the campfire and Grandpa shared some stories of helping to develop the region. Nate took notes:

Grandpa helped build the miles of channels and ditches to drain the region of swamps. The land was considered uninhabitable. Only Indians would come to the swamps seasonally to hunt the abundant animals and to fish. By then, railroads were being built and the cypress trees from these .useless' swamps strong and made excellent railroad ties. The trees were also used to build homes, such as the Hunter-Dawson home in New Madrid. were

Once the swamps were drained, they found that the soil was rich. More people began to settle in the region hoping to make a buck. Early, the land was practically given away, now it is one of the most agriculturally productive regions in the United States.

Grandpa also told about helping build the dam in the '40's to control flooding and create this beautiful lake. The recreation area helps the region economically. Many people are now building homes along the lake to ,get away from it all'.

281

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Of all that his great-grandfather said, what surprised Nate the most was to learn the area was once covered by swamps. He wondered how much of this swamp land was removed to develop the area. Nate felt very passionately about wetlands. While in college, Nate studied the hydrology of wetlands and how species depend on the changes in water level. He understood the value of wetlands. He loved his great-grandfather, but was disappointed at the destruction of the great swamp. But, then Nate realized that people didn't know about the value of wetlands to people and wildlife in his grandpa's day. Nate began to wonder how the great swamp might be restored. Can the dam down? How else could these swamps be brought back?"

Ein weiteres

Beispiel, auch noch relativ einfach herstellbar, Geowissenschaften, eine Karte, Text und ein paar Optionen:

we tear

stammt aus

den

In this exercise you will be asked to evaluate this area for newly proposed disposal site You will serve as the planning committee tor the local officials and will be asked to evaluate all of the important environmental and a

geologic factors of importance.

Abb. 89

Die Landkarte

Fallbeispiel in der Geologie und Ökologie

mehrere

geologische Schichten. Die Aufgabe besteht überprüfen, ob sie für die Einrichtung einer vorgeschlagenen Mülldeponie geeignet ist. Dazu werden die geologischen zeigt

darin, die Gegend daraufhin

zu

Schichten in der Karte markiert und weitere Informationen z.B. zum Grundzu menschlichen Faktoren, zur Topographie, zur Tektonik u.a.m. an-

wasser,

geboten.

282

eLeaming: Einsichten und Aussichten

The important lactors to consider are located to the right To evaluate each of them, click the associated button. You will then be asked to summarize the positive and negative aspects oí the site with regard to each category.

Abb. 90

Beispiel zur Geologie mit zusätzlichen Informationen

7.9 ,Multiple Views': Kritisches Denken, und Diversität im Lernen

Reflexion

„Multiple Views", mehrfache Perspektiven auf denselben Gegenstand, dasselbe Lernobjekt oder dasselbe Thema ist ein Prinzip, das mit konstruktivistischen Konzepten zum Lernen einhergeht, aber nicht unbedingt daran gebunden ist. Statt Perspektiven könnten wir auch Meinungen oder Sichtweisen sagen. Die Idee, die zu diesem Prinzip geführt hat, ist überzeugend: Der Lernende ist eher in der Lage, die mehrfachen Interpretationsmöglichkeiten eines geistesgeschichtlichen Gegenstands zu erfassen, wenn ihm von vornherein mehrere Meinungen oder Sichtweisen auf das Thema angeboten werden. Eine Applikation, die das Prinzip der ,multiple views' perfekt umgesetzt hat, ist PastPerfect, eine Geschichtsanwendung, die sowohl als Hypertext als auch in animierter Form (in Flash programmiert) im Internet angeboten wird. PastPerfect ist eine umfangreiche Sammlung von historischen Ereignissen, Informationen und Daten, Biographien und Erfindungen, Kultur und Kunst aus der Geschichte Europas zwischen 1492 und 1558 [http://www.pastperfect.at]:

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Abb. 91 Startseite

von

283

PastPerfect

PastPerfect hat 2004 den MedidaPrix Förderpreis und den Publikumspreis erhalten. Das am Institut für Geschichte der Universität Wien (Martin Brandauer; Wolfgang Schmale) entwickelte Programm setzt Geschichte und Geschichtswissenschaft in Hypertext um und animiert den Text in pseudodreidimensionalen Räumen mit Flash. Die multiplen Perspektiven werden durch Metadaten gesteuert und navigierbar gemacht. PastPerfect kennt vier verschiedene Sichten: •

Ereignisse



Kontexte



Rezeption



Reflexionen.

284

eLearning: Einsichten und Aussichten

Abb. 92 Die

Die

Ereignis-Sicht in PastPerfect: Eine geografische Karte

Abbildung zeigt die Sicht auf die historischen Ereignisse im Berichtszeit-

PastPerfect. Am rechten Rand des Bildes befindet sich eine steuerbare Windrose, mit der sich die einzelnen Jahre im fast hundertjährigen Zeitraum ansteuern lassen. Auf der Europakarte erscheinen kleine Icons für Städte und Orte, für die ein historisches Ereignis verzeichnet wurde. Der Bericht zu dem jeweils ausgewählten Ort, ein Stück Hypertext, erscheint am unteren Bildrand. Zusatzinformationen, wie hier die Biographie Maximilians I., sind links vom Text abrufbar. Die Reihe mit den kleinen Quadraten oberhalb des Textes enthält weitere Menüs mit Kategorien aus den Metadaten. Die Kästchen öffnen und schließen sich, wenn man mit der Maus darüber streicht: In diesem Beispiel sind zwei Kästchen offen: ,Medien' und .Politik'. Durch diese geografische Repräsentation verbindet PastPerfect geografische Information mit historischen Ereignissen, wobei letztere durch ihre Metadaten entsprechend kenntlich gemacht aus allen politischen, sozialen, religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen stammen. raum von

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Ereignest«

285

DDDDD

Zucht und Ordnung Gtralamo Cardano Kontext»

Egodokumente Individuum Zucht und Ordnung Giralamo Cardano Rezeption Zucht und Ordnung Reflexionan

frâmwçke*

und Mrasaraucri

Reform »tion und Transfer Protestantismus und Reform

VeHauf Such«

Rebellion und Ergebnis

f

ndividual¡sierungspro2Bí5 Seit Wilhelm Oilthey zieht die Geistes- und Ideengeschichte Selbstzeugnisse Kronzeugen nur "den" Individuatisierungsprozess heran, sodass die Geschichte der Autobiographie oft als Geschichte der Individuation schlechthin

gerne ais

verstanden wyrde. Historiker beschäftigen si* heute intensiver denn je mit dem (Se «bezüglichen Erkenntntswert von "Ego-Dokumenten", wobei sie z. B.die Thesen van

Sozialdlsziplinierun und Individualisierung miteinander in Beziehung Schwierigkeit in der Auswertung von Selbstzeugnissen liegt *, a. in

Setzen, Die

derDivergenz der Definitionen. ÍndívtduaütSt Heß sich an dem Hegeischen" _

Maßstab des

Reflexionsvermogens messen,derTexte von Gelehrten wie die Autobiographie "De propria vtta" {1575/1576)des Mailänder Arztes Giroiamo "

risZentrumdesgetstesgeschiditttchen Interesses rückte (z. B.Jacob Burci.hardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, I860: Georg Misch, Geschichte der Autobiographie, Bd. 4/2,1969; Richard van Dülrnen, Die Entdeckung des Cardano

Abb. 93 Die Kontexte-Sicht: Ein Rhizom

aus

Metadaten

Die Sicht mit den Kontexten besteht aus pseudo-dreidimensionalen Geraden, die sich im Raum schneiden. An den Geraden oder Strahlen hängen Begriffe wie Knoten in einem Hypertext. Es handelt sich um die Kategorien oder Metadaten, mit denen die Informationen in PastPerfect verschlagwortet wurden. Streicht man mit der Maus über einen der Begriffe, wird er hervorgehoben, wählt man einen der Begriffe aus, schiebt sich dieser Knoten in den Vordergrund, und es erscheinen weitere dem Begriff untergeordnete Metadaten. Die im Hintergrund stehenden Begriffe sind dagegen nur schwach erkennbar. Das bewegliche Gebilde besteht aus Strahlen, die ein Netz bilden. Es wirkt wie ein Rhizom. Auf diese Weise wird die Vielfalt der semantischen Perspektiven auf die historischen Daten erkennbar. So lassen sich zu denselben Ereignissen Informationen aus sozialer, politischer oder religiöser Sicht, aus der Perspektive der Kunst oder der Wissenschaft aufrufen.

286

eLearning: Einsichten und Aussichten

Abb. 94 PastPerfect: Zeitstrahlen für die

Rezeptionsge-

schichte: Chronologische Sicht

Rezeptionsgeschichte

Die Sicht zur Rezeptionsgeschichte nutzt ebenfalls eine dreidimensionale RePräsentation: Zeitstrahlen zeigen in die Tiefe. An ihnen hängen Begriffe mit Jahreszahlen. Die Zeitstrahlen können rauf und runter navigiert werden. Ausgewählte Knoten kommen nach vorn und die nachgeordneten Begriffe ordnen sich neu in den Zeitstrahl ein. Solche Anwendungen sind nun allerdings nicht einfach herzustellen, sie sind in Flash programmiert, die Darstellung ist komplett animiert. Aber das dahinter stehende Prinzip der ,Multiple Views' ist auf relativ einfache Weise realisierbar. In einer ersten Stufe kann man es durch Gegenüberstellen alternativer Texte realisieren, dann durch Verlinkung mit Unterstützung durch eine einfache webbasierte Hypertextumgebung und schließlich auch durch moderne Software-Autorenwerkzeuge wie den Wikis oder den WebLogs. Die Hypertextversion, die von PastPerfect ebenfalls angeboten wird, zeigt, worin das

287

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Grundprinzip besteht, macht aber zugleich den Mehrwert des grafischen signs und den Komfort der Flash-Version für den Benutzer deutlich:

De-

H fahriinripn flpc

Essays + 2«t kreuz ungen + + ¡ntro

RaflSKâ>nen ZMhreuiungen: Repräsentation und Anwesenheit Rot le.enen Zertkreui ungen: Sem an to-Grafio und Wahrneasfwrn Rollo mon en Zeitltreijíungen: Geschichte und Schrift

*nwesenhe«t + S*m»nlo Grafle und Wahr ne* s form ate + + Geschichte und Schrift + + Kuíurund Medium

ransdisziplinantat bind

Ci-hr-r.jfrr.ns

Reflexionan

f-sf-CH-D"?-!

Zeittoeuiungcn

Kultur und Medium

Aie kommen wir dahin': Navigation als Schlüssel Meta Medium

Roflo-onen Medcnohitosocjii»

I

«1_. Projetant itaroeitennne, aie

f+

Historiographie

* + Literatur

+ Wie kommen wir dahin?

+ Intro + + Metaphern jnd Analogien + + Orientierung und

StruWurier-urtg + Ersctllieiiung und avkjationshilren f + Navigation ah Schlüssel + + üteratur

Wide: Kognitiv & Konstruktivistisch V+!ntfo + + Pfad kl H ypertextdoku menton Reo ratent at ion. Wissen und .

as ta effect st Un ear* at Rhiiom & Masterplan Prcaess & Eigobnis Schneisen fcnks

Kollektiv

etwa Kultur, weaiei einer notwendigen Bedingung für die Erstellung des Hypertextes. Linear« Text«, das heißt wissenschaftliche Aufsätze, Habilitationsschriften, aber auch Romane und Erzählungen werden in der Regel von Einzelpersonen verfasst, da das Leitmotiv oder die Leitmotive vom Autor selbst bestimmt werden. Insofern gibt es bei der Redaktion von linearen Texten in der Regel keine Interdependenzen zwischen mehreren Verfasserinnen. Was die Delinearitat im Hypertext angeht, wird das Monopol «ine« Leitgedankens zugunsten einer Vielzahl möglicher Texte aufgehoben. Insofern war die Zusammenarbeit und der inhaltliche Austausch zwischen den Projektmitarbeiterinnen von enormer Bedeutung. Ohne diese, von Jakob Krameritsch koordinierte Zusammenarbeit ware die verlinkung der Textmasse gar nicht möglich gewesen. Infolgedessen musste sich das Redaktionsteam phasenweise wöchentlich treffen, um über den Verlauf der eigenen TeKtproduktion zu berichten. Individuelle Kreativität, welche für die Abfassung der „Ereignisschtlderungen" notwendig war, wurde durch die Kreativität der Gruppe ergänzt, indem nicht nur Verlinkungen angeregt wurden, sondern „thematische Schneisen" innerhalb der Schlagzeilenebene eingeführt wurden. Individuelle Kreativität wurde so zum Baustein für die kollektive Entwicklung dea Hypertextes. rur anaere

Rubriken

Gender, Politik (u. a.) verantwortlich waren, wurde

+ Inue + AssoiKBion + Medien kan peten*

Hypertext

wie zu

king Cognitive Science und CognAnre

sen svermitt

++

Putting things togetne'

Das reale Daiwiscncn i- Reaktat 1. < Realität 2. i-

Drnienskxiierungen Positionierungen

Realität 3 Vergegenwartiç,jng

I- Medien I.

Erweiterungen

Abb. 95 PastPerfect: Die

Hypertext-Ansicht

PastPerfect kann als

probater Typus einer Lernumgebung gelten, die Wissen komplexen geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Kontexten in angemessener Weise zu präsentieren vermag. Diese Technik ist geeignet, schwierige Domänen, in denen es um das Erlernen des historischen und kritischen Denkens geht, für eLearning zu präparieren.

aus

7.10

Sequenzierung der Inhalte

Fragen stellen, Aufgaben erteilen und Medien nutzen ist nicht alles, was man tun kann, um einem Lernprogramm aus didaktischer Sicht zum Erfolg zu verhelfen. Ein Lernprogramm besteht in der Regel aus mehreren Kapiteln, Abschnitten, Seiten und einzelnen Lernobjekten. Wie diese aufeinander folgen, das ergibt einen Sinn oder auch nicht in jedem Fall ist die Sequenz eine nicht umgehbare Voraussetzung für die am Lernprozess orientierte Repräsen-

288

eLearning: Einsichten und Aussichten

tation der Inhalte. Die Abfolge der Inhalte kann helfen, die Motivation zu fördern, die Lernvoraussetzungen auszugleichen, Definitionen einzuführen, einen Lernprozess einzuleiten und zu strukturieren, Problembewusstsein zu erzeugen und Perspektiven aufzureißen etc. Eine solche Sequenzierung bedarf verständlicherweise einiger Überlegung.

Konzepte für die Abfolge der Inhalte werden durch folgende Überlegungen gestützt: Es mag notwendig sein, die Studierenden eingangs mit Überlegungen zum •

Sinn des Tuns

zu konfrontieren, die Sinnhaftigkeit der Auswahl der nachInhalte zu begründen. Ein derartiges Diskurselement als Einleifolgenden kann die Motivation der Studierenden ansprechen und ihr tung beim Lernen stützen. Engagement









einigen Fällen wird die Motivation durch innerwissenschaftliche Begründungen erreicht, in anderen Fällen mag es sinnvoll sein, den PraxisbeIn

zug zu erläutern, um die Studierenden für ein Stück Theorie zu erwärmen. Dies kann in einigen Fällen über die Erläuterung der Lernziele erreicht werden, die eine Art Orientierung im Wissensraum gewährleisten. Häufig stellt sich an solcher Weiche die Frage: Beginne ich mit einer Aussage, einer These? Oder bringe ich zuerst ein Beispiel, das es allen ermöglicht, sich in das Thema einzufinden? Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn der Lernprozess am Beginn einer neuen Sequenz steht, aus der Frage, mit welchen Lernvoraussetzungen ich als Autor rechnen kann. Woran kann ich anknüpfen? Welche Besonderheiten auf Seiten der Lernenden muss ich berücksichtigen? Dabei spielt häufig eine Rolle, dass ich es nicht mit einer homogenen Gruppe von Lernenden zu tun habe, sondern dass die Studierenden unterschiedliche Erfahrungen, Neigungen und verschiedenes Lernverhalten mitbringen. Diese Diversität muss ich in irgendeiner Weise berücksichtigen und ansprechen. Das kann auch dadurch geschehen, dass ich einen Teil des Inhalts redundant mit verschiedenen Mitteln darstelle, z.B. durch Visualisierung oder grafische Veranschaulichung. Erst dann mag ein größerer Teil der Inhalte kommen, beispielsweise in der noch klassisch anmutenden Reihenfolge Definition, Anwendung, Übung oder aber in der für das Entdeckende Lernen besser geeigneten Sequenz:

Rätsel, Hinweise, Lösungsprozess, Rückmeldung, Interpretation der Er-

gebnisse.

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

289

Eine solche

Sequenz mag abgerundet werden durch einen Vorausblick auf das Kapitel („advanced organizer" nach Ausubel 1963), der eine klare Orientierung gewährleistet, und durch eine abschließende Zusammenfassung („coda"), die das Lernergebnis betont. Das daraus sich ergebende Modell einer Unterrichtssequenz ähnelt dem von Reiser und Gagné (1983) und Gagné (1965) entwickelten Instruktionsmodell, das die Unterrichtssequenz in neun Unterrichtsschritte unterteilt. Ein solches Modell ist pragmatisch brauchbar, ohne dass man sich so auf ein bestimmtes Instruktionsmodell festlegen muss: 1. Aufmerksamkeit erlangen und aufrecht erhalten 2. Lernende über die Lernziele informieren 3. Die Erinnerung an frühere Lernerfahrungen wach rufen 4. Das Lernmaterial präsentieren 5. Die Lernenden unterstützen 6. Die Lernenden das Gelernte anwenden lassen 7. Informatives Feedback anbieten 8. Den Lernfortschritt evaluieren 9. Behalten und Transfer unterstützen Klassische

Sequenzmodelle der Didaktik

Damit sind wir erstaunlicherweise zurück bei einem der ganz alten „Väter" des Instruktionsdesigns gelandet. Aber offensichtlich können wir immer noch von ihm und anderen lernen, wenn es um das Design von Instruktion geht. Hubert

Meyer hat in seinem Buch „Unterrichtsmethoden" (1994) didaktische Sequenzmodelle von Herbart, Rein, Grell, Heinrich Roth, Klingberg, Scheller und Galperin beschrieben. Sehr übersichtlich ist die Darstellung der Sequenzmodelle bei Andreas Auinger und Christian Stary (2005: 99ffi, s. Abbildungen 9 und 10, S. 102-103; s.a. Meyer und Jank 2002). Ich führe hier nur die Modelle

von

Wilhelm Rein, Jochen und Monika Grell und Heinrich Roth auf:

Phasen

Rein

Grell

Roth

Einlei-

Vorbereitung Darbietung

Stimmung Informierender Einstieg Informationsinput

Motivation

tung

Tab. 35

Schwierigkeiten

Sequenzmodelle für Unterrichtshandlungen

290

eLearning: Einsichten und Aussichten

Phasen

Rein

Grell

Roth

Hauptteil

Verknüpfung

Lernaufgaben Selbständig arbeiten

Lösung

Zusammen-

fassung

Tun und Ausführen

Auslöschungsphase Schluss

Anwendung

Tab. 35

Wenn

Weiterverarbeitung

Behalten und Einüben

Auswertung

Bewährung und Integration

Sequenzmodelle für Unterrichtshandlungen

eine

Sequenzierung wie die von Wilhelm Rein betrachtet (Vorbereitung, Darbietung, Verknüpfung, Zusammenfassung, Anwendung), dann erkennt man darin einen expositorischen Unterricht, in dem Wissen angeboten, verknüpft und durch Anwendung verfestigt werden soll. Es fehlen in einem man

solchen Modell die sozialen Variablen wie Motivation und Interesse und kognitionspsychologischer Sicht die Einbettung des Wissens in Kontexte tuierte Kognition) usw. Wählt

aus

(si-

das Sequenzmodell von Heinrich Roth (Motivation, Schwierigkeiten, Lösung, Tun und Ausführen, Behalten und Einüben, Bewährung und Integration), dann scheint dieses Modell einem problemorientierten Unterricht zu ähneln, der motivieren will, aber doch die Routinisierung der erworbenen Fähigkeiten durch Wiederholung und Übung nicht übersieht. man

hingegen

Wieder einen anderen Blick erhält man, wenn man das Modell von Jochen Grell wählt (Stimmung, informierender Einstieg, Informationsinput, Lernaufgabe, Selbständig arbeiten, Auslöschungsphase, Weiterverarbeitung, Auswertung). Bei den Grells geht es erst sehr expositorisch los, es gibt einen Informationsinput. Dann verteilen sie Lernaufgaben, die selbständig zu bearbeiten sind. Wissenstransfermodelle und didaktisches

Arrangement

Schon durch diese kurze Charakterisierung der drei Modelle, die den Autoren sicherlich nicht gerecht wird, wird deutlich, dass hinter der Abfolge von Unterrichtsphasen lerntheoretisch begründbare Lernmodelle stecken. Ging es den genannten Autoren Rein, Grell und Roth sowie Hubert Meyer noch um die Sequenzierung von Unterrichtsphasen und -handlungen, so spielt für Andreas Auinger und Christian Stary (2005), die aus den referierten Modellen ein eige-

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLeaming

291

synthetisieren (S. 118f.), eher eine Rolle, dass diese Stufen- und Phasenschemata „eine der Grundlagen für den didaktikgeleiteten Wissenstransfer" bilden können (S. 124). Diese Schemata können ebenso gut für die Sequenzierung von Wissensobjekten oder für das zeitliche Arrangement des Unterrichtsstoffes in Lernumgebungen genutzt werden. nes

7.11 Lernmodelle Schwerer zu realisieren als die in diesem Kapitel beschriebenen Unterrichtsmethoden sind relativ homogene didaktische Lernmodelle wie das Entdeckende Lernen, Fallstudien oder das Problemorientierte Lernen (Schulmeister 2002). Wer sich vor Augen führt, wie hoch der Aufwand gewesen sein mag, derart komplexe Lernsysteme wie Campus Pädiatrie [http:// www.neuemedien.uni-hd.de/2000/projekt_2.b.html] oder den MethodenlehreBaukasten [http://www.methodenlehre-baukasten.de] zu entwickeln, dem mag die Umsetzung solcher Ideen im Rahmen eines normalen Hochschullehrer-Alltags unmöglich erscheinen. Es gibt aber durchaus günstige Wege, ansprechende didaktische Anwendungen auf einfache Weise als Kombination von Lernplattform und Präsenzseminar umzusetzen. Was verstehe ich unter Lernmodell? Gemeint sind nicht die Lerntheorien der pädagogischen Psychologie. Gemeint ist schon so etwas wie eine Beschreibung von Unterricht, die auf bestimmte lern theoretische Ansätze zurückzuführen ist. Diese Beschreibung gibt dem Unterricht eine Gestalt, etwas Geschlossenes, womit das Modell sofort identifiziert werden kann. So ist der Programmierte Unterricht eine Unterrichtsform, -gestalt, -méthode, die sich dem Behaviorismus verdankt, während das Entdeckende Lernen der kognitiven Psychologie und ihrer Lerntheorie entstammt. In diesen Fällen ist die Zuordnung klar, weil die Autoren oder Urheber sowohl der Lernpsychologie als auch des Lernmodells bekannt sind. Nicht alle Modelle sind so klar zuzuordnen, so beispielsweise die klassische Instruktion oder das mehr als Slogan bekannte Modell des Learning by Doing (Üben). Manche Modelle können in der tatsächlichen Durchführung so differieren, dass sie verschiedenen Lerntheorien zuzuordnen wären, man denke nur an die vielen Varianten des fallbasierten Lernens (case history, worked-out example; Renkl, Stark et al 1998). Bei der Auswahl der vorgestellten Modelle sieht sich jeder Hochschullehrer vor die Aufgabe gestellt, sich für die mit dem Lernmodell vererbte Lerntheorie zu entscheiden.

292

eLearning: Einsichten und Aussichten

Klassifikation von Lernmodellen

Was können alles gangbare Lernmodelle sein, die jedem Hochschullehrer zur Verfügung stehen? Die Diskussion seit Mitte der 80er Jahre hat einige interessante neue Konzepte geboren. Viele dieser Konzepte oder Modelle sind an anderer Stelle gründlicher diskutiert worden (s. Schulmeister 1997, S. 79ff; Meyer und Jank 2002). Ich versuche mal ein paar dieser Lernmodelle zu beschreiben, obwohl in der hier gebotenen Kürze die Gefahr liegt, dass die Beschreibungen zu einfach und zu billig geraten.

University of Melbourne nennt Lernmodelle „Pedagogical Designs" [http://mettleweb.unimelb.edu.au/guide/pedagogy5.html] und führt als solche auf: Problem-Based Learning, Critical Incident-Based Computer Supported Collaborative Learning, Goal-Based (Scenario-Based) Learning, Learning by Designing, Web-Based Role-Play Simulation und Case-Based Teaching and Learning. Ein Katalog, der seine Herkunft von Roger Schank verrät. Die

Gabi Reinmann (2005) führt einen interessanten neuen Weg der Unterscheidung und Klassifikation von Lernmodellen ein. Sie gruppiert die Lernmodelle in Modelle des Instruktionsdesigns und des Kontextdesigns:

Modelle des Instruktionsdesigns

Programmierte Unterweisung Instruktionstheorie

Expositorisches Lehren Elaborationstheorie

Component Display-Theorie Modelle des Kontextdesigns

Entdeckendes Lernen

Cognitive Apprenticeship Anchored Instruction Lernen in

Lernzyklen

Goal-based Scenarios Tab. 36 Lernmodelle nach Reinmann (2005)

Die

Unterscheidung dieser beiden Modellarten geht auf die von Gabi Reindiskutierten Lernparadigmen zurück (S. 145ff). So fallen die ersten fünf Modelle unter die Kategorie der Systeme, die der „Steuerungslogik behavioristischer und kognitivistischer Ansätze" folgen (S. 166), während die zweiten fünf Lernmodelle dem „Ermöglichungsdenken konstruktivistischer Absätze" zugerechnet werden (S. 169). mann

293

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Diese Unterscheidung geht auf lerntheoretische Paradigmen zurück, die vorher eingeführt wurden. So zählen sowohl die behavioristischen als auch die kognitivistischen Ansätze methodologisch zu einer Sorte von Theorien, die einer Art technologischem Imperativs folgen, die empirische und experimentelle Methoden nutzen, die in gewisser Weise (das gilt nicht immer für die Kognitionspsychologie!) Methoden zielorientierten Planens in Anspruch nehmen: „Man kann also von einer Steuerungslogik oder von einem Denken in Engineering-Prinzipien' sprechen, die trotz aller Unterschiede zwischen Behaviorismus und Kognitivismus dem Verständnis von Lernen und Lehren in beiden Paradigmen zugrundeliegen." (S. 166) -

-

Instruktionsmodelle versus Lernmodeile

Folglich ist der gemeinsame Nenner die Instruktion, daher der Begriff ,Instruktionsdesign', während bei den konstruktivistischen Ansätzen die aktiven Konstruktionsprozesse der Lernenden die Grundlage bilden, auf denen die Lehrarrangements der Lehrenden aufsetzen: „Statt einer Steuerungslogik wird ein Denken praktiziert, das die Ermöglichung von Lernen in den Vordergrund stellt [...]; man könnte auch von einem Denken in ,Empowerment-Prinzipien' (versus Engineering-Prinzipien) sprechen." (S. 169). Die Lehrenden arrangieren den Kontext des Lernens, daher der Begriff Kontextdesign. Diese Gruppierung ist eine alternative diskussionswürdige Variante in der Diskussion um Lernmodelle, die allerdings recht streitbar ist: Handelt es sich bei den ersten fünf Modellen denn wirklich um Lernmodelle? Mir scheint, dass wir es zumindest bei der Instruktionstheorie (hier beruft Gabi Reinmann sich auf Robert M. Gagné), der Elaborationstheorie von Charles Reigeluth (s. Schulmeister 2002, S. 122) und der Component Display von Merrill (s. Schulmeister 2002, S. 120ff.) um Ansätze oder Methoden für das Design von Lernmodellen zu tun haben, also um Metamodelle, nicht aber um Lernmodelle selbst, so dass der Programmierte Unterricht nach Skinner und das Expositorische Lehren nach Ausubel methodologisch gesehen nicht auf der gleichen Stufe mit den anderen Beispielen stehen104. Die Aufstellung ist exemplarisch und nicht erschöpfend gemeint. Einige Lernkonzepte sind in

Theory103

103. Ich erinnere an meine Bemerkungen in Fußnote 69 Seite 164.

zum

Theoriestatus amerikanischer

104. Beim Entdeckenden Lernen, das auf Bruner zurückgeht, würde ich die

Konzepte

Zuordnung Gruppe der konstruktivistischen Lernmodelle bezweifeln, denn das „discovery learning" hat Bruner gerade in der Phase der 60er Jahre propagiert, in der die kognitive Psychologie in den USA auf Fachkongressen eingeleitet wurde. Zur Unterscheidung von Entdeckendem Lernen und Forschendem Lernen siehe zur

zweiten

Schulmeister (2002).

294

eLearning: Einsichten und Aussichten

dieser Klassifikation schwer unter zu bringen, beispielsweise das Lernen durch Simulation oder das Problemorientierte Lernen. Eine andere, nicht als systematische Ordnung gedachte, Beschreibung von Lernmodellen aus einer ganz anderen Perspektive heraus bietet Roger Schank in seinen Buch „Engines for Education" (1995). Er diskutiert nacheinander: Learning by Doing, Incidental Learning, Learning by Reflection, Case-Based Teaching, Learning by Exploring und Goal-Directed Learning. Die genannten Begriffe bezeichnen wiederum Gruppen von Lernmodellen. So ist seine Kategorie ,Learning by Doing' eine ganz allgemeine Metapher für teilweise recht unterschiedliche Lernmodelle, unter denen auch alle Formen des Lernens durch Simulation (und Übung) verstanden werden. Lehrende stehen bei jeder Unterrichtsentscheidung, ob reflektiert oder nicht, vor der Frage, für welches Instruktionsmodell oder welches Lernmodell sie sich entscheiden sollen: Vielfach wird die Entscheidung für ein Lehrmodell nach der Zahl der Teilnehmer getroffen, in etwa so: „Lehre für große Gruppen Instruktionsmodell, Lehre in kleinen Gruppen = Lernkonzept". Die Entscheidung muss nicht zwangsläufig so ausfallen, es sprechen allerdings deutliche ökonomische Gründe für sie. Auch Effizienzgründe scheinen dafür zu sprechen, nur leider nicht die Effizienz aus der Perspektive der Lernenden. eLearning im Sinne von Blended Learning ist aber nur eingeschränkt und nur in ganz bestimmten Formen etwas für große Gruppen. Die tutorielle Begleitung der Lernprozesse und die Moderation der Kommunikationsprozesse vertragen keine großen Gruppen. Recht häufig wird die Entscheidung für ein Lehrmodell nach dem methodologischen Status des Wissens getroffen, d.h. für das gut systematisierbare Wissen zweckrationaler Wissenschaften wird ein expositorisches Modell oder Instruktionsmodell gewählt, für das schlecht systematisierbare Wissen der hermeneutischen Wissenschaften ein eher diskursives Lernkonzept. Auch hier gilt: Die Entscheidung muss nicht zwangsläufig so ausfallen. Eine Kongruenz von Lehrmodell und Wissenssorte ist nicht zwingend. Auch in zweckrational verfahrenden Wissenschaftsbereichen sind explorative Lernmethoden sinnvoll und anwendbar. =

7.12 Unterrichtsmethoden Was sind Unterrichtsmethoden?

Was habe ich in diesem Kapitel eigentlich behandelt? Ich habe ein Kaleidoskop an sogenannten Unterrichtsmethoden vorgestellt, die im klassischen Schulunterricht gut bekannt sind, weniger im Hochschulunterricht, die relativ

295

Niedrigschwelliger Einstieg ins eLearning

Aufwand bedeuten, aber dennoch selten genutzt werden. Unterrichtsmethoden sind nicht die Lernmodelle oder Lernkonzepte des vorigen Abschnitts. Methoden werden innerhalb dieser Modelle eingesetzt, um Phasen im Lernprozess methodisch zu arrangieren. Methoden sind strategische Handlungen des Dozenten, die sicherstellen sollen, dass die Handlungen (i.d.R. Denkhandlungen) der Studierenden

wenig



in einem Rahmen stattfinden, der durch Zeit, Ort und Aufwand

begrenzt

ist, •

an

bestimmten Lernzielen und einem definierten

sind, •



Lernoutput

orientiert

innerhalb eines Kontextes ablaufen, der einen niedrigen oder hohen Grad an Lernfreiheit oder Lernerkontrolle gewährt, einen bestimmten, für den jeweiligen Kontext gewünschten lerntheoretischen Charakter annehmen (problemorientiert, fallbasiert, entdeckend,

übend). Methoden haben eine unterschiedliche Extension und Intension: Sie haben eine unterschiedliche Reichweite (Extension), denn sie können einen erheblichen oder geringen Teil der aktuellen Lehrveranstaltung abdecken, einen großen oder kleinen Umfang an Lernzielen ansprechen usw. Methoden haben einen mit dem Kontext variierenden Inhalt und Charakter (Intension), denn sie sind lerntheoretisch nicht gebunden und können demnach in unterschiedlichen Lernmodellen Einsatz finden, die lerntheoretisch eindeutig oder mehrdeutig sind. Ihre lerntheoretische Ausrichtung erhalten Methoden durch den Kontext, in dem sie eingesetzt werden. So kann beispielsweise die Methode .Fragen stellen' in einer reinen Übung einen eher behavioristischen Charakter annehmen, in einer problemorientierten Gruppenarbeit jedoch konstruktivistische Lernprozesse unterstützen. So kann das Nachvollziehen von Fallbeispielen, deren Lösung aus der Geschichte bekannt ist, lern theoretisch andere Gestalt annehmen, als das Lösen von Fallbeispielen, deren Ausgang unbekannt ist.

Anhang: Der SAT

In der IT gibt es Nullen und Einsen. Raten Sie mal, wer uns lieber ist.

McKinsey & Company105

Vorbemerkung Wer den elitären Anspruch erhebt, es nur mit Einsen zu tun haben zu wollen, der sollte mehr von IT verstehen als der Spruch verrät, denn dem Computer sind Einsen und Nullen gleich viel wert, ohne Nullen wäre er kein Computer. Im ersten

Kapitel

war

mehrfach die Rede

vom

amerikanischen Studienein-

gangstest, dem SAT

(Scholastic Aptitude Test; gesprochen es-ei-ti:) [http:// www.collegeboard.com/]) oder dem ACT [http://www.act.org/]. Um den dortigen Kontext durch Exkurse nicht zu sehr zu zerfleddern, hatte ich versprochen, die angedeuteten Informationen im Anhang nachzuliefern. Das will ich nun tun. Aufgrund der Quellenlage konzentriere ich mich auf den SAT und gehe abschließend

nur

kurz auf den ACT ein.

McKinsey & Company sich selbst als „die Nummer eins in der Topmanagement-Beratung". Aus: McK Wissen 15, 4. Jg Dezember 2005, S. 110.

105. Dabei bezeichnet

298

eLearning: Einsichten und Aussichten

Abb. 96

Eingang zum Testzentrum

Die erste Hürde, die studierwillige Amerikaner auf sich nehmen müssen, sind die Studieneingangstests. Der SAT wird siebenmal im Jahr, immer am ersten Sonnabend der Monate Oktober, November, Dezember, Januar, März, Mai und Juni, exakt von 9 bis 12 Uhr abgehalten. Jedes Jahr stellen sich über zwei Millionen Studienanfänger dieser Prüfung, die über ihr weiteres Schicksal entscheidet.

Der SAT Zwei Institutionen betreuen den SAT. Verbreitung, Propaganda und Organisation übernimmt der Verein College Board („not-for-profit membership association"). Testentwicklung und Berechnung der Daten und Werte (scores) der Studienbewerber führt der Educational Testing Service (ETS; [http:// www.ets.org/]) durch, ebenfalls eine „private, nonprofit organization". Der SAT besteht aus zwei Teilen: Mathematische und Verbale Fähigkeiten. Den SAT gibt es inzwischen auch für verschiedene Ausrichtungen. So gibt es beispielsweise einen LSAT, einen SAT für Law, für Studienbewerber um ein Studium der Rechtswissenschaft. Seit 2005 gibt es den New SAT, den neuen SAT, der einen zusätzlichen experimentellen Part beinhaltet und deshalb mehr Zeit beansprucht. Die Geschichte des SAT wird recht ausführlich in Wikipedia dokumentiert und in den Dokumenten bei frontline [http://www.pbs.org/

299

Anhang: Der SAT

und http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontInzwischen arbeitet das College Board auch an Fachline/shows/sats/test/]. tests und Sprachtests. Die neue Version heißt ,SAT Reasoning Test', sie dauert eine dreiviertel Stunde länger, ein Teil der Fragen sind Testfragen, die nicht gewertet werden, welche, weiß der Proband aber nicht. Das heißt, das College Board testet mit jedem Test neue Items für die nächsten Tests kostenlos, indem sie in den Test Probe-Items hereinnimmt, die die Prüfungszeit um eine halbe Stunde verlängern, die aber nicht gewertet werden. Ich beschränke mich im Folgenden aber auf die ältere Version, da die meisten kritischen Stimmen und Dokumente sich ebenfalls darauf beziehen.

wgbh/pages/frontline/shows/sats/

Der SAT wird in sieben Abschnitten vom Testleiter pünktlich aufgerufen: Abschnitt

absolviert;

zu

jedem der Abschnitte wird

Thema

Minuten

Fähigkeiten Verbale Fähigkeiten

30

Mathematik

30

Mathematik

30

Test

Items

30

Fähigkeiten

15

Verbale

neuer

Verbale

Mathematik Tab. 37

Testphasen

30

15

beim SAT

Die Phasen werden nicht immer in der obigen Reihenfolge aufgerufen. Die Phase, „Test neuer Items" wird den Prüflingen gegenüber nicht als solche kenntlich gemacht, die Ergebnisse werden aber nicht zur Berechnung des Gesamtwerts herangezogen. Nach jedem Abschnitt wird der Prüfling angehalten, seine Ergebnisse zu überprüfen, darf dabei aber stets nur den einen Abschnitt

zurückgehen. Die Verteilung der Fragetypen auf die verschiedenen Abschnitte ist normiert. Verbale Fähigkeiten werden über 78 Fragen ermittelt: 40 werden als Test der kritischen Lesefähigkeit betrachtet, 19 testen das Vermögen, Analogien zu erkennen und weitere 19 sind Satzergänzungsaufgaben. Alle Fragetypen sind der Form nach Multiple Choice mit 5 Antwortmöglichkeiten. Im MathematikAbschnitt gibt es 60 Aufgaben, für die Multiple Choice-Antworten vorgegeben sind, darunter sind 44 Aufgaben aus Arithmetik und Algebra und 14 aus Geometrie.

300

eLearning: Einsichten und Aussichten

Der SAT ist

aus der Tradition der IQ-Tests heraus entstanden. Claude Steele, Professor für Sozialpsychologie der University of Stanford, berichtet im Interview mit frontline, dem kritischen Fernsehmagazin [http://www.pbs.org/

wgbh/pages/frontline/shows/sats/interviews/steele.html]:

a sense an IQ test. The SAT and IQ test correlate very highly. Betthe SAT and the IQ, they correlate almost as much as the SAT correlates with a second administration of the SAT, as much as it correlates with itself. So they're very similar tests in content."

„It is in ween

Eine ganze Reihe von Institutionen engagieren sich rund um den SAT, um Profit zu machen, indem sie Trainingsmaterialien und Schulungen anbieten, oder um das „Booming Test Prep Business" und die „national obsession with the SAT" politisch zu kritisieren wie der bereits erwähnte Fernsehsender frontline [http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/sats/], der FeatureSendungen und zahlreiche Interviews mit Experten zu Fragen der Rassendiskriminierung im SAT anbietet. Wissenschaftlich intensiv setzt sich das Institut FairTest, The National Center for Fair & Open Testing [http://www.fairtest.org/] mit dem SAT auseinander, das in seiner Programmatik formuliert:

„The National Center for Fair & Open Testing (FairTest) works to end the misuses

and flaws of standardized

testing

and to

ensure

that evaluation of stu-

dents, teachers and schools is fair, open, valid and educationally beneficial. We place special emphasis on eliminating the racial, class, gender, and cultural barriers to equal opportunity posed by standardized tests, and preventing their damage to the quality of education."

Ausschnitte

aus

einem

SAT-Testbogen

Ich denke, dass sich eine Kritik am SAT besser liest, wenn man einmal einen Test selbst gesehen hat. Im folgenden gebe ich einige Seiten aus einem neueren SAT Reasoning Test wieder, und zwar die Einleitung, die erste und die letzte Seite eines von mehreren Mathematik-Teilen und die erste Seite und eine weitere Seite eines von mehreren verbalen Testteilen:

301

Anhang: Der SAT

YOUR NAME (PRINT) FIRST TEST CENTER NUMBER

SAT

Reasoning

NAME OF TEST CENTER

Test



General Directions

Timing • •

• • •



ROOM NUMBER

IMPORTANT: Tne codes below

You wil have 3 hours and 45 minutes to work on this test. There are ten separately timed sections: One 25-minute essay > Six other 25-minute sections ti* Two 20-mtnute sections * One 10-minute section You may work on only one section at a time. The supervisor will tell you when to begin and end each section. If you finish a section before time is called, check your work on that section. You may NOT turn to any other section. Work as rapidly as you can without losing accuracy. Don't waste time on questions that seem too difficult for you.

are

unique to your

book. Copy them on your answer sheet in boxes fj and 9 and till In the corresponding circle» exactly a ahown. test

m

P

TEST FORM

II you cant eliminate any choice, move on. You can return to the quest ion later if there i s time. For a wrong answer toa student-produced response ("gnd-in") math question, you don't lose any points. The essay Is scored on a 1 to 6 scale by two different readers. The total essay score is the sum of the two readers' scores. An off-topic or blank essay wit) recorve a score of zero.

©

The paaeegea for this teal have been adapted from published materia) The Idees contain«! in them do not necessarüy represent the opinions of College Board or Educational Testing Service

the

DO NOT OPEN THIS BOOK UNTIL THE SUPERVISOR TELLS YOU TO DO SO. Abb. 97

Nach der Einleitung

Einleitung des SAT

folgen Seiten mit Form Codes für die Antworten.

302

eLearning: Einsichten und Aussichten

2

D D

D D D 2

ssssasrSECTION 2 25 minutes

Tune 18

Questions



Turn to Section 2

(page 4) of your answer sheet to answer the questions In this section.

Directions: This section contain» two types of questions. You have 25 minutes to complete both types. For question* 1-8, solve on the answer sheet. You may

each problem and decide which is the best of the choices given. Fill in the corresponding circle use any available space for scratchwork.

1 The use of j calculator is permitted. 2. All numbers used are real numbers. 3. Figure» that MeanpHty problems in this test are intended to pruvide information useful in solving the problems. They are drawn as accurately as possible kXCfcPT when u is Mated in a specific problem thai the figure is not drawn to scale. All figure* He in .i plane unies« otherwise Indicated, 4 I nlcss mhcrwi« specified, the domain of any function ( Is assumed to be the sel of all real numbers for which /itI j» a real number. •

GúAaS'tkJ A-UT'

r:«u3 + i3

VaKr*lt

C'lur

Special Kighi Inaoglc*.

The number (tí degng« of art in a tírete is Val,

Ihc m «il ihc

L If Mt

+

a) + 3

measures in

-

1«. then

degree* itf ihc ansien ill a mangle ii

mil.

r + «

(A) 3 (Bl 4

(C) S (DI 6

(E) 7

Note 2. In ihc

If/

Figure not drawn to scale.

figure above, three lines intersect at a point.

-

85 and c

=

25. svhal

is

the value of

a

?

(A) 60 (Bl 65 (O 70

(D) 75 (E) 85

v>

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Abb. 98 Erste Seite eines Mathematiktests im SAT

Die Mathematikteile im SAT variieren zwischen Arithmetik und Geometrie.

303

Anhang: Der SAT

D D D 2

2 D D D 15. For what

positive number is the squaic root of the same as the number divided by 40 1

number the

l!5 ^^

4

2 u

2 4

6 8 10

Number of Ptila 17. The graph above shows the amount of water

remaining m .i tank each time a pail was used to remove x gallons of water. If 5 gallon« were in the tank originally and 2— gallons remained after the lost pail containing is the value of

i

x

gallon« was removed, what

?

16. In rectangle ABDF above, C and E arc midpoints of sides BD and DF. respectively. What fraction of the Area of the rectangle is shaded?

IS. If 0 £ is

x

S y and ix +

the least

y)2

possible value of

yf

(i y

-

?

a

25, what

-

STOP If you finish before time It called, you may chock your work on this »action Do not bum to any othar faction In the te*t.

Abb. 99 Letzte Seite des Mathematikteils im SAT mit

only.

geometrischen Problemen

304

eLearning: Einsichten und Aussichten

Hl

i'i'iii'.j



(§)

WM

3

SECTION 3 25 minutes

rime

IVi Questions —

Turn to Section 3 (page 4) of your answer sheet to answer the Directions: For each question in this section, select the best circle on the answer she«. sentences test correctness and effectiveness of expression. Part of each sentence or the entire sentence is underlined: beneath each semence are five ways of phrasing the underlined material Choice A repeats the original phrasing: the other four choices are different. If you think the ongnul phrasing produces a better sentence than any of the alternatives, select choice A. if not, select one of the other chokes.

The following

making your selection, follow the requirements of standard written English: that is. pay attention to grammar. choice of wards, sentence construction, and punctuation. In

Your selection should result in the most effective sentence—clear and precise, without awkwardness

or

ambiguity.

Laura Ingalls Wilder published her first book was

questions in this section.

from among the choices given 2,

a

I fill in

meeoiTcspondúi_

Many ancient Eastern rulers favored drinking vessels made of celadon porcelain bç__.?ç ol supposedly reveal inn the presence of poison by cracking. (A) because of supposedly revealing the presence of poison

(Bl for being supposed that it would reveal the presence

of poison

(C > because of being supposed

to reveal

poison in it i L>> for it was supposed to reveal that there is poison (E) because it was supposed to leveal the presence of poison

i. John believes that plants respond to human attention, whu-h cans«, hi», talking to his African violets every

night.

EXAMPLE: and she

answer

sixty-five

years

old then

(Ai and she was sixty-five years old then tB) when she was sixty-five

((_ age sixty-live years old (Dt upon the reaching of sixty-five years E) at the time when she was sixty-five

attention, which causes bis talking iBl attention and talking is what is done

(A)

(C) attention and his talks

(D) attention: for this reason has been his talking « E> attention: he therefore talks

at

,

4. All the demands on soprano Kathleen Battle for

operatic performances, solo concerts, and special guest appear-jinn's irmpling hrrto sing too r»fteii and training

CLiuJ--- NLKav was a native of Jamaica who spent most of his life in the United State* hut writing some of bis poems in the Jamaican dialect.

I. The

poet

(Ai The poet Claude McKay was a nauve of Jamaica who spent most of his life in the United States iBi

hut writing Being that he was a Jamaican who spent

most of his life in the United States, the poet Claude McKay writing Although a native of Jamaica, the poet Claude McKay spent most of his life is the United States, he wrote lD) Although the poet Claude McKay spent most of his life in the United States, he

her voice.

(Al appearances, tempting her to sing

too often

and

straining

Bi appearances not only tempt her to sing too often plus they strain (C) appearances tempts her not only into singing too often buttben she strains CD) appearances, tempting her into singing too often and she therefore strains i Ei appearances tempt her to sing too often and strain i

(Ci

was a

native of Jamaica and wrote

(El Because he was a native of Jamaica who spent most of his life in the United States, the poet Claude McKay writing

>

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Abb. 100 Erste Seite der verbalen Tests im SAT

Die Aufgaben im verbalen Teil variieren recht stark. Um das zu illustrieren gebe ich einen weiteren Ausschnitt mit einem zweiten Aufgabentyp wieder:

Anhang: Der SAT

305

yn«uit!ijru»d cgppiiyi m mm nt any p*rt d Ihn (Mg* i> «•$«!

The

following sentences test your ability to recognise

grammar and usage a

Each sentencecontains either

errors.

single error or no error at all. No sentence contain« more

15.

Twenty-five years many

after Alex

Haley's Rûoti

stimulate

people

to

B

research their family histories,

new

C

technology bas been developed to make the task

written English.

easier. No error

EXAMPLE

D

delegate« and

him

immediately BC accepted the resolution drafted by the neutral

3 A

than one error. The error, if there is one, is underlined and lettered. If the sentence contains an error, select the one underlined pan that must be changed to make the sentence correct. If the sentence is correct select choice E. In choosing answers, follow the requirements of standard

The other A

3

«tale«.

16. For months the press had praised Thatcher's

handling

of the international crisis, and editorial view« changed A quickly when the domestic economy worsened B D C No error

D

No error

E

©e®®©

.

12. The ambassador was entertained lavish

by

A

Hartwrighl, whosecompany B

a

monetary

C

interest in the industrial D new

has

development of the

country. No error

E 13. Among the discoveries made possible by A B the invention of the telescope they found that C D dark spots existed on the Sun in varying numbers. No error

Experiments natural

arts

college

has decided A

all students

to

study C

at

least one

requiring B

non-European

D

No error

have shown that human skin provides A B

protection against a surprising targe

C number of infectious bacteria. No error D E 18. In the aggressive society created

by William Gol ding

A

in Lord of du Flits, both Ralph and Jack emerge

early on

as the leader of the lost boys. No error BCD E

19. More than

14. This liberal

language.

17.

forty years

have passed since

A of a million people marched on in

an

attempt

to secure

civil

a

quarter

B

Washington. D.C.,

rights for Black

C D Americans. No error

B

P

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Abb. 101 Zweiter

Aufgabentyp im verbalen Teil des SAT

Der dritte Aufgabentyp besteht darin, dass eine Geschichte erzählt wird (z.B. das Klonen von Schafen), zu der 4-6 Fragen mit vorgegebenen Antworten (ebenfalls multiple choice) gestellt werden, um das korrekte Verständnis der Aussagen und Zusammenhänge in der Geschichte zu überprüfen.

306

eLearning: Einsichten und Aussichten

Kritik am SAT Der SAT ist trainierbar, und er wird trainiert, beginnend mit 12jährigen, die sich wöchentlich zu einem der entsprechenden Kurse begeben. Ein untrügliches Anzeichen für die Lernbarkeit ist die Beobachtung, dass der durchschnittliche SAT-Wert in den USA seit Beginn der 80er Jahre um 31 Punkte, in einigen Staaten der USA sogar um über 50 Punkte gestiegen ist [http://

www.evsc.kl2.in.us/evscinfo/psych/satscors.htm].

Abb. 102 Käuflich erhältliche

Vorbereitungssoftware für den SAT

Üben des SAT ist überall erhältlich, siehe [http://www.studentmarket.com/studentmarket/satsoftware.html]. Für die Trainingskurse haDie Software

zum

spezielle Firmen wie Kaplan, Inc. oder Princeton Review herausgebildet, aber „While Kaplan Educational Centers and the Princeton Review are the two largest SAT prep companies in the country, they're not the only ones" (frontline). Auch die National Association of Secondary School Principals vertreibt Trainingsmaterial. Im Fall von SAT ist das Material wenigstens preiswert. Im Fall von ACT, dessen Firma selbst Trainingsmaterial zu ben sich

ihren Tests anbietet, kostet das Material frontline weitere Informationen:

um

500$. Auch hierzu finden sich bei

„Millions of students have spent millions of dollars preparing for the SAT, and the growing variety of programs and price tags show no sign of letting

Programs range from night courses in high school gymnasiums priced individual tutors some charging as much as $500 an hour." up.

to

high-

-

Der SAT ist nicht geschlechtsneutral, er hat einen sogenannten „gender bias", wie FairTest [http://www.fairtest.org/index.htm], das National Center for Fair & Open Testing, herausstellt:

Anhang: Der SAT

307

earn higher grades throughout both high school and college, they consistently receive lower scores on the exam than do their male counterparts. In 2001, females averaged 35 points lower than males on the Math section of the test, and 3 points lower on the Verbal section."

„Yet, despite the fact that females

Diese

Benachteiligung „persists across all other demographic characteristics, including family income, parental education, grade point average, course work, rank in class, size of high school, size of city, etc." [http://www.fairtest.org/univ/newsatfact.htm] Was misst der SAT und wie gut misst er es? Er soll die Studieneignung messen und soll sich als Prädiktor für Studienerfolg eignen. Letzteres leistet er laut Aussage selbst der Hersteller des Tests, des College Boards, aber nur eingeschränkt auf das erste Studienjahr, das bekanntlich noch eine Art Schulbildung oder Studium Generale vermittelt. Der SAT

zeigt auch kulturabhängige Schieflagen, kein Wunder, bei den sprachlichen Anteilen, in denen kulturelle Inhalte und an soziale Schichten ge-

bundene Inhalte vorkommen. Dass auf diese Weise auch ethnische Minoritäten benachteiligt werden, ist mehrfach nachgewiesen worden.

ACT ACT ist ein

Akronym für die ursprüngliche, aber anscheinend aufgegebene Bezeichnung American College Testing Program Assessment [http:// www.act.org/aap/]. Dem SAT ist im ACT ein starker Konkurrent erwachsen. Einige Colleges sind zur Konkurrenz übergegangen. Es scheint mir allerdings fraglich, ab man schon sagen kann: „The ACT is America's most widely accepted college entrance exam." (Reklame von der ACT Website) Test versucht, vier Kompetenzen zu erfassen: Englisch, Lesen und Mathematik, Naturwissenschaften. Und es gibt einen optionalen der die Schreibtest, Fähigkeit überprüfen soll, ob man einen kurzen Aufsatz und schreiben kann. komponieren

Der

multiple-choice

Der ACT wird an sechs Terminen pro Jahr angeboten. Die Auswertung nimmt ACT selbst vor. ACT verfügt über mehr als 220 ACT-Zentren in den Staaten,

308

eLearning: Einsichten und Aussichten

in denen die Tests stattfinden. Die Zentren bieten auch Lernsoftware für das Trainieren der gewünschten Kompetenzen an. Unter der Überschrift „The ACT: Biased, Inaccurate, Coachable, and Misused" hat das FairTest Institut eine vernichtende Kritik am ACT veröffentlicht [http://www.fairtest.org/facts/act.html]. Auch der ACT hat eine (etwas geringere als beim SAT) Benachteiligung der jungen Frauen zur Folge, auch er ist trainierbar. ACT selbst verkauft Trainingsmaterialien für den Test und verdient auf diese Weise doppelt.

Die Schiefe des Tests geht sogar noch weiter: Weiße und Reiche werden bevorteilt, Schwarze benachteiligt, wie FairTest kritisiert: „ACT scores are directly related to family income: the richer students' parents are, the higher are average scores. But score gaps between groups on the ACT cannot be explained away solely by differences in educational opportunity linked to social class. According to ACT research, when all factors are equal,

such as course work, grades and family income, Whites still outscore all other groups." [http://www.fairtest.org/facts/act.html]

Ich hatte im zweiten Kapitel zur Diversität der Studierenden darauf hingewiesen, dass die Leistungen der Studierenden asiatischer Herkunft die aller anderen Studierenden in den Schatten stellen. Um so erstaunlicher ist es, dass sich das Leistungsprofil der asiatischen Studierenden im ACT nicht niederschlägt:

„If the ACT

were not biased, Asian Americans, who take more academic than any other group, would likely score even higher. Moreover, boys score slightly higher than girls across all races, despite boys' lower grades in high school and college when matched for identical courses." (ebda)

courses

Konsequenzen Kürzlich wurde von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie berichtet, dass sich eine eigens eingesetzte Kommission für die Entwicklung eines standardisierten Testverfahrens zur Erfassung allgemeiner und spezifischer Studierfähigkeit ausgesprochen hat, obwohl bekannt ist, dass das Abitur immer noch der beste Prädiktor für Studienerfolg ist, Versuche mit der Auswahl durch Gespräche kein besseres Ergebnis erbracht haben und der Personalaufwand für die Hochschulen kaum vertretbar ist (Werner Hoffacker 2004; Hartmut Hinneberg 2004; Dirk Lewin 2004; Irene Lischka 2004):

Anhang: Der SAT

309

„Mittel- und langfristig ist es das Ziel der Kommission, Studierfähigkeitstests zu

entwickeln, die neben allgemeinen, fachunspezifischen Komponenten

spezifische Module enthalten. Mit diesen Testmodulen soll erfasst werden, wie gut ein Bewerber oder eine Bewerberin den Anforderungen eines Studienfachs genügt." [http://www.dgps.de/dgps/kommissionen/stausauch mehrere

wahl/001.php4] Wir sollten uns in Acht nehmen, mit dem Bachelor nicht auch andere Unsitten der amerikanischen Bildungspolitik zu übernehmen. In einem Nachsatz schreibt die Kommission: „Die Kommission regt zudem an, die Studierendenauswahl durch Verfahren für die Beratung von Studierenden in Form eines ,Self-Assessment' zu ergänzen, die Studierenden eine fundiertere persönliche Entscheidung für ein Studienfach ermöglichen." Mit den Verfahren für die Beratung von Studierenden in Form eines „Self-Assessment" lässt die Kommission ein Türchen offen für Projekte wie das in Hamburg geförderte HEAP-

Projekt [Hochschul-E-Assessment-Projekt; hh.de/projekte.htm]:

http://www.studienkompass-

HEAP: Hochschul-E-Assessment-Project www.studienkompass-hh.de Die aktuellen HEAP-Projekte 9 über heap

Inhaltlich

liegt der Schwerpunkt von HEAP im Aufbau von Studleninfbrmation und in der Evaluation Informationssystems für Studiengange aus den Bereichen Betriebswirtschaft, Maschinenbau, Psychologie sowie weiterer technischer Studiengange an der

eines interaktiven webbasierten TUHH.

j 4^ Impressum j

Systemtechnisch wird

im Rahmen des Projektes eine fachbereichsübergreifende, webbasierte Oberfiache entwickelt auf Grundlage einer kommerziellen Standardsoftware zum ContentManagement System mit entsprechenden Erweiterungen für das e-assessment. Auf bequeme Handhabbarkeit und einfachen fachbereichspezifischen Anpassbarkert sowie auf Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit wird besonderer Wert gelegt.

Zu den Webseiten der

HEAP-Pilotprojekte gelangen Sie über die folgenden Links:

Hamburg: Psychologie Sie hier, um zur Projektseite zu gelangen

Universität

Klicken

Universität Hamburg: Wirtschaftswissenschaften Die Projektseite wird zur Zeit überarbeitet. TU

Hamburg-Harburg:

Kücken Sie

hier,

um zur

Informatik

Projektseite zu gelangen

HAW Hamburg: Maschinenbau und Produktion geplanter Start: Sommersemester 2006, Projektseite folgt

Abb. 103

Homepage des HEAP-Projekts

eLearning: Einsichten und Aussichten

310

Das

HEAP-Projekt ist ein Beratungssystem, das Studienbewerber über die Be-

rufsfelder, die Forschung und das Profil eines Faches aufklärt sowie über die

Lernkultur und das Studium informiert. Es werden Aufgaben angeboten, an denen die Bewerber sich versuchen können, um besser beurteilen zu können, ob sie dieses Studienfach wirklich wollen. Durch die Aufgaben werden sie auch über die Rolle der Mathematik in der Psychologie und über den Stellenwert guter Englischkenntnisse informiert.

Fachbereich Hon»

lUnkft £

Psychologie

Hilf« | Kontakt | Impressum j FB16

Herzlich Willkommen! Wiftkommen

Sie haben wahrscheinlich davon gehört seltdlesem Jahr dürfen sich die Hochschulen Ihre Studierenden selbst aussuchen. Darum soll es In diesem OnllneStudienkompass nicht gehen!

Worum geht es? Aufbau

Sysiemvorau ssetzu ngen Navigation

Wir möchten Ihnen hier wichige Informationen über das Psychologiestudium In Hamburg geben, damit Sie selbst eine fundierte Entscheidung treffen können, ob Sie sich bewerben. Was das genau heißt, erfahren Sie auf den folgenden Selten. Bitte lesen Sie sich vor ailem die Seite über die Systemvoraussetzungen gründlich duch.

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