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German Pages 142 [152] Year 1949
E I N F Ü H R U N G I N DIE
MAXWELLSCHE
THEORIE
DER E L E K T R I Z I T Ä T U N D DES M A G N E T I S M U S VON
DR. C L E M E N S
SCHAEFER
o. ö. Professor der Physik an der Universität Köln
FÜNFTE VERBESSERTE M I T 33
AUFLAGE
TEXTFIGUREN
19 4 9
W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . vormals G. J. Göschen'sdie Verlagshandlung
•
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung
Georg Reimer • Karl J. Trübner « Veit & Comp.
B E R L I N W 35
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Walter de Gruyter &. Co., Berlin W 35 vorm. G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J.T rübner
• Veit & Comp.
Archiv-Nr. 52 68 49 - Printed in Germany Mandruck München Theodor Dietz
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Erschienen
in: Sammlung
mathematisdi-physikalischer
Lehrbücher)
D e r A u f f o r d e r u n g des Herausgebers dieser Sammlung, eine E i n f ü h r u n g in die Maxwellsche Theorie der Elektrizität u n d des Magnetismus zu schreiben, b i n ich zunächst nicht o h n e Bedenken, schließlich aber d o c h guten Mutes gefolgt. D e n n ich bin in der Tat der Ü b e r z e u g u n g , d a ß trotz der g r o ß e n A n z a h l h e r v o r r a g e n d e r Lehrbücher ü b e r diese T h e o r i e ein Buch, welches eine möglichst einfache E i n f ü h r u n g in die G r u n d l a g e n gibt, nicht über» flüssig ist; das ist wenigstens die E r f a h r u n g , die mich meine akademische Lehrtätigkeit h a t machen lassen. D e m g e m ä ß h a b e ich mich bemüht, mit d e n einfachsten Mitteln eine möglichst durchsichtige D a r s t e l l u n g des Farady*Maxwellschen G e d a n k e n « kreises zu geben. Die zum V e r s t ä n d n i s n o t w e n d i g e n mathematischen Vor* kenntnisse sind auf ein M i n i m u m reduziert. So h a b e ich auf die B e n u t z u n g d e r Symbole der Vektoranalysis verzichtet, weil ich deren K e n n t n i s in dem Kreise, a n d e n sich diese Schrift wendet, nicht allgemein voraussetzen d u r f t e ; ebenso h a b e ich die Greenschen Sätze u n d Stokes' T h e o r e m unter* d r ü c k t u n d die Eindeutigkeitsbeweise fortgelassen. W a s d a d u r c h an Strenge etwa v e r l o r e n ging, h o f f e ich an Anschaulichkeit g e w o n n e n zu h a b e n . Die D a r s t e l l u n g zerfällt in f ü n f Kapitel. Das erste b e h a n d e l t die elektro* statischen P h ä n o m e n e , das zweite die Gesetze d e r Magnetostatik. I n d e n Kapiteln III u n d I V (Elektromagnetismus u n d I n d u k t i o n ) dringt die Dar» Stellung zu d e n allgemeinen Maxwellschen G l e i c h u n g e n v o r ; im f ü n f t e n Kapitel endlich w e r d e n sie auf die f ü r die Maxwellsche Theorie charakte« ristischen P h ä n o m e n e , die elektrischen W e l l e n in Isolatoren u n d Leitern angewendet, u n t e r b e s o n d e r e r Berücksichtigung der elektromagnetischen Lichttheorie. F ü r die W a h l dieser Reihenfolge, die einigermaßen mit der historischen Entwicklung übereinstimmt, waren mir lediglich G r ü n d e didaktischer u n d pädagogischer N a t u r m a ß g e b e n d ; sie bestimmten mich insbesondere, die H e r l e i t u n g d e r magnetischen F e l d g r ö ß e n an das Feld p e r m a n e n t e r Magnete, statt a n das Feld elektrischer Ströme anzuschließen. W e n n es auch keinem Zweifel unterliegt, d a ß f ü r d e n Systematiker der zweite W e g der empfehlens* wertere ist, so habe ich doch anderseits die Ü b e r z e u g u n g , d a ß die hier gewählte Darstellung, die ja f r ü h e r allgemein üblich war, anschaulicher ist.
Vorwort zur 4. Auflage Die 4. Auflage erscheint in etwas verändertem äußeren Gewände; dagegen habe ich an der grundsätzlichen Haltung des Buches nichts geändert. Inner* halb dieses Rahmens habe ich mich bemüht, die Darstellung zu verbessern, klarer zu gestalten und von überflüssigen Fremdwörtern zu befreien. Etwas (ausführlicher als bisher bin ich an den geeigneten Stellen auf die elektrischen Einheiten eingegangen; entsprechend der durch die Quantentheorie ver* änderten Wissenschaftslage wurden die Ausführungen über den Gültigkeits* bereich der Maxwellschen Theorie anders gefaßt. Herr Studienrat Dr. W . Klieforth hat eine Korrektur mitgelesen, Herr Studienreferendar G. Röhr die Zeichnungen angefertigt. Beiden Herren bin ich für ihre hingebende Unterstützung sehr zu Dank verbunden. Breslau,
im Oktober 1940
Schaefer
Vorwort zur 5. Auflage Die fünfte Auflage ist ein fast unveränderter Abdruck der vierten. K ö l n , im Sommer 1919 Schaefer
Herrn
Geheimen dem in Verehrung
Hofrat
Prof.
Lehrer
und
und
Dankbarkeit
Dr.
Lothar
Heffter
Freunde gewidmet
Inhaltsverzeichnis Seite
I. Elektrostatik 1. Grundtatsachen
und
2. Fluidumshypothese
3. Coulombisches Gesetz 4. Fernkräfte
oder
Bezeichnungen
der .
3
.
4
Nahekräfte
5. Das elektrische
Feld punktförmiger
6. Der
Satz
Gaußsche
1
Elektrizität
6 Ladungen
8 11
7. Anwendung des Gaußschen Satzes
13
8. Potential; zweites Feldgesetz für die elektrische Kraft
16
9. Kraftlinien; Äquipotentialflächen; hydrodynamische Analogie .
.
10. Anwendungen
21 25
11. Homogenes Dielektrikum; wahre und freie Elektrizität
. . . .
12. Inhomogenes Dielektrikum
29 33
13. Die Energie des elektrostatischen Feldes und die ponderomoto« rischen
Kräfte
37 II. Magnetostatik
14. Grundtatsachen und Bezeichnungen
41
15. Coulombsches Gesetz im Vakuum
43
16. Das magnetische Feld im Vakuum
45
17. Das magnetische Feld in magnetisierbaren Medien
46
18. Kraftlinien; Induktionslinien; Äquipotentialflächen
50
III. Magnetfeld des elektrischen Stromes 19. Grundtatsachen
und
Bezeichnungen
51
20. Das Magnetfeld eines linearen Stromes
53
21. Ableitung des ersten Tripels der Maxwellschen Gleichungen . 22. Das Vektorpotential; Biot«Savartsches Gesetz; Kraft auf ein Stromelement. Anwendungen
.
56
ponderomotorische 59
Inhaltsverzeichnis 23. Der Verschiebungsstrom; die Maxwellschen Gleichungen für einen Halbleiter 24. Das Ohmsche und das Joulesche Gesetz 25. Elektrostatisches und elektromagnetisches Maßsystem
Seite
65 67 70
IV. Induktion 26. Grundtatsachen und Bezeichnungen 27. Lenzsche Regel; Faradaysches Gesetz 28. Zweites Tripel der Maxwellschen Gleichungen
72 73 77
29. Der Poyntingsche Satz 30. Induktionswirkungen zweier Stromkreise; Selbstinduktion . . . .
80 84
31. Spezielle quasistationäre Vorgänge
88
V. Elektrische Wellen 32. Die allgemeinen Grundbedingungen der Maxwellschen Theorie . . 33. Elektromagnetische Störungen in homogenen Isolatoren . . . . 34. Elektromagnetische Lichttheorie
100 103 109
35. Theorie der Reflexion und Brechung elektromagnetischer Wellen an Isolatoren 36. Elektromagnetische Wellen in Metallen 37. Elektromagnetisches Modell einer Lichtquelle 38. Schluß Sachregister
114 123 130 136 139
I. Elektrostatik 1. Grundtatsachen und Bezeichnungen. Durch Reibung aneinander können zwei verschiedene Körper in einen eigentümlichen Zustand versetzt werden, der sie befähigt, andere leichte Partikelcher} (Papierschnitzel, Korkfeile usw.) zunächst anzuziehen und nach erfolgter Berührung wieder abzustoßen. Man sagt dann, die geriebenen Körper seien „elektrisiert" oder „ e l e k t r i s c h g e l a d e n " . Man kann sämtliche Körper in dieser Weise behandeln und sie nach ihrem Verhalten in zwei Klassen teilen. Die eiste' Klasse ist dadurch charakterisiert, daß es keiner besonderen Vorsichtsmaßregeln bedarf, um sie in den „elektrischen" Zustand zu versetzen. Man kann die dieser Gruppe angehörigen Körper z. B. einfach dadurch elektrisieren, daß man sie in die Hände nimmt und aneinander reibt. Auch können sie dabei in direkter Verbindung mit der Erde sein. Zu diesen Substanzen gehören Paraffin, Hartgummi, Glas, Harz, Bernstein, Seide usw. Wollte man bei der zweiten Klasse ebenso primitiv verfahren, wie vorhin beschrieben, so könnte man leicht zu dem Schlüsse kommen, daß diese Körper durch Reibung n i c h t elektrisiert werden können. In der Tat hat es langer Zeit bedurft, bis man die Bedingungen erkannte, unter denen die Metalle, welche die hervorragendsten Repräsentanten dieser Körperklasse sind, überhaupt elektrisch werden können. G r a y fand im Jahre 1727, daß die Metalle weder mit dem menschlichen Körper noch mit der Erde in Verbindung sein dürfen, sondern von ihnen durch Körper der e r s t e n Klasse getrennt sein müssen. Will man also zwei Metallstäbe in der oben beschriebenen Weise elektrisieren, so müssen sie e t w a mit Handgriffen aus Glas versehen werden. Dies beruht darauf, daß eine d i r e k t e oder durch den menschlichen Körper vermittelte Berührung mit der Erde den e l e k t r i s c h e n Z u s t a n d der Metalle vernichtet. Die3 geschieht allerdings auch bei den Körpern erster Klasse, jedoch mit einem sehr wesentlichen Unterschiede. Ein Metall braucht nur an einer einzigen Stelle mit der Erde in Kontakt gebracht zu werden, um sofort in seiner g a n z e n A u s d e h n u n g u n e l e k t r i s c h zu werden; dagegen verlieren die Körper erster Klasse ihren elektrischen Zustand nur an den Stellen, die mit der Erde in Berührung sind, während er ihnen an den anderen, wenn auch dicht benachbarten Stellen erhalten bleibt. In engstem Zusammenhange damit steht die fernere Tatsache, daß Metalle, wenn sie unter den eben angeführten Vorsichtsmaßregeln auch nur an einer Stelle aneinander gerieben werden, sofort in ihrer ganzen Ausdehnung elektrisch werden, während ein der ersten Gruppe zugehöriger Körper n u r an den g e r i e b e n e n Stellen die Fähigkeit besitzt, andere unclektrische Körper anzuziehen. Man drückt diesen Sachverhalt dadurch aus, daß man den Körpern zweiter Klasse, insbesondere also den Metallen, das Vermögen zuschreibt, den durch Reibung hervorgerufenen elektrischen Zustand von den geriebenen Stellen zu allen anderen S c h a e f c r , Maxwcllsche Theorie.
1
2
I. Elektrostatik
Punkten des betreffenden Körpers fortzuleiten, während man den Körpern erster Klasse diese Eigenschaft abspricht. Die Körper erster Klasse heißen deshalb Nichtleiter oder Isolatoren, die der zweiten Leiter. Da der menschliche Körper zu den Leitern gehört, ist es klar, weshalb ein Metall auch gegen diesen vermittels eines Nichtlieters isoliert sein muß; die auf demselben durch Reibung erzeugte elektrische Ladung würde durch das Metall selbst sowie durch den menschlichen Körper zur Erde abgeleitet und damit der geriebene Leiter wieder unelektrisch werden. Wir wollen jetzt folgende Versuche vornehmen: Es werden zwei Körper A und B aneinander gerieben und dadurch elektrisiert. Man findet dann stets, daß zwischen ihnen anziehende Kräfte wirken. Wir nehmen nun feinen Körper aus dem nämlichen Material wie A, den wir deshalb A1 nennen wollen, und reiben ihn mit B. Wir finden in Übereinstimmung mit dem oben ausgesprochenen Erfahrungssatze Anziehung zwischen A1 und B. Ersetzen wir ebenso B durch einen gleichartigen Körper B1, so wird auch er, nachdem er durch Reibung mit A (oder mit A1) elektrisiert ist, von A (oder A1) angezogen. Dagegen wirken zwischen A und A1 sowohl, als auch zwischen B und B1 abstoßende Kräfte. Nun sind aber A und AS einerseits, B und B1 anderseits einander völlig gleichartig. Man muß also annehmen, daß A und A1 durch Reibung an B (oder B1) völlig gleichmäßig affiziert werden; das gleiche gilt von B und B1 nach Reibung mit A (oder A1). Man nennt daher auch A im Vergleich mit A1, B mit Bezug auf B1 gleichartig elektrisiert, A (oder A1) im Verhältnis zu B (oder B1) ungleichartig elektrisiert. Man erhält also den E r f a h r u n g s s a t z , der sich stets bestätigt hat: „Gleichartig elektrisierte Körper stoßen sich ab, ungleichartig elektrisierte ziehen sich an". Das Experiment hat z. B. ergeben, daß ein Glasstab, mit Leder gerieben, sich gegenüber einer Harzstange (mit einem Katzenfell gerieben) ungleichartig verhält. Daraus folgt natürlich, daß auch Glas zu Leder, Harz zum Katzenfell, sowie endlich Leder zum Katzenfell sich ungleichartig verhalten, während die anderen Kombinationen gleichartig elektrisiert sind (z. B. Glas zum Katzenfell usw.). Zu diesen Tatsachen tritt ferner noch die fundamentale Erfahrung hinzu, daß die durch Reibung zweier heterogener Körper entstehenden ungleichartigen Elektrisierungen gleich stark sind, d. h. daß ein elektrisierter Körper, der z. B. von einer geriebenen Glasstange unter bestimmten Umständen mit einer bestimmten Kraft abgestoßen wird, unter eben denselben Umständen von dem Leder, mit dem der Glasstab elektrisiert wurde, mit gleicher Kraft angezogen wird. Daß dieser Versuch sich in der beschriebenen Weise schwerlich exakt ausführen läßt und in' praxi durch eine andere Anordnung ersetzt werden muß, ist für uns hier gleichgültig, da es uns nur darauf ankommt, auf möglichst einfache Weise zu den Grundtatsachen zu gelangen. Wir machen ferner folgenden Versuch: Wir nehmen einen hohlen metallischen Konduktor, dessen Oberfläche mit einer kleinen Öffnung versehen ist. Durch dieselbe führen wir, ohne den Konduktor zu berühren, eine kleine elektrisch geladene Metallkugel ein, natürlich an isolierendem Griff. Stellen wir nun, während die geladene Kugel sich im Innern befindet, für einen Moment Verbindung derselben
Fluidumshypotliese der Elektrizität
3
mit dem umgebenden Hohlkörper her und ziehen erstere dann heraus, so zeigt sich, daß sie i h r e n e l e k t r i s c h e n Z u s t a n d v ö l l i g v e r l o r e n h a t ; dieser i s t v i e l m e h r auf den H o h l k o n d u k t o r ü b e r g e g a n g e n . Da im Moment der Berührung Kugel und Hohlkonduktor einen einzigen Leiter bilden, folgt aus diesem Versuche, d a ß die E l e k t r i s i e r u n g von M e t a l l e n sich s t e t s an der äußeren Oberfläche befindet. Begeben wir uns umgekehrt mit einer elektrisch geladenen Probekugel ins Innere des geladenen Konduktors, d i e s m a l a b e r , o h n e B e r ü h r u n g e i n t r e t e n zu lassen, so zeigt sich das merkwürdige Resultat, daß auf die Probeladung kein e r l e i anziehende noch abstoßende Kräfte wirken: Im I n n e r n v o n M e t a l l e n w i r k e n also keine e l e k t r i s c h e n K r ä f t e . 2. F l u i d u m s h y p o t l i e s e der E l e k t r i z i t ä t . Es ist dem menschlichen Geiste eigen, für jede Wirkung ein Substrat zu suchen, und er ist nicht eher befriedigt, als bis dies gelungen ist. Dieses Bestreben hat dazu gefühlt, die durch Reibung erzeugten Kräfte als Wirkungen eines Agens anzusehen, das durch den Elektrisierungsprozeß irgendwie auf die geriebenen Körper geschafft wird. Dieses Agens, das man sich als eine gewichtslose Flüssigkeit, ein Fluidum, gedacht hat, hat man mit dem Namen E l e k t r i z i t ä t belegt. Um dem z w i e f a c h e n Charakter der Elektrisierung Rechnung zu tragen, kann man auf zwei verschiedene Weisen verfahren. Man stellt sich bei dem ersten Erklärungsversuch auf den Standpunkt, daß in allen u n e l e k t r i s c h e n Körpern ein ganz bestimmtes Quantum dieses Agens aufgespeichert sei; durch den Prozeß der Reibung gehe dann von dem einen geriebenen Körper auf den andern eine gewisse Menge Agens hinüber, so daß der letztere ein P l u s an Elektrizität, der erstere ein ebenso großes Minus an ihr habe. Diese Anschauung kommt mit der Annahme eines Fluidums aus; sie wird als u n i t a r i s c h e Hypothese bezeichnet und ist zuerst von B e n j a m i n F r a n k l i n begründet worden. Nach der zweiten Anschauung nimmt man zwei Agentien an, die man als „Glaselektrizität" (oder + Elektrizität) und als Harzelektrizität (— Elektrizität) bezeichnet. Ein unelektrischer Körper enthält danach von beiden Elektrizitäten gleiche Quantitäten; durch den Elektrisieningsprozeß geht auf den einen Körper positive, auf den andern ein gleiches Quantum negativer Elektrizität über. Diese d u a l i s t i s c h e Hypothese leistet genau dasselbe wie die unitarische, und eine Entscheidung zwischen ihnen ist deshalb nicht möglich, aber auch nicht notwendig. Obwohl die Fluidumshypotliese uns über das Wesen der Erscheinung nichts aussagt, ist sie doch äußerst bequem, um die Erscheinung kurz und knapp zu beschreiben. Auch wir wollen uns deshalb der Ausdrucksweise dieser Hypothese ruhig bedienen, ohne uns auf ihre Richtigkeit festzulegen. Die im ersten Paragraphen beschriebenen Fundamentaltatsachen lassen sich in dieser Ausdrucksweise folgendermaßen wiedergeben: 1. Werden zwei verschiedene Körper aneinander gerieben, so erhält der eine von ihnen ebensoviel positive Elektrizität wie der andere negative. 2. Auf den Isolatoren haftet die Elektrizität an den geriebenen Stellen fest, auf den L e i t e r n verbreitet sie sich über den ganzen Körper. 3. Gleichnamige Elektrizitäten stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. 1*
I. Elektrostatik
4
Die Sätze 2. und 3. erklären leicht den Umstand, daß die Elektrizität auf den Metallen sich an die Oberfläche begibt: die Abstoßung bewirkt eine möglichst großen Entfernung der auf einem Metall befindlichen Elektrizitätsmengen voneinander. 3. Coulombsches Gesetz. Es liegt uns nun ob, die zwischen elektrisierten Körpern wirkenden Kräfte zu untersuchen und das Wirkungsgesetz aufzufinden. Coulomb hat diese Aufgabe für einen speziellen, gleich zu besprechenden Fall gelöst. Wir wollen zwei sehr kleine Körper (1) und (2) elektrisieren und dann im leeren Räume in eine solche Entfernung r bringen, daß wir die Dimensionen der Körper gegen r vernachlässigen, d. h. sie als P u n k t e betrachten dürfen. Durch sorgfältige Versuche hat nun Coulomb gezeigt, daß die Kräfte 2 umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung sind, in Zeichen also: (a)
»1.. =
^ .
wobei d l t 2 den von dem elektrischen Zustande beider Körper abhängenden Proportionalitätsfaktor bedeutet. Ersetzt man den Körper (2) durch einen ebenso behandelten (3), so hat man: (b) Das Verhältnis
= —— wird also im allgemeinen von dem Zustande »1,3 aller drei Körper (1), (2), (3) abhängig sein. Ersetzen wir nun den Körper (1) durch einen Körper (4), so folgen zwei (a) und (b) analoge Gleichungen: 2
: ^
3
(c)
"«.s — "TT—
(d)
=
a. = -4--2 wird im allgemeinen von (2), (3), (4) abhängig sein. a 3 i, s Allein das Experiment zeigt, daß die Verhältnisse einfacher liegen. Denn man findet die Verhältnisse Oj2 a,2 a 82 °m2 Das Verhältnis
— . °13
— . 43
— . 53
•••
a
—
mi alle einander gleich, d. h. unabhängig von den Eigenschaften desjenigen Körpers, dessen Index im Zähler und Nenner vorkommt. Da aber Zähler und Nenner für sich in hohem Maße von den Eigenschaften dieses Körpers abhängen, so ist das Resultat nur dadurch zu erklären, daß durch die Division sich der Einfluß desselben fortgehoben hat. D. h. in o l l 2 ist der Einfluß des Körpers 1 als F a k t o r enthalten; natürlich gilt dasselbe vom Einfluß des Körpers 2. Wir können also setzen: (e)
a
T~»], oder, im absoluten Maßsystem, d. h. in gr, cm, sec ausgedrückt: Mabs = [Sf v ' cm'/« sec"1]; >) in Worten: Die (elektrostatische) E i n h e i t deT Elektrizitiitsmenge ist diejenige Menge, welche auf eine gleichgroße im Abstände von 1 cm d i e K r a f t von 1 Dyn a u s ü b t . Das hier für die Elektrizitätsmenge eingeführte Maßsystem heißt das elektrostatische. Die hier definierte elektrostatische Ladungseinheit, die keinen Namen führt, ist für praktische Zwecke zu klein; man hat daher eine größere Einheit, das sog. „absolute Coulomb" {Cabt) als das 3 • 109-fache derselben definiert: 1 C a l , = 3-10» elektrostatische Einheiten (E. S. E.). Das bis zum 1. Januar 1940 im Gebrauch gewesene sog. „internationale Coulomb" (Cint) war durch die gesetzliche Bestimmung festgelegt, daß durch 1 C,n< aus einer Siibernitratlösung in 1 sec 1,11800mg Silber abgeschieden werden; die Beziehung zwischen dem neuen-(eben dem absoluten Coulomb) und dem internationalen Coulomb ist gegeben durch: 1 CiB< = 0,99996 Cabt. 4. F e r n k r ä f t e oder N a h e k r ä f t e ? Das Coulombsche Gesetz setzt zwei räumlich voneinander getrennte Orte, nämlich die Stellen der Ladungen ea und eb in Beziehung zueinander. Es ist aber keine Rede von den dazwischen befindlichen Stellen des Raumes. Diese Form des Gesetzes legt also die Vorstellung nahe, als ob die durch e„ hervorgerufene Kraft unter Überspringung der zwischenliegenden Raumteile auf eb direkt wirkte. Eine solche Art der Kraftwirkung nennt man „Fernwirkung", mögen auch ett und eb einander so nahe liegen wie etwa die Moleküle eines Körpers. Wesentlich ist keineswegs die größere oder kleinere Entfernung zwischen ea und eb, sondern lediglich, daß es g e t r e n n t e Stellen des Raumes sind. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß man auch eine andere Vorstellung über die Wirkungsweise der elektrischen Kräfte mit dem Coulombschen Gesetze verbinden kann. Man kann sich nämlich den Raum mit einem Medium angefüllt denken, welches die Wirkung zwischen ea und vermittelt. Das R e s u l t a t , welches der Beobachtung zugänglich ist, kann dann noch immer eine dem Coulombschen Gesetze entsprechende Wirkung sein; aber der Mechanismus ist offenbar in beiden ») Die merkwürdigen gebrocheneu Exponenten, wie überhaupt die ganze Dimension von e, wie auch der übrigen elektrischen and magnetischen Größen, beruhen lediglich auf der Verwendung der drei Grundeinheiten M, L, T und der willkürlichen Festsetzung, dafi / dimensionslos sein soU. Andere Wahl der Grundeinheiten würde andere Dimensionsformeln liefern; diese haben also mit dem „Wesen" der elektrischen und magnetischen Größen nichts zu tun.
Fernkräfte oder Nahekräfte ?
7
Fällen ein ganz anderer. In diesem zweiten Falle kann man sich die Sache etwa so denken: Durch die Ladung ea wird in dem vermittelnden umgebenden Medium ein gewisser (vom normalen abweichender) Zustand hervorgerufen (z. B. nach Art einer elastischen Dehnung oder Verzerrung, oder einer Strömung, wenn wir an eine Flüssigkeit denken). Was für ein besonderer Zwangszustand durch die elektrische Ladung hervorgebracht wird, ist uns unbekannt, aber auch zunächst nicht wesentlich. Die Hauptsache ist, da ß ein solcher Zustand als existierend vorausgesetzt wird. Am Orte der Ladung eb erzeugt dieser Spannungszustand dann die der Beobachtung zugängliche Kraftwirkung. Zwischen den beiden Anschauungen besteht ein fundamentaler Unterschied z. B. in folgender Hinsicht. Nach der Fernwirkungstheorie hat eine einzige elektrische Ladung überhaupt gar keine Bedeutung; denn Kraftwirkungen übt sie erst dann aus, wenn eine zweite.Ladung vorhanden ist, die angezogen oder abgestoßen werden kann. Ganz anders bei der zweiten, der Nahewirkungstheorie: Hier erzeugt bereits eine einzige Elektrizitätsmenge einen vom normalen abweichenden Zustand im umgebenden Medium. Den Raum, innerhalb dessen dieser Spannungszustand besteht, nennt die Nahewirkungstheorie das „Kraftfeld" oder kurz das „Feld" der betreffenden Elektrizitätsmenge. Für die Nahewirkungstheorie, die deshalb auch „Feldtheorie" genannt wird, ergibt sich daraus die Aufgabe, den Spannungszustand des Feldes, oder wie man auch sagt, die I n t e n s i t ä t des Feldes zu bestimmen. Dies kann nun freilich nur dadurch geschehen, daß man auch hier eine zweite elektrische Ladung, eine Probeladung, in das Feld hineinbringt und nun die Kraftwirkung auf diese in jedem Punkte des Feldes feststellt. Man zerstört aber, streng genommen, durch das Hereinbringen der Probeladung das Feld, das man messen will; denn die Probeladung hat ja auch ein Feld, welches sich dem zu messenden superponiert, so daß die Kraftwirkung auf den Probekörper als Resultat der Wirkung beider Felder, nicht aber als Wirkung des zu messenden Feldes allein zu betrachten ist. Man kann diese Schwierigkeit aber dadurch beseitigen, daß man die Probeladung sehr klein wählt, so daß das primäre Feld nicht merklich gestört wird. Man bezeichnet demgemäß als F e l d i n t e n s i t ä t oder F e l d s t ä r k e oder endlich auch als elektrische K r a f t die Kraftwirkung, die das Feld auf eine sehr kleine Elektrizitätsmenge e ausübt, dividiert durch diese Elektrizitätsmenge. Man kann dies kurz, aber nicht ganz exakt ausdrücken, indem man sagt: F e l d s t ä r k e ist = K r a f t pro Einheitsladung. Nennen wir die elektrische Feldstärke©, die auf die Elektrizitätsmenge e ausgeübte Kraft so ist nach dem Obigen: (2)
© = lim —.
€=0
e
Die Hinzufügung des Zusatzes l i m e = 0 bedeutet eben, daß die Beziehung umso exakter gilt, je kleiner die Hilfsladung e ist. Die Dimension von © ergibt sich zu: Die Untersuchung der Gesetzmäßigkeiten, denen die Kraft © unterworfen ist, falls sie von ruhenden elektrischen Ladungen erzeugt wird, ist die Aufgabe der Elektrostatik. 1
) Bezüglich der Einheit der Feldstärke E vergleiche S. 23.
8
I. Elektrostatik
Indem wir die in Gleichung (2) gegebene Definition der elektrischen Feldstärke annehmen, stellen wir uns auf den Boden der von F a r a d a y und Maxwell begründeten Feldtheorie der Elektrizität. Zu dieser Stellungnahme bewegen uns nicht erkenntnistheoretische Erwägungen über Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Fern- oder Nahewirkung, sondern lediglich die an der Hand der Erfahrung gewonnene Erkenntnis, daß der Nahewirkungsstandpunkt eine einfachere und konsequentere Darstellung unseres Gebietes zuläßt. Gleichwohl kann es für gewisse Probleme unter Umständen einfacher sein, an ein Fernwirkungsgesetz anzuknüpfen und sich der Sprache der Fernwirkungstheorie zu bedienen; deshalb werden wir auch das Coulombsche Gesetz unbedenklich da benutzen, wo es bequem erscheint. Es muß hier noch untersucht werden, welchem Medium die Vermittelung der Feldwirkungen zuzuschreiben ist. Es kann dies keine gewöhnliche Materie tun, da die elektrischen Kräfte auch in dem von Materie freien Raum, dem Vakuum, wirksam sind. Wir denken uns deshalb den ganzen Baum, auch im Innern der ponderablen Körper, mit einem neuen Medium, dem sog. Ä t h e r , angefüllt, den wir als Träger der Feldwirkungen betrachten. Weitere Eigenschaften von ihm sind uns vorläufig nicht bekannt. Es muß ferner noch ein Wort gesagt werden über die mathematische Form der Nahewirkungsgesetze. Diese können nicht verschiedene Punkte des Raumes in Verbindung bringen, mögen diese auch noch so benachbart sein; vielmehr werden sie uns Zusammenhänge zwischen Größen liefern, die sich auf einen Punkt des Raumes beziehen. Wenn also Z, einen Zustand im Raumpunkte x, y, z bezeichnet, so besagt das Prinzip der Nahewirkungen, daß dieser Zustand Z1 (x, y, s) nur abhängen soll von anderen Zuständen . . .Zn an derselben Stelle des Raumes; also Z1 = f(ZiZi...Zn), oder F(Z1ZJi...Zn) = 0. Derartige „Nahewirkungsgleichungen" werden i. a. (partielle) Differentialgleichungen sein; doch können natürlich in speziellen Fällen die partiellen Ableitungen auch fehlen 1 ). 5. Das elektrische Feld punktförmiger Ladungen. Wir knüpfen unsere weiteren Betrachtungen an die Feldintensität © an. Jedem Punkte des Feldes entspricht ein bestimmter Wert von Es ist dabei aber wohl zu beachten, daß es nicht hinreichend ist, den absoluten Betrag von © anzugeben, sondern es muß auch noch die Angabe der Richtung hinzukommen. Solche Größen nennt man Vektoren im Gegensatz, zu den Skalaren, die durch ihren Betrag völlig charakterisiert sind. Beide Arten von Größen spielen in der Physik eine wichtige Rolle; zu den Vektoren gehören die Kräfte, Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, Feldstärken usf.; als Skalare dagegen sind z. B. das spezifische Gewicht, die Energie- und Arbeitsgrößen aufzufassen. Wir bezeichnen die Vektoren zur Unterscheidung stets durch deutsche Buchstaben. j
;Zur Vermeidung eine« Mißverständnisses sei folgendes gesagt: Um die etwa vorkommenden
in der U m g e b u n g von (x,ytz)
(
dV dV dV\
z . B . — , —, — J , muß die Größe v natürlich auch bekannt sein; das Ist Jedoch k e i n Widerspruch gegen die
3v 6x
obige Formulierang, da auch diese Größen — , • • • sich Bimtlich auf den e i n e n Punkt (x,y,z) beliehen, für den die Kahewirkungsgleichung F(Zlt • • •Zh) = 0 aufgestellt ist.
Das elektrische Feld punktförmiger Ladungen
9
Wir betrachten zunächst die Stärke und Richtung des Feldes, das von einer einzigen punktförmigen Ladung hervorgerufen wird. Dem Begriffe der punktförmigen Ladungen kommt allerdings keine physikalische Realität zu. Denn kommen wir in hinreichende Nähe einer noch so kleinen Ladung, so nehmen wir immer eine räumliche Ausdehnung wahr: Die Elektrizität ist mit einer bestimmten Dichte entweder räumlich oder auf einer Fläche verteilt. Unter räumlicher Dichtigkeit Q versteht man dabei diejenige Elektrizitätsmenge, die im Kubikzentimeter enthalten ist; ebenso bedeutet die Flächendichte t) die Ladung pro Quadratzentimeter. Bezeichnen wir also die Gesamtladung mit e , so ist:
e = J gdz
bzw.
e
— f *]dS,
wenn d r und dS Volum- bzw. Flächenelemente sind. Indessen ist für viele Zwecke der Begriff der punktförmigen Ladung außerordentlich bequem. Eine punktförmige Ladung e J befinde sich an der Stelle (Zii/iZi) des Raumes. Nach Gleichung (2) und (1) ist dann die Feldstärke ©j ihrem Betrage nach — Betrag eines Vektors wird durch Einschließen in 2 vertikale Striche angedeutet — in einem Punkte ( x y z ) in der Entfernung (3)
=
M Dabei ist r x = j/(z— Xj)* + ( y — y t f + ( z — 2j)a. Die R i c h t u n g der Feldstärke ist die des Radius-Vektors r^, je nachdem die Ladung e lt die das Feld erzeugt, positiv oder negativ ist, weist die Feldstärke von kleineren zu größeren oder von größeren zu kleineren Werten von rv Wir wollen jetzt die Komponenten von (S1 parallel den Koordinatenachsen bilden; wir bezeichnen sie mit wenn a^, ß 1 , y 1 die Winkel sind, die r 1 bzw. mit der x - , y - , s - A c h s e bildet. Daraus folgt sofort: & = & +