Einführung in die ägyptische Religion ptolemäisch-römischer Zeit nach den demotischen religiösen Texten 9783643119292, 3643119291


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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Definitionen und Probleme der Quellen
2 Mythen
3 Hymnen und Gebete
4 Ritualtexte
5 Totenliteratur: Rituale und Texte für das Jenseits
6 Götterdialoge
7 Epilog: Das Ende der ägyptischen Religion
8 Literaturverzeichnis
9 Indices
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Einführung in die ägyptische Religion ptolemäisch-römischer Zeit nach den demotischen religiösen Texten
 9783643119292, 3643119291

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EINFÜHRUNG IN DIE ÄGYPTISCHE RELIGION PTOLEMÄISCH-RÖMISCHER ZEIT NACH DEN DEMOTISCHEN RELIGIÖSEN TEXTEN Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie

LIT

Martin Andreas Stadler

Einführung in die ägyptische Religion ptolemäisch-römischer Zeit nach den demotischen religiösen Texten

Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie herausgegeben von

Louise Gestermann und Christian Leitz Band 7

LIT

Martin Andreas Stadler

EINFÜHRUNG IN DIE ÄGYPTISCHE RELIGION PTOLEMÄISCH-RÖMISCHER ZEIT NACH DEN DEMOTISCHEN RELIGIÖSEN TEXTEN

LIT

Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier entsprechend ANSI Z3948

DIN ISO 9706

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar ISBN 978-3-643-11929-2

© LIT VERLAG Dr. W. Hopf Berlin 2012 Verlagskontakt: Fresnostr. 2 D-48159 Münster Tel. +49 (0)251-620320 Fax +49 (0)251-231972 e-Mail: [email protected] http://www.lit-verlag.de

Auslieferung: Deutschland: LIT Verlag Fresnostr. 2, D-48159 Münster Tel. +49 (0) 2 51-620 32 22, Fax +49 (0) 2 51-922 60 99, e-Mail: [email protected] Österreich: Medienlogistik Pichler-ÖBZ, e-Mail: [email protected] Schweiz: B + M Buch- und Medienvertrieb, e-Mail: [email protected]

~')~ P>~~ ~)ttc.~Ju.7.'MJ-4-L..J3Z~»JJ11J->J.Jr--)...\~J~l)j ~,,JJ1~~JlQ/ Uxori carissimae et nascentipuero

Vorwort

Die Demotistik hat in den letzten Jahren international einen enormen Aufschwung erlebt. Dennoch scheint sich die Erkenntnis noch nicht vollständig durchgesetzt zu haben, daß dieses Spezialgebiet der Ägyptologie nicht nur für die Fragen, die wir an das alte Ägypten und seine Wirkungsgeschichte über das Ende der altägyptischen Kultur hinaus haben, wertvolles Quellenmaterial bereithält. Vielmehr eignet es sich besonders aufgrund seines Untersuchungsgegenstandes, nämlich der Texte vor allem aus dem ptolemäisch-römischen Ägypten, für die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Fächern der klassischen Altertumswissenschaften und kommt ohne den Dialog mit diesen kaum aus. Der demotistisch versierte Ägyptologe utriusque generis kann deshalb mit seiner Expertise für die ägyptische Seite des ptolemäisch-römischen Ägypten die Verbindung zwischen den anderen Disziplinen der altertumswissenschaftlichen Fakultät einerseits und der Ägyptologie andererseits herstellen. Insbesondere das religiöse Schrifttum der Zeit bedarf sowohl der Vertrautheit mit den älteren Traditionen, als auch der Vertrautheit mit den zeitgenössischen Tempeltexten. Der Ansatz der beiden Herausgeber der Eiefuhrungen undQuellentexte, Louise Gestermann und Christian Leitz, die Reihe nicht mit der 30. Dynastie enden zu lassen und neben einer Einführung in die demotische Literatur eine Einführung in die demotische religiöse Literatur aufzunehmen, zeugt daher von besonderer Weitsicht. Ihnen sei für die Einbeziehung des vorliegenden Bandes in die von ihnen herausgegebene Reihe herzlich gedankt, ebenso für ihre aufmerksame Lektüre, die zu einer Reihe wertvoller Anregungen führte. Wie so häufig hat Sandra Lippert zuvor das Manuskript kritisch gelesen und mich vor manchem Flüchtigkeitsfehler bewahrt, aber auch auf neue Ideen gebracht. Dafür stehe ich in ihrer Schuld. Schließlich hat mir Ulrike Weinmann bei der Umstellung der Literaturangaben auf Citavi und bei Erstellung der Indices wesentlich geholfen. Ich erspare mir die salvatorische Klausel, die die Vorgenannten von jedweder Verantwortung für verbleibende Irrtümer freisprechen, aber sie gilt hier selbstverständlich auch. Nachdem ich einige Rezensionen zu in dieser Reihe bislang erschienenen Einführungen und die darin geäußerte Klage mancher Rezensentinnen und Rezensenten nach m ehr theoretischer Reflexion gelesen hatte, habe ich den Eindruck gewonnen, daß die Ägypto logie oder wenigstens die Rezensierenden noch nicht die Realitäten der „Bildungsrepublik D eutschland" zur Kenntnis genommen haben, aus denen ein akuter Bedarf an grundlegenden Überblickdarstellungen erwachsen ist, in denen Basiswissen vermittelt wird. Auch diese Einführung wird mit ähnlicher oder anderer Kritik konfrontiert werden, zumal ich mich selbst als Rezensent

VIII

Vorwort

eines anderen Bandes aus der Deckung gewagt habe. Manch einer mag an diversen Punkten kritisieren, daß ich die Position als Autor eines Einführungswerkes mißbrauche, wenn ich mich der Äußerung eigener Meinung und kritischer Bewertung nicht enthalte. Doch glaube ich, daß es auch die Aufgabe einer Einführung ist, in das kritische Denken einzuführen und dazu zu ermutigen, um trotz der Verschulung universitärer Lehre noch gewisse Tugenden des alten geisteswissenschaftlichen Studiums herüberzuretten. Ich gebe also mitnichten ex cathedra Urteile ab, sondern will die Leserschaft - insbesondere diejenigen, die noch im Studium sind zur kritischen Reflexion anregen, die freilich dazu führen mag, mit meiner Position nicht konform zu gehen. Auf der anderen Seite ist es bei der derzeitigen Situation demotistischer Forschung für einen selbst in diesem Gebiet arbeitenden Autor einer Einführung kaum möglich, darin sowohl eigene Auffassungen völlig herauszuhalten als auch n eue Deutungsansätze und eigene n eue Erkenntnisse nicht einfließen zu lassen oder gar Neulesungen zu begründen, wie das in der demotistischen Fachliteratur üblich ist. Die meisten der hier diskutierten Quellen sind nämlich nach ihrer Erstedition nur selten behandelt worden und bieten insofern vielfältiges Potential zu weiteren Verbesserungen. Im Gegensatz zu anderen, intensiver beakkerten Gebieten der Ägyptologie stimmt hier das Bonmot nicht, es sei zu bestimmten Themen schon alles gesagt worden - nur noch nicht von jedem. Würzburg, im September 2012

Martin Andreas Stadler

Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen und Probleme der Quellen ...................................................................... 1 1.1 Definitionen ............................................................................................................ 1 1.1.1 Demotisch ................................................................................................ 1 1.1.2 Der Religionsbegriff. ............................................................................... 3 1.1.3 Demotische religiöse T exte.................................................................. 13 1.1.4 D emotische versus griechische religiöse T exte aus Ägypten ......... 16 1.2 Ägyptische Religion im ptolemäisch-römischen Ägypten............................. 17 1.2.1 Die ptolemäische Z eit........................................................................... 18 1.2.2 Die römische I-ägyptische Literatur, 107 f. , an.

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3 Hymnen und Gebete

dem 2. Jh. n. Chr. sein. PTebtynis Tait 14 ist das Fragment eines Hymnus, der u.a. verschiedene Städte Ägyptens als Kultorte der Isis und dadurch Isis als Universalgöttin vorstellt. 491 Aus pCarlsberg 652 verso geht hervor, daß der Text von Thot gesprochen wird, der nach anderen Quellen als der Vater der Isis gelten kann. 492 Auch in oHor 10 kommt das zum Ausdruck, jedoch - im Gegensatz zu pTebtynis Tait 14 - ohne in die kulttopographischen Details zu gehen. Etwas mehr Licht bringt ein ebenfalls stark fragmentierter demotischer Papyrus aus dem Fayum (1. Jh. n. Chr.). 493 Es ist wesentlich mehr als von pHamburg 33 verso und pTebtynis Tait 14 erhalten, weshalb sich die Ähnlichkeiten zum griechischen Text besser erkennen lassen, der Text aber auch die Etablierung eines etwas differenzierteren Modells der Überlieferung und der möglichen Inspirationswege zwischen ägyptischen und griechischen Hymnen erlaubt. In diesem pWien D. 6297 +6329+10101 recto wird Isis mit ägyptischen Göttinnen in diversen ägyptischen Städten gleichgesetzt. So heißt es z.B.: ,,Du bist die Große von der Stirn(= Uräus), welche in Chemmis ist(= Uto)." In einem anderen Abschnitt wird sie dann als Herrin über verschiedene Völker bezeichnet und dann wie in püxy. XI.1380 namentlich mit den dortigen Hauptgöttinnen identifiziert, wobei die demotische Liste nicht so ausführlich wie in püxy.XI.1380 ist, für den dieser demotische Papyrus ist somit keine direkte Vorlage ist. Der Wiener Papyrus bezeugt wohl eher eine Isishymnentradition, die im hellenistischen Ägypten entstanden ist: Isis wurde in griechischer Sprache, natürlich nachhaltig von ägyptischen Isishymnen und ägyptischer Isis-Mythologie beeinflußt gepriesen. Unter dem Eindruck jener griechischen Isishymnen haben dann ägyptische Schreiber ähnliche Texte verfaßt oder aus dem Griechischen ins Ägyptische übersetzt, wofür pWien D. 6297+6329+10101 recto ein Beleg wäre. Solche komplexen Beziehungen müssen bei einer zukünftigen Bewertung des ägyptischen Hintergrundes der memphitischen I sis-Aretalogien berücksichtigt werden, in denen sich die Göttin selbst vorstellt.494 Zwar h at Quack gezeigt, daß sich das Griechische ohne weitere Schwierigkeiten ins Demotische übersetzen läßt, aber es ist zu fragen, ob sich die Aretalogien eindeutig und rein auf Ägyptisches zurückführen lassen.49 5 491

Editio princeps: TAIT, Papyrifrom Tebtunis in Egyptian andin Creek (P. Tebt Tait) 48-53, Nr. 14, Taf. 4. Weitere Literatur bei KocKELMANN, Praising the Goddess, 31- 36, der ein Facsirrule und kommentierte Neuübersetzung des Textes gibt. Zu pCarlsberg 652 verso: QUACK in: Egypt Temple ef the Who!e World, 326 Anm 27. ID. in: Theo!ogiß m Israel und in den Nachbarkulturen, 73. ID.,

492

STADLER, Weiser und Wesir, 152-155. Hinzuzufügen wäre außerdem: BRESCIANI in: Assuan, 80 f. pWien D. 6297 +6329+10101 r ecto Die Publikation bereite ich vor. Siehe vorerst: STADLER in: Orakel und Gebet~ 160--162. STADLER in: Rdigious F!ows in the Roman E mpire. ToTTI, Ausgewah!te Texte der Isis- und Sarapis-Rdigion, 1-4. QUACK in: Egypt - Temple ef the Who!e Wor!d, 319-36 5, der mit einer ausführlichen Zusammenfassung zur Forschung über Isis im hellenistischen Ägypten und den griechischen IsisAretalogien einen Emstieg in das Thema b ietet. (Diskussion dazu STADLER, GM 204, vs. QUACK in: Erzahlen in frühen Hochkulturen 1, Anm 69, vs. STADLER, Weiser und Wesir, Anm 651.)

Die demotische undgrako-agyptische Literatur, 107. 493

494 495

4 Ritualtexte

Die Ritualtexte von den anderen bisher behandelten Quellen zu scheiden, ist nicht unbedingt zwingend, denn, wie bereits oben ausgeführt, waren einige der Mythen in ihrer vorliegenden Ausformung Rezitationstexte bei Kultfesten, 496 wie auch die Hymnen im Kult Verwendung fanden. Die hier b ehandelten Kompositionen sind zudem nicht immer Handbücher, die detaillierte Handlungsanweisungen zum Kultvollzug (,,technische Ritualtexte") gaben, sondern teils ebenfalls Sammlungen von Rezitationstexten, darunter nicht selten Hymnen, die jedoch durch ihre Überlieferung auf einem Textträger in einen Z usammenhang zueinander gestellt sind. Daraus kann ein Ritualablauf rekonstruiert werden, der durch kurze Angaben in den Titeln erkennbar wird. Dies trifft für die unter 4.1 und 4.2 b ehandelten T exte zu. Technisch sind hingegen die unter 4.3 und 4.4 diskutierten Quellen, die keine Rezitationstexte bieten und somit keine Text sind, die strenggenommen den in der Einleitung b eschrieb enen Kriterien für d ie A ufnahme in diesen Band entsprechen. Sie geb en jedoch einen Eindruck von einem Ritualablauf und wie so etwas beschrieb en wurde, weshalb sie um dieses Praxisbezuges willen dennoch besproch en werden. Zu diesen technischen Ritualbeschreibungen kommen noch die Fragmente einer semidemotischen Handschrift mit Ritualnotizen hinzu, die aus der T empelbibliothek stammt. 497 Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes kann jedoch nicht m ehr sicher entschieden werden, o b es sich um eine listenförmige Gedächtnisstütze für ein osirianisches Ritual oder ein medizinisches Heilritual handelt. 498 Nach Smith gehören zu den T empelritualen auf D emotisch die Papyri Berlin P. 6750 (mit sein er Parallele Berlin P. 8765), Berlin P. 8027 und Berlin P. 8043.499 Allein P 8027 muß au s dieser Liste für diesen Abschnitt herausgenommen w erden, weil es sich als Handschrift des sogenannten Thotbuches erwiesen hat, das freilich ebenfalls in einem Initiationsritus gebraucht worden sein mag.500 Wie schon bei den Hyrnnen501 grap hisch hieroglyphisch, sp rachlich ab er demo tische Exemplare b esprochen wurden, so sind hier eb enfalls Inschriften aus D endern und E dfu zu berücksichtigen, die als ,m onumentaldemotisch' gelten dürfen.

4%

497 498 499 500

501

Siehe S. 40 f. p Carlsberg 42+ 44+ 45 +453. V. L IEVEN in : Res severa verum gaudmm, 369- 387. SMITH , Enchoria 7, 118 Anm. 10. Siehe dazu S. 177 ff Siehe dazu S. 94 ff

4 Ritualtexte

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4.1 DAS TAGUCHE RITUAL DES TEMPELS VON DIME Vom Täglichen Ritual in der demotischen Version sind derzeit zwölf Handschriften aus Dime bekannt, die, nach ihrer Paläographie zu schließen, alle in die ersten zwei Jahrhunderten. Chr. datieren.502 In seinem längsten Textzeugen ist es bereits 1902 durch Spiegelberg in Lichtdrucktafeln veröffentlicht, jedoch nicht ediert worden, d.h. es liegt bis heute keine vollständige Transliteration, Übersetzung und Kommentierung vor.503 Um das tägliche Opferritual auszuführen, mußte der Priester den Tempel betreten und das Allerheiligste mit dem Kultbild ansteuern. Bevor er in den Tempel selbst gehen konnte, hatte er sich zu reinigen, um dann im Fall des Tempels von Dime fünf Tore zu durchschreiten. Danach hatte er die Halle (ws!J. t, in Edfu die ws!J. t wr. t „Große Halle") erreicht und gelangte über die Opfertischhalle (ws!J. t ~tp in Edfu) und die zentrale Halle (ws!J. t ~r. t-lb in Edfu) zum Sanktuar. Das Tägliche Ritual, wie es sich aus den einzelnen Handschriften rekonstruieren läßt, stellt nun die Sprüche zusammen, die der Priester an den einzelnen Stationen zu rezitieren hatte. Ein Auszug möge das veranschaulichen, der hier in der Fassung der hieratischen Parallele aus Tebtynis (siehe dazu unten) zitiert sei, wobei die Ergänzungen nach der demotischen Dime-Version vorgenommen wurden: ,,[Spruch des Eintretens in die Halle. Worte zu sprechen:

Gegrüßt seist du, Hall]e, indem dein Name Nut ist. [ ... rem. Ich weihräuchere, ich ..., so daß] r du, Gemetzel [fernhältst] von mir jegliches schlechtes Unheil vertreibend, [Gemetzel zurücktreibend .................................] Ich bin rein. (l\1eine Reinheit ist die Reinheit der Götter.504 Heil,] Nut, Geb, Osiris, Isis, Nephthys, Horns, Sohn der Isis, möget [ihr] vertreiben [jegliches Übel. Hand elt gegen das Übel. Möget ihr jeden üblen Feind von mir nach draußen vertreiben, wenn s]ie hinter mir eintreten in den Tempel, denn rich, bin [Thot, der das Horusauge erschafft] nach seiner Verminderung. Ein Opfer, das der König gebe. Ich bin rein." (pFlorenz PSI inv. I 70 fr. A 1, Z. 1-3)

Die demotische Fassung aus Dime ist damit fast völlig identisch, markiert lediglich den T eil ab „Heil, Nut, Geb, Osiris, Isis, ..." als Variante (ky n ) zum Vorangegan502

503 504

Papyri Berlin P . 8043+P . 30030+ Wien D. 6396 verso, Berlin P. 15652 recto, dessen Verso den Teil einer H andschrift des in zahlreichen Papyri überlieferten sogenannten dem otischen Thotbuch es en thält (sieh e dazu unten S. 177 ff), Berlin P. 15799 +23538, Berlin P. 23 873, Berlin P. 23497, London BM EA 76188 g, i, j und BM EA 76189 a, d, Wien D . 6377 verso. Vorerst: STADLER in: Text und Ritual, 150-163. Io. in: New Archaeo!ogica! and Papyro!ogifa! Researches on the Fqyy um, 284-302. Io . in: Ku!tOrt~ SO f Io . m: Soknopaiou Nesos Prqject I (2003-2009) Ein e vollständige E dition bereite ich vor. SP!EGELBERG, Demotische Papy rus aus den Königlichen Museen zu Berlin, 28, Taf 87- 93. Das Dime-Ritual (XVII. Spruch) weicht hier ab. Es lautet hier m etwa: inky w'b "b 'b .k mi 'b n, n/r. w ~tp-t, -nsw iw y w'b .k ky r, !}d ,,,(. ..) Ich bin ein rein er Priester, der ich rein bin in der Rein heit der G ötter. Ein „Opfer, das der Könige gebe". Ich bin r ein.' Ein anderer Spruch: ,(. ..) "' 0

4.1 Das Tägliche Ritual des Tempels von Dime

115

genen. An dem Zitat lassen sich Natur und Aufbau der Sprüche gut illustrieren. Auf eine teilweise mit roter Tusche geschriebene Überschrift (Rubrizierung, hier in Fettdruck angezeigt), die einen Handlungskontext angibt, folgen kurze Hymnen oder Anrufungen an Gottheiten oder Selbstidentifikationen des Ritualausführenden mit Göttern - hier ist es Thot, an anderer Stelle sind es Horns oder Anubis. Die Überschriften erlauben es, den Weg des Priesters zu verfolgen, wobei die Terminologie für die Tempelteile in den erhaltenen Bereichen leicht von derjenigen abweicht, die durch die berühmte Bauschreibung des Tempels von Edfu für die dortigen Räume gegeben wird.5DS Der Text selbst ist keine Neuschöpfung der ptolemäisch-römischen Zeit, sondern findet im Kern Parallelen in den Darstellungen und begleitenden Inschriften des Neuen Reiches.506 Weitere Parallelen sind im Amuns- und im Mutritual enthalten, deren Handschriften aus der Dritten Zwischenzeit stammen, sowie im Stundenwachenritual, das aus Tempeln der ptolemäisch-römischen Zeit bekannt ist, aber seinerseits auf einer langen, bis in das Alte Reich zurückführenden Tradition basiert. 507 Die engsten Parallelen sind jedoch Papyri, die aus Tebtynis im Fayum stammen und wie die demotischen Fassungen aus Dime in die römische Kaiserzeit datieren. 508 Zu den bislang von Rosati publizierten kommen sowohl weitere in europäischen Sammlungen (v.a. Berlin und Florenz) als auch umfänglichere Fragmente, die in den letzten Jahren bei den Grabungen in Tebtynis entdeckt wurden und wie die demotischen Manuskripte den Textbestand durch bislang nicht belegte Sprüche ergänzen. so9 Die Bedeutung des Täglichen Rituals von Dime liegt sowohl in der Umsetzung eines recht alten Textes in die demotische Schrift und die Bereicherung des Spruchcorpus, wobei hier ein besonderes Schriftsystem verwendet wird,510 als auch in der Verbindung mit der Architektur des T empels von Dime, der der lokalen Gestalt des K.rokodilsgottes So bek, welcher gräzisiert Soknopaios (äg. Sbk nb P ,y 505

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510

K URTH, Edfou VIL 15-17. DE WIT, CdE 36, 277- 320. KURTH, Edfu. KURTH, T reffpunkt der Gotter, 76- 78. KuRTH, Edfou VII, 20-24. Siehe auch: KONRAD, Architektur und Theologie. Das Buch sollte mit Vorsicht h erangezogen werden: LEITZ, WdO 38, 237-242. Z um Einstieg: MORET, Le ritue! du culte divin journa!ier en Egypte. KAUSEN in: Religiöse Texte. 391405. ÜSING in: Gold of Fraise. 317-334. T ACKE in: Rituale in der Vorgeschichte. Antike und Gegenwar~ 27-36. COONEY, McCLAIN, ]ANER 5, 41-75. CONTARDI, II naos di Setht I da Eliopo!t. STADLER in: Ku!tOrte. 46- 71. pBerlin P. 3014, 3053 und 3055: GENERALVERWALTUNG DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN, Hieratische Papyrus aus den königlichen Museen Zfi Berlin I GUGLIELMI, BUROH in: Essqys on Ancient Egypt in Honour of Herman te Ve!de. 101-166. Stundenwachen: J UNKER, Die Stundenwachen in den Osirismysterien nach den Inschriften von Dendera, Edfu und Philae. PRIES, Die Stundenwachen im Osiriskult ROSATI in: Papiri Geroglifici e ieratici da Tebtynis, 101-128, Taf 14-16. Die Berliner und Florentiner Fragmente bereitet Gloria Rosati zur Publikation vor, d ie neu ausgegrabenen werden von Ivan Guermeur ediert (siehe dazu GUERMEUR in : Graeco-Roman Fqyum, 113- 122; ID. in: A gyptische Rituale der griechisch-römischen Zei~. Auf das graphisch e System geht der Exkurs S. 118 ff. ein.

4 Ritualtexte

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,,Sobek, der Herr von Pai") hieß, geweiht war. Durch die Anfang dieses Jahrtausends neu aufgenommenen Grabungen in Dime läßt sich zeigen, daß der Ritualtext und die Architektur des Heiligtums in seiner letzten, erweiterten Bauphase einander genau entsprachen: Ein P riester mußte tatsächlich fünf T ore durch schreiten, bevor er die wsb. /-Halle erreichte und dann weiterging. 511 Dadurch ergibt sich ein terminus post quem der Kompilation und Redaktion des Täglichen Rituals von Dime, die ungefähr gleichzeitig zum oder nach d= Ausbau des Tempels erfolgt sem muß.

4.2 DER KULT UM D AS O SIRIS-KROKODIL UND D AS HORUS-KROKODIL IN DIME Ähnlich wie Papyrus Berlin P. 8043, die längs te erhaltene Handschrift des Täglichen Rituals in seiner demotischen Version, wurde der Papyrus Berlin P. 6750 und seine partielle Parallele Papyrus Berlin P. 876 5 von Wilhelm Spiegelberg 1902 ohne Übersetzung und Kommentar veröffentlicht. 512 Ein Abschnitt der hier überlieferten Texte findet sich außerd= im Papyrus Wien D. 6951, der mit den bereits besprochenen Sobekhymnen beschriftet ist. 513 Ghislaine Widmer hat darüber zwar ihre Dissertation geschrieben und 2002 abgeschlossen, bislang diese Arbeit aber nicht veröffentlicht, sondern nur eine Reihe von Aufsätzen dazu vorgelegt.514 O bw ohl mehrere H andschriften vorliegen und - wie so häufig innerhalb der ägyptischen religiösen Literatur - Teile des Textes im Verbund mit anderen Kompositionen belegt sind, sei nun der Einfachheit halber immer von pBerlin P. 6750 die Rede, der ähnlich wie der oben b ereits behandelte pLondon BM EA 76638 (S. 96 ff.) eine liturgische Sammelhandschrift ist. Sie besteht aus zwei Ab schnitten, von denen der erste sich vor all= mit Osiris und seiner Wiederauferstehung beschäftigt. Kürzere Abschnitte stellten sich als Zitate aus T exten h eraus, die auch in älteren hieratischen Totenpapyri515 bzw. dem wohlbekannten Text des Studenwachenrituals nachzuweisen sind, das Teil des O siriskultes w ar. Der zweite Teil hat Horns, seine Geburt und seinen Weg zum Königtum zum Thema. Jene Ereignisse werden in Form eines Festliedes gepriesen, zu denen sich z.T. Pendants auf den Säulen des Hofes des Mammisi von Edfu finden. Diese hieroglyphischen Festlieder des Mammisi sind in unterschiedlichen Sp rachstufen verfaßt und damit wohl

511

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Soknopaiou Nesos Pro;ect I (2003-2009). Demotirche Papy rus aus den Königlichen Museen zu Berlin, Taf. 71, 75-83. Siehe S. 96 ff. W IDMER, BSEG 22, 83- 91. E AD., Egypte. Ajrique & Orient 32, 3- 22, bes. 15- 18. WID MER in: Teb!Jinir und Soknopaiu Nesos, 171- 184. EAD. in: A gyptirche Rituale der griechirch-römirchen Zeit. Exzerpt aus der Opferlitanei Totenbuch 142, ehe v.a. verschiedene Kultnamen des O siris auflistet, und zwei Zeilen aus dem hieratischen Totenpapyrus des N esmm (BM EA 10209 III, 26- 27 HAIKAL, BIFAO 83, 213- 248; SMITH, T raversing E temi!Ji, 178- 192). DAVOLI in:

SPIEGE LBERG,

4.2 Der Kult wn das Osiris-Krokodil und das Horns-Krokodil

117

auch unterschiedlichen Alters. Während einige mittelägyptisch bzw. klassisch ägyptisch sind, 516 sind andere in neuägyptischer bzw. demotischer Sprache geschrieben worden. 517 Da alle Papyri aus Dime stammen, hat sich Widmer mit der Frage beschäftigt, inwiefern sich der Inhalt des pBerlin P. 6750 in die Mythologie und den Kult von Dime einordnen läßt, nachdem dort hauptsächlich Sobek, der Herr von Pai (Soknopaios), verehrt wurde.518 Die Nennung eines Soknopaios und eines Soknopiais in griechischen Quellen aus Dime veranlaßte sie vorzuschlagen, in Soknopaios eine Horns-Gottheit und in Soknopiais eine Osiris-Gottheit zu sehen. Beide könnten durch Krokodile verkörpert worden sein, wobei das verstorbene Tier zum OsirisKrokodil wurde und das junge, als heiliges Tier von Dime neu inthronisierte Krokodil die Horns-Funktion übernommen hätte. Für den entsprechenden Kult, der die Bestattung des alten - vielleicht leitet sich -piais in Soknopiais von p; l;w „der Alte" ab - 519 und die anschließende Einsetzung des jungen Krokodils begleitete, inszenierte und unterstützte, würde der pBerlin P. 6750 die entsprechenden Rezitationstexte zusammenstellen. Das entspräche dem, was aus anderen Tempeln bekannt ist. In Edfu z.B. wurde ein Falke gewissermaßen als göttlicher König und Inkarnation des Göttlichen auf Erden inthronisiert.520 Ähnlichkeiten h at der Osiris-Teil des pBerlin P. 6750 auch mit den Choiak-Riten, die v.a. durch Inschriften aus dem Tempel von Dendera bekannt sind.521 In Dime könnten solche Riten, die mit Krokodilen ausgeführt wurden, während des Festes Genesia stattgefunden haben, das in Dime vom 7. bis 25. Hathyr gefeiert wurde, da einige Tage aus diesem Zeitraum in pBerlin P. 6750 erwähnt sind. Der Osiris-Komplex, der an die Riten erinnert, die nach den Dendera-Inschriften im Monat Choiak vollzogen 516 517

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Edfou Mammisi 205, 11-16 Edfou M ammisi 196, 6-10. Edfou M ammist 197, 8-12, wohl ebenfalls neuägyptlsch -demotisch, aber zu stark beschädigt. QUACK, E nchoria 27, 109 mit Anm. 53. WIDMER in: T ebrynis und Soknopaiu Nesos, 171-184. D ie Argumentation ist im Lichte von V . LIEVEN in: Das Fqyum m He!!enismus und Kaiserz,et~ allerdings zu modifizier en. Vgl. dazu aber auch Sbk nb p, inv. LIPPERT, ScHENTULEIT in: Honi soit qui maly pense, 361 mit weiterer Literatur in Anm. 17. ALLIOT, Le culte d'Horus aEdfau au temps des Pto!emies, 303-433. K orrekturen b ei FAIRMAN, BJRL 37, 165-203. Ein ganz eigenes Modell hierzu ver tritt jedoch KESSLER in: Tierkulte im pharaonischen Appten und im Ku!turverg!eu:h, 33- 67, das auf seinem Konzept von altägyptischer Religion basiert, das er in diversen a. a.0. zitierten Werken entwickelt hat. Kessler pflegt allerdings seine Quellen (seien es altägyptische T exte, seien es archäologische B efunde) weitgehend nicht anzugeben. D eshalb wirken Kesslers Ausführungen recht spekulativ und sind mcht nachprüfbar; dort, wo sie es sind, müssen sie korrigiert werden (z.B. KESSLER in: Tierkulte im pharaonischen Appten und im Kulturvergleich, 44: P etosiris war entgegen Kessler s Behauptung eb en doch Hoherpriester von Hermupo lis, denn er trägt laut semer Grabinschriften den Titel des „Großen der Fünf' und des ~m-nfr „Prophet, Hoherpriester", LEFEBVRE, Le tombeau de Pitosiris, passim) . Widerspruch zu Kessler auf Basis des Buches vom Tempel bei QUACK in: Tierkulte im pharaonischen Appten und im Kulturvergleich, 111- 123, wonach die heiligen Tiere eben doch als G o ttheit verstanden wurden. JUNKER, WZKM 26, 42-62. Siehe dazu S. 124 ff

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4 Ritualtexte

wurden, fand entweder in Dime demnach einen Monat früher statt oder es handelt sich einfach nur um ein ähnliches Fest, wie auch beim Wag-Fest am 18. Thot oder am 30. Thot Riten zur Wiederbelebung des Osiris vollzogen wurden. 522 Allerdings ist der 17. Hathyr der Todestag des Osiris nach Plutarch, der somit durch eine ägyptische Quelle bestätigt würde,523 und somit ein geeigentes mythologisches Datum für den Text als Kontext abgibt. In dieser Deutung würde also der solare und kosmische Aspekt, der insbesondere im Fayum zu Sobek gehörte und der einen regelmäßigen Tod, aber auch eine ebenso regelmäßige Verjüngung und Wiedergeburt bedingte, durch die Osiris-Horns-Konstellation ausgedrückt und auf Sobek projiziert werden. Was eine Verortung dieses Kultes angeht, hat Widmer vorgeschlagen, die Zweiteilung des Textes in einer Zweiteilung des Tempels wiederzuerkennen, wobei Soknopaios (die Horusform) im Haupttempel und Soknopiais (die Osirisform) in in einem Tempel auf der Rückseite des Haupttempels b eheimatet gewesen seien. Beide Bauten stoßen Rücken an Rücken aneinander an, ohne daß es einen Durchgang zwischen beiden gegeben hat. Doch fanden die Zeremonien, die die Texte des pBerlin P. 6750 vermutlich begleiteten, normalerweise auf dem Tempeldach statt, wo die Mumie des Osiris sich mit den Sonnenstrahlen vereinigen und dadurch mit Lebenskraft aufladen sollte und wo auch die neue, junge und lebendige Inkarnation des Gottes erschien. 524 Auch das von Widmer herangezogene V ergleichsmaterial weist auf das T empeldach als Ort dieses Kultes. Die Choiak-Texte finden sich z.B. in den Osiriskapellen auf dem Dach des Dendera-Tempels. Gleiches ist wohl auch für Dime anzunehmen, dessen Tempel wie u.a. die von Edfu und Dendera in Oberägypten oder Dionysias (Qasr Qarun) im Fayum Treppen auf beiden Seiten zum Dach hatte, während der Gegentempel wie bei anderen Heiligtümern Ägyptens eher der Ort der Verehrung des Hauptgottes durch das einfache Volk war, wo also persönliche Gebete und eventuell auch Orakelanfragen vorgebracht wurden und Soknopaios, der die Gebete erhört (Sbk nb Pay sdm n~. wt), verehrt wurde.525

EXKURS: DAS PHÄNO!v1EN DER UNETYMOLOGISCHEN SCHREIBUNGEN

Sowohl das Tägliche Ritual als auch die Texte des pBerlin P. 6750, die unter 4.1 und 4.2 behandelt wurden, weisen eine besondere Notation auf, die unetymologisch genannt wird. Es ist eine Art der Schreibung, die für demotische religiöse Texte 522

LEITZ, Tagewählerei, 34--36, 441. SMITH, Papyrus Harkness (MMA 31.9. 1), 132.

523

Zu Plut. De Iside 13 aus ägyptologischer Perspektive siehe beim schon von WIDMER in: Tebtynis und Soknopaiu Nesos, 178, zitierten LEITZ, Tagewäh!erei 126- 135. Zu den bnm-itn-Riten siehe COPPE NS, The Wabet, 142- 144, 146 f., 175- 178, 180 f., 193 f. STADLER in: S oknopaiou Nesos Project I (2003-2009).

524 525

Exkurs: Das Phänomen der unetymologischen Schreibungen

119

immer häufiger nachgewiesen wird, w obei bis auf einige Ausnahm en rein phonetisch-unetymologische Kompositionen aus Dime stammen. Diese Ausnahmen sind im Folgenden in Klammem angegeben, d.h. die Provenienz der T exte ohne Angabe ist Dime. Neben den in 4.1. und 4.2 vorgestellten Papyri sind auch hauptsächlich bis gänzlich phon etisch-unetymologisch geschrieben: -

oHor 18 (sieh e S. 79 ff., aus Memphis), oBM EA 50601 (siehe S. 81 ff., aus Deir el-Bahari), pLondon BM EA 76126 (sieh e S. 100 ff.), pWien D. 6951 (siehe S. 96 ff.), pLondon BM EA 76638 (siehe S. 96 ff.), pS traßburg 31 (siehe S. 96 ff.), pLondon BL 264 recto (siehe S. 96 ff.), H olztafel Louvre E 10382 (siehe S. 106, H erkunft unbekannt), pStraßburg 3 x+VII und pOxford Bodl. Ms. Egypt. a 3 (P) I (siehe S. 131, beide aus Achmim), pWien D. 10100 - die Beschreibung einer Tempelwand _526

Auch die Handschriften des Thotbuches, insbesondere diejenigen, die aus Dime stammen, m üßten in die Betrachtungen einbezogen werden.527 Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Phänomen, das für das Demotische exklusiv w äre, sondern eines, das sich auch in hieratischen Handschriften findet. 528 Die Schreibung eines Wortes wird unetymologisch genannt, wenn sie Zeichen oder Z eichengruppen kombiniert, mit den en n ormalerweise andere Lexeme n otiert werden. Diese Lexem e sind entweder den Silben des eigentlich gemeinten Wortes oder dem gesamten Wort p h onetisch ähnlich, haben aber selbst eine völlig andere Bedeutung und stammen aus einer anderen Wurzel. Bevor die Diskussion über die Funktion bzw. Intention der unetymologischen Schreibungen zusammengefaßt werden soll, seien diese an einigen Beispielen illustriert.529 D emotische Schreibung

52,5

5ZI

528

52)

wörtliche Bedeutung Pt~ f.lr snfy „Ptah, der Blutmacht"

gemeinte Bedeutung Pt~ rsy fnbi„Ptah, der südlich

seiner Mauer ist"

E dition : VITTMANN, E nchoria 28, 105- 136. D iskussion der Funktion: STADLER in: Soknopaiou Neros Pro;ect I (2003-2009) Zum Thotbuch siehe S. 177 ff Z.B. P apyrus MMfl. 35.9.2 1 XL-LVI (spätes 4. Jh. v . Chr., G OYON, Le Papyrus d'Imouthei Fils de Psintaes au Metropolitan Museum o/ A rt de New York (Papyrus MMA 35. 9. 2 1). SM!TH, Traversing E ternity, 152- 166). Die Beispiele und deren Deutungen sind folgenden Publikationen entnommen: HOFFMANN in: Aci:s- of the Seventh International Confarence of Demotic Studies, 219-228. WIDMER in : Teb!Jnis und Soknopaiu Neros, 171- 184. WIDMER in: Agyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit Siehe auch: SMITH, Traversing Etemi!J, 393 f, 655-662, STADLER in: The Disappearance o/ W riting System,, 157181.

4 Ritualtexte

120

1.lr...,~

tS „Gau, Provinz"

(2)

(3)

1'!>~ u.t,c(.'..,~

/Jr-ry.t f;r-ib-Jp „unter dem Raum in der Ivfitte des Obersten"

priester"

f;nf sy „Erster des

f;nfs „sich freuen"

(4)

-~~v' ~ .. .

(5)

J-4.,,~4

c0

r~.-r ....

(7)

,l'i -Gt: :r::-'11

1, ~ -

t, s „Land des Sees" (= Fayum) /Jry-f;b. t f;ry-tp „Obervorlese-

Sees"

s, f;w. t-ntr „Phyle des Tempels" oder „Schutz des Tempels"

sf;-ntr „Gotteszelt"

s.t f;w.t-n/r „Ort des

sf;-ntr „Gotteszelt"

Tem pels"

f;sm(n) mr. w „mr-

f;s. wy mr. wy „Wie gepriesen,

Natron"

wie geliebt!"

Beispiel 1 (Handkopie, kein Facsimile) ist eine häufige Schreibung eines PtahEpithetons, die in demotischen Texten verschiedener Art weit verbreitet ist.530 Die demotische Standardschreibung für Beispiel 2 (ebenfalls eine Handkopie) könnte )LJJI sein, stattdessen wird eine andere Form gewählt. Beispiel 3 ergäbe

r1

keinen Sinn in seinem Kontext, sollte es wörtlich genommen werden. Nr. 4 (Facsimile) schreibt ein Wort, das sonst im Demotischen nicht belegt ist, indem es zwei Wörter zu einem dritte Wort kombiniert. Nr. 5 und 6 (Facsimilia) sind genauso gebildet, doch sind fürs~ ,,Zelt" in funerären demotischen Texte Schreibungen mit Einkonsonantenzeichen durchaus belegt, weshalb also die hier gewählte Schreibung wie in Beispiel 2 nicht zwingend ist. Beispiel 7 (Handkopie) setzt wiederum die mittelägyptische, im Demotischen nicht mehr aktiv gebrauchte exklamatorische Form des Adjektivs mit zwei Wörtern um, die aus einem gänzlich anderen Bereich stammen, aber gewisse Assonanzen mit der intendierten Bedeutung haben. Für die meisten der am Anfang dieses Abschnittes genannten Texte, aus denen die gewählten Beispiele stammen, konnten ältere Vorlagen oder wenig stens Indizien dafür nachgewiesen werden. Daraus ist möglicherweise zu schließen, daß ein wesentlich älterer Text, der unter Beibehaltung der archaischen Wörter und alten Grammatik in eine jüngere Schrift umgesetzt wurde, sich dieser unetymologischen Schreibungen bediente, um die korrekte Aussprache sicherzustellen. Dann ist aber zu fragen, warum die Wörter nicht mit Einkonsonantenzeichen geschrieben wurden, wie etwa die demotischen G lossen in den hieratischen Handbüchern priesterlichen W issens. 531 Etwas später greifen die Schreiber im magischen Papyrus London-Leiden (P. Magical) auf griechische Buchstaben zurück, um in Glossen die 530

531

QUAEGEBEUR in: Livre du centenair~ 1880-1980, 61- 71. DEVAUCHELLE in: Egypttan Religion - The Last Thourand Years, 591 f 0S!NG, H ieratische Papyri aur Tebtunis I

Exkurs: Das Phänomen der unetymologischen Schreibungen

121

Aussprache bestimmter Wörter anzugeben. 532 Auf der Holztafel Louvre E 10382 (S. 106), von der vermutlich im Kult der Text abgelesen wurde und deren graphische Gestaltung somit möglichst genau den Klang der Wörter abbilden sollte, ist der Text ebenfalls hauptsächlich mit Einkonsonantenzeichen geschrieben. Unetymologische Schreibungen müssen also unterschiedlich motiviert sein, und so ist eine terminologische Differenzierung vorgeschlagen worden:533 Sie dienen in einem Teil der Fälle dazu, die korrekte Aussprache eines altertümlichen Wortes zu notieren, für das es keine etablierte Darstellung in der d=otischen Schrift gab, weil es in der Alltagssprache nicht mehr geläufig war. Es handelt sich dann um phonetische Schreibungen, die durch die sprachhistorische Entwicklung notwendig geworden sind. Mitunter wird - wie übrigens durch die gesamte Überlieferungsgeschichte religiöser ägyptischer Texte hindurch - ein altes Wort auch nicht mehr korrekt verstanden, dann durch ein ähnlich klingendes ersetzt und so dem T ext eine neue Bedeutung gegeben. Solche Reinterpretationen können zu neuen mythologischen Traditionen führen und die Religion fortentwikkeln. Als unegmologische Schreibungen werden von Widmer diejenigen bezeichnet, die dazu zu dienen scheinen, d= Text eine zusätzliche Bedeutungsebene zu geben. Die Wortkomponenten bieten zusätzliche Assoziationen, die sich religiös interpretieren lassen. 534 Die demotische Schrift folgt damit dem Vo rbild der Hieroglyphen in ptolemäisch-römischer Zeit, die ebenfalls durch ihre graphische G estaltung über den bloßen Wortlaut und ihre Stilistik hinaus weitere mythologische Aussagen transportieren - ein Phänomen, für das im Bereich der Hieroglyphen der Begriff „visuelle Poesie" geprägt wurde535_ Damit gehörten die Beispiele 1 und 3 in die Kategorie a, denn es ist schwerlich möglich, aus den gewählten Graphien eine weitere religiöse Symbolik herauszulesen, zumal das Beispiel 1 auch in nicht-religiösen Quellen vorkommt, in denen eine Kodierung zusätzlicher Informationen nicht vorrangig war. Bei Beispiel 2 ist der Fall weniger klar, weil es eine normale demotische Schreibung dafür geben könnte. Ist das „Seeland", also das Fayum, als Gau schlechthin gemeint, weil hier nach fayumischer Vorstellung die Weltschöpfung begann? ,,Sich freuen" mit einer Gruppe zu schreiben, die zunächst an Sobek als den Ersten des Sees und damit den Hauptgo tt des Fayum denken läßt (Beispiel 4), kann als Ausdruck der beson532

533 534

535

GRIFFITH, TuoMPSON, The Demotic Magica! Papyrus of London and Leiden. (Zu d iesem T ext außerdem: DIELEMAN, Priestr, Tongues, and Rites.) WIDMERin: Resseveraverumgaudium, 651-686. SMITH, Traversing Eterni;y, 392. WIDMER in: Tebtynis und Soknopaiu Nesos, 171-184. WIDMER in: Agyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit. M ORENZ in: Agyptische Mysterien~ 77- 94. ID., S.AK 32, 311- 326. D ann das an sich für Ägypten wenig außergewöhnliche, vielmehr selbstverständliche Konzept auf knapp 300 Seiten nochmals, Jedoch in emer Reihe von Fällen spekulativ über das Z iel hinausschießend, ausgebreitet: MüRENZ, Sinn und Spiel der Zeichen.

122

4 Ritualtexte

deren Frömrnigkeitsbeziehung zu Sobek gewertet werden. In Nr. 5 wird das Gotteszelt, in dem nach dem Mythos Osiris balsamiert wurde, als Ort des Schutzes und Heiligtum (Nr. 5) dargestellt, denn durch die Balsamierung wird dem Gott in einer Situation besonderer Verletzlichkeit Schutz zuteil, oder die Gruppe der Ritual ausführenden Priester (Phyle) betont ihre besondere Eingebundenheit in den Kult um Osiris. Nr. 6 könnte dieses Gotteszelt als Urform eines Heiligtums implizieren. Beispiel Nr. 7 spielt durch seine graphische Gestaltung auf Substanzen der Balsamierung an, die für Osiris eine wohltätige Wirkung entfalten sollen, indem sie den Leichnam in ein verehrungswürdiges Bildnis umwandeln. Deshalb scheinen sie auch geeignet zu sein, ,,Wie gepriesen, wie geliebt!" auszudrücken. Einzelne unetymologische Schreibungen sind also eine Form, die zur religiösen Spekulation anregen sollen, um den Leser zur Reflexion über Inhalte zu animieren. Alternative Interpretationen sind durchaus denkbar. So akzeptieren manche das Konzept der unetymologischen Schreibung als „visuelle Poesie" grundsätzlich nicht und vertreten kategorisch die Auffassung, es handele sich ausschließlich um phonetische Schreibungen.536 Die Diskussion zu detailliert zu führen erscheint mir aber zu früh, denn solange nicht die Editionen umfassenderer unetymologischer oder phonetischer Texte - am besten solche mit hieroglyphischen oder hieratischen Vorlagen vorliegen und die Argumente für und wider eine terminologische Differenzierung aufgrund dieser Quellenbasis sorgfältig geprüft sowie etwaige Regeln oder Mechanismen erkannt wurden, bleiben alle Beiträge lediglich recht subjektive Eindrücke.

4.3 D AS APIS-BALSAMIERUNGSRITUAL Gegenüber dem Täglichen Ritual von Dime und der liturgischen Sammelhandschrift des pBerlin P. 6750 mit ihren Rezitationstexten, aus denen hauptsächlich durch ihre Zusammenstellung ein kultischer Handlungsrahmen rekonstruiert werden kann, ist das Apis-Balsamierungsritual frei von Rezitationstexten, d.h. Hymnen und Verklärungen, und eine technische Anleitung zur Balsamierung des Apisstieres. Der Apisstier wurde als Inkarnation göttlicher Macht nach äußerlichen Kriterien (Fellzeichnung) ausgewählt und lebte im T empel von Memphis. Bei seinem Tod wurde er sorgfältig balsamiert, und die Stiermumie in der Gruft der Apisstiere, dem Serapeum, in Saqqara beigesetzt. D as Ritual ist in einer Handschrift überliefert, die hieratisch und demotisch geschrieben wurde. Eine Kolumne befindet sich in Zagreb und der anschließende größere Teil in Wien, weshalb der Papyrus in Zukunft als Papyrus Zagreb 5972+Papyrus Kuns thistorisches Museum Wien KHM 3873 (zwischen 150 und 100 v. 536

Z.B. QUACK, Die demotifche und gräko-ägyptische Literatur, 2 f. Io . m: Tradition and Transformation, 333-336.

4.3 Das Apis-Balsamierungsritual

123

Chr.) zitiert werden muß.537 Die letzte, grundlegende Edition stammt von Vos, der pZagreb 597-2 offenbar nicht kannte und der zahlreiche lexikalische und interpretative Probleme im Rahmen der Arbeit an dem Papyrus durch eine praktische Umsetzung klären konnte. Mit anderen Worten: Vos hat selbst die Balsamierung an einem Stierleichnam vollzogen und sich die Anweisungen des pWien KHM 3873 als Leitfaden genommen.538 Genügend Probleme blieben, die ägyptischen Fachtermini für Mineralien, Pflanzen, Körperteile, Gefäße und Textilien richtig zu verstehen.539 Die Erklärung, die Vos für die Kombination zweier Schriften gegeben hat - hieratisch seien die religiösen Texte, demotisch seien Handlungsanweisungen geschrieben-, wurde von Quack abgelehnt, da der Text ausschließlich eine technische Anleitung sei. Aktiv ist ein Vorlesepriester, der die Geräte aufzählt, die im sst-Gebäude (u.U. das Gebäude, in dem die heiligen Tiere gehalten werden) gebraucht werden und beschreibt ihre Verwendung. Häufig heißen sie Geräte „des ersten Tages". Danach wurde der Leichnam auf einen Sandsockel im sst gesetzt, um darauf den Vorlesepriester sowie den Obersten der Geheimnisse (!Jry sst,) zu holen, der das Ritual leitete. Nun wurden erste provisorische Maßnahmen vollzogen (z.B. Wicklung, Einreibung mit sgn-Öl, Auskleidung des Mauls mit Stoffen und Myrrhe, Säuberung des Anus), der Leichnam auf ein stoffbezogenes Bett gesetzt und in einen Holzsarg gelegt. Die gebrauchten Materialien und Abfälle kamen in Schreine (k,). Eine Prozession führte den Leichnam aus dem Stall hinaus zum Reinigungszelt am heiligen See, wo die Balsamierungsabfalle auf eine Barke gebracht wurden, um sie später rituell vielleicht in einer Erdgrube abzulegen. Im Reinigungszelt wurde die Mundöffnungszeremonie540 am Stier vollzogen, der dann zur Balsamierungshalle (w(b. t) gebracht wurde. Der Oberste der Geheimnisse zählt die Objekte auf, die im Sezierraum gebraucht werden. Die folgenden, heute verlorenen Kolumnen haben vermutlich das Ausweiden des Stieres, seine Behandlung mit Natron, P ech und Ölen beschrieben. Auf dem Verso, dessen erste Kolumne mit den Blättern verlorengegangen sind, auf denen die letzten Kolumnen des Recto gestanden haben, sind dann die Arbeiten am Kopf des Stieres und dann in der Bauchhöhle und Tätigkei-

537

538

539

540

Vos, TheApis Emba!ming F.itua!. P. Vindob. 3813. URANIC, Aegyptnca Zagrabiensuz, 190 f. lvfEYRAT in: Agyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit. In den Aufsätzen von Quack (siehe Anm. 539) wird versehentlich von pWien D. 3873 gesprochen, was eine Inventamummer der Papyrussammlung der Österre1ch1schen Papyrussammlung wäre. Es empfiehlt sich, von pWien KHM 3873 bzw. p Zagreb 597-2+pWien KHM 3873 zu sprechen, um Verwechslungen zu vermeiden. Eine ähnliche Verbindung von hieratischer und demotisch er Schrift findet sich Funerärpapyrus der Artemis (pLouvre N 3135+pWien KHM 3871), siehe S. 153. Vgl. auch die paläozoologischen Untersuchungen an einer antiken Stiermumie, die sich allerdings dann als Mumie eines Ochsen erwies: BOESSNECK, Die M ünchner Ochsenmumie. HOFFMANN, BiOr 52, 581- 589. QUACK, Enchoria 21, 186-191. ID., Enchoria 22, 123-129. Io., Enchoria 24, 43- 53. Zur Mundöffnung vgl. auch S. 136 ff.

124

4 Ritualtexte

ten bis zum 12. und 16. Tag erwähnt, also spätere Phasen der Balsarnierung. Da diese teilweise die provisorischen Maßnahmen wiederholen, war vermutet worden, es handele sich am Anfang um eine Art Zusammenfassung dessen, was folgt. Tatsächlich handelt sich aber um unterschiedliche Phasen des Rituals.

4.4 C HOIAKMYSTERIEN BUCH 7

Dem Apis-Balsarnierungsritual und den Choiakmysterien ist gemeinsam, daß es sich um eine Handlungsanleitung zu einem Kult handelt, in denen die vielen Bezeichnungen der Geräte, Materialien und Substanzen besondere lexikalische Schwierigkeiten bereiten. Der Text zu den Choiakmysterien ist als 159zeilige hieroglyphische Inschrift in der ersten östlichen Osiriskapelle auf dem Dach des Tempels von Dendera verzeichnet.541 Sie läßt sich in sieben in der Ägyptologie „Bücher" genannte Abschnitte unterteilen, wobei die Analyse der Sprache unterschiedliche Entstehungszeiten vermuten läßt:542 Die Bücher 1-5 gehören vermutlich in das Mittlere Reich, teilweise eventuell schon (erstes Buch) in das späte Mittlere Reich, da sich hier der bestimmte Artikel (p;, t;, n;) und der Possessivartikel des Typs p,y=f findet. Das sechste Buch jedoch ist vielleicht in der Phase von der Zweiten Zwischenzeit bis zur 18. Dynastie entstanden, da hier der Konjunktiv, der Circumstantialkonverter iw und neuägyptische Lexeme nachweisbar sind, während das siebte Buch in demotischer Sprache verfaßt ist. Das zeigen das Futur III ohne die ausgeschriebene Präposition r, der Konjunktiv, das Suffixpronomen der dritten Person Plural =W für „man" bzw. das Passiv, die Bildungsformen der Präpositionen von r und ~r mit Suffixpronomina (status pronominalis) und schließlich demotische Lexeme an. D as muß aber nicht heißen, daß die Inhalte erst in der Spät- bis Ptolemäerzeit entstanden sind. Im Titel des siebten Buches heißt es nämlich: r!J sst; n mn n s(!m di.n iti n s,=f „ Kennen des Geheimnisses, ohne (es) zu sehen, ohne (es) zu h ö ren, welches der Vater an den Sohn weitergegeben hat"543 Das ist als Hinweis auf ein Aufzeichnungs tabu der Inhalte und eine längere vorausgehende mündliche Überlieferung gewertet worden, die dann offenbar erst spät und dann in der gerade aktuellen sprachlichen Gestaltung verschriftlicht worden sein soll. Dies erkläre die 541

542

543

Dend X 26-50. CHASSINAT, Le 1J!YStere d'Ostris au mois de Khoiak CAUVILLE, Le temple de Dendara Le! d:iape!les osiriennes. Transcriptwn et traduawn, 14-28. EAD., Le temple de Dendara - Les chape!les osiriennes. Commentaire, 220- 224. Weitere Literatur bei: LEITZ, Que!!entexte Zf!Y ägyptisd:ien Religion I, 134. QUACK in: Das Heilige und die War~ 325- 331, zu möglichen agranschen Ursprüngen d es Rituals. ID. in: A ncient Egyptian Demono!ogy, 129-1 50, zu den Choiakritualen ähnlich en Praktiken im mag ischen, hieratisch -demotischen p Louvre E 3229. QUACK in: Proceedings if the Seventh Intematzona! Congress if Egypto!ogists, 921- 930. Dend X 46, 5 f CHASSINAT, Le mystere d'Osiris au mois de Khouik, 779- 781. Vgl. auch zur Wissensvermittlung bei Priestern QUACK in: Genealogie, 98 f.

4.4 Choiakmysterien Buch 7

125

demotische Grammatik dieses Buches.544 Auf den ersten Blick erscheint das plausibel, doch ist der Titel diesbezüglich mindestens widersprüchlich. Wie kann es eine mündliche Überlieferung geben, ohne daß es jemand hört? Ferner würde sich die Inschrift selbst als Tabubruch ausgeben. Der Titel ist also nicht dafür geeignet, ein absolutes Aufzeichnungstabu zu belegen, und damit auch nicht unbedingt die demotische Sprachform des siebten Buches zu erklären. N m;; n sdm ist zwar ein häufiger Ausdruck für besondere Geheimhaltung,545 aber es geht um eine Eingrenzung des Informationsflusses auf bestimmte Kreise, die genauso gut schriftlich und damit potentiell historische Sprach.formen konservierend erfolgen konnte. Wie dem auch sei, die in Dendera überlieferte Inschrift besteht aus Einzeltexten, die verschiedene Verfasser zu verschiedenen Zeiten vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ritualpraktiken geschrieben bzw. ausformuliert haben. Das Alter der Choiakmysterien selbst, also eines für die Unterweltsgottheiten Osiris und Sokar gefeierten Kultes, ist unbestritten. Denn bereits aus dem Mittleren Reich liegen Quellen zu abydenischen Osirismysterien vor.546 Der Name der Mysterien hat sich in der Ägyptologie aufgrund des Zeitpunktes eingebürgert, zu dem die Kulthandlungen vollzogen wurden, nämlich der Monat Choiak. Es geht im Dendera-Text um die Herstellung zweier Figuren, von denen die erste Sokar repräsentiert. Nach ihrer Modellierung erfährt sie eine siebentägige Balsamierung vom 16.-23. Choiak, wird in die „obere K.rypte" (sfy. t J:!ry. t) überführt und dort für ein Jahr aufbewahrt. Danach wird sie zu einem „oberes Busiris" genannten Ort weitertransportiert, wo sie sieben Tage auf den Zweigen einer Sykomore (24.-30. Choiak) ruht, um schließlich in einer Höhle unter lschedbäumen beigesetzt zu werden. Die zweite Figur stellte Chontamenti, also Osiris als Ersten der Westlichen, dar und wurde aus Sand und Getreide geformt. Sie machte vom 12. bis 21. Choiak eine Keim- und Wachstumsphase durch, wurde am 22. Choiak in einer Prozession auf dem heiligen See mit 34 Barken und 365 Lampen transportiert und am 24. Choiak ebenfalls in die sfy. t J:!ry. t verbracht, wo sie ein Jahr blieb. Dann wurde sie sieben Tage in einen Kasten aus Sykomorenholz gelegt und danach am Hügel der nbl_l-Pflanzen unter den lschedbäumen bestattet. Vom 24. bis 26. Choiak fanden diverse Prozessionen im Bereich des HathorTempels statt, die im Choiaktext selbst jedoch nicht erwähnt sind. 547 Einige betreffen Osiris und Sokar, eine weitere Prozession führte Hathor, Herrin von Dendera, und ihre N eunheit zum Dach der großen Halle, wo eine Vereinigung mit der Son-

544 545 546

547

v. LIEVEN in: Res severa verum gaudmm, 386. Siehe dazu 11EEKS, My the, et !,fgende, du Delta d'apres !e papyrus Brookiyn 47.2 18. 84, 45. PRIES, Die Stundenwachen im Osirisk u!t 17-19, mit der wesentlichen Literatur in Anm. 63. Außerdem LEPROHON in: A rchaism and innovatwn 277- 293 (mit der einschlägigen Literatur zu Stele des Seh etepibre CG 20538). Zur Stele Lo uvre C 15 siehe MüRENZ, Smn und Spie! der Zeu:-hen, 90-99, mit weiter führen der Literatur. D end IX 163, 4-6 und 202, 2-4. CAUV ILLE, Le temple de D endara - Les chape!!es osiriennes, 223 f.

4 Ritualtexte

126

nenscheibe ermöglicht werden sollte, um danach wieder in ihrem Tempel zu ruhen. Die Götterdarstellungen wurden also zu dem Ort gebracht, an dem die Texte auch aufgezeichnet sind. Es geht aber nicht ausdrücklich aus dem Festkalender von Dendera hervor, ob auch die Chontamenti- und Sokarfiguren zum Dach gebracht wurden. Die Kulthandlungen schlossen mit dem Aufrichten des osirianisch zu deutenden Djedpfeilers ab. Der Dendera-Text macht darüber hinaus Angaben über Varianten der Mysterien in anderen Osiriskultorten und ist somit eine herausragende religionshistorische Quelle zur Praxis der Osirisverehrung.548 Sie ist jedoch, wie b ereits gesagt, prim är technisch und ähnelt somit dem ApisBalsamierungsritual, da sie die im Ritual zu verwendenden Objekte nach Materialien, Größe, äußerer Form und Name beschreibt. Vielmehr nennt der Text lediglich die Titel der entsprechenden Kompositionen. So heißt es nach einer Beschreibung der Ritualhandlungen: [Jry-f:ib. t f:iry-dp f:ir sd. t n. w n. w srd s!J. t ml nty. w r f:ib. t ,,Der oberste Vorlesepriester rezitiert die Sprüche des Befruchtens des Feldes entsprechend dem Festritual."549 Auf d er anderen Seite werden aber die Handlungen mythologisch erläutert, z.B.: „Wa,; die sieben Tage angeht, die dieser Gott nach dem Fest seiner Beerdigung verbrachte ohne

seine Anlandung darin, angefangen vom 24. Choiak bis zum 30. Choiak: Nun, dieser Gott ruht auf den Zweigen einer Sykomore am T or des oberen Busiris für diese siebe n T age, die er im Leib seiner Mutter Nut verbrachte, als er empfangen wurde. Ein Tag steht für einen Monat, die Sykomoren(zweige) für Nut."550

Mit den Choiakmysterien geht es um einen Text, der in gewisser Weise den Übergang zu den im folgenden Kapitel zu behandelnden Quellen der Totenliteratur vorbereite t und der auch deshalb am E nde des Ritualkapitels b ehandelt wird. Denn die Rezitationstexte de r Choiakmysterien sind eventuell aus den Handschriften zu rekonstruieren, die im Funerärkontext überliefert sind. Einige der dort zusammenzufassenden Quellen gehörten ursprünglich in den Osiriskult und wurden dann sekundär für den Totenkult adaptiert, teilweise sogar Ritualhandschriften durch Hinzufügung d es Namen s eines Verstorbenen zu Totentexten umfunktioniert oder die Ritualtexte für ein en Sterblichen abgeschrieb en.551 Das siebte, in demotischer Sprache verfaßte Buch ist die dritte ausführliche Variante eines Rezepts zur H erstellung einer Masse, aus der die Sokarfigur gem acht

548 549 550 551

Details diskutiert Q UACK, WdO 31, 5-18. Dend X 36, 4 f CHASSINAT, Le mystere d'Osiris au mois de Khoiak, 528 f Dend X 41, 9-12. C HASSIN AT, Le !J!JS!ere d'Osiris au mois de Khoiak, 757 f SMITH, Traversing E ternity, 61--65, 135-138, 651, 653. Z.B. ist auf den Kol. XVIII-XXV des für Imhotep, Sohn des Pascherientaihet, geschriebenen plAlv[A 35.9.21 das Ritual der Verklärung des Osiris in der Nekropole, n.t-' s,~ Wsir m /Jr.t-nfr, verzeichnet (SMITH, Traversing Eternit;;, 135-151). Auch pLondon BM EA 10507 I (siehe hier S. 139 ff.) ist ein T ext, der gut bei den Choiakmysten en hätte rezitiert werden können. Außerdem das Ritua/2 Sokar aus dem Schrein heraurZ14bringen (FEDER in: Hommage aJean-Claude G((Jon, 151-164, mit weiterer Literatur).

4.4 Choiakmysterien Buch 7

127

werden soll. Diese Masse bestand u.a. aus Dattelpaste, Erde, Wasser aus dem Anedjti-Kanal und dem heiligen See. Außerdem schildert der Abschnitt die Behandlung der Figur, also die Reinigungen, die Balsamierung mit Ölen, Myrrhe, ihre Einwicklungen und den Transport zur n-st,w genannten Nekropole, wo die Figur wohl bestattet wurde. Sowohl Sokar-Osiris-Figuren, die bislang alle vermutlich vom Giza-Plateau stammen, als auch Bauten für deren Bestattung in Karnak und Oxyrhynchos sind archäologisch belegt und illustrieren den textlichen Befund. 552

552

Z u d en Figuren: M INAS-NERPEL, MDAIK 62, 197- 213. Z u d en Best attungsbauten vor allem in Karn ak, aber auch in Oxyrhyncho s: AMER in: Le ctdte d'Osiris au Ier mil!enaire av. J.-C, 269-282. CüUL0N, LECLERE, MARCHAND, CRIPEL 10, 205- 238. CüUL0N, LECLERE in : Procr,edings of the Seventh International Congress of Eg;pto!ogists, 649- 659. C0UL0N in: Les objets de ta memoire, 15--46. (Dazu Modifikationen von V. LIEVEN, ]Ai'JER 11, 220.) ID. in: E t maintenant ce ne sont plus que des vi!tages, 17-31. C0UL0N m: Ag;pten z;vischen innerem Zwist und außerem D ruck, 77- 91. LECLERE, EA 9, 9-12. ID. in: Eg;ptolog; at the Dawn ofthe Twenty-jirst Century, 295-303. MATHIEU, COLLOMBERT, BIFAO 102, 565. P ADR0 et al., Aula Orienta!if 20, 147-161.

5 Totenliteratur: Rituale und Texte für das Jenseits

Die Totenliteratur wird hier vom vorherigen Kapitel getrennt behandelt, auch wenn die einzelnen Vertreter ebenfalls zu den Ritualtexten zu zählen sind und von den Tempelritualtexten abstammen mögen bzw. durch die gesamte ägyptische Religionsgeschichte hindurch ihre große verwandtschaftliche Nähe bewahrt haben.553 Insofern mag diese Aufteilung problematisch sein, wurde jedoch aus pragmatischen Gründen gewählt. Im Detail wird darauf unter 5.4 Zusammeefassender Überblick Z!4' Totenreligi,on im ptofemäisch-riimischen .Agypten (S. 152 ff.) eingegangen werden. Das doch recht üppige Material hat Mark Smith in einer umfangreichen Anthologie vorgelegt, in der der Großteil der Totenliteratur der ptolemäisch-römischen Zeit, gleichgültig ob hieratisch oder demotisch notiert (nur hieroglyphische Texte wurden ausgeschlossen), in einer Neuübersetzung mit auf die einzelnen Texte hinführenden Einleitungen zusammengestellt worden ist.554 Anders als Mark Smith, der nach ursprünglich für den Tempel bestimmten Ritualen und nach für Verstorbenen geschriebenen Texten unterscheidet, ist das Corpus hier in traditionelle Texte, jüngere Kompositionen und Kurztexte untergliedert worden. Die Unterscheidung in traditionelle und jüngere Texte soll nicht implizieren, daß die sogenannten ,,späten Kompositionen" völlig neue Ideen oder Konzepte bringen, die sich in älteren Quellen nicht belegen lassen, sondern lediglich andeuten, daß es auf der ein en Seite bis zu Jahrtausende alte wohlbekannte T exte gibt, die in die demotische Schrift transkribiert oder ins Demotische übersetzt wurden, und daß auf der anderen Seite Autoren aus dem alten Fundus an totenreligiösen Vorstellungen schöpfen und daraus neue Totenliturgien formulieren, die in dieser Gestalt keine unmittelbaren alten Vorlagen haben. In der hier gewählten Gliederung ist es vielleicht dem Leser möglich, eine historische Entwicklung zu erahnen, wenngleich sie nicht explizit thematisiert w erden soll. D erzeit b esteht keine Einigkeit darüber, ob ein e solche Entwicklung zu bestimmen ist oder nicht. Es ist dies also ein noch zu leistendes Forschung sunternehmen, das jedoch systematisch angegangen werden muß. 555 Das einschlägige Quellenmaterial aller altägyp tischen Epochen wurde v on A ssmann danach klassifiziert, ob es für den T o ten als Rezitationstext im Rahmen ein es Bestattungsrituals verwende t wurde oder ob es d er T ote selbst im J enseits gebrauchen sollte. A ssmann nannte alles, was während d es Kultes um den Verstorbenen gesprochen oder vorgelesen wurde, in einem englisch geschriebenen Aufsatz „mortuary liturgies", während „funerary literature" als m agische Handbücher das textliche Rüstzeug zusammenfaßte, das mit ins Grab gegeben wurde und

553

Vgl.

554 555

SMITH,

Totenbuch-Forschungen, 73- 86. Traversing Eternity. Siehe dazu S. 152 ff GEE in:

5.1 Traditionelle Totenliteratur in demotischer Schrift

129

ihm im Jenseits zur Verfügung stehen sollte, um die Gefahren auf dem Weg dorthin zu bannen und ein glückliches Leben daselbst zu sichern.556 Ziel der Unterscheidung war, die heute verständlichen Ritual texte (mortuary litu,gies) von den bislang unverständlichen Zaubertexten (Junerary texts) zu trennen. 557 Da das Deutsche nicht die Möglichkeit zu einer solchen begrifflichen Differenzierung bietet, führte er hier „Totenliturgie" für mortuary litu,gies und „Totenliteratur" für funerary texts ein. Doch auch für Muttersprachler des Englischen scheinen diese Wortwahl und der der damit verknüpfte Versuch zu differenzieren nicht eindeutig zu sein. Denn in der englischen Übersetzung von Assmanns Buch Tod und Jenseits im Alten Agypten, die der Ägyptologe David Lorton erstellte, wurde „Totenliturgie" als „mortuary liturgy" und „Totenliteratur" als „mortuary literature" übersetzt.558 Die Unterscheidung mit der geannten Zielsetzung ist darüber hinaus unproduktiv, denn derzeit unverständliche Texte sollten besondere wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Anstrengung auf sich ziehen, sie zu verstehen.559 Außerd= kann eine Trennlinie zwischen beiden Bereichen n icht sauber gezogen werden:560 Die T exte sind wandelbar in ihrer Funktion, weil ein Ritualtext zu Grabausstattung mutieren kann, also zur magischen Ausrüstung eines Verstorbenen wird. Der Assmannschen Definition entsprechend änderte sich folglich eine Totenliturgie in Totenliteratur. Heute würden wir also mit den Texten in diesem Zustand zu tun haben, weil die Zeugen aus d= Grabkontext stammen, auch wenn einzelne von ihnen usurpierte Ritualpapyri aus einem T=pelarchiv sind oder ihre Inhalte aus dem T=pelmilieu adaptiert wurden. Die Unterscheidung läßt sich auch nicht mit d= Verweis auf primäre oder sekundäre Verwendung retten, denn die darin implizierte Hierarchie der Gebrauchsumstände ist den Texten fr=d. Sowohl die Verwendung als Rezitationstext während einer Bestattungszeremonie als auch als Grabausstattung sind gleichermaßen relevant und sogar eng miteinander verknüpft. Sie bedingen nämlich einander, sollen die Inhalte im Jenseits die erwünschte Wirkung entfalten. Deshalb sollte die Differenzierung aufgegeben werden.

5.1 T RADITIONELLE T O TENLITERATUR IN DEMOTISCHER SCHPJFT

5.1.1 Sammelhandschrift Papyrus Oxford Bodl. MS Egypt. a. 3 (P) D e r Großteil dieser m ehrere Kolumnen umfassenden Handschrift war lange allein durch ein en Vorbericht von Mark Smith b ekannt, in dem er einen kurzen Über556 557 558

559 560

ASSMANN in: Studies in Egypto!ogy, 1-45. AssMANN, Tod und j enseits im Alten Agypten, 312- 339. AssMANN, Death and Salvation in Anci.ent Epp~ 237- 252. STADLER, Weiser und We,ir, 42 f. SMITH, Traversing Eternity, 209-214.

130

5 Totenliteratur

blick über den Textbestand des Papyrus gibt, ist jetzt aber über diverse Abschnitte verteilt in seiner Anthologie größtenteils in einer englischen Übersetzung veröffentlicht worden.561 Über abgewaschene Abrechnungen und Zahlungslisten wurden verschiedene Ritualtexte geschrieben. Nach 166 hieratischen Zeilen des Rituals, Sokar herausZfibringen folgen vier Kolumnen mittelägyptischen Textes in demotischer Schrift.562 Diese untergliedern sich in vier verschiedene Kompositionen, die Opferlitaneien, Liturgien oder Opferrituale sind, und sich an Osiris, den Ersten des Westens, allein oder an diesen und den Verstorbenen wenden. Dabei ist nach Smith für die erste Opferlitanei n och keine Parallele bekannt. Zur folgenden Liturgie gibt es über 40 Parallelen, deren älteste in die Zweite Zwischenzeit datiert. An sie schließt sich ein Text an, der dem Opferritual nach dem sog. Ritual for Amenophis I. ähnlich ist. Der vierte Abschnitt ist eine Liturgie, die die Pyrarnidentextsprüche 25 und 32 kombiniert - zwei Sprüche, aus denen sich eine Opferliturgie mit einer langen Tradition entwickelte und die auch T eil der S tundenwachen in der EdfuVersion sind. 563 D er fünfte T ext steht auf einer eigen en Kolumne und ist die demotische Version eines Totenbuch-Spruche s.564 Passagen aus dieser H andschrift lassen auch die teilweise problematische hieroglyphische Beschriftung eines Sarges in Form eines Mumienbettes (Berlin Äg. Inv. 12442) besser verstehen, zu der sich in diesem demotischen Papyrus Parallelen finden. 565

5.1.2 Totenbuch

Das ägyptische Totenbuch ist in der Ägyptologie seit der Publikation einer Turiner Handschrift der ptolemäischen Zeit durch Lepsius im Jahre 1842 als ein Co rpus von Sprüchen zum jenseitigen G ebrauch bekannt. 566 Es ist vom Anfang des N euen Reiches an in zahlreichen Handschriften bis in die ptolemäische Z eit hinein überliefert. Viele Sprüche gehen ihrerseits in wesentlichen Teilen auf Spruchgut zurück, das bereits in den Sargtexten enthalten ist, d.h. dem Corpus, das aus den auf den Särgen der Elite des Mittleren Reiches verzeichneten T exten rekonstruiert wurde. Die im Totenbuch zusammengefaßten Texte sind damit die wohl am b esten dokum entierten religiösen Ko mpositionen Ägyptens, wob ei nicht alle Sprüche gleichermaßen häufig erhalten sind. In ihrer langen Überlieferungsgeschichte unterlagen

561 562 563 564 565

566

SMITH, T raversing Eternity, 393- 394 (Paralleltext pStraßburg 3 versa x+ VII), 650--662 Zum Ritual, Sokar herausZJlbringen siehe FEDER in: H ommage a Jean-Oaude Goyon, 151-164. PRIES, D ie Stundenwachen im Osiriskult. Sieh e dazu den folgen den Abschnitt 5 1.2 Totenbuch. R eferat von Mark Smith auf dem 11. internationalen D emotistenkongreß in Oxford am 3. September 201 1 zu KURTH, Materialien Z}tm Totenglauben im romerzeit!ichen Ag-;pten, 138-194. L EPSIUS, Das Todtenbuch der Ag-;pter nach dem hieroglyphischen Papy rus in Turin mit einem V orworte Z}tm ersten M ale hrsg. von R. Lepsiu,,

5.1 Traditionelle Totenliteratur in demotischer Schrift

131

sie gewissen Wandlungen und Reinterpretationen und lassen so besonders umfassend die Arbeit der Ägypter mit und an ihren religiösen Texten erkennen. Die Sprüche, die Eingang in das Totenbuch gefunden haben, sind nicht unbedingt ausschließlich als Totentexte konzipiert worden, sondern entstammen mindestens teilweise dem Tempelmilieu, sind also mitunter für den funerären Gebrauch adaptierte Ritualtexte.s67 In der von Lepsius veröffentlichten Turiner Handschrift erkannte der Herausgeber 165 auch Kapitel genannte Sprüche, nach denen auch heute noch gezählt wird. In der Folge identifizierten Naville und Pleyte in ihren Arbeiten am Totenbuch noch weitere Kapitel sowohl in Handschriften des Neuen Reiches als auch der Zeit nach der 20. Dynastie und veröffentlichten unabhängig voneinander Werke, in denen sie Lepsius' Zählung fortsetzten und dabei für unterschiedliche Texte die gleichen Nummern vergaben. 568 Seither ist es notwendig, eine Naville- und eine Pleyte-Zählung für die Sprüche 166 bis 174 zu unterscheiden. Es hat sich eingebürgert, die bis 192 reichende Naville-Zählung als Standard zu nehmen und nicht eigens zu kennzeichnen, während zu den Spruchzahlen von Pleyte sein Name hinzugesetzt wird - z.B. Totenbuch 171 (Pleyte). Das Totenbuch ist im demotischen Material durch drei Sprüche, Totenbuch 15A, Totenbuch 125 und Totenbuch 171 (Pleyte), vertreten. Totenbuch 15A wurde bereits unter den Hymnen besprochen. 569 So mit wäre zunächst Totenbuch 171 (Pleyte) vorzustellen, der in zwei demotischen T extzeugen b ekannt ist. 570 D er eine ist Papyrus Straßburg 3, dessen Verso eine Version der demotischen Mundöffnungsliturgie zum Atmen trägt.571 An diese Liturgie ist die demotische Übertragung von Totenbuch 171 (Pleyte) angehängt. Da die Mundöffnung am Grabeingang vollzogen wurde, könnte jener Befund Totenbuch 171 (Pleyte), der zum Entzünden einer Fackel zu rezitieren war, den letzten Phasen der Bestattungsriten im Grab als Verwendungskontext zuweisen. D er andere Papyrus mit einer demotischen Fassung ist püxford Badl. Ms. Egypt. a 3 (P). Beide Handschriften geben den Text in mittelägyptischer Sprache, aber demotischer Schrift wieder, die einer unetymologisch-phonetischen Orthographie folgt. 572 Totenbuch 171 (Pleyte) ist sonst nur von zwei hieratischen Papyri, pLeiden T 31 und pLouvre N 3248, bekannt, von denen einer nur in Fragmenten erhalten ist. Die vollständigen demotischen Versionen ergänzen somit die Überlieferung von Totenbuch 171 (Pleyte) wesentlich. Ihnen eignen allerdings 567

568

569 570

571 572

Zum T o tenbuch gibt es keinen eigen en, einführenden und zusammen fassenden Überblick. Sieh e ersatzweise STADLER, Weiser und Wesir, 38-47. NAVILLE, Das A egyptische Todtenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie aus verschiedenen Urkunden ZftSammengeste!/t PLEYTE, Chapitres supplementaires du Livre des M orts. Siehe S. 87 f. SMITH, Traversing Eternity, 389- 394, 650- 662. ID. in: Actes du IXe Congres Internatwna! des Etudes Demotiques, 347-359. ID. in: Agyptische Rituale der grwchisch-romischen Zett, Siehe dazu S. 136 ff Siehe dazu S. 118 ff

5 Totenliteratur

132

auch Reinterpretationen, die sich bei der Übertragung vom klassischen Ägyptisch in die d=otische Schrift ergeben haben. Manche Schreibung könnte dabei absichtsvoll gewählt sein, manche sich durch einfache Assonanz ergeben haben. D= Titel nach ist Totenbuch 171 (Pleyte) ein Spruch zum Schlagen des Kupfers als Perkussionsinstrument. Das und die auch im Tempelritual belegten Fackelentzündungen legen nahe, es mit ein= Rezitationstext zu tun zu haben, der ursprünglich aus dem Osiriskult stammt. Die Flamme, die natürlich den dunklen Ort des Rituals erleuchten sollte, hatte dabei aber auch die Funktion, Böses abzuwehren. Diesem vergleichsweise kurzen Spruch steht Totenbuch 125 gegenüber, von dem es eine Übersetzung ins Demotische gibt (d.h. Schrift und Sprache dieses Textzeugen sind demotisch). Sie befindet sich auf dem fast vollständig erhaltenen Papyrus Bibliotheque nationale 149.573 Im Kolophon des Papyrus hat der Schreiber seinen Namen - Menkara - und das Datum genannt, an dem er den Text für seinen Verstorbenen Vater Pamonth geschrieben hat.574 Dies war der 19. Oktober 63 n. Chr. Somit stellt der Papyrus aufgrund seiner festen Datierung einen wertvollen paläographischen Anhaltspunkt für andere demotische Handschriften dar, die nicht datiert sind. Der Papyrus wird auch gerne kurz das demotische Totenbuch genannt, was jedoch etwas irreführend ist. Denn in den ersten 16 Zeilen gab der demotische Schreiber eine d=otische Übersetzung aus ein= manchmal mit dem sogenannten Buch vom Durchwandefn der Ewigkeit gemeinsam tradierten Text. Das Buch vom Durchwandefn der Ewigkeit ist ab 300 v. Chr. in zahlreichen Handschriften auf Mittelägyptisch in hieratischer oder hieroglyphischer Schrift belegt. 575 Nach jenem eher allg=einen Einleitungstext folgt eine in den ägyptischen Quellen einmalige Beschreibung der Totengerichtsszene, wie sie in vielen Totenbuch-Papyri als Bild dargestellt ist. Erst daran schließt sich die demotische Übersetzung von Totenbuch 125 an. Es handelt sich dabei um die Texte, die ein Toter im Jenseitsgericht vor Osiris zu sagen hat, also das sog. negative Sündenbekenntnis, und die Antworten, die er nach der Feststellung der Sündenfreiheit auf die Fragen der Torteile, Türhüter und Thot zu geben hat, um in die Halle des Osiris eingelas573

574

575

STADLER, Der Totenpapyrus des Pa-Month (P. Bibi. nat 149). (Rezensionen: C0ENEN, BiOr 61, 499501. JASNOW, Enchoria 28, 232-236. Q UACK, WdO 35, 188-193) D iese Neuedition basiert nicht nur au f neuen Photos, sondern entgegen der Behauptung von QUACK, WdO 35, 188, auch auf der Autopsie des Originals, an dem ich das der Edition b eigegebene Facsimile erstellt habe. Ältere Literatur zum pParis Biblio theque nahonale 149 1st sowohl in der Neuedition als auch bei SMITH, T raversing Eterniry, 437- 454, zihert, der eine englische Übersetzung mit Verbesserungen gibt. Zur mächtigen Familie, zu der Pamonth und M enkara vielleicht gehörten: Tu!SSEN, ZPE 27, 181-191, bes. 189. HEREIN, Le Livre de parcourir l'iterniti, bes. 19, 31, 522. Die dortige Transliteration und Übersetzung des entsprechenden Abschnittes aus dem pParis Bibliotheque nationale 149 geht nicht über das von LEXA, Das demotische Totenbuch der Pariser N ationalbibliothek {Papyrus des Pa-Month) Geleistete hinaus, sondern bleibt hinter jenem zurück. SM!TH, Traversing Eterniry, 395-436, 438,

444 f.

5.1 Traditionelle Totenliteratur in demotischer Schrift

133

sen zu werden. Das negative Sündenbekenntnis ist eventuell aus den Eiden zur priesterlichen Reinheit übernommen worden und erst sekundär für den Gebrauch im Totengericht adaptiert worden, wobei für eine solche Annahme jedoch bislang nur Indizien vorliegen und ein unumstößlicher Beweis noch fehlt. 576 In jedem Fall umreißt es jedoch die Kriterien ethischen Verhaltens und Anforderungen an die kultische Reinheit, die sowohl für ein Leben im Reich des Osiris als auch den Tempeldienst vorausgesetzt werden.577 Auch das Examen am Tor zur Halle des Osiris betrifft mythologisches und damit für den Kult relevantes Wissen. In die Schlußrede des Totenbuch 125 ist dann noch in pParis Bibliotheque nationale III 17 eine Übersetzung eines Auszugs aus Totenbuch 128 eingeschoben und mit der Beschreibung einer weiteren Vignette verbunden.s7s Der Schreiber verwendete eine mittelägyptische Vorlage, übersetzte diese ins Demotische und verfaßte so den pParis Bibliotheque nationale 149. Das Mittelägyptische verhält sich nun zum Demotischen - um einen sicherlich hinkenden Vergleich zu wählen - wie etwa das Lateinische zum Italienischen, vielleicht sogar zum Französischen. Die Übersetzung von einer ägyptischen Sprachstufe in eine andere gewährt deshalb Einblicke in die Rezeption des eigenen kulturellen und religiösen Erbes der Ägypter in römischer Zeit. Denn die analytische Grammatik des Demotischen ist an vielen Stellen eindeutiger als die synthetische Grammatik des Mittelägyptischen, in dem die Vorlage verfaßt war. An einigen Stellen zeigt sich, daß sogar der demotische Schreiber, der 2000 Jahre näher am Mittelägyptischen war als wir, die klassische Vorlage aufgrund des gewandelten Sprachgebrauchs nicht korrekt verstanden hat. So wird ein Dämon angerufen, der im Mittelägyptischen „der, der den Schatten schluckt" heißt. Das ägyptische Wort für „schlucken" hatte als zweite Bedeutung im Mittelägyptischen auch „verstehen, wissen", welche dann in römischer Zeit die Hauptbedeutung des Verbs wurde, weshalb der d=otische Schreiber den Dämon als „der, der den Schatten kennt" übersetzte.

5.1.3 Buch der Verwandlungen (Papyrus Louvre E 3452)

Auf halbem Weg zwischen der traditionellen und der späteren Totenliteratur mit eventuell neuen Kompositionen steht das demotische Buch der Verwandlungen 576 577 578

STADLERm: UCLA Enryc!opedia of Egypto!ogy, s.v. Judgment after Death (Negative Confession). AssMANN,Ma'a.i: bes. 122-159. LEPSIUS, Das Todtenbuch der Agypter nach dem hißrog!yphischen Papyrus in Turin mit einem Vorworte Z}tm ersten Male hrsg. von R Lepsius, LII 128, 4 ff Die Parallelität hat bereits LEXA, Das demotische Totenbuch der Pariser Nationalbibliothek (Papyrus des Pa-Month) V II, erkannt und beschrieben. STADLER, D er Totenpapyrus des Pa-Month (P. Bibi. nat 149) hat sie nicht erwähnt, und Quack beim 11. internationalen D emotistenkongreß in Oxford am 2. September 2011 wieder in Erinnerung gerufen. Daraus ergeben sich von Quack diskutierte Korrekturen der Transliteration und Übersetzung b ei STADLER, Der Totenpapyrus des Pa-Month (P. Bibi nat. 149) 36.

5 Totenliteratur

134

(pLouvre E 3452). 579 Es zeigt auch die Problematik der hier gewählten Klassifikation, denn es ist zwar in demotischer Schrift, aber in mittelägyptischer Sprache geschrieben, was auf ein höheres Alter als das des einzigen Zeugen (57 / 56 v. Chr) dieser konkreten demotischen Manifestation eines Verwandlungsbuches deutet. Die Vorstellungen, die die Basis der Komposition bilden, sind gleichfalls viel älter und reichen in einer ununterbrochenen Tradition über das Totenbuch und die Sargtexte des Mittleren Reiches bis zu den Pyramidentexten zurück. 580 Dem pLouvre E 3452 lassen sich nun zwei, vielleicht drei weitere hieratische Papyri der ptolemäisch-römischen Zeit zur Seite stellen. 581 Funeräre Handschriften, die ausschließlich dem Verwandlungsgedanken verhaftet sind, sind also bislang nur für das hellenistische Ägypten belegt. Der Glaube an die Möglichkeit, Menschen könnten andere, insbesondere tierische Gestalten annehmen, ist wohl in allen Kulturen verbreitet und spielt nur in der westlichen rationalistischen Welt im Alltag eine nur noch untergeordnete Rolle und ist vo r allem auf fiktionale T exte beschränkt - von möglicherweise existierenden esoterischen Gruppen abgesehen, in denen dieser Glaube noch bestehen mag. In Ägypten werden Verstorbene auch in nicht-menschlicher Gestalt dargestellt, z.B. als menschenköpfiger Vogel oder als Lotus mit Menschenkopf.5 82 Das ist wohl nicht einfach nur symbolisch gemeint, denn einige Texte sagen ausdrücklich, der Verstorbene habe Krallen, Flügel und Schwanz. Entsprechend finden sich Aussagen zur Flugfähigkeit in den Quellen. Dem Menschen ist diese Verwandlung durch seinen Ba möglich - ein ägyptischer Begriff, der mit „Seele" nur sehr unvollkommen übersetzt ist, weil „Seele" stark der christlichen Tradition verhaftet ist. Der Ba als beweglicher Teil von Menschen wie Göttern kann in verschiedenen Hüllen einwohnen und wird sinnfällig als menschenköpfiger Vogel abgebildet. 583 Ähnlich wie der Schöpfergott die Schöpfung im Herzen ersann, muß der Wunsch zur Verwandlung vermutlich im Herzen des Individuums formuliert werden. Es mag also ein willentlicher Akt sein, bei dem die Verwandlungssprüche zu rezitieren waren, oder es reichte allein deren Kenntnis aus. Die Fähigkeit dazu konnte von den Göttern gegeben werden.

579 580

581

582 583

The Demotic Mortuary Papyrus Louvre E. 3452. S M!TH, T raversi:ng Eternity, 627- 649. Les Textes des Sarcophages egypttens du M ryen E mpire, 424-563. BUCHBERGER, Transformation und Transformat SERVAJEAN, Les f ormu!es des transformations du Livre des Mor/J' a!a !umiere d'une thiorie de !a performativite. L0SCHER, Die V erwandiungssprüdie (Tb 16-88). SM!TH, Traversi:ng E temity, 610-617. FRANK -KAMENETZKY, OLZ 17, 97-102, 145-154. VERN US in: N aissance de !'emture, 134 f. S MITH, Traversing E ternity, 610--626. V igne tten zu Totenbuch 81 A und B, 85. Z ABKAR, A Stuqy ef the Ba Concept in Ancient Egypttan Texts. B oLSHAKOV, M an and his Double in Egyptian Ideo!ogy ef the O!d Kingdom. AssMANN, Tod und Jenseitf im Alten A gypten, 116- 159. Sehr spekulativ : KESSLER, SAK28, 161-2C6 KESSLER, SAK29, 139-186. S M!TH,

BARGUET,

5.1 Traditionelle Totenliteratur in demotischer Schrift

135

Das alles liegt auch der Vorstellungswelt des pLouvre E 3452 zugrunde, wie ein Ausschnitt verdeutlicht. Auf der vierten Kolumne, unter der Zeichnung eines Ibisses, steht: ,,Die Ibisgestalt annehmen durch den Osiris des NN. Der Ba wird erscheinen in der Ibisgestalt und Thot dienen in seinem eigenen Namen. Der Ba wird stark sein in der Ibisgestalt, wenn er das Ra.tskollegium der Wahrheit sieht. Der Ba wird jubeln in der Ibisgestalt, willkommen beim wahren Großen der Fünf. Der Ba wird strahlen in Ibisgestalt kommend zum wahren Herzen (= Thot), nachdem er seinen (d.h. Thots) Ausspruch gehört hat: ,Der Ba soll dauern in der Ibisgestalt. Der Ba soll groß sein in der Ibisgestalt. Der Ba soll wirkungsvoll sein in der Ibisgestalt. Der Ba soll göttlich sein in der Ibisgestalt. Komme in der Ibisgestalt und sieh Osiris, den Ersten des Westens( ... )!(... )'

(... ) Sein Herz wird jubeln beim Dienst dem wahrhaften Herzen. ( ... )"

Auch bei anderen Gestalten, die nach dem pLouvre E 3452 der Ba des Verstorbenen annehmen soll, sind sie ein äußeres Kennzeichen der Loyalität mit einem bestimmten Gott. Die Götter sind dann diejenigen, die nach der gängigen Ikonographie der jeweiligen Tiergestalt entsprechen, also Falke/ Horus, Ibis/Thot, Phönix/Pre-Harachte, Hund bzw. Schakal/Anubis. Der Verweis auf das Herz ist jedoch nur hier so deutlich, was erstens mit der Mythologie von Thot als Herz des Schöpfergottes und zweitens mit der Assonanz von Ibis und Herz im Ägyptischen (hbi und ib) zu tun hat. Thot als das „wahre Herz" gewährt also die Verwandlung in einen Ibis, worüber das Herz des Verstorbenen glücklich ist, also einen gewissen Anteil an der Verwandlung haben wird. Als deren Resultat wird der Ba Bestand haben, den Göttern dienen können, Osiris sehen und jubeln. In anderen Teilen des Papyrus werden noch die Erfüllung der Wünsche nach Vereinigung mit der Sonnenscheibe, der Rückkehr zur Erde und Präsenz in der Heimat in Aussicht gestellt. Das hängt mit der erhöhten Bewegungsfreiheit zusammen, die sich ein Mensch davon versprechen kann, wenn er ein Falke, Ibis, Phönix oder Ba ist, vielleicht auch noch in der Gestalt des Hundes - um die im pLouvre E 3452 erwähnten G es talten zu nennen. Eine weitere Gestalt, die einer Schlange, für die der Text ebenfalls eine Sektion bietet, ist so allerdings schwierig zu erklären. Tatsächlich geht es hier weniger um die Bewegungsfreiheit als um eine Angleichung an eine urgöttliche Form, um dem Urgott nahe zu sein und Anteil an der Leb ensfülle des Schöpfergottes zu haben. Dementsprechend wird die Schlangengestalt auch als Verkörperung des „Herrn des Lebens" (nb "n!J) und „ Herren der Schöpfung" (nb ~m;) bezeichnet (pLouvre E 3452 VlII 10). Eine ähnliche Vorstellung mag dem seit dem Neuen Reich belegten Totenbuch 81 zugrunde liegen, der dazu dienen soll,

136

5 Totenliteratur

die Gestalt eines Lotus anzunehmen. Mit dem Lotus verbindet sich ebenso neben der Präsenz in der Nähe des Sonnengottes, der sich am Duft des Lotus erfreut, eine spezifische urzeitliche Konnotation. 584 Die Verwandlungen, die keine Einbahnstraße sind - eine Rückverwandlung in menschliche Gestalt ist ebenso erwünscht und möglich wie die Annahme einer anderen Gestalt-, dienen damit dem übergeordneten Ziel aller Totenliteratur, den Tod zu überwinden, sich zu verjüngen und zu leben. Die Schlange läßt sich allerdings auch aus einer anderen Richtung erklären: Dem spezifischen Aufbau des demotischen Buches der Verwandlungen sch eint nämlich zusätzlich eine Art descensio, ein Abstieg vom Himmel zur Erde in die Unterwelt zugrundezuliegen. Denn die Reihenfolge der Wesen, in die sich der Tote verwandeln können soll, fängt beim hochauffliegenden Falken an und geht über tiefer fliegende Vögel zum Hund und mit der Schlange zu einem unterweltlichen Tier. Danach thematisiert der Text die Vereinigung des Ba mit d= Körper, dessen Reinigung und dann die Rechtfertigung im Totengericht. Hier geht es im Gegensatz zum negativen Sündenbekenntnis 585 aber weniger darum, die Totenrichter namentlich benennen zu können, sondern darum, ihre Gestalt zu kennen. Nach bestandenem Totengericht geht es konsequenterweise um die Versorgung mit Nahrung und die freie Beweglichkeit des Verstorbenen, also um Aspekte der jenseitigen Existenz. Schließlich endet das demotische Buch der Verwandlungen mit einer biographischen Notiz über den Besitzer des Papyrus.

5.2 SPÄTE KOMPO SITIONEN

5.2.1 Mundöffnungsliturgie Zflm Atmen Die demotische Mundojfnungsliturg,ie Zflm Atmen (wpy. t-n n snsn) ist ein gutes Beispiel dafür, wie in der ptol=äisch-römischen Zeit produktiv mit älteren Texten umgegangen und so ein neues, auf alten Traditionen basierendes Werk geschaffen wurde. 586 Die Textzeugen selbst stammen vermutlich aus der frühen Kaiserzeit, doch weisen sie Abweichungen voneinander auf, die darauf schließen lassen, daß es sich nicht um die ältesten Handschriften, sondern um Abschriften handelt und somit von einer längeren Überlieferung auszugehen ist.

584 585 586

STADLER, Wege ins Jenseits, 142 f. Siehe hier S. 130 ff. Edition mit Tafeln, Übersetzung und ausführlichem Kommentar: SMITH, The u turgy of Opening the Mouth for Breathing. Vorstehendes Werk zusammenfassend und eine vollständige englische Übersetzung gebend: SM!TH, Traversing Etemity, 349- 387. Die folgenden Ausführungen referieren die wesentlichen Punkte dieser Arbeiten.

5.2 Späte Kompositionen

137

Der ägyptische Titel „Mundöffnung zum Atmen" (im folgenden um der Kürze willen nur noch Mundojfnungsliturgie) nennt die beiden Wurzeln, aus denen sie erwachsen ist. Die erste ist das Mundöffnungsritual, von dem die Mundojfoungsfiturgie wesentlich inspiriert ist. Das Mundöffnungsritual hatte das Ziel, eine Götterfigur oder Mumie zu animieren oder zu reanimieren, um sie für den Kult empfänglich zu machen. Es ist nach Otto seinerseits ein Kompositritual, das sich aus Elementen des Toten- wie auch des Tempelrituals speist,587 wohingegen Quack ausschließlich ein Herkommen aus dem Tempelumfeld, v.a. dem Ritual für Sokar-OsirisFiguren, annimmt588 • Die Mundojfnungsliturgie ist hingegen allein auf den Verstorbenen konzentriert. Abschnitte, die sich auf die Statue oder Handwerker beziehen, kommen deshalb nicht vor, ebensowenig wie Schlachtszenen und Metzger. Solche Passagen sind im Mundöffnungsritual selbstverständlicher Bestandteil. Mundöffnungsliturgie adaptiert also die Kurzfassung des Mundöffnungsrituals und kombiniert sie mit Aussagen zur Bewegungsfreiheit und Aufnahme in die Götterhierarchie, die hier wesentlich stärker ausgeprägt sind als im Mundöffnungsritual, d.h. sie betont die spezifisch funerären Themen. Dem entspricht die Erweiterung des Titels um n snsn „zum Atmen" und der damit verbundene Hinweis auf die Gattung der funerfu:en Dokumente vom Atmen (s(. t n snsn), also Texten, die verschiedene Funktionen für einen Verstorbenen hatten: (1) als eine Art Passierschein den Zugang zum Leben nach dem Tode bzw. (2) als Empfehlungsschreiben, seinem Besitzer eine gnädige Aufnahme bei den Unterweltsbewohnem zu gewähren oder (3) ihn einfach wie ein Amulett vor den Gefahren auf dem Weg ins Jenseits und während seines jenseitigen Lebens zu schützen. Doch gibt es trotz der Titelerweiterung „zum Atmen" zwischen der Mundöffnungsliturgie und den Dokumenten vom Atmen inhaltlich keine spezifischeren Anknüpfungspunkte. ,,Zum Atmen" ist daher eher eine Art spätägyptische Gattungsbezeichnung für Totentexte. Die Mundöffnungsliturgie Z!f171 Atmen bringt also in ihrem Titel die zweifache Funktion des Textes zum Ausdruck, den Totenkult und die Nutzung durch den Verstorbenen im Jenseits. Bis hierher konnte der Eindruck entstehen, es handele sich um einen einheitlichen, distinkten Text. Vielmehr aber existieren davon eine Reihe verschiedener Versionen, eine Lang- sowie drei Kurzversionen, die doch gewisse Unterschiede untereinander aufweisen. Die Langversion ist im pBerlin P. 8351 und auf Fragmenten von Mumienbinden im British Museum erhalten. Vielleicht stammen alle diese Handschriften von einem Schreiber, der nach der Paläographie zu schließen wohl im 1. Jh. n. Chr. in Achmim gelebt hat. Werden die neun über den Text verteilten direkten Anreden an den Vers torbenen als Indizien genommen, dann läßt sich eine Untergliederung in neun Abschnitte ableiten, wobei allerdings eine inhaltliche Be587

588

OTTO, Dar ägyptische Mundöffnungsritual, 2. Q UACK in: Hieratic Texts.from the Co!!ection, 136-143.

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5 Totenliteratur

gründung dafür schwer erkennbar ist. Außerdem liegt eine andere zweiteilige Makrostruktur über der Gesamtkomposition, die sich nicht an die Grenzen der durch die neun Sektionen angedeuteten Mikrostruktur hält: Zunächst rezitiert ein „geliebter Sohn", womit der s;-mri=f-Priester gemeint sein könnte, der dem Sem-Priester des Mundöffnungsrituals entspricht. In etwa der Mitte des Berliner Papyrus (III 8) wird er von einem anderen Sprecher abgelöst, der sich mit den Worten „Ich bin Thot, das Herz des Re" einführt. Hier könnte es sich realweltlich um den Vorlesepriester handeln, der nun auftritt und im Bestattungsritual tätig wird. 589 Doch das ist nicht sicher. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß weitere nicht eigens genannte Sprecher auftreten oder daß ein einziger Offiziant alles rezitiert, aber unterschiedliche Rollen übernimmt. Der Annahme zweier Sprecher steht die thematische Dreiteilung entgegen, die ihrerseits nicht klar abgetrennt ist. Die erste Kolumne, die sich mit der Revitalisierung einzelner Körperteile, der Wiedererweckung unter Hilfestellungen diverser Gottheiten (Osiris, Isis, Nephthys, Thot und Anubis) beschäftigt, läßt sich auch durch ihren Inhalt sauber abgrenzen. Die genannten Gottheiten handeln in für sie typischer Weise, so lobt Osiris, Isis und Nephthys singen, Thot schreibt den Text der Mundöffnungsliturgie auf, und Anubis verjüngt den Toten durch seine Balsamierungstätigkeiten. Die restlichen Kolumnen (II-V) nach dem Berliner Papyrus drehen sich - und das ist das zweite Thema - um die Opferdarbringung, von der dann drittens der Text zur Bewegungsfreiheit und Aufnahme in die Götterhierarchie übergeht. Die Bewegungsfreiheit hat eine kosmische Dimension (,,Du wirst hervorkommen zum Himmel inmitten der Boten der großen Götter.") und erstreckt sich gleichfalls auf bedeutsame Städte und Heiligtümer Ägyptens: 590 ,,Du wirst flußabwärts reisen nach Busiris, du wirst flußaufwärts nach Abydos segeln: Osiris wird dich während des Wag-Festes grüßen. Du wirst gepriesen sein beim Sokarfest. D ein Ba wird kommen, um nachts Sokar-Osiris während des Festes in Ombos zu folgen." (V 6-8)

Von diesen drei Themen umfassen die Kurzversionen in pOxford Bodl. Ms. Egypt. c. 9 (P)+ Louvre E 10605 und pLouvre E 10607 die Wiederherstellung der körperlichen Integrität und die Opferdarbringung, die sich so als Kern der Mundi!ffnungsliturgie erweisen. Das dritte Thema kann abgekürzt (so bei der erstgenannten Handschrift) oder gänzlich fortgelassen werden (so bei letztgenannter Handschrift). Dafür gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Vielleicht ließ sich die Gesamtliturgie durch einen Ausschnitt repräsentieren, oder es wurden u.U. während der Bestattungszeremonie noch andere Texte herangezogen, die das Thema der Aufnahme unter die Götter und in den Kosmos behandelten. D as dritte Thema mag auch als redundant empfunden worden sein, denn es kam b ereits 589

590

Siehe auch STADLER, Weiser und Wesir, 130. Zu dem geographischen Abschmtt siehe Q U ACKm: Altägyptische Weltsichten, bes. 135- 137, mit im D etail von SMITH, T raversing Etemi()I, 361 f, abweichenden Lesungen.

5.2 Späte Kompositionen

139

implizit in der Opfersektion zur Sprache. Oder es gehört nicht unmittelbar zur Mundöffnung - es ist im Mundöffnungsritual nicht ausführlich behandelt - und wurde daher nicht unbedingt als Teil dieser Zeremonie verstanden. Die dritte Kurzversion befindet sich auf dem pStraßburg 3 verso zusammen mit der demotischen Fassung von Totenbuch 171 (Pleyte) 591 und einem weiteren rätselhaften, nicht-funerären Text. Diese Kurzversion enthält Texte, die in pBerlin P. 8351 in den Kolumnen III-V stehen, also d= Abschnitt, den ein Vorlesepriester rezitiert haben könnte, und kombiniert diese mit weiterem Textgut, das in keiner anderen Fassung zu finden ist. Der pStraßburg 3 vers o variiert folglich stärker, indem er Passagen umstellt bzw. ähnliche Formulierungen wählt. Er bietet folglich keine exakten Parallelen und ist entweder Teil einer größeren Komposition, die eine ausführliche Variante der Mundöffnungsliturgie enthielt und diese mit anderen Texten vergesellschaftete, oder Zeuge einer gänzlich anderen Komposition mit gewissen Anleihen an die Mundöffnungsliturgie. Daraus ergibt sich das für die Überlieferungsgeschichte relevante Indiz einer Quelle, aus der sich pStraßburg 3 ableitet und aus der pBerlin P. 8351 oder seine Vorlage für seinen zweiten Teil schöpfte, während die anderen Kurzversionen von dem durch pBerlin P. 8351 repräsentierten Überlieferungsstrang abhängen.

5.2.2 Papyrus BM EA 10507 und Papyrus Harkness

Die Papyri stammen aus d= 9. oberägyptischen Gau (pLondon BM EA 10507) bzw. dem 10. (pHarkness), also aus unmittelbarer Nachbarschaft.592 Diese Nähe der Herkunft schlägt sich auch in den Inhalten nieder, denn beide laufen in einer längeren Passage parallel (pLondon BM EA 10507 IV 6 bis XII 24 entspricht pHarkness II 13 bis III 8). Das D atum ist jedoch durchaus verschieden. PBM EA 10507 gehörte einem Haremhab, Sohn des Petemin, der wohl in der spätptolemäischen Zeit, vermutlich zwischen 100 und SO v. Chr., gelebt hat und diesen Papyrus aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen mit pLondon BM EA 10508 - der Haupthandschrift der Lehre des Anchscheschonqi - als Beigabe in sein Grab mitbekommen hat.593 Der pLondon BM EA 10507 ist eine zwölf Kolumnen lange, geübte und saubere Handschrift. Wie der pLondon BM EA 10508 ist er stichisch geschrieben, d.h. je Satz wurde eine eigene Zeile verwendet. Der n ach seinem Stifter Edward S. H arkness benannte pHarkness (Metropolitan Museum of Art 37.9.7) 591

Siehe dazu S. 130 ff

592

SM!TH, The M ortuary Texts of Papyrus BM 105 07. I D ., Papyrus H arkness (MMA 3 1. 9. 1). (Rezensionen von QUACK, O r 75, 156- 160, und STADLER, BiOr 65, 95-99.) ID., Traversing Eterni!J, 245301. SMITH in: The Unbroken R eed, 293- 303. H O FFMANN , QUACK, Anthologie der demotischen Literatur, 273. Zur D atierung STAD LER, Enchoria 32, 155 f

593

140

5 Totenliteratur

ist durch den Kolophon genau datiert. Demnach hat Hartophnachtes den Papyrus am 13. Februar 61 n. Chr. (gregor.) für seine Tochter Tanaweruau beschriftet. Sein Text ist fortlaufend geschrieben. Sowohl der pLondon BM EA 10507 als auch der pHarkness lassen sich gut gliedern, weil sie beide im Original Überschriften haben, durch die die einzelnen Abschnitte sich, anders als bei der Mundöffnungsliturgie, gut abgrenzen lassen. Für den pLondon BM EA 10507 gilt das uneingeschränkt, der pHarkness hingegen bietet nicht immer eine als Überschrift zu verstehende Einleitung. Doch werden hier alle Sektionen durch die Setzung eines Spatiums, also eines Leerraums, graphisch gekennzeichnet. In den ersten Kolumnen unterscheiden sich die Handschriften beträchtlich voneinander. Die erste Kolumne des pLondon BM EA 10507 enthält (1) ,,Das Buch, das Isis für Osiris, den Ersten des Westens, gemacht hat", einen s,!J. w-Text (Verklärungstext), der sich auch von einem o sirianischen Ritualtext herleiten mag. Auf den zwei folgenden Kolumnen steht (2) ,,Das Buch, das gemacht wurde in genauer Übereinstimmung mit seinem Wunsch für Haremhab, den Sohn des P etemin, um zu veranlassen, daß es vor ihm rezitiert werde als Mundöffnungstext594 (wpy-n) in der Nacht seines Bestattungsfestes (~b ~s. t)" . Entgegen der passivischen Formulierung im Titel besteht diese Sektion aus Worten Haremhabs, in denen er den Tod beklagt, um dann in der Art einer Idealautobiographie darzulegen, welch ethisch korrektes Leben er geführt hat, um dann mit einem G ebet um Aufnahme unter die Neunheit und einer Libationsformel zu enden. Der Text erinnert, worauf Smith hinweist, an Inschriften in Grabkapellen oder Stelen im Vorhof der Grabkapelle, die auch Aussagen enthalten, die ein unerfreuliches Bild vom Leben nach dem Tode zeichnen und insofern der altägyptischen Funerärliteratur entgegenstehen, deren Aussagen sich damit als Wunsch auf ein anderes, besseres nachtodlich es Schicksal erweisen. Berühmtestes Beispiel für einen solchen T ext ist die Stele der T aimhotep (BM EA 147).595 Taimho tep starb 42 v. Chr., und auf der Stele wird ihr eine lange Klage über Durst, Hunger und Freudlosigkeit im Jenseits und eine Aufforderung, das Leben zu genießen, in den Mund gelegt. Solche Motive sind keine Neuerung der hellenistisch-römischen Zeit, sondern bereits in den seit der Amarnazeit belegten Harfnerliedern nachgewiesen. 596 Der pHarkness hingegen beginnt heute mit (a) einer teils sakramental, d.h. auf mythische Vorbilder hin ausgedeuteten Beschreibung der A usstattung der Mumie und des Grabes der Tanaweruau (I 1-2 1), gefolgt von (b) einem Text, der als „Die Klage, die dein Vater machte" überschrieben ist. Darin ist eine Rede an das Grab 594 595

596

Zur Mundöffnung sieh e S. 136 ff LICHTHEIM, Ancient Egyptian Lilerature III, 59- 65. Ab bildu ngen mit weiterer Literatur: WALKER, HIGGS, Oeopatra if Egyp~ 186 f., Nr. 193. D azu noch: STRUDWICK, Masterpwces if ancient Egyp~ 302 f. BURKARD, THISSEN, Einführtmg in die altägyptische Lileraturgeschichte II, 96-98.

5.2 Späte Kompositionen

141

enthalten, das als alter ego der Verstorbenen belebt werden soll. Daran schließt sich (c) ,,Die I) oder der Herr der Schreiber der Gottesworte (p; nb sfJ mt. tnfr), sind unsicher und mit Recht von Griffith mit Fragezeichen versehen worden.829 Inwiefern die Titel mit Leben gefüllt waren und nicht nur aus Traditionsgründen weitervererbt wurden, wird wohl nicht mit völliger Sicherheit zu klären sein. In Unterägypten schien ebenfalls die Tätigkeit der Priester im lsistempel von Menuthis fortgesetzt worden zu sein. Noch im ausgehenden 4. Jh. sei das Heiligtum voll junger Männer gewesen, die sich als Priester betätigt hätten, so eine der derzeit geringgeschätzten H eiligenviten.830 Die Angaben sind indes recht konkret: Diese Gemeinschaft hatte sich um einen gewissen Antoninus auf der Suche nach Philosophie versammelt. Es ist also davon auszugehen, daß dieser Kreis stark hellenisiert war und nicht als ägyptisch im engeren Sinne gelten darf. Nachdem der Tempel nach 391 in eine I