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German Pages 366 [367] Year 2022
Kanonistische Studien und Texte Band 74
Educatio liberorum – Kirchenrechtliche Aspekte im Kontext von Ehe, Familie und Pastoral Von
Jutta Krall
Duncker & Humblot · Berlin
JUTTA KRALL
Educatio liberorum – Kirchenrechtliche Aspekte im Kontext von Ehe, Familie und Pastoral
Kanonistische Studien und Texte begründet von Dr. A l b e r t M . K o e n i g e r † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn fortgeführt von Dr. Dr. H e i n r i c h F l a t t e n † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn sowie von Dr. G e o r g M a y Professor für Kirchenrecht, Kirchenrechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz und Dr. A n n a E g l e r Akademische Direktorin i. R. am FB 01 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz herausgegeben von Dr. W i l h e l m R e e s Professor für Kirchenrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und Dr. C h r i s t o p h O h l y Professor für Kirchenrecht an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) – St. Augustin
Band 74 JUTTA KRALL
Educatio liberorum – Kirchenrechtliche Aspekte im Kontext von Ehe, Familie und Pastoral
Educatio liberorum – Kirchenrechtliche Aspekte im Kontext von Ehe, Familie und Pastoral Von
Jutta Krall
Duncker & Humblot · Berlin
Die Drucklegung wurde durch folgende Einrichtungen gefördert: St. Josef-Verein, Diözese Gurk-Klagenfurt; Diözese Innsbruck; Stift Wilten; Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Kultur; Bistum Regensburg; Erzdiözese Köln; Erzdiözese Salzburg; Erzdiözese Wien.
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0929-0680 ISBN 978-3-428-15406-7 (Print) ISBN 978-3-428-55406-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Erziehung ist Sache des Herzens. Giovanni Don Bosco (1815–1888) Die Kinder sind der Fortschritt selbst – vertraut dem Kinde. Rainer Maria Rilke (1875–1926)
Für Bernadette und Dominikus
Danksagung und Widmung Die vorliegende Thesis wurde im Wintersemester 2016/17 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Paris Lodron Universität Salzburg als Dissertation angenommen. Für die Aufnahme in die Reihe Kanonistische Studien und Texte spricht die Autorin den Herausgebern, Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Rees, Ordinarius für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, und Herrn Prof. Dr. Christoph Ohly, Rektor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie, aufrichtigen Dank aus. Den Betreuern dieser Arbeit, Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Alfred Rinnerthaler sowie Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Johann Paarhammer († 2020) bringt die Autorin den ersten Dank entgegen. Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Alfred Rinnerthaler dankt die Autorin insbesondere für die Anregung der Themenstellung, die wissenschaftliche Begleitung und viele hilfreiche Anregungen, insbesondere die richtungsweisende und detaillierte Erörterung rechtshistorischer und kirchenrechtlicher Fragestellungen zur Entwicklung des elterlichen Erziehungsrechts und seiner Abgrenzung gegenüber öffentlichen Bildungseinrichtungen. Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Johann Paarhammer dankt die Autorin für Hinweise auf kirchenrechtliche Spezifika zum kanonischen Eherecht und pastorale Fragestellungen zum gesamten Themenkomplex respektive unter der Prämisse der Einbeziehung des Postulates der kulturellen Diakonie. Von ganzem Herzen dankt die Verfasserin ihrer Familie Johannes, Bernadette und Dominikus, für das sehr geduldige, motivierende, inspirierende und unermüdlich aufmunternde Mittragen des Dissertationsprojektes. Im Wege der großzügigen Druckkostenförderungen durch den St.-JosefVerein der Diözese Gurk-Klagenfurt, der Diözese Innsbruck, des Stiftes Wilten, der Abteilung Kultur des Amtes der Tiroler Landesregierung, des Bistums Regensburg, der Erzdiözese Köln, der Erzdiözese Salzburg und der Erzdiözese Wien wurde der Zugang einem breiten Leserkreis eröffnet und eine weitere Auseinandersetzung ermöglicht. Gratias! Ad pax et bonum. Diese Arbeit sei allen Kindern gewidmet, ihren Fragen, ihrem Suchen, ihrem Streben nach dem Wahren, Guten und Gerechten.
Praefatio Viele Menschen erleben die gegenwärtige politische Lage in ihren Heimatländern und auf Weltebene als gespannt, bedrohlich oder wenigstens desorientiert. Eine fortschreitende politische Polarisierung, verschiedenste Spiel arten des Populismus, neue Formen des Terrorismus und das wenigstens in der Öffentlichkeit so wahrnehmbare Anwachsen einer vielfältigeren Gewaltbereitschaft schüren ein unterschwelliges Klima der Angst und des Misstrauens. Eine Menge anderer weltpolitischer wie gesellschaftlicher Herausforderungen sind unter solchen Grundbedingungen noch schwerer zu bewältigen und verschärfen dadurch die angezeigten Krisenphänomene. Und gerade in dieser Situation scheinen ordnungs- und sinngebende Institutionen, Instrumente, Gebräuche und gesellschaftliche Konventionen – nicht zuletzt der Staat selbst und die demokratische Gesellschaftsordnung – an Plausibilität und Gestaltungskraft zu verlieren. Als Weg aus dem Dilemma wird auf natio naler und internationaler politischer Ebene dann oft die Bedeutung der Bildung beschworen. Das ist gewiss auch richtig so. Doch muss sich der Kenner internationaler bildungspolitischer Diskussionen, wie sie etwa auf den Foren des Europarates, der UNESCO oder anderer vergleichbarer Organisationen geführt werden, kritisch die Frage stellen, ob dann auch tatsächlich im Bereich der Bildung auf allen Ebenen das eingelöst werden kann, was als Ideal ziel vor Augen steht. Ein noch so ausführlicher und umfassender, in langwierigen Konsulta tionsprozessen von Expertengruppen diskutierter und bei einem Bildungsministertreffen feierlich verabschiedeter Katalog an politischen, sozialen, interkulturellen Kenntnissen, Fähigkeiten, Kompetenzen und Einstellungen (oder besser noch auf Englisch: knowledge, skills, competences and attitudes) ist noch kein Garant dafür, dass sich im konkreten sozialen und politischen Leben etwas ändert. Und trotz aller öffentlicher Bekenntnisse und Beteuerungen der zuständigen Minister auf internationalem Parkett bleibt am Ende die Schul- und Bildungspolitik stark an das nationale, oft auch ideologische und parteipolitische Kalkül gebunden. Universitäten wehren sich – meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht – dagegen, dass der Staat allzu detailliert steuernd oder regulierend in die Gestaltung ihrer Curricula eingreift; und schließlich sind – wie aktuell leicht wahrzunehmen – gerade die Einflussnahmen internationaler Organisationen durchaus schwächeanfällig. Als Mitgliederorganisationen sind sie vom Konsens oder von Mehrheitsentscheidungen ihrer Mitgliedsstaaten abhängig (die wiederum in diesem Kontext vor allem
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Eigeninteressen oder jene diplomatisch-politischer Allianzen vertreten), die meist prekäre Budgetlage schränkt die Handlungsfreiheit ein, zumal dann, wenn einzelne Länder die Zahlung ihrer Beiträge von Bedingungen abhängig machen oder sie als Protestgeste reduzieren oder ganz einstellen. Schließlich ist auch die jeweilige Geschäftsordnung der genannten Organisationen oft ein wunder Punkt, insofern sie nur dann funktioniert, wenn ein Grundkonsens unter allen darüber besteht, konstruktiv und sachorientiert zusammen arbeiten zu wollen, was aufgrund der genannten auch auf internationaler Ebene spürbaren Spannungen und Polarisierungen nicht immer der Fall zu sein scheint. In seiner „Regierungserklärung“, dem programmatischen Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium vom 24. November 2013, nennt Papst Franziskus vier Prinzipien die das Gemeingut und den sozialen Frieden stärken sollen und die nicht nur die Aktualität der katholischen Soziallehre neu unter Beweis stellen, sondern tatsächlich auch einen konstruktiven Beitrag für eine Neuausrichtung des gesellschaftlichen Zusammenlebens heute leisten können. „Um mit dem Aufbau eines Volkes in Frieden, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit fortzuschreiten, gibt es vier Prinzipien, die mit den bipolaren Spannungen zusammenhängen, die in jeder gesellschaftlichen Wirklichkeit vorkommen. Diese leiten sich von den Grundpfeilern der kirchlichen Soziallehre (Menschenwürde, Gemeinwohl, Subsidiarität, Solidarität) her, die als „das erste und grundlegende Bezugssystem für die Interpretation und Bewertung der gesellschaftlichen Entscheidungen“ dienen. Im Licht dessen möchte ich jetzt diese vier spezifischen Prinzipien vorstellen, welche die Entwicklung des sozialen Zusammenlebens und den Aufbau eines Volkes leiten, wo die Verschiedenheiten sich in einem gemeinsamen Vorhaben harmonisieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Anwendung dieser Prinzipien in jeder Nation und auf der ganzen Welt ein echter Weg zum Frieden hin sein kann.“1
Von den erwähnten vier Prinzipien: (1) Die Zeit ist mehr wert als der Raum; (2) Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt; (3) Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee; (4) Das Ganze ist dem Teil übergeordnet, sind insbesondere zwei aus bildungspolitischer Sicht meines Erachtens sehr interessant und sollen hier kurz dargestellt werden: „Die Zeit ist mehr wert als der Raum“2 „Es gibt eine bipolare Spannung zwischen der Fülle und der Beschränkung. Die Fülle weckt den Willen, sie ganz zu besitzen, während die Beschränkung uns wie eine vor uns aufgerichtete Wand erscheint. Die „Zeit“, im weiteren Sinne, steht in Beziehung zur Fülle, und zwar als Ausdruck für den Horizont, der sich vor uns 1 Franziskus, Evangelii gaudium, Apostolisches Schreiben über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, 24. November 2013, Nr. 221. 2 Ibid., Nr. 222–225.
Praefatio11 auftut. Zugleich ist der aktuelle Augenblick ein Ausdruck für die Beschränkung, die man in einem begrenzten Raum lebt. Die Bürger leben in der Spannung zwischen dem Auf und Ab des Augenblicks und dem Licht der Zeit, dem größeren Horizont, der Utopie, die uns für die Zukunft öffnet, die uns als letzter Grund an sich zieht. Daraus ergibt sich ein erstes Prinzip, um beim Aufbau eines Volkes voranzuschreiten: Die Zeit ist mehr wert als der Raum. Dieses Prinzip erlaubt uns, langfristig zu arbeiten, ohne davon besessen zu sein, sofortige Ergebnisse zu erzielen. Es hilft uns, schwierige und widrige Situationen mit Geduld zu ertragen oder Änderungen bei unseren Vorhaben hinzunehmen, die uns die Dynamik der Wirklichkeit auferlegt. Es lädt uns ein, die Spannung zwischen Fülle und Beschränkung anzunehmen, indem wir der Zeit die Priorität einräumen. Eine der Sünden, die wir gelegentlich in der sozialpolitischen Tätigkeit beobachten, besteht darin, dem Raum gegenüber der Zeit und den Abläufen Vorrang zu geben. Dem Raum Vorrang geben bedeutet, sich vormachen, alles in der Gegenwart gelöst zu haben und alle Räume der Macht und der Selbstbestätigung in Besitz nehmen zu wollen. Damit werden die Prozesse eingefroren. Man beansprucht, sie aufzuhalten. Der Zeit Vorrang zu geben bedeutet, sich damit zu befassen, Prozesse in Gang zu setzen anstatt Räume zu besitzen. Die Zeit bestimmt die Räume, macht sie hell und verwandelt sie in Glieder einer sich stetig ausdehnenden Kette, ohne Rückschritt. Es geht darum, Handlungen zu fördern, die eine neue Dynamik in der Gesellschaft erzeugen und Menschen sowie Gruppen einbeziehen, welche diese vorantreiben, auf dass sie bei wichtigen historischen Ereignissen Frucht bringt. Dies geschehe ohne Ängstlichkeit, sondern mit klaren Überzeugungen und mit Entschlossenheit.“3
Worum es hier letztlich geht, ist genau das, was Bildung ausmacht: im größeren Horizont der Fülle oder wenigstens im hoffenden Ausblick darauf leben und zugleich in Mitten der wahrgenommenen Unvollkommenheit und „Mangelsituation“ einen Prozess in Gang zu bringen, der zwar nie zu einem Ende, nie zur nicht mehr übertreffbaren Fülle führen kann, aber zugleich doch zu einem lebenslangen Wachstum und einer immer größeren Reife führen möchte. Zugleich ist dieser Prozess auch fähig, fernab von einer idealisiert linearen Fortschrittsperspektive, die es in allem was den Menschen, seine Freiheit und Moralität betrifft, nicht gibt, sich auf immer neue Situationen, immer neue Herausforderungen und Mangelerfahrungen einzulassen und sie zum Ausgangspunkt neuer oder veränderter Prozesse des Wachstums und der Entwicklung – mit anderen Worten – der „Erziehung“ oder „Bildung“ zu machen. „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“4 „Es gibt auch eine bipolare Spannung zwischen der Idee und der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist etwas, das einfach existiert, die Idee wird erarbeitet. Zwischen den 3 Franziskus, Evangelii gaudium, Apostolisches Schreiben über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, 24. November 2013, Nr. 222–223. 4 Ibid., Nr. 231–233.
12 Praefatio beiden muss ein ständiger Dialog hergestellt und so vermieden werden, dass die Idee sich schließlich von der Wirklichkeit löst. Es ist gefährlich, im Reich allein des Wortes, des Bildes, des Sophismus zu leben. Daraus folgt, dass ein drittes Prinzip postuliert werden muss: Die Wirklichkeit steht über der Idee. Das schließt ein, verschiedene Formen der Verschleierung der Wirklichkeit zu vermeiden: die engelhaften Purismen, die Totalitarismen des Relativen, die in Erklärungen ausgedrückten Nominalismen, die mehr formalen als realen Projekte, die geschichtswidrigen Fundamentalismen, die Ethizismen ohne Güte, die Intellektualismen ohne Weisheit.“5 „Die Idee – die begriffliche Ausarbeitung – dient dazu, die Wirklichkeit zu erfassen, zu verstehen und zu lenken. Die von der Wirklichkeit losgelöste Idee ruft wirkungslose Idealismen und Nominalismen hervor, die höchstens klassifizieren oder definieren, aber kein persönliches Engagement hervorrufen. Was ein solches Engagement auslöst, ist die durch die Argumentation erhellte Wirklichkeit. Man muss vom formalen Nominalismus zur harmonischen Objektivität übergehen. Andernfalls wird die Wahrheit manipuliert, so wie man die Körperpflege durch Kosmetik ersetzt (…). Die Wirklichkeit steht über der Idee. Dieses Kriterium (…) drängt uns (…), das Wort in die Tat umzusetzen, Werke der Gerechtigkeit und Liebe zu vollbringen, in denen dieses Wort fruchtbar ist. Das Wort nicht in die Praxis umzusetzen, es nicht in die Wirklichkeit zu führen bedeutet, auf Sand zu bauen, in der reinen Idee verhaftet zu bleiben und in Formen von Innerlichkeitskult und Gnostizismus zu verfallen, die keine Frucht bringen und die Dynamik des Wortes zur Sterilität verurteilen.“6
Echte Bildung ist privilegierte Ausdrucksform eines ständigen Dialogs zwischen Idee und Wirklichkeit. Und genau an diesem Prinzip müssen sich Bildungspolitik und jeder Prozess der Bildung und Erziehung messen lassen, denn die im Zitat genannten Versuchungen und Einseitigkeiten lassen sich gewiss auch im Blick auf Bildungspolitik und Erziehungsprozesse immer wieder feststellen. Vor diesem bildungspolitischen Hintergrund ist meines Erachtens die im Fachgebiet katholisches Kirchenrecht verfasste Dissertation mit dem Titel: „Kirchenrechtliche Aspekte der educatio liberorum im Kontext von Ehe, Familie und Pastoral“ von Frau Dr. Jutta Krall, Juristin und selbst Mutter zweier Kinder, zu verstehen und zu würdigen. Es ist der wissenschaftlich fundierte Vorschlag, zu den Fundamenten und Grundsätzen, den Rechten und Pflichten der Erziehung zurückzukehren, um von dort aus (neue) Grundlagen aber auch Handlungsoptionen für Erziehung und Bildung zu entwickeln. Fernab von reinen Idealisierungen, einem Realitätsverlust oder einer denkerisch-sprachlichen Abgehobenheit, die von Verständnis und Dialog der gewöhnlichen Lebenswelten heute ausschließen, und – wohl nicht immer zu 5 Franziskus, Evangelii gaudium, Apostolisches Schreiben über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, 24. November 2013, Nr. 231. 6 Ibid., Nr. 232–233.
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Unrecht – heutigen Theologen vorgeworfen werden; mit der nötigen Freiheit gegenüber einem zum Positivismus neigenden und zugleich um Rechtsstaatlichkeit und politisch-gesellschaftliche Unabhängigkeit ringenden Rechtsdenken; und in Überwindung einer Banalisierung der erzieherischen Lebenswelt in der praktischen Erfahrung vielfacher Erziehungsprobleme und -krisen, gelingt es der Autorin, an tatsächlich bestehende, brennende und fundamentale Probleme, von den Grundlagen her, heranzugehen, und dabei weder auf der Ebene der leeren Idealismen noch im Denkmilieu simplifizierender Parolen und einem Spiel mit teils auch instinktivischeren Gefühlen von Menschen stehen zu bleiben. Sie hat den Mut, Bleibendes und Allgemeingültiges als solches zu benennen und zu „verteidigen“, zugleich aber auch Neues zu denken und in eine noch offene Diskussion einzubringen. „Die Dissertation behandelt die historische Entwicklung der Kindererziehung in der Katholischen Kirche bis zur Gegenwart. Die themenspezifische ekklesiologische Grundlegung des Zweiten Vatikanischen Konzils und das weitere kirchliche Lehramt bilden den Hintergrund für die Untersuchung der aktuellen Rechtsgrundlagen. Besonders fokussiert werden die Parameter der Personenwürde und der Religionsfreiheit. Permanenter Ausgangspunkt ist das Kind als Rechtssubjekt. Die explizite normative Anerkennung der Rechtssubjektivität des Kindes wird eingefordert. Aus der Anspruchslage des Kindes resultiert das Postulat des rechtlichen Schutzes von Ehe und Familie als Institution. Das Rechtsgut der christlichen Erziehung impliziert spezifische Pflichten der Eltern als primären Trägern und bildet einen wesentlichen Gegenstand der pastoralen Sorge der Kirche. Im Ergebnis zeigt sich die Evidenz des Erfordernisses der Implementierung eines gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage weiterreichenden, umfassenden Rechtsschutzes zugunsten des Kindes im kanonischen Recht.“7
Der hier aufscheinende interdisziplinäre Zugang zum Thema der Erziehung und Bildung bringt dabei neu einige wesentliche Grundsäulen nicht nur der Erziehungs- und Bildungsprozesse, sondern auch der Gestaltung stabiler Gesellschaften inmitten aktueller Herausforderungen ins Spiel. Die Sichtweise darauf orientiert sich dabei auch nicht a priori und exklusiv an einem statistisch gesehen für immer weniger Menschen normativen und unmittelbar einleuchtenden kirchlichen Lehrgebäude oder Verhaltenskodex. Es geht zunächst nicht generell um die Pflicht der Eltern und Erzieher zur Kindererziehung und auch nicht um einen daraus abgeleiteten Katalog weit ausdifferenzierter Pflichten und Empfehlungen. Vielmehr steht die Menschwürde jedes Menschen und vor allem auch des Kindes vor Augen, verbunden mit konkreten Rechten, auch und gerade des in seiner Angewiesenheit auf eine begleitende Entwicklung schutzbedürftigen und somit von anderen Menschen und menschlichen Gemeinschaftsformen abhängigen Menschen. Um sein volles Potential entfalten zu können, muss der Mensch – zunächst als Kind, aber 7 Abstract
der Verf.
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dann weiter ein Leben lang – zur Fähigkeit der Betätigung von Freiheitsrechten begleitet werden. Es bedarf der Bildung des Gewissens, der Urteilskompetenz und des Verantwortungsbewusstseins. Die Vermittlung von Wissen – die formatio – bedarf einer Einbettung. Diese Grundlegung leistet die educa tio. Nach der Logik der kirchlichen Lehre und ihres Rechtes sind privilegierte Orte und gemeinschaftliche Institutionen, die solche Erziehungs- und Bildungsprozesse ermöglichen und begleiten vor allem Ehe und Familie, Schulen und Hochschulen aller Formen und Stufen, aber auch die vielfältigen größeren politischen und gesellschaftlichen Institutionen bis hin zum Staat und zu internationalen Organismen. Für das katholische Denken bleibt dabei der „Erziehungsvertrag“, also eine fruchtbare gemeinschaftliche Zusammenarbeit aller an den Erziehungs- und Bildungsprozessen beteiligten Personen und Institutionen wesentlich und notwendig. Dass der hier vorliegende explizit christliche und katholische, auf dem katholischen Kirchenrecht aufbauender Ansatz über doktrinäre und konfes sionelle Grenzen hinaus anschluss- und diskussionsfähig bleibt, wird unmittelbar einsichtig, wenn man bedenkt, dass sich in der Dissertation von Frau Dr. Krall durchaus auch die beispielsweise für den Europarat konstitutive Trias von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gespiegelt findet. Der in der Arbeit angedeutete, aber in allen seinen Konsequenzen und Verwirklichungsformen auch geforderte Paradigmenwechsel zugunsten der Rechtssphäre des Kindes entspricht der ekklesiologischen Grundlegung des Zweiten Vatikanischen Konzils, näherhin der Erklärung über die christliche Erziehung, Gravissimum educationis8, wie der aktuellen Lehre der Kirche überhaupt. Auszugehen ist vom Kind als Rechtssubjekt bzw. von einem Recht des Kindes auf Erziehung und Bildung. Dieses erst impliziert die korrespondierende Pflicht zur Erziehung. Im kirchlichen Kontext bedeutet das ein Bekenntnis zur Würde der Person und die explizite, normative Anerkennung des getauften Kindes als Rechtssubjekt – persona sui iuris. Aus säkularer Perspektive können dabei aber durchaus analoge Schlussfolgerungen aus den in unserer Zeit auch stärker in den Blick tretenden Menschenrechten des Kindes gezogen werden. Eine durch Erziehung geförderte, geschulte, gebildete und so erst in ihrer vollen Potentialität ermöglichte Freiheit hängt in christlicher Perspektive eng 8 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis. Erklärung über die christliche Erziehung, 28. 10. 1965, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_ vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_gravissimum-educationis_ge.html (abgefragt am 08. 01. 2021).
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mit dem menschlichen Gewissen als „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist“, zusammen. „Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat. Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten.“9 Im Blick auf diese Postulate einer sich durch Erziehung und Reifung entfaltenden, verantworteten Betätigung der persönlichen menschlichen Freiheitsrechte sind auch für ein säkulares Denken die Wurzeln und Grundlagen einer nachhaltigen und gerechten demokratischen Gesellschaft zu erkennen. Wenn die Arbeit schließlich auf das „Rechtsgut“ der christlichen Erziehung verweist, das konkrete Elternpflichten impliziert, steht im Vordergrund nicht das Recht der Eltern auf Erziehung, sondern die Pflicht der Eltern zur Erziehung und das korrespondierende Recht des Kindes. Im Rahmen eines kirchlichen Rechtsdenkens bildet diese Implikation einen wesentlichen Gegenstand der pastoralen Sorge und Verantwortung der Bischöfe und anderen leitenden Verantwortlichen in der Kirche, aus dem sich vor dem Hintergrund des bezeichneten Paradigmenwechsels das Postulat einer angemessenen Begleitung der Kinder und Eltern als besondere Verantwortung der Hirten ergibt. Im Sinne einer – nicht von den Anforderungen der Menschenrechte und des demokratischen Staates trennbaren – Rechtsstaatlichkeit sind, wiederum auch für einen nicht religionsbezogenen Denkansatz, analoge Forderungen an den Staat, den Gesetzgeber und die Gesetzgebung zu stellen. Es ist der Autorin zu wünschen, dass sie die hier vorgelegten Gedanken im Rahmen ihres weiteren beruflichen Weges anwenden und weiter entfalten kann; und es ist zu hoffen, dass ihre Dissertation von Vielen gelesen werde und einen für unsere Gesellschaft heute wichtigen Denkprozess über Fragen zu Erziehung und Bildung positiv beeinflussen möge. P. Dr. Friedrich Bechina, FSO, Untersekretär der Kongregation für das katholische Bildungswesen
9 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute, 7. Dezember 1965, www.http://vatican.va/archive/hist_ councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge. html (abgefragt am 08. 01. 2021), Nr. 16.
Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Psalm 8,5
Vorwort der Autorin Was macht den Menschen zum Menschen? Die Vermittlung religiöser und weltanschaulicher Werte impliziert ein wesentliches Element der Erziehung eines Kindes. Die Entwicklung seiner persönlichen Identität wie seine Eingliederung in soziale Beziehungen erfordert die Fähigkeit entsprechender Kontingenzbewältigung und den Erwerb der Kompetenz für die Lebensdeutung als Ziel. Dazu braucht es Erziehung als Form der Sozialisation. Freilich inkludiert eine gute Erziehung fraglos ein gewisses Maß an Bildung. Damit sei jedoch keineswegs das vordergründige Augenmerk auf die Weitergabe von abstraktem Wissen gelegt. Vielmehr darf sich jene, nach einem Ganzen und den Bedürfnissen eines in seiner Persönlichkeit reifenden Menschen strebende Erziehung – will sie ihrem Namen gerecht werden – nicht in der bloßen Wissensvermittlung erschöpfen. Die Schulung der Vernunft impliziert das Erfordernis fundierter Bewusstseinsbildung. Fragen nach dem Sinn, dem Sein und wahren Werten sind zentral. Die rechtliche und kulturelle Einordnung der höchst lebensrelevanten Parameter Erziehung und Familie auf dem Boden unseres Kulturkreises fußt auf dem Wirken der Katholischen Kirche. Lange vor einer expliziten Regelung im staatlichen Recht fanden die Termini Erziehung, Ehe und Familie im Kirchenrecht eingehende Berücksichtigung. Im Wege einer Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung und der aktuellen Rechtslage im Kirchenrecht möchte diese Arbeit den gegenwärtigen Status betreffend die religiöse Erziehung eines Kindes herausarbeiten und so einen Beitrag zum tieferen Verständnis der rechtlichen Aspekte leisten, deren Brisanz im kontemporären gesellschaftlichen Kontext unübersehbar ist. Der zunehmende Mangel eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über die Unverfügbarkeit von Rechtsgütern, deren Schutz in der Würde des Menschen gründet, kennzeichnet unsere säkularisierte Gesellschaft. Demgegenüber nahm das Bewusstsein betreffend das Schutzbedürfnis der Rechte des Kindes vor allem im 20. Jahrhundert, bedingt durch die schrecklichen Ereig-
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Vorwort der Autorin
nisse der beiden Weltkriege, kontinuierlich zu. Entsprechende Bestrebungen rückten in den Fokus legislativer Prozesse. Diese mündeten etwa in der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen am 20. November 1989. Im inneren Bereich der Kirche setzte das Zweite Vatika nische Konzil (1962–1965) themenspezifische Akzente, deren Implementierung in den kanonischen und pastoralen Kontext erst partiell erfolgte. Diesen Perspektivenwechsel gilt es weiterzuverfolgen, um den Herausforderungen der Gegenwart im Zusammenhang mit der religiösen Erziehung eines Kindes in der Kirche und in der Welt adäquat zu begegnen. Gegenständlich sollen die Ansprüche eines Kindes auf Erziehung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie seine Meinungsfreiheit untersucht werden. Hierbei fällt die Definition materieller Inhalte nicht in die Kompetenz weltlicher Gesetzgeber. In diesem Sinne konstatierte der ehemalige Staatsrechtler, Rechtsphilosoph und Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“1 Aktuelle themenspezifische Debatten im rechtspolitischen Kontext fokussieren nicht selten vermeintlich anspruchsbegründende Parameter, die im Ergebnis zu einer Vernachlässigung der Rechte des Kindes führen. Indem der Topos der unverfügbaren Würde des Menschen regelmäßig ausgeklammert bleibt, überrascht diese Konsequenz kaum. Diese Entwicklung verdeutlicht das Postulat religiöser Erziehung als Mittel zum Erwerb nachhaltiger Entscheidungskompetenz und reflektierten Urteilsvermögens. Die Grenze des staatlicherseits wahrzunehmenden Wächteramtes liegt in der Begrenztheit der eigenen Freiheit durch die Freiheit des Nächsten. Aufgabe der Erziehung ist es, materielle Inhalte zu vermitteln. Das Diktum ErnstWolfgang Böckenfördes knüpft in Österreich an den auf Hans Kelsen zurückgehenden – die Ethik aus dem positiven Recht ausklammernden – Entwurf der Bundesverfassung an. Das Faktum, dass das österreichische Recht „keine Wertaussagen im Hinblick auf den Gewissensanspruch des Einzelnen be inhaltet“2, korrespondiert mit der Tatsache, dass der Einzelne sich diesem Anspruch seines Gewissens in seinem individuellen und im allgemeinen, kollektiven Kontext stellen muss. Unter Bezugnahme auf Theo Mayer-Maly und dessen Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit des Rechts bei der Bekämpfung der Korruption konstatiert Herbert Schambeck die hohe Relevanz einer ethischen Gesinnung: „Vom Gewissensanspruch des Einzelnen (…) und seiner individual- und sozialethischen Grundhaltung wird der Wert der Demokratie im Staat entscheidend abhängen und der Gefahr der Permissivität begegnet 1 Böckenförde, 2 Schambeck,
Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 60. Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich, S. 871 (902).
Vorwort der Autorin19
werden können.“3 Immanuel Kant spricht sich dafür aus, dass nicht eine Mehrzahl von Familien, sondern Individuen einen Staat bilden.4 Die religiöse Erziehung und damit die Bildung des Gewissens beginnen in der Familie. Mit dem Anspruch des Kindes korrespondiert die Pflicht der Eltern. In den Lineamenta zur XIV. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute wird die „aktuelle kulturelle Wirklichkeit“ als besondere Herausforderung erzieherischen Wirkens in unserer Zeit betont und dem Postulat gegenübergestellt, „die Kinder und Jugendlichen in ihrem Wachstum auf personalisierten Wegen zu begleiten, die in der Lage sind, sie in den umfassenden Sinn des Lebens einzuführen und ihnen Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung zu ermöglichen.“5 Es stellt sich die Frage, wie in diesem Kontext eine Komplementarität im Sinne eines Brückenschlages erreicht werden kann, der den Bedürfnissen des Einzelnen und der Gesellschaft begegnet, zumal davon auszugehen ist, dass die Kirche der Zukunft gehalten ist, sich der Einschätzung von Menschen zu stellen, die nicht der Kirche angehören. Im Zusammenhalt der Auseinandersetzung mit den Begriffen des Rechts und der Gerechtigkeit konstatierte die französische Philosophin Simone Weil (1909–1943), dass die Wirksamkeit eines Rechtsanspruches stets von einer korrespondierenden Verpflichtung abhänge. Die Missachtung der Anerkennung eines transzendenten Bereichs, aus dem diese Verpflichtungen entspringen, demgegenüber die Rechte – im Rahmen der Erklärung der Menschenrechte – aus der Bedingtheit der diesseitigen Welt abgeleitet werden, habe „innerhalb der demokratischen Strukturen unserer Gesellschaft Verwirrung ausgelöst.“6 Im Zusammenhalt mit der Gerechtigkeit sei es essentiell, „daß die stabilen Beziehungen zwischen den Beziehungspartnern von einer Art sind, daß sie es jedem von ihnen erlauben, die eigene Wesensnatur zu behalten und zu entfalten.“7 Kinder sind eine Gabe, über die man nicht verfügen darf. Familie vermittelt Transzendenz und Personalität. Getragen von der persönlichen Erfahrung, dass die vielfältigen Herausforderungen innerhalb der Familie eine der tiefs3 Schambeck,
Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich, S. 902. Rechtsethik, S. 382. 5 Bischofssynode, Lineamenta – „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“, www.http://vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_ doc_20141209_lineamenta-xiv-assembly_ge.html (abgefragt am 26. 09. 2015). 6 Wimmer, Recht und Gerechtigkeit bei Simone Weil, S. 127 (133). 7 Ibid., S. 136. 4 Pfordten,
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Vorwort der Autorin
ten Erfahrungen des Erlebens der Früchte realer, geistiger und tätiger Oblation mit der impliziten, einzigartigen Chance freier, verantwortungsvoller und sinnerfüllter Lebensgestaltung in sich birgt, ist insbesondere das Postulat der Erziehung unter jenen Leitsatz aus dem Johannesevangelium zu stellen, den auch der ehemalige Jugendbischof von Österreich und spätere Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner, Papst Franziskus folgend, für sein Wirken wählte: „Illum opportet crescere, me autem minui.“ („Jenem gebührt zu wachsen, mir aber kleiner zu werden.“) Joh 3,30
Menschen“8
Als „Dienst am verwirklicht sich christliche Erziehung im permanenten Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung, geht es doch gerade im Zusammenhalt mit der educatio liberorum um die Entfaltung der persönlichen Berufung des Menschen. Das Subjektive ist nur in Relation zu einem Objektiven, Absoluten denkbar. In diesem Kontext steht die Erziehung unter dem Postulat der Vermittlung des rechten Gebrauchs der Freiheit, des Weges zur Selbstfindung. Hinter der vieldiskutierten Säkularisation verbirgt sich nicht die Abwendung von der Religiosität schlechthin, sondern ein erwachtes Bewusstsein für die existierende Option zur Wahrnehmung der persönlichen Entscheidungsfreiheit. Im Zuge des zunehmenden Pluralismus innerhalb der Gesellschaft einerseits und fortschreitender Individualisierungstendenzen andererseits erhält das persönliche Bekenntnis zu einer Religion oder Weltanschauung eine neue, gesteigerte Bedeutung, zumal dessen Wurzel immer weniger in einem unreflektierten, aus der Verflechtung von Staat, Kirche und Gesellschaft resultierenden, gesellschaftlichen Konsens als vielmehr in einem bewussten, persönlichen Willensakt begründet ist. Die primären verantwortlichen Adressaten hinsichtlich des kindlichen Anspruchs auf religiöse Erziehung sind die Eltern. Ihre umfassende Verantwortung bildet den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Vor dem Hintergrund ihrer Sendungsverantwortung normierte die katholische Kirche bereits sehr früh die Erziehungspflicht der Eltern gegenüber dem Kind. Die Fokussierung der persönlichen Würde des einzelnen Menschen resultierte insbesondere aus der ekklesiologischen Grundlegung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im staatlichen Recht wurde bis in jüngster Zeit das Erziehungsrecht der Eltern betont. 8 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute, 7. Dezember 1965, www.http://vatican.va/archive/hist_ councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge. html (abgefragt am 08. 01. 2021), Nr. 3.
Vorwort der Autorin21
Gegenwärtig erscheint es geboten, einen Schritt weiter zu gehen und das Recht des Kindes in kirchlichen und staatlichen Rechtssätzen explizit aufzunehmen und ihm nicht einen bloß der elterlichen Pflicht korrespondierenden Status einzuräumen. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Grundlagen betreffend den Rechtsstatus des Kindes per se und die familiären Beziehungsstrukturen. Inwiefern die gegenwärtige Rechtslage hierzu bereits einen noch nicht ausgeschöpften Interpretationsspielraum bereithält beziehungsweise die Adaption bestehender Normen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung erforderlich erscheint, soll Gegenstand dieser Untersuchung sein. Hierbei geht es vor allem um die Implementierung der Persönlichkeitsrechte des Kindes im kirchlichen Recht sowie eines kanonischen Familienrechts und den Ausbau der pastoralen Sorgetragung für die Bedürfnisse der Familie im Kontext der Erziehung. Beginnend mit dem fünften Jahrestag des nachsynodalen apostolischen Schreibens Amoris laetitia am 19. März 2021 kündigte Papst Franziskus am 27. Dezember 2020 ein Aktions- und Gedenkjahr über die Ergebnisse der beiden ordentlichen Bischofssynoden 2014 und 2015 zu den pastoralen He rausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung an.9 Postuliert wird die Familie als „erste Schule der menschlichen Werte, wo man den rechten Gebrauch der Freiheit lernt (…).“10 Der detaillierte Kontext ist umfassend: „Die Familie ist der Bereich der primären Sozialisierung, denn sie ist der erste Ort, wo man lernt, gegenüber dem anderen eine Stellung zu beziehen, zuzuhören, mitzufühlen, zu ertragen, zu respektieren, zu helfen und zusammenzuleben. Es ist die Aufgabe der Erziehung, das Empfinden der Welt und der Gesellschaft als einer Familie zu wecken; es ist eine Erziehung, die befähigt, jenseits der Grenzen des eigenen Hauses zu „wohnen“.11 Das Auftreten der COVID-19-Pandemie in Europa im März 2020 mit der damit verbundenen Herausforderung einer Entwicklung von Strategien zur wirksamen Eindämmung der drastischen und facettenreichen Auswirkungen auf Leben, Gesundheit, Bildung, Arbeit und Wirtschaft rückte den vorbezeichneten Kontext in ein besonderes Licht. Im Interesse des Gemeinwohls postulieren wechselseitige Abhängigkeiten und Auswirkungen ein auf Solidarität begründetes Agieren.12 Unter der Prämisse eines auf der Wahrnehmung 9 https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2020-12/vatikan-jahr-familie-amoris -laetitia-papst-franziskus-ehe-kirche.html (abgefragt am 02. 01. 2021). 10 Franziskus, Amoris laetitia. Nachsynodales apostolisches Schreiben über die Liebe in der Familie, 19. 03. 2016, http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_ exhortations.index.html, Nr. 274 (abgefragt 02. 01. 2021). 11 Ibid., Nr. 276. 12 Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche (2004), Nr. 167.
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Vorwort der Autorin
gemeinsamer Verantwortung und Solidarität basierenden Vorgehens entspricht das aus der Entscheidung einzelner Menschen als Verantwortungs träger resultierende öffentliche Handeln einem ethisch-sozialen Modell, das dem von globaler wechselseitiger Abhängigkeit und gemeinsamem Schicksal13 gekennzeichneten Aufgabenfeld im individuellen wie gemeinschaft lichen Kontext gleichermaßen mit nachhaltiger Effizienz begegnet. Die Grundlegung bilden eine entsprechend orientierte Erziehung und Bildung. Die „Vision von Bildung steht im Dienst der höchsten Ziele des Menschseins. Diese Ziele wurden in der Konzilserklärung Gravissimum educationis mit Weitblick herausgestellt: die harmonische, auf allmähliche Vertiefung des Verantwortungsbewusstseins ausgerichtete Entfaltung der körperlichen, sitt lichen und geistigen Anlagen; das Wachsen in der wahren Freiheit;“ In der Generalaudienz am 20. Mai 2015 bezeichnet Papst Franziskus „die gute Erziehung in der Familie“ als „Rückgrat des Humanismus“. Hieraus „erwachsen“ die „Bedeutungen einer auf gegenseitigem Vertrauen und auf der Wechselseitigkeit der Pflichten beruhenden Erziehung im Dienst des gesamten sozialen Gefüges. Aus diesen Gründen sind die schulischen und akademischen Einrichtungen, die die Person ins Zentrum ihres Auftrags stellen wollen, aufgerufen, die Familie als erste natürliche Gesellschaft zu respektieren und ihr in richtig verstandener Subsidiarität zur Seite zu stehen.“14 Die Interpretation eines humanistischen Erziehungs- und Bildungsideals erfährt sohin eine Revision: „Entlang dieser Perspektive zeichnete sich ab, dass die Bildung im Dienst eines neuen Humanismus stehen sollte, der die Dialogbereitschaft der sozialen Person und ihren Einsatz für die Verwirklichung des Gemeinwohls beinhaltet.“15 Deshalb ist es notwendig, Bildung menschlicher zu machen, einen Prozess zu initiieren, der es jeder Person ermöglicht, ihre tiefen Begabungen, ihre Berufung zu entfalten und damit zur Berufung ihrer Gemeinschaft beizutragen.16 Erforderlich ist die Verbindung von Kompetenz und reflektiertem Urteilsvermögen, dieses basierend auf einem Wertbewusstsein, das sich einem gemeinwohlfördernden Regulativ verpflichtet weiß. 13 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Erziehung zum solidarischen Humanismus, Für den Aufbau einer „Zivilisation der Liebe“ 50 Jahre nach Populorum progressio, Orientierungshilfen, 16. April 2017, http://www.vatican.va/roman_ curia/congregations/ccatheduc/documents/rc_con_ccatheduc_doc_20170416_educare -umanesimo-solidale_ge.html. vgl. Einleitung, Nr. 1. 14 Ibid., II, Bildung menschlicher machen, Nr. 7, 9. 15 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis. Erklärung über die christliche Erziehung, 28. 10. 1965, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ ii_vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_gravissimum-educationis_ge.html (abgefragt am 08. 01. 2021), 1B. 16 Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, 9. Februar 2017.
Vorwort der Autorin23
Die aktuelle Pandemiesituation zeigt in deutlicher Weise auf, wie unverzichtbar es ist, Subsidiarität und Solidarität als überkommene Prinzipien der christlichen Soziallehre im Interesse einer gemeinsamen, effektiven Krisenbewältigung in Ansatz zu bringen. Das an den Zielen und Werten des Gemeinwohls orientierte Strukturprinzip impliziert Subsidiarität als Hilfe zur Selbsthilfe und Solidarität als gemeinschaftsförderndes Instrument. Die Bedeutung der gebotenen Sensibilität öffentlichen Handelns im Kontext der Wahrung von Freiheitsrechten auf der einen Seite und der Gewährleistung von Leben, Gesundheit, Arbeit und Wirtschaft schützenden Maßnahmen auf der anderen Seite manifestiert sich ein einem schmalen Grat. Ungeachtet dessen ist es der einzige Weg. Das Maß der Implikation eines Regulativs verhindert ein Abdriften einzelner – etwa freiheitsbeschränkender, mehr die Ökonomie als den Menschen fokussierender oder anderer – Parameter auf Kosten einer lebensdienlichen Lösung für die zivile Gemeinschaft. Im Diktum Ernst Wolfgang Böckenfördes, wonach der Staat von ihm selbst nicht verfügbaren Implikationen lebt, scheint der Verweis auf das unverzichtbare Erfordernis einer sich in freier Entfaltung des Menschen vollziehenden Erziehung und Bildung ausgesprochen, die den konkreten Gehalt gelebter Subsidiarität und Solidarität als Grundpfeiler zukunftsweisenden menschlichen Zusammenlebens auf rechtspolitischer Ebene zu definieren vermag. Öffentliches Handeln steht im Spannungsfeld der Gewährleistung von Freiheit und Verantwortung, die ihren Ausdruck im Schutz des Lebens, der Gesundheit, der sozialen und ökonomischen Verhältnisse findet. Bischof Dr. Hermann Glettler, Referatsbischof für Ehe und Familie in der Österreichischen Bischofskonferenz folgend, erscheint es in diesem Kontext geboten, „in allen gesellschaftlichen Herausforderungen, Polarisierungen und Verhärtungen unbedingt den Dialog zu suchen – einen hörenden, nicht selbstherrlichen Dialog (…) Eine gute, Zukunft ermöglichende Politik ist eine konkrete Form von Nächstenliebe. Der Papst spricht von der Notwendigkeit einer „Politik der Liebe“ (…). Eine politisch engagierte Liebe meint ein radikales Sich-Selbst-Involvieren und nicht nur distanziertes Kommentieren.“17 Mit seiner am 3. Oktober 2020 veröffentlichten Enzyklika Fratelli tutti18 trifft Papst Franziskus eine programmatische Festlegung über den kontempo-
17 Glettler, Statement zur neuen Sozialenzyklika Fratelli tutti, 15. Oktober 2020, https://www.dibk.at/Meldungen/Geschwisterlichkeit-und-Solidaritaet (abgefragt am 03. 01. 2021). 18 Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti. Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, 03. 10. 2020 http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/ documents/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html (03. 01. 2021).
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Vorwort der Autorin
rär zu fokussierenden Kontext erzieherischer und bildungsmäßiger Verantwortung: „Um auf dem Weg des freundschaftlichen Umgangs in der Gesellschaft und der universalen Geschwisterlichkeit voranzukommen, muss es zu einer grundlegenden, wesentlichen Erkenntnis kommen: Es muss ein Bewusstsein dafür entstehen, was ein Mensch wert ist, immer und unter allen Umständen.“19
Aus dem Bewusstssein über die Person, den einzelnen Menschen, resultiert das Miteinander im eigentlichen Sinn: „Ich möchte die Solidarität hervorheben. Als moralische Tugend und soziales Verhalten, eine Frucht der persönlichen Umkehr, erfordert [sie] ein Engagement vieler Einzelner, die im Erziehungs- und Bildungswesen Verantwortung tragen. Ich denke zunächst an die Familien, die zu einer vorrangigen und unabdingbaren Erziehungsaufgabe berufen sind. Sie bilden den ersten Ort, an dem die Werte der Liebe und der Geschwisterlichkeit, des Zusammenlebens und des MiteinanderTeilens, der Aufmerksamkeit und der Sorge für den anderen gelebt und vermittelt werden (…).“20
Sohin bestimmt sich hieraus das Regulativ einer gesellschaftsfördernden Öko nomie, deren Ignoranz e contrario in die stete Wiederholung eines lebensfeindlichen und zerstörerischen Selbstzweckes mündet: „Der Markt allein löst nicht alle Probleme, auch wenn man uns zuweilen dieses Dogma des neoliberalen Credos glaubhaft machen will. Es handelt sich um eine schlichte, gebetsmühlenartig wiederholte Idee, die vor jeder aufkeimenden Herausforderung immer die gleichen Rezepte herauszieht.21 (…) In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass eine ‚Reform sowohl der Organisation der Vereinten Nationen als auch der internationalen Wirtschafts- und F inanzgestaltung notwendig ist, ‚damit dem Konzept einer Familie der Nationen reale und konkrete Form gegeben werden kann.‘ “22
Es beginnt mit einem Kind …
19 Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti. Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, 03. 10. 2020 http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/docu ments/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html (03. 01. 2021), Nr. 106. 20 Ibid., Nr. 114; Botschaft zum 49. Weltfriedenstag am 1. Januar 2016 (8. Dezember 2015), 6: AAS 108 (2016), 57–58; L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 45 (2015), Nr. 52/53 (25. Dezember 2015), S. 9. 21 Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti. Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, 03. 10. 2020 http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/docu ments/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html (03. 01. 2021), Nr. 168. 22 Ibid., Nr. 173; vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 29. Juni 2009, 67: AAS 101 (2009), (700).
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung . . . . . . . . . . . . 32 II. Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 V. Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VII. Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 VIII. Bindung, Freiheit und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 IX. Individueller und gesellschaftlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Zur Implementation der educatio liberorum in den ersten Jahrhunderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Zur themenspezifischen Relevanz der oblatio pueri . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Der Einfluss des Römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV. Zur Entstehung kollektiver Bildungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 92 V. Zur Entwicklung der kanonischen Rechtsgrundlagen im Mittelalter . . 98 VI. Zu den themenspezifischen Grundlegungen des Thomas von Aquin . . 101 VII. Themenspezifische Aspekte der Reformationund des Konzils von Trient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 VIII. Themenspezifische Aspekte des Augsburger Religionsfriedens . . . . . . 110 IX. Themenspezifische Aspekte im Kontext des Westfälischen Friedens . 111 X. Die themenspezifische Entwicklung vom 18. Jahrhundert bis zum CIC 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 XI. Die educatio liberorum im CIC von 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Zur themenspezifischen Relevanz der allgemeinen Systematik . . . 116 2. Zur normativen Festlegung der Altersgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Die strukturelle Einordnung der edcucatio liberorum im CIC 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 XII. Zur educatio liberorum im vorkonziliären Lehramt . . . . . . . . . . . . . . . 132 XIII. Zur Bestimmung der anni discretionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 XIV. Zur Entwicklung der themenspezifischen kanonischen Grundrechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 XV. Zum Rechtsstatus des Kindes im historischen Kontext . . . . . . . . . . . . 149 XVI. Zur kanonischen Einordnung der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 XVII. Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
26 Inhaltsverzeichnis D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Zur themenspezifischen Grundlegung des II. Vatikanischen Konzils . . 158 1. Zum revidierten Selbstverständnis der katholischen Kirche . . . . . . 158 2. Kulturelle Diakonie als innerkirchliche Verpflichtung . . . . . . . . . . . 159 3. Zur religiösen Erziehung in den Dokumenten des Zweiten Vatika nums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Die Dimension der Erziehung im Kodex von 1983 . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Necessitas und Utilitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Glaubensfreiheit und Bekenntnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Zu den themenspezifischen kanonischen Grundrechtsbegriffen . . . 223 4. Zur kanonischen Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Erziehung als Recht und Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 V. Die Familie als Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern . . . . . . . . 234 VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Die educatio liberorum als Ehewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Religiöse Erziehung in einer konfessions- oder religionsverschiedenen Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Zu den Auswirkungen von Ehenichtigkeitserklärung und Trennung 248 VII. Zum Erziehungsauftrag der Paten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IX. Zur Sendungsverantwortung aller Gläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Exkurs: Marchtalplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 XI. Zur themenspezifischen Relevanz von Festen und Feiern . . . . . . . . . . 281 XII. Auswirkungen des staatlichen Kirchenaustrittsauf die Erziehungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht . . . 284 1. Allgemeines und verfahrensrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 284 2. Zur strafrechtlichen Relevanz der nichtkatholischen Taufe oder Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Zum mangelnden Rechtsschutz des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4. Pastorale Diakonie als Prophylaxe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 XIV. Die religiöse Erziehung – ein Streitpunkt im Bereich der Ökumene? . 295 XV. Jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . 301 XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode . . . . . . . . . . . . . 310 XVII. Braucht die Kirche ein Kindschafts- und Familienrecht? . . . . . . . . . . . 321 XVIII. Anspruchstellung des kanonischen Rechts an das staatliche Recht . . . 322 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
Abkürzungsverzeichnis AAS Acta Apostolicae Sedis ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AG Ad gentes ALR Allgemeines Landrecht Anm. Anmerkung arg. argumentum Art. Artikel ASS Acta Apostolicae Sedis Bd. Band BGBl Bundesgesetzblatt BVG Bundesverfassungsgesetz c. canon cc. canones Cap. caput CD Christus dominus CIC Codex Iuris Canonici co. commentarius d. des Dig. Digesten Dh Dignitatis humanae disp. disputationes ff. fortfolgend FS Festschrift GE Gravissimum educationis GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland GS Gaudium et spes Hrsg. Herausgeber i. V. m. in Verbindung mit ibid. ibidem leg. cit. legis citatae LG Lumen gentium
28 Abkürzungsverzeichnis Lib. Liber lS letzter Satz MP Motu proprio Msgr. Monsignore N., n. numerus or. oratio Oss Rom Osservatore Romano PL Patrologia Latina PO Presbyterorum ordinis qu. quaestio RIS Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes Rz. Randzahl S Th Summa Theologiae (Thomas de Aquino) S. Seite, Satz SchOG Schulorganisationsgesetz SS Santa Sede Sp. Spalte StGG Staatsgrundgesetz Tit. Titulus US Unitatis redintegratio Übers. Übersetzung Verf. Verfasser vgl. vergleiche
A. Einleitung Ziel der gegenständlichen Arbeit ist die Darstellung der historischen wie aktuellen kanonischen Rechtsgrundlagen der elterlichen, katholischen Erziehung eines Kindes sowie die Analyse einer möglichen Diskrepanz zwischen den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen und den themenbezogenen kontemporären Herausforderungen innerhalb der communio ecclesiae und der zivilen Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mündet in einem Versuch der Definition eventualiter reformbedürftiger Norminhalte. Ausgehend von der historischen Entwicklung wird die aktuelle innerkirchliche Rechtslage dargestellt. Im kanonischen Recht ist die Erziehung als Recht und Pflicht normiert. Begründet in der Elternschaft ist sie in besonderer Weise in das Eherecht eingebettet. Durch die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Rechtsstellung des einzelnen Gläubigen innerhalb der communio kontrastiert und infolge dessen die Bedeutung der elterlichen Erziehung im Verhältnis zur Pastoral und der Katechese als originärem Gegenstand amtlicher Lehrverkündigung im Rahmen der Erfüllung des kirchlichen Erziehungsauftrages deutlich hervorgekehrt. Unbeschadet der Unauflöslichkeit und der Sakramentalität der Ehe stellt sich im Kontext des kanonischen Rechts als Herausforderung der gegenständlichen Arbeit die konkrete Frage nach dem Bedarf und dem möglichen materiellen Inhalt eines bislang fehlenden, expliziten Familienrechts einschließlich dem Postulat umfassender darauf bezogener Rechtsschutzmechanismen und Verfahrensgarantien. Diesem vorgelagert ist die normierte Anspruchslage des Kindes in den Blick zu nehmen und seine Suffizienz zu prüfen. Mit dem Recht des Kindes auf religiöse Erziehung verbindet sich sein Recht auf Familie. Zwischen diesen beiden Ansprüchen besteht eine naturgegebene Komplementarität und es drängt sich die Frage auf: Impliziert die konziliare Definition des Statuts der christifideles das Postulat eines kanonischen Kindschaftsrechts und die rechtliche Anerkennung der Institution Familie? Das Recht des Kindes auf eine religiöse Erziehung und das Recht auf Familie implizieren den Anspruch auf den Erwerb der Kompetenz zu einer sinnerfüllten, reflektierten und verantwortungsvollen Lebensdeutung. Diese Befähigung ist die unabdingbare Voraussetzung für die Betätigung anderer Persönlichkeitsrechte.
30
A. Einleitung
Dieser Parameter kennzeichnet ein einzigartiges Spezifikum eines Grundrechtes. Die Besonderheit besteht darin, dass das Recht auf religiöse Erziehung nicht aus Eigenem betätigt werden kann, sondern der Rechtsträger auf die korrespondierende Erfüllung der entsprechenden Pflicht angewiesen ist. Entsprechendes gilt etwa für das Recht auf Familie, während andere Grundrechte im Rahmen einer Drittwirkung kein unmittelbares, aktives Tun, sondern allenfalls die Duldung durch einen Dritten implizieren. Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen lassen es geboten erscheinen, auch themenspezifische Hintergründe auf rechtssoziologischer Ebene zu recherchieren, ist doch die Rechtssoziologie selbst als relativ junge Wissenschaft eine Reaktion auf neue Herausforderungen innerhalb der zivilen Gesellschaft, die den behandelten Themenkomplex umfassend tangieren. Die gegenständliche Untersuchung der kirchenrechtlichen Rechtsgrundlagen geschieht vor dem Hintergrund des kirchlichen Lehramtes, zumal den nicht rechtsverbindlichen Dokumenten, respektive den als Litterae Ency clicae oder Epistulae titulierten Schriften maßgebliche Bedeutung in der Rechtsfortbildung und -interpretation zukommt. Die Darstellung und Untersuchung der historischen Rechtsgrundlagen schließt vor dem Zweiten Vatika nischen Konzil, der primären kontemporären Interpretationsgrundlage kanonistischer Fragestellungen. Themenspezifische Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils werden im aktuell-rechtlichen Teil behandelt. Dessen Konstitutionen und Dekrete bilden die Grundlage für die Neukodifikation des aktuell in Geltung stehenden CIC 1983. Zudem bestimmen die Leitgedanken des Konzils das gegenwärtige Lehramt der Katholischen Kirche. Obschon die Rechtswirkungen des Konkordatsrechts als Teil des Völkerrechts in Kirche und Welt gleichermaßen ausstrahlen, muss eine themenspezifische Untersuchung in dieser Arbeit unterbleiben, um ihren Rahmen nicht zu sprengen. Zudem sollen primär die kirchenrechtlichen Komponenten des Eltern-Kind-Verhältnisses Berücksichtigung finden, demgegenüber das Konkordatsrecht vornehmlich die Beziehung zwischen der Kirche und dem Staat regelt und in diesem Kontext sohin vor allem das Schulrecht und der Reli gionsunterricht Regelungsgegenstand sind. Dass Religion per se einen wesentlichen Bestandteil der Identität des Menschen ausmacht, beweist die Kulturgeschichte der zivilen Gesellschaft. Mit dem wachsenden Bewusstsein religiöser Bekenntnisautonomie geht eine zunehmende Sehnsucht nach den Antworten auf die existenziellen Grundfragen einher. Somit implizieren gerade jene umfangreichen, gegenwärtigen Diskussionen über Säkularisierungstendenzen paradoxerweise die Suche nach Sinnerfüllung, die eine freie Entscheidung des Einzelnen voraussetzt. Somit steht der vermeintlich diagnostizierten Abwendung des Menschen von der Religiosität vielmehr der Vollzug eines Wandels von einem seitens der Ge-
A. Einleitung31
sellschaft, der Kirche oder des Staates vermittelten Bekenntnis zu einem persönlichen, autonomen gegenüber. Konsequent gedeutet stellt dies eine höchst optimistisch stimmende Entwicklung mit überaus großem Potential in vielerlei Hinsicht dar, die eine Umsetzbarkeit geglückter, persönlicher Lebensentwürfe impliziert.
B. Grundlagen I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung Zur Einleitung des Themenkomplexes soll im ersten Kapitel ein Überblick über die weitreichende Bedeutung der Vermittlung religiöser Werte im Kindesalter gegeben werden. Angesichts der soziologischen, philosophischen und transzendenten Dimension der Erziehung würde die bloße Beleuchtung juristischer Grundlagen zu kurz greifen. Die Hinführung zu verantwortlicher, selbstbestimmter Urteilsfähigkeit, die sich auch der säkulare Staat im Hinblick auf die Erfüllung seines Erziehungs- und Bildungsauftrags im Rahmen der Schule etwa in Österreich gemäß § 2 (1) SchOG 1962 zum Ziel gesetzt hat, verpflichtet zur Weitergabe entsprechenden Wissens und zur Vermittlung von Entscheidungskompetenz. Die persönliche und gesellschaftliche Anerkennung eines transzendenten Regulativs ist in diesem Konnex unverzichtbar: „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.“1
Das Monopol der kollektiven Vermittlung religiöser Werte sowie die Entwicklung eines entsprechenden, institutionalisierten Bildungssystems in Europa und somit auch auf dem Boden des heutigen Österreich lag seit seiner Entstehung im frühen Mittelalter in den Händen der Katholischen Kirche und wurde erst am Ende der Monarchie im Wege liberaler Schulgesetze durchbrochen. In der Vermittlung religiöser Bildung in öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen werden heute sehr vielschichtige Anschauungen vertreten. Die Verfolgung einer konsequenten, religiösen Ausrichtung findet sich nur noch in konfessionellen Privatschulen,2 deren Bedeutung gegenwärtig einer Renaissance gleichkommt. 1 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Schulorganisationsgesetz – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 13. 11. 2013, http://ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Ab frage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009265 (abgefragt am 13. 11. 2013). 2 Vgl. RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Privatschulgesetz – Bundesrecht kon solidiert, Fassung vom 25. 06. 2015, http://ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Ab frage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009266 (abgefragt am 25. 06. 2015).
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung33
Nach der heute herrschenden Auffassung ist Religion Privatsache und das unreflektierte Monopol einer Konfession im öffentlichen Unterricht überholt. Dessen ungeachtet ist die Vermittlung transzendenter Werte als stetes Pendant im Zuge der Weitergabe abstrakten Wissens das Postulat an eine moderne, zukunftsweisende Erziehung. Diese Prämisse wirft vielerlei Fragestellungen auf. Gibt es eine allgemeine Ethik? Wo muss Erziehung ansetzen? Was ist die Basis für die Bildung eines Wertebewusstseins als Voraussetzung für eine selbstbestimmte, verantwortungsvolle Lebensführung? Selbstbestimmte, verantwortungsvolle Lebensführung basiert auf der Verfügbarkeit von Entscheidungskompetenz und Urteilsvermögen. Die zivile Gesellschaft funktioniert nur im Miteinander. Denken und Handeln für Andere ist gleichzeitig Denken und Handeln für sich selbst und für die kommenden Generationen. Zentral sind Fragen der Definition von Freiheit, Gerechtigkeit, des Schutzes der menschlichen Würde, der Erhaltung und Förderung der essentiellen Lebensgrundlagen, der Gesundheit, der Generierung einer wirtschaftlichen Basis als Grundlage für Bildung und Entwicklung, zur Befriedigung allgemeiner und spezieller Bedürfnisse, Umwelt- und Klimaschutz. Ohne das Gemeinwohl und das Kindeswohl an einem unverfügbaren Regulativ festzumachen, wird die von Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si’ postulierte „generationenübergreifende Gerechtigkeit“3 eine Utopie bleiben. Unverzichtbarer Ausgangspunkt in diesem Kontext ist das „Bewusstsein des gemeinsamen Ursprungs, einer wechselseitigen Zugehörigkeit und einer von allen geteilten Zukunft. (…) So zeichnet sich eine große kulturelle, spirituelle und erzieherische Herausforderung ab, die langwierige Regenerationsprozesse beinhalten wird.“4 Regelmäßig steht eine Familie am Beginn einer neuen Generation. Ihre erzieherische Kompetenz kann durch keine andere Institution vollkommen ersetzt werden. Innerhalb der Familie nimmt auch die religiöse Erziehung, eigebettet in und hingeordnet auf personale Beziehungen in vertikaler und horizontaler Hinsicht, ihren Anfang. Erziehung muss korrespondierend Maßstäbe und Kompetenzen vermitteln. Die Einbeziehung von Werten ist keine Zumutung, sondern essentielle Bedingung für das Funktionieren der zivilen Gesellschaft: „Eigenverantwortlichkeit und das Erkennen meiner Individualität stehen in untrennbarem Zusammenhang.“5 In diesem Kontext genügt es freilich nicht, bei hohlen Begriffen wie Ethik und Wertebewußtein stehenzubleiben. Religiöse Erzie3 Franziskus, Enzyklika Laudato si’, 24. Mai 2015, http:www://w2.vatican.va/ content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-lau dato-si.html (Stand 19. 06. 2015), Nr. 159. 4 Ibid., Nr. 202. 5 Brünner, Eigenverantworlichkeit als gesellschaftliches Prinzip …, S. 489.
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B. Grundlagen
hung wirkt identitätsstiftend und ermöglicht persönliche Identifikation sowie die Fähigkeit zu reflektierter Interpretation und Entscheidungsfindung. Die Entfaltung der menschlichen Person im Wege der Betätigung der eigenen Freiheit bedeutet Selbstbestimmung. Die Vorenthaltung der Entscheidungsgrundlagen, gegenständlich die Unterlassung der Vermittlung von Glaubenswissen, stellt eine Diskriminierung dar, die jeder Erziehungsträger nach Maßgabe seines Bewusstseins zu verantworten hat. Die Säkularisierungsthese ist überholt. Zwar hat der zunehmende Pluralismus mit seinen Individualisierungstendenzen innerhalb unseres Kulturkreises binnen der letzten Jahrzehnte zur tendentiellen Abnahme des quantitativen, gesellschaftlichen Konsenses hinsichtlich religiöser Erziehung geführt. Demgegenüber ist allerdings festzuhalten, dass diese Entwicklung nicht mit einer intendierten Absage an die Religion einhergeht, sondern vielmehr einen Ausfluss gesellschaftlicher Veränderungen darstellt, welche die individuelle Autonomie zunehmend in den Vordergrund stellen. Daher kann nicht simpel von einer Verweltlichung gesprochen werden, vielmehr wurde das kollektive religiöse Bewusstsein in eine individuelle, bewusst motivierte religiöse Betätigung transformiert. Gelebte Individualität ist an die Stelle unreflektierter, überkommener Homogenität getreten. Im historischen Rückblick ergibt sich im gesellschaftlichen Kontext ein vielfältiger Bedeutungswandel der themenspezifischen Begriffe Religion, Weltanschauung, Freiheit, Erziehung, Bildung, Kindeseigenschaft und Vernunftgebrauch. Der religiöse Bildungs- und Erziehungsprozess umfasst sehr differente und vielschichtige Zielsetzungen, dem seitens der Träger idealerweise im Wege eines kooperativen Zusammenwirkens unter der Prämisse des Subsidiaritätsprinzips begegnet wird. Die fundamentalen Kompetenzen werden im außerschulischen Bereich erworben, die Eltern tragen die erste Verantwortung. Die Europäischen Staaten haben die verfassungsrechtliche Garantie des elterlichen Erziehungsrechts unterschiedlich geregelt. Während es etwa in Deutschland unmittelbar im Grundgesetz6 normiert ist – Art. 6 (2) GG lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ – ist in Österreich Art 2 des Ersten Zusatzprotokolls der in den Verfassungsrang erhobenen7 Europäischen Men schenrechtskonvention maßgeblich: „Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden. Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der
6 GG – Einzelnorm, http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_6.html (Stand 04. 09. 2015). 7 BGBl Nr. 59/1964.
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung35
Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.“8 Kirchliche und staatliche Träger dienen der Ergänzung und Unterstützung der elterlichen Erziehungsarbeit. Zielführend ist der Aufbau eines sozialen Netzwerkes für Erziehungs- und Bildungsprozesse, Bildungspolitik ist auch Sozialpolitik. Betrachtet man Bildung als diakonische Aufgabe, so verbindet sich damit eine bestimmte theologische Sicht des Menschen. Die Erfüllung des diakonischen Auftrages bedeutet, Menschen vom Rand in die Mitte zu holen, um ihnen so die Möglichkeit zur Teilhabe zu eröffnen. Grundlage für die Fähigkeit zur Mitwirkung in der Gesellschaft ist zunächst das Bewusstsein der eigenen Würde. Dies bedeutet, dass die Vermittlung von Bildung vor der Weitergabe rationalen, abstrakten Wissens ansetzen muss. Fundierte Bildungsprozesse bringen die Würde des einzelnen Menschen zur Geltung. Die Würde des Menschen ist unantastbar und wurzelt nach biblischem Verständnis in der Gottesebenbildlichkeit. Zielpunkt ist nicht die bloß verstandes mäßige Befolgung von Regeln, sondern ein Zusammenleben im Sinne des Schalom – einer gerechten und friedlichen Gemeinschaftsordnung. Freilich befähigt die Ansammlung abstrakten Wissens gleichsam als Bildung im engeren Sinne zur Teilhabe an gestalterischen Vorgängen in der Gesellschaft. Doch bedarf es zu einem reflektierten, verantwortlichen Umgang mit der persönlichen Freiheit darüber hinaus der Einbettung dieses Wissens in eine fundierte kulturelle und religiöse Bildung als Transzendenz und damit ein unverfügbares Regulativ vermittelndes Element. Religion ist Bestandteil der menschlichen Kultur. Die Familie ist Ausgangspunkt einer gerechten und friedlichen Gemeinschaftsordnung. Zu ihrem Schutz bedarf es entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen sowie der Unterstützung kollektiver Einrichtungen in Kirche und Staat. Auf Grundlage der unveräußerlichen, kindlichen Rechte ist es die Pflicht des Staates, die Rechte der Kinder zu verteidigen. Hieraus ergibt sich zunächst, dass es kein Recht auf ein Kind gibt und die Familie aus der Perspektive des ihr anvertrauten Kindes entsprechend zu spezifizieren ist. In diesem Kontext ist der Staat darüberhinaus gehalten, ausgehend von den auf der personalen Menschenwürde basierenden Rechten des Einzelnen eine vorbehaltlich der Zugehörigkeit von Kindern interpretationsoffene Definition der Familie zuzulassen.
8 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Europäische Menschenrechtskonvention (Zusatzprotokoll) – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 27. 09. 2015, www.http:// ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=100 00309 (abgefragt am 27. 09. 2015).
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B. Grundlagen
Der adäquate Umgang mit den Rechten der Kinder verlangt einen radikalen Perspektivenwechsel. Die Gesetzgebung und das politische Engagement stehen unter dem Postulat der Fokussierung der rechtlichen Interessen des Kindes als Rechtssubjekt. Prinzipiell betroffen sind alle Lebensbereiche. Auszugehen ist von den Persönlichkeitsrechten des Kindes. An das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit knüpfen sich zunächst die Rechte auf eine Familie, auf Erziehung und auf Bildung. Diese Prämissen stehen in der Komplementarität zu einem spezifischen Ausmaß des Angewiesen-Seins, woraus sich ein die persönliche Gleichberechtigung überragendes Schutzbedürfnis der Kinder ergibt. Im gegenständlichen Kontext zu fokussierendes Ziel ist der diesem Schutzbedürfnis implizite Anspruch des Kindes auf eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung. Die Besonderheit dieser naturgegebenen Konstellation besteht darin, dass es dem Kind erst mit seiner fortschreitenden altersmäßigen und geistigen Reifung möglich ist, eigene Rechte zu betätigen. Hierin gründet die mit der religiösen Erziehung verbundene Verantwortung gegenüber dem Kind und kehrt sich die prinzipiell für alle Menschenrechte geltende Evidenz der primären Konfrontation mit Pflichten in deutlichster Weise hervor. Religiöse Erziehung ist für die eigenständige Betätigung persönlicher Rechte, die unter der Prämisse einer reflektierten Urteilskompetenz stehen, konditional. Auf einer nachgeordneten Ebene tangieren viele Rechtsbereiche den themenspezifischen Kontext der religiösen Erziehung. Beispielhaft angeführt sei etwa die Relevanz der rechtlichen Regelungen der Arbeitswelt ob ihrer Auswirkungen auf die Beziehungsmöglichkeiten zwischen Eltern und Kindern. Erziehung kann sich nur eingebettet in persönliche Beziehungsstrukturen vollziehen, die zwischen einzelnen Personen als Rechtssubjekten bestehen. Besonders prekär ist der in der weltlichen Rechtsprechung und Lehre permanent bemühte Begriff des Kindeswohls, zumal seine Definition nicht an den Persönlichkeitsrechten des Kindes, sondern in einem von unterschiedlichsten Interessen geprägten, interpretationsoffenen Raum festgemacht wird. In seinem Brief an die Familien traf Papst Johannes Paul II. (1920–2005) im Jahr 1994 themenspezifische Festlegungen, deren zeitloser Gehalt zukunftsweisend ausstrahlt: „Die Person verwirklicht sich durch die Ausübung der Freiheit in der Wahrheit. Die Freiheit kann nicht als Befugnis verstanden werden, alles Beliebige zu tun: Sie bedeutet Selbsthingabe. Mehr noch: Sie bedeutet innere Disziplin der Selbsthingabe. In den Begriff Hingabe ist nicht nur die freie Initiative des Subjektes, sondern auch die Dimension der Pflicht eingeschrieben. Das alles verwirklicht sich in der ‚Gemeinsamkeit der Personen‘.“9 9 Johannes Paul II., Brief an die Familien, 2. Februar 1994, http://www.vatican. va/holy_father/john_paul_ii/letters/1994/documents/hf_jp-ii_let_02021994_families_ ge.html (Stand 19. 04. 2013), Nr. 14.
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung37
Ausgehend vom einzelnen, in eine Personengemeinschaft eingebetteten Menschen verweist Papst Johannes Paul II. auf den Kontext einer pluralistischen Gesellschaft und kehrt unter Wiedergabe einer Aussage Papst Johannes XXIII. (aus den letzten Wochen von dessen Pontifikat), optimistisch die Tragfähigkeit bewusster Glaubensreflexion hervor: „Mehr denn je, bestimmt mehr als in den letzten Jahrhunderten, sind wir heute darauf ausgerichtet, dem Menschen als solchem zu dienen, nicht bloss den Katholiken, darauf, in erster Linie und überall die Rechte der menschlichen Person und nicht nur diejenigen der katholischen Kirche zu verteidigen. Die heutige Situation, die Herausforderungen der letzten 50 Jahre und ein tieferes Glaubensverständnis haben uns mit neuen Realitäten konfrontiert. (…) Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert, nein, wir sind es, die gerade anfangen, es besser zu verstehen.“10
In diesem Zusammenhang bildet die themenspezifische Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils eine bedeutende Interpretationsgrundlage, zumal sie die wahre Gleichheit aller Gläubigen nach ihrer Würde und Tätigkeit und die besondere Bedeutung der Ehe und der Familie für die Evangelisierung als Gegenstand religiöser Erziehung hervorkehrt. In diesem Sinne betont auch Papst Johannes Paul II. die Bedeutung der Familie für die Entfaltung der menschlichen Person und qualifiziert sie als „Subjekt“: „Denn die Person ist ein Subjekt, und das ist auch die Familie, weil sie von Personen gebildet wird, die durch ein tiefes Band der Gemeinschaft verbunden sind und so ein einziges Gemeinschaftssubjekt bilden. Ja, die Familie ist mehr Subjekt als jede andere soziale Institution: mehr als die Nation, der Staat, mehr als die Gesellschaft und die internationalen Organisationen. Diese Gesellschaften, besonders die Nationen, erfreuen sich deshalb einer eigenen Subjektivität, weil sie sie von den Personen und ihren Familien erhalten. Sind das lediglich „theoretische“ Überlegungen, formuliert, um die Familie in der öffentlichen Meinung zu „erhöhen“? Nein, es handelt sich vielmehr um eine andere Ausdrucksweise dessen, was Familie ist. Und auch sie läßt sich aus dem vierten Gebot ableiten. (…) Dies ist eine Wahrheit, die vertieft zu werden verdient: Sie unterstreicht nämlich die Wichtigkeit dieses Gebots auch für das moderne System der Menschenrechte. Die institutionellen Anordnungen gebrauchen die Rechtssprache. Gott hingegen sagt: „Ehre!“ (…) Sämtliche „Menschenrechte“ sind letzten Endes hinfällig und wirkungslos, wenn ihrer Grundlage der Imperativ „ehre!“ fehlt; mit anderen Worten, wenn die Anerkennung des Menschen durch die einfache Tatsache, daß er Mensch, „dieser“ Mensch ist, fehlt. Rechte allein genügen nicht. (…) Es ist daher nicht übertrieben, zu bekräftigen, daß das Leben der Nationen, der Staaten, der internationalen Organisationen durch die Familie „hindurchgeht“ und sich auf das vierte Gebot des Dekalogs „gründet“. Trotz der vielfachen Erklärungen rechtlicher Art, die erarbeitet wurden, bleibt, als Ergebnis der „aufklärerischen“ Prämissen, wonach der Mensch „mehr“ Mensch ist, wenn er „nur“ Mensch ist, unsere heutige Zeit in beachtlichem Ausmaß von der „Entfremdung“ bedroht.“11 10 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 87. Paul II., Brief an die Familien, Nr. 15.
11 Johannes
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B. Grundlagen
Religiöse Erziehung steht unter dem Postulat, einer Entfremdung entgegenzuwirken: „Sei Mensch! Dies ist der Imperativ, der in ihr (Anm.: der Familie) vermittelt wird: Mensch als Sohn oder Tochter der Heimat, als Bürger des Staates und, so würde man heute sagen, als Bürger der Welt. Er, der der Menschheit das vierte Gebot gegeben hat, ist ein dem Menschen gegenüber „wohlwollender“ Gott (philanthropos, wie die Griechen sagten).“12
Die Definition und Anerkennung jenes so vielfach postulierten gemeinsamen Wertekonsens innerhalb der zivilen Gesellschaft fußt auf dem Bewusstsein des Sich-gebunden-Wissens an ein absolutes Regulativ, dies vor dem Hintergrund, dass wahre Freiheit nur im Kontext von Verantwortung denkbar ist und vollkommen bindungsfrei generierte, demokratische Entscheidungen keine Gewährleistung für Wahrheit und Gerechtigkeit bilden. Ziel muss demnach die Verbindung eines absolut gültigen Wertekatalogs quasi als kleinstem gemeinsamem Nenner mit relativen, variablen Parametern sein, um so das Hervorbringen eines gerechten Lösungsansatzes für individuelle wie kollektive Herausforderungen wenigstens tendenziell zu erreichen. Den Ausgangspunkt hierzu bildet die Sozialisation des Kindes durch Religion. Der in der jüdischen Tradition aufgewachsene Agnostiker Émile Durkheim (1858–1917) entdeckt im Zuge seiner soziologischen Forschungsarbeit die wesentliche Bedeutung der Religion als Vermittler sozialer Integration. Seine Untersuchungen konzentrieren sich auf das unumgängliche Erfordernis der Sozialisation des Menschen innerhalb der Zivilgesellschaft, worin er das Grundproblem der Soziologie überhaupt festmacht. Durkheim verknüpft zunächst rationale und positivistische Elemente aus der französischen Tradition von Auguste Compte (1798–1857) mit dem angeslächsischen Utiliarismus und Evolutionismus von Herbert Spencer (1820–1903) und der Moralphilosophie Immanuel Kants (1724–1804). Auf der Suche nach einem Regulativ für die soziale Regellosigkeit analysiert Durkheim die Auswirkung der Erziehung zu konkretem Moralbewußtsein verstanden als situationsunabhängig bindende Pflicht und gelangt zu der Erkenntnis, dass eine in einen abstrakten Kontext gestellte Moral zu kurz greift.13 Es braucht die Religion. Die persönliche Identifikation eines Menschen mit den Glaubensinhalten einer Religion vermittelt Identität und schafft beständig Raum für schöpferische Entfaltung und kontinuierliche Erneuerung seiner sozialen Integration. Nach Durkheim bilden religiöse Phänomene wesentliche Strukturelemente der Gesellschaft14 und „opponiert“ er „den unterschiedlichen Varianten einer einseitig evolutionistisch orientierten Kritik der Religion, die diese lediglich als irrationales 12 Ibid.,
Nr. 15.
14 Ibid.,
S. 53.
13 Gabriel/Reuter
(Hrsg.), Religion und Gesellschaft, S. 51 ff.
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung39
Relikt eines vormodernen Wirklichkeitsverständnisses oder als Ausdruck einer gesellschaftlichen Mangelsituation zum Aussterben verurteilt sieht.“15 Ohne Widerspruch dazu definiert Papst Franziskus die Bedeutung der Religon für die Entfaltung der menschlichen Person: „Für mich besteht die große Revolution darin, zu den Wurzeln zu gehen, sie zu erkennen und zu sehen, was diese Wurzeln heute zu sagen haben. Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Revolutionären und dem Zurückgehen an die Wurzeln. (…) Ich glaube, die wahre Veränderung kommt aus der Identität.“ Wer voranschreiten wolle, müsse wissen, woher er komme und welche kulturelle und religiöse Identität er habe. Freilich impliziert die Tatsache der „Universalität der Religion als soziale und anthropologische Konstante“ einen permanenten „Wandel in ihren Erscheinungsformen“,16 doch geschieht dies vor dem Hintergrund einer inhaltlichen Konstante. Zudem findet gerade der moderne Staat seine Legitimationsgrundlage in der Vergegenwärtigung seiner Orientierung am Recht und der Würde des Individuums. Der deutsche Soziologe Georg Simmel (1858–1918) betont die Individualität und Einmaligkeit menschlichen Lebens und beschränkt sich nicht auf eine Untersuchung der Gesellschaft an sich, sondern konzentriert seinen Blick auf interaktive Wechselbeziehungsprozesse. Zwischenmenschliche Beziehungen als Keimzelle der zivilen Gesellschaft können nach seiner Ansicht nicht auf den Glauben, das Religiöse, als apriorische Bewußtseinskategorie verzichten. Damit knüpft Simmel an das Religionsverständnis von Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und die Mystik Meister Eckharts (1260–1328) an.17 Bereits Simmel erkennt den modernen Trend religiöser Individualisierung, doch bleibt für ihn die konstitutive Funktion der Religion davon unberührt. Die Konzentration auf „Gott als transzendenter Ort der Gruppenkräfte (…) ermöglicht dem Individuum, seine biographische Einheit und ethische Selbstbehauptung gegenüber der ausdifferenzierten Gesellschaft zu wahren.“18 Die Konzepte des 1927 in Slowenien geborenen Religionssoziologen Thomas Luckmann haben die Diskussion über die zivile Bedeutung des Religiösen neu entfacht.19 Ausgehend von einem sehr weit gefassten Religionsbegriff interpretiert er die Säkularisierung keineswegs als „Ende der religiösen Grundfunktion“, sondern erblickt darin schlicht deren Privatisierung, ausge15 Ibid., S. 53.
16 Franziskus, http://www.La Vanguardia, religion.ORF.at (abgefragt am 13. 06. 2014); religion.orf.at/stories/2652492/ (abgefragt am 17. 06. 2014). 17 Gabriel/Reuter (Hrsg.), Religion und Gesellschaft, S. 72 ff. 18 Ibid., S. 73. 19 Marhold, Neoklassische Entwürfe, Privatisierung und Individualisierung: Thomas Luckmanns phänomenologischer Zugang zur heutigen Sozialform der Religion, S. 135.
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B. Grundlagen
löst durch den zunehmenden Wegfall traditionell religiöser Legitimationsbedürfnisse des Gefüges von Institutionen.20 Damit spricht Luckmann als erster Soziologe von einer Individualisierung der Religion. Demgegenüber haben sich die Arbeiten des 1932 in der Schweiz geborenen und in Deutschland tätigen Soziologen Franz-Xaver Kaufmann nicht durchgesetzt.21 Indem Kaufmann konstatiert, „Religion als gesamtgesellschaftliches Phänomen, also als Kommunikation über Antworten hinsichtlich der (…) unterschiedenen zentralen Fragen oder Probleme, zeigt in einer pluralistischen Gesellschaft notwendigerweise einen diffusen Charakter“,22 verkennt er Luckmanns Erkenntnis der Individualisierung, die keineswegs mit inhaltlicher Verwässerung einhergeht. Nicht der Inhalt, sondern der Rahmen religiöser Betätigung hat eine Veränderung erfahren. Bemerkenswerter Weise suchen Soziologen, beeinflusst von Nietzsche und Tolstoi, die sich breit machende Kritik an Religion zu überwinden.23 Die Beweggründe, nicht der Glaube selbst haben sich verändert. Wo dennoch ein „nichtreligiöses Selbstverständnis der westlichen Moderne“24 zu gewärtigen ist, konstatiert der zeitgenössische Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas das Entstehen einer politischen Kultur, die den staatsbürgerlichen Commonsense in einer Weise auf die Probe stellt, die unversöhnliche Polarisierungen schafft. Die Verständigung zwischen religiösen und nichtreligiösen Bürgern sei nur im Wege der entsprechenden Achtung vor dem Denken des anderen beziehungsweise einer für den Nichtreligiösen verständlichen Übersetzung der Überzeugungen des Religiösen möglich.25 Habermas verteidigt Hegels These, „dass die großen Religionen zur Geschichte der Vernunft selbst gehören.“26 In concreto vermag die Religion den Blick für die menschlich nicht abschließend definierbare jedoch erfahrbare Dimension menschlichen Seins zu öffnen: „Religiöse Überlieferungen leisten bis heute die Artikulation eines Bewusstseins von dem, was fehlt.“27 Gute rechtsphilosophische Argumente können die Brücke bauen zwischen religiösen und nichtreligiösen Argumenten und so den Bürgern in einem weltanschaulich neutralen Staat ein fried
20 Luckmann, Privatisierung und Individualisierung. Zur Sozialreform der Religion in spätindustriellen Gesellschaften, S. 148. 21 Gabriel, Neuere Ansätze, Verkirchlichung des Christentums und das DiffusWerden der Religion: Franz-Xaver Kaufmanns Analyse der Religionsentwicklung in der Moderne, S. 213. 22 Kaufmann, Auf der Suche nach den Erben der Christenheit, S. 232. 23 Gabriel/Reuter (Hrsg.), Religion und Gesellschaft, S. 17. 24 Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion, S. 7. 25 Ibid., S. 11, 12. 26 Ibid., S. 12, 13. 27 Ibid., S. 13.
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung41
liches und sogar gegenseitig befruchtendes Miteinander ermöglichen.28 Einer Argumentation des dänischen Philosophen und Theologen Sören Kierkegaard (1613–1855) folgend konstatiert Habermas: „Nicht die Vernunft zieht der Religion Grenzen sondern die religiöse Erfahrung weist die Vernunft in ihre Schranken.“29 Gerade die Errungenschaften der Moderne, die sich mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) an den Begriffen „Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung“ festmachen lassen, implizieren eine große Chance. Nicht die oberflächliche, unreflektierte Beibehaltung einer Tradition, sondern vielmehr die ständige Reflexion und Revision derselben steht nach diesem „Selbstverständnis der Moderne“ als „Ergebnis der Säkularisierung, also der Ablösung von den Zwängen politisch machthabender Religionen“, im Vordergrund.30 Mit dem Benediktiner und Philosophen Anselm von Canterbury (1033– 1109) kreist religiöse Erziehung im Idealfall um den Glauben, der von sich selbst aus nach dem Verstehen fragt: „Fides quaerens intellectum.“31 Bereits die Glaubensentscheidung eröffnet ein hohes Maß an Identifikation. In der gegenwärtigen Zeit trifft die Vermittlung religiöser Werte zunehmend auf die aus dem Bewusstsein individueller Freiheit entspringende Sinnsuche und steht so nicht mehr in einer Reihe mit anderen, etwa naturwissenschaftlichen Bildungsinhalten. Daraus löst sich einerseits der vormalige Konflikt zwischen theologischer Doktrin und abstrakten Wissenschaften und spricht dies andererseits für eine gegenseitige Vernetzung. Jürgen Habermas folgend ist die Grenze zwischen säkularen und religiösen Gründen fließend und sollte die umstrittene Festlegung als eine kooperative Aufgabe verstanden werden, die von beiden Seiten fordert, auch die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen.32 Wenn Habermas für das Verbleiben der Theologie an der Universität spricht, so gilt diese Argumentation selbstverständlich in analoger Weise für den Bereich des Religiösen im Kontext der Erziehung. Es handelt sich um ein gewissermaßen symbiotisches Verhältnis zwischen religiösen Implikationen und abstrakten Bildungsinhalten. Gegenteilige Ansätze verkennen das dem Wesen des Menschen entsprechende Bedürfnis nach der Erkenntnis seiner überirdischen Dimension und vereiteln so die Entfaltung von reflektierter Identität und Beziehungsfähigkeit. Der Philosoph und Anthropologe Ludwig Andreas Feuerbach (1804–1872) ist zunächst wie Immanuel Kant (1724–1804), Georg Wilhelm Friedrich He28 Ibid.,
S. 216. S. 244. 30 Ibid., S. 247. 31 Anselmus Cantuariensis, http://www.thelatinlibrary.com/anselmproslogion.html (abgefragt am 12. 04. 2014). 32 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 182. 29 Ibid.,
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gel (1770–1831) und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) ein Vertreter des Deutschen Idealismus, lässt sich jedoch letztlich nicht einordnen. Nach seiner Auffassung ist nur das Seiende das Wirkliche. Glaube ist für ihn ein soziologisches und psychologisches Phänomen, theologische Ansätze ordnet er anthropologischen zu.33 Die Naturwissenschaften vermögen viele Fragen zu beantworten. Religiöse Erziehung muss ihre Erkenntnisse einschließen und vermag zudem in einem weiter gefassten Rahmen Antworten zu geben. Darüber hinaus liegt eine weitere, letzte Erkenntnis beim einzelnen Menschen selbst. Dieses Zugeständnis impliziert das Recht auf Gewährleistung und Schutz sowie die erzieherischen Grenzen einer Betätigung der Glaubens-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Die Vermittlung von Religiosität bildet einen wesentlichen Parameter der Sozialisation eines Kindes als Individuum und innerhalb der Gesellschaft als Kollektiv. Religiöse Erziehung impliziert den Auftrag, neben den jeweils kirchenspezifischen auch jene Werte zu vermitteln, die als gemeinsamer Grundkonsens das entscheidende Fundament für das Funktionieren der pluralistischen, zivilen Gesellschaft bilden. Wie das Zweite Vatikanische Konzil konkretisierte, besteht ein Unterschied zwischen den Rechten und Pflichten der Gläubigen und jenen, die allen Gliedern der menschlichen Gesellschaft allgemein zukommen.34 Diese Rechte und Pflichten zu definieren, ihre Verbindung zu suchen und entsprechend zu vermitteln, ist eines der entscheidendsten Postulate religiöser Erziehung. Maßstab für die Grenzen individueller Freiheitsrechte bildet die personale und soziale Verantwortung des Einzelnen. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass eine allgemeine, auf dem Fundament aristotelischer Erkenntnistheorie basierende Ethik, die ihr letztes Ziel in der Eudämonie als seelischem Wohlbefinden verwirklicht sieht, den weiterführenden Weg zum erlösenden Heil ausklammert.35 Ernst-Wolfgang Böckenfördes berühmte These, dass „der freiheitliche Rechtsstaat von Voraussetzungen lebt, die er selbst mit den Mitteln des Rechtszwanges nicht garantieren kann, von Voraussetzungen, die unter anderem aus Religion und Ethos kommen“36, verdeutlicht den Wert religiöser und weltanschaulicher Erziehung. Während in Österreich Diskussionen um die Entbehrlichkeit des Religionsunterrichts geführt werden, stellt man im laizistischen Frankreich zunehmend die Frage nach einer stärkeren Einbindung religiöser Inhalte in die allgemeine Bildung, dies vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils der muslimischen Bevölkerungsgruppen. Die große He33 Bultmann, 34 Loretan,
Theologische Enzyklopädie, S. 4. Das Verhältnis der Kirchen zu den Grund- und Menschenrechten,
S. 262 (270). 35 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 175. 36 Ibid., S. 186.
I. Begriff und Bedeutung der religiösen Kindererziehung43
rausforderung besteht in der Gratwanderung zwischen dem Verteidigen der eigenen Konfession unter gleichzeitiger, offenherziger Begegnung mit der umgebenden religiösen, ethischen und kulturellen Pluralität. Religiöse Erziehung muss den Menschen ganzheitlich begreifen und seine Entwicklung zu autonomer, verantwortlicher Selbstbestimmung fokussieren. Der Würde des Menschen ist mit der Gewährung eines essentiellen Freiraumes zu begegnen. Denn die persönliche Entscheidung in der Frage des Glaubens ist nicht vermittelbar.37 Somit impliziert die Entfaltung der Persönlichkeit die Aufgeschlossenheit gegenüber den Anforderungen der Zeit. Die religiöse Kindererziehung ist im inneren Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, im internationalen Völkerrecht, im Europarecht, sowie im nationalen Verfassungsrecht, in einfachen Gesetzen und in Verordnungen der staatlichen Rechtsordnungen geregelt. Zahlreiche themenspezifische Parameter werden erst vor dem Hintergrund der historischen Entstehungsgeschichte des Begriffes der Erziehung als juristisch relevantem Terminus sowie seiner normativen Einordnung plausibel. Von hoher aktueller Relevanz ist die Frage, welche rechtlichen Rahmenbedingungen religiöse und weltanschauliche Erziehung angesichts zunehmend individualistischer und pluralistischer Tendenzen benötigt, um ihre Adressaten, die Kinder, auf ihrem Weg zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Identität unter den Prämissen von Freiheit, Gerechtigkeit und Verantwortung im individuellen und kollektiven Kontext zu begleiten. Erziehung ist nicht nur im kirchlichen Verständnis ein Dienst an der com munio, dasselbe gilt auch unabhängig von einer Konfession für den Kontext innerhalb der gesamten zivilen Gesellschaft. Die erzieherische und bildungsmässige Vermittlung von in der Transzendenz verwurzelten Werten vermittelt Kindern Autonomie und Selbstvertrauen. Einzigartiges Spezifikum der christlichen und der jüdischen Glaubenstradition ist das Anknüpfen an eine personale Gottesbeziehung und das daraus erwachsende Postulat der Nächstenliebe. Ausgehend von einer konkreten, realen Beziehung manifestiert sich das Optimum einer Verhältnismäßigkeit von persönlicher Freiheit, Bindung und Verantwortung. Entscheidender Ausgangspunkt ist das Kind als Person und Rechtssubjekt. Sodann geht es um die Herstellung eines lebendigen Bezuges zur Quelle der absoluten Definition von Werten, eingebettet in Beziehungsstrukturen und hingeordnet auf deren Festigung. In der theologischen Ethik wird davon ausgegangen, dass „Gott dem Menschen in seinem Handeln gnädig zuvorkommt.“ Gnade bedeutet in diesem Kontext, dass Ethik hier „ihren Ort in einer durch Gottes (trinitarisches) Wirken und Willen umschlossenen ganzen 37 Ibid.,
S. 192.
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Wirklichkeit einnimmt.“ Den äußeren Rahmen bildet die Freiheit: „Mit dem Begriff der Freiheit ist auch der Begriff des Gewissens bestimmt.“38 Die Bildung des Gewissens stellt die Freiheit in den Kontext der Verantwortung und ebnet den Weg zur Entfaltung ihres wahren Gehalts. Damit ist die Bedeutung der religiösen Erziehung eines Kindes determiniert.
II. Kind Was ist der Mensch? Die christliche Anthropologie zeichnet ein vielschichtiges und tiefgreifendes Bild, dessen Kern in der unverfügbaren menschlichen Würde festzumachen ist. Aus der personalen Würde und den naturgegebenen, spezifischen Bedürfnissen des Menschen ergibt sich das unverletzliche Recht des Kindes auf Erziehung und Bildung entsprechend seinen individuellen Anlagen und Zielen. Bereits aus der in der stoischen Ethik begründeten Prämisse der Gleichheit aller Menschen ergeben sich bedeutende Konsequenzen für ein naturrechtskonformes Leben innerhalb der zivilen Gemeinschaft, wozu vor dem Hintergrund der gegenständlichen Auseinandersetzung die Anerkennung von Eigenrechten der Kinder gehört.39 Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Betonung von Individualrechten gewinnt die Beschaffenheit der erforderlichen Parameter für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen an Bedeutung. Der polnische Kinderarzt und Reformpädagoge Janusz Korczak (1878–1942) plädiert für die Anerkennung der Ebenbürtigkeit der Kinder.40
III. Erziehung Papst Johannes Paul II. definierte den Begriff der christlichen Erziehung in seinem Brief an die Familien wie folgt: „Worin besteht die Erziehung? Um diese Frage zu beantworten, werden zwei grundlegende Wahrheiten in Erinnerung gebracht: Die erste ist, daß der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, daß sich jeder Mensch durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst verwirklicht. Das gilt sowohl für den Erzieher wie für den, der erzogen wird. Die Erziehung stellt demnach einen einzigartigen Prozeß dar, in dem die gegenseitige Gemeinsamkeit der Personen höchst bedeutsam ist. Der Erzieher ist eine in geistigem Sinne „zeugende“ Person. In dieser Sicht kann die Erziehung als echtes und 38 Ulrich,
Ethik, Sp. 1152. Die stoische Ethik, S. 246 ff. 40 Korczak, Das Recht des Kindes auf Achtung, S. 23. 39 Forschner,
III. Erziehung45
eigentliches Apostolat angesehen werden. Sie ist eine lebensschaffende Verbindung, die nicht nur eine tiefgreifende Beziehung zwischen Erzieher und zu Erziehendem herstellt, sondern diese beiden an der Wahrheit und an der Liebe teilhaben läßt, dem Endziel, zu dem jeder Mensch von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist berufen ist.“41 Bis in die Neuzeit bedeutete Erziehung in Europa Erziehung zu christ licher Lebensführung. Erst die Aufklärung, der Verfassungsstaat und die Industrialisierung führten zu einer Verselbständigung der pädagogischen Reflexion gegenüber der Theologie. Die Stellung im Leben wird zunehmend durch individuelles Können bestimmt, die gesellschaftliche Determination ethischen Verhaltens tritt demgegenüber zurück: „Erziehung wird als Bildung reflek tiert“.42 Auf dieser Grundlegung basieren etwa die Erziehungstheorien von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), Friedrich Schleiermacher (1768– 1834) und Jean-Jaques Rousseau (1712–1778).43 In seiner 1762 publizierten Schrift Emile ou de l’éducation streicht Rousseau das Eigenrecht des Kindes auf eine seiner jeweiligen Entwicklungsstufe gemäße Erziehung heraus, deren Zweck die blosse Sicherung des Berufes und des Standes überragt. Das Novum seines pädagogischen Ansatzes besteht in der erstmaligen Frage nach einem Erziehungsziel und in der Fokussierung des Kindes als Maßstab der Erziehung.44 Ungeachtet dieses Verdienstes vertritt Rousseau eine relativierende Sicht gegenüber der Religion, indem er für ein philosophisches Gottesbild eintritt und die Existenz einer übernatürlichen Wahrheit kategorisch ausschliesst. Demgegenüber bemüht sich Schleiermacher mit seiner Schrift Über den Beruf des Staates zur Erziehung um einen Beitrag, die Schule als demokratisches Mittel, als Ort der Erziehung zur aktiven Mitwirkung in Staat, Gesellschaft und Kirche ins Blickfeld zu rücken. Als führende Vertreter des Deutschen Idealismus entfalten Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) und Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) die Idee der Nationalerziehung in der Schule, die eine Einheit der deutschen Nation gerade auch über Konfessionsgrenzen hinweg erschaffen sollte.45 Die Vertreter des Neuhumanismus, zu denen auch Wilhelm von Humboldt (1767–1835) und Immanuel Kant (1724–1804) gehören, stellen den Menschen in den Mittelpunkt der Bildung, verkennen jedoch die Existenz einer in der Transzendenz wurzelnden, objektiven Werteordnung.
41 Johannes
Paul II., Brief an die Familien, Nr. 16. Erziehung, Sp. 853. 43 Ibid., Sp. 853. 44 Schmitz-Stuhlträger, Das Recht auf christliche Erziehung im Kontext der Katholischen Schule, S. 234. 45 Ibid., S. 256. 42 Knab,
46
B. Grundlagen
Religiöse Erziehung ist wertekonforme Erziehung. Ihre Qualität bestimmt sich nach dem Inhalt der zugrunde gelegten Werte. Wesentlichen Anknüpfungspunkt bildet das Gewissen. „Die Erziehung des Gewissens, das jeden Menschen befähigt, die rechten Weisen zu erkennen, zu werten und zu unterscheiden, in denen er sich nach seiner ureigenen Wahrheit verwirklichen kann, wird so zu einer vordringlichen und unverzichtbaren Notwendigkeit.“46 Die Gewissensbildung liegt in der spezifischen Kompetenz der Familie. Unter Strapazierung des kolportierten afrikanischen Sprichwortes, „um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“, wird heute oft übersehen, dass damit selbstverständlich die Familie im Kontext der Dorfgemeinschaft gemeint ist.47 In diesem Sinne beschreibt Papst Johannes Paul II. in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio aus dem Jahr 1979 die Aufgabe der Familie im Kontext der religiösen Erziehung: „Denn als erziehende Gemeinschaft muß die Familie dem Menschen beim Erkennen der persönlichen Berufung und bei der Entscheidung zum notwendigen Einsatz für größere Gerechtigkeit behilflich sein, indem sie von Anfang an zu zwischenmenschlichen Beziehungen erzieht, die von Gerechtigkeit und Liebe geprägt sind.“48 Der Erziehungsauftrag impliziert die Verantwortung, dem Kind das bedingungslose Angenommensein in Gott zu vermitteln. In IHM als Regulativ können sich alle Verletzungen, Widersprüche und Differenzen begegnen. Nur in IHM ist Erlösung, ER ist Quelle des Friedens und der vollkommenen Liebe. Erziehung zur Freiheit bedeutet auch, dem Kind Mut zu machen, Fragen zu stellen. Darin besteht auch einer der fünf Gottesbeweise von Thomas von Aquin: Das ständige Weiterfragen führt schließlich zum letzten Grund: GOTT. Die beste Erziehung erfährt das Kind durch das gelebte Vorbild. Denn durch das gelebte Beispiel wird das ungerechtfertigte Beschränken der persönlichen Freiheit vermieden. Der mittelalterliche Mystiker Eckhart von Hochheim (1260–1328), besser bekannt als Meister Eckhart, ortet den Seelengrund als innerstes Wesen des Menschen. Auch die Kirche erblickt im Erlangen der salus animarum ihr höchtes Ziel. Augustinus’ (354–430) Bekenntnis, Gott sei ihm innerlicher als er sich selbst, impliziert die Gottsuche als zentralen Moment der geistigen Entwicklung der Person als Individuum und den letzten Grund in den äußeren Begründungen, die der Mensch in der 46 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio, http://www. vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_exhortations/documents/hf_jp-ii_exh_ 19811122_familiaris-consortio_ge.html (Stand 27. 07. 2012), Nr. 8. 47 Boie, „Es braucht ein Dorf …“, in: Bucher, Anton A. ua (Hrsg.), Gemeinsam erziehen, Veröffentlichung der Internationalen Pädagogischen Werktagungen Salzburg (2008), S. 7. 48 Johannes Paul, II., Familiaris Consortio, Nr. 2.
III. Erziehung47
Welt für seine Fragen im kollektiven Kontext sucht. Daher muss Erziehung ganzheitlich vernetzt verstanden werden und stattfinden. Denn der Sinn des Glaubensaktes erschließt sich erst über die Fragen, das Suchen, das in einem konkreten individuellen oder kollektiven Kontext steht. Gott ist nicht abstrakt. Gott ist konkret. ER vermag dort zu antworten, wo die Erklärungskompetenz der abstrakten Wissenschaften endet. In der Erfüllung des göttlichen Willens findet der Mensch seine Berufung. Sie führt zur Selbstfindung und Selbstvollendung: „Nur wenige Menschen ahnen, was Gott aus Ihnen machen würde, wenn sie ihn nur ließen.“ Dieses bekannte Wort des Ignatius von Loyola (1491–1556) verweist auf die Implikation der vermittelnden Funktion der Erziehung. Erst in den Kontext der Beziehung zu Gott und zum Nächsten gestellt, kann der Mensch sein Selbst verwirklichen.49 Ziel einer guten Erziehung muss es sein, dem Kind Gottvertrauen dahingehend zu vermitteln, vertrauensvoll und zuversichtlich über sich selbst hinauszuwachsen, die in ihm schlummernden Talente – etymologisch neben den Anlagen und Fähigkeiten auch die persönliche Berufung einschliessend – zur Entfaltung zu bringen. Darin besteht der tiefste Sinn der educatio liberorum. Einen wesentlichen, spezifischen Gegenstand der Erziehung bildet die Katechese, an der auch die Eltern Anteil haben. „Katechisieren heißt in gewisser Weise, jemanden anleiten, dieses Geheimnis in all seinen Dimensionen zu erforschen: „enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist.“ Papst Johannes Paul II. formulierte keine klare Trennung zwischen der Katechese und der religiösen Erziehung. Religiöse Erziehung orientiert sich an der Prämisse des „mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alles Erkennen übersteigt.“ Es geht darum, „in der Person Christi den gesamten ewigen Plan Gottes aufzuzeigen, der sich in ihr erfüllt.“50 Die Einführung in die „Fülle des christlichen Lebens“ im Rahmen der Katechese meint vor allem die „organisch und systematisch“ vermittelte „Darbietung der christlichen Lehre.“51 Das zunehmende Bewusstsein individueller Autonomie verändert den Weg und die Zieldefinition von Bildung und Erziehung. Daher ist eine Reform der Methodik unumgänglich. Erziehung soll zur verantwortungsvollen, reflektierten Personalisierung und nicht zur beziehungslosen Individualisierung 49 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, www.http://unifr.ch/bkv/summa/ kapitel215-2.html(Stand 31. 01. 2014). 50 Johannes Paul, II., Apostolisches Schreiben Catechesi Tradendae über die Katechese in unserer Zeit, 16. Oktober 1979, http://www.vatican.va/holy_father/john_ paul_ii/apost_exhortations/documents/hf_jp-ii_exh_16101979_catechesi-tradendae_ ge.html (Stand 27. 07. 2012), Nr. 5. 51 Ibid., Nr. 18.
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B. Grundlagen
führen. „Die ganzheitliche, elementare Persönlichkeitsbildung“ als Er ziehungsziel ist die Konsequenz der Priorisierung der „anthropologischen Grundhaltungen Vertrauen, Lebensbejahung und Beziehungsfähigkeit.“52 Während die Erziehungspflicht der Eltern als natürliche Pflicht und als natürliches Recht anzusehen ist, steht der materielle Gehalt der Erziehung unter dem formalen und inhaltlichen Anspruch der Gerechtigkeit. Diese kann mit Margarethe Beck-Mannagetta als Nuance gleich einem „ethischen Minimum“53 beschrieben werden. Nun liegt es weder in der Kompetenz noch ist es Aufgabe des Staates, moralische Inhalte zu generieren. Somit kann der Staat nur eine unterstützende Rolle einnehmen. Bedingt durch den Strukturwandel in der Familie und die mangelnde Kompetenz der Eltern ist eine Undifferenziertheit hinsichtlich verbindlicher Erziehungsziele zu gewärtigen.54 Ungeachtet dessen steht die gedeihliche Existenz der Person im Kontext der zivilen Gesellschaft unter den Prämissen von „Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit.“55 Hierzu dienen „nicht despotischer Befehl, erzwungene Disziplin und mißtrauische Kontrollen, sondern Einfühlungs vermögen im Gespräch, Vertrauen in die Erfahrung, Zusammenarbeit und Zusammenleben.“56 Des Weiteren postuliert der polnische Arzt und berühmte Pädagoge, Janusz Korczak: „Laßt uns Achtung fordern für die hellen Augen, die glatten Schläfen, die Anstrengung und die Zuversicht der Jugend. Aus welchen Gründen sollten trübe Augen, eine faltige Stirn, schütteres graues Haar und eine gebeugte Resignation verehrungswürdiger sein?“57 Diese Prämissen stehen unter dem Postulat der Hinführung und Motivation zur „Selbsttätigkeit“ als „Vorbereitung und Vollzug von Selbstbestimmung.“58 Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind neue Bestrebungen wahrnehmbar, die eine Verknüpfung der weltlichen Herausforderungen von Seiten der Gesellschaft, Wirtschaft, Arbeit und Umwelt mit der gebotenen Wahrnehmung metaphysischer Verantwortlichkeit zu verbinden suchen.59 Die Vermittlung von Werten vor dem Hintergrund der Respektierung der Menschenwürde bildet die Grundlage jeder menschenwürdigen Erziehung. Dies verdeutlicht sich etwa in der Betrachtung der indianischen Kultur vor Eintreffen der Weißen. Kinder wurden nicht vordergründig als Objekt bezie52 Hofmeier,
Erzieher/Erzieherin, Sp. 852. Mittelalterliche Gerechtigkeitslehre, S. 73 (76). 54 Hollerbach, Erziehungsrecht, Sp. 855. 55 Mayer-Maly, Die Grundrechte des religiösen Lebens in der österreichischen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, S. 38. 56 Korczak, Das Recht des Kindes auf Achtung, S. 25. 57 Ibid., S. 36. 58 Menze, Bildung, Sp. 787. 59 Ibid., Sp. 790. 53 Mannagetta-Beck,
III. Erziehung49
hungsweise Mensch mit minderen Rechten betrachtet, im Vordergrund stand die Achtung ihrer Unverfügbarkeit. Vor dem Hintergrund der unbedingten Achtung vor dem Kind wurden ihm Kulturwissen und Fertigkeiten vermittelt. Die Anwendung physischer oder psychischer Zwangsmittel gegenüber den Kindern galt den Indianern als Grausamkeit und war ihnen bis zur zwangsweisen Verbringung indianischer Kinder in Schulen der Weißen fremd. Der weitläufig positiv besetzte Begriff der europäischen Zivilisation, gekennzeichnet durch hierarchische und arbeitsteilige Gesellschaftsstrukturen, hat tendentiell zu einer diametralen Verschiebung der Erziehungsziele geführt. Die Respektierung der Menschenwürde und die daraus resultierende Anerkennung der Rechte des Einzelnen erfordern nicht notwendigerweise den transzendenten Bezug. Wo er aber vorhanden ist, wird der abstrakte Logos um das Attribut des dahinterstehenden Sinnes ergänzt, was unweigerlich mit der freiwilligen Anerkennung verbunden ist, sodaß es schließlich keiner Androhung einer Sanktion bedarf. Verantwortung inkludiert das Wort im Sinne einer sinngebenden Antwort. In diesem Kontext ist die sehr differente Entwicklung des Freiheitsbegriffes im kirchlichen und im weltlichen Bereich zu sehen. Die religiöse Dimension des Menschen ist natürlich. Auch ohne konkrete religiöse oder weltanschauliche Erziehung und Bildung stellen Kinder Fragen nach dem Sinn, nach der Qualifikation in gut und böse. Das Wesen des Menschen ist über das irdische Sein hinaus angelegt. Die Ausklammerung der Religion aus der Kindheit bedeutet ein Beschneiden der persönlichen Freiheit des Kindes. Das Offensein für die religiöse Dimension beinhaltet noch kein konkretes Bekenntnis. Die Obliegenheit dazu resultiert aber aus der Erziehungspflicht, die den Eltern im Rahmen der ihnen zukommenden Obsorge eine Vielzahl von Entscheidungspflichten auferlegt. Wird die Erziehungsaufgabe mangelhaft wahrgenommen, so tritt der Staat subsidiär an die Stelle der Eltern und vermag in einigen Teilbereichen elterliche Pflichten zu kompensieren. Davon ausgeschlossen sind das religiöse Bekenntnis und die Bereitstellung religiöser Erziehungsinhalte. Die Normierung des themenspezifischen, staatlicherseits zu gewährleistenden Schutzbereiches muss in ihrer Grundlegung an der expliziten Konzeption eines Familienrechts ansetzen, dessen Herausbildung im weltlichen Recht sukzessive erfolgte. Das kodifizierte Recht der Katholischen Kirche kennt auch im CIC von 1983 keine explizite Normierung des Rechtes der Familie. Ungeachtet dessen knüpft die Festlegung der Erziehungsverantwortung im aktuellen CIC an der Elternschaft an und schafft damit die Ebene eines neuen, den sakramentalen Wirkungen vorgelagerten Pflichtenkreises.60 Das 60 Zur Gegenüberstellung der Ehe in facto esse und in fieri vgl. Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 192.
50
B. Grundlagen
Recht der persönlichen Freiheit des Menschen und das Recht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder gehört zum ältesten Rechtsbestand der Menschheit. In Korrespondenz zu der im 20. Jahrhundert anhebenden Etablierung der Garantie von Kinderrechten kam es zu einer wenigstens tendentiellen Transformation von einem Rechts- zu einem Pflichtbewußtsein. Hierbei ist zu konstatieren, dass etwa völkerrechtliche Konventionen wie jene der Vereinten Nationen, nicht an der unverfügbaren Rechtssubjektivität des Kindes, sondern am Postulat der Gewähleistungspflicht von Rechtsgütern wie Erziehung, Bildung und Familie anknüpfen. Dieser interpretationsoffene Ansatz wird dem themenspezifischen Regelungsbedarf nicht gerecht. Erziehung bedeutet nach zeitgemäßem Verständnis vor allem das Vorleben eines Vorbildes und meint in diesem Sinne das Heranführen des jungen Menschen zu einer verantwortungsvollen, sinnerfüllten und eigenständigen Lebensführung. Das Zwangsmoment ist zugunsten der zunehmenden Betonung der Rechte des Kindes in den Hintergrund getreten. Erziehung hat in erster Linie eine dienende Funktion. Religiöse Erziehung per se kann nicht das Wesen Gottes vermitteln. Doch es liegt in ihrem Vermögen, dem Menschen einen Weg aufzuzeigen. Sie muss sich darauf beschränken, die Sensibilität, Urteilskraft und Kompetenz gegenüber dem jeweiligen „Anspruch des Jetzt“61 zu wecken. Alles Weitere liegt in der Freiheit des Zöglings, in seinem Sich-Öffnen für das Wirken der Gnade. Erziehungsarbeit ist Beziehungsarbeit. Selbsterkenntnis und Gottes erkenntnis befähigen zur Teilhabe an der communio.
IV. Bildung Die Bildung des bereits grundgelegten Gewissens erfordert den Erwerb von Wissen. Bildung meint die „Selbstbindung eines Menschen an sittliche Maßstäbe und ihren Geltungsanspruch.“62 So erreicht der Mensch eine „Form von Wissen, das alles umfasst.“63 Mit dem Bewusstsein der persönlichen Autonomie verbindet sich nicht nur die neue, in der Freiheit des einzelnen wurzelnde Perspektive, sondern auch die Gefahr eines Abgehens von der Überzeugung der Existenz einer objektiven Wahrheit. So wird „die Welt in ihrer Mannigfaltigkeit selbst zum Orientierungspunkt“ und „Bildung verliert ihre zukunftsweisende Funktion.“64
61 Bultmann,
Theologische Enzyklopädie, S. 61. Bildung, S. 256 (257). 63 Beck, Leben wie geht das?, S. 39. 64 Menze, Bildung, Sp. 789. 62 Schmitz,
IV. Bildung51
Die christliche Prägung unserer Bildungs- und Erziehungskultur zeigt sich insbesondere an der historischen Entwicklung der themenspezifischen Begriffe. Der deutsche Begriff Bildung wurde wahrscheinlich vom dominikanischen Theologen und Philosophen Eckhart von Hochheim, genannt Meister Eckhart, geschaffen, zumindest aber massgeblich geprägt. In der ImagoLehre Meister Eckharts bezeichnet Bildung den Prozess der „Verähnlichung mit Gott bis hin zur unio“, also das Werden zum Ebenbild Gottes durch den Ausbau menschlicher Fertigkeiten.65 Nach diesem Ansatz ist dem Menschen der Einfluss auf die letzte Ausrichtung der Bildung entzogen. Das Bild Gottes steht als Absolutum fest und es liegt am Menschen, sich um die Annäherung zu bemühen. Diese mystischreligiöse Interpretation des Bildungsbegriffes wurde erst im Zeitalter des Humanismus und der Aufklärung von einem Verständnis der allein in der eigenen Verstandeskraft gegründeten, autonomen Selbstwerdung überlagert, das schließlich in die Konzeption allgemeinbildender Schulen mündete. Der aufgeklärte Mensch orientiert sich nicht mehr an einem externen, von seiner eigenen Person verschiedenen Bild, sondern sieht sich selbst als Bild, welches es zu portraitieren gilt. Autonome, ungebundene Bildung wird als Schlüssel zur Freiheit verstanden.66 Eine weitere sehr bedeutende Prägung erhielt der deutsche Bildungsbegriff schließlich im 18. Jahrhundert vor allem durch Immanuel Kant (1724–1804), Wilhelm von Humboldt (1767–1835) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831). Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) ist vor allem als bedeutender Vertreter der Sozialpädagogik bekannt. Pestalozzi unterscheidet in seinem Werk Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Ent wicklung des Menschengeschlechts zwischen drei „Anthropologien“ des Menschen und sieht den Menschen „als Werk der Natur, als Werk der Gesellschaft und als Werk seiner selbst“. Die Erziehung soll den Menschen zu seiner Bestimmung führen. Dabei soll die Bildung eine Harmonie zwischen Kopf, Herz und Hand herstellen. Pestalozzi erkennt, dass Bildung ohne die Einbeziehung metaphysischer Komponenten dem Menschen nicht gerecht werden kann und plädiert für die Verbindung der intellektuellen, sittlich-religiösen und handwerklichen Kräfte: „Religiöse Erziehung ist die Erschließung der Gottesbeziehung und ihrer Verpflichtungsdimension (…). Religiöse Erziehung ist in den alltäglichen Partizipations- und Symbolisierungsprozess zu integrieren; sie auszuklammern führt dazu, daß Kindern wesentliche Deutekategorien für die Interpretation der eigenen Existenz vorenthalten werden.“67
65 Olbertz,
Kindererziehung, Sp. 1749–1754. Bildung, Sp. 453, 454. 67 Biesinger, Kindererziehung, Sp. 1440–1442. 66 Frost,
52
B. Grundlagen
Die gegenwärtige Chance besteht in der angemessenen Verbindung von individueller Freiheit, abstraktem Wissen und objektiver Wahrheit. Ohne diese gibt es keine Sicherheit und Beständigkeit der für die innere Formung des Menschen bedeutenden Kategorien Wachstum und Beziehung. Ziel der Bildung ist die Vermittlung von Entscheidungskompetenz über die Weitergabe von abstraktem Wissen, das in den Kontext individueller und kollektiver Verantwortung gestellt wird. In der Zusammenschau dieser Parameter erweist sich der rechte Gebrauch der persönlichen Freiheit als Schlüssel. Der individuelle Aspekt der persönlichen Verantwortung impliziert die Verantwortung gegenüber der eigenen Person und hat selbstredend die Identifizierbarkeit dieser zur Voraussetzung. Personsein setzt Beziehung voraus. Dieser Prämisse kann im besten Fall durch die Familie entsprochen werden. Idealerweise ist sie der erste Ort, an dem der Mensch in der Welt ankommt. Damit ist die Familie kraft ihres ureigenen Wesens der Prototyp menschlicher Gesellschaft. „Die ureigenste Bestimmtheit des menschlichen Daseins ist die Person, sie ist demnach das Fundamentalste im Bildungssubjekt.“68 Ausgehend von der gegenwärtig verbreiteten Einordnung des Menschen als Objekt der Bildung erscheint seine Entwicklung von einer Person zu einer indivi duellen Persönlichkeit freilich durch die Bildung per se vermittelbar zu sein. Demgegenüber muss menschenwürdige Bildung von dem Grundsatz getragen sein, den Menschen zu seiner Identität zu führen. „Werde, der Du bist!“ und nicht „Werde allgemein!“ Dieser Ansatz bedingt die Wahrnehmung des Menschen als Subjekt seiner Rechte. „Für die thomistische Metaphysik der Bildung kommt es entschieden darauf an, dass der einzelne Mensch seine Person zur Persönlichkeit entfaltet.“ Im Gegensatz dazu stehen Kants Überlegungen, wenn er schreibt: „Soviel aber ist gewiß, daß nicht einzelne Menschen, bei aller Bildung ihrer Zöglinge es dahin bringen können, daß dieselben ihre Bestimmung erreichen. Nicht einzelne Menschen, sondern die Menschengattung soll dahin gelangen.“69 Für den Bereich der schulischen Bildung mag man Kant zustimmen können, doch verkennt er die Aufgabe und das Potential der Familie als Bildungsträger. Moral, Kultur, Tradition und Religion sind Parameter, die in der statistischen Messung von Bildungserfolgen keine Berücksichtigung finden. Symbole vermitteln Transzendenz, beschreiben, vermitteln Bezug zu nicht endlich Definierbarem. Religiöse Erziehung setzt an einem „substantiell vollendeten Menschen“ an. Umfassende Bildung und Erziehung meint die Vollendung dieses Vermögens.70 In diesem Kontext vermag die Botschaft des Evange liums „auch und gerade in einer globalen und zunehmend von einer ‚techni68 Claßen,
Metaphysik der Bildung nach Thomas von Aquin, S. 215. S. 216. 70 Ibid., S. 223. 69 Ibid.,
V. Familie53
schen Zivilisation‘ überformten und von einer neuartigen Zukunftsangst erfüllten Lebenswelt eine Hoffnung begründen, die das säkulare Denken nicht begründen kann.“71
V. Familie In der rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Betrachtung ist die Familie in der Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern als Ursprung der zivilen Gesellschaft anzusehen. Die Kernaufgabe der Familie ist die Erziehung und Bildung der Kinder. Daraus ergibt sich das Erfordernis spezifischer rechtlicher Strukturen, die dem Schutzbedürfnis der Institution Familie und der Förderung der Bewältigung ihrer Aufgaben gerecht werden. Bischof Jean Laffitte, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie, erinnerte 2014 an die Ausführungen des Papstes Johannes Paul II. zu den Rechten der Familie: „La famiglia ha dei diritti, sono diritti naturali, diritti che precedono quelli di ogni altro tipo di società perché è una società naturale. Questi diritti meritano di essere onorati, rispettati, incoraggiati, protetti.“72 Die ursprüngliche Form der Familie kann als „Lebens-, Bildungs-, Kultur-, Sozial- und Rechtsverband“73 beschrieben werden. Eine der aktuellen He rausforderungen betreffend die Funktion der Familie besteht in der Vorbereitung der jungen Menschen auf das Leben in einem neuen sozialen Kontext.74 Familienleben und Kindeswohl sind keine tauglichen Rechtsgüter, deren Fokussierung allein ausreicht, um das Kind und seine rechtlichen Interessen zu schützen. Geschützt sein müssen die Familie und das Kind per se, somit als Rechtssubjekte. Die Effektivität des Rechtsschutzes fußt auf ihrer Anknüpfung an ein qualifiziertes Rechtsgut. Erziehung muss den ganzen Menschen in physischer, psychischer und seelischer Hinsicht erfassen. Mit den Kategorien Recht und Moral wird der Mensch in dualer Hinsicht als individuelle Persönlichkeit determiniert – zum einen in der Familie als kleinster societas und zum anderen im Kontext einer großen Gemeinschaft – sei sie in der communio der Gläubigen oder im Kontext der civitas eines Staates begründet. Dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio und der Pastoralkonstitution Gaudium et spes folgend ist die Familie die erste Personengemeinschaft.75 71 Groothoff,
Erziehung und Bildung, Sp. 110.1. Rilanciamo i diritti propri del matrimonio, Congresso delle famiglie d’Asia, http:/www.it.radiovaticana.va/storico/2014/05/13/congresso_delle_famiglie_ dasia._mons._laffite_rilanciamo_i_diritti/it1-798930 (abgefragt am 26. 06. 2014). 73 Schambeck, Familie und öffentliches Recht, S. 401 (402). 74 Stemler, Trends in the American marriage and family, S. 107 (109). 75 Barberi/Tettamanzi, Matrimonio e famiglia nel Magisterio della Chiesa, Rz. 5. 72 Laffitte:
54
B. Grundlagen
Die Tragfähigkeit rechtlicher und moralischer Normen hängt von ihrer Akzeptanz ab. Deshalb bleibt Verantwortung im gesellschaftlichen Kontext immer relativierbar. Absolute Verbindlichkeit geht von dort aus, wo der Mensch seinen Ursprung, seine konkrete Identität und sein Ziel als Erfüllung des Lebenssinnes im individuellen Kontext gewärtigt. Der Schlüssel für den Menschen hierzu heißt personale Beziehung. Die religiöse Erziehung von Kindern tangiert Rechtsbereiche, deren Ursprung nicht aus dem Produkt subjektiver Normen als Ergebnis eines rationalen Konsenses ableitbar ist. Der Ursprung des Lebens, die Entstehung eines Menschen und damit in weiterer Folge die Bildung einer societas, einer Familie als kleinster und ursprünglicher Form jeder zivilen Gesellschaft, sind gleichsam ein Synonym für das Recht der Natur. Erst davon ausgehend, mit der Entstehung eines größeren Gesellschaftsverbandes, geht das Erfordernis einer Kodifizierung umfassender und einheitlicher Regeln einher. Als primärer Ort des Geborenwerdens, des Wachsens und des Sterbens ist „die Familie die erste und grundlegende Schule der Entwicklung der menschlichen Person (…). Von der guten Entwicklung der Familie hängt das Wohl der Person weitgehend ab.“76 Die Familie ist durch das Attribut der Gemeinschaft gekennzeichnet. Diese unterscheidet sich wesentlich von der in anderen Beziehungen präsenten Solidarität. Im Rahmen der vornehmlichen Eigenschaft und Aufgabe der Familie, „Urzelle der Gesellschaft“77 zu sein, implizieren die Verantwortung der Eltern für das tägliche Leben und das Forcieren der körperlichen und geistigen Entwicklung der Kinder das Postulat der Vermittlung eben jener Ressourcen, von denen der Staat am Ende lebt, die er jedoch selbst nicht hervorbringen kann. Das Potential hierzu erhält die Familie aus zwei Wurzeln. Zum einen wird das Kind als realer Mensch in die Familie hineingeboren. Sie ist der Ort, an dem der Mensch entsteht und zu einer reifen Persönlichkeit gedeiht. Aus dieser ersten Wurzel folgt die zweite. Diese besteht in der Liebe der Eltern zu ihren Kindern, dies im Gegensatz zu einer unter dem Postulat des ständigen Ringens um die gegenseitige Liebe gekennzeichneten Beziehung. Die Eltern sollen die Kinder lieben, diese aber sollen die Eltern achten. Im Eltern-Kind-Verhältnis findet das Hohelied der Liebe somit eine unübertreffliche Vollendung, zumal das Kind den Eltern nicht die vollkommene Liebe schuldet, diese jedoch erwarten darf. Diese Konstellation birgt einen einzigartigen Boden für die Entwicklung der Liebesfähigkeit des Kindes, seiner Sozialkompetenz und der schließlich geforderten, moralisch gerechtfertigten Urteilskompetenz im individuellen und kollektiven Kontext.
76 Ibid.
77 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, zitiert nach Messner, Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, S. 551.
VI. Religion55
Dass die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern prinzipiell nicht „menschlicher Festlegung“ entspringen, sondern ihren „Ursprung in der Natur“ haben, geht des Weiteren Hand in Hand mit der Tatsache der in ihrer ganzen Dimension letztlich nicht abschließend definierbaren und eingrenz baren Bedeutung der Familie konform.78 In einzigartiger Weise umfasst die Institution der Familie alle Parameter der zwischenmenschlichen Beziehung als „in Gemeinschaft sein.“ 1971 beschreibt Papst Paul VI. (1897–1978) die Familie als kleinere Gemeinschaft, hingeordnet auf eine „Gemeinschaft universalen Charakters (…)“.79 Sie mündet in die „politische Gemeinschaft“, woraus sich das Postulat einer „Erziehung zum politischen Leben“ ergibt, welche das Vermitteln der Inhalte und des Verhältnisses wechselseitiger Rechte und Pflichten inkludiert. In diesem Kontext steht die Anerkennung von Verantwortung im Wege des rechten Gebrauchs der Freiheit an zentraler Stelle.80 Diese Freiheit steht unter dem Postulat der Souveränität als wesentlichem Element der Familie. In seinem Brief an die Familien führt Papst Johannes Paul II. dazu aus: „Die Bejahung der Souveränität der Institution Familie und die Anerkennung ihrer vielfältigen Bedingtheiten veranlasst dazu, von den Rechten der Familie zu reden. Diesbezüglich hat der Heilige Stuhl im Jahre 1983 die Charta der Familienrechte veröffentlicht, die auch heute ihre ganze Aktualität behält. Die Rechte der Familie sind eng verknüpft mit den Menschenrechten: Wenn nämlich die Familie Personengemeinschaft ist, so hängt ihre Selbstverwirk lichung ganz maßgebend von der gerechten Anwendung der Rechte der sie bildenden Personen ab. Einige dieser Rechte betreffen unmittelbar die Familie, wie das Recht der Eltern auf verantwortete Zeugung und Erziehung des Nachwuchses; andere Rechte hingegen betreffen in nur indirekter Weise den Familienkern: darunter sind von besonderer Bedeutung: das Recht auf Eigentum, besonders auf das sogenannte Familieneigentum, und das Recht auf Arbeit.“81
VI. Religion Religion versteht sich als Betätigung des Glaubens. Anders als mitunter in nichtreligiösen Weltanschauungen bildet der „Transzendenzbezug“82 in Kirchen und Religionsgemeinschaften die Basis für individuelle und kollektive 78 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 31. 79 Ibid. S. 39, 40. 80 Paul VI., Octogesima adveniens, in: Utz/Gahlen, I (1976), S. 956 (IV, Rz. 917). 81 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 17. 82 Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht, S. 72.
56
B. Grundlagen
Lebensgestaltung. Die religiöse Erziehung steht unter der Prämisse der Verbindung von individueller Freiheit, konkretem sowie abstraktem Wissen und objektiver Wahrheit zur Generierung von Sicherheit, Kontinuität, Wachstum, Beziehung und Sinnerfüllung. Die maßgebliche, den Erziehungsprozess leitende Intention impliziert die Begleitung des Menschen zu „personaler Integrität und kommunikativ-kultureller Kompetenz“. Mit Martin Buber geht es darum, „mit dem eigenen Sein auf das Sein anderer einzuwirken und eine Auslese der Welt durch das Medium einer Person auf die andere hin zu bewirken“. Vor dem Hintergrund der persönlichen Freiheit des Einzelnen kann der Erzieher nur Vermittler, Zeuge und Vorbild mit dem Ziel der „Erschließung der Gottesbeziehung und ihrer Verpflichtungsdimension (…) sein.“ Die Integration der religiösen Erziehung in den alltäglichen „Partizipations- und Symbolisierungsprozess“ vermittelt den Kindern „wesentliche Deutekategorien für die Interpretation der eigenen Existenz.“83 Schon in frühen Äußerungen distanzierte sich Jürgen Habermas von der Vorstellung, der Prozess der Modernisierung führe mit einer inneren Notwendigkeit zur Auflösung der Religion. Die Entwicklung des letzten Jahrzehnts liefert ihm verstärkt Gründe zu der Annahme, dass die Gegenwart auf die Ressourcen der Welterschließung und der Identitätsstiftung angewiesen bleibt, die in den Religionen tradiert und erneuert werden: „Denn diese Ressourcen (…) enthalten (…) eine Grundlage für eine radikal verstandene Gleichachtung aller und damit eine wichtige Basis für ein inklusives Verständnis der Menschenrechte.“84 Zum einen nötigen die selbstdestruktiven Tendenzen der Moderne, die sich gegenwärtig etwa in einem wild gewordenen Finanzkapitalismus und einem ungebremsten Klimawandel zeigen, zum achtsamen Umgang mit Quellen der Neuorientierung, die dem Strudel der Selbstzerstörung widerstehen können. Zum andern verbindet sich mit dem immer intensiveren biotechnischen Zugriff auf den Menschen selbst die Frage nach den Quellen für ein Bewusstsein menschlicher Würde. Schließlich stellt sich die Frage, wo die Kräfte zum Widerstand gegen einen um sich greifenden religiösen Fundamentalismus gefunden werden können – wenn nicht in den kritischen Potenzialen der Religion selbst.85 Hierzu ist es erforderlich, dass „religiöse Überzeugungen in einen säkularen Diskurs übersetzt und so auch in die politischen Entscheidungsprozesse des säkularen Staats überführt werden können.“86 In den von Habermas vorgetragenen Überle83 Biesinger,
Kindererziehung, Sp. 1441, 1442. „Nachmetaphysisches Denken“: Mit Gott und allen Agnostikern, http://www.zeit.de/2012/51/Juergen-Habermas-Nachmetaphysisches-Denken (Stand 13. 12. 2012). 85 Ibid. 86 Ibid. 84 Habermas,
VII. Ethik57
gungen zeigt sich ein solches inhaltliches Element besonders dort, wo er die Bedeutung religiöser Überzeugungen für das Bewusstsein hervorhebt, zu einer Gemeinschaft gleichberechtigter Bürgerinnen und Bürger zu gehören. Die personale Gottesbeziehung als Attribut der christlichen und der jüdischen Glaubenstraditionen verweist auf das Postulat der Nächstenliebe. Schließlich bildet das Moment der konkreten und realen Beziehung das Regulativ für das Verhältnis zwischen persönlicher Freiheit, Bindung und Verantwortung. Die ersten Grundlegungen für das Handeln und die praktische Lebensführung im Kontext des christlichen Glaubens knüpften an das Alte Testament und die Bergpredigt an. Eine nach christlichem Glauben begründete Ethik im Sinne einer Moraltheologie als für den themenspezifischen Kontext der Erziehung besonders relevanter Materie begegnet im Katholizismus erst ab der Zeit der Gegenreformation. Die von Kasuistik gekennzeichnete Moraltheologie verdrängt zunächst den vorausgegangenen thomistischen Entwurf christlichen Handelns auf der Grundlage der aristotelischen Ethik. Thomas von Aquin (1225–1274) hatte den vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß die drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe gegenübergestellt. Erst das Zweite Vatikanische Konzil verweist die Kirche auf eine Rückbesinnung zugunsten des thomistischen Konzeptes, indem es zu charismatischen Wegen87 ermutigt und das Verständnis der Botschaft Jesu als Weg der Veränderung und weniger Beharrung begreift, sowie für mehr Eigenverantwortung und weniger Legalismus plädiert.88 Damit verbindet sich die Implikation der Verlagerung des Gewichtes judizieller Gewalt zugunsten der Verantwortung für die pastorale Sorgetragung. Viele Anregungen, insbesondere das Verhältnis zwischen christlichem Handeln und Kirche betreffend, gehen auf den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) zurück.89
VII. Ethik Im pluralen Kontext der kontemporären Gesellschaft stehen religiöse Überzeugungen in einem permanenten Spannungsverhältnis zu den präsumptiven Komponenten einer allgemeinen Ethik. Doch was ist Ethik? Gibt es eine allgemeine Ethik? Impliziert Ethik bereits die Festlegung auf das Gute oder handelt es sich lediglich um eine völlig interpretationsoffene These für sittliches Handeln?
87 Krämer,
Kirchenrecht, S. 144 ff. Ethik, Sp. 1143, 1144. 89 Ulrich, Ethik, Sp. 1147. 88 Gründel,
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B. Grundlagen
Mit diesen Fragestellungen beschäftigte sich auch Papst Johannes Paul II. in seiner Dissertation über den zum Katholizismus konvertierten Philosophen, Anthropologen und Soziologen Max Scheler (1874–1928). Es geht um das Definieren eines kleinsten gemeinsamen Nenners im Sinne einer „Aequalitas autem ad aeternum est.“ Allerersten Anknüpfungspunkt bildet das Postulat der Gerechtigkeit. Ihre Konsequenz ist das Recht im tiefsten Sinne: „Sic igitur iustum dicitur aliquid, quasi habens rectitudinem iustitiae.“90 Fußend auf den in der Ethik begründeten Voraussetzungen entstehen die moralischen und sittlichen Normen des Handelns.91 Unter Einräumung des Bestehens erkenntnistheoretischer Probleme definiert der ehemalige Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, Ethik als „Lehre von jenen Regeln menschlichen Zusammenlebens, die ohne Anordnung einer Autorität bestehen.“92 Es geht um einen aus innerer Überzeugung gewonnenen Beweggrund für das äußere Verhalten. In diesem Kontext leistet familiäre, respektive religiöse Erziehung eine inkompensable Pionierarbeit hinsichtlich einer umfassenden Persönlichkeitsenwicklung. Die mangelnde Kompetenz des Staates betreffend eine Definition von Ethik und sonach die ebenso seinerseits unmögliche Qualifikation einer Sache oder eines Verhaltens als ethisch oder unethisch entbindet ihn keinesfalls von der Verpflichtung zur Gewährleistung eines äußeren, unverfügbaren Schutzrahmens, dessen Ausgangspunkt die allgemeinen Menschenrechte – zuvorderst das Recht auf Leben – bilden. Gerade in einer Verwässerung dieser Garantien trifft der Staat paradoxerweise eine ungerechtfertigte Entscheidung über eine Grenzziehung zwischen einem Positivum und einem Negativum im Kontext der Ethik. Daher ist etwa Kurt Schmoller entschieden entgegenzutreten, wenn er meint, dass „der Rückzug des Strafrechts (…) infolge der ethisch unterschiedlichen Bewertung eines Schwangerschaftsabbruchs im Anfangsstadium der Schwangerschaft (…) grundsätzlich befürwortet werden“ könne. Im Widerspruch zu Schmoller rechtfertigt die Parallelität verschiedener ethischer Positionen nicht die Relativierung allgemein zu gewährleistender Garantien. Freilich ist dieses Postulat nicht primär dem Strafrecht aufgetragen, doch ergibt sich das besondere Gewicht dessen themenspezifischer Positionierung gerade aus seiner Funktion als ultima ratio. In diesem Zusammenhang befremdlich erscheint die Festlegung Schmollers, es wäre „wünschenswert, (…) die Straffreiheit von zusätzlichen Anforderungen, insbesondere durch den Ausbau des Beratungserfordernisses, abhängig zu machen.“93 90 Thomas de Aquino, Summa Theologiae, Secunda Pars Secundae Partis, q. 57 a. 1 co. 91 Derbolav, Ethik, Sp. 1132. 92 Adamovich, Recht und Ethik in der Zweiten Republik, S. 169. 93 Schmoller, Ethische Dispute im Strafrecht, S. 203 (213).
VII. Ethik59
Ciceros Deutung folgend formiert sich der Staat, die res publica, als „Einheit von Bürgerschaft und Herrschaft“ aus der res populi.94 Erziehung muss auf eine Mitwirkung in einer freiheitlichen Demokratie vorbereiten und auf die Entwicklung eines qualifizierten Bewusstseins von Recht und Unrecht abzielen: „Zwischen der normativen Kultur einer Gesellschaft und der Persönlichkeit ihrer Mitglieder besteht ein Verhältnis wechselseitiger Abhängig keit.“95 Die „Krise der normativen Kultur“ kann nur im Wege der Definition und Umsetzung von zukunftsweisenden „Erziehungszielen“ beseitigt werden. Der allgemeinste Wertekonsens besteht in der Festlegung eines Persönlichkeitsideals, wobei unter einem „Ideal (…) eine Vorstellung von etwas Wertvollem oder Vollkommenem, nach dem wir uns beim Urteilen und Handeln richten“, verstanden wird. Die Definition von Erziehungszielen und Wertvorstellungen areligiöser Autoren kommt zumeist einer Festlegung abstrakter oder formaler Rahmenbedingungen gleich, die greifbare Inhalte ausklammert. Damit wird unter einem die Präsenz eines Regulativs negiert und die Legitimation zur Beurteilung von Werten einer zahlenmäßigen Majorität anheimgestellt. Normative Erziehungsziele wie sie etwa im Zielparagraphen des österreichischen Schulorganisationsgesetzes formuliert sind, müssen von der gesellschaftlichen Sitte getragen sein. In diesem Kontext kann der Wertwandel im Sinne einer Verlagerung von kollektivem Norm- und Pflichtbewusstsein, sei es in der Kirche oder in der Welt, zu einem zunehmend reflektierten, persönlichen sowie durchaus und nachhaltig Zukunftsfähigkeit implizierenden als positiv besetzt verstanden werden. Die gewachsene Reife innerer Überzeugung und die veränderten, äußeren Rahmenbedingungen haben dem Menschen ein Terrain selbstbestimmter Lebensführung eröffnet. Letztere basiert auf dem bewussten Wissen um Identität und Ziel: „Vernünftige Selbstbestimmung (…) setzt lebenskundliches Wissen und Tugenden voraus, die in Kindheit und Jugend vermittelt werden müssen.“ Die Wahrnehmbarkeit sozialer Verantwortung basiert auf der Bindungsfähigkeit und dem Unterscheidungsvermögen, hierzu bedarf es emo tionaler wie intellektueller Voraussetzungen. Ungeachtet der Diskussion um Religions- oder Ethikunterricht ist anzuerkennen, dass „die Sinngebung für das eigene Leben, die Lebensfreude, der Lebensmut und die Massstäbe für die Lebensführung weitgehend von gruppenspezifischen Glaubensüberzeugungen und Tugenden abhängen. (…) Der Staat lebt aus dem Ethos, das in den glaubensgebundenen Eigenwelten dieser Gemeinschaften lebendig ist.“96
94 Isensee,
Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 20. Erziehungsziele in einer wertunsicheren Gesellschaft, S. 47. 96 Ibid., S. 49, 52. 95 Brezinka,
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B. Grundlagen
VIII. Bindung, Freiheit und Verantwortung „Was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. Darin besteht das Gesetz und die Propheten“ (Mt 7,12). Gegenseitigkeit bildet die Grundlage aller irdischen Beziehungen.97 Das Wesen des Rechts ist, wie es bereits Thomas von Aquin interpretiert, von dieser Gegenseitigkeit, der aequalitas, geprägt. Eine Maxime des Rechts gilt ihrer Natur nach allgemein, nicht nur für, sondern auch gegen die Person. Ein Rechtsprinzip, das diese Gegenseitigkeit ausschließt, ist nicht ein Rechtsprinzip, sondern ein Machtprinzip.98 Demgegenüber ist das christliche Verständnis von Freiheit in eine Dialektik zwischen Freiheit und Bindung eingebettet.99 Mit besonderer Relevanz für den Kontext der Erziehung ist der soziale Aspekt der Freiheitsrechte zu fokussieren. Erziehung steht im permanenten Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Verantwortung, dessen Lot sich durch das Maß der Gerechtigkeit bestimmt. Im kollektiven, gesellschaftlichen Kontext müssen Übereinstimmungen gefunden werden, um ein gemeinsames Leben zu ermöglichen. Kirch liche und staatliche Zielsetzungen entsprechen sich etwa im Blick auf die kirchlich-theologische Sicht des Menschen als Ebenbild Gottes einerseits und den für den staatlichen Grund- und Menschenrechtsschutz zentralen Begriff der Menschenwürde andererseits.100 Markantes Differenzierungsmerkmal des staatlichen Freiheitsbegriffes gegenüber dem kirchlichen Verständnis bildet die ethische Bindung innerhalb Letzterem.101 Korrespondierend zur Vermittlung von abstraktem Wissen als Bildung im engeren Sinne muss Erziehung die Bildung des Bewusstseins umfassen, um das Kind so an eine verantwortungsbewusste, tragfähige Entscheidungskompetenz heranzuführen, die der Entfaltung seiner Persönlichkeit wie der Erfüllung individueller Aufgaben innerhalb der zivilen Gesellschaft dienlich ist. In christlichem Sinne verstandene Freiheit berechtigt nicht zu Willkür und Beliebigkeit. Vielmehr geht es um den aus der Achtung gegenüber den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung resultierenden „ethisch richtigen Freiheitsgebrauch.“102 In diesem Kontext ist festzuhalten, dass diese Bindung „keine heteronom erzwungene, sondern eine autonom aufgegebene Verpflichtung aus innerer Einsicht“ ist und auf einer Verpflichtung des eigenen 97 Loretan,
Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 12 (14, 15). Religionsfreiheit, S. 45. 99 Corecco/Herzog/Scola (Hrsg.), Die Grundrechte des Christen in Kirche und Gesellschaft, S. 37 ff. 100 Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 162. 101 Ibid., S. 119 ff. 102 Hafner, Staatskirchenrecht im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 33 (35). 98 Böckenförde,
VIII. Bindung, Freiheit und Verantwortung61
Gewissens beruht, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich diese „im Rahmen des staatlichen Gesetzgebungsprozesses als mehrheitsfähig erweisen“ und – „zunächst ‚nur‘ moralisch wirkend – auch zum zwingenden staatlichen Gesetz werden“ kann.103 Die unreflektierte Anerkennung des Mehrheitsprinzips als „volonté géné rale“104 nach Jean Jaques Rousseau (1712–1778) und damit als Vermutung des sachlich Richtigen und Wahren schafft im Bereich der indisponiblen Menschenrechte eine bedenkliche Situation, was sich besonders ausgeprägt in der von Relativismus geprägten europäischen Politik feststellen lässt. Rousseaus pädagogisches Werk wird insbesondere durch die Tatsache infrage gestellt, dass er seine beiden eigenen Kinder einer Anstalt für Findelkinder übergab.105 Gemäß der Schweizer Bundesverfassung muss das Bundesgericht Bundesgesetze anerkennen, die per Referendum beschlossen wurden, selbst wenn es diese für verfassungswidrig befindet. Demgegenüber wurde in einer eidgenössischen Volksinitiative die vollständige Trennung von Kirche und Staat mit der Begründung abgelehnt, dass „die von den Kirchen aus dem Geist der heiligen Schrift vertretenen Grundwerte (…) für den Staat unentbehrlich“ sind. Exemplarisch genannt werden die „Achtung vor der Freiheit und Würde der menschlichen Person, ferner Liebe, Wahrheit, Friede, Gerechtigkeit und Solidarität.“ An dieser Stelle wird die Anerkennung der hohen Verantwortung der Kirche für den Staat und die Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Die Initiative bekannte sich weiters dazu, dass die bezeichneten Grundwerte „nicht zur freien Disposition“ stünden. Vielmehr seien sie „Ausdruck einer humanen Lebensordnung und tragen wesentlich dazu bei, dass Recht und individuelle Ethik in Übereinstimmung gebracht und dass der Bürger das Recht nicht nur befolgt, sondern es innerlich bejahen kann.“106 Demgegenüber ist die in einem freiheitlichen Gemeinwesen vollzogene Freiheitsbetätigung ohne Bindung aus ethischer Sicht als Missbrauch zu qualifizieren.107 Ethikunterricht vermag den verantwortlichen Umgang mit der persönlichen Freiheit auf horizontaler Ebene eine wertvolle Unterstützung sein, als unentbehrliches Regulativ ist die Einbindung eines religiösen Motivs in vertikaler Hinsicht jedoch unverzichtbar.
103 Ibid.,
S. 35. S. 39, 40. 105 Jean-Jacques Rousseau, http://www.de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=12723 1822 (Stand 14. 03. 2014). 106 Hafner, Staatskirchenrecht im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 39, 40. 107 Ibid., S. 40. 104 Ibid.,
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B. Grundlagen
Das von Papst Johannes Paul II. gewählte Thema des Weltfriedenstages 1998 Aus der Gerechtigkeit jedes einzelnen erwächst der Friede für alle108 erinnert an das im Kontext verantworteter Freiheit stehende Postulat der Gerechtigkeit. Dieser „unbedingte, kategorische Anspruch“ wird „Sittlichkeit, im Bereich des Sozialen aber (sic!) Gerechtigkeit“ genannt. Die Gerechtigkeit bildet das Fundament des Rechtes. Gerechtigkeit meint mehr als das blosse Erfüllen von Verpflichtungen. Der Anspruch der Gerechtigkeit ist unbedingt und somit von keiner anderen Verbindlichkeit abhängig. Damit impliziert Gerechtigkeit zunächst den Anspruch, „den anderen in seinem Recht, das heißt zuerst und zuletzt als Person, gelten“ zu lassen. Diese in der Bergpredigt enthaltende Gerechtigkeitsvorstellung ist Grundlage für einen überkonfessionellen, allgemein vertretbaren Wertekonsens. Zentral ist nicht das quantitative, sondern das qualitiative, von der Kategorie der Selbstlosigkeit getragene Streben nach Pflichterfüllung.109 Bei der Erlassung von dem Anspruch der Gerechtigkeit folgenden Gesetzen und Verordnungen „geht das eigentlich Gerechte, dem Menschen gerecht werdende, immer nur asymptotisch in Rechtsformulierungen ein. Das positive Recht kann das Recht im eigentlichen humanen Sinn nie gänzlich umschreiben. Der Friede, den Gerechtigkeit unter Menschen stabil halten kann, wird sich daher nie ausschließlich aus der Erfüllung positiver Normen ergeben, sondern aus der Realisierung dessen, was eigentlich Gerechtigkeit meint, jene Haltung der unbedingten Achtung vor der Person und der Würde des anderen.“110 Die Vermittlung dieser Haltung im Wege der religiösen Erziehung hat unverzichtbare Bedeutung für den kollektiven Kontext der Gesellschaft und bildet eine zentrale Aufgabe der Familie im Rahmen der nur innerhalb dieser Institution bestehenden Beziehungen und der daraus folgenden Interaktion. Bereits Sokrates (469–399) verband „Selbstprüfung“ mit „Gesetzlichkeit“ und sein Schüler Platon (427–347) setzte das Gute mit der vollkommenen Ordnung der Welt gleich. Unter Rückwendung auf Sokrates entwickelte Aristoteles (384–322) eine Güterordnung, indem er das höchste erreichbare Gut, die Eudaimonie, in einer Güthersynthese verstand, die im Wege vernünftiger, tätiger Tugendmäßigkeit erreichbar sei. Eine besondere Ausprägung fand das strenge Leben nach der Tugend bei den Stoikern. Neben der Eudaimonie im Denken und im Gemeinschaftsleben wird ihr eine explizite Bedeutung in der Freundschaft zugewiesen. Darin findet sich bereits ein Hinweis auf die 108 L’Osservatore Romano, 5. Juli 1997, Zum Leitmotiv des Weltfriedenstages 1998, S. 7. 109 Fraling, Einführung, S. 9 (10). 110 Ibid., S. 12.
VIII. Bindung, Freiheit und Verantwortung63
christliche Nächstenliebe.111 Viel später sollte das philosophische Gut des Aristoteles wesentliche Implikationen für die Arbeiten des Thomas von Aquin (1225–1274) liefern. Letzterer verstand es auf besondere Weise, die Essentialia der abendländischen Philosophie für die Lehre der Kirche fruchtbar zu machen. Nach dem Grundsatz „the greatest happiness for the greatest number“ geht es den Utilitaristen demgegenüber zwar um die Individualität des Kindes, jedoch nicht um die Bildung der Person als ihrer selbst willen, sondern um den Nutzen für die Gesellschaft im Sinne des von John Locke (1632– 1704) betonten Postulats „non humaniora, sed utilia.“112 Immanuel Kant (1724–1804) erkennt den individuellen Willen als Prinzip des Guten. Die Rückbindung an das Sittengesetz bildet die Voraussetzung für die Bildung ziviler Gemeinschaft, allerdings unter Anerkennung des Menschen als Selbstzweck. Die Ummantelung des Kantschen Konzeptes mit dem kategorischen Imperativ als „Forderung, diese Generalisierbarkeit von Maximen zu kontrollieren“113, impliziert die Legalität pflichtgemäßen Handelns im Kontext einer gewissengeleiteten Moralität. Auch Kant sieht ein, dass das Gebot, die Würde des anderen zu achten, keine durchsetzbare Rechtspflicht, sondern eine Tugendpflicht beschreibt. Tugend, die im christlichen Sinne gegenständlich vor allem die Nächstenliebe umfasst, ist ein Parameter, dessen Vermittlung dem Staat verwehrt ist. Abgesehen davon ist dem Staat auch eine Definition der Menschenwürde unzugänglich. Dessen ungeachtet ist der Staat unter der Prämisse seiner Funktionalität im Lichte der Staatszielbestimmungen auf diese Ressourcen angewiesen. Die Generierung läßt sich in den kleinsten Zellen der zivilen Gesellschaft gewärtigen: in den Familien. Bereits Kant konstatiert, dass die Akzeptanz einer vorschriftsmäßig erfassten Tugend oder Moralvorstellung von der Urteilskraft der Normadressaten abhängt, deren Verfügbarkeit entsprechendes Wissen voraussetzt. In diesem Kontext ist dem Terminus Wissen ein Bedeutungsgehalt beizumessen, der weit über die Generierung abstrahierter Informationen hinausreicht. Vielmehr fußt er auf der Bildung des Gewissens als Qualifikationsmaßstab im Kontext fachlicher und sozialer Kompetenzen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) verbindet die Freiwilligkeit des Aristoteles mit der Autonomie von Kant unter der Prämisse der Verbindung des individuellen mit dem allgemeinen Willen.114 Die Würde des Menschen als dem demokratischen Willen entzogene, unverfügbare Kategorie des weltlichen Rechts findet in der abendländischen 111 Derbolav,
Ethik, Sp. 1133, 1134. Sp. 1139. 113 Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 600. 114 Derbolav, Ethik, Sp. 1135. 112 Ibid.,
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Kultur erst zögerlich Beachtung. Anders als im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bildet die Menschenwürde in der österreichischen Bundesverfassung keinen expliziten Gegenstand einer Garantie. Eine gewisse Kompensation dieses Mankos wurde durch die im Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechtskonvention erreicht. Darüberhinaus findet der Begriff der Menschenwürde als Wertung von Verfassungsrang in der Judikatur Anerkennung.115 Aufgrund der Tendenz „egozentrischer Selbstverwirk lichung“ innerhalb der pluralistischen Gesellschaft kommt es zu einer weitreichenden Einschränkung eines gesellschaftsrelevanten Handelns auf der Grundlage gemeinsamer Wertvorstellungen. Zumal sich die „Orientierung an tragfähigen Werten immer diffiziler gestaltet“, vergrößert sich die Kluft gegenüber der Prämisse des Wahrheitsanspruchs, mit dem die Gesellschaft konfrontert ist.116 Als zentraler „Orientierungspunkt innerhalb dieser breiten Fächerung eines Wertepluralismus“ scheint die Würde des Menschen der „allgemeine Nenner zu sein, der das ethische Grundanliegen des postmodernen Menschen zum Ausdruck bringt“ und den „für das geordnete, sittliche Zusammenleben notwendigen humanitären und wahrheitssuchenden Konsensus“ impliziert.117 Ausgehend von der Fokussierung des seitens des Gesetzgebers nicht schlechthin unter die Prämisse der Unverfügbarkeit gestellten, sondern interpretationsoffen behandelten Terminus des Kindeswohls lassen die gegenwärtigen Diskussionen betreffend die Erziehung und Bildung von Kindern aufgrund der mangelnden Konkretisierung dieser Themenbereiche hinsichtlich der eigenen Persönlichkeitsrechte des Kindes keine zufriedenstellende Lösung zu. Aus der Kindeseigenschaft resultieren konkrete Ansprüche, Verantwortlichkeiten sowie Verpflichtungen. Daran knüpft sich das Recht des Kindes auf Entwicklung der eigenen Identität, Persönlichkeit und Berufung. Um diesem Postulat gerecht zu werden, erscheint moderne Erziehung und Bildung im Wege einer interaktiven Auseinandersetzung respektive unter Relevierung der scholastischen Methode vollziehbar zu sein. Erziehung ist Gegenstand einer „Kultur der Begegnung.“118 Die Vermittlung von Liebes- und Beziehungsfähigkeit ist zentrales Postulat. Konsequenz der menschlichen Liebesfähigkeit ist die Sehnsucht nach Freiheit, Wahrheit und Verantwortung. Basierend auf der Würde der Person bedarf es zunächst 115 Seelmann,
S. 29.
116 Zänker,
Menschenwürde: Ein Begriff im Grenzbereich von Recht und Ethik,
Europäische Wissenschaften und die Menschenwürde, S. 43 (44, 45). S. 45. 118 Franziskus, „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“, http:// www.de.radiovaticana.va/news/2014/09/05/papst_franziskus:_%E2%80%9Eum_ein_ kind_zu_erziehen,_braucht_es_ein_ganzes/ted-823497 (Stand 05. 09. 2014). 117 Ibid.,
VIII. Bindung, Freiheit und Verantwortung65
der bedingungslosen Annahme des Menschen außerhalb jedes subjektiven, in einer variablen Relation stehenden Kontextes. Die Bildung des Gewissens beginnt in der Kindheit. Essentiell ist einerseits die Achtung vor der Freiheit jedes einzelnen Menschen und andererseits die Schärfung des Blickes dafür, dass eine selbstdefinierte Ethik ohne das Regulativ eines objektiven Gewissens im Sinne eines allgemein gültigen Maßstabes beziehungsweise einer unverfügbaren Ordnung nicht ausreicht. Auf dieser Grundlage vollzieht sich die Erziehung zu moralisch gerechtfertigtem Verhalten in der „Einübung“ und mündet in der „Einsicht“.119 Auch die „Verantwortung für Schuld“ setzt „Freiheit“ voraus.120 Die Freiheit des Einzelnen bedarf der Einbettung in eine entsprechende Ordnung. Erziehung steht unter dem Postulat der Vorbereitung auf das Leben in einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Hierzu bedarf es der qualifizierten Förderung der Entscheidungskompetenz im Hinblick auf Recht und Unrecht. Zudem stellt die Kirchenzugehörigkeit heute „nach dem Wegfall des konfessionell geschlossenen Staates und dessen brachium saeculare, eine subjektive Entscheidung dar und beruht auf freier Gefolgschaft.“121 Somit veränderte sich der Status des Menschen sowohl als Gläubiger im inneren Bereich der Kirche als auch als Bürger des Staates in Richtung eines autonomen Rechtssubjektes. Im Kontext seiner kritischen Auseinandersetzung mit den Parametern des Rechts, der Gerechtigkeit und der Kirche kommt der italienische Historiker Paolo Prodi zu dem Schluss, dass das Ausgehen von blossen Individuen unter Ausklammerung ihres Attributs der persona niemals Gewalt ausschließen kann.122 Im Christentum hat Gott, indem er sich selbst zum Opfer macht, das Prinzip der heiligen Gewalt widerlegt.123 Im Kontext religiöser Erziehung bildet die Familie das unübertreffliche Medium gelebter Selbsthingabe. Mit der Erklärung über die Religionsfreiheit hat sich das Zweite Vatikani sche Konzil für die Freiheit der fides qua creditur ausgesprochen. Auch Thomas von Aquin betont die Freiheit des Glaubensaktes.124 Demgegenüber steht die Kirche ungebrochen vor dem Postulat, die fides quae creditur zu schützen. Auf dieser Grundlage vertritt Augustinus die Überzeugung, dass
119 Derbolav,
Ethik, Sp. 1138. Christentum und Privatrechtsentwicklung, S. 39 (40). 121 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 247. 122 Prodi, Eine Geschichte der Gerechtigkeit, S. 340. 123 Girard, Das Heilige und die Gewalt, S. 27 ff. 124 Loretan, Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 100 (101). 120 Mayer-Maly,
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die Religionsfreiheit Häretikern und Schismatikern nicht zu gewähren sei.125 Demzufolge kann es im inneren Bereich der Kirche keine Religionsfreiheit geben, zumal sie ihrer Wahrheitsordnung126 verpflichtet ist und das Bekenntnis des Einzelnen schützen muss. Darauf gründet die Rechtfertigung von Strafsanktionen wie der Exkommunikation. Demgegenüber muss es dem Gläubigen auch nach einem einmal getätigten Bekenntnis freigestellt bleiben, den einmal angenommenen Glauben zu behalten. Dies folgt aus dem gött lichen Prinzip der Freiheit von jeglichem Glaubenszwang. So kann der cha racter indelebilis der Taufe niemals aufgehoben werden, doch gibt es keine Verpflichtung zum Glauben per se, sondern lediglich die Verpflichtung zur Wahrheitssuche und zur Bewahrung des als wahr erkannten Glaubens. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirchengliedschaft neu definiert und explizit in das Moment der communio ecclesiae gestellt. Somit bilden die Gläubigen ein konstitutives Element der Kirche. Eine negative Glaubensentscheidung bewirkt somit den aus eigenem intendierten, partiellen Verlust kommunaler Rechte etwa in Gestalt der Exkommunikation. Letztere kann somit auch als Achtung der Kirche vor der persönlichen Glaubensentscheidung gewertet werden. Dessen ungeachtet bringt insbesondere der character indelebilis der Taufe den unverlierbaren Heilscharakter der Kirchengliedschaft zum Ausdruck und leistet Gewähr für das der Kirche entzogene Pouvoir eines Bruches des begründeten Bundes. Im innerkirchlichen Bereich stellt sich die Frage nach der Vermittelbarkeit der Korrelation zwischen „theologisch ausgewiesenen, objektiven Glaubenswahrheiten einerseits und subjektiven Freiheiten andererseits.“127 Es geht um die Reflexion von Grundrechten im inneren Bereich der Kirche. Die neue Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils bildet hierfür einen zentralen Ausgangspunkt: „Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewußter und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem inneren Drang oder unter bloßem äußeren Zwang.“128 Freiheit impliziert Verantwortung im individuellen und kollektiven Kontext.129 Wie das rechte Verhältnis von Freiheit und Bindung im Hinblick auf Theologie und Philosophie im Allgemeinen die Chance eines Dialoges birgt, muss 125 Kasper,
Wahrheit und Freiheit, S. 9. Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 103. 127 Ibid., S. 103. 128 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 423 (463). 129 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 65. 126 Loretan,
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auch in der Erziehung das rechte Maß zwischen notwendiger Bindung und unverzichtbarer Freiheit gefunden werden, um dem Kind in Johann Wolfgang von Goethes Sinne Wurzeln und Flügel zu vermitteln. Vor dem Hintergrund des Dienstes an der Glaubenswahrheit muss umfassend Raum für Infragestellungen gewährt werden.130 Wahlfreiheit benötigt einen Bezugspunkt, die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft – wie bereits in der aristotelischen Philosophie gegenwärtig – ist essentiell. Wenn der Bezug zum bonum infini tum fehlt, ist die Freiheit beschnitten. Die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Reflexion dieser Fragestellungen überschneiden sich in der Prämisse des Erfordernisses einer Definition der persönlichen Identität. Dem Glauben implizite Sinnvermittlung ermöglicht Identifikation als Grundlage der Bindungsfähigkeit. Diese Identifikation ist auch der Ausgangspunkt für die Formulierung eines gemeinsamen Katalogs der Grund- und Menschenrechte und steht in Korrelation zum ständigen Gegenüber von freiheitlich-demokratischem Wohlfahrtsstreben auf Seite des Staates und dem Bemühen um die salus animarum auf Seite der Kirche.131 Papst Paul VI. erhob die Forderung „die notwendige Entscheidungsfreiheit ein(zu)räumen, damit das geistliche Leben aus der persönlichen Gewissensverantwortung erwachsen könne und nicht dem Druck von Vorschriften unterliege.“132 Hinter dieser Forderung steht ein Kirchenrechtsverständnis, wie es von Papst Paul VI. auch anlässlich der 100-Jahr-Feier der Kanonistischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana vertreten wurde: „Das kirchliche Recht ist nicht Hindernis, sondern pastorale Hilfe. (…) Seine vornehmste Aufgabe ist nicht zu unterdrücken, zu behindern oder gegen etwas anzugehen, sondern es soll anregen, fördern, schützen und einen Raum wahrer Freiheit ermöglichen.“133 Damit sind unter einem die das Spannungsfeld der Erziehung markierenden Parameter genannt, wobei die Amplitude eindeutig zugunsten der Barmherzigkeit ausschlägt: „Gewiß (…) bewies das Geschehen in der Welt seine assimilierende Kraft. Dennoch blieb das Prinzip des Christentums die Tugend des Vergebens, nicht der Kampf ums Recht.“134 Bindungsfähigkeit und Verantwortungsbewußtsein können sich nur aus geborgener Freiheit entwickeln, einer Freiheit, die sich in den Kontext von Identität und komplexen Sinnzusammenhang, von Dasein und Miteinander 130 Ibid.,
S. 177. Das Verhältnis der Kirchen zu den Grund- und Menschenrechten,
131 Loretan,
S. 273. 132 Corecco, Les droits fondamentaux du chrétien dans l’Église et dans la société, S. 100. 133 Ibid., S. 101. 134 Mayer-Maly, Christentum und Privatrechtsentwicklung, in: Tomandl (Hrsg.), Der Einfluss …, S. 41.
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gestellt weiß, die ihren Handlungsspielraum nicht in einem Pragmatismus erschöpft sieht. Das Potential zur Erfüllung dieser Aufgabe liegt in der religiösen und weltanschaulichen Erziehung eines Kindes durch seine Eltern.
IX. Individueller und gesellschaftlicher Kontext Die religiöse Erziehung eines Kindes hat maßgeblichen Einfluss auf seine Sozialisation als Individuum und innerhalb der Gesellschaft als Kollektiv. Die Kinder lernen, der Liebe ihrer Eltern zu trauen.135 Die religiöse Erziehung bildet den Schlüssel für die Entwicklung einer selbstbestimmten, verantwortungsvollen Persönlichkeit eines Kindes und fördert die Herausbildung seiner einzigartigen Individualität. Sie ermöglicht dem Kind die Einordnung vermittelter Bildungsinhalte vor dem Hintergrund des Bewusstseins der eigenen Freiheit und Verantwortung. Im Gegensatz zum utilitaristisch verstandenen Individuum ergibt sich das Profil der Person aus ihrem kollektiven Kontext. Paradox ist die weit verbreitete Kritik, dass die Bestimmung der religiösen Erziehung eines Kindes dieses einschränke, weil seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit vorgegriffen werde. Dass die Eltern die Entscheidung über den Namen, den Wohnort und vieles mehr treffen, wird demgegenüber nicht beanstandet. Grundlegendes Ziel der religiösen Erziehung ist demgegenüber gerade das Heben des Bewusstseins der persönlichen Freiheit durch die Hinführung zu kompetenter und verantwortungsvoller Entscheidungsfähigkeit. Religiöse Erziehung vermittelt die hierfür unverzichtbaren Komponenten, nämlich Bezug und Beziehung, essentielle Parameter für die Entwicklung eines Kindes zu einer freien Persönlichkeit. Die neuralgischen Punkte liegen somit bei Inhalt und Methode der religiösen Erziehung. Jede Form von Indoktrination pervertiert das eigentliche Ziel. Erziehung und ganz besonders religiöse Erziehung erschöpft sich in der Übernahme einer im Glauben begründeten philanthropen Zeugenschaft, verknüpft mit abstrakter Wissensvermittlung. Zwar finden sich bereits seit der Antike zahlreiche Hinweise auf die Erkenntnis der Freiheit des Menschen und der entsprechenden Verantwortung gegenüber dem heranwachsenden, zu erziehenden Menschen. Doch erst die Aufklärung brachte massive, weitreichende Bestrebungen, dieser Verantwortung im Konkreten zu begegnen. Innerhalb der Katholischen Kirche finden sich von Beginn an einzigartige Dokumente für die Verteidigung des Lebens und der Freiheit des Menschen. Dennoch kam es über die Jahrhunderte tragischerweise zu unvorstellbaren Differenzen zwischen der originären religiösen Botschaft und den menschengemachten Normen und Vollzügen. Die Aufklärung bedeutete ein Erwachen der Basis einer kirch licher- und weltlicherseits weitverzweigten, spitzen Hierarchie, ein Bewusst135 Franziskus,
Enzyklika Lumen fidei, 29. Juni 2013, Nr. 53.
IX. Individueller und gesellschaftlicher Kontext69
werden der persönlichen Autonomie. Diese Entwicklung verband sich mit der Erkenntnis, dass die materiellen Inhalte von Glauben, Gewissen und Religion einer staatlichen Normierung nicht zugänglich sind und sein dürfen. Bis heute verbindet sich damit die Forderung an den Gesetzgeber, menschenwürdige Rahmenbedingungen zu schaffen, die durch einen adäquaten Ausgleich zwischen der Freiheit des Einzelnen und des Nächsten gekennzeichnet sind. Nicht mehr darf und kann der Staat im Bereich der Religion und des Glaubens beitragen. Der Staat, respektive die zur Erfüllung seines Bildungs- und Erziehungsauftrags eingerichteten Schulen haben nicht schlechthin eine innere Kompetenz zur Kreation von Beziehungen. Wie die Entstehung des Menschen menschlicher Machbarkeit entzogen ist, erwächst auch seine Beziehungs fähigkeit prinzipiell aus dem personalen Kontext seiner Genese. Dieser Prämisse wird naturgemäß durch die Familie entsprochen. Sie ist der erste Ort, an dem der Mensch in der Welt ankommt und kraft ihres ureigenen Wesens der Prototyp einer menschlichen Gesellschaft. Die persönliche Freiheit verwirklicht sich nicht in der Selbstgehörigkeit sondern in der Zugehörigkeit.136 Die umfassendste Kompetenz im Umgang mit Recht und Moral erwirbt der Mensch in der Familie als kleinster Gesellschaft, in der er als individuelle Persönlichkeit eine konkrete Identität hat. Freilich kann die Vermittlung von Werten auch im größeren Kontext der Zivilgesellschaft erfolgen. Doch bleibt der Parameter der Verantwortung hier stets relativierbar. Absolute Verbindlichkeit geht von dort aus, wo der Mensch seinen Ursprung und sein Ziel als Erfüllung seines Lebenssinnes gewärtigt. Etwa im Alter von fünf Jahren, also kurz vor dem Schuleintritt, beginnt das Kind, sich bewusst mit dem eigenen Gewissen auseinanderzusetzen.137 Dem Menschen ist es ein innerstes Anliegen, das Richtige zu tun. Für dieses Ziel ist er gerne bereit, auch viele Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen.138 Kinder werden einen artikulierten moralischen Standpunkt in der Regel allerdings nur dann übernehmen, wenn es auch der tatsächliche Standpunkt des Artikulierenden ist.139 Der Arzt, Kinderpsychiater und Harvardprofessor Robert Coles ist überzeugt, dass sich das moralische Niveau einer Person nicht an den selbst gesetzten und abstrakt vertretenen moralischen Maßstäben, sondern vielmehr an der Beschaffenheit der zwischenmenschlichen Beziehungen misst. In diesem Kontext steht das Postulat der Freundlichkeit gegenüber dem Anderen.140 Damit um136 Gerl-Falkovitz, Selbstverwirklichung in Gegenspannung zum Gehorsam, http:// www.rpp-media.org/index.php?m=89 (Stand 21. 03. 2014). 137 Coles, Moralische Intelligenz oder Kinder brauchen Werte, S. 110. 138 Ibid., S. 129. 139 Ibid., S. 206. 140 Ibid., S. 206.
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schreibt Coles den philanthropen Gedanken. Das Beste für den anderen zu wollen, impliziert das Zurückstellen der eigenen Person. Erziehung, educatio, und Bildung, eruditio, sollen das Kind in die „gesellschaftliche Mündigkeit“ führen. Ergänzt um das christliche Gebot der Nächstenliebe ermöglicht Bildung als „Vermittlung der Verhaltensweisen (…), die zu Zwecken des gesellschaftlichen Verkehrs entwickelt worden sind, (…) die Identifikation mit dem anderen“ und geht so weit über den Vollzug der goldenen Regel hinaus.141 Auch die „Theorie der Bildung“ als „Wechselwirkung“ zwischen „(werdendem) Ich und (sich erschließender) Welt“ des Wilhelm von Humboldt (1767–1835) und Johann Heinrich Pestalozzis (1746–1827) Auffassung vom Menschen als „Werk der Gesellschaft“, „Werk seiner selbst“ und „Werk der Natur“142 klammern die Unverzichtbarkeit der Relevierung eines übergeordneten und unverfügbaren Regulativs nicht aus. Die Bewältigung der mit der Erziehung und auch mit der Entwicklung des Schulwesens verbundenen Aufgabenstellung sieht sich gegenwärtig mit einer „neuartigen Zukunftsangst“ konfrontiert. In diesem Kontext impliziert der christliche Ansatz die Kompetenz zur Begründung einer Hoffnung, die einem säkularen Denken verwehrt ist.143 In diesem Zusammenhalt erweist sich zudem die Unterscheidbarkeit zwischen einer individuellen und einer sozialen Ethik bereits dem Grunde nach als unmöglich, weil das Individuum immer in den sozialen Beziehungen gesehen werden muss.144 Verknüpft mit seinem transzendenten Bezug lässt sich der „eschatologische Ort der Ethik“ in der „Annahme der Verheißung des neuen Lebens, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit“ gewärtigen.145 Das Fundament einer individuell gewachsenen, nicht im Kollektiv begründeten Überzeugung trägt die Vorzeichen nachhaltiger Tragfähigkeit und bedarf freilich auch eines besonderen Schutzes, dessen Instrumentarien mitunter in neue Formen zu gießen sind. Eine treffende Beschreibung dieses Zusammenhaltes gibt ein von Reinhold Knoll zitiertes Wort des späteren Papstes Benedikt XVI., Josef Ratzinger: „Vielleicht müssen wir von den volkskirchlichen Ideen Abschied nehmen. Es steht uns eine neue Epoche bevor, in der das Christentum eher wieder im Senfkorn-Zeichen stehen wird, in scheinbar bedeutungslosen, geringen Gruppen.“146 Die kleinste dieser Gruppen ist die Familie: „La famiglia è il primo nucleo di relazioni: la relazione con il padre e la madre e i fratelli è la base, e ci accompagna sempre nella vita. Ma a scuola noi ‚socializzi141 Groothoff,
Erziehung und Bildung, Sp. 1097, 1098. Sp. 1100. 143 Ibid., Sp. 1101. 144 Ulrich, Ethik, Sp. 1149. 145 Ibid., Sp. 1153. 146 Knoll, Kirche und Naturrecht, S. 87 (89). 142 Ibid.,
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amo‘: incontriamo persone diverse da noi, diverse per età, per cultura, per origine, per capacità. La scuola è la prima società che integra la famiglia.“147 Die Vermittlung der Kompetenz zu offener Begegnung und zur Gestaltung tragfähiger Beziehungen gehört zu den Schlüsselpostulaten der Erziehung. Ausgangspunkt bildet die Implikation der Entfaltung und Bewahrung der persönlichen Identität. Die Erfüllung der wesentlichen Postulate der Erziehung fällt in die originäre Kompetenz der Familie. Dem Pluralismus in der gegenwärtigen Welt entsprechend, erfährt die familiäre Erziehungsarbeit durch den vernetzten, fächerübergreifenden, religiöse und abstrakte Inhalte verbindenden Unterricht in den Schulen eine hilfreiche Ergänzung.148 Für den individuellen Kontext von nicht zu überschätzender Bedeutung ist hierbei die unmittelbar am Kind anknüpfende Reformpädagogik des beginnenden 20. Jahrhunderts.149 Die Entstehung gesatzter, kirchenrechtlicher Normen ist eine „soziologische Konsequenz aller menschlichen Gemeinschaftsbildung.“150 An der Konzeption der themenspezifischen Rechtsnormen lässt sich somit die nach dem allgemeinen gesellschaftlichen Konsens der Erziehung und Sozialisation des Kindes beigemessene Bedeutung ablesen. Die kirchlich-theologische Sicht des Menschen und die staatliche Anerkennung der Menschenwürde als Grundlage der verfassungsgesetzlichen Gewährleistung von Rechten weist gewisse Parallelen auf.151 Dennoch impliziert das permanente Gegenüber von demokratischen Mehrheitsentscheidungen auf der Ebene des Staates und von im Transzendenten verhafteten, als unverfügbar anerkannten Prämissen auf Seiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den gleichen Themenbereichen ein konstantes Spannungsverhältnis. Die im Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelten Grundsätze begegnen den im demokratischen Rechtsstaat präsenten Postulaten einer Entscheidungsfindung in Freiheit, womit ein vielversprechendes Potential für zukünftige Annäherungen in Anschlag gebracht zu sein scheint. Die Synthese dieser beiden Entwicklungsvollzüge in der Kirche und in der Welt ergibt einen, tragfähige Prosperität implizierenden, initialen Schnittpunkt gesellschaftlicher Entwicklung: „Dem pluralistisch konzipierten Staatswesen ist somit Offenheit aufgetragen, zumal das weltliche Gemeinwohl eine dynamisch anzustrebende Größe darstellt und in erster Linie darauf ausgerichtet ist, die 147 Franziskus, Incontro del Santo Padre con il mondo della Scuola italiana, http:// www.press.vatican.va/content/salastampa/de/bollettino/pubblico/2014/05/10/0339/ 00745.html (Stand 07. 09. 2014). 148 Walther, Der Marchtaler Plan, Pädagogik und Zeitgeschehen, S. 39. 149 Ibid., S. 164. 150 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 4. 151 Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 162.
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Freiheits-, Partizipations- und Sozialrechte seiner Angehörigen zu garantierten.“ Demgegenüber impliziert das Selbstverständnis der Kirche, keine „indifferente“ Weltanschauung zu vertreten. Die Bindung ergibt sich allerdings nicht gegenüber „gesellschaftlichen Interessengruppen“, sondern aus den hinterlegten Glaubenswahrheiten, die „in ganzheitlicher Weise auf alle Menschen und ihr Wohlergehen bezogen“ sind.152 Als komplementäres Element ganzheitlicher Bildung vermag religiöse Erziehung in besonderer Weise die Fähigkeit zu sozialer Integration und Identifikation zu fördern sowie abseits von wirtschaftlichen und politischen Zwängen sinnstiftend zu wirken. Religiöse Erziehung umfasst das Wesen des ganzen Menschen und seiner Bedürfnisse. Hierbei muss verantwortungsvolle Erziehung die in seiner Transzendenz wurzelnden Bedürfnisse des einzelnen Menschen stets mit jenen aus seiner diesseitigen Bedingtheit verknüpfen und vermittelt so eine verantwortungsvolle Urteilsfähigkeit und Handlungskompetenz, die der menschlichen Würde gerecht wird.153 In diesem Zusammenhalt stellt sich die Frage der Vermittelbarkeit „theologisch ausgewiesener objektiver Glaubenswahrheiten einerseits und subjektiver Freiheiten andererseits im Rahmen der innerkirchlichen Ordnung.“154 Den zentralen Ausgangspunkt für eine Reflexion der Grundrechte im innerkirchlichen Bereich bildet die neue Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Religiöse Erziehung hat den Auftrag, Dialogfähigkeit innerhalb der pluralistischen Gesellschaft zu vermitteln. Ihre Basis muss sie daher in der Weitergabe der Inhalte der allgemeinen Menschenrechte sehen, die ausgehend von der unantastbaren Würde des Einzelnen auf einer der demokratischen Mehrheitsfindung im liberalen Staat unzugänglichen Wahrheit und Vernunft gründen. Religiöse Erziehung leistet an der Stelle einer Fremdbestimmung einen wesentlichen Beitrag der Befähigung zur verantwortlichen Wahrnehmbarkeit politischer Rechte. „Dieser theologische Individualismus ist im christlichen Menschenbild verankert.“155 Freiwillige, verantwortliche Bindung aus autonomer Einsicht tritt gegenwärtig an die Stelle einer Fremdbestimmung.156 Die bewusstseinsbildende Funktion religiöser Erziehung vermag gerade im weltanschaulich neutralen Staat einen beachtlichen Beitrag dazu zu leisten, hinsichtlich eines indisponiblen ethischen Wertekatalogs eine Mehrheitsfähigkeit zu bewirken und so in staatliches Recht umzusetzen.157 Religiöse Erziehung ver152 Hafner,
Staatskirchenrecht im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 35. S. 38. 154 Loretan, Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 103. 155 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 92. 156 Ibid., S. 256. 157 Hafner, Staatskirchenrecht im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 41. 153 Ibid.,
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mittelt ein umfassendes Verständnis für eine unverfügbare Wahrheitsordnung aus moralisch-theologischer Sicht, die im Staatsgefüge in einer ständigen Beziehung mit einer juridisch-politischen Ordnung steht.158 Erziehung steht unter dem Anspruch, das Kind zu einem im individuellen wie kollektiven Kontext verantwortungsvollen Umgang mit seiner Freiheit zu führen. Friedliche Koexistenz innerhalb der pluralen, zivilen Gesellschaft erfordert das lebendige Gegenüber von reflektierter Selbsterkenntnis und bewusster Inte gration. Auch das Zweite Vatikanum betont die politische Verantwortung des Einzelnen. Mit John Rawls plädiert Jürgen Habermas für einen „overlapping consensus“,159 interpretiert diesen allerdings wesentlich differenzierter. Fundament für den bezeichneten Konsens bildet demnach eine adäquate bewusstseinsbildende Erziehung des jungen Menschen, die persönliche Freiheit und Verantwortung stets im Auge behält. Der demokratische Rechtsstaat kann den Grund der menschlichen Würde nicht definieren. Religiöse Erziehung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Befähigung der verantwortlichen Wahrnehmbarkeit politischer Rechte und bildet das Fundament für eine verantwortungsvoll gestaltete kulturelle Entwicklung innerhalb der zivilen Gesellschaft. Die von John Rawls160 vielfach übernommene und zitierte Auffassung der Erreichbarkeit eines „overlapping consensus“ geht von der Annahme aus, dass ein gemeinsamer Konsens verschiedener religiöser und weltanschaulicher Positionen quasi als kleinster gemeinsamer Nenner greifbar ist.161 Dieser Ansatz ist in mehrerlei Hinsicht problematisch und nur vor dem Hintergrund der Achtung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des Einzelnen denkbar, woraus folgt, dass zunächst die Möglichkeit gewährleistet sein muss, die eigene Überzeugung zu leben.162 Dieser Mindestkonsens besteht in der Achtung der Würde des Menschen vor dem Hintergrund verschiedener Religionen, Weltanschauungen und säkularer Menschenrechtsbegründungen. Die Evidenz der Bedeutung eines fundierten Wertebewusstseins als Grundlage einer umfassenden Entscheidungskom petenz in allen lebensrelevanten Bereichen tritt vor dem Hintergrund der aktuellen regionalen und globalen Problem- und Krisensituationen in Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft in lange verkannter Klarheit zutage. In der traurigen Gestalt von Armut, Finanzkrisen und Umweltkatastrophen sehen wir uns täglich mit den Folgewirkungen unreflektierter und unregulierter Verhaltensweisen konfrontiert. Proportional zu dieser Entwicklung verbrei158 Loretan, Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 101. 159 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 22. 160 Rawls, Gerechtigkeit als Fairness, S. 255 (258). 161 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 123. 162 Ibid.
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tert sich der gesellschaftliche Konsens betreffend die tragfähige Bedeutung des nachhaltigen Potentials einer frühen Schulung des Bewusstseins, der Vermittlung Lebenssinn stiftender Parameter, im Idealfall eingebettet in eine verschränkte Weitergabe von abstraktem Sachwissen. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Betonung von Individualrechten gewinnt die Beschaffenheit der Parameter für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen an Bedeutung. Im Wege der Einordnung der persönlichen Freiheit als schranken- und beziehungsloses Abstraktum werden die Grundsätze der Gleichheit und der Gerechtigkeit verletzt, deren Identi fikation die Wahrnehmung von Relationen voraussetzt. Das Verfügen über gefestigte Wertmaßstäbe befähigt den Menschen zur Reflexion seiner selbst und gegenüber dem Nächsten. Den Rahmen hierfür bildet sein Eingebettetsein in Beziehungen. Innerhalb dieser Komplementarität verwirklicht sich auch heute der Grundsatz des großen Kirchenlehrers Thomas von Aquin: „bonum est diffusivum sui“ („Das Gute ist auf seine Ausbreitung hin angelegt“).163 Wesentlicher Inhalt der Erziehung muss das Vermitteln eines Bewusstseins für sowie der Relevanz von Gerechtigkeit sein, zumal diese das Regulativ für die Grenze menschlicher Freiheit darstellt. Urteilskompetenz und Gerechtigkeitsempfinden können nicht ohne die Herstellung transzendenter Bezugspunkte erworben werden. Sie bilden die Quelle zu einer Annäherung an objektive Wertmaßstäbe. Religiöse Erziehung nimmt in diesem Kontext eine Schlüsselfunktion ein. Die Bildung des Gewissens stellt die Grundlage für ein an objektiven Maßstäben orientiertes Urteilsvermögen dar. Daher verfehlt eine wertfreie Erziehung ungeachtet der Unmöglichkeit ihrer faktischen Realisierbarkeit ihr grundlegendes Ziel. Der Terminus des Gewissens findet sich auch in der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, indem darin festgestellt wird, dass die „Verkennung und Mißachtung der Menschenrechte zu Akten der Barberei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben.“164 Ohne den Maßstab eines Gewissens „ist in der Tat der Unterschied zwischen einem Staat und einer großen Räuberbande nicht mehr ‚wissenschaftlich‘ erkennbar.“165 Die Qualifikation einer subjektiven Entscheidung des Gewissens bedarf der Existenz eines objektiven Maßstabs. Dieser Prämisse folgend kann auch die Demokratie nicht aus sich selbst bestehen: „Die Demokratie wird auch im 21. Jahrhundert kein statisches in: Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 10. Erklärung der Menschenrechte, 10. Dezember 1948, http://www. un.org/depts/german/grunddok/ar217a3.html (Stand 11. 03. 2003). 165 Waldstein, Zur juristischen Relevanz der Gerechtigkeit, S. 1 (69, 70). 163 Zit.
164 Allgemeine
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Verfassungsprinzip sein. Sie wird immer wieder an ihre Erhaltungsbedingungen erinnert werden, die nicht allein der Staat garantieren kann. Legitimität und Handlungsfähigkeit werden die zentralen Kriterien sein, an denen jede zukunftsfähige Demokratie gemessen wird.“166 Legitimation kommt dem Staat nur zu, soweit es ihm gelingt, die unveräußerlichen Menschenrechte seiner Bürger zu sichern. Dies erfordert einen von Offenheit getragenen, politischen Diskussions- und Lernprozess: „Die europäischen Gesellschaften und oft auch die christlichen Kirchen tragen in dieser Hinsicht eine schwere Erblast, weil sie allzu lange Belehrungskulturen waren.“167 Die unübersehbaren Implikationen des Christentums für die normative Garantie der Menschenrechte im weltlichen Recht bringt Walter Kardinal Kasper zum Ausdruck: „Zwar vermeidet die Erklärung von 1948 aus politisch verständlichen Gründen jede religiöse oder christliche Anspielung. Versteht man sie jedoch im Licht jener Tradition, aus der heraus sie formuliert wurde, wird ihre wesentliche Begründung innerhalb des christlichen Menschenbildes offenbar. Würde, Gleichheit, Freiheit, Vernunft und Gewissen, die der erste Artikel als Begabungen des Menschen nennt, sind jene Eigenschaften, die den Menschen auch nach christlichem Verständnis überhaupt zum Menschen machen. Sie haben ihren Grund aber nach unserer Überzeugung nicht in der Natur, dem Wohlwollen oder der Gnade eines irdischen Gesetzgebers oder überhaupt irgendwo in dieser Welt, sondern allein in Gott. Gerade weil die Menschenrechte Ideal und oberster Maßstab für alle Gesetze, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, für alle Regierungen und Nationen sein sollen, dürfen sie nicht nur von dieser Welt sein. Sie dürfen nicht von denen gemacht sein, für die sie gelten sollen.“168 In diesem Kontext vermag nur eine an unverfügbaren Parametern orientierte Erziehung den Menschen zur Freiheit zu führen. Bezeichnend für ihren materiellen Inhalt ist der Einfluss der geistes- und sozialgeschichtlichen Hintergründe auf die normative Gestaltung der themenspezifischen Materie.
166 Kühnhardt,
Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 279. Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens, S. 9 (19). 168 Kasper, Menschenrechte und christliches Menschenbild, S. 27 ff. 167 Müller,
C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung I. Zur Implementation der educatio liberorum in den ersten Jahrhunderten Gemäß dem Sendungsauftrag der Kirche unterliegt das Kirchenrecht in besonderer Weise der Prämisse, die Entfaltung menschlichen Lebens zu fördern und zu schützen. Die besondere Herausforderung liegt darin begründet, dass sich die Kirche nach ihrem Selbstverständnis nicht darauf beschränkt, Rahmenbedingungen bereinzustellen, sondern – im Gegensatz zum Staat – auch eine transzendente Botschaft vermittelt. In seiner ersten Enzyklika Evangelium gaudii betont Papst Franziskus die soziale und politische Dimension kirchlicher Praxis. Abgeleitet aus dem sakramentalen Diakonat als Vorbild diakonischen Handelns hebt der Papst den angestammten Dienst für die schwächsten Glieder der Gesellschaft hervor und nennt neben den Armen und den alten Menschen explizit die Kinder.1 In diametralem Verhältnis zu den Intentionen ihres Stifters fand die einer anerkannten Eigenberechtigung des Kindes entspringende Thematik der religiösen Kindererziehung in der frühen Kirche keinerlei explizite Berücksichtigung. Ansprüche des Kindes wurden zugunsten der Normierung korrespondierender Rechte der Eltern, insbesonders des Vaters, völlig überlagert. Das große Manko des jahrhundertelangen Fehlens einer eigenen Katechese für Kinder lag in der Betonung des Erziehungsrechtes vor der Erziehungspflicht begründet. Grundlegende spätere und aktuelle Implementationen allgemeiner Grund- und Menschenrechte im kirchlichen und weltlichen Recht erstrecken sich tendentiell und zunehmend, doch bis zur Gegenwart in nicht ausreichendem Maße, auf die Rechte des Kindes. Infolge der Verkennung eines über geordneten Regulativs besteht auch aktuell latent die Gefahr, große Errungenschaften im Bereich der weltlichen, verfassungsmäßigen Garantien von Grund- und Menschenrechten zugunsten einer Überschätzung der Freiheiten, respektive im Zusammenhang mit der Missachtung der Rechte des Kindes, in den Schatten zu stellen. Fehlende Rechtsschutzmechanismen auf Kosten des Kindes, respektive seiner Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, 1 Francesco, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 24. November 2013, http://www.w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papafrancesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html (Stand 12. 03. 2015), Nr. 70.
I. Zur Implementation der educatio liberorum in den ersten Jahrhunderten 77
seiner Bildungsfreiheit und seines Rechtes auf Erziehung, bilden das Attribut zahlreicher nationaler und internationaler Normierungen. Entsprechend ihrem inneren Auftrag und im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist es die vornehmliche Aufgabe der Kirche, dieser Entwicklung in operativer und materieller Hinsicht zu begegnen. Zunächst geht es um die Implementation von Gewährleistungs- und Schutznormen, die explizit die Persönlichkeitsrechte des Kindes zum Gegenstand haben. Dazu gehören etwa die Rechte auf die biologischen Eltern, auf Familie, auf Erziehung und auf Bildung. Im Gegensatz zu anderen Grundrechten ist die Möglichkeit der Betä tigung der genannten Rechte von der Bereitstellung eines entsprechenden Angebotes abhängig. In diesem Sinne ist das Kind ständig mit einem Angewiesensein konfrontiert. Dieses Faktum impliziert das Gebot besonderer Sensibilität und Verantwortung. Die Grundrechte des Kindes verpflichten nicht nur die Kirche und den Staat als Institutionen, sondern vor allem jene konkreten Menschen, denen es anvertraut ist. Schließlich bilden Familie, Erziehung und Bildung die Grundlage für das jedem Persönlichkeitsrecht implizite Postulat einer umfassenden Entfaltung des Menschseins. Ungeachtet der erst im 20. Jahrhundert implementierten Anerkennung eines persönlichen Anspruches auf Erziehung finden sich in der Kirche seit Anbeginn erste materielle Ansätze. Mit der Reformation wurde die Frage der religiösen Kindererziehung zunehmend thematisiert. Doch weder das Konzil von Trient (1545–1563) noch der Westfälische Friede 1648 legten Normen für eine Orientierung fest. Systematisch wurde die Materie über Jahrhunderte dem Zivilrecht zugeordnet. Beginnend mit dem 18. Jahrhundert wurde die religiöse Kindererziehung als Gegenstand des Staatskirchenrechts betrachtet.2 Religiösität als Fazit religiöser Erziehung ist wie ihr Gegenstand, die Religion, und weniger noch ihre Essenz nicht an weltlichen Ausgestaltungsformen und irdischen Kategorien festzumachen. Demnach kann der alten Feststellung Rudolph Sohms (1841–1917), Professor für evangelisches Kirchenrecht, Römisches Recht und Deutsche Rechtsgeschichte Einiges abgewonnen werden: „Das Wesen des Kirchenrechts steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch. (…) das Wesen der Kirche ist geistlich; das Wesen des Rechts ist weltlich.“3 In Fortführung dieser Ansicht spricht sich Sohm dafür aus, „dass das Kirchenrecht allein das spezifisch korporative Handeln der Kirche und die Beziehung der Gläubigen in ihrer Eigenschaft als Korporation erfasse, nicht aber die durch den geistlichen Auftrag der Kirche unmittelbar begründeten Beziehungen.“4 Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass 2 Schwoerer/Donau
(Hrsg.), Sonderfragen der elterlichen Gewalt, S. 338. Kirchenrecht, S. 1. 4 Ibid., S. 674 (679). 3 Sohm,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
der letztgenannte Terminus in einem weiten Sinne zu verstehen ist. Im gegenständlichen Kontext sind zudem insbesondere die sich aus der Spendung der Sakramente ergebenden Rechtsbeziehungen einschließlich der daraus resultierenden Ansprüche und Obliegenheiten ins Auge zu fassen. Im Zentrum der Betrachtung steht die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern als denjenigen, durch deren Mitwirkung dessen Leben überhaupt erst Gestalt annehmen konnte, weshalb sie sodann die erste Verantwortung für die Erziehung und die ihr implizite katechetische Unterweisung tragen. Die im Pfingstereignis gründende Stiftung des Katholischen Kirchenrechts ist Fundament und Attribut seines einzigartigen Propriums. Rudolf Sohms These, wonach das Kirchenrecht dem Wesen der Kirche widerspreche und für diese nicht konstitutiv sei, mag man somit mit dem Argument begegnen, dass sich bereits im Neuen Testament juristische Elemente nachweisen lassen. So bildet das Sakrament der Taufe die konstitutive Grundlage für die Entstehung der christlichen Gemeinde.5 Dietrich Pirson folgt teilweise exakt dem von Rudolf Sohm dargelegten und in der Evangelischen Kirche verbreiteten Ansatz: „Das Naturrecht der Aufklärung beurteilt die Kirche nicht anders als eine vom Zusammenschluß der Kirchenglieder getragene Korporation.“6 Demnach „bleibt die Glaubensfreiheit der kollegialistischen Kirchenrechtstheorie ein Rechtsverhältnis staatlichen Rechts.“ Kirche im theologischen Sinne und Kirche im rechtlichen Sinne werden nicht als Einheit gesehen. In Konsequenz dieser Auffassung teilt Pirson mit Sohm dessen bereits zitierte Ansicht. Entgegen Sohm bleibt Pirson allerdings nicht bei diesem Ansatz stehen. In Anbetracht einer dergestaltigen „Reduktion des Kirchenrechts“ konstatiert er eine fehlende Veranlassung, „Rechtsinstitute zur Sicherung der Rechtsstellung des einzelnen Kirchenglieds in Bekenntnisfragen zu entwickeln.“7 Dieser bis heute nur fragmentarisch ausgeräumte Makel tangiert den Kern des kindlichen Anspruches auf religiöse Erziehung. Die Kulturgeschichte des Menschen hat gezeigt, dass sich die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen nicht in der organisatorischen Regelung der zivilen Gesellschaft erschöpfen darf. Bereits die Verwendung des Begriffes Kirche im kanonischen Recht impliziert per se eine Terminierung des reli giösen Phänomens, womit sich die Evidenz eines inneren Widerspruchs der Sohmschen Behauptung hervorkehrt. Entgegen Sohm hat die Existenz des Kirchenrechts auch seine widerspruchsfreie Berechtigung, zumal das Gottesvolk neben der spirituellen auch eine irdische, soziale Dimension aufweist, 5 Landau,
Kirchenrecht, katholisches, Sp. 1821–1826. Innerkirchliche Grundrechte aus der Sicht der evangelischen Kirchenrechtslehre, S. 339 (346). 7 Ibid., S. 348 (349). 6 Pirson,
I. Zur Implementation der educatio liberorum in den ersten Jahrhunderten 79
deren Funktionalität die Existenz gerechter Regeln erfordert.8 Demgegenüber widerspricht die pragmatische Schaffung oder Veränderung fundamentaler kirchlicher Rechtsgrundlagen ihrer Ekklesiologie. Gerade die Transzendenz vermittelnde Konstitution der Kirche bietet Raum für die Gestaltung von Gewährleistungs- und Schutznormen, welche der die diesseitigen Dimensionen überschreitenden Wesenhaftigkeit des Menschen gerecht werden. Den ersten Anknüpfungspunkt hierbei bildet die explizite Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt und sein Recht auf Erziehung, zumal ihm erst diese den Weg zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit eröffnet. In diese Per spektive findet sich der entscheidende Bezugspunkt für eine gleichermaßen zeitgemäße wie zukunftsfähige normative Grundlegung der Rechte der Familie und ihrer Kinder. Darüber hinaus begegnet gerade die weit über eine administrative Dimension hinausragende Struktur der kanonistischen Grund lagen dem originären Wesen der Kirche, als der kirchliche Gesetzgeber über dem weltlichen Pendant unzugängliche Kompetenzen hinsichtlich der inhaltlichen Determinierung von Sinn und Ziel der menschlichen Existenz im Kontext individueller und kollektiver Lebensgestaltung verfügt. Katholische Erziehung im umfassenden Sinne impliziert sowohl eine Form des Dienstes der Verkündigung als auch einen Dienst der Heiligung im Wege der Hinführung und Einbettung in die Sakramente. Diese bilden eine reale, den Weg zu transzendenter Lebenserfahrung und Selbstverwirklichung öffnende und den Menschen so zur freien und umfassenden Entfaltung seiner Persönlichkeit führende Schwelle. Ein Aufweichen der sakramentalen Ordnung würde eine Pervertierung der ekklesialen Wesensstruktur bedeuten. Demgegenüber ist eine davon unabhängige Erweiterung kanonistischer Grundlegungen im Hinblick auf die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die eigenständige Persönlichkeit des Kindes im Kontext familiärer Strukturen unverzichtbar. Das Recht des Kindes und das Recht der Familie bedürfen einer expliziten Berücksichtigung innerhalb der Kanonistik, dies unter Hintanhaltung jedweder Aushöhlung der Würde des Ehesakramentes und damit der Identität der katholischen Heilsbotschaft. Bereits die Stoiker konstatierten die Gleichheit aller Menschen und kehrten damit das Postulat von Eigenrechten der Kinder hervor.9 Bis zu ihrer Implementierung in normative Strukturen sollte es aber noch Jahrhunderte dauern. Nach dem großen Kirchenvater Augustinus (354–430) „erschließt sich das Naturrecht in seiner eigentlichen Dimension (…) nur dem gläubigen Christen.“ Demgegenüber stellt Tertullian (150–220) hinsichtlich der Erkenntnis des Naturrechts auf den „Vernunftgebrauch“ ab. „Von hier aus zieht 8 Barberi/Tettamanzi (Hrsg.), Matrimonio e famiglia nel Magisterio della Chiesa, S. 10. 9 Forschner, Die stoische Ethik, S. 246 ff.
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sich eine gerade Linie über die Scholastik eines Thomas von Aquin bis hin zur Vernunftrechtslehre des 17. Jahrhunderts und der europäischen Auf klärung.“10 Glaube und Vernunft entfalten sich im Kontext der vermittelnden Funktion religiöser Erziehung. Vor diesem Hintergrund findet der Rechtsanspruch des Kindes auf religiöse Erziehung seine tiefste Wurzel in der um das Evangelium bereicherten, respektive durch Thomas von Aquin (1225–1274) in die Lehre der Katholischen Kirche rezipierten stoischen Ethik. Aus der Prämisse der Gleichheit aller Menschen formiert sich der individuelle Anspruch auf eine die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit generierende Glaubensvermittlung. Als Ursprung eines gelebten Ideals christlicher Ethik mag etwa jene durch Basilius von Caesarea (329–379) begründete mönchisch-asketische Ethik gelten. In der mittelalterlichen Scholastik erfuhr die christliche Ethik eine „systematische Ausgestaltung und Begründung“ im Rahmen der Dogmatik. Zentrale Elemente finden sich bereits in der Lehre vom Guten bei Augustinus. Tugendlehre, christliche Sittlichkeit, Naturrecht und Vernunft finden hier erstmals eine explizite Darstellung. Dabei prägte die Rezeption der antiken philosophischen Ethik die systematische Gestalt der christlichen Ethik entscheidend. Im 13. Jahrhundert wurde die Rezeption des Aristotelismus von Albertus Magnus (1200–1280) und Thomas von Aquin auch eingehend kommentiert.11 Gleichsam in diametralem Verhältnis zum Reichtum des materiellen Gehalts ihrer Sendung sah sich die katholische Kirche über viele Jahrhunderte vom Mangel einer einheitlichen Kodifikation begleitet. Zu den Rechtsgrundlagen des jüdischen und des römischen Rechts kamen nach dem Tode Jesu Beschlüsse und Canones der ersten urchristlichen Versammlungen und Konzile sowie bischöfliche Erlässe, die Dekretalen, hinzu. Das Kind als Rechtssubjekt fand in den ersten Jahrhunderten der christlichen Tradition keine Wahrnehmung. Direktiven zur Erziehung von Kindern wurden zunächst nicht einmal fragmentarisch aufgestellt. Demgegenüber implizierte das im Christentum von Anbeginn bestehende Verbot der Abtreibung12 und Aussetzung von Kindern ihre Anerkennung als Rechtssubjekt und verknüpfte diese mit dem Attribut der Unverfügbarkeit ihrer Existenz.13 Mit der daran anschliessenden Ermahnung an die Väter zur Erziehung ihrer Kinder verbindet sich von Beginn an das Gebot, die Kinder nicht zu verbittern, womit eine Brücke zum Gedankengut der griechischen Philosophie geschlagen scheint, indem Kriterien der Gleichheit und der Freiheit Beach10 Link,
Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 20, 21. Ethik, Sp. 1145, 1146. 12 Didache, Kapitel 2, http://www.stjosef.at/dokumente/Didache.html (abgefragt am 27. 11. 2014). 13 Gärtner, Familienerziehung in der alten Kirche, S. 32. 11 Ulrich,
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tung finden. Bis zur Anerkennung expliziter Persönlichkeitsrechte des Kindes ist es aber noch ein weiter Weg. Erst im 20. Jahrhundert bereitete das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) mit seiner Erklärung Gravissimum educationis endgültig den Boden für eine normative Festlegung des Anspruches des Kindes auf religiöse Erziehung als primärer, mit der Erziehungspflicht der Eltern korrespondierender und deren Erziehungsrecht zuvorkommender Rechtsposition. Eine erste Handreichung für die christliche Erziehung der Kinder findet sich in der frühchristlichen Didache, deren Entstehungsort und Verfasser ungewiss geblieben sind. „Ziehe deine Hand nicht zurück von deinem Sohn oder von deiner Tochter, unterweise sie vielmehr von Jugend auf in der Furcht des Herrn.“14 Die ersten katechetischen Unterweisungen beschränkten sich auf die Vermittlung ethischer Grundsätze und erreichten keine Vertiefung in glaubensdogmatische Parameter. Den Ursprung der gelebten Kirche bildete die Hauskirche. Die Erziehung von Kindern wurde lange Zeit als Form der Ausübung häuslicher Gewalt gesehen. Eine eigene Kinderkatechese entwickelte sich erst sehr langsam mit der Herabsetzung des Taufalters. Deren erste Adressaten waren die Eltern und die Paten. Der Begriff der Katechese als Unterweisung in den christlichen Glauben geht auf Paulus (vor 10 – nach 60) zurück. Erste Quellen für eine Katechese bildeten dessen Pastoralbriefe und die Haustafeln. Diese stellten eine „Novität in der antiken Gesellschaft dar, die anstelle der Allgewalt des römischen pater familias den verantwortungsvollen Umgang mit den Kindern forderte.“15 Eine erste Anweisung an die elterliche und insbesondere die väterliche Pflicht zur Erziehung findet sich im Brief des Paulus an die Epheser und wurde dem Volk lange vor Entstehung der ersten Katechismen durch die Haustafeln zur Kenntnis gebracht: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter.“16 Mit dem „Hauptgebot“ verbindet sich die Verheißung: „damit es dir gut geht und du lange lebst auf der Erde.“ Besondere themenspezifische Relevanz kommt der wiederkehrenden Weisung „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!“ zu.17 Diese Formulierung im Epheser14 Didache, Kapitel 4, http://www.stjosef.at/dokumente/Didache.html (abgefragt am 27. 11. 2014). 15 Pföstl, Pueri oblati, S. 21. 16 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 47 ff. 17 Eph 6, 1–4, Einheitsübersetzung Online | Katholisches Bibelwerk e. V., http:// www.bibelwerk.de/Bibel.12790.html/Einheits %C3 %BCbersetzung+online.12798. html (abgefragt am 18. 02. 2014).
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
brief impliziert bereits das überwiegende Moment der Pflicht gegenüber dem Recht. Der Inhalt der Haustafeln wurde 1529 von Martin Luther (1483–1546) in seinen Kleinen Katechismus eingefügt. Die ersten Katechismen standen vorwiegend in der Verwendung durch Mönche, Priester und Diakone zur Erfüllung ihres zunächst ausschließlich an Erwachsene adressierten Verkündigungsdienstes. Erst die Synode von Mainz legte 813 erstmals eine konkrete Verpflichtung der Seelsorger zur allgemeinen Glaubensunterweisung fest.18 Einer der bedeutendsten Begründer der Katechese für Kinder und Zeitgenosse Basilius des Großen war Johannes Chrysostomos (344–407).19 Doch auch in seiner Schrift Über Hoffahrt und Kindererziehung findet eine kollektive Ausbildung im Sinne einer Schule noch keine Erwähnung. Demgegenüber spricht Johannes Chrysostomos eine nachdrückliche Empfehlung für die Erziehung im Kloster aus. Um 400 verfasste der Kirchenlehrer Augustinus (354–430) den ersten bedeutenden Katechismus, De catechizandi rudibus, dessen Inhalt und Struktur bis in die Gegenwart Spuren hinterlassen hat, obschon dieser keine geschlossene Systematik aufwies, sondern vielmehr die Beantwortung einer Anfrage des Diakons Deogratias aus Karthago darstellte.20 Nach Augustinus bildet das Erziehungsziel der Förderung einer unmittelbaren Gottesbeziehung das Regulativ für jedes erzieherische und bildungsmäßige Vorgehen. Im Zuge des Konzils von Trient (1545–1563) wurde die Herausgabe des ersten offiziellen Katechismus beschlossen. 1566 veröffentlicht, baute der Römische Katechismus auf den Katechismus des Jesuiten Petrus Canisius (1521–1597) auf, dessen Spuren sich ebenso bis in die Gegenwart verfolgen lassen.21 Die religiöse Erziehung der Kinder stand immer im Kontext der Frage des Sakramentenempfangs. Im Zusammenhang mit der Taufe als erstem Schritt der Initiation wurden im Altertum auch kleine Kinder zum Empfang der Eucharistie zugelassen. Unter Berufung auf das Wort des Evangelisten Johannes: „Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“22 hielt Augustinus die Taufe für heilsnotwendig. 18 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 54. 19 Gärtner, Familienerziehung in der alten Kirche, S. 4. 20 Augustinus, De catechizandi rudibus, www.http://stjosef.at/dokumente/Decate chizandi_rudibus.html (Stand 22. 01. 2014). 21 Johannes Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 13. 22 Joh 6, 53.
I. Zur Implementation der educatio liberorum in den ersten Jahrhunderten 83
Die Diskrepanz zwischen der mangelnden Anerkennung einer Eigenberech tigung des Kindes und dem faktischen Unvermögen der Eltern, den Willen des Kindes verbindlich zu erklären, findet in der Betrachtung des Taufsakramentes eine besondere Konkretisierung: „Credit in Deum?“ – „Credit.“ Augustinus (354–430) folgte der Prämisse, dass der Taufpate nicht darauf antworten könne, ob das Kind zukünftig glauben werde, sondern nur in Bezug auf den zukünftigen Lebenswandel des Kindes gefragt werden könne: „Erit castus qui baptizatur, aut non erit fur?“23 Im sechsten Jahrhundert kam es zur allgemeinen Einführung der Kindertaufe. Die Hinwirkung auf den zukünftigen Lebenswandel stand für Augustinus in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ehe als Sakrament und Lebensgemeinschaft. Das „sacramentum“ als unwiderrufliche Verpflichtung gegenüber Gott verweist auf eine Analogie zwischen dem Eheversprechen und dem Taufversprechen.24 Traditionell kommunizierten die Kinder vor den Erwachsenen. Die Lehre von der Heilsnotwendigkeit des eucharistischen Kommunionsempfanges wurde im 13. Jahrhundert fallen gelassen. Mit der Festsetzung der anni discretionis für die österliche Pflichtkommunion durch das vierte Laterankonzil 1215 und die Firmierung dieser Position im Tridentinum wurden die jüngeren Kinder vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich der Brauch der gemeinsamen Erstkommunion. Mit dem Dekret Quam singulari legte Papst Pius X. (1835– 1914) am 8. August 1910 unter Mitwirkung der Heiligen Sakramentenkongregation – heute Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung – die notwendigen Voraussetzungen für den Empfang der eucharistischen Kommunion von Kindern fest. Demnach bildet das siebente Lebensjahr die Schwelle für den Beginn vernunftmäßigen Denkens, die fallweise auch variieren könne. Ab diesem Zeitpunkt sei dem Kind der Zugang zur Beichte und zur Kommunion zu ermöglichen. Das Dokument betont die entsprechende Pflicht der Eltern, der Lehrer und des Pfarrers. Die Zulassung zur Kommunion wird hier noch als regelmäßige Obliegenheit des Vaters umschrieben.25 Unabhängig von dem zwischen Eltern und Kindern bestehenden Herrschaftsverhältnis anerkannte bereits die frühe Kirche die Annahme des Glaubens als freien Akt. Bereits Tertullian (160–220) bezeichnete es als ius huma num, als Menschenrecht, das für gut Befundene zu verehren, dass der Glau23 Gärtner,
Familienerziehung in der alten Kirche, S. 71. Ehe, Sp. 472. 25 Heilige Sakramentenkongregation, Dekret Quam singulari. Über den frühkindlichen Kommunionempfang, 8. August 1910, http://www.stjosef.at/dokumente/quam_ singulari.html (Stand 18. 02. 2003). 24 Baumann,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
bensakt also frei sein müsse.26 Papst Gregor der Große (590–604) sprach sich als erster Papst gegen die Anwendung von Zwangsmitteln zur Bekehrung von Nichtchristen aus und lehnte eine zwangsweise Bekehrung ab. Im Jahr 633 wurde diese Haltung der Kirche durch das vierte Konzil von Toledo unter dem Vorsitz des Isidor von Sevilla (560–636) bestätigt.27 In der Kaiserkrönung des Karolingers Karls des Großen (747–814) im Jahr 800 manifestiert sich die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft. Kirchliche Synoden und Reichsversammlungen verbanden sich zu Reichstagssynoden. Die zeitlichen Güter der Kirche, die temporalia, dienten auch weltlichen Zwecken und die Mehrheit der zur Königswahl Berechtigten waren Geistliche.28 Das im Jahr 813 auf die Initiative Karls des Großen einberufene Konzil von Arles brachte die ersten kirchlichen Beschlüsse zum Erziehungswesen hervor. Eltern und Paten wurden konkret zur Glaubensunterweisung der Kinder aufgefordert.29 Dieselben Postulate wurden auch von anderen Provinzialkonzilen, wie dem Konzil von Mainz 813 und dem Konzil von Paris 829 proklamiert.30 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ersten kirchenrechtlichen Direktiven zur religiösen Erziehung vor allem in der Verpflichtung des Klerus zur Glaubensunterweisung im Allgemeinen und nicht spezifiziert gegenüber Kindern bestanden. Stets ging es um das Recht und die Pflicht der Kirche. Abhandlungen über die Veranwortung der Eltern finden sich nur fragmentarisch in nicht allgemein autorisierten Festlegungen. Erst Divini illius magistri Papst Pius’ XI. (1857–1939) aus dem Jahr 1929, die erste explizit dem Thema der Erziehung gewidmete Enzyklika fokussierte das Erziehungsrecht, betonte jedoch noch den überkommenen, vorrangigen Absolutheitsanspruch der Kirche sowohl gegenüber den Eltern als auch gegenüber dem Staat.31 Mit der Erklärung Gravissimum educationis vollzieht die Kirche den Perspektivenwechsel32 von einem Recht zur Erziehung zu einem Recht auf Erziehung.33 26 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 96. Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschicht lichen Entwicklung, S. 15. 28 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 28, 29. 29 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 50. 30 Johannes Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 12. 31 Pius XI., Enzyklika Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen, (Hrsg.), Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, II (1976) 1410 (IX, Rz. 41). 32 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 115. 33 II. Vatikanisches Konzil, Erklärung De educatione christiana, 28. 10. 1965, in: Utz/Gahlen, (Hrsg.), Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, II (1976) 1470 (Art. 1). 27 Roderfeld,
II. Zur themenspezifischen Relevanz der oblatio pueri85
II. Zur themenspezifischen Relevanz der oblatio pueri Einerseits einen exponierten Stellenwert einnehmend, vermittelt das Institut der Kinderoblaten andererseits doch ein besonders ausdrucksvolles Bild der rechtlichen Einordnung des Kindes in der frühen Kirche bis zum Mittelalter. Der Mangel an spezifischen Quellen für diese Zeit macht die genannte Insitution zu einem wertvollen Fundus für themenspezifische Fragestellungen. Die Kinderoblation bezeichnete die „wirkliche positive Zustimmung der Eltern (…) zur Aufnahme ihres Kindes zur Erziehung in einem Kloster.“34 Bis das Kind „zum Gebrauche der Vernunft“ gelangt war, hatten die Eltern in seiner Stellvertretung zu entscheiden. Die Legitimation der Eltern zur Bestimmung des „modus vivendi“ und der Berufswahl des Kindes wurde aus dem Naturrecht abgeleitet. Die Einwilligung der Kinderoblaten war völlig unbeachtlich. Mitunter wurde die Oblation bereits vor der Geburt erklärt.35 Zunächst läßt sich daraus die umfassende Verfügungsmacht der Eltern ablesen. Gleichzeitig zeigt sich in der Kirchenrechtsgeschichte eine erste Differenz gegenüber der umfassenden Hausgewalt des Paterfamilias, indem das subjektive Recht der Oblation beiden Eltern zugesprochen wird. Später wurde das Recht der Oblation auch dem Vormund zugesprochen.36 Gelegentlichen Erwähnungen bei den Kirchenvätern Hieronymus (347–420) und Salvianus (400–475) kann man entnehmen, dass die Einrichtung der Kinder oblation bereits in den abendländischen Klöstern vor Benedikt von Nursia (um 480–547) bestand. Als Begründer des Oblateninstituts muss Basilius (329–379), Erzbischof von Caesarea in Kappadozien und deklarierter Pionier gelebter christlicher Ethik, in der monastischen Tradition gelten. Im Gegensatz zur späteren Praxis kannte Basilius in seiner Regel keine absolute Verpflichtung zum Mönchsstande. Die Entscheidung zum endgültigen Klostereintritt sollte der Oblate nach Erlangung der Reife der Vernunft selbst treffen. Als Zeitpunkt dafür galt das sechzehnte oder siebzehnte Lebensjahr.37 Auch die Regel des Cäsarius (470–542), Erzbischof von Arles, für ein von ihm um 510 gestiftetes Nonnenkloster kennt Kinderoblaten. Als Begründer des abendländschen Mönchstums fügte Benedikt – entgegen der überkommenen Haltung des Basilius – in das Oblateninstitut ein neues, wesentliches Moment ein, indem er der feierlich vollzogenen Oblation eine absolute Ver34 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern oder De Pueris Oblatis, S. 156, 157. 35 Ibid., S. 180; so zitiert bei Gregor von Nazianz, oratio funebris in patrem (or. 19). 36 Huonder, Oblati – Oblatae, http://www.kathenzyklo.bplaced.net/artikel.php?arti kel=oblati_oblatae (abgefragt am 05. 12. 2013). 37 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern, S. 7, 8.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
pflichtung zum Mönchsstande beilegte. Dies bedeutete im Konkreten, dass der Oblate mit dem Erreichen der anni discretionis dazu verpflichtet war, seine durch die Eltern erklärte Oblation zu ratifizieren. Eine Rückkehr in die Welt war demnach ausgeschlossen. Bezüglich des Alters der Aufnahme legte Benedikt keine Grenzen fest und verwendete in seiner Regel unterschiedliche Termini für das Kind, indem er alternierend vom puer minori aetate, den pueri parvuli oder den infantes sprach. Die später berühmt gewordenen benediktinischen Kinderoblaten Placidus und Faustus wurden mit sieben Jahren aufgenommen.38 Die pragmatische Regelung der verbindlichen Oblation von Kindern durch Benedikt mag auch auf seine gegenüber der Haltung des Basilius größere Affinität gegenüber dem Römischen Recht zurückzuführen sein. Schließlich hatte auch einer der ersten und bedeutendsten Theologen der Christen, Paulus von Tarsus (5–64), römischer Jurist und erfolgreicher Missionar das väterliche Recht der „Vollgewalt über die Person und Sachen der Kinder“ vom Beginn an anerkannt.39 Demgegenüber leistete das Christentum einen entscheidenden Beitrag zur Gewährung von Milderungen in der weltlichen Gesetzgebung, respektive der Abschaffung des ius vitae necisque. Daß sich eine Rechtfertigung für die väterliche Gewalt bereits im Dekalog findet, kann gegenwärtig als überholte Interpretation angesehen werden. Mit dem Canon 49 des vierten Konzils von Toledo im Jahre 633 unter dem Vorsitz des Isidor von Sevilla (560–636) wurde eine allgemeine Richtschnur für die Oblation aufgestellt, die fortan für Jahrhunderte gelten sollte. „Monachum aut paterna devotio aut propria professio facit; quidquid horam fuerit, alligatum tenebit. Proinde his ad mundum reverti intercludimus aditum et omnem ad saeculum interdicimus regressum.“40 Der Canon stellte die Verbindlichkeit des väterlichen Gelöbnisses jener der persönlichen Erklärung des Oblaten gleich und verbietet in beiden Fällen eine Rückkehr in die Welt. Ferner fällt auf, dass für die Oblation im ersten Fall der Begriff devotio, im zweiten jener der professio verwendet wird. Ungeachtet der identen Rechtswirkung wird damit die stellvertretende Funktion des Vaters betont. Darin drückt sich zumindest eine gewisse Reverenz an die eigene Würde des Kindes aus, insgesamt wird gleichzeitig deutlich, dass daraus noch keine explizite Eigenberechtigung ableitbar ist. Vielmehr trägt die devotio den Charakter einer Darbringung des Kindes als Opfergabe. Eine Anfrage des bedeutenden Missionars und Kirchenreformers im Frankenreich, Bonifazius (673–754), bei Papst Gregor II. (669–731) im Jahr 725 zielte auf das Abgehen von der absoluten Verbindlichkeit der Oblation. Der Papst beantwortete diese im Sinne der alten, benediktinischen Anschauung. 38 Ibid.,
S. 20. S. 182, 183. 40 Vives, Concilios visigóticos e hispano-romanos. 39 Ibid.,
II. Zur themenspezifischen Relevanz der oblatio pueri87
Auch einem Versuch Karl des Großen zugunsten der freien Selbstbestimmung der Oblaten, festgehalten in der monastischen Regel der Generalversammlung der Äbte in Aachen im Jahr 817, kam die Kirche nicht entgegen. Zu den Unterscheidungsjahren – „tempore intelligibili“ – gelangt, sollten die Oblaten die Oblation der Eltern ratifizieren, was einer „quasi votorum renovatio“ gleichkam.41 Bonifatius gründete in Deutschland eine Reihe von Benediktinerklöstern, die auch pueri oblati aufnahmen, dies entweder zur Vorbereitung des Lebens als Mönch oder Nonne oder zur Erziehung für eine bestimmte Zeit.42 Auch Rabanus Maurus (780–856) hatte sich noch für die verbindliche Oblation ausgesprochen. Im Zuge der Klosterreformen des 10. und 11. Jahrhunderts wurde das Alter der Oblation von den neuen Kongregationen mit dem fünfzehnten Lebensjahr als Untergrenze festgelegt. Mit der Dekretalengesetzgebung dieser Zeit garantierte die Kirche dem Oblaten die Wahlfreiheit mit dem Erreichen der Mündigkeit. Thomas von Aquin sprach sich gegen die absolute Verbindlichkeit der Oblation aus.43 „Ad tertium dicendum quod pueri, sicut non coguntur ad iurandum, ut canon dicit, ita non coguntur ad vovendum. Si tamen voto vel iuramento se adstrinxerint ad aliquid faciendum, obligantur quoad Deum, si habeant usum rationis, licet non obligentur quoad Ecclesiam ante quattuordecim annos.“ („Die Kinder werden weder zum Eide noch zu einem Gelübde angehalten. Machen sie aber ein Gelübde und haben sie den vollen Gebrauch ihrer Vernunft, so sind sie vor Gott verpflichtet; nicht aber vor der Kirche, ehe sie mündig, das heißt vierzehn Jahre alt sind.“).44
Das Konzil von Trient übernahm diesen Standpunkt der Unverbindlichkeit in die kirchliche Gesetzgebung.45 Die Oblation minderjähriger Kinder wurde sonach erst verbindlich, wenn dieselbe nach erlangter Pubertät, die das Tridentinum mit dem Erreichen des siebzehnten Lebensjahres festlegte, sei es durch ausdrückliche, sei es durch stillschweigende Profeß, bestätigt wurde.46 In der Zeit um das Konzil von Trient wurde die Oblation immer seltener, bestand jedoch in einigen Benediktinerklöstern noch weiter.
41 Huonder,
Oblati – Oblatae, Reg. c. 45. 63. Das Recht auf christliche Erziehung im Kontext der Katholischen Schule, S. 163, 164. 43 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Secunda Secundae, q. 88, a. 8 et 9. 44 Ibid., q. 189 a. 5 ad 3. 45 Concilium Tridentinum, Sessio I Documenta [1545–1563] Full Text at Documenta Catholica Omnia, documentacatholicaomnia.eu/04z/z_1545–1563 http:// www.__Concilium_Tridentinum__Sessio_I_Documenta__LT.doc.html (Stand 06. 12. 2011). 46 Huonder, Oblati – Oblatae, http://www.kathenzyklo.bplaced.net/artikel.php? artikel=oblati_oblatae (abgefragt am 05. 12. 2013). 42 Schmitz-Stuhlträger,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Zwar erreichte das Institut der Kinderoblaten nie eine überragende Bedeutung,47 doch vermag es im themenspezifischen, historischen Kontext dennoch gewissen Aufschluss zu geben. Ist es doch eine der spärlichen Quellen, die einen Mosaikstein zur Rekonstruktion eines Bildes über den recht lichen Umgang mit dem Kind beitragen, dem bis zum Beginn der Neuzeit noch keinerlei persönliche Rechte zugesprochen waren. Vor dem Hintergrund des alten Axioms Distingue tempora et concordabis iura erscheint die zeitweilige Verbindlichkeit der Oblation ob der aus dem Einfluss des römischen Rechts resultierenden Zuordnung des Kindes in die Gegenstände des Eigentumsrechts verständlich.48 Die persönliche Freiheit des Einzelnen wurde bei den Germanen mehr geachtet als bei den Römern. In Verbindung mit der entsprechenden Festlegung im kanonischen Recht wurde die Freiheit der Oblaten in späterer Zeit umfassend garantiert.49 Das Institut der Kinderoblation unterstreicht die Einordnung des Kindes in der frühen Kirche als ein der Verfügung der Eltern unterliegendes Objekt. Obschon dem Kind keinerlei Eigenberechtigung im Sinne einer aktiven Betätigunsfreiheit zugestanden wurde, sprach sich die Kirche zu jeder Zeit für den Schutz des Lebens und das Verbot der Abtreibung als allgemeine Pflicht aus.
III. Der Einfluss des Römischen Rechts Die Parole Ecclesia vivit lege Romana prägte die im Mittelalter schrittweise vollzogene Kodifikation des Rechtes der Katholischen Kirche. Das Corpus Iuris Canonici, bestehend aus dem Decretum Gratiani, dem Liber Extra, dem Liber Sextus, den Clementinen und den Extravaganten, sollte bis zum Inkrafttreten des CIC 1917 im Jahr 1918 in Geltung bleiben. Am Ende des Liber Sextus finden sich 88 Regeln aus dem Römischen Recht.50 Der Liber Sextus des Juristenpapstes Bonifaz VIII. (1235–1303) kann als erstes kirchliches Gesetzbuch angesehen werden. Die vorangegangenen Publikationen von Dekretalen, das Decretum Gratiani und der Liber Extra, folgten einem Caselawsystem.51 Römischrechtliche Einflüsse finden sich insbesondere im Verfahrens- und im Eherecht, wie sich bereits aus dem um das Jahr 1140 verfassten Gratianischen Dekret ablesen lässt. „Doch stand das römi47 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern, S. 188. 48 Ibid., S. 176. 49 Ibid., S. 184, 185. 50 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 39. 51 Becker, Kanonisches Recht, Sp. 1569–1576.
III. Der Einfluss des Römischen Rechts89
sche Recht dabei stets im Horizont theologischer Konzeptionen und diente eher als Material.“52 In diesem Sinne griff die Kirche auch bei der formalen Konzeption des Elternkindverhältnisses auf Strukturen des Römischen Rechts zurück. Im Kontext der familienrechtlichen Verhältnsse ergab sich daraus zunächst ein Widerspruch zur – inneren Reichtum der Transzendenz vermittelnden – ekklesiologischen Grundlegung. Um dem Interesse einer Konkordanz zu folgen, orientierte Gratian (359–383) sich am Römischen Recht, der Theologie und den septem artes liberales. Doch sollte es erst im 20. Jahrhundert zu einer umfassenden Synthese kommen. Demgegenüber führte der Einfluß des Christentums auf das Römische Recht bereits in der frühen Kirche zu Milderungen im staatlichen Recht. Dem ersten Toleranzedikt des Galerius zugunsten des Christentums 311 folgte das Mailänder Abkommen 313, mit dem das Christentum im Römischen Reich erstmals eine Gleichstellung mit den anderen Reichsreligionen sowie die Gemeinden Rechtsfähigkeit erlangte. Es folgte die Konstantinische Wende. Diese mündete mit dem im Jahr 380 ergangenen Edikt Cunctos populos in der Erklärung des Christentums als Staatsreligion und in der Übernahme zahlreicher Staatsaufgaben durch die Kirche. Das Konstantinische Zeitalter, gekennzeichnet durch eine enge Verbindung von Kirche und Staat, von Christentum und Reich, strahlte bis in das 20. Jahrhundert aus.53 Die enge Verbindung von Christentum und Reich ermöglichte die Abschaffung des ius vitae necisque. Die hierachisch verfasste Kirche identifizierte sich zwar mit den familiären Herrschaftsverhältnissen römischrecht lichen Ursprungs, dies allerdings mit der Einschränkung der Unverfügbarkeit des kindlichen Lebens. Ein eigenes Recht des Kindes hatten die Römer noch nicht normiert, was sich auch aus dem auf den paterfamilias als Rechtsträger bezogenen Terminus des ius vitae ableiten lässt. Die im Römischen Recht festgelegten Altersgrenzen für das gestufte Erreichen der Mündigkeit wurden vom Kirchenrecht weitgehend übernommen. Ausgehend von der Differenzierung in Mündige, puberes, und Unmündige, impuberes, wurden letztere noch in infantes, denen es nach dem Grundsatz qui fari non potest noch an der Sprechfähigkeit mangelte, und infanti proximi, deren Verstandeskraft jener der infanti entsprach, die jedoch bereits über Sprachkenntnisse verfügten, sowie die impuberes infantia maiores unterteilt.54 Für das Erreichen der allgemeinen Mündigkeit bürgerte sich im Römischen Recht das vierzehnte Lebensjahr für Knaben und das zwölfte Lebensjahr für Mädchen ein.55 52 Thier,
Ecclesia vivit lege Romana, Sp. 1176–1177. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 16–18. 54 Knothe, Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen in geschichtlicher Entwicklung, S. 7. 55 Ibid., S. 27. 53 Link,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Von außerordentlicher themenspezifischer Relevanz und für das Verständnis der kanonischen Regelung des Elternkindverhältnisses entscheidend ist die Betrachung des romanistischen Familienbegriffes. Der Terminus der fa milia hatte im römischen Zivilrecht unterschiedliche Bedeutungen. Ursprünglich wurde er dem Vermögensrecht zugeordnet.56 In diesem Kontext umschrieb familia das gesamte Hauswesen und bildete so den „Inbegriff der den Grundstock der römischen Wirtschaft bildenden Sachen, der res mancipi.“57 Est später wurde der Ausdruck des Hauses im sachlichen Sinn auf den Ausdruck des Hauses im personenrechtlichen Sinn, also auf die Agnatenfamilie und somit alle durch die patria potestas verbundenen Personen, übertragen. In weiterer Folge machte der römische Kaiser Justinian (482–527) die Kognation, die Blutsverwandtschaft, und damit das natürliche im Gegensatz zum rechtlichen Verhältnis zur Grundlage der familia.58 Die Einordnung des Kindes als Rechtsobjekt fand im Römischen Recht besonders bei der Adoption expliziten Ausdruck. Die Zustimmung des Kindes war unbeachtlich.59 Das bis Justinian in Geltung stehende Rechtsinstitut der noxae datio berechtigte und verpflichtete den paterfamilias zur Herausgabe des Hauskindes infolge dessen Begehung eines Deliktes durch manci patio. Die auf dem Unterordnungsverhältnis zwischen Vater und Kind beruhende Zwangsgewalt begründete nach altem Römischem Zivilrecht die vindi catio in patriam potestam oder filii vindicatio für den Fall, dass ein Dritter das Kind in seiner Gewalt hatte. Später wurde das prätorische Rechtmittel des interdictum de liberis exhibendis angewendet, um die Herausgabe des Kindes zu erwirken. Unter dem Einfluss des Christentums wurde die bis zur Verfügung über Leben und Tod reichende väterliche Gewalt in der Kaiserzeit auf das Recht zur Züchtigung und zur Erziehung beschränkt. Die bereits durch Kaiser Konstantin (270–337) eingeführte Erwerbsfähigkeit des Kindes war im justinianischen Reich nur noch durch die Unfähigkeit beschränkt, vom Vater, ex re patris, zu erwerben. Was der Vater dem Kind übergab, blieb im Eigentum des Vaters.60 Ab Justinian erlosch die patria potestas mit dem Tod des Vaters, oder wenn der Haussohn die Bischofswürde oder jene eines patricius, eines Vertrauten des Kaisers, erlangte. Außerdem konnte ein Hauskind durch das Rechtsgeschäft der Emanzipation den Status sui iuris, also eine eigene Rechtsfähigkeit, erwerben. Die Emanzipation bewirkte das Ausscheiden aus bisheriger Agnationsverwandtschaft. Zivilrechtlich wurde das 56 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 24, 25. 57 Sohm, Institutionen, Geschichte und System des römischen Privatrechts, S. 500. 58 Ibid., S. 501. 59 Ibid., S. 530. 60 Ibid., S. 533.
III. Der Einfluss des Römischen Rechts91
Kind damit „verwandtenlos.“61 Auf der in die lateinische, christliche Welt übernommenen „Ausdehnung der paterna potestas“ basierte auch die frühere Ansicht über die absolute Verbindlichkeit der Oblation. Erst der spätere Einfluss des germanischen Rechts bewirkte eine freiere Anschauung, die im themenspezifischen Kontext schließlich auch im Kirchenrecht partiell Niederschlag fand.62 Auch die Einordnung der familienrechtlichen Beziehungen im dritten Buch des CIC 1917, De rebus, ist in der starken Verwurzelung des Römischen Familienrechts im Vermögensrecht begründet. Indizien dafür finden sich insbesondere im kanonischen Eherecht. Neben der conferratio als sakraler Form der Eheschließung existierte in römischen Recht die coemtio als Brautkauf in Form der Manzipation. Bei Vorliegen eines Formverstoßes kam dem einjährigen Bestehen der Lebensgemeinschaft heilende Kraft zu. Diesem Erwerb der eheherrlichen manus durch usu, den Gebrauch der Ehe ohne förmliches Rechtsgeschäft der Eheschließung, liegt der Gedanke der vermögensrechtlichen usucapio, der Ersitzung, zugrunde.63 Der formale Vertragscharakter der kanonischen Eheschließung wurde durch das Römische Recht beeinflusst: „Nuptias non concubitus, sed consensus facit.“64 Die Kirche fügte dem consensus allerdings das Attribut der Unwiderruflichkeit hinzu. Zudem widersprach die Kirche der im Römischen Recht erlaubten und als nicht beschränkbar erklärten Ehescheidung.65 Die Basis für die Verbindlichkeit des in den Digesten Justinians enthaltenen Grundsatzes consensus facit nuptias fand in die Kirche nicht im Wege eines Pragmatismus, sondern in einer die Sakramentalität einschließenden Gesamtschau Eingang. Die Kompetenz für das gesamte persönliche Eherecht sollte der Kirche bis in die Neuzeit unbenommen bleiben. In seiner „glänzenden formalen Durchbildung durch die Wissenschaft stand das klassische kanonische Recht des Corpus Iuris Canonici dem Römischen Recht ebenbürtig zur Seite und beider Fortbildung erfolgte in steter Wechselwirkung; beide bildeten gemeinsam die gelehrten Rechte des Mittelalters.“66 Darüber hinaus vermittelte das kirchliche Recht Implikationen gegenüber dem weltlichen Kontext. In einigen Bereichen wurde es für dieses zu einer wichtigen Quelle. Die Prägewirkung der christlichen Grundsätze des Verbots 61 Ibid.,
S. 534, 535. Oblati – Oblatae, http://www.kathenzyklo.bplaced.net/artikel.php? artikel=oblati_oblatae (05. 12. 2013). 63 Sohm, Institutionen, Geschichte und System des römischen Privatrechts, S. 504. 64 Dig., 35.1.15; 50.17.30. 65 Codex Iustinianus VIII, 38, 2 (Krueger), http://www.droitromain.upmf-gre noble.fr/Corpus/codjust.html (Stand 15. 10. 2013). 66 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 41. 62 Huonder,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
der Abtreibung und der Kindestötung sowie der Unwiderruflichkeit des Ehekonsenses sollten die weltlichen Kodifikationen des Abendlandes bis in die Gegenwart beeinflussen.67 Die klassischen römischen Juristen standen unter dem Einfluss der stoischen Philosophie.68 Erst mit den Kommentatoren drang die Methode der Scholastik in die Rechtswissenschaft ein. Kennzeichen dieser ist das „in der Vernunft gefundene Prinzip.“ Die „logische Schlussfolgerung“ wird der Erfahrung und Beobachtung vorgezogen.69 Spuren dieser Entwicklung reichen bis in die gegenwärtigen normativen Grundlegungen der Erziehung und der Bildung. Christliche Bildung und Erziehung darf sich ihrem wesenseigenen Auftrag entsprechend nicht in der Weitergabe von vernunftmäßig abstrahierten Inhalten erschöpfen. Vielmehr hat das zu erziehende Kind ein Recht auf interaktive, dialektische Auseinandersetzung. Der Empirie ist Raum zu gewähren. Die juristische Relevanz liegt im Paradoxon des Pendants zwischen der normativen Unfassbarkeit religiöser und weltanschaulicher Inhalte und dem Postulat einer normativen Festschreibung eines deren Vermittlung und Betätigung garantierenden Rahmens.
IV. Zur Entstehung kollektiver Bildungseinrichtungen Die ersten Wurzeln kollektiver Bildungseinrichtungen des abendländischen Kulturkreises finden sich in den Klöstern mit dem Ziel der Hinführung der Kinderoblaten, der pueri oblati, zum späteren Leben in der Gemeinschaft der Mönche.70 Das Mönchstum wurde erst durch das Konzil von Chalcedon im Jahr 451 in die kirchliche Verfassungsordnung eingebunden. Besondere Prägekraft für das abendländische Mönchstum entfaltete Benedikt von Nursia (480–547) mit der Gründung des Benediktinerordens. Die Regula Sancti Benedicti wurde zum Leitbild abendländischer Ordensregeln. Mit der Gründung zahlreicher Benediktinerklöster entstanden bedeutsame Bildungszentren mit weitreichender Ausstrahlung.71 An die urspründliche Ausrichtung der klösterlichen, religiösen Erziehung auf die Ausbildung der Mönche72 knüpfte sich das allgemeine, etwa bereits von der Synode von Mainz 813 ausgehende Postulat einer Glaubensunterweisung der Kinder im Rahmen einer Hauskir67 Strätz,
Ehe, Sp. 475, 476. Institutionen, Geschichte und System des römischen Privatrechts, S. 91. 69 Ibid., S. 147. 70 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 54. 71 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 24, 25. 72 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 54. 68 Sohm,
IV. Zur Entstehung kollektiver Bildungseinrichtungen93
che. Dieses fand über einen langen Zeitraum kaum Entsprechung und Angebot.73 Dessen ungeachtet geht die Einrichtung der ersten schulischen Bildungseinrichtungen auf die Initiative der Kirche zurück und dienten auch diese zunächst der Ausbildung des eigenen Nachwuchses für den Stand des Weltklerus und des Ordens. Der Religionsunterricht war in die gesamte Ausbildung integriert und bildete zunächst kein explizites Fach. Im 8. und 9. Jahrhundert wurden die ersten Pfarrschulen errichtet. Karl der Große (747/748– 814) gehörte zu einem der bedeutendsten Förderer der Bildung.74 Neben der Pfarrkatechese und der Hauskirche, der ecclesia domestica, wurde die subsidiäre Bedeutung der schulischen Bildung und Erziehung zunehmend erkannt.75 Die ältesten Schulen waren Dom- und Klosterschulen. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts errichtete etwa der Bischof und Benediktinerabt Rupert von Salzburg eine Klosterschule. Die Schultradition entwickelte sich nicht kontinuierlich und es kam immer wieder zu Stagnationen. Die Theologie als Wissenschaft nahm in französischen Dom- und Klosterschulen im 11. und 12. Jahrhundert ihren Anfang und ging aus der nicht wissenschaftlich verfassten Theologie unter anderem des mittelalterlichen Mönchstums hervor.76 Mit dem Übergang der theologischen Bildung von den Dom- und Klosterschulen zu den Universitäten entwickelte sich die Scholastik als eigene Schultheologie.77 Bis ins 13. Jahrhundert blieb die katholische Bildung im Wesentlichen auf die Ausbildung von Klerikern und Ordensangehörigen ausgerichtet. Das durch die ersten Dom- und Klosterschulen vermittelte Bildungsniveau war eher niedrig. Erst mit dem Aufkommen der jesuitischen Bildungstradition kam es allmählich zu einem bildungsmäßigen Aufschwung. Die Klosterschulen wurden schließlich weitgehend nach dem durch die Jesuiten vermittelten Vorbild organisiert. Konzeptionelle Ausgestaltungen einer allgemeinen katechetischen Unterweisung folgten den Beschlüssen des Konzil von Trient (1545–1563).78 Die Reform der Katechese und des Bildungswesens bildete eines der wich tigsten Themen des Konzils. Die Kirche förderte den tridentinisch geprägten Katholizismus im Wege der Förderung von Ordensneugründungen.79 Im 73 Ibid.
74 Schmidt,
Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 12. Der Religionsunterricht als Relikt des Schulmonopols der Katholischen Kirche, S. 39 (56). 76 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 176. 77 Ibid. 78 Putzer, Der Religionsunterricht in den letzten Jahrzehnten der Monarchie und in der Ersten Republik, S. 61 (62). 79 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 75. 75 Rinnerthaler,
94
C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Jahr 1540 wurden zum Beispiel die Jesuiten gegründet. Durch die Errichtung von Ordensschulen erreichten die Orden beachtlichen Einfluss hinsichtlich der Verbreitung des katholischen Glaubensgutes. Die ältsten Schulen Österreichs gehen auf Gründungen der Benediktiner und der Chorherren zurück.80 Die Beschlüsse des tridentinischen Konzils fanden in Österreich ihren ersten Niederschlag auf der Salzburger Reform synode 1569. Erstmals wurde eine konkrete Schulorganisation beschlossen.81 Auf dieser Provinzialsynode wurden zudem Richtlinien für die religiöse Unterweisung der Jugendlichen sowie für die Vermittlung profanen Wissens festgelegt.82 Lange vor der Einführung eines expliziten Religionsunterrichts im weltlichen Recht sprachen die Salzburger Synoden von der auf eine religiöse Unterweisung der Kinder und Jugendlichen bezogenen „katholischen Glaubenslehre.“83 Verschiedene landesherrlische Regelungen verhinderten zunächst eine Verbreitung der tridentinischen Grundsätze im Bildungswesen im übrigen Österreich. 1594 und 1613 kam es durch die Salzburger Erzbischöfe Wolf Dietrich von Raitenau (1559–1617) und Markus Sittikus von Hohenems (1574–1619) zu einer Fortsetzung dieser synodalen Festlegungen. Der sittlich-religiösen Erziehung wurde im Fächerkanon der erste Rang eingeräumt.84 Das pädagogische Konzept der durch die Salzburger Synoden konzipierten Form der religiösen Unterweisung stammte von einem Laien, Johann Baptist Fickler (1533–1610).85 Fickler plädierte für die „Dreiheit von litterae, mores und pietas“, das heißt von „Wissen, Befolgung der Gebote und geistlichem Leben“, oder, biblisch ausgedrückt, von „Weg, Wahrheit und Leben“.86 In der Zeit der Reformation besann sich die Kirche explizit auf das Erfordernis, elterliches Unvermögen in der katechetischen Unterweisung durch die Schule zu ergänzen. Diesem Vorhaben trug sie bei der Umsetzung der tridentinischen Beschlüsse durch die Salzburger Synode von 1569 Rechnung.87 Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert entwickelten sich vielfältige Bildungseinrichtungen. Im Zuge der Reformation entstanden die ersten konfessionellen Schulen. Mit der zunehmenden Säkularisierung des Bildungssystems entstand ein Kontrollbedürfnis der Kirche hinsichtlich der religiösen Unter80 Schmidt,
Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 10. S. 22. 82 Lentner, Die religiöse Unterweisung in der Reformationszeit, S. 46 (47). 83 Winkler, Nachtridentinische Schulreform, S. 25 (33). 84 Schmidt, Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 24. 85 Winkler, Nachtridentinische Schulreform, S. 27. 86 Ibid., S. 28; vgl. Joh. 14, 6. 87 Rinnerthaler, Der Religionsunterricht als Relikt des Schulmonopols der Katholischen Kirche, S. 56. 81 Ibid.,
IV. Zur Entstehung kollektiver Bildungseinrichtungen95
weisung.88 Seit dem 13. Jahrhundert kam es neben den Klosterschulen auch zur Errichtung von Schulen durch die Gemeinden, die meist in enger Verbindung zur Kirche standen. Bereits seit dieser Zeit bildete die Bestellung des Schulmeisters ein Kampfobjekt zwischen dem jeweiligen Landesherrn, der Gemeinde und der Kirche.89 Im 14. Jahrhundert wurden auch die ersten staatlichen Universitäten – so in Wien im Jahr 1365 und in Prag im Jahr 1368 – gegründet. Die juristische Ausbildung beschränkte sich zunächst auf das kanonische Recht. Erst Ende des 15. Jahrhunderts wurde in Wien auch ziviles Recht gelehrt.90 Die Ausrichtung der Universitäten prägte die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung mit einer entsprechenden Auswirkung auf die inhaltliche und konzeptionelle Gestaltung des Schulunterrichts. Ungeachtet der vielseits initiierten Gründungen von Schulen bildete die Predigt noch im 16. Jahrhundert das zentrale Element der religiösen Unterweisung seitens der Kirche.91 Konsequente Bestrebungen zur Förderung der Jugendkatechese gingen von den Jesuiten aus. Karl Borromäus (1538–1584) forcierte diese Ansätze und ließ Kinder wie Eltern in den „Schulen des christlichen Unterrichts“ versammeln. Das Konzil von Trient griff diese Bestrebungen auf. Auf der Grundlage des tridentinischen Reformdekrets verfasste Karl Borromäus schließlich konkrete Anweisungen für die katechetische Unterweisung durch den Klerus, deren Geltung in Österreich bis ins 18. Jahrhundert reichte und sich in sämtlichen Handreichungen für die pastorale Arbeit fand.92 Die religiöse Belehrung durch den Klerus sollte nach Karl Borromäus vor allem die Erklärung der Heiligen Messe wie die Ermahnung der Eltern, die Kinder im christlichen Glauben zu erziehen, umfassen: „Monete praeterea sedulo ac frequentissime patres et matres familias, ut liberos, familiamque suam ad pietatis Christianarumque virtutum, disciplinam religiose instituant.“93 Mit der Einrichtung der Kinderlehre eine dauernde und alle Kreise erfassende Wirkung geschaffen zu haben, ist das Verdienst der Jesuiten. Ein eigener Catechista wurde für die katechetische Unterweisung abgestellt, die für die Jüngeren auf der Grundlage des Katechismus des Petrus Canisius vorgenommen wurde.94 Mit dem Katechismus des ersten niederländischen Jesuiten 88 Künzel, Die „missio canonica“ für Religionslehrerinnen und Religionslehrer, S. 5, 6. 89 Strakosch-Graßmann, Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens, S. 4, 5. 90 Rainer, Das Römische Recht in Europa, S. 120. 91 Lentner, Die religiöse Unterweisung in der Reformationszeit, S. 110. 92 Ibid. 93 Ibid., S. 113. 94 Ibid., S. 122.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
und Vorläufers der Gegenreformation, Petrus Canisius, lag erstmals ein über die Jahrhunderte Geltung und Verwendung findendes Buch für die religiöse Unterweisung vor.95 Dass Papst Paul IV. die Schriften des Erasmus von Rotterdam auf den Index der verbotenen Bücher setzte, irritierte Petrus Canisius, der diese als wertvollen Lesestoff für die Schulen erachtete.96 Die jesuitisch geprägte und öffentlich geführte Katechese blieb von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Einführung der expliziten religiösen Unterweisung in der Schule, die erst später als Religionsunterricht bezeichnet wurde, bestehen.97 Ordensgemeinschaften, die sich die konsequente religiöse Unterweisung außerhalb der Schule zum Ziel gesetzt hatten, wie die Congregatio Patrum doctrinae christianae 1592 in Avignon, wurden in Österreich und Deutschland nicht gegründet.98 Als Mittel zur Erfüllung ihrer Erziehungsaufgaben nahmen die Gründer von Orden und Kongregationen die Gründung und Erhaltung von katholischen Schulen vielfach in ihren Stiftungszweck auf.99 Zu den wichtigen Schulorden der Gegenreformation gehörten neben den Jesuiten etwa die Piaristen, die Ursulinen sowie die Englischen Fräulein.100 Insbesondere die Jesuiten forcierten die religiöse Unterweisung im 16. Jahrhundert.101 Unter der Federführung der Piaristen entwickelte sich die deutsche Schule zur Volksschule.102 Bedingt durch die Reformation wurden im 16. Jahrhundert viele Klosterschulen geschlossen.103 Unter maßgeblichen Einfluß der Jesuiten wurden die überkommenen Lateinschulen zur Zeit der Gegenreformation in Gymnasien umgeformt.104 Dennoch führte die Gegenreformation Anfang des 18. Jahrhunderts zu einer tendentiellen Senkung des Bildungsniveaus.105 Im aufgeklärten Absolutismus wurde der Einfluß des Jesuitenordens eingeengt. Schließlich kam es zur gänzlichen Aufhebung des Ordens. Fortan beinflussten zahlreiche Männer aus dem Bereich der Staatsverwaltung, etwa der Leibarzt Maria Theresias, Gerhard van Swieten (1700–1772), Wentzel Anton Fürst Kaunitz (1711–1794), Karl Anton von Martini (1726–1800), der radikale Gottfried van Swieten der 95 Ibid.,
S. 147. Nachtridentinische Schulreform, S. 29. 97 Lentner, Die religiöse Unterweisung in der Reformationszeit, S. 125. 98 Ibid., S. 127. 99 Katzinger, Die Privatschule als Ausformung des aus dem Elternrecht abgeleiteten Erziehungsanspruchs im kanonischen Recht, S. 269 (283). 100 Schmidt, Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 25. 101 Lentner, Die religiöse Unterweisung in der Reformationszeit, S. 120. 102 Schmidt, Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 26. 103 Ibid., S. 21. 104 Strakosch-Graßmann, Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens, S. 63. 105 Ibid., S. 83. 96 Winkler,
IV. Zur Entstehung kollektiver Bildungseinrichtungen97
Jüngere (1733–1803), sowie Professoren der Rechtswissenschaften das Unterrichtswesen.106 Die heute noch bestehenden benediktinischen Gymnasien Kremsmünster, Melk und Seitenstätten haben mit der althergebrachten Schultradition nur mehr wenig gemein und gehen großteils auf landesfürstliche Verfügungen zur Zeit Maria Theresias zurück.107 Erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht bildete sich eine die religiöse Erziehung beziehungsweise Bildung vermittelnde Schnittstelle zwischen Kirche und Staat heraus.108 Papst Leo XIII. unternahm einen neuer lichen Vorstoß in Richtung der katholischen öffentlichen Schule.109 Der c. 1372 des CIC von 1917 betonte die Idealform der katholischen Schule. Im c. 1374 CIC 1917 wurde ausgesprochen, dass der Besuch neutraler Schulen bestenfalls geduldet werden könne. Pius XI. schloss sich ausdrücklich den Erklärungen seiner Vorgänger Papst Pius IX. und Papst Leo XIII. an und bekräftigte das für katholische Kinder geltende Verbot des Besuchs von weltlichen oder Simultanschulen.110 Die Forderung nach der Gründungsfreiheit kirchlicher Schulen ohne finanzielle Zugangshürden ersetzte schließlich das vorherige Streben nach staatlichen Bekenntnisschulen.111 Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Wiederbelebung der mittelalterlischen Scholastik. Im Wege der rationalen Begründung kirchlicher Dogmen, dem Versuch der Versöhnung von Glauben und Wissen, von Religion und Wissenschaft, bildete die Neuscholastik den Gegenpol zu „progressiv-sozialphilosophischen“ Ideen, insbesondere gegen den philosophischen Materialismus und den „wissenschaftlichen“ Atheismus, die in Form des Modernismus auch in die Kirche eingedrungen waren. Diese nicht konsequent in der scholastischen Tradition des Thomas von Aquin vollzogene Entwicklung pervertierte nach Wilhelm Rees das naturgegebene Wesen der Erziehung als Mittel zur Hinführung zu einem selbstbestimmten, verantwortungsvollen Umgang mit der persönlichen Freiheit. Die zeugnishafte Vermittlung von Glaubensinhalten trat hinter die vernunftgeleitete Argumentation zurück.112 Dabei mangelt es am vermeintlichen Wider106 Ibid.,
S. 84, 85. S. 2. 108 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 85. 109 Leo XIII., Enzyklika Quod multum, 22. August 1886, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, I (1976) 358 (II, Rz. 286). 110 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX, Rz. 100. 111 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 233. 112 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 62. 107 Ibid.,
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spruch zwischen scholastischem Ansatz und Selbstbestimmung, zumal vielmehr zugestanden werden muss, dass auch ein Glaubenszeugnis als Ausfluss einer persönlichen Erfahrung prinzipiell einer rationalen Einschätzung zugänglich ist. Mit einem Hinweis auf die Elternwahlschule in Frankreich und Deutschland sowie auf die Festlegungen der Europäischen Menschenrechtskonven tion begründeten die österreichischen Bischöfe in einem Hirtenbrief von 1952 das Postulat der Schule der freien Elternwahl und sprachen sich damit dezidiert für das primäre Recht der Eltern für die Bestimmung der Erziehung und Bildung ihrer Kinder aus.113 Die entscheidende Wende brachten jedoch erst das Zweite Vatikanische Konzil und der darauf aufbauende neue Kodex von 1983.
V. Zur Entwicklung der kanonischen Rechtsgrundlagen im Mittelalter Im Mittelalter kam es zur ersten normativen Grundlegung des Kirchenrechts. Ausgehend vom Benediktinerkloster Cluny in Frankreich kämpfte die Kirche zum Ende des ersten Jahrtausends um ihre Freiheit und Eigenständigkeit. Diese Bestrebungen erreichten ihren Höhepunkt unter dem von 1073 bis 1085 dauernden Pontifikat Gregor VI., der selbst aus dem Kloster Cluny stammte. Die Klosterreform führte zu einer Kirchenreform. Dem benediktinischen Geist folgend sollte die Kirche nicht weltlicher Macht unterworfen sein.114 Der von der Kirche propagierte allumfassende Machtanspruch gründete im frühen Mittelalter allein auf der christlichen Botschaft des ewigen Heils.115 Ein in Assoziation zu bringender Begriff der Freiheit als Ausgangspunkt einer optionalen Hinwendung zu Christus und ein gleichzeitig bezeichnendes Attribut Seiner Königsherrschaft, aus der die Kirche ihren Status in der Welt ableitet, wurde vollkommen ausgeklammert. Auch im Frühmittelalter lag die religiöse Erziehung – abgesehen von der mönchischen Ausbildung der pueri oblati – vorwiegend in den Händen der Eltern. Des Weiteren sahen sich die Paten mit einem expliziten, katechetischen Auftrag konfrontiert. Die Zulassung zum Patenamt war an die Kenntnis der Grundgebete der Kirche gebunden.116 Lange Zeit war die Glaubensunterweisung durch den Mangel einer katechetischen Methode gekennzeich113 Schmidt,
Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 165. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 30, 31. 115 Ibid., S. 31. 116 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 50. 114 Link,
V. Zur Entwicklung der kanonischen Rechtsgrundlagen im Mittelalter 99
net. Aufbauend auf den Werken des Petrus Abaelardus (1079–1142) entstand schließlich die Scholastik. Kennzeichen dieser Methode ist die Voranstellung einer Behauptung. Sodann werden dieser gegenüber angemerkte Zweifel untersucht. Die daraus resultierende Erkenntnis wird nochmals im Hinblick auf allfällige Einwände überprüft, woraus schließlich eine fundierte Lösung resultiert.117 Vor dem Hintergrund der kulturgeschichtlichen Entwicklung unserer abendländischen Zivilisation kann die Methode der Scholastik als Prototyp für die Grundlage einer modernen Erziehung angesehen werden, zumal sie es in einmaliger Weise versteht, die einerseits notwendige Vermittlung von Inhalten, Regeln und Werten mit der andererseits begegnenden individuellen Freiheit der Person in Einklang zu bringen. Im 11. Jahrhundert kam es zur großen Gregorianischen Reform durch Papst Gregor VII. (1025/1030–1085), die zunächst in einer Sichtung und Prüfung der Authentizität der vorhandenen Rechtstexte bestand. Es folgte die prägratianische Kanonistik mit den durch Ivo von Chartres, Alger von Lüttich und Petrus Abaelardus angefertigten Collectiones. Im Zuge des Investiturstreits (1076–1122) gelang dem französischen Bischof Ivo von Chartres der Kompromiss einer Trennung von göttlichem und menschlichem Kirchenrecht. Diese Unterscheidung von ius divinum und ius humanum ecclesiasti cum bildet bis in die Gegenwart die Basis des römisch-katholischen Kirchenrechts.118 Erst mit dem Wormser Konkordat unter Calixtus II. (1065/68–1124) kam es 1122 zu einer formalen Kompromisslösung. Damit gingen auch die Beförderung der Säkularisierung weltlicher Herrschaft und die vorbereitenden Weichenstellungen für eine Trennung von Kirche und Staat einher.119 Erst in der Folge kam es zur Isolierung der klassischen Kanonistik gegenüber dem weltlichen Recht. Der Kamaldulensermönch Johannes Gratian (1110– 1160) verfasste eine umfassende Sammlung von Rechtstexten und Kommentaren, das Decretum Gratiani, von Gratian selbst als Concordia discordantium canonum bezeichnet. In der folgenden Dekretistik wurden die Kompendien Gratians verfielfältigt und kommentiert. Hiervon sahen sich die folgenden Päpste Alexander III. (1100/1105–1181) im Zuge des dritten Laterankonzils 1179, sowie Innozenz III. (1160/61–1216) im Zuge des vierten Laterankonzils 1215 zu weiterer, umfangreicher Gesetzgebung inspiriert. Den Succus dieser Entwicklung bildeten die Decretales extravagentes extra decretum gratiani vangantur. Sonach folgten Zusammenfassungen, die Compilationes: Der Liber Extra von Gregor IX. und seinem Kaplan Raimund von Penaforte (um 1175–1275), der Liber Sextus von Bonifaz VIII. (1235–1303), sowie die Clementinae Clemens V.’ (1250/65–1315) und Johannes XXII.’ (1245/49– 117 Rainer,
Das Römische Recht in Europa, S. 69. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 33, 34. 119 Ibid., S. 34, 35. 118 Link,
100
C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
1335). Schließlich folgten 1317 die Extravagantes Johannes’ XXII.’. Den in der Bulle Quoniam nulla publizierten Clementinen Clemens V.’ als letzter amtlicher Sammlung folgten die Extravaganten als Zusammenfassung danach ergangener bedeutsamer Dekretalen. Sie bestehen aus den Extravagantes Iohannis XXII.’ und den Extravagentes Communes. Das vierte Buch zum Eherecht in der letztgenannten Sammlung blieb mangels Vorhandensein ohne Inhalt.120 Zwischen 1140 und 1325 wurde die Vielfalt der überkommenen, kirchlichen Rechtssammlungen zum Corpus Juris Canonici zusammengefasst. Die Entstehung dieser Kodifikation stand unter starkem Einfluss der zeitgenössischen Scholastiker, allen voran von Thomas von Aquin. Die Scholastik bemühte sich um eine Gegenüberstellung von christlicher Lehre und menschlicher Ratio. Das Streben galt der Erschließung des Glaubensgutes durch Vernunft und entfaltete seine Prägekraft für die gesamte Kirchenrechtswissenschaft mit Auswirkungen bis in die Gegenwart.121 Päpstliche Entscheidungen ab dem 12. Jahrhundert schränkten das Institut der benediktinischen Kinderoblaten immer mehr ein. Mit dem 16. Jahrhundert endete der Usus der Übernahme von pueri oblati zu Erziehung in ein Kloster.122 Das Vierte Laterankonzil 1215 unter Innozenz III. (1160/61–1216) verpflichtete Priester zur Glaubensunterweisung. In Ausführung der Beschlüsse des Laterankonzils dehnten zahlreiche regionale Synoden die Verpflichtung des Klerus auf die katechetische Unterweisung der Kinder aus, sofern diese das siebente Lebensjahr erreicht hatten, ab dem vom der Erlangung des Vernunftgebrauches ausgegangen wurde. Als bedeutendstes Konzil des Mittelalters legte das Vierte Laterankonzil zudem den Beginn der Kommunion- und Beichtpflicht mit dem Eintritt der Jahre der Unterscheidung, den anni descretionis, fest.123 Bei Papst Gregor IX. (1167–1241) findet sich die von Ivo von Chartres übernommene Forderung an die Priester, die Eltern zur Mitnahme der Kinder in die Kirche zu ermahmen: „Ut quisque presbyter, qui plebem regit, clericum habeat, qui secum cantet et epistolam et lectionem legat, et qui possit scholas tenere, et admonere suos parochianos, ut filios suos ad fidem discendam mittant ad ecclesiam, quos ipse cum omni castitate erudiat.“124 120 Ibid.,
S. 39, 40. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 36. 122 Geschichte des benediktinischen Oblatentums, http://www.benediktineroblaten. de/geschichte/html (abgefragt am 03. 07. 2014). 123 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 100. 124 Gregor IX., Liber Extra, http://www.hs-augsburg.de/~Harsch/Chronologia/ Lspost13/GregoriusIX/gre_3t01.html (Stand 11. 08. 2004), Lib. III. Tit. I, Cap. 3. 121 Link,
VI. Zu den themenspezifischen Grundlegungen des Thomas von Aquin 101
Obwohl das Decretum Gratiani nie approbiert wurde und eine reine Privat arbeit darstellt, erlangte es umfassende Geltung in Europa und entwickelte sich daraus eine der Legistik gleichwertig gegenüberstehende Kanonistik.125 Nach dem gratianischen Dekret (1234) hatte die Oblation „absolut bindende Kraft“. Mit der Oblation erwarb der Oblate die Stellung eines wirklichen Religiosen. Mit dem Verlassen des Klosters galt der Oblate „als Apostat und ward mit ewiger Infamie gebrandmarkt.“126
VI. Zu den themenspezifischen Grundlegungen des Thomas von Aquin Die educatio liberorum, die Erziehung der Kinder, gehört für Thomas von Aquin (1225–1274) zu den grundlegenden Materien des Naturrechts: „(…) primum est proles suscipienda et educanda ad cultum Dei.“127 Für die Kinder verwendet er nicht in jedem Kontext denselben Begriff. Mit Blick auf den Inhalt und in der thematischen Zusammenschau spricht er von der Nachkommenschaft, den proles, die Erziehung per se verknüpft er mit einem Wort, das gleichsam für die Inkarnation der Freiheit steht und unter einem programmatischen Charakter aufweist: liberi. Die Erziehung steht für den Aquinaten somit unter der Prämisse einer Hinführung zur Freiheit. Der wichtigste Vertreter der Scholastik verstand es auf einzigartige Weise, die Nikomachische Ethik des Aristoteles mit den grundlegenden Parametern des Christentums zu verknüpfen und für die Konzeption kanonischer Grundlegungen zugänglich zu machen. Im gesamten themenspezifischen Kontext des Kindes und seiner religiösen Kindererziehung kommt es zu einem besonderen Zusammentreffen der vertikalen, transzendenten und der horizontalen, diesseitigen Bezugspunkte. Die gegenständliche Konzentration dieser Besonderheit macht den thomistischen Ansatz zu einer die Zeiten überdauernden Interpretationquelle, auf die die Kirche auch heute noch zurückgreift: „Inest enim primo inclinatio homini ad bonum secundum naturam in qua communicat cum omnibus substantiis, prout scilicet quaelibet substantia appetit conservationem sui esse secundum suam naturam. Et secundum hanc inclinationem, pertinent ad legem naturalem ea per quae vita hominis conservatur, et contrarium impeditur. Secundo inest homini inclinatio ad aliqua magis specialia, secundum naturam in qua communicat cum ceteris animalibus. Et secundum hoc, dicuntur ea esse de 125 Link,
126 Seidl,
Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 37. Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern,
S. 172, 173. 127 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Prima pars Secundae Partis, q. 102, a. 1 c.; vgl. Alarcón, Thomas de Aquino, De articulis Fidei et Ecclesiae sacramentis ad archiepiscopum Panormitanum Pars II, http://www.corpusthomisticum.org/oss. html (Stand 29. 03. 2011).
102
C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
lege naturali quae natura omnia animalia docuit, ut est coniunctio maris et feminae, et educatio liberorum, et similia.“ („Im Menschen also findet sich zuerst die Hinneigung zum Guten, wie in allen Substanzen dies kraft der Natur der Fall ist; insofern nämlich jedes Ding strebt nach der Erhaltung seines Seins gemäß der Natur desselben. Und danach gehört zum Naturgesetze Alles, wodurch das Leben des Menschen bewahrt und das Gegenteilige abgewehrt wird. Dann findet sich im Menschen die Hinneigung zu besonderen Gütern, in welchen er kraft der Natur Gemeinschaft hat mit den anderen sinnbegabten Wesen. Und danach ist zum Naturgesetze gehörig Alles, was die Natur den anderen sinnbegabten Wesen lehrte: die Verbindung von männlich und weiblich, die Erziehung der Kinder und Ähn liches.“)128
Thomas von Aquin betont die mit dem Hervorbringen von Kindern unmittelbar verbundene Verpflichtung zur Erziehung: „Non enim, – docet Angelicus – intendit natura solum generationem prolis, sed etiam traductionem et promotionem usque ad perfectum statum hominis in quantum homo est, qui est virtutis status.“ („Denn die Natur hat nicht nur die Erzeugung der Nachkommenschaft zum Ziel, sondern auch ihre Entwicklung und ihren Fortschritt bis zum Vollendungszustand des Menschen in seinem Mensch-Sein, das heißt bis zur sittlichen Vollreife.“)129
An die Feststellung der elterlichen Erziehungsverpflichtung knüpft Thomas von Aquin deren Unverletzlichkeit: „Eiusmodi autem sanctitudinem iuris sic declarat Angelicus: ‚Filius enim naturaliter est aliquid patris …: ita de iure naturali est quod filius, antequam habeat usum rationis, sit sub cura patris. Unde contra iustitiam naturalem esset, si puer, antequam habeat usum rationis, a cura parentum substrahatur, vel de eo aliquid ordinetur invitis parentibus.‘ “ („Für die Unverletzlichkeit dieses Rechts gibt Thomas als Grund an: ‚Das Kind ist nämlich von Natur aus etwas vom Vater (…) Daher entspricht es dem natürlichen Recht, daß das Kind vor dem Gebrauch der Vernunft der Sorge des Vaters untersteht. Gegen das Naturrecht wäre es daher, wenn das Kind vor dem Vernunftgebrauch der Pflege der Eltern entzogen oder wenn gegen deren Willen irgendwie über dasselbe bestimmt würde.‘ “)130
Die elterliche Erziehung erfordert ein Unterordnungsverhältnis, das sich für Thomas von Aquin aus der Natur der Dinge, respektive seiner Abstammung von den Eltern gleichsam als Tor zur Welt, ergibt. In concreto darf das Maß der Unterordnung aber nach Thomas von Aquin nur so weit reichen, als es im Sinne der Sache nötig ist. Umgekehrt proportional zum Erreichen der discretio, dem Gebrauch der Vernunft, unter dem Thomas von Aquin die 128 Aquino,
a. 2.
Thomas de, Summa Theologiae, Prima pars Secundae Partis, q. 94,
129 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX, Rz. 64, zit. nach S.Th., II-II, q. 102, a. 1. 130 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Secunda Pars Secundae Partis, q. 102 a. 1.
VI. Zu den themenspezifischen Grundlegungen des Thomas von Aquin 103
Fähigkeit zur Unterscheidung unter Hereinnahme der Komplexität einer theologischen Dimension versteht, hat das Erziehungsrecht der Eltern zurückzutreten: „Respondeo dicendum quod pueri infidelium filii aut habent usum rationis, aut non habent. Si autem habent, iam, quantum ad ea quae sunt iuris divini vel naturalis, incipiunt suae potestatis esse. Et ideo propria voluntate, invitis parentibus, possunt Baptismum suscipere, sicut et matrimonium contrahere. Et ideo tales licite moneri possunt et induci ad suscipiendum Baptismum. Si vero nondum habent usum liberi arbitrii, secundum ius naturale sunt sub cura parentum, quandiu ipsi sibi providere non possunt. Unde etiam et de pueris antiquorum dicitur quod salvabantur in fide parentum. Et ideo contra iustitiam naturalem esset si tales pueri, invitis parentibus, baptizarentur, sicut etiam si aliquis habens usum rationis baptizaretur invitus. Esset etiam periculosum taliter filios infidelium baptizare, quia de facili ad infidelitatem redirent, propter naturalem affectum ad parentes. Et ideo non habet hoc Ecclesiae consuetudo, quod filii infidelium, invitis parentibus, baptizentur.“ („Ich antworte: Haben die Kinder bereits den freien Gebrauch der Vernunft, so fangen sie an, frei kraft eigener Gewalt zu entscheiden in dem was göttliches oder natürliches Recht ist. Deshalb können sie dann, auch gegen den Willen der Eltern die Taufe empfangen, wie ebenso eine Ehe schließen. Haben sie aber noch nicht den freien Gebrauch der Vernunft, so stehen sie nach dem natürlichen Rechte unter der Obsorge der Eltern. Danach wird auch von den Kindern in der alten Zeit gesagt, sie seien gerettet worden im Glauben der Eltern. Also würde es gegen die natür liche Gerechtigkeit sein, solche Kinder gegen den Willen der Eltern zu taufen; wie es ebenso gegen die Gerechtigkeit wäre, jemanden gegen seinen Willen zu taufen. Zudem bestände für solche Kinder der Ungläubigen im gegebenen Falle die Gefahr, daß sie leicht zum Unglauben wieder zurückkehrten wegen der natürlichen Liebe zu den Eltern. Demgemäß bringt es die Gewohnheit der Kirche nicht mit sich, daß solche Kinder gegen den Willen der Eltern getauft werden.“)131
Die Aufgabe der Eltern als erste Glaubensvermittler bringt Thomas klar zum Ausdruck: „Ad tertium dicendum quod homo ordinatur ad Deum per rationem, per quam Deum cognoscere potest. Unde puer, antequam usum rationis habeat, naturali ordine ordinatur in Deum per rationem parentum, quorum curae naturaliter subiacet, et secundum eorum dispositionem sunt circa ipsum divina agenda.“ („Der Mensch wird zu Gott hingeordnet kraft der Vernunft, durch die er Gott erkennen kann. Also wird das Kind, ehe es den freien Gebrauch der Vernunft hat, zu Gott hingeordnet durch die Vernunft der Eltern, deren Obsorge es kraft der Natur untergeben ist; und sonach sind gemäß der Bestimmung der Eltern ihm göttliche Dinge mitzuteilen.“)132
Die Katechese als Mitteilung göttlicher Dinge sah Thomas von Aquin in unmittelbarem Zusammenhang mit der Taufe: „Ad secundum dicendum quod, sicut mater Ecclesia, ut supra dictum est, accommodat pueris baptizandis aliorum pedes ut veniant, et aliorum cor ut credant, ita 131 Aquino, 132 Ibid.,
Thomas de, Summa Theologiae, Tertia Pars, q. 68 a. 10 co. q. 68 a. 10 ad 3.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
etiam accommodat eis aliorum aures ut audiant, et intellectum ut per alios instruantur. Et ideo eadem ratione sunt catechizandi qua sunt baptizandi.“ („Wie die Kirche als Mutter den zu taufenden Kindern anbequemt die Füße der anderen, daß sie kommen; die Herzen der anderen, daß sie glauben; so auch die Ohren der anderen, daß sie hören und die Vernunft der anderen, damit sie die Kinder unterrichten. Also sind sie unter demselben Gesichtspunkte dem Unterrichte zugänglich wie der Taufe.“)133
Insbesondere im Zusammenhalt mit der Taufe wird deutlich, dass die discretio als Fähigkeit zur Unterscheidung nicht mit einer rationalen Kompetenz gleichgesetzt werden kann. Das hinzutretende Erfordernis der Annahme mit dem eigenen Willen impliziert die Freiheit des Glaubens. Thomas von Aquin widerlegte die Haltung des Augustinus mit dem Argument der jedem Menschen von Gott geschenkten Freiheit des Glaubens, die jeden Zwang verbiete:134 „Respondeo dicendum quod infidelium quidam sunt qui nunquam susceperunt fidem, sicut gentiles et Iudaei. Et tales nullo modo sunt ad fidem compellendi, ut ipsi credant, quia credere voluntatis est.“ („Ich antworte; Heiden und Juden, die nie den Glauben angenommen haben, sind auf keine Weise dazu zu zwingen; denn glauben ist Sache des Willens.“)135
In Zusammenhalt mit der von Thomas von Aquin verteidigten Freiheit des Glaubens betont er das Eigenrecht des Kindes, indem er sich für die Unzulässigkeit der Verpflichtung des Kindes durch einen anderen ausspricht. Das für das Kind im Rahmen der Taufe gesprochene Glaubensbekenntnis interpretiert er nicht als Betätigung der eigenen Freiheit, sondern als stellvertretende Handlung für die Kirche: „Ad tertium dicendum quod ille qui pro puero baptizato respondet, credo, non praedicit puerum crediturum cum ad legitimos annos pervenerit, alioquin diceret, credet, sed profitetur fidem Ecclesiae in persona pueri, cui communicatur, cuius sacramentum ei attribuitur, et ad quam obligatur per alium. Non est enim inconveniens quod aliquis obligetur per alium in his quae sunt de necessitate salutis. Similiter etiam patrinus pro puero respondens promittit se operam daturum ad hoc quod puer credat. Quod tamen non sufficeret in adultis usum rationis habentibus.“ („Wer da für das Kind antwortet: „Ich glaube,“ der verpflichtet nicht sich anstatt des Kindes, daß das Kind glauben wird, wenn es zu den Unterscheidungsjahren gelangt sein wird; sonst würde er sagen: „Ich werde glauben.“ Vielmehr bekennt er in der Person des Kindes, dem der Glaube mitgeteilt wird, den Glauben der Kirche, deren Sakrament das Kind empfängt. Nicht aber ist es unzulässig, daß jemand
133 Aquino,
Thomas de, Summa Theologiae, Tertia Pars, q. 71 a. 1 ad 2. Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschicht lichen Entwicklung, S. 79, 26. 135 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Secunda Pars secundae Partis, q. 10 a. 8 co. 134 Roderfeld,
VI. Zu den themenspezifischen Grundlegungen des Thomas von Aquin 105 durch einen anderen verpflichtet wird zu dem, was für das Heil notwendig ist; da jeder kraft seiner Natur verpflichtet ist, nach seinem eigenen Wohle zu streben.“)136
Das konkrete Verbot der zwangsweisen Taufe jüdischer Kinder wurde in einer Bulle aus dem Jahr 1418 von Papst Martin V. (1368–1431) erstmals ausgesprochen. Eine Aufnahme dieses Gebotes in das kanonische Recht unterblieb.137 Das verpflichtungsfähige Alter legt Thomas von Aquin mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres fest: „Est ergo dicendum quod si puer vel puella, ante pubertatis annos, nondum habeat usum rationis, nullo modo potest se ad aliquid voto obligare. Si vero ante annos pubertatis attigerit usum rationis, potest quidem, quantum in ipso est, se obligare, sed votum eius potest irritari per parentes, quorum curae remanet adhuc subiectus. Quantumcumque tamen sit doli capax, ante annos pubertatis non potest obligari voto solemni religionis, propter Ecclesiae statutum, quod respicit id quod in pluribus accidit. Post annos autem pubertatis, possunt iam se voto religionis obligare, vel simplici vel solemni, absque voluntate parentum.“ („So muß man also antworten: Haben Kinder unter vierzehn Jahren nicht die gehörige Reife der Vernunft, um zu überlegen, wozu eigentlich sie sich verpflichten, so können sie in keiner Weise ein verpflichtendes Gelübde ablegen. Besitzen sie solche Reife, so können sie geloben; aber die Eltern können ihr Gelübde für ungültig erklären. In jedem Falle aber kann ein Mensch vor dem vierzehnten Jahre sich nicht durch feierliches Gelübde verpflichten; wie dies die Kirche festgestellt hat. Nach dem mündigen Alter kann dies geschehen, auch ohne den Willen der Eltern.“)138
Besonders betont wird die Unverbindlichkeit eines im unmündigen Alter abgelegten Gelübdes: „Sed votum religionis a puero vel puella factum ante annos pubertatis potest a parentibus revocari, vel a tutore. Ergo videtur quod puer vel puella, ante quatuordecim annos, non possit rite vovere.“ („Das Gelübde aber eines unmündigen Knaben oder Mädchen, in einen Orden zu treten, können die Eltern oder der Vormund für ungültig erklären. Also kann ein Knabe oder ein Mädchen vor dem vierzehnten Jahre nicht gültigerweise ein Gelübde machen.“)139
An dieser Stelle sei bemerkt, dass auch der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin neben zahlreichen weiteren namhaften Gelehrten seiner Zeit seine Erziehung und Vorbildung dem Institut der Oblation verdankte. Im Alter von fünf Jahren wurde er in das Kloster Montecassino aufgenommen. Der eins136 Aquino,
Thomas de, Summa Theologiae, Tertia Pars, q. 71 a. 1 ad 3. Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschichtlichen Entwicklung, S. 9, 17. 138 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Secunda pars secundae partis, q. 88 a. 9 co. 139 Ibid., q. 88 a 9 a. 2. 137 Roderfeld,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
tige Benediktineroblate von Montecassino trat später in den Orden der Dominikaner ein.140
VII. Themenspezifische Aspekte der Reformation und des Konzils von Trient Bis zur Reformation (1517–1648) bildete die Hauskirche, die ecclesia do mestica, das Zentrum der katechetischen Unterweisung.141 Als Vorkämpfer der Gegenreformation begründete der Jesuit Petrus Canisius (1521–1597) die Tradition katholischer Katechismen. Mit dem Catechismus minimus und dem Catechismus parvus catholicorum verfasste Petrus Canisius die ersten Katechsimen für Kinder, die bis in das 19. Jahrhundert Verwendung fanden.142 Zudem gründete er zahlreiche Schulen und betonte vor allem die Erziehungspflicht durch katholische Pädagogen. Demgegenüber bildete die Einrichtung von Bildungsstätten bei der Gründung des Ordens der Jesuiten durch Ignatius von Loyola (1491–1556) zu Beginn kein erklärtes Ziel. Ignatius’ Intention bestand zunächst darin, dort zu wirken, wo die Kirche am nötigsten Hilfe brauchte, respektive „unterwegs zu sein und zu predigen, beichtzuhören, Kinder und andere einfache Menschen die Gebote, Todsünden und die anderen Grundlagen unseres heiligen katholischen Glaubens zu lehren.“143 Doch der umfassende Bedarf an Bildungsstätten, insbesondere für die Ausbildung des rasch wachsenden Nachwuchses innerhalb der Gesellschaft Jesu, liess Ignatius entsprechende Planungen treffen. Das Konzil von Trient (1545–1563) war die wichtigste Kirchenversammlung der Neuzeit und bildete den Ausgangspunkt der Gegenreformation.144 Nachfolgend erreichte erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) eine vergleichbare Bedeutung. Zu den wichtigsten Themen gehörte die Reform der educatio und der formatio. Im Rahmen des Tridentinums wurde einer eigenen Katechese für Kinder erstmals ein konkretes Augenmerk gewidmet.145 Dazu ist jedoch auszuführen, dass nur die innerkirchliche Katechese eine Behandlung fand und es noch an einem Religionsunterricht im späteren 140 Thomas von Aquin – Ökumenisches Heiligenlexikon, http://www.heiligenlexi kon.de/BiographienT/Thomas_von_Aquin.html (abgefragt am 24. 02. 2014). 141 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 47 ff. 142 Ibid., S. 52. 143 Schmitz-Stuhlträger, Das Recht auf christliche Erziehung im Kontext der Katholischen Schule, S. 198, 199. 144 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 73. 145 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 51.
VII. Themenspezifische Aspekte der Reformation107
Sinne fehlte.146 Den besonderen Schwerpunkt bildete demnach die Katechese durch Priester. In diesem Konnex wurde auch die Herausgabe eines offi ziellen Katechismus beschlossen. Der Catechismus Romanus wurde im Jahr 1566 publiziert. Schließlich legte das Konzil von Trient das sechzehnte Lebensjahr als Untergrenze für den Ordenseintritt fest. Eine Anhebung des Alters durch einzelne Orden blieb zulässig.147 Erst das Tridentinum betonte die Sakramentalität und die Unauflöslichkeit der Ehe. Korrespondierend mit der Unauflöslichkeit des Bandes, des vincu lum matrimoniale, bedeutet das Sakrament „auch die durch Christus erfolgte Erhebung und Weihe des Vertrages zu einem wirksamen Zeichen der Gnade.“148 Mit dem aus dem Konzil von Trient hervorgegangenen Decretum Tametsi wurden die Formvorschriften für die Eheschließung einschließlich der vom Pfarrer zu bestätigenden Sendeformel festgelegt. Intentional nicht gegen die konfessionsverschiedenen Ehen gerichtet, wirkte das Decretum Tametsi sich allerdings praktisch doch negativ auf diese aus.149 Zumal das Konzil von Trient Häresie als Auflösungsgrund für eine Ehe ausdrücklich ausschloss, existierte bis zum frühen 18. Jahrhundert keine kirchenrechtliche Rechtsgrundlage zur Beurteilung konfessionsverschiedener Eheschließungen.150 Folglich fehlte es auch an konkreten Direktiven betreffend die reli giöse Erziehung der aus solchen Verbindungen hervorgegangenen Kinder. Einen Anhaltspunkt zur Frage der erforderlichen Disposition seitens der Ehepartner im Hinblick auf die Erziehung der Kinder geben die historischen Arbeiten des italienischen Kanonisten Francesco Falchi. Er betont den Einfluss des spanischen Jesuiten Tómas Sánchez (1550–1610) auf die themenspezifische Kanonistik des Mittelalters.151 Sánchez sprach sich für den Grundsatz aus, dass Kinder von rechtschaffenen, unbescholtenen und uneigennützigen Eheleuten, „coniuge innocente“, erzogen werden müssen und leitete diesen Grundssatz aus Konzepten des Römischen Rechts ab.152 146 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 85. 147 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern, S. 161. 148 Baumann, Ehe, Sp. 473. 149 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 57. 150 Ibid., S. 60. 151 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1171 (1179). 152 Sánchez, Disputationes di Santi Matrimonio sacramento, lib. 10, disp. 20, S. 423.
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Demgegenüber hatte sich der Liber Extra dem Maßstab des favor fidei verschrieben, wonach ein Kind einem gläubigen Ehegatten ungeachtet dessen Initiative zur Beendigung der ehelichen Gemeinschaft anzuvertrauen sei. Erst im 20. Jahrhundert sollte die katholische Kirche zu diesem Ansatz zurückkehren. Alfons Maria di Liguori, (1696–1787), Jurist, Moraltheologie und Gründer des Ordens der Redemptoristen, der sich besonders der Mission des Volkes widmete, griff diese Konzepte auf und baute eine Brücke zwischen den römischrechtlichen Ansätzen und dem Liber Extra. Hierauf verweist das in seiner Teologia moralis enthaltene Kapitel Facto divortio, apud quem sint filii educandi. Et cuius coniugis expensis: „Semper apud fidelem educanda est, quamvis fidelis fuerit in culpa.“153 Nach Abschluss des Konzils von Trient war die Kirche von einem Geist des Aufbruchs bewegt. Themenspezifische Abhandlungen zur Frage der religiösen Erziehung des Kindes finden sich im Zeitalter des Humanismus dennoch spärlich. Umso herausragender und von weit in die Zukunft ausstrahlender Bedeutung sind die Arbeiten des Juristen und Theologen Silvio Antoniano (1540–1603), deren Succus viel später in die erste Enzyklika, die sich mit der Thematik der Erziehung befasste, Divini illius magistri, Eingang finden sollte. Als Schüler von Philipp Neri (1515–1595) und Sekretär Karl Borromäus’ (1538–1584), beide Gründer von Ordensgemeinschaften, deren tragendes Merkmal keine gesatzte Rechtsform, sondern allein die verbindende Liebe in der Gemeinschaft ist, sah Antoniani sich von einem Ansatz getragen, der von weiter Voraussicht Zeugnis gibt. In seiner von Borromäus angeregten und 1583 in Verona publizierten Schrift Tre libri dell’Educatione Cristiana e Politica de’ Figliuoli knüpfte er das Erfordernis des Ausgangs jeder Erziehung an das Kind per se und seine Bedürfnisse. Mit dieser Anschauung vertrat er einen seiner Zeit weit vorausgehenden Standpunkt. Antoniani interpretierte das kirchliche Lehramt zur Frage der Erziehung in einzigartiger Deutlichkeit und legte so einen weit in die Zukunft reichenden Grundstein für eine themespezifische Orientierung. Als Angehöriger der Römischen Kurie war Antoniani einer der Kompilatoren des Römischen Kate chismus.154 Antoniano unterschied die private und die öffentliche Erziehung und differenzierte unter beiden die moralische und die religiöse Erziehung. Dies ist ein Ansatz, der sich sehr viel später in der Enzyklia Divini illius magistri sowie im Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Erziehung, Gravissimum educationis, wiederfindet. Antoniani folgend komme der öffentlichen Erziehung, sei es jener der Kirche oder jener des Staates im 153 Liguori, Alfons Maria di, Teologia moralis, Libri sexti, Tractatus IV, VII, n. 976, 479. 154 Silvio Antoniano, Universitá degli Studi di Torino, http://www.newadvent.org/ cathen/01584d.html (abgefragt am 18. 03. 2014).
VII. Themenspezifische Aspekte der Reformation109
Wege der Schule, eine vollendende Funktion zu: „Adunque diciamo che l’educatione privata é subordinata alla publica e che questa conduce a perfezione la privata; (…).“ („Deshalb sagen wir mal, dass die private Erziehung der öffentlichen untergeordnet ist und diese zur Perfektion der Privaten führt.“)155 Hinsichtlich der Frage, welchem Elternteil das Recht zur Erziehung zukomme, knüpft Antoniani am Eheband an, das die Frau und den Mann zu einer Einheit verbindet, woraus nur folgen könne, das die Einheit auch für die Erziehung der aus der Ehe hervorgekommenen Kinder gelte: „Certamente quel comune difetto che nella altre cose suol’avvenire, non dovrà aver buono in lore nel governo de’ figliuoli, i quali sono l’effetto di ambedue, e tutto il frutto, ed il contento che derivano dalla buona educatione, debbono quindi esser loro comuni.“ („Gewiss darf jener allgemein übliche Fehler, der in anderen Dingen zu geschehen pflegt, nicht den Preis der Anleitung der Kinder wert sein, die die Wirkung der beiden sind, und alle Früchte, und die Zufriedenheit, die aus der guten Erziehung hervorgehen, müssen daher ihr Gemeinsames sein.)156 Schließlich impliziere das Gebot der einheitlichen Betätigung der Ehepartner zur Erziehung auch die gemeinsame Verantwortung: „L’educazione de’ figliuoli é comune al padre, ed alla madre, i quali, se in tutte le cose del governo domestico debbono essere concordi in questa, poiché é la piú importante di tutte, lo debbono essere tanto maggiormente.“ („Die Erziehung der Kinder kommt dem Vater und der Mutter gemeinsam zu, die, wenn sie in allen Angelegenheiten der Führung des Hauses im Einvernehmen handeln sollen, es hier in umso höherem Maß müssen, da es das Wichtsigste von allem ist)“.157 Antoniani geht sogar einen Schritt weiter und zeichnet ein realistisches Bild der Schwierigkeiten kooperativer Erziehungsarbeit. Die Übernahme persönlicher Verantwortung und konkreter Aufgaben bilde den Schlüssel für den gemeinsamen Erfolg, „come spesse vuolte suole accadere delle cose che sono raccomandate a piú persone, che l’uno riguarda l’altro, e siccome per ordinario si schiva la fatica, e se ne lascia volentieri la maggior parte al compagno, indi ne segue che quella cosa, che comunemente dovea esser governate rimane poi comunemente negletta“ („wie oftmals der Wille zu geschehen pflegt betreffend der Sachen, die mehreren Personen anvertraut sind, daß einer auf den anderen schaut, weil es (sic!) üblicherweise die Mühe vermeidet, und wenn man nicht gerne dem Gefährten den Hauptteil überlässt, danach folgt, dass, was üblicherweise gemeinsam erledigt werden sollte, vernachlässigt bleibt.“)158 „In der öffent lichen Erziehung erinnert die gute Gemeinschaft an einen Politiker, der der 155 Antoniano, Dell’ Educazione Cristiana e Politica de’ Figliuoli, S. 105, (Übers. d. Verf). 156 Ibid., S. 111, 112, (Übers. d. Verf.). 157 Ibid., S. 113, (Übers. d. Verf.). 158 Ibid., S. 111.
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kirchlichen Leitung Hilfe gewährt und schenkt, nicht anders als der linke Arm einheitlich mit dem rechten an den Bewegungen zum Vorteil des ganzen Körpers mitwirkt“: „Nell’educazione publica, (…) il bene comune, si ricordi il politico che ha da somministare e prestare ajuto al rettare ecclesiastico, non altrimenti che il braccio sinistro concorre unitamente con il destro alle operationi per beneficio di tutto il corpo“.159 Bemerkenswert ist, dass Antoniani bereits zu seiner Zeit nicht von einem Arm spricht.
VIII. Themenspezifische Aspekte des Augsburger Religionsfriedens Der Augsburger Religionsfrieden 1555 bildete eine themenspezifische Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Unter Berücksichtigung der Glaubensspaltung kam es zur Verbindung von kirchlichem und weltlichem Recht.160 Die Religionswirren der Bevölkerung und die mangelnde Umsetzung der Trientiner Beschlüsse durch den Klerus mündeten in der Androhung von Sanktionen gegenüber Eltern und dem geistlichen Stand wegen mangelnder katechetischer Unterweisung.161 Den Reichsständen wurde weltlicherseits die Wahlfreiheit zwischen beiden Bekenntnissen zugestanden. Der Grundsatz cuius regio eius religio verpflichtete die Untertanen zur Annahme des Bekenntnisses des jeweiligen Landesherrn. Daneben wurde ein qualifiziertes, keine Sanktion eines persönlichen oder wirtschaftlichen Nachteils provozierendes Auswanderungsrecht garantiert. Die Einführung einer Nachsteuer führte allerdings zur Aushöhlung der Garantie des Ausschlusses einer Benachteiligung. Das ius emigrandi gilt als erstes Grundrecht der deutschen Verfassungsgeschichte.162 Eine Pflicht zur Toleranz ließ sich daraus jedoch noch nicht erahnen. Die Konstellation konfessionsverschiedener Ehen erreichte erst mit der Reformation eine zahlenmäßige Relevanz. Eine weitgehende konfessionelle Geschlossenheit der Territorien verhinderte allerdings auch weiterhin die Häufigkeit.163 Konfessionsverschiedene Ehen wurden unerlaubt, doch gültig geschlossen, zumal der Konsens zur Eheschließung als genügend angesehen wurde.164
159 Ibid.,
S. 106, 107. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 79. 161 Schmitz-Stuhlträger, Das Recht auf christliche Erziehung im Kontext der Katholischen Schule, S. 198. 162 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 77. 163 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 52. 164 Ibid., S. 53. 160 Link,
IX. Themenspezifische Aspekte im Kontext des Westfälischen Friedens 111
Zur Zeit des Augsburger Religionsfriedens 1555 wurde die Frage der religiösen Kindererziehung zumeist im Vertragsweg geregelt.
IX. Themenspezifische Aspekte im Kontext des Westfälischen Friedens Der Westfälische Friede bestimmte in der Folge die religionsrechtliche Ordnung auf deutschem Boden bis zur Auflösung des Reiches 1806.165 Mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde das Glaubenswahlrecht des Landesfürsten auf drei Bekenntnisse ausgeweitet und der Religionsbann mit gewissen Ausnahmen wie etwa der Normaljahresregelung bestätigt,166 welche die konfessionellen Verhältnisse des Jahres 1624 aufrechterhielt oder wiederherstellte. Das Reich verstand sich nicht mehr als katholische Organisation der Reichsstände mit Ausnahmen, vielmehr anerkannte der Westfälische Friede die aequalitas exacta mutuaque, die vollständige und gegenseitige Gleichheit. Damit war das ius reformandi stark eingeschränkt. Trotzdem war man von einer allgemeinen Religionsfreiheit noch weit entfernt. Nur drei Bekenntnisse waren reichsrechtlich anerkannt.167 Zudem blieb der Grundsatz cuius regio, eius religio insofern bestehen, als er den weltlichen Herrscher auch weiterhin zur Ausübung von Hoheitsrechten im Bereich des Schulwesens legitimierte. Dies führte zu Spannungen zwischen Katholischer Kirche und weltlicher Herrschaft. Bei den Protestanten entsprach diese Regelung dem inneren Aufbau ihrer Kirche.168 Über die religiöse Erziehung in den Familien dieser Zeit ist im Konkreten wenig bekannt, zumal die historische Forschung sich auf die Entwicklung der institutionalisierten Katechese konzentriert. Anhaltspunkte geben die immer wiederholten Ermahnungen an die Eltern zur religiösen Erziehung, wie sie die im Auftrag von Karl Borromäus von Silvio Antoniani verfasste, bereits erwähnte Schrift Tre libri della Edu catione Cristiana de Figliuoli zum Ausdruck bringt: „Durch das Naturgesetz sowohl als durch das göttliche und menschliche Gesetz ist (…) ein Vater verpflichtet, allen nur möglichen Fleiß anzuwenden, damit seine Kinder zu guten und tugendhaften Menschen herangebildet werden. Wie traurig ist es daher, sehen zu müssen, welche Gleichgültigkeit heutzutage fast allgemein in Bezug auf die christliche Erziehung, diese wichtigste aller Angelegenheiten, herrscht, indem gar viele dieselbe kaum dem Namen nach kennen.“169 Am 165 Link,
Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 95. Die religiöse Kindererziehung im deutschen Reiche, 14 ff. 167 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 96. 168 Schmidt, Entwicklung der katholischen Schule in Österreich, S. 28. 169 Schmitz-Stuhlträger, Das Recht auf christliche Erziehung im Kontext der Katholischen Schule, S. 224, zitiert nach: Antoniano, Christliche Erziehung, S. 82–91. 166 Güttler,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Reichsexekutionstag 1650 wurde über den Vollzug des Westfälischen Frie dens verhandelt. Erstmals war eine weltliche, öffentliche Stelle mit der Thematik der religiösen Erziehung befasst. Die in Form eines Gutachtens darauf Bezug nehmende Friedensexekutionsdeportation erlangte jedoch nie Gesetzeskraft. Sie sah bei gemischten Ehen die religiöse Erziehung der Buben nach der Religion des Vaters und der Mädchen nach der Religion der Mutter vor. Ein Vertrag über die religiöse Erziehung der Kinder wurde als zulässig angesehen. Im Gefolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 und der damit einhergehenden religiösen Toleranz verschärfte sich auch die Problematik der religiösen Erziehung.170
X. Die themenspezifische Entwicklung vom 18. Jahrhundert bis zum CIC 1917 In der Zeit des Josefinismus, sohin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde die von Aristoteles überkommene Lehre der Kirche als einer societas perfecta besonders betont. Ausgehend von ihrer Grundkonzeption implizierte diese die Prämisse der Freiheit und Unabhängigkeit, jedoch nicht jene einer Monopolstellung, obschon sie vielmals in diese Richtung interpretiert wurde: Einen themenspezifisch relevanten Ausfluß der Lehre von der societas perfecta bildet die Eheschließung nach dem Decretum Tametsi im Falle der Konfessionsverschiedenheit der Ehepartner. Das größte Augenmerk galt hierbei der Gewährleistung der katholischen Erziehung der Kinder, die man durch die Abhängigkeit von einer grundsätzlich möglichen, bischöflichen Dispens im Wege der sogenannten Kautelen zu erreichen suchte. Demnach war eine Dispens nur bei beiderseitigem Versprechen der katholischen Erziehung zu erteilen. Mit dieser Regelung verpflichtete das Kirchenrecht auch Nichtkatholiken. Diese Rechtslage führte zu diversen zum Teil im Geheimen geschlossenen Kompromissen zwischen geistlichen und weltlichen Amtsträgern. Die Modifikation der päpstlichen Vorgaben bestand in einer Milderung der Kautelen. Die Brautleute sollten auf die Pflicht zur katholischen Erziehung hingewiesen werden, allerdings machte man ihre Zustimmung partiell nicht zu einer konstitutiven Voraussetzung für die Erlaubtheit der Eheschließung. Im Deutschen Reich wurde die Mischehenfrage erst im Jahr 1840 durch einen Kompromiß des Staates gelöst. Demnach sollte grundsätzlich das kanonische Recht zur Anwendung kommen. Bei Verweigerung des Versprechens der katholischen Erziehung sollte die Kirche auf ältere Formen der Eheschließung zurückgreifen. Diese gingen von der passiven Assistenz des Geistlichen aus und ergaben daher eine Eheschließung außer170 Kammerloher-Lis, Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921, S. 48.
X. Themenspezifische Entwicklung vom 18. Jhdt. bis zum CIC 1917
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halb der Kirche. Dem Vorliegen eines Ehehindernisses begegnete man etwa in Bayern mit dem Rechtsinstitut einer durch den Bürgermeister geschlossenen Notzivilehe. Die erste österreichische Regelung der Mischehenfrage geht auf Josef II. zurück.171 Demnach galt die Regelung, dass alle Kinder dem katholischen Vater in der Religion nachfolgen. Bei einer katholischen Mutter folgten die Söhne dem Vater und die Töchter der Mutter in der Religion nach. Gemäß einem Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger aus dem Jahr 1868 folgten alle Söhne dem Vater und alle Töchter der Mutter in der Religion nach.172 Mit großer Entschiedenheit sprach sich Gregor XVI. (1765–1846) in seiner Enzyklika Mirari vos 1832 für die Ablehnung jeder Religions- und Gewissensfreiheit aus.173 1864 untermauerte Pius IX. (1792–1878) diese Festlegung. In seiner Enzyklika Quanta cura 1864 verurteilte er die Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat.174 Zur Bekräftigung der Posi tionen des Papstes inkludierte die Enzyklika den Syllabus errorum. Die darin vollzogene Interpretation der Zeitirrtümer bestand unter anderem in der Verwerfung der Staatskirchenhoheit sowie der staatlichen Schulhoheit und Ehegerichtsbarkeit. Pius IX. beanspruchte den Vorrang der kirchlichen vor den weltlichen Gesetzen und verlieh somit der Inakzeptanz paritätisch ausgehandelter, verfassungsrechtlicher Freiheitsgarantien vehementen Ausdruck. Die Enzyklika Quanta cura bereitete den Boden für das Erste Vatikanische Kon zil. Dieses begann 1869 und wurde im Jahr darauf auf unbestimmte Zeit vertagt. Das Erste Vatikanische Konzil brachte das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit hervor.175 Mit der Konstitution Pastor aeternus wurden der päpstliche Jurisdiktionprimat und die Entscheidungen des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen ex cathedra zu Glaubenssätzen erhoben. Eine Abänderlichkeit wurde selbst für ein Ökumenisches Konzil ausgeschlossen.176 Das Erste Vatikanische Konzil war Auslöser des Kulturkampfes. Dieser von Rudolf von Virchow (1821–1902) geprägte Begriff177 umschreibt das Machtstreben der Kirche als selbstdefinierte societas perfecta gegenüber dem Staat, nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) verstanden als 171 Frank,
Das Toleranzpatent Kaiser Josef II., S. 39. vom 25. Mai 1868, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, RGBl. Nr. 49/1868. 173 Gregor XVI., Enzyklika Mirari vos, 15. August 1832, http://www.domusecclesiae.de/magisterium/mirari-vos.teutonice.html (Stand 17. 12. 2005). 174 Pius XI., Enzyklika Quanta cura, 8. Dezember 1864, http://www.domusecclesiae.de/magisterium/quanta-cura.teutonice.html (Stand 17. 12. 2005). 175 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 149. 176 Ibid., S. 157. 177 Ibid., S. 157. 172 Gesetz
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Wirklichkeit einer sittlichen Idee und Inhaber der Bildungsmacht mit einem über die gesamte Kultursphäre reichenden Souveränitätsanspruch.178 Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, respektive seiner Erklärung über die Religionsfreiheit war diese Lehre endgültig überholt, als dieses sich dafür aussprach, dass jeder Kirche wie jeder Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft innerhalb der durch den Staat zu gewährleistenden Rahmenbedingungen der zur Vermittlung ihrer Botschaft nötige Freiraum zu gewährleisten ist. Das Pontifikat Leo XIII. (1810–1903) war durch eine mildere Sprache gekennzeichnet, die der Papst insbesondere durch einen Perspektivenwechsel innerhalb der Kirche erreichte. Im Vordergrund seiner Argumentation stand die überkommene Bedeutung der Familie für das Leben innerhalb der zivilen Gesellschaft. Demgegenüber verkannte jedoch auch Papst Leo XIII. noch das Recht der persönlichen Freiheit des Einzelnen, respektive im Hinblick auf den Glauben und die Religion, was er in einer konsequenten Weiterverfolgung der ablehnenden Haltung gegenüber Mischehen ausdrückte. In seiner Enzyklika Arcanum divinae sapientiae warnte Leo XIII. 1880 eindringlich vor dem Eingehen einer Mischehe: „(…) denn wo die Seelen in der Religion uneins sind, ist in den übrigen Angelegenheiten kaum Eintracht zu erwarten.“ Von solchen Ehen sei insbesondere Abstand zu nehmen, als sie „die gute Erziehung der Kinder behindern und nicht selten dazu verleiten, alle Reli gionen ohne Unterscheidung von wahr und falsch für gleichberechtigt zu halten.“179 Dieser eine Freiheit des Glaubens und der Religion negierende Tenor fand seinen Niederschlag auch im Bereich der Schule. Mit seiner Enzyklika Quod multum unternahm Papst Leo XIII. 1886 einen neuerlichen Vorstoß in Richtung der katholischen öffentlichen Schule. Rein wissenschaftliche Bildung reiche nicht aus, um Besonnenheit und Rechtschaffenheit zu entwickeln: „Es gibt keine sittliche Erziehung, die dieses Namens würdig ist und wirksam wäre, wenn sie die Religion hintansetzt.“ Daher „muß die staatliche Gewalt durch die Religion unterstützt werden, denn deren Aufgabe ist es, die Gemüter zu besänftigen und alle Tugenden in ihnen zu pflegen; umgekehrt bedarf die Religion der wohlwollenden Unterstützung durch die staatliche Gewalt, denn sie herrscht nicht einzig über den Geist, sondern über den Menschen, die untereinander gesellschaftliche Bindungen eingehen. Daher ist es falsch, Staat und Kirche trennen zu wollen; es ist vielmehr unerläßlich, beide fest aneinander zu binden. Wenn dies für alles Übrige gilt, dann in höchstem Maße für die Jugenderziehung: wenn darum die weltliche Gewalt in Hinblick auf das Gemeinwohl der Jugend höchstes Wissen zu vermitteln sich bemüht, dann muß sie auch wünschen, daß die Jugend in der 178 Ibid.,
S. 157. Enzyklika Arcanum divinae sapientiae, 10. Februar 1880, in: Utz/ Gahlen, II (1976) 1142 (VII, Rz. 26). 179 Leo XIII.,
X. Themenspezifische Entwicklung vom 18. Jhdt. bis zum CIC 1917
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rechten Sittenlehre und in der Religion gebildet werde, und zwar durch das kirchliche Lehramt und unter Leitung und Aufsicht der Kirche.“180
In einem Apostolischen Brief, Ante vestrum, aus dem Jahr 1894 unterstrich Papst Leo XIII. das Erfordernis der Verknüpfung von abstrakter Wissensvermittlung und religiöser Bildung: „Wollte man verlangen, dass die Geister gute Sitten annehmen, zugleich aber zulassen, daß sie areligiös seien, so wäre das ebenso sinnwidrig, als wollte man zur Annahme der Tugend auffordern, nachdem man die Grundlagen der Tugend zerstört hat. (…) So verlangen die Gerechtigkeit und die Vernunft, daß die Schule den Schülern nicht nur eine wissenschaftliche Bildung vermittelt, sondern (…) auch eine sittliche, die mit den Geboten unserer Religion übereinstimmt, ohne welche jede weitere Unterweisung nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich ist.“181
Schließlich folgte in der 1897 an die kanadischen Bischöfe in der Schulfrage gerichteten Enzyklika Affari vos die Forderung, dass Lehrer katholisch sein müssen und nur von Bischöfen approbierte Schul- und Lehrbücher Verwendung finden dürfen. Die geforderte Freiheit der Lehre implizierte paradoxerweise die Forderung nach einer Monopolstellung. Insgesamt sollte das gesamte Lehren und Lernen mit dem Bekenntnis des katholischen Glaubens im Einklang stehen.182 Ausgehend von einer fördernden und beschützenden Funktion hätte der Staat weiterhin das Recht, Mindestanforderungen an die Bildung seiner Bürger zu stellen.183 Innerhalb der Familie betont Papst Leo XIII. die väterliche Gewalt.184 In seiner Enzyklika Rerum novarum aus dem Jahr 1891 betonte Papst Leo XIII. die Unabhängigkeit der Familie gegenüber dem Staat, gestand ihr jedoch vor dem Hintergrund der Aufrechterhaltung des Absolutheitsanspruches der katholischen Kirche keine innere Freiheit in Fragen des Glaubens und des Gewissens zu. Die Familie war für Leo XIII. „eine wahre, wenn auch noch so kleine Gesellschaft, und zwar als solche älter als der Staat; deshalb kommen ihr gewisse, ihr eigentümliche Rechte und Pflichten zu, die in keiner Weise vom Staat abhängen.“185
180 Leo XIII., Enzyklika Quod multum, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (II, Rz. 286). 181 Leo XIII., Apostolischer Brief Ante vestrum, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 26). 182 Leo XIII., Enzyklika Affari vos, 8. Dezember 1897, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) 1382 (IX, Rz. 16). 183 Erlinghagen, Grundfragen katholischer Erziehung, S. 64. 184 Leo XIII., Affari vos, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 16). 185 Leo XIII., Enzyklika Rerum novarum, 15. Mai 1891, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 496 (IV, Rz. 9).
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Mit der Enzyklika Inscrutabili Deo consilio suchte Papst Leo XIII. 1878 die Fundamente echter Zivilisation zu beschreiben und hob in diesem Konnex die Bedeutung der Erziehung besonders hervor. Diese müsse „vom frühesten Alter in der Familie ihren Anfang“186 nehmen. Der von Papst Leo XIII. verwendete Begriff der societas domestica beschreibt die Familie treffend als kleinste Zelle der zivilen Gesellschaft, die ihr Kontinuum in den größeren politisch verfassten Einheiten findet. Gleichsam als Pendant zu dieser Rechtfertigung der Familie im kollektiven Kontext unterstrich Papst Leo XIII. mit der 1886 folgenden Enzyklika Quod multum die individuelle, innere und mit ersterer unmittelbar korrespondierende Dimension der Erziehung in der Familie. „In der Tat enthält und nährt die häusliche Gemeinschaft die Prinzipien und sozusagen die besten Elemente des sozialen Lebens, darum hängen von ihr in weitem Maße die Ruhe und das Gedeihen der Nation ab.“187 Die weitreichende Bedeutung dieser lehramtlichen Aussage ist von ungebrochener Aktualität begleitet.188 Nach der kontemporär in Kirche und Welt herrschenden Überzeugung sind sowohl die Kirche als auch der Staat gehalten, hinter dem ursprünglichen und unveräußerlichen Erziehungsrecht der Eltern zurückstehen. Vor dem Hintergrund einer achtungsvoll gelebten Akzeptanz der Diversität der Kulturen, Weltanschauungen und Religionen müssen Kirche und Staat den Familien und den aus ihnen hervorgehenden Kindern begegnen. Sohin ist es das Verdienst Papst Leo XIII., die unverzichtbare Relevanz der Familie und der Erziehung für die individuelle und kollektive Dimension des Menschseins herauszustreichen. Der entscheidende, den Weg zur Anerkennung der Religionsfreiheit bahnende Brückenschlag sollte erst Papst Johannes XXIII. (1881–1963) mit seiner Enzyklika Pacem in terris 1963 gelingen.
XI. Die educatio liberorum im CIC von 1917 1. Zur themenspezifischen Relevanz der allgemeinen Systematik Das alte gemeinkirchliche Recht des Corpus Iuris Canonici wurde in der römisch-katholischen Weltkirche erst 1918 durch den Codex Juris Canonici ersetzt.189 Initiiert durch Pius X. (1835–1914) wurde der Codex durch Benedikt XV. (1854–1922) am 27. Mai 1917 promulgiert und am 18. Mai 1918 in Kraft gesetzt. Mit dem neuen Gesetzbuch wurde der Unübersichtlichkeit der 186 Leo XIII., Enzyklika Inscrutabili Dei consilio, 21. April 1878, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 340 (I, Rz. 273). 187 Leo XIII., Quod multum, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (II, Rz. 285). 188 Erlinghagen, Grundfragen katholischer Erziehung, S. 56. 189 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 159.
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Normen begegnet und eine völlig neue Struktur geschaffen. Der CIC 1917 folgte dem schematischen Aufbau der nach personae, res und actiones geordneten Insitutionen des Gaius.190 Ergänzt um die Normae generales, die allgemeinen Bestimmungen und das kirchliche Strafrecht, De delictis, im letzten Abschnitt, bestand der CIC 1917 aus fünf Büchern. Das Übereinanderlegen der Systematik des Römischen Rechts und der innerkirchlichen Grundlagen führte zur Konzeption einer Hierarchiebezogenheit unter weitgehender Ausblendung der Laien. Die dem CIC 1983 noch diametral entgegengesetzte Struktur des CIC 1917 mündete in eine entsprechende Einordnung der educatio catholica. Dem vorgelagert war die Substitition der Perspektive des Anspruches der Wahrheit durch jene des Anspruchs der Freiheit im Kontext der konziliaren Grundlegung.191 Diese Haltung implizierte sehr ambivalente Züge. Einerseits hatte bereits Thomas von Aquin das Erfordernis der freien Gewissensentscheidung als Voraussetzung der Glaubensannahme anerkannt, andererseits billigte er die Verurteilung von Häretikern durch den Staat. Der CIC 1917 differenzierte grundsätzlich Menschenrechte, Christenrechte und „Katholikenrechte.“ Einschränkend ist zu bemerken, dass „grundlegende Rechte, die allen Gliedern der Kirche eigen sind, im CIC nur unzureichend aufgeführt werden.“192 Normadressaten waren vorwiegend die Kleriker. Hinsichtlich der Reli gionsfreiheit fanden sich im CIC 1917 sogar noch zahlreiches Kanones, die einer Anerkennung dezidiert widersprachen.193 Den Gläubigen zugesprochene Persönlichkeitsrechte waren im CIC 1917 noch nicht in systematisierter Form, jedoch fragmentarisch und implizit enthalten. Auch der Kodex von 1983 definiert das Kind noch nicht als eigenständiges Rechtssubjekt. Seine Ansprüche finden in den Rechten und Pflichten der Gläubigen, der Laien, der Eltern, der Ehepartner, der Ortsordinarii, der Pfarrer und der schulerhaltenden Ordensleitungen ihren Ausdruck. Weit entfernt ist man noch von einem eigenen Abschnitt im Sinne eines Kindschaftsrechts. Doch zeichnet sich in der Zusammenschau der fragmentarisch geregelten Ansprüche bereits eine Entwicklung hinsichtlich der Formierung kindlicher Persönlichkeitsrechte ab.
190 Becker,
Kanonisches Recht, Sp. 1569. Religionsfreiheit in der Kirche, S. 20. 192 Heinemann, Recht und Rechtsschutz im neuen kirchlichen Gesetzbuch, S. 331 (334). 193 Krämer, Religionsfreiheit in der Kirche, S. 18. 191 Krämer,
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Die Erfassung des Elternkindverhältnisses außerhalb der Ehe als fortschrittliche Entwicklung zwischen den beiden Codices des 20. Jahrhunderts verweist bereits deutlich auf das unausweichlich erscheinende Postulat der expliziten Implementation eines den Rechten und Pflichten der Familie gewidmeten Abschnittes.
2. Zur normativen Festlegung der Altersgrenzen Träger der Christenrechte wurde man mit der Taufe und dem Erreichen des siebenten Lebensjahres oder in manchen Fällen gesetzlich ausdrücklich auch vor dem Erreichen dieser Altersgrenze infolge der Erklärung des genügend erlangten Vernunftgebrauches gemäß c. 12 CIC 1917: „Legibus mere ecclesiasticis non tenentur qui baptismum non receperunt, nec baptizati qui sufficienti rationis usu non gaudent, nec qui, licet rationis usum assecuti, septimum aetatis annum nondum expleverunt, nisi aliud iure expresse caveatur.“ („Bezüglich der Untergebenen der Gesetze ist zu bemerken, daß die Ungetauften nicht unter den Gesetzen stehen, die bloße Kirchengesetze sind. An das Kirchengesetz sind auch jene Getauften nicht gebunden, die den hinreichenden Vernunftgebrauch nicht haben. An die Kirchengesetze sind endlich auch jene nicht gebunden, welche den Vernunftgebrauch zwar erlangt, aber das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern im Gesetz nicht ausnahmsweise einmal anderes bestimmt ist“).194 Der Grundsatz semel chris tianus semper christianus wurde im c. 732 § 1 CIC 1917 mit der Festlegung des character indelebilis der Taufe bestätigt. Abgesehen von der im c. 87 CIC 1917 getroffenen, allgemeinen Feststellung, „Baptismate homo constituitur in Ecclesia Christi persona cum omnibus christianorum iuribus et officiis.“ („Was die Entstehung einer physischen Person anbelangt, ist zu bemerken, daß jemand in der von Christus gestifteten Kirche durch die Taufe eine Person wird mit allen Rechten und Pflichten der Christen.“)195 normierte das Personenrecht des CIC 1917 keine konkreten Rechte und Pflichten des Kindes. Bemerkenswert ist, daß Getaufte, die gemäß c. 87 Satz 2 leg. cit. von einer Strafe oder Sperre betroffen waren, trotz Einschränkung ihrer Rechte, respektive der Versagung der tätigen Gliedschaft bereits nach dem CIC von 1917 an die auferlegte Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder gebunden blieben. C. 88 § 1 CIC 1917 legte die Altersgrenze für die Volljährigkeit mit dem Erreichen des einundzwanzigsten Lebensjahres fest. „Persona quae vicesimum primum aetatis annum explevit, maior est; infra hanc aetatem, minor.“ („In bezug auf ihr Alter können die Personen zunächst eingeteilt werden in großjährige und minderjährige Personen, je nachdem sie das 21. Lebens194 Jone, 195 Ibid.,
Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones, Bd. I, S. 35. Bd. I, S. 111.
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jahr vollendet haben oder nicht.“)196 Die Mündigkeit erreichten Buben gemäß § 2 leg. cit. mit der Vollendung des vierzehnten und Mädchen mit dem zwölften Lebensjahr. „Minor, si masculus, censetur pubes a decimoquarto, si femina, a duodecimo anno completo.“ („Die Erreichung der Geschlechtsreife nimmt man bei männlichen Personen an nach Vollendung des 14. Lebens jahres, bei weiblichen Personen nach Vollendung des 12. Lebensjahres.“)197 Gemäß § 3 leg. cit. war die Unmündigkeit Minderjähriger bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres gegeben. Ihnen wurde es noch nicht zugebilligt, ihrer Sache mächtig zu sein: „Impubes, ante plenum septennium, dicitur infans seu puer vel parvulus et censetur non sui compos; expleto autem septennio, usum rationis habere praesumitur. Infanti assimilantur quotquot usu rationis sunt habitu destituti.“ („Vor Erreichung des Reifealters heißt der Mensch bis zum vollendeten 7. Lebensjahr ein Kind („infans“, „puer“, „parvulus“). Von einem solchen Kinde nimmt man an, daß es den Vernunftgebrauch noch nicht erlangt hat. Hat jemand aber das 7. Lebensjahr vollendet, nimmt man an, daß er den Vernunftgebrauch erreicht hat. Einem Kinde werden alle jene gleichgestellt, die dauernd (habituell) des Vernunftgebrauches beraubt sind.“)198 Der Terminus sui compos ist viel weiter gefasst als die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit. Damit wird der Canon dem auch an das Recht der Kirche gestellten Postulat der Einbeziehung der Transzendenz des Menschen gerecht. In Weiterführung dieser Festlegung normiert Satz 2 leg. cit. die Herabsetzbarkeit dieser Altersgrenze in eventu der Präsumtion des usus rationis. In starker Anlehnung an das Römische Recht normiert c. 89 CIC 1917 noch die um die Reichtweite der väterlichen Gewalt begrenzten Rechte der Minderjährigen: „Persona maior plenum habet suorum iurium exercitium; minor in exercitio suorum iurium potestati parentum vel tutorum obnoxia manet, iis exceptis in quibus ius minores a patria potestate exemptos habet.“ („Volljährigen steht die volle Ausübung ihrer Rechte zu. Ein Minderjähriger untersteht bei der Ausübung seiner Rechte der Gewalt seiner Eltern oder Vormünder. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Gesetz die Minderjährigen der väterlichen Gewalt entzieht.“)199
196 Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones, Bd. I, S. 112. 197 Ibid., S. 113. 198 Ibid. 199 Ibid., Bd. I, S. 113.
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3. Die strukturelle Einordnung der edcucatio liberorum im CIC 1917 Themenspezifische Inhalte zur katholischen Erziehung normierte der CIC 1917 erst im dritten Buch, De rebus. Als von der Person unterschieden doch für sie geltend befand sich der Teil über die Regelung der Sakramente in diesem Bereich. In den Titeln über die Taufe, die Firmung und die Ehe fanden sich Bestimmungen zur Erziehung der Kinder. Des Weiteren enthielt der vierte Teil über das kirchliche Lehramt, De magisterio ecclesiastico, in seinem zwanzigsten Titel über die Verkündigung des Wortes Gottes, De divini verbi praedicatione, ein eigenes Kapitel über die katechetische Unterweisung, De catechetica institutione. C. 1335 lautete: „Non solum parentes aliique qui parentum locum tenent, sed heri quoque ac patrini obligatione adstringuntur curandi ut omnes sibi subiecti vel commendati catechetica institutione erudiantur.“ („Eltern und deren Stellvertreter wie auch Dienstherrschaften und Paten sind verpflichtet, für die katechetische Unterweisung ihrer Untergebenen und Schutzbefohlenen zu sorgen.“)200 Der zweiundzwanzigste Titel desselben Teiles, De scholis, behandelte schließlich den Bereich der Schule. Im dritten Teil des Personenrechts war das Recht der Laien auf den Empfang der Sakramente normiert. Normadressaten des c. 682 CIC 1917 waren somit auch die Kinder. Nach welchem Ritus die Taufe zu vollziehen war, richtete sich gemäß c. 756 § 2 CIC 1917 nach dem Ritus des Vaters. Im späteren c. 111 § 1 CIC 1983 blieb die Maßgeblichkeit des väterlichen Ritus für den Fall der Uneinigkeit der Eltern erhalten. Neben anderen Relikten im CIC 1917 läßt diese Regelung den Schluß auf römischrechtliche Wurzeln zu. Der Zeitpunkt der Taufe war nicht freigestellt. C. 770 CIC 1917 normierte die ausdrückliche Pflicht, Neugeborene so bald wie möglich zu taufen. Die Eltern wurden nicht explizit genannt, worin ein Ausfluß der im CIC 1917 dominierenden Zuordnung der Obliegenheit zur Hinführung zu den Sakramenten und zur katechetischen Unterweisung vornehmlich als Aufgabe der Kirche im Sinne einer seitens des Klerus zu verantwortenden Sorgetragung Ausdruck findet. Diese ekklesiologische Grundlegung erfuhr mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine gravierende Veränderung zugunsten des gläubigen Gottenvolkes, der Laien, und damit respektive der Eltern. Der CIC 1917 setzte die elterliche gravissima obligatio zur Erziehung noch ausschließlich in den inneren Kontext der Ehe. Zudem wurde der ordinierten Kirche noch das primäre Erziehungsrecht eingeräumt. Freilich zielte 200 Ibid.,
Bd. II, S. 547.
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c. 770 CIC 1917 faktisch auf die Hinführung zur Taufe durch die Eltern ab, was aus c. 1013 § 1 „Matrimonii finis primarius est procreatio atque educatio prolis (…)“ und c. 1113 CIC 1917 abgeleitet werden kann. Die gemäß c. 854 § 4 CIC 1917 normierte Verpflichtung zur Vorbereitung auf den ersten Empfang der Heiligen Kommunion durch die Eltern, die an ihre Stelle Tretenden und den Beichtvater, gründet im Taufsakrament. Explizites Ziel ist das Hinwirken auf den Empfang der Osterkommunion gemäß c. 860 CIC 1917. C. 769 CIC 1917 verpflichtete auch die Taufpaten zum Bemühen um das geistige Wohl des Täuflings. Gemäß dem Taufversprechen sollte der Taufpate Sorge tragen für die Erziehung und die Lebensführung des Taufkindes. Entsprechendes galt für den Firmpaten gemäß c. 797 CIC 1917. Die Gewissensund Rechtspflichten der Paten bettete der CIC 1917 noch in das Band der „geistlichen Verwandtschaft.“ Der Erwerb besonderer Kenntnisse bildete gemäß c. 766 n. 3 CIC 1917 die Voraussetzung für die Übernahme des Patenamtes. 1864 verfasste Pius IX. (1792–1878) die Enzyklika Quanta cura,201 deren als Syllabus errorum bekannt gewordener Anhang achzig Thesen gegen die Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat sowie liberale Grundrechte überhaupt enthielt. Themenspezifisch exemplarisch relevant ist die Einordnung des gesamten Schulwesens unter die Aufsicht der Kirche. Die in der Folge aus dem Ersten Vatikanischen Konzil hervorgegangene dogmatische Konstitution Pastor aeternus suchte diese jede Freiheit des Glaubens und der Person negierende Position zu bestätigen. Anlässlich des 300. Todestages des Petrus Canisius veröffentlichte Leo XIII. 1897 die an alle deutschen, österreichischen und schweizerischen Bischöfe adressierte Enzyklika Militantis Ecclesiae.202 Papst Leo XIII. vertrat darin einmal mehr mit Vehemenz den kirchlichen Leitungsanspruch. C. 1375 CIC 1917 verfolgte schließlich nicht den in der Lehre vertretenen Maximalanspruch, sondern normierte das Recht auf Privatschulfreiheit und beschränkte sich auf die Ablehnung des staatlichen Schulmonopols: „Ecclesiae est ius scholas cuiusvis disciplinae non solum elementarias, sed etiam medias et superiores condendi.“ („Von den Rechten der Kirche bezüglich des Schulwesens verdient zunächst Erwähnung das Recht, Schulen zu gründen, und zwar nicht nur Elementarschulen, sondern auch mittlere und höhere 201 Pius IX., Enzyklika Quanta cura, 8. Dezember 1864, http://www.domusecclesiae.de/magisterium/quanta-cura.teutonice.html (Stand 17. 12. 2005). 202 Leo XIII., Enzyklika Militantis Ecclesiae, 1. August 1897, http://www.vatican. va/holy_father/leo_xiii/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_01081897_militantisecclesiae_en.html (Stand 30. 05. 2005).
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Schulen.“)203 Für den Fall eines Mangels an ausreichendem Angebot von staatlicher Seite traf die Ortsordinarii die interne Pflicht zur Errichtung von Schulen gemäß c. 1379 § 1 CIC 1917. Überhaupt verpflichtete c. 1379 § 3 CIC 1917 alle Gläubigen zur Förderung katholischer Schulen. Dieser Canon stand in enger Verbindung zu den cc. 1113 sowie 1372 § 2 CIC 1917. Schließlich beanspruchte die Kirche das Approbationsrecht für Religions bücher und Religionslehrer gemäß c. 1381 § 3 CIC 1917. Die Erteilung der Lehrerlaubnis für den katholischen Religionsunterricht erfolgt auch gegenwärtig im Wege der missio canonica. Der im CIC 1917 noch fortdauernde Hintanstellung der Persönlichkeitsrechte lag die Betonung der Zeugung und Erziehung von Kindern als Hauptzweck der Ehe zugrunde. In seiner Enzyklika Casti connubii unterstrich Papst Pius XI. den Ehezweck unter Berufung auf c. 1013 § 1 CIC 1917. Später, so etwa bei Zapp, wird in diesem Zusammenhang nicht mehr von einem Wesensmerkmal, sondern von einer Wesenseigenschaft der Ehe gesprochen. Dieser Ansatz ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Zum einen bilden das bonum coniugium und das bonum prolis naturgemäß die Grundlage des totius vitae consortium. Somit ist der Einschluss dieser beiden Elemente eine wesentliche Komponente des güligen Ehekonsenses.204 Zum anderen impliziert der Anspruch des Kindes auf religiöse Erziehung die von Papst Pius XI. prononcierte elterliche Erziehungspflicht, „(…) quod debita prolis educatione continetur,“205 die nach ihrem Wesen nicht auf den Radius des Ehebandes beschränkt ist. Eine annehmbare Lösung ergibt sich aus dem Perspektivenwechsel von der überkommenen Ehezwecklehre zu einer „personalen Sicht“, die primär die Ehepartner in den Blick nimmt.206 Hieraus ergeben sich auch die rechten Proportionen der wechselseitigen Rechte und Pflichten. Schließlich sind die Eltern als Ehepartner gehalten, ihrer Erziehungsverpflichtung ausgehend von ihrer persönlichen, sakramentalen Bindung nachzukommen. Bis zum CIC 1917 waren konfessionsverschiedene, formlos geschlossene Mischehen anerkannt. Dies war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das dem Tridentinum entstammende Decretum Tametsi nicht allerorts durchgesetzt werden konnte, was an der überbordenden Macht örtlicher Gepflogenheiten sowie dem mancherorts mangelnden Insistieren zahlreicher Ortsordinarii lag. Das im Jahr 1907 von der Konzilskongregation unter Papst Pius X. 203 Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones, Bd. II, S. 570. 204 Aymans/Mörsdorf, Kanonisches Recht, S. 389. 205 Pius XI., Enzyklika Casti connubii, 31. Dezember 1930, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, II (1976) 1200 (VII, 60–61). 206 Aymans/Mörsdorf, Kanonisches Recht, S. 391.
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erlassene Dekret Ne temere beinhaltete eine einheitliche Neuregelung des Eheschließungsrechts und fand in den CIC 1917 Eingang.207 Aufbauend auf dem Decretum Tametsi des Tridentinums führte es die aktive Assistenz des Pfarrers und die Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern durch die Eheschließung ein. Erst der CIC 1917 brachte die Regelung, dass eine konfessionverschiedene Ehe nur gültig geschlossen wird, wenn es zu einer katholischen Eheschließung kommt, die wiederum das Versprechen der katholischen Kindererziehung und das Bemühen um die Konversion des nichtkatholischen Ehepartners voraussetzte. Ohne das Versprechen der katholischen Taufe und Erziehung konnte gemäß c. 247 § 3 CIC 1917 nur der Papst selbst und nicht die ansonsten zuständige Glaubenskongregation von diesem Ehehindernis dispensieren.208 Die bis zur Einführung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung bestehende Option einer vertraglichen Regelung im zivilen Rechtsbereich wurde von der Katholischen Kirche insbesondere im Hinblick auf die im Geltungsbereich des CIC von 1917 vorgesehenen Kautelen begrüßt. Gemischte Ehen ohne die Leistung der Bürgschaft der katholischen Taufe und Erziehung waren mit schweren Kirchenstrafen bis zum Ausschluss von den Sakramenten und der Verweigerung eines kirchlichen Begräbnisses bedroht.209 Unter Berufung auf c. 1060 CIC 1917 wiederholte Pius XI. das Verbot des Eingehens einer Mischehe aus den bekannten Gründen.210 Auch Pius XII. (1876–1858) vertrat mit seiner Enzyklika Mystici corporis noch 1943 die Auffassung, daß es außerhalb der Kirche nur „Häretiker und Schismatiker“ gäbe.211 Die auf einer Religions- oder Konfessionsverschiedenheit basierende Mischehe blieb im CIC 1917 gemäß c. 1060 sohin nach wie vor verboten. Doch gewährten die im Eherecht des CIC 1917 vorgesehenen Kautelen die Möglichkeit einer Dispensierung. Zur Dispens von den Mischehenhindernissen gemäß den cc. 1060 und 1070 CIC 1917 trat das Erfordernis der „moralischen Gewissheit (…), dass diese Bürgschaften auch wirklich erfüllt werden.“212 C. 1061 § 1 n. 2 CIC 1917 normierte den Vorrang des Erziehungsrechts des katholischen Partners und gestattete eine Dispens vom Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit nur unter der 207 Konzilskongregation, Dekret Ne temere, 10. August 1907, http://www.ewtn. com/library/CURIA/NETEMERE.html (Stand 05. 11. 2013). 208 Köstler, Das österreichische Konkordats-Eherecht, S. 57. 209 Kammerloher-Lis, Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. juli 1921, S. 54. 210 Pius XI., Enzyklika Casti connubii, 31. Dezember 1930, in: Utz/Gahlen, II (1976) (VII, Rz. 129). 211 Neuner, Die Lebenssituation konfessionverschiedener Ehen. Eine kritische Analyse, S. 9 (10, 11). 212 Gerhartz, Die Verpflichtung zur religiösen Kindererziehung in katholischer Sicht, in: Gerhartz/Wilkens/Leist/Bovet, Peter und Emerita (Hrsg.), Kindererziehung in der Mischehe, S. 17 (33).
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Bedingung, dass der katholische sowie der nichtkatholische Teil sich zur katholischen Taufe und Erziehung der ehelichen Kinder verpflichteten. Unter dem Vorbehalt derselben Dispense stand die Eheschließung mit einem vom Glauben abgefallenen und mit einem nichtgetauften Partner gemäß den cc. 1065 § 1 und 1070 § 1 CIC 1917. Die Kautelen hatten der Form einer schriftlichen Bürgschaft zu entsprechen und waren nach Auffassung der Kirche so zu leisten, dass ihre Erfüllung auch im staatlichen Recht sichergestellt war. Demgegenüber bestimmte § 4 des staatlichen Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921, dass Verträge über die religiöse Erziehung eines Kindes ohne bürgerliche Wirkung sind.213 Die Prüfung der Befähigung zur katholischen Erziehung erfolgte im Brautexamen gemäß c. 1020 § 2 CIC 1917. Nach dem CIC 1917 konnten nur der Papst oder die von ihm dazu bevollmächtigten Bischöfe vom Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit dispensieren. Voraussetzungen waren die Beseitigung der „Gefahren für das Seelenheil des katholischen Partners“ und die Erfüllung der Bedingungen für die „Bewahrung des katholischen Glaubens und die katholische Erziehung aller Kinder“.214 Unbeschadet des gemäß c. 1060 CIC 1917 normierten Verbots einer Eheschließung für den Fall der Gefahr eines Glaubensabfalls für den katholischen Ehepartner oder die Kinder, war eine Eheschließung unter Vorliegen dieses verbietenden Ehehindernisses zwar unerlaubt, aber nicht ungültig.215 Bemerkenswert ist, dass dem genannten Ehehindernis neben jenen des einfachen Gelübdes und der gesetzlichen Verwandtschaft das Attribut eines strengen Verbots beigefügt wurde. Dies mag im Konnex dazu stehen, dass der diesem Ehehindernis innewohnende Umstand der befürchteten Auswirkungen gegenüber Dritten, nämlich dem katholischen Ehepartner oder den Kindern, eine besondere Gravität beigemessen wurde, die nach heutigem Verständnis im Blick auf die Implikation eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und die Religionsfreiheit diametral beurteilt werden kann. C. 1061 CIC 1917 nennt weiterreichende Dispensgründe als c. 84 § 1 CIC 1917, der den Dispensbegriff allgemein definiert, indem nur gerechte und schwerwiegende Gründe eine Dispens vom kirchlichen Gesetz rechtfertigen.216 Eine Erweiterung des Dispensbegriffes im Bereich des Eherechts erscheint im Sinne des allgemeinen, einer Diskriminierung entgegenwirkenden Sachlichkeitsgebots gerechtertigt. 213 BGBl.Nr. 155/1985, Wiederverlautbarung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung, http://www.rdb.manz.at/document/ris.c.BGBL_OS_19850430_0_0155 ++?execution=e1s4&highlight=religi %C3 %B6se+kindererziehung (abgefragt am 11. 10. 2015). 214 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft, S. 97. 215 Ibid., S. 105. 216 Ibid., S. 109.
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Der CIC 1917 widmet dem Familienrecht keinen eigenen Abschnitt. Die Institution der Familie bildete einen indirekten Bestandteil des Eherechts, respektive der in den cc. 1010 bis 1017 geregelten Ehewirkungen.217 Zumal eine allgemeine Definition der Laien und ihrer allgemeinen Rechte und Pflichten im CIC 1917 fehlte, fand sich kein Raum für die Normierung einer Erziehungspflicht der Eltern unabhängig vom Vorliegen eines Ehebandes. Erst im ersten Teil des dritten Buches De rebus, im Zusammenhang mit der Definition des Ehesakramentes und den damit verbundenen Rechten und Pflichten, im Kapitel über die Ehewirkungen, De matrimonii effectibus, normierte c. 1113 CIC 1917 die strenge Pflicht der Eltern zur religiösen Erziehung. C. 1113 CIC 1917 führte zuerst die religiöse und moralische und erst dann die körperliche und die staatsbürgerliche Erziehung an. Der CIC 1983 nennt zuerst die leibliche, die soziale und die kulturelle Erziehung und sodann die sittliche und die religiöse, wie es der themenspezifischen Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, Gravissimum educationis, entspricht. Die primäre Nennung der weltlichen Erziehung und des zeitlichen Wohlergehens verweist auf die Anerkennung der Eigenberechtigung der Person des Kindes und die korrespondierende Verpflichtung der Eltern. Die religiöse Erziehung wird als katholische Erziehung interpretiert.218 C. 1113 CIC 1917 stützt sich auf die Darlegung des Thomas von Aquin: „Parentes gravissima obligatione tenentur prolis educationem tum religiosam et moralem, tum physicam et civilem pro viribus curandi, et etiam temporali eorum bono providendi.“ („Die Eltern haben die strenge Verpflichtung, sowohl für die religiöse und sittliche wie für die körperliche und staatsbürgerliche Erziehung der Nachkommenschaft und auch für deren zeitliches Wohlergehen nach Kräften Sorge zu tragen.“)219
Der CIC 1917 reihte das Erziehungsrecht der Eltern vor jenem des Staates ein. Von dieser Seite eingeschränkt wurde es nur durch das Fehlen, die Unfähigkeit oder die Unwürdigkeit der Eltern. Die Verwendung des Terminus obligatio verweist auf einen zwar nicht rechtlich durchsetzbaren Anspruch, doch ist es mehr als ein officium, eine bloße Pflicht. Vielmehr ging es um die Einforderung einer persönlichen Verbürgung. Der Stellenwert und das Ausmaß wurden mittels Superlativ definiert. Dieser lässt den Schluß auf drei Bezugspunkte zu: Wie dargelegt, ist elterliche Erziehungspflicht nach dem CIC 1917 primär eine Wirkung der Ehe. Ordnet man die Erziehungspflicht nicht den deklara217 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 12. 218 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1171 (1175). 219 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) 1410 (IX, Rz. 65).
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tiven Wesensmerkmalen der Ehe zu, wie es der gegenwärtig vorherrschenden Interpretation der Lehre entspricht, sondern qualifiziert man sie unter Zugrundelegung des dargestellten Perspektivenwechsels als konstitutives Element per se, scheint die Qualifikation des Erziehungsauftrags als erstrangige aus dem Eheband resultierende Pflicht auch im historischen Kontext des CIC 1917 bereits vertretbar zu sein. Dieser Aspekt ist vor allem im Zusammenhang mit der Begründung der Unauflöslichkeit des Ehebandes von entscheidender Bedeutung, zumal darin in besonderer Weise die Ausstrahlung der wesensimmanenten, permanenten Wirkungen des Tauf- und Ehesakramentes zum Tragen kommt. In Erfüllung dieses Anspruches trifft die Eltern nicht nur die Verpflichtung zur entsprechenden Teilnahme am Dienst der Verkündigung, sondern auch jene zur Teilnahme am Dienst der Heiligung, die in der partizipativen Hinführung zu den Sakramenten im Allgemeinen und dem damit implizit verbundenen Streben nach Bewahrung des Ehesakramentes ihren Ausdruck finden soll. Allein dieser Ansatz vermag dem inhaltlichen Anspruch einer katholischen Erziehung in der Ehe adäquat zu begegnen, deren Ziel in der Hinführung zur freien Entfaltung individueller Persönlichkeit und der Verwirklichung der eigenen Identität besteht, weil er die axiomatische Symbiose von Freiheit und Verantwortung zum Ausdruck bringt. Sodann ist die unabhängig vom Vorliegen einer katholischen Ehe gegebene primäre Stellung der Eltern als Erzieher in den Blick zu nehmen. Das Subsidiaritätsprinzip ist im c. 1113 CIC 1917 immanent erfasst und wurde erst im CIC 1983 explizit normiert. Demnach kommt das primäre Recht zur Erziehung den Eltern zu. Diese tragen die erste Verantwortung für die religiöse, moralische, leibliche und bürgerliche Erziehung sowie das zeitliche Wohl ihrer Kinder. C. 1114 leg. cit. normiert die Rechtsvermutung der Ehelichkeit eines Kindes mit seiner Geburt ab dem sechsten Monat nach der Eheschließung und innerhalb von zehn Monaten nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. Durch die Legitimation wurden uneheliche Kinder bereits nach dem c. 1117 CIC 1917 den ehelichen gleichgestellt. Gemäß den cc. 89 und 1648 unterstanden die Kinder bis zur Volljährigkeit der Gewalt des Vaters. Nach c. 93 § 1 richteten sich ihr Wohnsitz, sowie ihre Pfarr- und Diözesanangehörigkeit gemäß c. 94 § 1 und damit auch der im c. 1561 geregelte Gerichtsstand nach dem des Vaters. Nach c. 94 § 2 konnten Kinder nach dem vollendeten siebenten Lebensjahr einen eigenen, außerordentlichen Wohnsitz begründen. Im innerkirchlichen Verhältnis hielt die Kirche an ihrem ersten Recht zur Erziehung der Kinder fest, normierte allerdings die Vorrangstellung des elterlichen Erziehungsrechts gegenüber jenem des Staates. Grundlage für den c. 1113 CIC 1917 bildete die Enzyklika Arcanum divinae sapi entiae von Papst Leo XIII. aus dem Jahr 1880:
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„(…) et vicissim in liberis tuendis atque ad virtutem potissimum informandis omnes parentum curas cogitationesque evigilare necesse est.“ („insbesondere die Verteidigung der Macht der Bildung für alle Kinder, und umgekehrt, in der Pflege und den Gedanken ihrer Eltern, ist es nötig, wach zu halten.“)220
Drittens wird mit dem Terminus gravissima obligatio mittelbar auf den Inhalt der christlichen Erziehung Bezug genommen, deren Eckpunkte nicht nur an der religiösen, sondern auch an der moralischen, der physischen und der staatsbürgerlichen Erziehung festzumachen sind. Die Erfüllung nach Kräften, pro viribus, relativiert schließlich den Erziehungsauftrag insoweit, als dieser mit der Ausschöpfung des tatsächlich möglichen Bemühens als erfüllt gilt. In diesem Sinne wird auch die Verantwortlichkeit für das Verhalten Dritter, respektive des Partners, im gegenständlichen Kanon zwar noch nicht explizit doch im Sinne einer Normimmanenz berücksichtigt. Dieser im CIC 1917 noch nicht ausdrücklich normierte Ansatz findet seine später im CIC 1983 verwirklichte Konsequenz in der Bestimmung, dass der nicht katholische Partner nicht zur Beteiligung an der katholischen Erziehung gezwungen werden darf und seine Wurzel in der allgemeinen Freiheit des Glaubens und des Gewissens. Der CIC 1917 ordnete die Erziehungspflicht der Eltern den ehelichen Treuepflichten zu. Die nichtkatholische Erziehung durch einen Partner berechtigte den anderen zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gemäß c. 1131 § 1. Die Auswirkung der Eheaufhebung auf die Erziehung nach dem CIC 1917 orientierte sich am Grundsatz des favor fidei. Gemäß dem im c. 1132 normierten Privilegium Paulinum war das Erziehungsrecht dem nichtkatholischen Teil zu entziehen und dem katholischen Partner auch bei dessen Schuld an der Zerrüttung der Ehe zu übertragen. Auch an dieser Stelle kommt der von der Kirche beanspruchte Status des primären Erziehers deutlich zum Ausdruck. Verschiedene Entwürfe zur Regelung der Erziehung nach Trennung der Ehepartner oder nach Auflösung des Ehebandes berücksichtigten die überkommenen Ansätze aus dem Römischen Recht und aus den durch den Liber Extra hinzugekommenen Aspekten. Zudem wurde die Einbeziehung zivilrechtlicher Entscheidungen im Obsorgeverfahren vorgeschlagen.221 Entscheidende Implikationen brachte schließlich ein Entwurf des Weltepiskopates im Jahr 1913, der das besondere Augenmerk auf den Schutz und die Garantie der katholischen Kindererziehung legte. Der Entwurf implizierte die Anerkennung zivilrechtlicher Entscheidungen, ohne diese einer Beurteilung zu unterziehen:
220 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1174 (Übers. d. Verf.). 221 Ibid., S. 1181–1183.
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„Instituta separatione, filii educandi sunt penes coniugem innocentem, et si alter coniugum sit acatholicus, penes coniugem catholicum, nisi in utroque casu Ordinarius pro ipsorum filiorum bono, salva semper eorundem catholica educatione, aliud decreverit.“ („Nach der Trennung sind die Kinder in der Gewalt des unschuldigen Ehepartners, und wenn der eine nicht katholisch ist, in der Gewalt des katholischen Ehepartners, wenn dies auf keine Seite zutrifft, wird der Ortsordinarius zugunsten des eigenen Wohles der Kinder und für die stete Bewahrung deren katholischer Erziehung etwas Anderes bestimmen.“)222
Der Wortlaut des c. 1132 CIC 1917 ging auf die vorgeschlagene Anerkennung zivilrechtlicher Entscheidungen kaum ein. Im CIC 1983 tritt diese norma specialis der ehelichen Erziehungspflicht hinter die unbeachtlich des Vorliegens einer Ehe bereits mit der Elternschaft per se begründete Verantwortung zurück. Sohin bestand im CIC 1917 noch insofern ein Vakuum, als dem kindlichen Erziehungsanspruch ungeachtet des elterlichen Standes kein geschütztes Recht gegenüberstand. Dieses wurde durch die neue Kodifikation im Wege der Differenzierung zwischen der Erziehung innerhalb und außerhalb einer Ehe ausgefüllt. Unter Einem wurde damit insbesondere die spezifische Qualifikation der Erziehungspflicht als Wirkung der Ehe hervorgehoben. Im c. 1351 CIC 1917 wird die praedicatio, die Verkündigung des Evangeliums als Gegenstand des magisterium ecclesiasticum, des kirchlichen Lehramtes, unter die Prämisse der Glaubensfreiheit gestellt: „Ad amplexandam fidem catholicam nemo invitus cogatur.“ Zur Annahme des katholischen Glaubens darf niemand gegen seinen Willen gezwungen werden. Diese Feststellung war bereits im Corpus Iuris Canonici enthalten. Mit der Zuordnung dieser Norm in das Kapitel De sacris missionibus verzichtet der CIC 1917 allerdings noch auf das allgemeine Zugeständnis der individuellen Religionsfreiheit. Den Weg hierzu sollte erst Papst Johannes XXIII. (1881–1963) mit seiner während des Zweiten Vatikanischen Konzils 1963 veröffentlichten Enzyklika Pacem in terris ebnen.223 Der CIC 1983 stellt das Verbot des Glaubenszwanges schließlich an den Beginn der Bestimmungen über den Verkündigungsdienst und normiert in seinem c. 748 nach der eingangs festgelegten Pflicht zur Suche, Annahme und Bewahrung der Wahrheit die allgemeine Freiheit des Glaubens und des Gewissens. C. 748 CIC 1983 lautet: „§ 1. Omnes homines veritatem in iis, quae Deum eiusque Ecclesiam respiciunt, quaerere tenentur eamque cognitam amplectendi ac servandi obligatione vi legis 222 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1184 (Übers. d. Verf.). 223 Böckenförde, Einleitung zur Textausgabe der Erklärung über die Religionsfrei heit, S. 401 (406).
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divinae adstringuntur et iure gaudent.“ („Alle Menschen sind gehalten, in den Fragen, die Gott und seine Kirche betreffen, die Wahrheit zu suchen; sie haben kraft göttlichen Gesetzes die Pflicht und das Recht, die erkannte Wahrheit anzunehmen und zu bewahren.“) „§ 2. Homines ad amplectendam fidem catholicam contra ipsorum conscientiam per coactionem adducere nemini umquam fas est.“ („Niemand hat jemals das Recht, Menschen zur Annahme des katholischen Glaubens gegen ihr Gewissen durch Zwang zu bewegen.“)224
Im CIC von 1917 fand sich die zentrale Norm für die religiöse Kindererziehung der Kirche im dritten Buch, De rebus, im vierten Teil über die kirchliche Lehre, De magisterio ecclesiastico, unter dem Titel über die Schulen, De scholis. C. 1372 § 1 CIC 1917 normierte das Erfordernis der religiösen und moralischen Erziehung aller Gläubigen von Kindheit an. „Fideles omnes ita sunt a pueritia instituendi (…).“ § 2 leg. cit. wiederholte die gemäß C. 1113 CIC 1917 normierte Erziehungspflicht der Eltern und weitete diese auf alle an ihre Stelle Tretenden aus. Bemerkenswert ist die Terminisierung „ius et gravissimum officium“, womit wohl auf den institutionellen Charakter der Schule als Ort der Verwirklichung des Erziehungsrechtes der Kirche abgestellt wird. C. 1113 CIC 1917, der sich nur auf die Eltern bezieht, spricht von einer „gravissima obligatio“. Mit der Anordnung des c. 1372 im Abschnitt über die Schulen als Teilbereich des kirchlichen Lehramts steht dieser im Kontext des Erziehungsrechts der Kirche und impliziert damit primär die Hintanhaltung staatlicher Einflussnahme. Erst der CIC von 1983 stellt den kirchlichen Anspruch zugunsten der Hervorhebung der primären Pflicht und des primären Rechts der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder zurück. Aus dem c. 1372 folgt die Verpflichtung zum Besuch katholischer Schulen und die Sorgetragung für den Besuch des katholischen Religionsunterrichts als Gegenstand der katechetischen Unterweisung im Rahmen der Verkündigung, De divini verbi praedicatione. C. 1372 § 1 CIC 1917 lautete: „Fideles omnes ita sunt a pueritia instituendi ut non solum nihil eis tradatur quod catholicae religioni morumque honestati adversetur, sed praecipuum institutio religiosa ac moralis locum obtineat.“ („Alle Gläubigen müssen schon von Jugend an besonders in der wahren Religion und in christlichen Sitten erzogen werden. Eine religionslose Erziehung muss deshalb durchaus abgelehnt werden, wenn auch dabei keine Ausfälle gegen den wahren Glauben und die guten Sitten gemacht werden.“)225
224 Codex Iuris Canonici, 25. Jänner 1983, auctoritate Ioannis Pauli PP.II, 2012, Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.). 225 Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones, Bd. II, S. 569.
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§ 2 leg. cit. normierte weiterführend: „Non modo parentibus ad normam c. 1113, sed etiam omnibus qui eorum locum tenent, ius et gravissimum officium est curandi christianam liberorum educationem.“ („Die Eltern wie auch deren Stellvertreter haben nicht nur das Recht, sondern auch die schwerste Gewissenspflicht, nach Norm von Kan. für die christ katholische Erziehung der Kinder zu sorgen.“).226
Der Besuch nichtkatholicher Schulen war Katholiken verboten. In begründeten Fällen konnte der Ortsordinarius den Besuch einer nichtkatholischen Schule erlauben. Die Bindung an den Ansatz des „tolerari possit“ gemäß c. 1374 CIC 1917 gefährdete das allgemeine Recht auf Schulbildung: „Pueri catholici scholas acatholicas, neutras, mixtas, quae nempe etiam acatholicis patent, ne frequentent. Solius autem Ordinarii loci est decernere, ad normam instructionum Sedis Apostolicae, in quibus rerum adiunctis et quibus adhibitis cautelis, ut periculum perversionis vitetur, tolerari possit ut eae scholae celebrentur.“ („Katholische Kinder dürfen akatholische Schulen, religionslose Schulen oder Simultanschulen nicht besuchen. In Ausnahmefällen steht einzig und allein dem Orts ordinarius die Entscheidung zu, ob wegen besonderer Umstände der Besuch dieser Schulen gedultet werden kann, wie auch er besondere Vorsichtsmaßregeln geben soll, um den mit einem solchen Besuch verbundenen Gefahren vorzubeugen. – Bei all dem soll der Ordinarius sich an die vom Apostolischen Stuhl erlassenen In struktionen halten.“)227
Die Rahmenbestimmung des c. 336 § 2 CIC 1917 verpflichtete den Ortsordinarius zur Sorgetragung für die religiöse Erziehung der Kinder. Somit bestand eine direkte Verpflichtung der Bischöfe hinsichtlich der Gewährleistung der Katechese in der Schule. Damit verband sich die von der Kirche beanspruchte Kompetenz zur Beaufsichtigung des Religionsunterrichts gemäß c. 1381 § 1: „Religiosa iuventutis institutio in scholis quibuslibet auctoritati et inspectioni Ecclesiae subiicitur.“ („Die religiöse Unterweisung der Jugend untersteht in allen Schulen ohne Ausnahme der Autorität und Beaufsichtigung der Kirche.“),
sowie gemäß § 2 leg. cit. das Recht und die Pflicht zur allgemeinen Schulaufsicht im Hinblick auf die Vermittlung des rechten Glaubens und der guten Sitten: „Ordinariis locorum ius et officium est vigilandi ne in quibusvis scholis sui territorii quidquam contra fidem vel bonos mores tradatur aut fiat.“ („Die Ortsordinarien haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, darüber zu wachen, daß in den in ihrem Sprengel gelegenen Schulen nichts gelehrt oder getan wird, was dem Gauben oder den guten Sitten widerspricht.“)228
226 Ibid.
227 Ibid., 228 Ibid.,
S. 569, 570. S. 572.
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Das Approbationsrecht für die Religionsbücher und das Recht zur Erteilung der missio canonica regelte § 3 leg. cit.: „Eisdem similiter ius est approbandi religionis magistros et libros; itemque, religionis morumque causa, exigendi ut tum magistri tum libri removeantur.“ („Den genannten Ortsordinarien steht auch das Recht zu, die Lehrer und Bücher für den Religionsunterricht zu genehmigen. Außerdem haben sie das Recht, zu verlangen, daß aus Gründen der Religion und der guten Sitten Lehrer oder Bücher entfernt werden.“)229
Gemäß c. 1322 § 2 verstand die Kirche ihr Recht und ihre Pflicht zur Verkündigung des Evangeliums unabhängig von jeder weltlichen Gewalt. Im fünften Buch des CIC 1917, De delicti, normierte der c. 2319 § 1 n. 2 die von selbst eintretende Exkommunikation beim Eingehen einer Ehe mit der Vereinbarung, dass alle oder einige der Kinder nicht katholisch erzogen werden sollten: „Subsunt excommunicationi latae sententiae Ordinario reservatae catholici: Qui matrimonio uniuntur cum pacto explicito vel implicito ut omnis vel aliqua proles educetur extra catholicam Ecclesiam.“ („Der genannten Exkommunikation verfallen auch diejenigen Katholiken, die eine Ehe eingehen mit der Vereinbarung, alle oder einen Teil der Kinder außerhalb der katholischen Kirche zu erziehen.“)230
Mit derselben Sanktion war die wissentliche, nichtkatholische Taufe gemäß n. 3 leg. cit. bedroht: „Qui scienter liberos suos acatholicis ministris baptizandos offerre praesumunt.“ („Die dem Ordinarius reservierte Exkommunikation trifft auch jene Katholiken, die sich wissentlich (scienter) herausnehmen (praesumunt), ihre Kinder von einem akatholischen Religionsdiener taufen zu lassen.“)231
Ebenso waren das wissentliche Erziehen und der Unterricht in einer nichtkatholischen Religion gemäß n. 4 leg.cit. sanktionsbewehrt: „Parentes vel parentum locum tenentes qui liberos in religione acatholica educandos vel instituendos scienter tradunt.“ („Dieser Exkommunikation verfallen auch die katholischen Eltern und deren katholische Stellvertreter, welche die Kinder wissentlich in einer akatholischen Religion erziehen oder unterrichten lassen.“)232
Die strafrechtliche Sanktion der Exkommunikation gemäß c. 2319 CIC 1917 wurde unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgehoben.
229 Ibid.
230 Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones, Bd. III, S. 572, 573. 231 Ibid., S. 573. 232 Ibid., S. 574.
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In seinem Motu Proprio Matrimonia mixta aus dem Jahr 1970 betonte Papst Paul VI. zum einen die mit einer Mischehe verbundenen Schwierigkeiten unter Differenzierung der konfessionsverschiedenen Ehe sowie der Ehe zwischen Getauften und Nichtgetauften. Gleichzeitig verwies er auf das natürliche Recht der Menschen, eine Ehe zu schließen und Kindern das Leben zu schenken. Vor diesem Hintergrund unterstrich Papst Paul VI. den Auftrag der Kirche, eine Regelung zu treffen, die einerseits die Vorschriften des göttlichen Rechts wahrt und andererseits das schon erwähnte Recht des Menschen auf die Ehe sicherstellt.233 Bemerkenswert ist der Hinweis des Papstes, daß es in der Zusammenschau zwischen rechtlicher Eheschließungsform, liturgischer Feier und pastoraler Betreuung der Ehegatten und ihrer Kinder keine einheitliche Gesetzgebung geben könne. Diese Einschätzung verweist bereits auf das Erfordernis der Sorgetragung für extrasakramentale familiäre Lebensrealitäten unbeschadet der Aufrechterhaltung der sakramentalen Ordnung.
XII. Zur educatio liberorum im vorkonziliären Lehramt Papst Pius XI. berief sich in seiner Enzyklika Divini illius magistri im Jahr 1929 auf Gregor von Nazianz, der die religiöse Erziehung der Kinder und Jugendlichen als „Kunst der Künste und Wissenschaft der Wissenschaften“ qualifizierte.234 Dieses päpstliche Lehrschreiben machte den Themenkomplex der Erziehung erstmals zu einem expliziten Schwerpunkt einer Enzyklika. Unter einem zeichnet sich in dieser vage ein Wendepunkt hinsichtlich der historisch überkommenen Positionen des kirchlichen Lehramtes in den grundlegenden Fragen zur Erziehung ab. Noch anerkennt die Kirche nicht die persönliche Freiheit des Gewissens und betont den christlichen Anspruch gegenüber allen Menschen.235 Pius XI. definiert die Kirche und den Staat jeweils als societas perfecta und begründet dies mit der Verfügbarkeit der zur Erreichung des eigenen Zwecks erforderlichen Mittel. Demgegenüber sei die Familie eine unvollkommene Gesellschaft236: „Die Kirche sagt nicht, daß die Moral rein nur ihr (im Sinn von ausschließlich), sondern daß sie ihr gänzlich angehöre. Niemals hat sie behauptet, dass außerhalb ihres Schoßes und ohne ihre Belehrung der Mensch keinerlei moralische Wahrheit zu erkennen 233 Paul VI., Motu proprio Matrimonia mixta, 31. März 1970, http://www.w2.vati can.va/content/paul-vi/en/motu_proprio/documents/hf_p-vi_motu-proprio_19700331_ matrimonia-mixta.html (Stand 12. 03. 2015). 234 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX., Rz. 110, zitiert nach Gregor von Nazianz, Oratio II, PG XXXV 426. 235 Ibid. 236 Ibid.
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vermöge.“237 Befremdlich mutet die dem angeführten Zitat durch Papst Pius XI. angeschlossene Bemerkung an, daß es „bemerkenswert“ sei, „wie gut ein Laie (…) diese katholischen Grundwahrheiten zu erfassen und auszudrücken verstand (…)“ („Atque notatu dignum est quam perspicue gravissimum hoc catholicae doctrinae caput intellexertit ad declaraverit e laicorum ordine vir …).“ Gegenwärtig weiß die Kirche das Engagement der Laien gerade ob deren spezifischer Berufung als fruchtbaren und unverzichtbaren Beitrag einzuordnen. Gleichzeitig betonte Papst Pius XI. die subsidiäre Rolle des Staates, dem „die Erziehung seiner Bürger nicht gleichgültig“ sein dürfe, dessen Beitrag jedoch auf einen Beistand beschränkt sein müsse. Der Staat habe die Aufgabe, alles beizusteuern und zu beschaffen, was „notwendig und nützlich ist, um das Wirken der Familie zu unterstützen und zu vervollkommnen.“ Der Papst begründete diese Aufgabe des Staates unter anderem damit, dass es nur recht sei, wenn der Staat die verfügbaren Mittel zum Nutzen jener verwende, von denen er sie erhalten hat.238 Zur Familienerziehung führt die Enzyklika beispielhaft einen von Silvio Antoniano stammenden Traktat an: „In der Tat teilt Gott der Familie in der natürlichen Ordnung unmittelbar die Fruchtbarkeit, das Prinzip des Lebens, mit und darin das Prinzip der Erziehung zum Leben samt der Autorität, dem Prinzip der Ordnung.“ („Namque cum familie, in naturali ordine, Deus proxime fecunditatem communicat, principium vitae ideoque principium educationis ad vitam, una simul cum auctoritate, quae est ordinis principium.“)239
Der Terminus principium schließt neben der Wortbedeutung des Grundsätzlichen unter einem den Beginn, also den Ursprung, ein. Antoniani demonstriert, dass das innerste Postulat der Erziehung die Erziehung zum Leben ist, das in der Familie seinen Ausgangspunkt und die Quelle natürlicher Autorität und Ordnung findet. Divini illius magistri bekräftigt einerseits die Grundlegungen des CIC 1917, läßt aber bereits eine Abkehr vom Absolutheitsanspruch erkennen. Außerdem spricht Papst Pius XI. erstmals von einem „ius familiae“ und nicht nur vom „ius parentae.“ Die von Papst Pius XI. eingenommene Perspektive ist allerdings beinahe ausschließlich jene der Eltern und ihres Rechtes auf Erziehung. Der Erziehungsanspruch des Kindes 237 Ibid.,
Rz. 44. Allocutio, Päpstlicher Brief von Msgr. Angelo Dell’Aqua, Substitut des Staatssekretariates, an Charles Flory, Präsident der „Sozialen Wochen Frankreichs“, L’Osservatore Romano, 9. Juli 1957, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) 1400 (IV, Rz. 30). 239 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX., Rz. 110, zitiert nach Gregor von Nazianz, Oratio II, PG XXXV 426. 238 Pius XI.,
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findet nur fragmantarisch Erwähnung, im Vordergrund stehen pastorale Aspekte. Ein eigener Abschnitt über die Rechte des Kindes fehlt. Grundlage hierfür bildet das alle Ebenen innerhalb der Kirche tangierende Verständnis des hierarchischen Modells. Betont die Enzyklika Divini illius magistri noch das Erziehungsrecht der Kirche, wird die konziliare Erklärung Gravissimum educationis später den Ansatz des Rechtes des Kindes betonen und das Pflichtrecht der Eltern in das Zentrum stellen.240 Ungeachtet der partiellen Anerkennung einer Eigenberechtigung des Kindes wurde die Betonung der elterlichen Erziehungspflicht per se im Sinne des c. 1013 § 1 1917, „(…) quod debita prolis educatione continetur“,241 ungebrochen aufrechterhalten. In diesem Konnex findet die spezifische, gesellschaftsrelevante Kompetenz der christlichen Ehepaare und Familien zunehmend Anerkennung. Der Staatszweck, „(…) das Gemeinwohl natürlicher Ordnung, besteht in Friede und Sicherheit (…).“242 Daraus ergibt sich vor allem eine Schutzfunktion des Staates gegenüber der Familie und ihren einzelnen Mitgliedern. Das Positivum der 1929 durch Pius XI. verfassten Enzyklika Divini illius magistri ist das erstmalige Aufgreifen der Erziehung als eigener Agenda in diesem Rahmen. Inhaltlich werden die mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit in Verbindung stehenden, themenspezifischen Punkte wie jener der freien Wahl der Schule oder die volle Anerkennung gemischter Ehen allerdings noch verkannt, dies ungeachtet zahlreicher wertvoller Implikationen zur christlichen Erziehung. So betonte Divini illius magistri noch den Vorrang der christ lichen Erziehung und das Erziehungsrecht der Kirche. Die Aussagen des kirchlichen Lehramtes werden zusammenfassend und vorausschauend, jedoch in nicht erschöpfender Weise dargelegt. Letztlich tragende Maßstäbe rekrutieren sich aus dem Gewissen und der Verantwortung der Eltern.243 Das Zweite Vatikanum stellt die Würde der Person in das Zentrum und trägt dem daraus resultierenden Postulat menschlicher Freiheit und Verantwortung Rechnung. Auf Grundlage der Erklärung über die christliche Erziehung, Gra vissimum ecucationis, formiert der CIC 1983 einen impliziten Anspruch des Kindes auf Erziehung. Papst Pius XII. (1876–1958) anerkannte den gesellschaftlichen Wandel, der sich auch auf die veränderte Rolle der Frau in der Familie auswirkt und sprach nicht mehr von einer Umkehrbarkeit dieser Entwicklung, sondern beschränkte sich auf den Hinweis der mit dieser Entwicklung einhergehen240 Fürst,
Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 56. Casti connubii, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) 1200 (VII, 60–61). 242 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX, Rz. 72. 243 Erlinghagen, Grundfragen katholischer Erziehung, S. 24. 241 Pius XI.,
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den Gefahren: „Der Vater muß darin244 seine Rolle als Oberhaupt ausüben, er muß seinen Kindern die seiner religiösen Überzeugung entsprechende Erziehung geben können und im bürgerlichen Leben eine Autorität genießen, die seiner wirklichen Bedeutung entspricht. Daraus ergeben sich zahlreiche Probleme bezüglich der Arbeit, der Wohnung, der Stellung der Frau, (…).“245 Eine Gleichberechtigung von Mann und Frau ist Papst Pius XII. allerdings noch fremd. In seiner Rede am ersten internationalen Kongress der europäischen Privatschulen betonte Papst Pius XII., dass die „ernstliche Analyse der historischen und philosophischen Grundlagen der Erziehung“ zeige, daß „die Schule ihren Auftrag nicht allein vom Staat erhält, sondern in erster Linie von der Familie (…). Die Ausbildung der menschlichen Persönlichkeit ist vor allem Sache der Familie. Der Primat des Familienmilieus in der Erziehung zeigt sich übrigens auch in der häufigen Unfähigkeit des Schulmilieus, allein schweren familiären Mängeln entgegenzuwirken. Andererseits hängt die Schule auch in dem Maße von der Gemeinschaft, deren Überlieferungen und Bedürfnissen und deren kulturellem Niveau und Wertorientierung ab, als sie Wissen, eine Gesamtheit von Kenntnissen, vermittelt, welche auf die äußere Wirksamkeit des einzelnen und vor allem auf dessen berufliche Tätigkeit hingeordnet sind.“246 Die Hervorhebung des primären Erziehungsrechts der Eltern verband Papst Pius XII. mit dem Verständnis für das in der Praxis oft nicht verwirklichbare Recht der freien Wahl einer Schule. „Das gute Beispiel der Eltern ist der beste Nährboden für die religiöse Entwicklung des jungen Menschen und durch nichts Anderes ganz zu ersetzen. Wenn sodann die Teilnahme am kirchlichen Religionsunterricht auf zu große Hindernisse stoßen sollte, müßte das Elternhaus für die Kirche einspringen.“247 Es ist doch bemerkenswert, welche Verantwortung auf der Familie lastet, parallel dazu benötigt sie entsprechende Förderung und Schutz durch den Staat. Die Lehren der Enzyklika 244 Gemeint:
in der Familie, Anm. d. Verf. Die Sendung der weiblichen Jugend heute, in: Utz/Groner (Hrsg.), Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, III (1954) 719–725, Rz. 1445– 1455 (722, Rz. 1451), Ansprache in St. Peter an die weibliche Jugend Roms am ersten Jahrestag des Kriegsendes in Italien: 12. Mai 1946. 246 Pius XII., Die internationale Zusammenarbeit der privaten Schulen, in: Utz/ Groner (Hrsg.), Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, III (1961) (2945, 2946, Rz. 5040) Ansprache an die Teilnehmer des ersten Internationalen Kongresses der europäischen Privatschulen: 10. November 1957. AAS XLIX (1957) 1024–1027. 247 Pius XII., Freiheit von Religion und Leben, in: Utz/Groner (Hrsg.), Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, III (1961) 2592–2597, Rz. 4513–4522 (4517). 245 Pius XII.,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Divini illius magistri von Papst Pius XI. wurden von Papst Pius XII. bestätigt und weiter interpretiert. Letzterer verstand es wie nach ihm Papst Johannes XXIII.,248 die essentielle Bedeutung der familiären Erziehung weiter zu verdeutlichen. Seine Position zu den Fragen der Glaubens- und Religionsfreiheit und der Gleichheit von Mann und Frau stand allerdings noch im gleißenden Licht der durch seine Vorgänger überkommenen, diese Menschenrechte negierenden Lehre. Zudem war die Frage der Erziehung durch die Aufrechterhaltung der Verteidigung der tradierten Position vornehmlich klerikaler Kompetenz überschattet. Noch in der Zwischenkriegszeit gehörte der Großteil der Religionslehrer dem geistlichen Stand an.249 Auf der Grundlage der traurigen Erfahrungen im faschistoiden Herrschaftssystem des Zweiten Weltkrieges entfachte sich eine intensive Sehnsucht nach Orientierung und selbstbestimmter Urteilskompetenz. Kirchliche Forderungen fanden in der Bevölkerung breiten Rückhalt. Papst Johannes XXIII. verstand es zudem, der Würde des Menschen und seiner darin begründeten Freiheit und Gleihheit den Vorrang vor dem Anspuch der Kirche zu geben. Damit waren die Weichen für das von Papst Johannes XXIII. proklamierte Aggiornamento bestmöglich gestellt. In der Mitte des 20. Jahrhunderts distanzierte sich das kirchliche Lehramt von dieser die Religionsfreiheit des Einzelnen negierenden Haltung. Die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einhergehende neue Haltung der Kirche gegenüber der Religionsfreiheit untermauerte der Konzilspapst Johannes XXIII. (1881–1963) mit seiner Enzyklika Pacem in terris vom 3. Juni 1963, in der er die Religionsfreiheit als Menschenrecht qualifizierte. Die Anerkennung der Religionsfreiheit ist für den Bereich der öffentlichen Schule als Ort der Erziehung und Bildung von grundlegender Bedeutung.250 Darüber hinaus vollzog Papst Paul VI. (1897–1978) einen großen Schritt, indem er nicht – wie Papst Pius XII. – ähnlich einer Kapitulation vor dem gesellschaftlichen Wandel kombiniert mit einem erhobenen Zeigefinger vor Gefahren warnend in einer Stagnation verharrte, sondern konstruktiv, nahe am Menschen und seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit, Lösungsansätze anbot. Diese tangierten sowohl das innere Leben der Familie, als auch die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Organisation der Arbeit und der wirtschaftlichen Gebarung. In einem päpstlichen Brief des Prostaatssekretärs Giovanni Battista Montini, dem späteren Papst Paul VI., Autor der Enzyklika Humanae vitae, betonte dieser vehement das Recht der Eltern zur 248 Erlinghagen,
Grundfragen katholischer Erziehung, S. 7. Der Religionsunterricht im Spiegel von Konfessionalisierung und Entkonfessionalisierung der Schule im Stände- und NS-Staat, S. 75 (87). 250 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 22, 23. 249 Rinnerthaler,
XII. Zur educatio liberorum im vorkonziliären Lehramt
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Erziehung ihrer Kinder, indem er ausführte, dass „die Eltern ein erstrangiges, in der Naturordnung begründetes Recht auf die Erziehung ihrer Nachkommenschaft haben, ein Recht, das unverletzlich ist und dem der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates voransteht.“ Der Staat müsse daher „die freie Ausübung dieses Rechtes schützen“. Montini räumte ein, der Staat müsse „gegebenenfalls das Ungenügen der Familie ergänzen (…), aber er darf sich niemals ungebührlich an die Stelle der Familie setzen.“ Von weiser Voraussicht – insbesondere hinsichtlich aktueller Fehlentwicklungen in diesem Konnex – zeugen auch die weiteren Ausführungen: „Und selbst da, wo er sich einschalten muss, sollte der Staat statt neue Institutionen zu schaffen, die bei den Eltern die Neigung begünstigen könnten, sich ihrer vormals eigenen Erziehungspflichten zu entledigen, lieber Lebens-, Arbeits- und Unterstützungsverhältnisse schaffen, die geeignet sind, der Familie ihre Erziehungsaufgabe zu erleichtern. Dies könnte erreicht werden durch Bekämpfung der Unsittlichkeit, durch Stärkung des Familienideals, durch den Einsatz der Ideenverbreitungsmittel und besonders durch Maßnahmen zur Förderung des Zusammenseins der Gatten in der Familie, sei es, indem man die Frauen der Notwendigkeit enthebt, sich außerhalb der Familie zu betätigen, sei es, ‚indem man dafür sorgt, daß die Arbeitsplätze und die Wohnstätten nicht so voneinander getrennt sind, daß sie den Familienvater und Erzieher seiner Kinder zum Fremdling in seinem eigenen Heim werden lassen‘ (Weihnachtsbotschaft 1942, Nr. 253). Dadurch würde auch eine innigere Zusammenarbeit der Gatten möglich, die gewiß auf allen Gebieten, aber doch ganz besonders in der Erziehung wünschenswert ist.“251
Der letzte Satz mutet revolutionär an, zumal die Zusammenarbeit der Gatten und nicht die Differenzierung zwischen Mann und Frau betont wird. Unter Bezugnahme auf die Qualifikation des Ursprungs der Familie als einem „wesentlich geheiligten Vertrag“, wie es Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Arcanum divinae sapientiae formulierte, hob Montini die Bedeutung des „religiösen Bewußtseins“ hervor und bezeichnete dessen Mangel als wesentlichen Ursprung aller „Nöte, unter denen die moderne Familie leidet.“ Entscheidend sei das im Ehesakrament implizierte Potential des „Aufschließens der Quelle göttlicher Kräfte“, der eine Gewährleistung für den Schutz der Einheit, der Würde und der Dauerhaftigkeit der Familie innewohne. Dies beschreibe die spezifische Aufgabe der Familie im „Corpus Mysticum.“252 1951 zitierte Angelo Dell’Aqua eine Rede Papst Pius XII. aus demselbem Jahr, in der der Papst die Kontinuität der Lehre der Kirche seit Papst Leo XIII. dokumentierte. 251 Montini, Die moderne Familie in der Krise der Zeit, in: Utz/Groner (Hrsg.), Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, III (1961) 2737, Rz. 4746, Päpstlicher Brief des Prostaatssekretärs G.B. Montini an den Kardinal-Erzbischof G. Siri von Genua anläßlich der 27. Sozialen Woche der Katholiken Italiens in Pisa: 10. September 1954, Oss. Rom. vom 21./22. September 1954. 252 Ibid., III, 2737, 2738, Rz. 4747.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Bereits in der Enzyklika Rerum novarum hatte Papst Leo XIII. 1891 die Familie als „eine zweifellos sehr kleine Gesellschaft, die aber wirklich ist und jeder bürgerlichen Gesellschaft vorausgeht und der eben darum mit absoluter Notwendigkeit bestimmte Rechte und bestimmte Pflichten zugeschrieben werden müssen, die vom Staat völlig unabhängig sind,“ charakterisiert. „Für den Christen gibt es eine Regel, die ihm erlaubt, mit Sicherheit das Maß der Rechte und Pflichten der Familie in der Gemeinschaft des Staates festzusetzen. Sie lautet so: Die Familie ist nicht für die Gesellschaft da, die Gesellschaft ist vielmehr für die Familie da.“253 Papst Pius XI. bekräftigte diese Haltung 1929. Divini illius magistri folgend, beschreibt er die Familie: „Die häusliche Gemeinschaft, die unmittelbar von Gott als Selbstzweck eingesetzt worden ist (…) hat aus diesem Grund Priorität der Natur und folglich auch Priorität des Rechts gegenüber der bürger lichen Gesellschaft.“ Papst Pius XII. wiederholte die ständige Lehre der Kirche: „Auch heute noch lernen die jungen Menschen in der Schule der Familie die Tugenden, die das Vaterland stark machen, namentlich Achtung vor der Autorität, Pflichtbewußtsein, Hingabe für andere. In der Schule der Familie, in der Treue gegenüber den sittlichen Werten der häus lichen Gemeinschaft entdecken sie die innerste Seele des Vaterlandes.“254 Hatte Pius XII. bereits essentielle Termini der Erziehung genannt, so erweiterte Johannes XXIII. deren Radius und intensivierte die Bezugnahme auf Inhalte. „Die christliche Erziehung muß, soll sie vollständig sein, alle Pflichtenkreise umfassen.“ In seiner Enzyklika Mater et magistra nimmt Johannes XXIII. 1961 Bezug auf die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen. „Es gilt, Selbstsucht und Materialismus einzudämmen. In kooperativem Zusammenwirken zwischen Erzieher und zu Erziehendem sind theoretische Ansätze mit dem Angebot praktischer Lösungsansätze zu verbinden. Wie der rechte Gebrauch der Freiheit erst durch den Gebrauch der Freiheit erlernt wird, so trifft es auch auf das Handeln auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet zu.255
Dieser Ansatz dockt unmittelbar an die gegenwärtig allseits proklamierte Prämisse partizipativer, innovativer und kooperativer Erziehungs- und Bil-
253 Dell’Aqua, Die geschlossene Einheit der Familie innerhalb des Staates, in: Utz/ Groner (Hrsg.), Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, III (1961) 2742–2748, Rz. 4553–4761 (2745, Rz. 4757) Päpstlicher Brief von Msgr. Angelo Dell’Aqua, Substitut des Staatssekretariates, an Charles Flory, Präsident der „Sozialen Wochen Frankreichs“: 9. Juli 1957, Oss. Rom. vom 17. Juli 1957. 254 Ibid., 2748, Rz. 4761. 255 Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, 15. Mai 1961, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 650 (IV, Rz. 423–427).
XIII. Zur Bestimmung der anni discretionis139
dungsprogramme an und begegnet damit den im themenspezifischen gesellschaftlichen Kontext stehenden Zeichen der Zeit.
XIII. Zur Bestimmung der anni discretionis „Nicht nur das Potential, sondern auch die zeitliche Dauer der Erziehung ist endlich. Kriterium ist das Stadium der Entfaltung des geistigen Vermögens. Der Übergang zur Selbstautonomie ist fließend. Als kirchliche Wegmarke gelten die anni discretionis.“256 Die Festlegung des Alters für das Vorliegen des hinreichenden Vernunftgebrauchs variierte in der Kirchengeschichte. Maßgebliches Kriterium war, dass der Heranwachsende „die Wichtigkeit seines Schrittes zu erkennen und die Schwere der übernommenen Last zu begreifen im Stande ist.“257 Neben das Erbe der griechischen Kultur und die römische Rechtsentwicklung tretend, erfuhr das Christentum die normative Entwicklung von Persönlichkeitsrechten mit der Anerkennung der mündigen Entscheidungskompetenz des Einzelnen als konstitutivem Merkmal der Autonomie der Person. Bereits die griechische und nachfolgend die römische Rechtskultur ordnete die erste discretio der Vollendung des siebenten Lebensjahres zu.258 In Anlehnung an Aristoteles schließt Thomas von Aquin das Einsetzen der capaci tas doli, der Sündenfähigkeit, vor dem siebenten Lebensjahr nicht aus. Ungeachtet dessen bleibe die elterliche Gewalt bis zum Eintritt der Pubertät aufrecht. Diese Positionen rechtfertigten ferner die Widerruflichkeit eines seitens der Eltern erklärten Klostereintrittes.259 Erste Anknüpfungspunkte für eine Relevanz der Frage nach Festlegung einer Altersgrenze für das Einsetzen des Vernunftgebrauchs bildeten die Institute des Verlöbnisses, der Heirat und des Ordenseintritts im weiteren Sinne. Letztgenanntem ist, wie bereits gezeigt, die im Rahmen der gegenständlich zu untersuchenden Historie der religiösen Kindererziehung einen besonderen und bedeutsamen Stellenwert einräumende Kinderoblation zuzuordnen. Die kirchenrechtliche Qualifikation der Entwicklung der anni discretionis läßt sich an diesem Institut besonders detailliert verfolgen. Dies insbesondere deshalb, weil sich aus der Genese gerade dieses Instituts ungeachtet seiner nur periphären allgemeinen Bedeutung zahlreiche markante Entwicklungsschritte in der kanonistischen Rechtsent256 Claßen, 257 Seidl,
Metaphysik der Bildung nach Thomas von Aquin, S. 226. Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern,
S. 158, 159. 258 Pföstl, Pueri oblati, S. 23, 24. 259 Roderfeld, Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschicht lichen Entwicklung, S. 79, 33.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
wicklung zur Kindererziehung ablesen und erklären lassen. Die Geschichte des Mönchtums schenkte der Definition des Reifealters immer ein ganz besonderes Augenmerk. Demgegenüber wurde das erforderliche Alter für den Zugang zu den Sakramenten der Eucharistie, der Beichte und Firmung etwa von Tertullian ohne nähere Interpretation schlicht vorausgesetzt. Die Übernahme der für das Verlöbnis, die Oblation und die Heirat beziehungsweise den Ordenseintritt relevanten Altersstufen übernahmen die Kanonisten aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Römischen Recht.260 Thematisiert wurde das Einsetzen des Vernunftsgebrauches nicht abstrakt, sondern vorwiegend im Konnex mit der Verlobungs- und Heiratsfähigkeit oder dem Klostereintritt. Aus der ab der Vollendung des siebenten Lebensjahres zugebilligten Unterscheidungsfähigkeit zwischen gut und böse folgte die capax doli, die Sündenfähigkeit, und die Fähigkeit, den rechten Glauben zu erkennen. Mit dem Erreichen der Unterscheidungsfähigkeit war es einem Kind demnach erlaubt, selbst und auch gegen den Willen der Eltern die Taufe zu verlangen.261 Die Auffassung des Mailänder Bischofs Ambrosius (339–397), dass das Heiratsalter von vierzehn Jahren für Knaben und von zwölf Jahren für Mädchen auch auf die Ordensprofeß anwendbar wäre, setzte sich in der Kirche zunächst durch und wurde in das kanonische Recht rezipiert. Für den verbindlichen Ordenseintritt legten zahlreiche Ordensstifter allerdings ein höheres Alter fest.262 Kaiser Justinian (527–565) machte die genannte theoretisch formulierte Altersgrenze rechtsgültig. Die Mündigkeit hing nun ausschließlich vom zwölften und vierzehnten Lebensjahr ab, weil eine Untersuchung der körperlichen Reife Justinian als anstößig und der Keuschheit seiner Zeit als unwürdig erschien. Abgesehen von der praktischen generellen Unmöglichkeit der Durchführung zeigte sich zudem der Einfluß der christlichen Moral. Diese Rechtsannahme war insbesondere für die Ehefähigkeit und für den endgültigen Eintritt in einen Orden relevant.263 Als bedeutendstes Konzil des Mittelalters legte das IV. Laterankonzil von 1215 den Beginn der Kommunion- und Beichtpflicht mit dem Eintritt der Jahre der Unterscheidung, der anni discretionis, fest.264 Das Konzil beschränkte sich auf die Beschreibung der Kriterien des usus rationis. Von der 260 Roderfeld, Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschicht lichen Entwicklung, S. 79, 31. 261 Ibid., S. 79, 29. 262 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern, S. 160. 263 Pföstl, Pueri oblati, S. 27. 264 Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, S. 100.
XIII. Zur Bestimmung der anni discretionis141
Festlegung einer konkreten Altersgrenze wurde hingegen abgesehen.265 C. 21 lautete: „Omnis utriusque sexus fidelis postquam ad annos discretionis pervenerit omnia sua solus peccata confiteatur fideliter saltem semel in anno proprio sacerdoti et iniunctam sibi pœnitentiam studeat pro viribus adimplere suscipiens reverenter ad minus in pascha eucharistiæ sacramentum nisi forte de consilio proprii sacerdotis ob aliquam rationabilem causam ad tempus ab eius perceptione duxerit abstinendum.“ („Nach dem Erreichen des Unterscheidungsalters sollen alle Gläubigen beiderlei Geschlechts zmindest ein Mal pro Jahr treu alle ihre Sünden vor ihrem eigenen Priester bekennen und soweit sie können die auferlegte Busse verrichten, zumindest zu Ostern sollen sie ehrfürchtig das Sakrament der Eucharistie empfangen, außer wenn sie sich vielleicht auf Rat ihres eigenen Priesters aus irgend einem vernünftigen Grund für eine bestimmte Zeit ausnahmsweise des Empfangs enthalten dürfen.“)266
Das Konzil von Trient (1545–1563) legte schließlich das sechzehnte ebensjahr als Untergrenze für den Ordenseintritt fest. Eine Anhebung des L Alters durch einzelne Orden blieb zulässig.267 Vereinzelt kam es in Interpretationsversuchen zu differenten Festlegungen der Altersgrenzen. Karl Borromäus (1538–1584) hatte etwa ein Diskretionsalter von zehn Jahren vorgeschlagen. Diese Ansicht konnte sich allerdings nicht durchsetzen.268 Das Salzburger Provinzialkonzil 1569 bezeichnete als übliches Alter für das Erreichen des Vernunftgebrauches das dreizehnte Lebensjahr, vor dem vom Reichen der Kommunion abgesehen werden sollte.269 Der über die Jahrhunderte dauernde Mangel einer einheitlichen und umfassenden Kodifizierung verwies das Recht der Kirche in eine anhaltende Interdependenz mit dem territorial jeweils geltenden weltlichen, kodifizierten und gewohnheitsmäßigen Recht. Eine umfassendere Normierung von Kinderschutzbestimmungen im welt lichen Recht wurde zunächst im Bereich des Vormundschaftsrechts verwirklicht und erst allmählich auf die Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern und auf den Bereich der Obsorge ausgedehnt. Unabhängig von fehlenden Schutzbestimmungen hinsichtlich Leib und Leben kam dem Kind bemerkenswerterweise eine vermögensfähige Rechtsposition bereits mit dem Beginn seiner Existenz zu. Die Leges barbarorum legten den Beginn der Mün265 Roderfeld, Rechtsprobleme der religiösen Kindererziehung in ihrer geschicht lichen Entwicklung, S. 79, 29, 30. 266 Concilium Lateranense 1215, IV. http://www.internetsv.info/Archive/CLate ranense4.pdf (abgefragt am 28. 04. 2014), (Übers. d. Verf.). 267 Seidl, Die Gott-Verlobung von Kindern in Mönchs- und Nonnen-Klöstern, S. 161. 268 Lentner, Die religiöse Unterweisung in der Reformationszeit, S. 114. 269 Ibid., S. 116.
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
digkeit mit dem zwölften Lebensjahr fest. Im Spätmittelalter wurde die Altersgrenze bis zum achzehnten oder sogar bis zum fünfundzwanzigsten Lebensjahr angehoben. Eine volle Handlungsfähigkeit des Kindes wurde erst mit dem Erreichen dieser Altersgrenzen anerkannt. Die Vormundschaft endete häufig erst mit der eigenen Haushaltsgründung, der separatio ab oeco nomia paterna, beziehungsweise der Eheschließung, womit sich für Töchter die Muntübertragung verband. Mit dem Sachsenspiegel kam es tendentiell zu einer Verschiebung von der elterlichen Gewalt zum Schutz gegenüber dem Kind. Das Recht der Aussetzung eines Neugeborenen wurde fallengelassen, erste Ansätze einer kindlichen Rechtsfähigkeit normiert und die Strafgewalt des Vaters auf ein Züchtigungsrecht beschränkt. Das Recht der Langobarden kannte nur sehr vereinzelt Mißbrauchstatbestände, die einen Verlust der väterlichen Munt bewirken konnten. Die Kirche sprach sich ebenso für die Ausübung des Züchtigungsrechts aus. Das kirchlicherseits verfügte Recht zur Eheschließung ohne elterliche Einwilligung ab der Pubertät bewog die Scholastiker zur Differenzierung von Person und Familie. Die Betonung kollektiver Momente in Gestalt sozialer Zwecke vor dem Hintergrund aristotelischer Begriffe wie Haus und Staat in der scholastischen Literatur führte allmählich zu einer Limitierung der Hausherrschaft. Der konfessionelle Staat überwachte die religiöse Erziehung. In der frühen Neuzeit wurde den Kindern mitunter sogar ein Recht zur Anrufung der Obrigkeit – etwa bei Verweigerung der Zustimmung zur Eheschließung – zugesprochen. Das Kindschaftsrecht der frühen Neuzeit wurde maßgeblich durch die Rezeption des römischen Rechts beeinflusst. Die Übernahme der römischrechlichen Altersgrenze von sieben Jahren für das Einsetzten der beschränkten Handlungsfähigkeit bildete das Fundament für die Entwicklung der elterlichen Gewalt zu einer „Vertretungsmacht“. Des Weiteren wurde die Rechtsstellung des Kindes im Rahmen der Aufklärung völlig neu gedeutet, zumal sich „individualistische Postulate gegenüber Familie und Gesellschaft“ den Weg bahnten. Aus dem Naturrecht rekrutierte Konzepte beeinflussten etwa John Locke (1632–1704) als liberalen Vertreter der Aufklärung und entfalteten ihrerseits eine reziproke Wirkung auf die Entwicklung kanonistischer Grundlegungen. In seinem Werk The Second Treatise of Government qualifizierte Locke das elterliche Bestimmungsrecht als Effekt der Sorgepflicht und nicht als Herrschaftsmoment. Es bestehe nur als Mittel der auf Gewinnung der Selbständigkeit gerichteten Erziehung und löse sich mit Erreichung dieses Zieles von selbst auf. Nach diesem Verständnis erhält das Kind eine eigene Rechtsstellung gegenüber den Eltern. Die gleiche Haltung vertrat Christian Wolff (1679–1754). Nach ihm gründet die elterliche Gewalt auf einem fiktiven Pakt und sei das Kind als Vertretungspartner der Eltern anzusehen. Damit war das Verbleiben mündiger Kinder unter der Hausherrschaft als Akt der Freiwilligkeit einzustufen und somit nicht erzwingbar. Erst die Gesetzgebung des aufgeklärten Absolu-
XIII. Zur Bestimmung der anni discretionis143
tismus im 19. Jahrhundert kleidete die Positionen der Neuzeit in rechtsverbindliche Normen. Das Recht des Kindes auf eigene Entfaltung kam unter anderem in weltlichen Bestimmungen zum Ausdruck: Gemäß den §§ 148 und 172 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches von 1811 hatte der Vater bei der Bestimmung der künftigen Lebensart des Sohnes auf dessen Neigungen Rücksicht zu nehmen. Bei gänzlicher Abneigung gegen die vom Vater gewählte Lebensart konnte der Sohn ab Vollendung des vierzehnten Lebensjahres das Vormundschaftsgericht anrufen. In seinem Kommentar zum ABGB merkte Franz von Zeiller (1726–1800) klar an, dass die väterliche Gewalt auf den Zweck der Erziehung eingeschränkt sei und keine Form des Eigentumsrechtes darstelle, wie es dem Römischen Recht entsprochen hatte.270 § 144 leg. cit. normierte die einvernehmliche Erziehung, freilich, wie aus Zeillers Kommentar hervorgeht, war im Kollisionsfall noch der Meinung des Vaters Folge zu leisten. Zeiller betrachtete diesen Zugang als selbstredend und somit keiner Normierung bedürftig, zumal das Kind offensichlich unvernünftigen Anordungen der Eltern keine Folge zu leisten hätte. Dies käme in Proportion zur Erlangung des usus rationis seitens des Kindes zum Tragen. Entsprechende Festlegungen fanden sich auch in den §§ 109–115 des Preußischen Allgemeinen Landrechts.271 Nach den Intentionen seines Initiators, Friedrich II. (1712–1786), wurde das ALR entsprechend einer expliziten Ordre auf der Grundlage der überkommenen, römischrechtlichen und auch naturrechtlichen Rechtsgrundlagen unter Einbeziehung gegenwärtiger Normen des kirchlichen wie staatlichen Rechts konzipiert.272 Im späteren 19. Jahrhundert wurden die aus der Aufklärung resultierenden Rechte wieder abgebaut oder auf die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle beschränkt. Das 20. Jahrhundert wurde zum Jahrhundert des Kindes proklamiert. Es kam zu grundlegenden Umgestaltungen des Kindschaftsrechts. Die sich in der Welt verbreiternde Tendenz zum Ausbau des staatlichen Schutzes und der staat lichen Förderung von Kindern bewirkte eine zunehmende Normierung der Rechtsposition des Kindes. Insbesondere die Jugenwohlfahrtsgesetze positionierten den Staat als assistierende Instanz der Erziehung, Ausbildung und Jugendsorge für alle, nicht nur für uneheliche oder elternlose Kinder. Einen entscheidenden Schritt bildete die rechtliche Gleichstellung der unehelichen Kinder im 20. Jahrhundert. Das römische Recht und der Sachenspiegel hatten das uneheliche Kind für rechtlos erklärt. Bis nach der Aufklärung war das uneheliche Kind in seiner Rechtsposition benachteiligt. Eine volle Rechtsfähigkeit konnte das Kind nur im Wege der Legitimation durch eine 270 ABGB 1811 – RepÖstRG, http://www.repoestrg.info/wp/abgb-1811/ (abgefragt am 31. 10. 2014). 271 PrALR-II-2, http://www.ra.smixx.de/Links-F-R/PrALR/PrALR-II-2.pdf (abgefragt am 31. 10. 2014). 272 Rainer, Das Römische Recht in Europa, S. 205.
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nachfolgende Eheschließung erreichen. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vater und dem unehelichem Kind war auf Unterhaltsansprüche beschränkt. Gegenüber der Mutter wurde das Rechtsverhältnis wie das eines ehelichen Kindes angesehen, doch war ein Vormund zu bestellen.273 Bis heute bildet das privatrechtliche Elternkindverhältnis nur einen kleinen Teil der recht lichen Regelungen der Rechtsstellung des Kindes. Mit der fortschreitenden Gleichbehandlung vom Mann und Frau setzte sich auch die Gleichbehandlung von Vater und Mutter durch. Die Erleichterung des Scheidungsrechtes hatte auch Auswirkungen auf die Rechte des Kindes. Die weltliche Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze vom 21. auf das 18. Lebensjahr sowie die Gleichberechtigung in der Obsorge und die Umwandlung der elterlichen Gewalt in die elterliche Sorge verband sich mit der Anerkennung und dem Ausbau der kindlichen Persönlichkeitsrechte. Den Eltern wurde zunehmend aufgetragen, Einvernehmen mit ihren Kindern anzustreben sowie deren wachsende Fähigkeiten und Bedürfnisse zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen. Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen wurden für unzulässig erklärt und die Schwelle für gerichtliche Eingriffe herabgesetzt. Die Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung und der Ausbau der gerichtlichen Kontrolle über die elterliche Sorge bildete eine Folge internationaler Konventionen wie etwa der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes aus dem Jahr 1989 und dem Europäischen Übereinkommen über die Ausübung von Kinder rechten aus dem Jahr 1989. Die vorgenannten Entwicklungen im weltlichen Recht bildeten und bilden mittelbar auch ein Postulat für ein gerechtfertigtes Gleichziehen innerhalb der Kirche.
XIV. Zur Entwicklung der themenspezifischen kanonischen Grundrechtsbegriffe Die Kirchenväter haben den Naturrechtsgedanken aus der griechisch-römischen Philosophie, der Stoa, in die christliche Sozialtheologie übernommen. Diese behauptet ein Recht, das aus der gottgeschaffenen Natur des Menschen und der zivilen Gemeinschaft resultiert. Verbunden mit der Begründung der Menschenrechte wurde dieses stoische Erbe zum Gemeingut des christlichen Abendlandes.274 Die Verknüpfung des biblischen Wissens mit dem aristo telisch-stoischen Naturrechtsdenken ist später vor allem das Verdienst der Scholastik, respektive des Dominikaners Thomas von Aquin. Ein weiterer Dominikaner, Francisco de Vitoria (1492–1546), und der Jesuit Francisco 273 Schwab, 274 Link,
Kind, Sp. 1736–1746. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 20.
XIV. Entwicklung themenspezifischer kanonischer Grundrechtsbegriffe 145
Suárez (1548–1617), beide Vertreter der spätscholastischen Schule von Salamanca, leiteten aus diesem Fundament eigene Personenrechte des Menschen ab. Diese Entwicklung fiel in die Zeit der Entdeckung der Neuen Welt. Auf der Grundlage dieser Expertisen sprachen sich die Päpste für die Verteidigung der Personenwürde aus. Papst Eugen IV. (1383–1447) verurteilte die Sklaverei und Papst Paul III. (1468–1549) verteidigte die Würde der Heiden. Dennoch bezog sich der allgemeine Freiheitsbegriff des 16. Jahrhunderts noch vornehmlich auf lediglich vereinzelt gewährte Priviligien.275 Erst beginnend mit der Neuzeit kam es zu einer Wende in Richtung einer sukzessiven Anerkennung der menschlichen Würde als Ausgangspunkt für die Gewährleistung der Religionsfreiheit. Die jedem Menschen gleichermaßen zukommende Würde bildet den Ursprung der Menschenrechte. Hieraus folgt wiederum ein Verständnis von Freiheit, „die den Menschen nicht in die Beliebigkeit entlässt, sondern ihn in seiner Verantwortung herausfordert.“276 Mit Papst Leo XIII. unternahm die Kirche erstmals konkrete Bestrebungen zur expliziten Implementierung von Menschenrechten. Lange vor der Anerkennung der allgemeinen Religionsfreiheit formulierte Papst Leo XIII. in seiner Sozialenzyklika Rerum novarum 1891 die sozialen Rechte der Arbeiter.277 Somit fand die erste konkrete Reflexion der Menschenrechte innerhalb der Kirche im Kontext der sozialen Frage, respektive der Sozialrechte, statt. Mit dem Apostolischen Brief Pervenuti l’anno definierte Papst Leo XIII. den kirchlichen Freiheitsbegriff: „Die Kirche, Feindin der Freiheit? (…) Wenn man unter Freiheit Gesetzlosigkeit versteht und ungebundene Willkür, die wird die Kirche gewiß verurteilen, aber auch jeder rechtliche denkende Mensch; aber wenn man unter Freiheit das vernunftmäßige Recht versteht, überall ungehindert nach den Normen des ewigen Gesetzes das Gute zu wirken – worin ja gerade die Freiheit bestehen muß, wenn sie der Menschen würdig sein und der Gesellschaft nützen soll –, so begünstigt, fordert und schirmt sie niemand mehr als die Kirche, Sie war es ja, die durch ihre Lehre und ihr Wirken die Menschheit von dem Druck der Sklaverei befreite, indem sie das große Gesetz der Gleichheit und Brüderlichkeit unter dem Menschen verkündete; sie trat zu allen Zeiten als Schirmherrin der Schwachen und Unterdrückten gegen die Übergriffe der Mächtigen auf; sie bezahlte die Freiheit des christ lichen Gewissens mit dem teuren Preis des Märtyrerblutes; sie gab dem Kinde und der Frau die naturgemäße Würde zurück, gesellschaftliche Gleichberechtigung und
275 Reingrabner,
Um Glaube und Freiheit, S. 22. Kommission Justitia et Pax, Gerechtigkeit für alle, S. 44. 277 Loretan, Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 16. 276 Deutsche
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Achtung; sie hat mitgeholfen, die bürgerliche und staatliche Freiheit der Völker zu schaffen und aufrecht zu erhalten.“278
Papst Pius XI. anerkannte die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Mit Papst Johannes XXIII. nahm das Streben nach der Verwirklichung der Menschenrechte einen zentralen Platz ein und gelangte die Kirche mit Papst Paul VI. schließlich offiziell zur Erkenntnis, dass dieses „eine ständige Selbstprüfung und Reinigung ihres eigenen Lebens, ihrer Gesetze, Institutionen und Planungen verlangt.“279 Die „zweite Phase“280 der kirchlichen Anerkennung von Grundrechten fällt in die Zeit nach der Veröffentlichung der Enzyklika Pacem in terris im Jahr 1963 durch Papst Johannes XXIII. und der damit verbundenen, erstmaligen lehramtlichen Anerkennung der Menschenrechte innerhalb der Kirche.281 Der Wortlaut der am 10. Dezember 1948 in Paris beschlossenen All gemeinen Erklärung der Menschenrechte findet sich in der Enzyklika wieder. Ungeachtet ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit bildet diese somit ein essentielles Fundament für die Entwicklung eines ursprünglich geplanten Grundrechtskataloges im CIC von 1983. Einen „weiteren Meilenstein in der kirchlichen Rezeption der Menschenrechte“ bildete das Zweite Vatikanische Konzil. Die theologische Aneignung der Grundforderungen der Menschenrechte fand vor allem in der Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, und in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes ihren Niederschlag. Mit Gaudium et spes anerkannte die Kirche die „Autonomie der weltlichen Realitäten“. Dieser Schritt implizierte auch die Offenheit gegenüber einem der Menschenwürde entsprechenden Verständnis der Freiheit. Freilich behielt sich die Kirche vor, „die soziale Botschaft stets am Masstab der christlichen Botschaft zu messen.“ Ausgehend von dieser Position erklärt sich die in der konziliaren Erklärung Dignitatis humanae vollzogene Ableitung der Religionsfreiheit. Die Ableitung der allgemeinen Religionsfreiheit aus dem Naturrecht und die Festlegung auf den säkulären Bereich ist ein essentieller Beitrag der Kirche in Richtung der Schaffung von Frieden und Freiheit generierenden Rahmenbedingungen für ein friedliches Zusammen leben innerhalb der pluralen zivilen Gesellschaft. Demgegenüber galt innerkirchlich weiterhin der Vorrang des „Rechts der Wahrheit“ vor dem „Recht der Person.“282 278 Leo XIIII., Pervenuti l’anno, Apostlischer Brief vom 19. März 1902, ASS XXXIV (1901–1902) 513–532, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (XXV, Rz. 54). 279 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 54, 55. 280 Ibid., S. 52. 281 Loretan, Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 10. 282 Loretan, Das Verhältnis der Kirchen zu den Grund- und Menschenrechten, S. 266.
XIV. Entwicklung themenspezifischer kanonischer Grundrechtsbegriffe 147
Die Grundlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Postulat der Anerkennung von Grund- und Menschenrechten mündeten schließlich in der Normierung der Pflichten und Rechte aller Gläubigen in den cc. 208–223 sowie der Pflichten und Rechte der Laien in den cc. 224–231 des CIC von 1983. Ausgehend von der Communio-Theologie unterscheidet das Kirchenrecht nicht zwischen subjektivem, individuellem und kollektivem Recht, weshalb mit Adrian Loretan zu fragen ist: „Verunmöglicht die These von der Einheit von Individuum und Kollektiv, dass subjektive Rechte der Glaubenden auch in der Kirche zu respektieren und kirchenrechtlich zu garantieren sind?“ Demgegenüber sah die römische Bischofssynode 1967 in den Leitsätzen für die Revision des Kodex die „verfahrensmäßige Sicherstellung des Schutzes der subjektiven Rechte“ vor.283 Mit dem Konzil ging die Kirche von einer neuscholastischen zu einer personalistischen Theologie über, womit nach Heinrich Schmidinger der wichtigste und fundamentalste Paradigmenwechsel im Katholizismus vollzogen ward.284 Ob allenfalls dem „Prinzip des Priestertums aller Gläubigen“ der „Rang eines positiven Verfassungsgebotes“ beizulegen ist, bleibt fraglich.285 „Das theologische Begründungsmodell der Menschenrechte, das von lutherischen und katholischen Autoren mehrheitlich vertreten wird, anerkennt die säkularen Wurzeln der Menschenrechte, sieht daneben aber auch aus der christlichen Botschaft nachweisbare Entsprechungen.“286 Vielfach unbeachtet bleibt dennoch die im weltlichen und kirchlichen Bereich unterschiedliche Definition des Freiheitsbegriffes: „Die Freiheit, die in kirchlichen Grundrechten ihre rechtliche Entsprechung findet, ist nicht die bürgerliche Freiheit, sondern die Freiheit aus dem Glauben, sie ist nicht selbstbezügliche, sondern antwortende Freiheit.“287 Hieraus lässt sich auch die Inklusion der Pflicht ableiten. Die Forderung nach einem eigenen Grund- und Menschenrechtskatalog innerhalb des CIC führte zu entsprechenden Bestrebungen.288 Zur Revision des neuen CIC approbierte die Bischofssynode 1967 zehn Leitsätze. Diese fordern den Schutz der Menschen- und Christenrechte sowie den verfahrensmässigen Rechtsschutz.289 Der mehrmals überarbeitete Entwurf eines Grundrechtskataloges wurde allerdings nie in Geltung gesetzt und blieb un283 Ibid.,
S. 268, 269. Der Mensch ist Person, S. 32. 285 Pirson, Innerkirchliche Grundrechte aus der Sicht der evangelischen Kirchenrechtslehre, S. 346. 286 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 249. 287 Huber, Grundrechte in der Kirche, S. 518 (531). 288 Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 221. 289 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 253. 284 Schmidinger,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
verbindlich. Bis heute verfügt die katholische Kirche über kein formelles Verfassungsrecht. Dessen ungeachtet enthält der geltende Codex Rechtsnormen mit einem Gehalt an verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Gegen die unverbindlich gebliebene Lex Ecclesiae Fundamentalis wurde argumentiert, „dass die Gewährleistung von Freiheit in der katholischen Kirche an der Verpflichtung gegenüber der Wahrheit ihre Grenze habe, für deren Beachtung das kirchliche Lehramt eine besondere Verantwortung trage.“290 Dies impliziert einen praktisch schrankenlosen Vorbehalt zugunsten der kirchlichen Autorität, demgegenüber sich das Wesen der Grundrechte gerade im Schutz der Freiheit vor kollektiver Autorität verwirklicht. Somit resultiert gerade aus der Verpflichtung gegenüber der Wahrheit das Postulat des Schutzes der persönlichen Freiheit des Einzelnen.291 Papst Paul VI. hatte sogar die Einklagbarkeit des Grundrechtskataloges formuliert und die Bischofssynode 1967 war bestrebt, „die neuen ekklesiologischen Ansätze kirchenrechtlich umzu setzen.“292 In diesem Konnex ist die in der Kirche präsente und auf Thomas von Aquin zurückgehende Differenzierung zwischen Ungläubigen und Häretikern zu beachten. Die in der frühen Kirche anerkannte und später durch die Amtskirche unterbundene Freiheit des Glaubens wurde und wird vom Glaubensabfall deutlich unterschieden. Letzterem geht ein katholisches Bekenntnis voraus. Thomas von Aquin befürwortete die Zulässigkeit des Todesurteiles im Falle der Häresie wegen der Begehung eines Majästetsverbrechens.293 Die an späterer Stelle noch näher betrachteten kanonischen Prinzipien der necessitas und der utilitas sind Gegenstand eines politischen Grundsatzes, der bis in die Antike zurückreicht und die legislative Entwicklung der kanonischen Grundrechte maßgeblich beeinflusste. Er findet sich bereits in der griechischen Polis bei Aristoteles, Cicero betrachtete ihn als Attribut der res publica und Thomas von Aquin als ebensolches der publica christiana. Hugo Grotius (1583–1645), der Begründer des modernen Völkerrechts, griff die Grundsätze der salus publica ob der ungebrochenen Aktualität ihres Gehalts wiederum auf und legt so den Grundstein für die auch die Zeit der Aufklärung überdauernde Präsenz diese Prinzips im modernen Verfassungsstaat.294 Aus dieser Grundlage resultierte schließlich das Rechtsprinzip des Wohles, zunächst des allgemeinen Wohles und mit der Etablierung der Menschenrechte in den Verfassungen das Wohl des Einzelnen, gegenständlich das Wohl 290 Ibid. 291 Vgl.
Gal 5, 1: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 66. 293 Barton, Im Lichte der Toleranz, S. 19; zitiert nach S.th., IIa IIae, q. 10, a. 3.8; q. 11 a. 3; q. 12 a. 2. 294 Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 19. 292 Loretan,
XV. Zum Rechtsstatus des Kindes im historischen Kontext 149
des Kindes. Es war ein Verdienst der Kirche, die beiden Grundsätze der Notwendigkeit und offensichtlichen Nützlichkeit um eine gegenständlich entscheidende Komponente zu erweitern: die Caritas. Nur unter Einbindung dieses Prinzips erscheint es möglich, den Ansprüchen des Kindes, der Eltern und der Familie gerecht zu werden. Nur in der Rechtsordnung der Kirche findet das Postulat der Caritas expliziten Raum, was in dem der Kirche obliegenden Sendungsauftrag begründet ist. Demgegenüber lassen die Staatszielbestimmungen eine Aufnahme karitativer Grundsätze in das weltliche Recht nicht zu.
XV. Zum Rechtsstatus des Kindes im historischen Kontext Die Kirche kennt keine explizite Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt. Eine Position Papst Leos XIII. aus dessen Enzyklika Rerum novarum aufgreifend, betonte auch Papst Pius XI.: „Die Kinder (…) treten in die staatliche Gesellschaft ein und nehmen daran teil, nicht unmittelbar durch sich als Individuen, sondern mittelbar durch die Familie, in der sie das Leben erhielten.“295 Der CIC 1917 enthielt nur fünf Canones zum Kindesverhältnis und differenzierte noch zwischen legitimen und illigitimen Kindern. Illegitime Söhne waren vom Sakrament der Priesterweihe ausgeschlossen.296 Dieser Ansatz implizierte eine Beschränkung der vollen Entfaltung der Persönlichkeitsrechte. Die Schlechterstellung der unehelichen Kinder verletzte den christlichen Geist und stellte eine Diskriminierung dar. Die Ehelichkeitsvermutung des c. 1115 § 1 CIC 1917 wurde aus dem römischen Recht übernommen. Der CIC 1983 regelt das Kindesverhältnis in den cc. 1137–1140. C. 877 § 2 CIC 1983 erwähnt die unehelichen Kinder nicht mehr. Der Terminus der Legitimation ist zwar noch vorhanden, die Entfaltung diskriminierender Rechtwirkungen, wie im c. 1051 CIC 1917 noch vorgesehen, wurde im neuen Kodex jedoch unterbunden. Die normative Festlegung entspricht der Ausrichtung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von der grundsätzlichen Gleichheit aller Gläubigen und nicht von deren Abstammung ausgeht.297 Damit ist ein wesentlicher Schritt vollzogen. Weiterführend erscheint es erforderlich, das Kind per se als eigenständiges Rechtssubjekt explizit anzuerkennen. Anknüpfend an die mit der Taufe begründete Kirchengliedschaft und die Anerkennung der Laien sowie ihrer prinzipiellen Gleichberechtigung, ist dem Kind vor allem im Hinblick auf sein spezifisches Schutzbedürfnis, ins295 Pius XI.,
Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 66). Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 135, 136. 297 Ibid., S. 137. 296 Eisenring,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
besondere seiner eingeschränkten Fähigkeit zur Betätigung eigener Persönlichkeitsrechte, Rechnung zu tragen.
XVI. Zur kanonischen Einordnung der Familie „Jede menschliche Gemeinschaft ist auf bestimmte Ziele ausgerichtet und strebt nach optimaler Entfaltung ihrer selbst.“ Isensee verweist hier auf die Philosophie des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin.298 Der Begriff des menschlichen Gemeinwohls ist adäquat zu erfassen. In diesem Konnex bildet der Terminus der Familie den zentralen Anknüpfungspunkt. Als „societas domestica“, wie von Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Inscrutabili definiert, bildet die Familie als kleinste Einheit den Ausgangspunkt für die Entfaltung der zivilen Gesellschaft im umfassenden Kontext.299 In der Historie des Kirchenrechts findet die Familie vor dem 20. Jahrhundet keine explizite Berücksichtigung als Subjekt. Laien, Familie, Ehepartner und Kinder wurden vornehmlich als Adressaten betrachtet, denen bestimmte Sakramente zugeordnet sind und die ihre Funktion für die Kirche ausschließlich ausgehend von der Einbettung in diese entfalten können: „Die Kirche verkündet und lehrt eine Doktrin, die die rechten Beziehungen zwischen Gemeinschaft und Individuum darlegt. Es ist sicher und sogar evident, daß das Individuum aufgrund der Bedürfnisse des Lebens von der Geburt bis zum Tode die Gemeinschaft braucht, um zu leben, um sein Leben zu entfalten. Aber es ist nicht wahr, dass die Gemeinschaft an sich eine Person sei, eine unabhängige Person, die in ihrem eigenen Namen sprechen könne.“300 Papst Pius XI. beschreibt an dieser Stelle die zwei wesentlichen Aspekte der Unverzichtbarkeit der sozialen Gemeinschaft und der Freiheit des Einzelnen. Die Betonung der individuellen Freiheit wurde vom Lehramt der Katholischen Kirche über Jahrhunderte vernachlässigt. Das der Familie zukommende „Prinzip des Lebens“, sowie „das Prinzip der Erziehung zum Leben“ beruhe auf einer göttlichen Zuteilung.301 Die Ausführungen Pius XI. lassen bereits den Gesinnungswandel des kirchlichen Lehramtes in Richtung der Anerkennung persönlicher Glaubensund Gewissensfreiheit durchscheinen. Die Tragfähigkeit der zivilen Gesellschaftsstruktur erweist sich als notwendiges Gegenüber von Gemeinschaft 298 Isensee,
Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 19. Inscrutabili, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (I, Rz. 273). 300 Pius XI., Allocutio, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 458 (III, Rz. 53) Christliche Sicht des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft, Ansprache an die Teilnehmer des Pilgerzuges des Bundes christlicher Arbeiter Frankreis in der Audienz vom 18. September 1938 in Castel Gandolfo. Actes de Pie XI, XVII, S. 156–161. 301 Pius XI., Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX, Rz. 61. 299 Leo XIII.,
XVI. Zur kanonischen Einordnung der Familie151
vermittelndem Kollektiv als Ort der sozialen Begegnung und dasselbe bildenden natürlichen Personen, denen allein die Fähigkeit der Sinn- und Urteilsfindung gegeben ist. Unabhängig von der mangelnden Anerkennung familiärer Eigenrechte im innerkirchlichen Bereich, betonte etwa Papst Leo XIII. die Unabhängigkeit der Familie gegenüber dem Staat, in dem er sie als „kleine Gesellschaft“ bezeichnete, die „älter als der Staat“ sei, weshalb ihr „gewisse, ihr eigentümliche Rechte und Pflichten“ zukämen, „die in keiner Weise vom Staat abhängen.“302 Dieser in der Enzyklika Rerum nova rum vertretene Standpunkt steht im logischen Kontext der behandelten sozialen Frage, deren Klärung nicht ohne die Anerkennung der Eigenrechte der Person erfolgen kann. Als logische Konsequenz daraus müssen auch der Familie als qualifiziertem Zusammenschluss von Personen eigene Rechte zugesprochen werden, die bereits in der konstitutiven Lebenswirklichkeit dieser einzigartigen Sozietät gründen. Schließlich trifft Paul VI. eine weiter reichende, auch den innerkirchlichen Bereich tangierende Qualifikation: „(…) die natürliche Familie (…), in der verschiedene Generationen zusammenleben und sich gegenseitig helfen, um zu größerer Weisheit zu gelangen und die Rechte der einzelnen Personen mit den anderen Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens zu vereinbaren, ist das Fundament der Gesellschaft.“303 In einem von seinem Staatssekretär an die Katholiken Spaniens 1964 verfassten Brief Papst Paul VI. wird auf die anläßlich des siebzigjährigen Jubiläums der Sozialenzyklika Rerum novarum im Jahr 1961 von Johannes XXIII. veröffentlichte Enzyklika Mater et magistra, Bezug genommen und im Blick auf den Terminus der Familie ausgeführt: „Dieser Begriff umfasst einen ganzen Komplex sozialer Bedingungen, die den Bürgern die freie und volle Entfaltung der eigenen Vollkommenheit gestatten.“ In der näheren Definition wird sowohl auf die strukturelle als auch auf die inhaltliche Bedeutung der Familie eingegangen: „Es ist daher notwendig, daß von der modernen Gesellschaft bei der Beurteilung der Dinge und in der konkreten sozialen Aktion eine richtige Hierarchie der Werte besteht oder sich bildet, die nicht dasjenige als Ziel voranstellt, was Mittel oder Instrument bleiben muß, aber andererseits die Dringlichkeit gewisser unmittelbarer Bedürfnisse nicht mißkennt, die vielleicht geringeren Ranges sind, ohne die aber das Streben nach höheren Werten illusorisch wird. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, daß die echten Werte des sozialen Lebens, die sich noch erhalten haben, wie z. B. die gesunde Struktur der Familie, (…) gerettet, geschützt und zu302 Leo XIII.,
Rerum novarum, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (IV, Rz. 9). Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 744 (IV, Rz. 495) zitiert nach der Pastoralkostitution GS, Nr. 52, AAS LVIII (1966) 1073). 303 Paul VI.,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
gleich gemäß den neuen Möglichkeiten der jetzigen Zeit immer mehr entfaltet und gefördert werden.“304
Hand in Hand mit der einzigartigen, in ihrer ganzen Dimension letztlich nicht abschließend definierbaren und eingrenzbaren Bedeutung der Familie geht die Tatsache konform, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern nicht „menschlicher Festlegung“ entspringen, sondern ihren „Ursprung in der Natur“ haben.305 Demzufolge ist die Sendungsverantwortung der Gläubigen als ius nativum zu qualifizieren.306 In seinem Brief an die Familien nimmt Papst Johannes Paul II. (1978– 2005) auf zwei miteinander verwandte, aber nicht identische Begriffe Bezug. Es handelt sich um die Begriffe der „communio“ und der „communitas“. Während die communio die Gemeinsamkeit beschreibt, bezieht sich die com munitas auf die Gemeinschaft: „Die „Gemeinsamkeit“ betrifft die persönliche Beziehung zwischen dem „Ich“ und dem „Du“. Die „Gemeinschaft“ dagegen übersteigt dieses Schema in Richtung einer „Gesellschaft“, eines „Wir“. Die Familie als Gemeinschaft von Personen ist daher die erste menschliche „Gesellschaft“.307 Papst Johannes Paul II. spricht der Familie eine spezifische Souveränität zu. Die Möglichkeit ihrer Selbstverwirklichung stellt er unter die Kondition der Anerkennung der Rechte der Familie und der Rechte aller sie bildenden Personen.308
XVII. Religionsfreiheit Lange vor einer generellen Anerkennung der Menschenrechte im staat lichen Recht, respektive der Religions- und Gewissensfreiheit, finden sich bereits im beginndenden Christentum Ansätze dazu. Die Freiheit des Glaubensaktes als natürliches Menschenrecht wurde von der Kirche seit frühester Zeit verteidigt.309 Die Kirche knüpfte die Anerkennung eines Menschen als Person lange Zeit an den Empfang der Taufe. Dennoch ist ihr Beitrag zur Entwicklung des modernen Personenbegriffs als Grundlage einer friedvollen kulturellen Entwicklung unverkennbar.310 Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin sprach sich gegen den Glaubenszwang und für die Verurteilung jener aus, die sich einst zum Glauben bekannten und später davon abfielen: 304 Paul VI.,
Epistola, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 328 (II, Rz. 248–250). Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 31. 306 Ibid., S. 45. 307 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 7. 308 Ibid., Nr. 17. 309 Loretan, Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 12. 310 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 58, 59. 305 Eisenring,
XVII. Religionsfreiheit153 „Respondeo dicendum quod infidelium quidam sunt qui nunquam susceperunt fidem, sicut gentiles et Iudaei. Et tales nullo modo sunt ad fidem compellendi, ut ipsi credant, quia credere voluntatis est. Sunt tamen compellendi a fidelibus, si facultas adsit, ut fidem non impediant vel blasphemiis, vel malis persuasionibus, vel etiam apertis persecutionibus. Et propter hoc fideles Christi frequenter contra infideles bellum movent, non quidem ut eos ad credendum cogant (quia si etiam eos vicissent et captivos haberent, in eorum libertate relinquerent an credere vellent), sed propter hoc ut eos compellant ne fidem Christi impediant. Alii vero sunt infideles qui quandoque fidem susceperunt et eam profitentur, sicut haeretici vel quicumque apostatae. Et tales sunt etiam corporaliter compellendi ut impleant quod promiserunt et teneant quod semel susceperunt.“ („Ich antworte; Heiden und Juden, die nie den Glauben angenommen haben, sind auf keine Weise dazu zu zwingen; denn glauben ist Sache des Willens. Sie können aber, wenn es möglich ist, gezwungen werden, daß sie weder durch Gotteslästerungen noch durch schlechte Überredungskünste noch durch offene Verfolgungen den Glauben hindern. Deshalb fangen die Gläubigen bisweilen mit den Ungläubigen Krieg an; nicht damit sie dieselben zum Glauben zwingen, sondern damit sie dieselben hindern, dem Glauben zu schaden; denn hätten sie auch Ungläubige gefangen genommen, sie würden denselben ihre Freiheit belassen, ob sie nämlich Christo glauben wollen oder nicht. Die Häretiker und Apostaten aber müssen auch körperlich gezwungen werden, daß sie erfüllen was sie versprochen und daß sie halten, was sie geschworen haben.“)311
Der aus der spanischen, spätscholastischen Schule stammende Dominikaner Bartolomé de Las Casas (1484–1566) sprach sich nach einem persön lichen Umkehrprozess für die Anerkennung der Personenrechte der nicht getauften Indianer aus, womit er zu Beginn der Neuzeit innerhalb der Kirche eine revolutionäre und von offizieller Seite nicht geteilte Haltung einnahm, die jedoch Jahrhunderte später in der Allgemeinen Erklärung der Menschen rechte ihre Bestätigung fand.312 Der Gedanke der Menschenrechte entwickelte sich einerseits unter christlichem Einfluss, andererseits musste eine normative Implementation im weltlichen Bereich dennoch zunächst gegen erheblichen christlichen Widerstand durchgesetzt werden. Diese Diskrepanz resultierte aus dem bis zum Zweiten Vatikanum seitens der Kirche vertretenen und erhobenen Absolutheitsanspruch. Bis zum Zweiten Vatikanum und der folgenden Neukodifizierung des CIC ging das Kirchenrecht vom „Primat der Wahrheit gegenüber der Freiheit“ aus.313 Die Erklärung des Konzils über die Religionsfreiheit steht dieser Historie diametral entgegen. Im Hinblick auf das grundlegendste Menschenrecht, das Recht auf Leben, weisen die christlichen Kirchen demgegenüber eine einzigartige Kontinuität auf. Daher kann ihre Bedeutung im 311 Aquino,
Thomas de, Summa Theologiae, Secunda Pars secundae, q. 10 a. 8 co. Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 60. 313 Krämer, Religionsfreiheit in der Kirche, S. 20. 312 Loretan,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Rahmen der permanent und umfassend erforderlichen Verteidigung der Unverletzlichkeit der menschlichen Würde nicht überschätzt werden. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte fußt auf den Prämissen der christlich-abendländischen Kultur, wie respektive aus ihrer Präambel hervorgeht. Die ersten Ansätze zur rechtlichen Implementierung des Grundrechts der Religionsfreiheit vollzogen sich mit dem Decretum Gratiani 1140 als Initium wissenschaftlicher Kanonistik. Normadressat war allerdings noch nicht der einzelne Mensch, sondern die Kirche selbst. Die Abgrenzung des kirchlichen Machtbereiches bildete die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben.314 Die dominierende Rolle der Lehre von der potestas directa wurde zwar bereits durch Pius V. (1504–1572) mit der Neufassung der Abendmahlsbulle In coena Domini 1568 marginal abgeschwächt und später durch Papst Leo XIII. in Richtung einer mahnenden und belehrenden potes tas directiva verändert. In diesem Sinne nahm jedoch auch das Zweite Vati kanische Konzil das Grundrecht der Religionsfreiheit für kirchliche Äußerungen in weltlichen Fragen in Anspruch.315 Gregor XVI. (1765–1846) hatte die Freiheit des Gewissens in seiner Enzyklika Mirari vos von 1832 noch als „Wahnsinn“ bezeichnet.316 Im Anhang zu seiner Enzyklika Quanta cura forderte Pius IX. (1792–1878) die Katholiken 1864 auf, seinen Standpunkt „Denn es ist nicht wahr, daß die bürgerliche Religionsfreiheit sowie die allen gewährte unbeschränkte Meinungs- und Gedankenfreiheit dazu beitragen, Geist und Sitten der Völker zu verderben und die Seuche des Indifferentismus zu verbreiten,“ als „voll und ganz zurückgewiesen, verboten und verdammt zu betrachten.“317 In Anlehnung an Thomas von Aquin entwickelte Papst Leo XIII. (1810– 1903) eine Theorie der Toleranz. Seinem Ansatz folgend kann prinzipiell betrachtet nur die Wahrheit und niemals der Irrtum ein Recht beanspruchen. Unter der Prämisse der Achtung eines höheren Gutes, etwa der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines friedlichen Zusammenlebens, hielt er die Duldung des Irrtums für vertretbar. Papst Leo XIII. hielt in diesem Zusammenhang dennoch fest, dass die Duldung des Übels immer nur de facto geschehen könne und niemals zu einem Prinzip de iure erhoben werden dürfe. Mit seiner Toleranztheorie suchte Papst Leo XIII. „eine Annäherung und Akzeptanz des säkularen Staates“ sowie „eine Lösung der verfahrenen Kulturkampfsituation in verschiedenen Ländern“ zu erreichen.318
314 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 174, 175. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 90, 91. 316 Gregor XVI., Enzyklika Mirari vos, 15. August 1832. 317 Pius IX., Syllabus, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) 34 (I, Rz. 118). 318 Loretan, Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 14. 315 Link,
XVII. Religionsfreiheit155
Unter Berufung auf die von Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Sapientiae christianae dargelegten Pflichten des christlichen Staatsbürgers wiederholt Papst Pius XI. die Position der Katholischen Kirche zur Schulfrage: „Deswegen müssen die Eltern alle Kraft und Energie einsetzen, um auf diesem Gebiet jeden gewalttätigen Eingriff zu verhindern und unbedingt Sicherungen schaffen, daß ihnen die Gewalt verbleibe, ihre Kinder in christlicher Weise, wie es ihnen gebührt, zu erziehen, und sie besonders von jenen Schulen fernhalten, in denen sie Gefahr laufen, das verderbliche Gift der Gottlosigkeit in sich einzusaugen.“319 Der explizite Zuspruch der Freiheit der Religion wurde bis zum Zweiten Vatikanum mangels Bezugnahme auf den Menschen als Rechtssubjekt verneint, dies zugunsten der Wahrheit als zentralem Terminus.320 Betreffend die Einordnung der Religionsfreiheit bewirkten die Enzyklika Pacem in terris und das Zweite Vatikanische Konzil einen Kurswechsel der Kirche.321 Papst Johannes XXIII. formulierte 1963 erstmals in Pacem in terris, zu den Menschenrechten gehöre auch das Recht, „Gott in der rechten Norm seines Gewissens entsprechend zu verehren und seine Religion privat und öffentlich zu bekennen“. Das Zweite Vatikanische Konzil vollzog einen entscheidenden Wandel und löste „das Recht der Wahrheit“ vom „Recht der Person.“322 Mehr noch, die Freiheit der Person wurde vor das Recht der Wahrheit gestellt: „Die Religionsfreiheit besteht nicht gegen die Wahrheit, sondern um der Wahrheit willen. Sie steht dem Menschen nicht zu, weil er die Wahrheit bereits besitzt, sondern damit er nach ihr strebt.“323 Das Konzil anerkannte in seiner Erklärung zur Religionsfreiheit dieses Menschenrecht, das Papst Johannes XXIII. schon in der italienischen Fassung der Konzilseröffnungsrede angesprochen hatte: „Es gibt also eine von der neuzeitlichen Tradition der droits de l’homme unabhängige theologische Tradition von der Würde und den Rechten der menschlichen Person.“ Mit der Konzilserklärung der Religionsfreiheit wird diese Traditionslinie wieder explizit ins Blickfeld gerückt. Diese Erklärung macht, um mit Walter Kasper zu sprechen, „eine konstruktive Begegnung mit der modernen Welt“, mit dem modernen Rechtsstaat möglich. In der Folge wurde sie zur Grundlage des heutigen Verhältnisses zwischen Kirche und Staat.324 319 Pius XI.,
Divini illius magistri, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, S. 1410–1469. Einleitung zur Textausgabe der Erklärung über die Religionsfrei heit, S. 401 (405). 321 Deutsche Kommission Justitia et Pax, Gerechtigkeit für alle, S. 43. 322 Loretan, Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 15. 323 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 102. 324 Loretan, Das Verhältnis der Kirche zum Staat im Umbruch, S. 16. zitiert nach: Kasper, Wahrheit und Freiheit, S. 36. 320 Böckenförde,
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C. Zur themenspezifischen historischen Entwicklung
Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, spricht sich für die religiöse Freiheit der menschlichen Person aus, die in der Ordnung des Staates anerkannt werden muss. Der Einzelne darf weder gezwungen werden gegen noch gemäß seinem Gewissen zu handeln. Darin eingeschlossen ist auch die Option, nicht zu glauben. Zugrunde gelegt wird die Überzeugung, dass die Suche nach der Wahrheit nur in Freiheit gelingen kann. Rechtsträger der Religionsfreiheit sind der Einzelne und die Religionsgemeinschaften.325 Der CIC 1983 normiert die Religionsfreiheit in seinem c. 748 § 2 enger als die Erklärung des Konzils. Gemäß der rechtsverbindlichen Konstitution Sacrae disciplinae leges von Papst Johannes Paul II. ist die Lehre des Konzils zur Interpretation des Kodex heranzuziehen und nicht umgekehrt. Demzufolge wird das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit auch innerkirchlich als geltendes Menschenrecht angesehen.326 In seinem Brief an die Familien stellte Papst Johannes Paul II. den Konnex zwischen dem Prinzip der Religionsfreiheit und der Familie als Subjekt der Evangelisierung her: „Ein Bereich, wo die Familie unersetzlich ist, ist sicherlich die religiöse Erziehung, dank welcher die Familie als Hauskirche wächst. Die religiöse Erziehung und die Katechese der Kinder stellen die Familie als ein echtes Subjekt der Evangelisierung und des Apostolats in den Bereich der Kirche. Es handelt sich um ein Recht, das zutiefst mit dem Prinzip der Religionsfreiheit verbunden ist. Die Familien, und konkreter die Eltern, haben die freie Ermächtigung, für ihre Kinder eine bestimmte, ihren eigenen Überzeugungen entsprechende Form religiöser und sittlicher Erziehung zu wählen. Doch auch wenn sie diese Aufgaben kirchlichen Institutionen oder von Ordenspersonal geführten Schulen anvertrauen, ist es notwendig, daß ihre erzieherische Präsenz weiterhin beständig und aktiv ist.“327
Die Erziehung und Bildung des Kindes impliziert die Hinführung zur Suche nach dem Lebenssinn. Die Erklärung über die Religionsfreiheit beschränkt sich auf die Gewährleistung einer rechtlichen Ordnung vor dem Hintergrund der in der Würde des einzelnen Menschen begründeten Freiheit. Hiervon unberührt bleibt die innere, moralische Verpflichtung. Die Erklärung über die Religionsfreiheit unterscheidet sohin zwischen der moralischen Pflicht und dem äußeren Recht auf religiöse Freiheit.328 Die moralische Pflicht berücksichtigt die Parameter der Tugend und der Wahrheit und damit die Hinordnung auf Gott. Das äußere Recht auf religiöse Freiheit involviert die wechselseitige Beziehung der Menschen zueinander und ihr Verhältnis
325 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 62. S. 64, 65. 327 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 13. 328 Böckenförde, Einleitung zur Textausgabe der Erklärung über die Religionsfrei heit, S. 410. 326 Ibid.,
XVII. Religionsfreiheit157
zur hoheitlichen Gewalt des Staates.329 Der Ansatz impliziert Offenheit in jede Richtung. Die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils schuf eine zukunftsweisende konzeptionelle und inhaltliche Grundlage für eine Reflexion der Grundrechte innerhalb der Kirche, die eine notwendige Verknüpfung der „theologisch ausgewiesenen objektiven Glaubenswahrheiten“ mit den „subjektiven Freiheiten“ zulässt.330 Dignitatis humanae folgend, betonte Johannes Paul II. die enge Verbindung des Rechtes auf Religionsfreiheit mit dem Recht auf religiöse Erziehung durch die Eltern und unterstrich in diesem Zusammenhang deren Vorrangstellung auch für den Fall der Inanspruchnahme des kirchlichen Schulangebotes.331 Diese Position impliziert ein Abgehen von dem beanspruchten primären Rang der Kirche auch im Bereich der Erziehung. In diesem Konnex anerkennt die Kirche die Familie implizit als Rechtssubjekt. In Betätigung des Erziehungsrechtes unter der Prämisse der Religionsfreiheit kann sich das Verhalten der Eltern per definitionem unbenommen auch gegen die Kirche richten. Karl Rahners These vom „anonymen Christen“ kehrt in der Enzyklika Deus caritas est von Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2005 wieder.332 Aufgrund der ursprünglichen Beziehung zu Gott könne demnach keinem Menschen abgesprochen werden, dass er in seinem Leben mit dem Gott Jesu Christi zu tun hat, wonach jedes menschliche Leben unabhängig von der Integration in die Kirche vor Gott gleichermaßen wertvoll ist, demzufolge auch ein nichtchristlicher Mensch sein Leben so führen kann, dass es dem gerecht wird, was wir Christen für uns als Verantwortung vor Gott deuten.
329 Böckenförde, Die Bedeutung der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit, S. 59 (65). 330 Loretan, Das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Staat im Kontext der Menschenrechte, S. 103. 331 Johannes.Paul II., Brief an die Familien, Nr. 16. 332 Hübner, Die nichtchristliche Menschheit im Licht christlichen Glaubens, S. 47.
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht I. Zur themenspezifischen Grundlegung des II. Vatikanischen Konzils 1. Zum revidierten Selbstverständnis der katholischen Kirche Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die Selbstdefinition der Katholischen Kirche im Hinblick auf ihre Beziehung zum Staat grundlegend verändert. Marksteine der konziliaren Revision bildeten die als prinzipiell gleichberechtigt anerkannte Kirchengliedschaft der Laien, die Anerkennung der Religionsfreiheit sowie das neu definierte Verständnis der communio ec clesiae. Alle genannten Parameter strahlen auf die strukturelle und inhaltliche Bestimmung der religiösen Erziehung aus. Die äußere Reichtweite und das implizite Postulat dieser Parameter umschrieb der 1927 geborene, emeritierte Papst Benedikt XVI. anlässlich des Weltfriedenstages 2013 wie folgt: „Eine Voraussetzung für den Frieden ist die Entkräftung der Diktatur des Relativismus und der These einer völlig autonomen Moral, welche die Anerkennung eines von Gott in das Gewissen eines jeden Menschen eingeschriebenen, unabdingbaren natürlichen Sittengesetzes verhindert. (…) Man muss also die Menschen lehren, einander zu lieben und zum Frieden zu erziehen sowie über bloße Toleranz hinaus einander mit Wohlwollen zu begegnen.(…) Angesichts der kulturellen Verschiedenheit muss dafür gesorgt werden, dass die Menschen nicht nur die Existenz der Kultur der anderen akzeptieren, sondern auch danach trachten, sich von ihr bereichern zu lassen sowie umgekehrt ihr das anzubieten, was sie selbst an Gutem, Wahrem und Schönem besitzen.“1
Zum Grundtenor des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört das Bekenntnis der Bereitschaft zur Kooperation innerhalb diverser Kräfte in der Gesellschaft, die Anerkennung der Autonomie weltlicher Sachbereiche und der Existenz eines mannigfachen gesellschaftlichen Pluralismus.
1 Benedictus XVI., XLVI. Weltfriedenstag 2013, Selig, die Frieden stiften, http:// www.w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/messages/peace/documents/hf_ben-xvi_ mes_20121208_xlvi-world-day-peace.html (Stand 12. 06. 2015).
I. Zur themenspezifischen Grundlegung des II. Vatikanischen Konzils159
Maßgebliche konziliare Dokumente betreffend die religiöse Kindererziehung sind die Erklärungen Gravissimum educationis über die christliche Erziehung und die Erklärung Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit. Darüberhinaus finden sich themenspezifische Inhalte in der pastoralen Konstitution Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute, in der dogmatische Konstitution Lumen gentium über die Kirche und im Dekret Chris tus dominus über die Hirtenaufgabe der Bischöfe. Insbesondere die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religonsfreiheit, Dignitatis humanae, gesteht die persönliche Entscheidungsfreiheit zu. Mit der Schaffung zweier Ebenen, der allgemein jedem Menschen zuerkannten Religionsfreiheit auf der einen Seite und dem Schutz des Religionsbekenntnisses im Innenbereich auf der anderen Seite, gelang eine zukunftsweisende Kombination von konservierenden und progressiven Positionen als fundamentaler Grundlegung für die tendentiell zunehmende religiöse und weltanschauliche Diversität innerhalb der kontemporären Gesellschaft.
2. Kulturelle Diakonie als innerkirchliche Verpflichtung Die Vermittlung von religiösem Wissen ist Gegenstand der Erziehung wie auch der Bildung. Nach dem Verständnis der Katholischen Kirche liegt der Ursprung der kulturellen Diakonie im Wort und im Sakrament. Es geht um den dem Sendungsauftrag impliziten Dienst am Menschen. Klaus Mörsdorf hat Wort und Sakrament als „Aufbauelemente der Kirche“2 bezeichnet. Daraus entspringen das kirchliche Verkündigungsrecht und der Heiligungsdienst. Somit bildet die kulturelle Diakonie einen integralen Bestandteil der beiden munera und ein Instrument der Verbindung sowie ein Instrument der praktischen Transformation. Mit Heinrich Mussinghoff ist die „Freiheit der Eltern“ eine „Freiheit zum Dienst am Wohl des Kindes.“3 Religiöse Erziehung steht unter dem Postulat der eine existentielle Sinnerfüllung fördernden Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes im individuellen wie kollektiven Kontext. Der Begriff der Kultur steht in Verbindung mit jenem der Erziehung wie auch der Bildung. Der Begriff Religionsunterricht kommt im CIC nicht explizit vor. C. 761 CIC 1983 beschreibt die propositio doctrinae in scholis neben der Predigt und der Katechese als subsidiäres Mittel der Verkündigung. Der CIC 1917 ordnete den Religionsunterricht als Katechese in der Schule ein und kannte noch keine Unterscheidung des Religionsunterrichts von der 2 Mörsdorf,
Lehrbuch des Kirchenrechts, S. 36. c. 793, Rz. 7, in: Lüdicke, Münsterischer Kommentar zum Codex
3 Mussinghoff,
Iuris Canonici.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Katechese. Der CIC 1983 versteht den schulischen Religionsunterricht als „intellektuelle, wissensbezogene Verkündigung des Glaubens, die (außerschulische) Katechese zielt eher auf die Unterweisung im Glaubensvollzug und die Sakramentenvorbereitung.“ Gemeinsam stehen sie im Dienst der Glaubensverkündigung, De divini verbi ministerio. Die im c. 804 § 1 normierte institutio et educatio religiosa catholica betont die Glaubensverkündigung als Gegenstand der Erziehung.4 Alle Getauften haben Anteil am munus propheticum. Die amtliche Lehrverkündigung, das munus docendi, ist an das Weihesakrament geknüpft. Laien haben jedoch durch ihr Zeugnis Anteil an der Verkündigung. Die letzte funktionelle Verantwortung für die Lehrverkündigung trägt der Bischof. Laien, die sich im Rahmen der Katechese oder des Religionsunterrichts an der Verkündigung beteiligen, haben keinen direkten, autoritären Anteil am munus docendi, sie handeln aufgrund einer Beauftragung in nomine eccle siae.5 Einen kanonischen Meilenstein in der Einordnung der Anteilnahme der Laien und Eltern am Heiligungsdienst impliziert c. 835 § 4 und trägt damit der themenspezifischen Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils Rechnung: „An dem Heiligungsdienst haben auch die übrigen Gläubigen den ihnen eigenen Anteil, indem sie sich auf ihre Weise tätig an den liturgischen Feiern, besonders an der Feier der Eucharistie, beteiligen; auf besondere Weise haben an demselben Dienst die Eltern Anteil, indem sie ihr Eheleben in christlichem Geiste führen und für die christliche Erziehung ihrer Kinder sorgen.“ Das Zweite Vatikanische Konzil betont die Bedeutung der Religionsfreiheit und die christliche Erziehung als Mittel der kulturellen Diakonie.6 Das Recht auf Hilfe aus den geistlichen Gütern gemäß c. 213 impliziert den Anspruch auf Hinführung und Begleitung. Zur „Erlangung der Reife der menschlichen Person und zugleich zur Erkenntnis des Heilsgeheimnisses und zu einem Leben danach“ normiert c. 217 daher das Recht auf eine christliche Erziehung. Aus der Textierung des zitierten Canons geht die umfassende Reichweite derselben hervor. Die abstrakte Verkündigung der Lehre und die isolierte Erweisung des Heiligungsdienstes genügen nicht. Beides bedarf der Einbindung in einen Lebenskontext. Glaubenswissen und Sakramentenspendung müssen mit der Vermittlung des gelebten Beispiels, des konkreten Glaubenszeugnisses verbunden werden. Darüber hinaus bedarf es der Einbettung in den kulturellen Kontext der zivilen Gesellschaft. Dies ergibt sich aus 4 Künzel, Die „missio canonica“ für Religionslehrerinnen und Religionslehrer, S. 22. 5 Ibid., S. 39, 33, 34. 6 Katzinger, Die Privatschule als Ausformung des aus dem Elternrecht abgeleiteten Erziehungsanspruchs im kanonischen Recht, S. 269.
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dem Postulat der individuellen Persönlichkeitsentfaltung und Selbstfindung sowie der konstruktiven Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, wozu der Christ explizit aufgerufen ist. Die Pflicht zur Erziehung hat ihren Ursprung im göttlichen Sendungsauftrag, den Heilsweg zu verkündigen. Daran knüpft sich das Erfordernis einer persönlichen Oblation im Sinne einer den diakonischen Geist inkludierenden Selbsthingabe. Damit ist für den Christen keine abstrakte, sondern konkrete, persönliche Verpflichtung bezeichnet. Das besondere Spezifikum der Verpflichtungskraft kirchlicher Normen besteht in der prinzipiellen Freiwilligkeit ihrer Entsprechung. Der Massstab ergibt sich aus dem persönlichen Glauben und Gewissen. Diese beiden wurzeln in der die Glaubensfreiheit bedingenden Würde der Person. Die Intention der freiwilligen Übernahme von Pflichten basiert wesentlich auf dem authentisch gelebten Beispiel bedingungsloser Selbsthingabe. Papst Johannes Paul II. relevierte in diesem Kontext die überragende Bedeutung der Familie. Diese sei in besonderer Weise durch die Einbettung der „freien Initiative des Subjekts“ in die „Dimension der Pflicht“ gekennzeichnet. Der Papst umschreibt dies mit dem Begriff der Hingabe, die sich nur im Kontext der „Gemeinsamkeit der Personen“ verwirklichen könne.7 Den Grundlegungen der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums folgend untersteht die Kirche dem Postulat der umfassend interpretierten kulturellen Diakonie und einer dem Prinzip des Dialogs folgenden Pastoral. Dem Dienst am Nächsten geht dessen vorbehaltlose Bejahung voraus.8 Dieser Ansatz findet in der ecclesia domestica ein spezifisches Fundament. Nach diesem neuen Verständnis gilt es zunächst, die allen Menschenrechten implizite Ethik zu fokussieren.9 Die Liebe und der Dienst am Nächsten sind untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden. Gelebte Nächstenliebe „nimmt den sozialen Ort der Menschen ernst“ und wendet sich somit der vielbedeutenden Frage zu: Was ist und – daraus folgend – was braucht der Mensch?10 Neben der Bereitstellung materieller Hilfen bedarf der heranwachsende Mensch zur Entfaltung seiner Persönlichkeit der Erziehung als Ausformung des Dienstes am Nächsten. Diakonie und Solidarität kennzeichnen das ursprüngliche Wesen der Kirche.11 Die Erziehung ist eine Form der kulturellen Diakonie und steht als Dienst der Verkündigung mit den anderen kirchlichen Diensten in einem wechselseitigen Kontext.12 7 Johannes
Paul II., Brief an die Familien, Nr. 14. Kommission Justitia et Pax, Gerechtigkeit für alle, S. 48. 9 Ibid., S. 49. 10 Ibid., S. 49. 11 Ibid., S. 51. 12 Ibid., S. 53. 8 Deutsche
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Erziehung soll dem Menschen den Horizont für die Erkenntnis einer Welt eröffnen, die mehr verspricht als sich selbst. Erziehung soll befreien zur Entfaltung der eigenen Identität und einer offenen sozialen Begegnung. Die Gewissheit eines endlichen Zieles der Sinnsuche eröffnet eine über diesseitsbezogene Differenzen hinausreichende, Frieden stiftende Perspektive.13 Das spezifische Attribut des katholischen Erziehungsverständnisses ist seine Orientierung ad personam. Dieser Ausrichtung folgt auch c. 795, der die „wahre Erziehung“ als „umfassende Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel und zugleich auf das Gemeinwohl der Gesellschaft“ definiert. Im kollektiven Kontext resultiert daraus die Einordnung der Erziehungseinrichtungen als Erziehungsgemeinschaften. Dieser zudem in Gravissimum educationis festgeschriebenen Haltung folgen auch die Erklärungen der Kongregation für das Katholische Bildungswesen aus den Jahren 197714, 198215 und 198816. Der „komplementäre Ansatz“ der katholischen Erziehung verfolgt die „Idee einer Synthese von Glaube, Kultur und Leben“ und bildet so die „Leitlinie des gesamten Erziehungsprozesses.“17 Die in c. 226 § 2 grundgelegte Erziehungspflicht und das Erziehungsrecht der Eltern korrespondieren mit dem Rechtsanspruch des Kindes gemäß c. 217. Zu den maßgeblichen Erziehungszielen gehören die menschliche Reife und Fähigkeit zur intellektuellen und lebensmäßigen Erfassung der Heilsgeheimnisse. Nach kirchlichem Verständnis umfasst die humane Dimen sion der Erziehung den leiblichen, sozialen und kulturellen Aspekt und die christliche Dimension den religiösen sowie den sittlichen Aspekt. C. 795 definiert die wichtigsten Erziehungsinhalte, die Bildung der menschlichen Person, die Vermittlung der Orientierung an humanen Letzt- und Höchstwerten sowie die Berücksichtigung der transzendenten Ausrichtung des Menschen. Das Postulat der Integration von körperlicher, ethischer und intellektueller Erziehung und die Förderung der sozialen Kompetenz und des Verantwortungsbewußtseins nehmen im kanonischen Recht einen besonderen Stel13 Ibid.,
S. 54.
14 Kongregation
für das Katholische Bildungswesen, Die katholische Schule, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccatheduc/documents/rc_con_ ccatheduc_doc_19770319_catholic-school_ge.html (abgefragt am 05. 09. 2015). 15 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Lay Catholics in school: witnesses to faith, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccatheduc/ documents/rc_con_ccatheduc_doc_19821015_lay-catholics_en.html (abgefragt am 05. 09. 2015). 16 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, The religious dimension of education in a catholic school, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ ccatheduc/documents/rc_con_ccatheduc_doc_19880407_catholic-school_en.html (abgefragt am 05. 09. 2015). 17 Ilgner, Katholische Erziehung, S. 627 (628).
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lenwert ein. C. 1136 beschreibt die zentrale Verantwortung der Eltern als officium gravissimum und als ius primarium. Eingbettet in die leibliche, soziale und kulturelle Erziehung soll die sittliche und religiöse Erziehung stattfinden. Der Strukturwandel in der Familie und der gesellschaftliche Wertewandel implizieren veränderte Kommunikationsformen im weitesten Sinn.18 Im Hinblick auf eine zeitgemäße Interpretation der kirchlichen Lehre unter der Prämisse der Wahrung ihrer Authentizität wie der Gewährleistung ihrer Kontinuität leistet die kulturelle Diakonie einen unverzichtbaren Dienst. Der Erziehungsauftrag der Kirche gründet in ihrem Sendungsauftrag und bildet sohin einen Gegenstand ihres diakonischen Wirkens.19 Dies schliesst eine Vorrangigkeit oder Überlegenheit gegenüber dem elterlichen Pflichtrecht per definitionem aus. Als federführendes Beispiel hinsichtlich der Forcierung des diakonischen Gedankens kann Klemens Tilmann (1904–1984) angeführt werden. Tilmann gehörte den Oratorianern des Philipp Neri, einem Zusammenschluss von Weltpriestern in München, an, deren Lebensverband auf dem von Philipp Neri 1595 geprägten Wort gründet: „Durch kein Gelübde oder Eid gebunden, soll die Liebe das einzige Band sein, das die Mitglieder des Oratoriums zusammenhält.“ Seit 1936 wurde Klemens Tilmann zu den Vorbereitungen für einen neuen Katechismus herangezogen und 1938 mit der Ausarbeitung eines Entwurfs beauftragt. Er war einer der Hauptverfasser des 1955 eingeführten Katechismus der Bistümer Deutschlands. In den 60er Jahren lehrte er Reli gionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule München-Pasing. Auf Ini tiative von Josef Andreas Jungmann wurde er zusammen mit Franz Schreibmayr 1958 mit dem Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck ausgezeichnet. Seit 1960 gehörte er der vorbereitenden Kommission für das Zweite Vatikanum an und nahm als Berater an den Sitzungen des Konzils teil. Im Jahr 1966 wurde er zum Consultor des römischen Liturgierates ernannt. Er war Mitbegründer und längere Zeit Mitträger der Europäischen Arbeitsgemeinschaft für Katechese und des Instituts für Katechetik und Homiletik in München und Mitglied des Liturgischen Instituts Trier.20 Tilmanns Konzept repräsentiert den grundlegenden, bereits im Vorfeld des Zweiten Vatikanums ansetzendenden Perpektivenwechsel in der innerkirchlichen Erziehungspraxis. Diese wurzelt in der Fokussierung der Personenwürde und der Freiheit des Einzelnen im Blick auf den Menschen per se. Klemens Tilmann entwickelte einen Ansatz, der nicht das Gesetz, die Moral und Vorschriften, sondern das Kind in den Mittelpunkt stellt und sieht 18 Schmidt,
Erziehungsrecht, S. 629 (630). Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 60, 61. 20 Über Klemens Tilmann, http://www.erzbistum-muenchen.de/Pfarrei/Page0053 74.aspx (abgefragt am 17. 03. 2014). 19 Fürst,
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den Erzieher, die Eltern, die Lehrer und Pfarrer vor die Aufgabe gestellt, dem Kind bei der Entfaltung seiner grundgelegten Fähigkeiten, Talente und Anlagen helfend und wohlwollend zur Seite zu stehen. Der Erzieher habe nicht die Aufgabe, Fundamente zu schaffen, sondern die bereits vorhandenen begleitend zur Entfaltung zu bringen, immer im Bewusstsein der Achtung vor der Würde des Kindes.21 Die Analogie zwischen der Aufnahme eines Kindes und der Aufnahme des Herrn im Markusevangelium (9, 33–37) impliziert die Aufforderung zu themenspezifischem, diakonischem Handeln und zur Gemeindebildung. Aus dem zunächst den Ehepartnern aufgetragenen Dienst am Anderen entspringt schließlich der Dienst an den Kindern. Es handelt sich um die Urform jeder kulturellen Diakonie. Ausgehend von der Personenwürde ergibt sich das Regulativ für die Auseinandersetzung mit dem Erziehungsanspruch des Kindes. Die Anspruchsgrundlage für die Vermittlung der Religiösität wurzelt im Sakrament der Taufe. „Die Verantwortung für den Anderen als ein von Gott ausgehender, das heißt unabweisbarer und unendlicher Anspruch, und das in der Praxis Jesu erkennbar werdende Zeugnis vom Reich Gottes sind zwei fundamentale Maßgaben für ein Verständnis der Diakonie.“22 Das fundamentale Postulat diakonischer Beziehungen impliziert somit die Achtung vor der Person: „Diakonie hat sich durch die Achtung der unbedingten Würde des Menschen beziehungsweise durch die Einforderung dieser Achtung auf Seiten anderer Personen und gesellschaftlicher beziehungsweise kirchlicher Kräfte zu bewähren.“23 Bedauerlicherweise subsumiert Herbert Haslinger unter das Postulat christlicher Diakonie ausschließlich eine Option für die Armen der Gesellschaft, doch sind gleichwohl andere diakonische Aspekte, etwa die kulturelle Diakonie mit ihren Auswirkungen im Erziehungs- beziehungsweise Bildungsbereich bemerkenswert. Insgesamt geht es um den schlichten „Dienst am Menschen.“24 Die Kirche tritt für eine Entwicklung ein, welche die verschiedenen Dimensionen der menschlichen Person umfassend berücksichtigt. Diese Dimensionen sind aufeinander bezogen. Sie bedingen sich wechselseitig und müssen daher gemeinsam entfaltet werden. Herrscht ein Element vor oder wird die Entwicklung nur auf ein Element reduziert, so wird diese einseitige Entwicklung nicht gelingen.25 Der Bildungsprozess umfasst den Erwerb sehr 21 Tilmann, Die Führung zur Busse, Beichte und christlichem Leben, Klärung und Wegweisung, S. 328. 22 Haslinger, Diakonie zwischen Mensch, Kirche und Gesellschaft, S. 693. 23 Ibid., S. 698. 24 Konzil, II., Gaudium et spes, Nr. 3. 25 Deutsche Kommission Justitia et Pax, S. 92.
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unterschiedlicher Kompetenzen. Neben sprachlich-symbolischen Fähigkeiten, worin wohl das Kerngeschäft der Schule besteht, geht es auch um in strumentelle, die sich auf dem Umgang mit der materiellen Welt beziehen, um soziale, die sich mit dem kompetenten Umgang mit der Zivilgesellschaft und somit dem kollektiven Kontext bechäftigen, sowie um personelle Kompetenzen, verstanden als Entwicklung einer personalen Identität aus der Gegenüberstellung zwischen der eigenen Person, sohin dem individuellen Kontext und der Welt, dem Subjektiven und dem Objektiven.26 Viele Kompetenzen werden zu einem Gutteil im außerschulischen Bereich erworben, Bildungsträger ist primär die Familie, wobei die Eltern die erste Verantwortung tragen. In der Erfüllung der Erziehungsaufgabe, die sich mit den Agenden der Bildung überschneidet, hat die Schule eine unterstützende Funktion. So geschieht etwa die Heranführung an eine kompetente Urteilsfähigkeit und die Bildung des Gewissens nicht erst in der Schule, beziehungsweise kann durch diese auch im Bedarfsfall nicht vollkommen kompensiert werden, wenn die Erfüllung des elterlichen Erziehungsauftrages bewusst oder unbewusst unterbleibt.27 Die kulturelle Diakonie füllt das aus, was nach Böckenförde nicht in der Kompetenz des Staates liegt. In der Wahrnehmung ihres „angestammten“, kulturell-diakonischen Auftrages bildet die Kirche ein wesentliches Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft.28 Vor der Weitergabe rationalen, abstrakten Wissens ansetzend, bringen Bildungsprozesse die Würde des einzelnen Menschen zur Geltung.29 Als Bestandteil der menschlichen Kultur gehört Religion zum Wesen des Menschen. Der erste und größte Einflußbereich liegt in der Familie. Die Familie ist Ausgangspunkt einer gerechten und friedlichen Gemeinschaftsordnung. Zu ihrem Schutz bedarf es eines entsprechenden rechtlichen Rahmens einerseits, sowie einer entsprechenden, nämlich das Verständnis für die Bedeutung der Familie fördernden Bildungsarbeit andererseits. Kulturelle Diakonie umfasst Bildungsprozesse im sozialen und ökonomischen Bereich. Aus der Perspektive theologischer Anthropologie gilt es, Bildung als diakonischen Auftrag umzusetzen und die Gesellschaft im Sinne des christlichen Menschenbildes mitzugestalten. Im Mittelpunkt des Geschehens steht das einzelne Kind als begabtes Geschöpf, dem das Recht zukommt, seine Gaben zu entfalten. Damit dies geschehen kann, ist ein kritischer Blick auf die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Familie 26 Beck/Schmidt,
Bildung als diakonische Aufgabe, S. 24. S. 69. 28 Katzinger, Aspekte kultureller Diakonie im geltenden kanonischen Recht, S. 421 (423). 29 Beck/Schmidt, Bildung als diakonische Aufgabe, S. 99. 27 Ibid.,
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unerlässlich.30 Erziehung und Bildung bedeuten Erziehung und Bildung des ganzen Menschen. Im Kontext von Wissen und Kultur vermittelt die Religion das entscheidende Regulativ. Diesseitiges Ziel ist die existentielle Orientierung, die ethische Urteilsfähigkeit und die Motivation zur Übernahme von Verantwortung. Befähigt zur Vornahme von Wertungen und zur Selbstreflexion vermag der Mensch diese nur zu betätigen, sofern Subjektives Objektivem gegenübersteht.31 So meinte Papst Benedikt XVI. als Angehöriger der Glaubenskongregation vor Beginn seines Pontifikats, dass ein subjektives Gewissen ein objektives als Regulativ voraussetze. Somit wäre zu befürworten, dass sich Erzieher und Lehrer in erhöhtem Ausmaß der Aufgabe der Gewissensbildung stellen, zumal das Gewissen in religiösen wie moralischen Fragen die maßgebliche Entscheidungsinstanz bildet.32 Ungeachtet ihrer praktischen Bedeutung erlangte die Kategorie der kul turellen Diakonie weder in der Theologie noch in der Diakoniewissenschaft angemessene Aufmerksamkeit. Dessen ungeachtet implizieren die kontemporären themenspezifischen Herausforderungen innerhalb der Gesellschaft das Erfordernis einer adäquaten Auseinandersetzung mit dieser Thematik.
3. Zur religiösen Erziehung in den Dokumenten des Zweiten Vatikanums Das zentrale Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) zur religiösen Erziehung ist die Erklärung Gravissimum educationis. In der Vorbereitung dieser konziliaren Erklärung über die christliche Erziehung wurde zunächst der Themenkomplex der katholischen Schule eingehend behandelt. Wohl aufgrund der im Zuge des Konzils hervorgekommenen ekklesiologischen Neuausrichtung wurde im endgültigen Dokument die elterliche Erziehung zum Ausgangspunkt genommen. Artikel 1 der Erklärung unterstreicht zunächst ganz allgemein das unveräußerliche Recht auf Erziehung aufgrund der Würde der Person. Daran knüpft Artikel 2 – wie in den cc. 217 und 229 § 1 CIC 1983 wiederkehrend – die beiden Postulate der Einführung in die Erkenntnis des Heilsmysteriums und in das Leben aus dem Glauben. Artikel 3 stellt diese Postulate in die primäre Verantwortung der Eltern. Diese müssen „als die ersten und bevorzugten Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden.“33 Die Dogmatische Konstitution Lumen gentium legt das neue Selbstverständnis dar und interpretiert den Erziehungsauftrag neu. Ausgehend von der 30 Ibid.,
S. 104.
31 Ammermann/Gennerich,
Ethikberatung konkret, S. 136. S. 137. 33 Zweites Vatikanisches Konzil, De educatione christiana, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (II, Art. 1–3). 32 Ibid.,
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„communio ecclesiae“ wird die „Gleichheit aller Gläubigen in Würde und Tätigkeit“34 betont und folgt daraus die Aufwertung der Sendungsverantwortung der Laien. Damit geht die Festlegung gemeinsamer Rechte und Pflichten einher. Der Anteil am prophetischen Amt gründet in der Taufe und in der Firmung.35 Besondes hervorgehoben wird der Stellenwert von Ehe und Familie, dies unbeschadet der Katechese als amtlicher Lehrverkündigung.36 Mit der Begründung der Kirchengliedschaft durch die Taufe erwirbt der Mensch Anteil an der Kirche als Wurzelsakrament. Mit Lumen gentium ist die Kirche „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug (…).“37 Diese Eigenschaften wirken in der Vertikalen, gegenüber Gott, und in der Horizontalen, gegenüber allen Menschen. Einem veränderten gesellschaftlichen Kontext Rechnung tragend, stellt das Dekret Unitatis redintegratio über den Ökumenismus Bildung und Erziehung unter die Prämisse des Dialogs.38 Das Dekret Christus dominus unterstreicht die Aufgabe der Hirten und plädiert für eine „unverkürzte“ und „den Erfordernissen der Zeit angepasste“39 Glaubensunterweisung. Die Predigt, die katechetische Unterweisung sowie der Religionsunterricht werden als erziehungsrelevante Parameter angeführt. Darüber hinaus bekräftigt auch das Dekret Optatam totius über die Ausbildung der Priester das Erfordernis einer Vollziehung der Katechese im Sinne aktueller und zeitgemäßer Erkenntnisse. Die besondere Herausforderung besteht in der fruchtbaren Verknüpfung der mit der Glaubensverkündigung verbundenen Postulate der Authentizität und der Kontinuität der kirchlichen Lehre. Mit der Enzyklika Aeterni Patris erhob Leo XIII. die Lehren des Thomas von Aquin 1879 zur Grundlage der katholischen akademischen Ausbildung.40 Optatam totius wiederholt dieses Anliegen,41 das in der Enzyklika Fides et ratio Papst Johannes Paul II. aus 34 Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen gentium, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, Art. 32. 35 Ibid., Art. 33. 36 Ibid., Art. 11, 35, 41. 37 Ibid., Nr. 1. 38 Konzil, II., Unitatis redintegratio, 21. November 1964, http://www.vatican.va/ archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19641121_unitatisredintegratio_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015). 39 Konzil, II., Christus dominus, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_ vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651028_christus-dominus_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015), Nr. 9, 12. 40 Leo XIII., Enzyklika Aeterni Patris, 4. August 1879, http://www.stjosef.at/ dokumente/aeterni_patris.html (Stand 08. 02. 2005). 41 Internet Office of the Holy See, Decretum de Institutione Sacerdotali – Optatam Totius, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vatii_decree_19651028_optatam-totius_lt.html (Stand 04. 09. 2007).
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dem Jahr 1998 eine neuerliche Bestätigung fand.42 Nach Thomas von Aquin kann Erziehung als „äußerliche entbergende (sic!) Hilfe“ gedeutet werden:43 In diesem Sinne ist Erziehung gleichsam ein Vehikel, „(…) quod principium exterius, scilicet ars, non operatur sicut principale agens, sed sicut coadiuvans agens principale, quod est principium interius, confortando ipsum, et ministrando ei instrumenta et auxilia, quibus utatur ad effectum producendum (…)“ („daß als das äußere Princip, die Kunst, nicht als das hauptsächliche und an leitender Stelle einwirkende auftritt, sondern nur als Beistand des inneren Princips, indem es selbigem Werkzeuge leiht, die es stärken zur Hervorbringung der geeigneten Wirkung“).44
In Gott seinen Ursprung nehmend, stehe die Erziehung im „natürlichen Licht der Vernunft“ und könne so die „innere Natur des Körpers“ erreichen, welche ebenso in Gott gründe: „Ad primum ergo dicendum quod, sicut iam dictum est, homo docens solummodo exterius ministerium adhibet, sicut medicus sanans, sed sicut natura interior est principalis causa sanationis, ita et interius lumen intellectus est principalis causa scientiae. Utrumque autem horum est a Deo.“ („Der Lehrende leistet nur einen äußeren Beistand gleich einem Arzte, der heilt. Wie aber die innere Natur des Körpers die Hauptursache der Heilung ist, so ist auch das natürliche Licht der Vernunft die Hauptursache der Wissenschaft. Beides nun ist von Gott.“)45
Das Wesen der Erziehung bestehe sohin in einer bloßen Anleitung und könne der Erzieher nichts aus sich selbst hervorbringen, jedoch die Vernunft des Zöglings zeichenhaft anleiten: „Ad tertium dicendum quod magister non causat lumen intelligibile in discipulo, nec directe species intelligibiles, sed movet discipulum per suam doctrinam ad hoc, quod ipse per virtutem sui intellectus formet intelligibiles conceptiones, quarum signa sibi proponit exterius.“ („Der Lehrer verursacht im Schüler weder das Licht der Vernunft noch gießt er ihm die Ideen ein. Aber er leitet ihn an, wie er kraft seiner eigenen Vernunft vernünftige Auffassungen sich bilden kann und gibt ihm dafür Zeichen an.“)46
Mit einem Breve des Jahres 1880 ernannte Papst Leo XIII. Thomas von Aquin zum Patron der katholischen Schulen.47 42 Johannes Paul, II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998, http://www. vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_14091998_ fides-et-ratio_ge.html (Stand 25. 07. 2012). 43 Claßen, Metaphysik der Bildung nach Thomas von Aquin, S. 224. 44 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Prima Pars, q. 117 a.1 co. 45 Ibid., q. 117, a.1 ad 1. 46 Ibid., q. 117 a. 1 ad 3. 47 SS Leo XIII – Cum Hoc Sit [1880-08-04] Full Text at Documenta Catholica Omnia, http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_1880-08-04__SS_Leo_XIII __Cum_Hoc_Sit__IT.pdf.html (Stand 06. 12. 2011).
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In der Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen wird das Postulat der Bewahrung der christlichen Glaubenslehre jenem der Förderung der gegenseitigen Kenntnis und Achtung anderer Religionen gegenübergestellt und dieser Anspruch insbesondere im Kontext von Katechese und Religionsunterricht gesehen.48 Damit ist die Sorgetragung betreffend die Vermittlung von Kenntnissen über nichtchristliche Religionen und eines damit verbundenen Achtungsanspruches konkret den Hirten anvertraut. Dies impliziert ein Novum, als es die Herausforderung an kirchliche Amtsträger impliziert, soweit mit der kirchlichen Lehre vereinbar über die eigenen Glaubensinhalte hinausweisend für eine umfassende Wissensvermittlung und Dialogbereitschaft einzutreten. Den steten Mittelpunkt des Dienstes am Wort Gottes betont die Dogmatische Konstitution Dei verbum über die göttliche Offenbarung.49 Auf Grundlage dieser Konstituton veröffentlichte die Kongregation für den Klerus 1971 das Allgemeine Katechetische Direktorium – Directorium catechisticum ge nerale.50 Die in der Taufe und in der Firmung gründende besondere Berufung der Laien als Teilhaber am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi wird insbesondere im Dekret Apostolicam actuositatem hervorgekehrt.51 Das Dekret streicht im Speziellen das Zeugnis, die Verkündigung und das Apostolat der Eheleute heraus. Die pastorale Konstitution Gaudium et spes bestimmt das Verhältnis des Menschen zur Kirche und zur Welt und fokussiert besonders den Umstand, dass sich die Selbstverwirklichung des Menschen im Kontext seines Lebens in der Welt vollzieht. In diesem Zusammenhang definiert Gaudium et spes das bonum commune als „die Summe aller jener Bedingungen gesellschaft lichen Lebens, die den Einzelnen, den Familien und gesellschaftlichen Gruppen ihre eigene Vervollkommnung voller und ungehinderter zu erreichen gestattet“52, wie es Papst Johannes XXIII. bereits in seiner Enzyklika Mater 48 Konzil, II., Nostra aetate, 28. Oktober 1965, http://www.vatican.va/archive/ hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge. html (abgefragt am 24. 10. 2015), Nr. 1, 2. 49 Konzil, II., Dei verbum, htttp://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vat ican_council/documents/vat-ii_const_19651118_dei-verbum_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015). 50 Kongregation für den Klerus, General Catechetical Directory, 1971, AAS (1972) 64, S. 115–172. 51 Konzil, II., Apostolicam actuositatem, 18. November 1965, http://www.vatican. va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651118_apos tolicam-actuositatem_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015), Nr. 2. 52 Konzil, II., Gaudium et spes, Nr. 26, 74.
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et magistra 1961 definiert hatte.53 Dergestaltige Rahmenbedingungen erleichtern es der Familie, ihre Aufgabe als „Art Schule reich entfalteter Humanität“ zu erfüllen.54 Gaudium et spes bezeichnet das Recht des Kindes auf eine christliche Erziehung als „heiliges Recht.“55 C. 217 CIC 1983 normiert es später als Grundrecht aller getauften Christen. Das bonum coniugium und das bonum prolis sind auf das bonum commune hingeordnet. Im Dekret Presbyterorum ordinis über den Dienst und das Leben der Priester werden diese als „Erzieher im Glauben“ bezeichnet und wird ihnen die besondere Sorgetetragung für die erzieherische Aufgabe der Eltern anvertraut, wobei sie angehalten werden, auf die Menschen zuzugehen.56 Das Dekret Ad gentes über Missionstätigkeit beschreibt die Evangelisierung als Grundpflicht der Gläubigen und konkretisiert ihr „Unterwegssein als Gesandte“. Daraus ergibt sich der Auftrag zur christlichen Zeugenschaft und damit zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft. Das Dekret betont die erforderliche Hilfeleistung der verschiedenen erzieherischen Einrichtungen, insbesondere der Schulen, und die Aufgabe der Paten in diesem Kontext.57 Die Erklärung Dignitatis humanae spricht sich für die individuelle und korporative Religionsfreiheit aus und entspricht damit Art. 18 der Allgemei nen Erklärung der Menschenrechte.58 Artikel 5 der konziliaren Erklärung betont das Recht der Familie, ihr häusliches religiöses Leben unter Leitung der Eltern in Freiheit zu ordnen und die Erziehung der Kinder nach eigener Überzeugung zu bestimmen.59 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die themenspezifische, konziliare Ausrichtung der Achtung vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen und den daran anknüpfenden Pflichten und Rechten in ungekannter Weise Rechnung trägt. Damit verbindet sich das Postulat einer hörenden, dienenden und barmherzigen Kirche, die nicht müde wird, auf den Menschen 53 Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 423. 54 Konzil, II., Gaudium et spes, Nr. 51. 55 Ibid., Nr. 1. 56 Konzil, II., Presbyterorum ordinis, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651207_presbyterorum-ordinis_ge. html (abgefragt am 24. 10. 2015). 57 Konzil, II., Ad gentes, 7. Dezember 1965, http://www.vatican.va/archive/hist_ councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651207_ad-gentes_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015), Nr. 2, 11 ff. 58 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, http://www.un.org/depts/german/ grunddok/ar217a3.html (Stand 11. 03. 2003). 59 Konzil, II., Dignitatis humanae, Nr. 5.
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zuzugehen. Das modifizierte Verständnis der kirchlichen Verfassung, insbesondere die Hervorhebung des Status des einzelnen Gläubigen im Gesamtkontext der communio ecclesiae, verweist auf das Erfordernis der expliziten Anerkennung einer Rechtssubjektivität des Kindes als nächstem Schritt.
II. Die Dimension der Erziehung im Kodex von 1983 Die Struktur des CIC 1983 folgt nicht mehr dem in personae, res und ac tiones gegliederten Schema des Römischen Rechts, sondern stellt das Volk Gottes, den Verkündigungs- und den Heiligungsdienst in die Mitte.60 Am 25. Jänner 1983 wurde der CIC 1983 von Papst Johannes Paul II. mit der Apostolischen Konsitution Sacrae discipinae leges promulgiert und trat am 27. 11. 1983 in Kraft.61 Seine Einteilung in sieben Bücher zeugt von der starken Prägung durch das Zweite Vatikanische Konzil.62 Die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums findet im neuen Kodex umfassende Berücksichtigung und im Hinblick auf die gegenständlich Thematik der Erziehung besonders in der Defnition der allgemeinen Priesterschaft, im Erziehungsauftrag als Verpflichtung gegenüber dem Kind und erst im engeren Sinne als eine der Wirkungen der Ehe ihren Niederschlag. Parallel dazu betont Papst Johannes Paul II. in der Promulgationskonstitution Sacrae discipline leges die enge Verbindung der verpflichtenden Kraft des Dekalogs und der Disziplin mit dem „Heilscharakter des Evangeliums.“63 Hieraus resultiert das Erfordernis der Einbettung der formalen Parameter der Erziehung als besonderem Instrument der Heilsvermittlung in einen juristischen Rahmen. Demgegenüber bleibt der konkrete Inhalt der katholischen Erziehung in Analogie zum Freiheit implizierenden Glaubensakt der einzelnen Person einer normativen, sanktionierbaren Grundlegung unzugänglich. Der bezeichnete Ansatz wirkt sowohl vor als auch nach dem Empfang der Taufe. Dies ergibt sich aus c. 748 § 1 CIC 1983, wonach alle Menschen gehalten sind, „in den Fragen, die Gott und seine Kirche betreffen, die Wahrheit zu suchen; sie haben kraft göttlichen Gesetzes die Pflicht und das Recht, die erkannte Wahrheit anzunehmen und zu bewahren.“ Dies bedeutet, dass das für die Verpflichtung zum Glauben konstitutive Glaubensbekenntnis permanent mit der Dynamik der tatsächlichen Glaubensüberzeugung konfrontiert ist. Dies folgt daraus, dass der Glaube ein freier Akt ist und bleibt. Zwar sind die Menschen zu 60 Link,
Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 235. II, Sacrae Disciplinae Leges, 25. Januar 1983, http://www.w2.vatican. va/content/john-paul-ii/de/apost_constitutions/documents/hf_jp-ii_apc_25011983_ sacrae-disciplinae-leges.html (abgefragt am 24. 10. 2015). 62 Thier, Codex Iuris Canonici, Sp. 866–867. 63 Paulus, II, Sacrae Disciplinae Leges. 61 Paulus,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Annahme und Bewahrung der erkannten Wahrheit verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Erkenntnis kann es hingegen nicht geben. Unbeschadet dessen resultiert aus dem Bekenntnis die formale Verpflichtung zur Betätigung der Erziehung in Analogie zum Glauben. Der CIC 1983 benennt erstmals die Rechte und Pflichten der Laien und folgt damit der konziliaren Grundlegung,64 in der die Kirche als permanentes Gegenüber von mystischem Leib Christi und soziologischen Parametern definiert wird. In der Familie als ecclesia domestica spiegelt sich dieses Bild wider. Im Zuge der Erarbeitung des CIC 1983 erfolgte die Konzeption einer anonischen Grundrechtskataloges, der Lex Ecclesiae Fundamentalis.65 k Diese wurde nicht explizit in Geltung gesetzt. In der Konsequenz kam es jedoch zur Aufnahme einzelner Grundrechte in den CIC von 1983. Zumal das Kirchenrecht keinen Stufenbau der Rechtsordnung kennt, ist deren Garantie jedoch nicht im Ausmaß moderner Rechtsschutzmechanismen gewährleistet. Demgegenüber forderte c. 22 der Lex Ecclesia Fundamentalis den umfassenden Rechtsschutz der Person mit der Maßgabe, dass kirchliche Grundrechte nicht mit Menschenrechten gleichgesetzt werden können.66 Dennoch setzte der kirchliche Gesetzgeber mit der Aufnahme von Grundrechtspositionen der Gläubigen in das zweite Buch des Kodex über das Volk Gottes einen entscheidenden Schritt. C. 11 legt den Normadressatenkreis für die kichlichen Gesetze fest. Danach knüpft sich die kirchliche Rechtsfähigkeit an die Taufe oder die Aufnahme in die Kirche in Kumulation mit dem hinreichenden Gebrauch der Vernunft sowie der Vollendung des siebenten Lebensjahres.67 Nach der allgemeinen Interpretationsregel des c. 17 ist bei der Auslegung kirchlicher Gesetze abgesehen von der Erwägung der Wortbedeutung subsidiär auf allenfalls vorhandene Parallelstellen und schließlich auf den Zweck und die Umstände des Gesetzes sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Im Zusammenhang mit der aus der Perspektive des Kindes fragmentarisch geregelten christlichen Erziehung ergibt sich ein besonderer Interpretationsbedarf. Einer besonders engen Auslegung unterliegen die Strafgesetze gemäß c. 18, wie sich an späterer Stelle zeigt.68 Mit der für die geborenen Kinder normierten Erziehungspflicht ist auch eine Begründung für die Unauflöslichkeit der Ehe verbunden, zumal die Er64 Link,
Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 235. Codex Iuris Canonici, Sp. 866–867. 66 Lex Ecclesia Fundamentalis (Schema RecLEF), Communicationes 1980, S. 35. 67 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 68 Ibid. 65 Thier,
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füllung dieses spezifischen, im Taufbund grundgelegten Sendungsauftrages der Erziehung der Kinder grundsätzlich das bestehende, auf der Stiftung durch Christus beruhende und daher unauflösliche Eheband voraussetzt. Die Verbindung der Ehe mit der Zeugung sowie dem Aufziehen der Kinder zählen zum ältesten Bestand naturrechlicher Tradition. Nach dem christlichen Verständnis korrespondiert die Unwiderruflichkeit des sakramentalen Versprechens mit der Zusage des Beistandes des Heiligen Geistes. Darüber hinaus postuliert das Zweite Vatikanum die allgemeine Personenwürde sowie die aus der Taufe erwachsenden Rechte und Pflichten der Christgläubigen. Damit wird ein neuer, außerhalb des Ehesakramentes verwurzelter Ursprung des Anspruches auf Erziehung begründet. Dieser Ansatz findet im CIC 1983 erstmals einen kanonistischen Niederschlag. C. 213 normiert das allgemeine Recht auf den Empfang des Heilsdienstes. Als Bestandteil des Grundrechtskatalogs konkretisiert c. 217 das Recht auf eine christliche Erziehung und schreibt unter einem die korrespondierende Verpflichtung fest. Die Pflicht zur Betätigung erzieherischen Handelns trifft die Eltern, die Hirten und alle Gläubigen. Mit dieser kanonischen Konzeption geht die Kirche einen gegenüber weltlichen Grundrechtskonzeptionen differenzierten Weg, zumal letztere im Kontext verfassungsrechtlich geschützter Grundrechte keine Festschreibung von persönlichen Pflichten, sondern ausschließlich von Rechten kennen. Allenfalls ist der Staat zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte verpflichtet. Die Konzeption eines Grundrechtskataloges, der Rechte und Pflichten inkludiert, wurde vielseits beanstandet. In Betrachtung der durch das Zweite Vatikanische Konzil formulierten Parameter zur umfassenden Verwirklichung der communio ec clesiae kehrt sich jedoch die Evidenz der Unausweichlichkeit einer Gegenüberstellung von Rechten und Pflichten hervor. C. 217 steht in engem Zusammenhang mit c. 216, der das Recht zur Betätigung „apostolischer Initiativen“ normiert. Damit steht die Pflicht zur Erziehung auch unter der an alle Gläubigen gerichteten Prämisse der tätigen Zeugenschaft. Dies impliziert in besonderer Weise ein Moment der Verantwortung im Gesamtkontext der communio. C. 774 § 2 tritt als Verpflichtung zum Dienst am Wort Gottes im Rahmen der katechetischen Unterweisung als einen Gegenstand des munus docendi normierende lex specialis hinzu. Leg. cit. richtet sich an die Eltern, die ihre Stelle Einnehmenden sowie die Paten. Daraus ergibt sich unbeschadet der Unauflöslichkeit des Ehesakramentes ein äußerer Rahmen für die Einordnung von elterlichen Pflichten, indem einerseits deren aus dem Ehe sakrament rührendes Gewicht betont und andererseits insbesondere im Inte resse der Ansprüche des Kindes Raum für einen barmherzigen Umgang mit unterschiedlichsten familiären Konstellationen geschaffen wird, womit unter einem die Verantwortung der Kirche im Bereich der Familien- und Ehepastoral, der Erziehung und der Bildung verbunden ist.
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Der CIC 1983 regelt die Beziehungen zwischen den Ehepartnern untereinander sowie gegenüber den Kindern in nur sieben Canones. Als Konkretisierung der Ehewirkungen beziehen sich die cc. 1134 bis 1140 auf die Konsequenzen der Ehe. Ein spezifisches System des Familienrechts, respektive der Kinderrechte, fehlt.69 Die Frage, ob man überhaupt von einem Familienrecht in der kirchlichen Rechtsordnung sprechen könne, wirft Gabriela Eisenring in der Einleitung ihrer Dissertation auf.70 Eine spezifische und detaillierte Regelung der Rechte und Pflichten der zur Ehe und zur Familie berufenen Laien kann dem CIC von 1983 noch nicht entnommen werden. Ebenso fehlt eine Legaldefinition der Familie als „natürliche, zur Heilsordnung erhobene Institution“ und als „erste Zelle der Kirche und der Gesellschaft,“ wie bereits Ernesto Cappellini anlässlich des XII. kanonistisch-pastoralen Kongresses in Chieti 1980 zum Thema Familie in der kanonischen und zivilen Gesetzgebung anmerkte.71 Des Weiteren geht es um die Frage, was Familie und Kirche voneinander erwarten dürfen, worin auch eine Aussagekraft darüber liegt, inwieweit sich beide in rechtlichen und darüber hinausgehenden Dimensionen gegenseitig widerspiegeln und partiell auch einander bedingen. Die Urgenz einiger Bischöfe im Rahmen der Bischofssynode 1980 im Hinblick auf die explizite Implementation eines Familienrechts wurde mit dem Argument der Systemwidrigkeit nicht aufgegriffen.72 Demgegenüber lässt sich gerade in einer solchen – freilich innerhalb vertretbarer Grenzen zu vollziehenden – Systemänderung das Potential gewärtigen, der sich innerhalb der Kirche formenden Gemeinschaft der Gläubigen nachhaltigen Bestand zu verleihen. Auch der von Papst Johannes Paul II. eingerichtete Päpstliche Rat für die Familien monierte die fehlenden Normen zum Schutz der Familie im Entwurf des neuen CIC.73 Ungeachtet des Erfordernisses lehramtlicher Interpretationen familienspezifischer Themen – vor dem Hintergrund deren weitreichender ethischer, soziologischer und kultureller Dimensionen – würde eine explizite Normierung des Rechts der Familie die für ihr Wirken und ihre soziale Absicherung im irdischen Bereich unentbehrliche „legitime Autorität“ verleihen.74
69 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das schen Rechtsordnung, S. 138. 70 Ibid., S. XXV. 71 Cappellini, Prospettive del Diritto di Famiglia Diritto Canonico, S. 41 (49). 72 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das schen Rechtsordnung, S. 14. 73 Ibid., S. 16. 74 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das schen Rechtsordnung, S. 18.
Kindsverhältnis in der katholinella Revisione del Codice di Kindsverhältnis in der katholiKindsverhältnis in der katholi-
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Normen zur religiösen Kindererziehung finden sich im CIC 1983 nur sehr verstreut und mit fragmentarischem Inhalt. Ausgehend von der im 20. Jahrhundert manifestierten Etablierung der Menschenrechte ist in natürlicher und logischer Konsequenz die noch mangelhafte gesetzliche Regelung der Kinderrechte an erster Stelle zu monieren. Betont der CIC 1983 den pastoralen Dienst der Familie als Subjekt gegenüber der vorherigen Beschränkung auf ihre Eigenschaft als Objekt der pastoralen Sorge, so gilt es nun, einen Schritt weiter zu gehen und die konkreten Rechte und Pflichten, inhaltliche Strukturen und wechselseitige Beziehungen zwischen Familie und Kirche herauszuarbeiten, um so Schutzbereiche, Freiheitsräume und Aufgabenfelder zu definieren. Vor dem Hintergrund der progressiven Positionierung und der neuen Implikationen zum Wesensgehalt der Familie rückt diese wie der einzelne Gläubige in den Kernbereich dessen vor, was Kirche ausmacht und wird so unter einem selbst zum subjektiven Gegenstand einer seit dem Zweiten Vati kanum relativierten societas perfecta, womit ihr die nämlichen Attribute per se zufallen. Die Rechte eines Kindes korrespondieren in vielen Bereichen mit den Pflichten der Eltern, wobei im 20. Jahrhundert vor allem seitens staatlicher Gesetzgeber und internationaler Organisationen von einer Normierung der Elternrechte zu einer Fokussierung der Kinderrechte und damit korrespondierend der Elternpflichten übergegangen wurde. Das kanonische Recht normiert zwar im Rahmen der materielles Verfassungsrecht enthaltenden Bestimmungen die Erziehungspflicht der Eltern gegenüber den Kindern. Ansprüche auf Erziehung, Bildung und Katechese werden allerdings allgemein für die christifideles formuliert. Dies lässt sich zwar einerseits positiv dahingehend interpretieren, dass den Kindern ebenbürtige Ansprüche zugebilligt werden. Dennoch spricht das spezifische Schutzbedürfnis der Kinder für eine explizite Normierung von Kinderrechten. Konkret geht es darum, vor dem Hintergrund der Würde des Kindes als Person dessen Anlagen, Fähigkeiten und Talente zu fördern. Nach diesem Ansatz bildet die glaubensmäßige Überzeugung der Eltern nicht die zentrale Vorgabe der religiösen Erziehung, sondern ist dem Kind unabhängig davon ein Mindestangebot an Vermittlung von allgemeinen Werten zu offerieren. Religiöse Erziehung muss am Kind als subjektiver Rechtsperson ansetzen. Mangelndes Alter und Reife begründen in diesem Kontext keine mangelnde Rechtsfähigkeit, sondern einen entsprechenden Schutzbedarf. Hieraus ergibt sich, dass religiöse Erziehung nicht allein aus dem Recht und der Pflicht der Eltern abgeleitet werden kann, sondern in einem eigenen Anspruch des Kindes grundgelegt ist. Die Anspruchslage des Kindes auf religiöse Erziehung durch die Eltern korrespondiert mit deren Religionsfreiheit und beschränkt sich somit auf das persön liche Bekenntnis und die Glaubensüberzeugung der Eltern. Maßgebliche Anknüpfungspunkte sind die Sakramente der Taufe und der Ehe. Mit der
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nichtkatholischen Erziehung werden die Verletzung der Elternpflicht sowie der ehelichen Treuepflicht verwirklicht. Im c. 1137 über die Ehewirkungen, im c. 1139 über die Legitimation von Kindern und im c. 877 § 2 über die Registrierung der Taufe werden unehe liche Kinder nicht mehr erwähnt. Zwar erwähnt der CIC 1983 noch die Legitimation als Terminus, die Regelung wurde jedoch unter Hintanhaltung jeder Diskriminierung konzipiert. Die Grundlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils finden im CIC 1983 auch im Bereich der Regelung der Kindererziehung ihren Niederschlag.75 Gravissimum educationis definiert Erziehung zuerst als „Förderung der körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen der Kinder“ und klammert die religiöse Komponente zunächst aus. Objekt des Erziehungsrechts ist das Kind.76 Traditionell existiert innerhalb der Kirche und insbesondere im Kontext der Familie keine strenge Trennung zwischen Erziehung, Bildung und Katechese. Gemäß Gravissimum educationis kommt der Kirche ein eigener Bildungsauftrag zu, der dem elterlichen zwar nicht vorgeht, diesem gegenüber jedoch auch nicht in einem Verhältnis der Subsidiarität steht.77 Mit der in Gravissimum educationis grundgelegten, ersten und unveräußerlichen Pflicht der Eltern zur Erziehung, „primum et inalienabile officium et ius educandi,“ korrespondiert das entsprechende Recht. Daran knüpft sich die Forderung nach freier Schulwahl durch die Eltern,78 „vera libertas in scholis eligendis“, womit dem Recht der Kinder auf eine angemessene schulische Erziehung entsprochen wird, „ius puerorum ad adaequatam educationem scholarem.“ Der CIC 1983 weist den Laien, in gegenständlicher Betrachtung respektive auch den nicht verheirateten Eltern, explizit Aufgaben im Rahmen der Erziehung als Form des Verkündigungs- und Heiligungsdienstes zu. Hierin findet die konziliare Ekklesiologie der communio einen umfassenden Ausdruck. Demgegenüber normierte der CIC von 1917 die Erziehungspflicht nur im Konnex mit dem Ehesakrament. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte Prinzipien formuliert, die bei der Revision des die Erziehung als Ehewirkung normierenden c. 1113 CIC 1917 nicht mehr übergangen werden konnten. Der Relator im nachkonziliären Coetus Studiorum De Matrimonio sprach sich dafür aus, dass die als Wir75 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1171. 76 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 46. 77 Ratzinger, Das Menschenbild des Konzils in seiner Bedeutung für die Bildung, S. 33 (55). 78 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 48.
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kung der Ehe definierten Erziehungspflichten insoweit aus dem Eherecht herausgenommen werden könnten, weil die Erziehungspflicht aus der Elternschaft und nicht aus der Ehe resultiere: „(…) habent obligationem educationis quia sunt parentes non quia sunt coniugati.“ Das „ius primarium et officium parentum“ sollte in den Abschnitten über die katechetische Unterweisung und den Unterricht – De scholis – eingefügt werden. Die Konsultoren lehnten diesen Vorschlag mit der Begründung ab, dass c. 1113 CIC 1917 „non solum esse servandum sed etiam augendum novis elementis quae hauriuntur ex documentis Concilii Vaticani II.“ („neue, durch die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgeworfene Elemente nicht nur bewahren, sondern verstärken sollte.)“ Immerhin konnten die Konsultoren sich darauf einigen, dass eine stärkere Bezugnahme auf die Elternschaft gegenüber der Ehe in der Erziehungsfrage betont werden müsse. In den nachfolgenden Beratungen wurde der Begriff des Offiziums dem der Obligation vorgezogen, dies um dem ius primarium der Eltern mehr Gewicht zu verleihen.79 Trotz breiter Zustimmung hatte sich das ius et officium parentum in weiterer Folge erst allmählich gegenüber seiner Qualifikation als obligatio durchgesetzt. Darüber hinaus wurde der Gravität mit der Aufnahme des Terminus gravissimum officium Rechnung getragen:80 „Quod in Codice educatio religiosa respiciat educationem in religione christiana eaque catholica, satis ex toto contextu clarere censebatur.“ („Soweit die religiöse Erziehung im Kodex die Erziehung in der christlichen und in der katholischen Religion betrifft, wird sie nach dem ganzen Kontext zur Klärung hinreichend geprüft.“)81 Diese in einem zusammenfassenden Text der Beratungen enthaltene Ansicht lässt Zweifel an der Übereinstimmung mit den progressiven Prinzipien des Konzils aufkommen. Ein folgender Entwurf lautete: „Parentes officium gravissimum et ius primarium habent prolis educationem tum physicam et socialem et culturalem, tum moralem et religiosam pro viribus curandi.“ („Die Eltern haben die sehr schwere Pflicht und das erste Recht, bald nach Kräften für die physische und die soziale und die kulturelle, bald für die moralische und die religiöse Erziehung Sorge zu tragen.“)82 Dieser fand im c. 1136 CIC 1983 seinen Niederschlag. Das Recht und die Pflicht zur Erziehung gründet hier auf der Elternschaft, zudem wird der weit gefasste Terminus der educatio religiosa verwendet.
79 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1177, (Übers. d. Verf.). 80 Ibid., S. 1176. 81 Ibid., S. 1177, (Übers. d. Verf.). 82 Ibid.
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Im Gesamten zeigt sich zum einen eine Kontinuität gegenüber der Normierung im CIC 1917, andererseits steht die Textierung bereits deutlich im Licht der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass der c. 1136 CIC 1983 ein im Naturrecht grundgelegtes, weder von der Kirche noch vom Staat abhängiges Prinzip inkludiert. Auf der Grundlage der Prinzipien des Zweiten Vatikanischen Konzils, respektive der Deklaration Gravissimum educationis und der Enzyklika Digni tatis humanae regelt der CIC 1983 die Erziehung zunächst unabhängig von den Ereignissen des ehelichen Lebens. Der CIC 1917 traf hinsichtlich einer Loslösung der Erziehung aus dem Eherecht noch keine Festlegung.83 Von einer Relevierung der Schuldfrage wird im c. 1154 CIC 1983 Abstand genommen, zumal eine Erhebung dieser zivilrechtlichen Komponente der größeren imperativen Kompetenz des Staates zugesprochen wird. Die kirchlicherseits normierten Regeln zur Erziehung im Falle der Trennung der Ehepartner gelten vor dem Hintergrund des Gehalts staatlicher Rechtsprechung.84 Der im Naturrecht grundgelegten Erziehungspflicht wird in der kanonischen Ordnung eine besondere Relevanz zuteil. Ungeachtet einer weltlichen Jurisdiktion übernehmen die Eltern mit der Elternschaft spezifische officia gegenüber den Kindern, die sich für Katholiken in der Auflage der Erziehung in der Katholischen Kirche konkretisiert. Aufgrund der Gravität und Dringlichkeit schließt c. 1154 die Möglichkeit von Schutzmaßnahmen nicht aus, unterlässt aber eine nähere Konkretisierung der erforderlichen Tatbestände, womit der Beurteilung nach den Spezifika individueller Situationen ein breiter Raum gewährt wird. Die grundsätzlichen, themenspezifischen Verpflichtungen des CIC 1983 gründen zunächst in der Elternschaft. In Analogie zur normativen Gestaltung der Erziehung wäre es gegenwärtig denkbar und zeitgemäß, eine normative Struktur für die Familie zu konzipieren. Voranzustellen wäre eine klare und explizite Definition der Familie als Rechtsinstitut.85 Erst auf dieser Grundlage wird es unter anderem möglich sein, den kontemporären Herausforderungen einer Familienpastoral adäquat zu begegnen. Mit der Anerkennung der Erziehungspflicht im Rahmen der Elternschaft hat die Kirche einen Weg eingeschlagen, dessen Spur für die Implementation eines außerhalb der sakramentalen Ebene situierten Familienrechts bereits den Boden ebnete. Ein kanonisches Familienrecht würde die systematische Einordnung der Erziehungspflicht außerhalb der Ehe ermöglichen.
83 Ibid.,
S. 1185. S. 1186. 85 Ibid., S. 1186, 1187. 84 Ibid.,
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Im Vergleich der kanonischen Kodizes des 20. Jahrhunderts zeigt sich eine Veränderung der Sichtweise der Ehelehre. Vom Ansatz des matrimonium in fieri und dem damit verbundenen, pathologischen Verständnis des Ehevertrages ging der Gesetzgeber zur Fokussierung des matrimonium in facto esse über und verlieh damit dem totius vitae consortium ein besonderes Gewicht. Als maßgeblicher Ausgangspunkt wurde der von Christus gestiftete Ehebund erkannt. Die tendentielle Zurückdrängung des Verständnisses der Ehe als Vertrag sui generis erfolgte zugunsten ihrer vorrangigen Qualifikation als Bund – foedus. Daraus ergibt sich eine mittelbare Konsequenz für die Ehewirkungen. C. 1055 § 1 erfasst die Kindererziehung als Ehezweck und macht sie damit zum Gegenstand des Ehebundes als totius vitae consortium. In der Qualifikation der ehelichen Gemeinschaft als Bund finden sich Merkmale für eine zukunftsweisende Definition des Terminus Familie.86 C. 341 § 1 regelt die Rechtsverbindlichkeit von Konzilsdekreten. Diese tritt ein, sofern die Dekrete vom Papst genehmigt, bestätigt und infolge seiner Anordnung promulgiert wurden.87 Die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils sind allesamt ein Ausdruck des höchsten authentischen Lehramts der Katholischen Kirche, dennoch unterscheiden sie sich in der Reichweite ihrer rechtsverbindlichen Geltung. Die themenspezifisch besonders bedeutsamen Dokumente Dignitatis humanae und Gravissimum educationis wurden in der Form von Erklärungen verfasst. Als solche dienen sie der richtungsweisenden Orientierung, allenfalls der Interpretation rechtsverbindlicher Normen, binden jedoch nicht per se. Somit gehen aus dem Konzilstexten keine unmittelbar rechtsverbindlichen Anordnungen betreffend die Rechte und Erziehung eines Kindes hervor. Nach Joseph Ratzinger „schöpft“ die Konzilserklärung Gravissimum edu cationis zudem „die Möglichkeiten nicht aus, die ihm die konziliare Anthropologie geboten hätte.“88 Diese Möglichkeiten werden insbesondere durch die uneingeschränkte Anerkennung der Würde der menschlichen Person und ihrer daraus resultierenden Freiheit eröffnet: „Im Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgt die entscheidende Wendung zur Thematisierung der Grundund Menschenrechte innerhalb der kirchlichen Rechtsordnung.“89 Hieraus ergeben sich auch neue Implikationen für die konfessions- und religionsverschiedenen Ehen. 86 Lüdicke, Einführung vor Can. 1055, Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 87 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 88 Ratzinger, Das Menschenbild des Konzils in seiner Bedeutung für die Bildung, S. 53. 89 Loretan, Das Verhältnis der Kirchen zu den Grund- und Menschenrechten, S. 268.
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Der Moraltheologe und Redemptorist Bernhard Häring (1912–1988) anerkannte die „beiderseitige Garantie der vollen religiösen Freiheit in tiefem Respekt vor dem Gewissen des anderen“ als „unbedingte Voraussetzung einer verantwortbaren Mischehe“ und kommentierte damit das Konzilsvotum De Matrimonii Sacramento aus dem Jahr 1964, das die Verpflichtung des katholischen Partner auf ein „in quantum poterit“ beschränkte.90 Erst c. 1099 § 1 n. 2 CIC 1917 hatte die Einhaltung der Eheschließungsform zur Gültigkeitsvoraussetzung einer konfessionsverschiedenen Ehe gemacht. Ein Formmangel begründete zuvor nur die Unerlaubtheit, ohne die Gültigkeit zu tangieren. Dem Motu Proprio Matrimonia mixta des Konzilspapstes Paul VI. aus dem Jahr 1970 folgend setzt auch c. 1127 CIC 1983 bei konfessionsverschiedenen Ehen die Einhaltung der kanonischen Formvorschriften für die Gültigkeit einer Ehe voraus, zumal der katholische Teil gemäß c. 1117 diesbezüglich gebunden ist. Die Bischofskonferenzen haben diesbezüglich divergente Ausführungsbestimmungen getroffen.91 Nach einem Dekret der Österreichischen Bischofskonferenz ist eine Dispens von der kanonischen Eheschließungsform nach c. 1127 § 2 durch den Ortsordinarius des Wohnsitzes des katholischen Partners in den Fällen möglich, soweit die Ehe ansonsten in nichtkatholischer Umgebung geschlossen wird oder die Partner sonst in einer kirchlich ungültigen Ehe zusammenleben. Daneben gelten auch verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zum akatholischen Amtsträger oder ein entsprechender Widerstand seitens des akatholischen Partners oder dessen Familienangehöriger gegenüber einer kanonischen Eheschließung als schwerwiegende, eine Dispens rechtfertigende Gründe.92 Das Versprechen bei Mischehen gemäß c. 1126 konkretisierte die Österreichische Bischofskonferenz für ihr Territorium wie folgt: „Ich will in meiner Ehe am katholischen Glauben festhalten. Ich erkenne an, dass mein Glaube von mir verlangt, mich für die Taufe und Erziehung unserer Kinder in der katholischen Kirche einzusetzen. Ich werde mich bemühen, dem zu entsprechen unter Rücksichtnahme auf das Gewissen meines Partners.“93 Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil tritt die Religionsfreiheit der Person an die Stelle der Toleranz des Irrtums.94 Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, spricht sich für die religiöse Freiheit der menschlichen Person aus, die in der Ordnung des Staates anerkannt wer90 Wilkens, Mischehe und religiöse Kindererziehung in protestantischer Sicht, S. 50 (74). 91 Geringer, Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 67 (72). 92 Österreichische Bischofskonferenz, Dekret über die Dispens von der kanonischen Eheschließungsform, 28. April 1994, ABl. Nr. 4. 93 Österreichische Bischofskonferenz, Dekret über die Weise der Versprechen bei Mischehen, 3. August 1994, ABl. Nr. 12. 94 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 61.
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den muss. Der Einzelne darf weder gezwungen werden gegen noch gemäß seinem Gewissen zu handeln. Darin eingeschlossen ist auch die Option, nicht zu glauben. Zugrunde gelegt wird die Überzeugung, dass die Suche nach der Wahrheit nur in Freiheit gelingen kann. Rechtsträger der Religionsfreiheit sind der Einzelne und die Religionsgemeinschaften.95 Damit schreibt das Zweite Vatikanum eine neue Grundlegung für den pastoralen Dienst fest. Der Schlüssel zu einer tragenden juristischen Rahmenordnung für die gegenwärtig im Umbruch begriffenen familiären Strukturen, respektive betreffend das immanente Erfordernis der Regelung des Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern, lässt sich in dem überkonfessionellen, in der Natur des Menschen grundgelegten Rechtsprinzip finden. Im Geist des Zweiten Vatika nischen Konzils manifestiert sich die Erkenntnis und Überzeugung der Kirche, dass die Freiheit des Glaubens und des Gewissens durch die Anerkennung eines der kirchlichen Legislative nicht zugänglichen äußeren Rahmens geboten ist, der als Naturrecht umschrieben werden kann. Die Anerkennung dieses Grundsatzes muss selbst zum Gegenstand des kanonischen Rechts gemacht werden, wodurch die im Übrigen getroffenen Regelungen erst ihre volle Legitimation erhalten. Mit dem Zweiten Vatikanum war in die Kirche der Geist einer barmherzigen Liebe eingezogen. Die Verteidigung inhaltlich starrer hierarchischer Strukturen wurde fallen gelassen und der Mensch in Anbetracht seiner unverlierbaren und unaufgebbaren Würde in die Mitte gestellt. Die Erklärung über die christliche Erziehung, Gravissimum educationis, kann als sachgerechte Positionierung der Kirche in der Frage der religiösen Kindererziehung verstanden werden. Nicht zuletzt in Anbetracht der kurzen Entstehungszeit dieses Dokumentes konnte allerdings noch keine den kontemporären Herausforderungen in Umfang und Tiefe gerecht werdende Auseinandersetzung erreicht werden. Dennoch stimmen die Koordinaten des im Geist des Zweiten Vatika nischen Konzils eingeschlagenen Weges und das Erreichte umfasst bereits bedeutsame Schritte. Zudem zeigt die Kirche der Gegenwart größtes Bemühen gerichtet auf ein Fortschreiten in diese Richtung. Mit der Anerkennung der Laien als vollwertigen Gliedern der Kirche verbindet sich – vor dem Hintergrund der unverzichtbaren hierarchischen Strukturen – die Notwendigkeit einer angemessenen Kooperation. In diesem Kontext erkannten die Konzilsväter das Erfordernis, die Bedeutung des persönlichen Kontaktes zwischen den Hirten und den einzelnen Gläubigen zu betonen. Das Anknüpfen am konkreten Menschen und seiner spezifischen Lebenssituation macht ein pastorales Eingehen auf partikulare Besonderheiten unumgänglich. Das Zweite Vatikanische Konzil erweiterte die Gesetzge95 Ibid.,
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bungsgewalt der Bischofskonferenzen und den Ermessensspielraum der Diözesanbischöfe aus diesem Grund erheblich.96 Mit dem Ausbau der bischöflichen Rechte ist auch ihre Verantwortlichkeit gewachsen. Eine Tendenz für die zukünftige Orientierung der Kirche kann man dem Schlussdokument der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen Lateinamerikas, die vom 13. bis zum 31. Mai 2007 in der brasilianischen Stadt Aparecida stattfand, entnehmen, dem die Intention einer Erneuerung der Katholischen Kirche, die mit dem Zweiten Vatikanum ihren Anfang nahm, zugrunde liegt und und aus dem klar die erklärte Absicht konsequenter und kontinuierlicher Weiterentwicklung hervorgeht.97 Nicht abwegig erscheint es, davon auszugehen, dass Papst Franziskus sich von den Stellungnahmen dieser Konferenz getragen weiß und deren Ergebnisse eine inhaltliche Grundlage seines zukunftsweisenden Pontifikates bilden. In diesem Kontext wurde die notwendige Fokussierung der kindlichen Bedürfnisse konstatiert. „Kirche, Familie und staatliche Institutionen müssen sich heute vorrangig den Kindern zuwenden, weil diese vielen Gefahren ausgesetzt sind und daher besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.“98 Als unbedingte Voraussetzung gilt die Anerkennung der Komplementarität zwischen den Geschlechtern und das hieraus resultierende Optimum gelungener Kooperation: „Die Beziehung von Mann und Frau beruht auf Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit. Es geht darum, in Eintracht zu leben, einander zu ergänzen und in gemeinsamer Anstrengung die Aufgaben zu erfüllen. Frauen und Männer tragen gemeinsam die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft unserer menschlichen Gesellschaft.“99 Schließlich wurde die Bedeutung der Frau als Mutter propagiert. „Es ist dringend notwendig, die Mutterschaft als einzigartige Sendung der Frauen zu schätzen. Dies steht nicht im Widerspruch zu ihrer Berufsausbildung und Berufstätigkeit in all ihren Aspekten, sondern gestattet es, dem ursprünglichen Plan Gottes treu zu bleiben, der dem Menschenpaar gemeinsam die Sendung übertragen hat, die Welt zu verbessern. Die Mutter ist in der Familie, bei der Erziehung der Kinder und der Weitergabe des Glaubens unentbehrlich. Das schließt aber nicht aus, dass sie auch aktiv am Aufbau der Gesellschaft beteiligt sein muss. Deshalb müssen die Frauen eine ganzheitliche Bildung erfahren, da-
96 Pototschnig,
Das Bildungswesen, S. 642 (649). 2007. Schlussdokument der 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik (Stimmen der Weltkirche Nr. 41, Bonn 2007), http://www.adveniat.de/fileadmin/user_upload/Bilder_Content/Nachrichten/2013_1/ Schlussbotschaft.pdf (abgefragt am 12. 03. 2014). 98 Aparecida 2007, Nr. 438. 99 Ibid., Nr. 452. 97 Aparecida
II. Die Dimension der Erziehung im Kodex von 1983183
mit sie ihre Sendung in Familie und Gesellschaft erfüllen können.“100 In der Konferenz erkannten die Bischöfe das Erfordernis der bewußten Auseinandersetzung mit den innerhalb der zivilen Gesellschaft existenten, historisch überkommenen und sie prägenden Parametern. „Die Schule muss durch die systematische und kritische Aneignung der Kultur in erster Linie zu einem privilegierten Ort ganzheitlicher Bildung und Förderung werden. Dies wird ihr vor allem durch eine intensive und lebendige Begegnung mit dem kulturellen Erbe gelingen.“101 Die Generalkonferenz in Aparecida betonte das Erfordernis der konstruktiven Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Pluralismus, und die gemeinsame Verantwortung von Mann und Frau im Hinblick auf ihre Aufgaben innerhalb der Familie sowie im gesellschaftlichen Kontext. Konkret wurde die Implementation von pastoralen Maßnahmen zur Ermöglichung der Entdeckung und Entfaltung des „Genius der Frau“ im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld gefordert. Des Weiteren betonte die Konferenz das Erfordernis der Einbindung von Laien und insbesondere der Frauen in die kirchlichen Planungs- und Entscheidungsebenen. Diesen „Genius der Frau“ hatte bereits Papst Johannes Paul II. in seinem Brief an die Frauen 1995 betont.102 Im 20. Jahrhundert wurden sowohl im kirchlichen als auch im weltlichen Recht Schritte in Richtung einer Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt vollzogen. Die „Autonomie oder Subjektstellung des Menschen“ zum „archimedischen Punkt zu machen, verbindet Verfassungsstaat und Kirche“,103 denn „die anthropologische Wende der Neuzeit“ stellt die Würde der menschlichen Person in den Mittelpunkt und betrachtet diese als Ausgangspunkt für die Gewährleistung der Religionsfreiheit.104 Daran anknüpfend findet die religiöse Erziehung ein tragendes Fundament, dessen Stärke in der freien, persönlichen Überzeugung sowie einer damit einhergehenden Reflexion gründet. In seinem Brief an die Familien qualifizierte Papst Johannes Paul II. die Familie als „souveräne Gesellschaft“105 und beschreibt die in der Würde des einzelnen Menschen begründete Anpruchsstellung sowie die sich daraus ergebende Bedeutung der Institution der Familie: „ ‚Dieser Mensch‘ hat auf 100 Ibid.,
Nr. 456. Nr. 457. 102 Ibid., Nr. 458. 103 Steuer-Flieser, Grundrechte im Codex Iuris Canonici von 1983 im Vergleich mit dem deutschen Grundgesetz, S. 87. 104 Kasper, Wahrheit und Freiheit, S. 19. 105 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 17. 101 Ibid.,
184
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Grund seiner menschlichen Würde jedenfalls Anspruch auf eigene Behauptung. Genau diese Würde bestimmt ja den Platz der Person unter den Menschen und zunächst in der Familie. In der Tat ist die Familie – mehr als jede andere menschliche Wirklichkeit – der Bereich, in dem der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe ‚um seiner selbst willen‘ existieren kann. Deshalb bleibt sie eine soziale Institution, die man nicht ersetzen kann und nicht ersetzen darf: Sie ist ‚das Heiligtum des Lebens‘ “106 Für den kollektiven Kontext ergibt sich hieraus die Funktion der Familie als „fundamentale Zelle der Gesellschaft.“107 Die vollkommene Selbstfindung als zentrales Postulat der Entfaltung der menschlichen Person ortet Papst Johannes Paul II. in der „aufrichtigen Hingabe seiner selbst.“ Dieser scheinbare Widerspruch ist nur aus der Berufung des Menschen erklärbar: „Es ist vielmehr das grobe staunenswerte Paradoxon der menschlichen Existenz: einer Existenz, die berufen ist, der Wahrheit in der Liebe zu dienen. Die Liebe sorgt dafür, dass sich der Mensch durch die aufrichtige Selbsthingabe verwirklicht: Lieben heißt, alles geben und empfangen, was man weder kaufen noch verkaufen, sondern sich nur aus freien Stücken gegenseitig schenken kann. Die Hingabe der Person verlangt ihrer Natur nach beständig und unwiderruflich zu sein. Die Unauflöslichkeit der Ehe entspringt hauptsächlich aus dem Wesen solcher Hingabe: Hingabe der Person an die Person. In diesem gegenseitigen Sich-Hingeben kommt der bräutliche Charakter der Liebe zum Ausdruck. Im Ehekonsens nennen sich die Neuvermählten bei ihrem Eigennamen: „Ich (…) nehme dich (…) als meine Frau (als meinen Mann) und verspreche dir die Treue (…) solange ich lebe.“ Eine solche Hingabe verpflichtet viel stärker und tiefer als alles, was auf welche Weise und um welchen Preis auch immer „gekauft“ werden kann. Während sie ihre Knie vor dem Vater beugen, von dem jede Elternschaft stammt, werden sich die künftigen Eltern bewußt, dass sie „erlöst“ worden sind. Sie sind in der Tat um einen teuren Preis losgekauft worden, um den Preis der aufrichtigsten Hingabe, die überhaupt möglich ist, das Blut Christi, an dem sie durch das Sakrament teilhaben. Liturgische Krönung des Ehekonsenses ist die Eucharistie – das Opfer des „hingegebenen Leibes“ und des „vergossenen Blutes“ –, die im Konsens der Brautleute in gewisser Weise ihren Ausdruck findet. Wenn sich der Mann und die Frau in der Ehe in der Einheit des „einen Fleisches“ gegenseitig schenken und empfangen, tritt die Logik der aufrichtigen Hingabe in ihr Leben ein. Ohne sie wäre die Ehe leer, während die auf diese Logik gegründete Gemeinschaft der Personen zur Gemeinschaft der Eltern wird. Wenn sie das Leben an ein Kind weitergeben, fügt sich im Bereich des „Wir“ der Eheleute ein neues menschliches „Du“ ein.“108
Diese Interpretation der Bedeutung der Ehe kehrt unter einem die Gravität des Ehekonsens für den themenspezifischen Aspekt der religiösen Erziehung hervor: „Der Ehekonsens bezieht sich auf das gemeinsame Wohl des künfti106 Ibid.,
Nr. 11. Nr. 2. 108 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 11. 107 Ibid.,
II. Die Dimension der Erziehung im Kodex von 1983185
gen Kerns der Familie, während sie die in die Gründung der Ehe und Familie eingeschriebene Genealogie der Personen gegenwärtig hält. Die Frage der Kinder und ihrer Erziehung steht in engem Zusammenhang mit dem Ehekonsens, mit dem Schwur von Liebe, ehelicher Achtung und Treue bis zum Tod.“109 Aus dieser Grundlegung ergibt sich des Weiteren der Stellenwert der religiösen Erziehung und der Katechese im Rahmen der Familie: „Die Familienkatechese geht daher jeder anderen Form der Katechese voraus, begleitet und bereichert sie.“110 Die Anerkennung der Freiheit der Person impliziert die Anerkennung der Freiheit des Nächsten. Dialogbereitschaft und -fähigkeit sind gefordert. Hierzu bedarf es einer entsprechenden, Sachwissen und Empathie eingeschließenden Kompetenz. Religiöse Erziehung muss den individuellen Kontext der persönlichen Entwicklung mit dem kollektiven Pendant zu verbinden suchen. In diesem Kontext kehrt sich die Bedeutung des rechten Gebrauchs der Freiheit besonders hervor. Die einzigartige Erziehungskompetenz der Familie steht unter dem Posulat der Vorbereitung der Kinder auf das Leben in der pluralen, politischen Gemeinschaft.111 Der im Naturrecht und in der Offenbarung grundgelegten Erziehungspflicht wird in der kanonischen Ordnung eine besondere Relevanz zuteil. Die Existenz des kanonischen Rechts und seine Rechtfertigung bedürfen der Hereinnahme seiner theologischen Grundlagen. Die in der Elternschaft gründende Erziehungspflicht ist den mit dem katholischen Bekenntnis und einer katholischen Eheschließung übernommenen Verpflichtungen vorgelagert. Ausgehend von der normativen Gestaltung der Erziehung erscheint gegenwärtig die Überlegung geboten, eine normative Struktur für die Familie einschließlich ihrer Definition und Erhebung zum Rechtsinstitut zu entwerfen. Erst die Schaffung dieser Basis impliziert das Potential, den gegenwärtigen Herausforderungen einer Familienpastoral entsprechend zu begegnen. Mit der Anerkennung der Erziehungspflicht im Rahmen der Elternschaft eta blierte die Kirche bereits die normative Grundlage für die Implementation eines außerhalb der sakramentalen Ebene situierten Familienrechts. Der neuen Einordnung der Religionsfreiheit durch das Zweite Vatikanum, das den Schutz des Bekenntnisses den damit verbundenen Rechte und Pflichten der Glaubens- und Gewissensfreiheit gegenüberstellt, ist auch im Kontext der Ehe Rechnung zu tragen. Zum einen ist am Bestand und Schutz des 109 Ibid.,
Nr. 10. Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 68. 111 Paul VI., Octogesima adveniens, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (IV, Rz. 917). 110 Johannes
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Ehesakramentes kompromisslos festzuhalten. Zum anderen ist gerade aus dieser Perspektive die pastorale und missionarische Sorge um die nicht durch das Ehesakrament in familiären Strukturen lebenden Gläubigen zu fokussieren. Das Erfordernis, die Verantwortung und die Rechtfertigung hierfür ergeben sich aus dem Anspruch des Kindes auf eine christliche Erziehung. In diesem Kontext wird der Pluralismus als „Phänomen der Demokratisierung und (…) nicht mehr als Übel eingeschätzt, das man beseitigen, sondern als Tatsache, der man Rechnung tragen muss.“112 Ungeachtet der mangelnden normativen Implementierung von Persönlichkeitsrechten im Kirchenrecht gilt: „Die christliche Theologie sieht den Menschen ungeachtet seiner Einbindung in die christliche Gemeinde in seiner Beziehung zu Gott als Person.“113 Demgegenüber anerkennt die Kirche nur die Individualität des Kindes, nicht hingegen seine Rechtspersönlichkeit in expliziter Form. Dies findet seinen Ausdruck in der Normierung von Erziehungspflichten ohne explizite Garantie eines korrespondierenden Anspruches. Die markante Veränderung vollzog sich in der Transformation des Elternrechts in die primäre Pflicht der Eltern zur Erziehung. Dessen ungeachtet beschränkt sich der Kodex weiterhin auf die Eltern, die an ihre Stelle Tretenden sowie die Paten und schließlich die Hirten als expliziten Trägern von Rechten und Pflichten im Kontext der Kinderkatechese. Ein expliziter Anspruch des Kindes als Rechtsträger ist nicht normiert. Immerhin verweist die Hineinnahme der Kinder in den Terminus der Gläubigen etwa in der Grundnorm für den Anspruch auf christliche Erziehung und Verkündigung durch Wort und Beispiel gemäß c. 217 auf die gebotene Anerkennung des Kindes als vollwertige Person. In konsequenter Weiterführung der Etablierung von kanonischen Persönlichkeitsrechten sind die ausdrückliche, normative Qualifikation der Kinder als Rechtsträger und die Definition und Festlegung von mit der Kindeseigenschaft verbundenen, besonderen Ansprüchen korrespondierend mit der Gewährleistung derselben unverzichtbar.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“114 Das aus dem Lateinischen mit „Geheimnis“ zu übersetzende „Sakrament ist ein von Christus für seine Kirche und für immer 112 Kleruskongregation,
Allgemeines Katechetisches Direktorium, S. 9 (30). Das Christentum und die Kirchen in ihrer Bedeutung für die Identität der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, S. 5 (16). 114 Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen gentium, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 123, Art. 1, Nr. 48. 113 Starck,
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum187
eingesetztes, mit den Sinnen erfahrbares, besonderes und wirksames Zeichen einer unsichtbaren Gnadenwirkung.“115 Mit den Sakramenten verbindet sich eine umfassende Schutz- und Vermittlungsfunktion zwischen dem göttlichen Stifter und dem einzelnen Menschen sowie für die communio der Gläubigen.116 Ein den Sakramenten vergleichbares Rechtsinstitut ist dem weltlichen Recht fremd. Hier treten in besonderer Weise die übernatürliche Dimension und das Potential der Familie zutage. Zudem wird deutlich, was die Familie – basierend auf den Wurzeln der Sa kramente Taufe, Firmung und Ehe – zur umfassenden Entfaltung des menschlichen Daseins im individuellen wie kollektiven Kontext hervorbringen soll und kann. Die Sendungsverantwortung der Gläubigen im Rahmen der Erziehung ihrer Kinder wurde von der Kirche von Anbeginn als ius nativum117 anerkannt und qualifiziert. Das natürliche Prinzip der elterlichen Erziehungspflicht ist von einer Konfession unabhängig.118 Es ergibt sich schlicht aus dem in der Elternschaft begründeten Anspruch des Kindes. Diesem Ansatz der Anknüpfung an die Würde der Person hat der kanonische Gesetzgeber respektive in Gestalt des c. 226 § 2 CIC 1983 Rechnung getragen, in dem er das Einsetzen der Erziehungspflicht mit der Elternschaft verknüpft und gemäß c. 226 § 1 und § 2 letzter Satz leg. cit. darauf aufbauend die sich aus dem persönlichen Bekenntnis sowie dem Ehestand ergebenden besonderen Verpflichtungsmomente hinzunimmt. C. 226 § 2 lautet: „Da die Eltern ihren Kindern das Leben geschenkt haben, haben sie die sehr schwerwiegende Pflicht und das Recht, sie zu erziehen; daher ist es vor allem Aufgabe der christlichen Eltern, für die christliche Erziehung ihrer Kinder gemäß der von der Kirche überlieferten Lehre zu sorgen.“ Im themenspezifischen Kontext der Erziehung nimmt dieser Canon eine Schlüsselfunktion ein. Er widerspiegelt die themenspezifische Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums und verweist bereits auf eine weiterführende, im kontemporären gesellschaftlichen und kulturellen Kontext erforderliche, den Maßstäben der Authentizität wie Kontinuität gleichermaßen entsprechende Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre. In diesem Zusammenhang ist im CIC 1983 das Fehlen einer expliziten Regelung des Rechts der Familie zu konstatieren. Die aus der Elternschaft entspringenden Aufgaben, die sich in 115 Sakrament,
2014).
http://www.kathpedia.com/index.php?title=Sakrament (Stand 16. 06.
116 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 36. 117 Ibid., S. 45. 118 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1178.
188
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
der gegenständlichen Untersuchung insbesondere in der umfassenden Bildungs- und Erziehungsarbeit der Eltern manifestieren, unterstreichen das Erfordernis einer über die Konstitution der Ehe hinausragenden Definition familiären Zusammenlebens. Mit dem in den CIC 1983 neu eingefügten c. 226 § 1 wurde ein normativer Ausgangspunkt für ein explizites, kirchliches Familienrecht geschaffen. Regelungsgegenstand bildet die Beteiligung der Familie am Aufbau der Kirche entsprechend der ihr eigenen Wesensart. Diese spezifische, konstitutive Festlegung impliziert das Erfordernis, die Familie in ihrer Autonomie und rücksichtlich ihrer spezifischen Rechte und Pflichten zu schützen. Aus dem Ansetzen an der Lebensrealität der Menschen und der Anerkennung seiner Individualität und Privatautonomie ergibt sich die Unumgänglichkeit der Auseinandersetzung mit der Ehe in facto esse.119 Schließlich ist die Freiheit des einzelnen Gläubigen seiner Verantwortung gegenüberzustellen. Im themenspezifischen Kontext drückt sich dies in der Komplementarität von Erziehungsrecht und Erziehungspflicht aus. Die systematische Positionierung des elterlichen Erziehungsrechtes gemäß c. 226 § 2 dokumentiert seine Konzeption als „spezifisches Recht der Laien.“120 Mannigfache Anknüpfungspunkte finden sich in tragenden Grundsätzen des Lehramtes. Einen kontemporären, synodalen Kontext fokussierend, konstatierte Bischof Jean Laffitte, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie „the fact that the church possesses a very rich source of documents that must be used in view of promoting the value and beauty of the family often menaced by legislations in various regions of the world. The appreciation of the beauty of human love on which the previous pontificates particularly that of the future St. John Paul II. and that of Benedict XVI. devoted their efforts through Wednesday Catechesis on human love and several Encyclicals they have issued, once properly taught and lived, will make families (…) lights of hope.“121 1929 qualifizerte Papst Pius XI. die herausragende Bedeutung der Eltern Jesu im Themenfeld der Erziehung: „Maria e Giuseppe, queste due purezze, queste due figure sublimemente edificanti nell’orizzonte del bene, questi due coefficienti dell’educazione umana dello stesso Gesù, offrono realmente il primo divino esempio dell’educazione cristiana“) („Maria und Josef, diese beiden Reinheiten, diese beiden Gestalten, erhaben erbaut am Beginn des Guten, diese beiden beständigen Konstanten der menschlichen Erziehung 119 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 192. 120 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 59. 121 Pontificium Consilium pro Familia, Pontificium Consilium pro Familia – The challenge of family, http://www.familiam.org/pls/pcpf/v3_s2ew_consultazione.tradu zione?id_pagina=6558&id_lingua=2 (Stand 15. 05. 2014).
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum189
desselben Jesus, bieten das erste wirkliche, göttliche Beispiel der christlichen Erziehung“).122 Mit dem eigenen Bekenntnis verbindet sich für die Eltern die Verpflichtung zum tradere – zur Veranlassung der Taufe. Den Eltern obliegt die Entscheidung der Bindung an die Kirche, wodurch sie insoweit ein Bindeglied zwischen ihren Kindern und den Hirten darstellen. Das Recht und die „Pflichtgebundenheit“ der Eltern zur Erziehung trägt einen „treuhänderischen Charakter“.123 In der Anteilnahme der Eltern an dem auf die Entfaltung des Taufsakramentes gerichteten Heiligungsdienst formiert sich die Brücke von der Freiheit der Glaubensentscheidung zu der mit dem Bekenntnis korrespondierenden Verantwortung. Die Erziehungsverantwortung der Eltern überspannt einen weiten Bogen. Im Rahmen der Familienkatechese sind die Grenzen zwischen Katechese, religiöser Erziehung und Bildung fließend. So verpflichtet c. 774 § 2 die Eltern, die ihre Stelle Einnehmenden sowie die Paten zur Vermittlung und Einübung der Glaubenslehre. Damit haben sie unter einem Anteil an dem sehr weit zu interpretierenden katechetischen Auftrag der Kirche. Die religiöse Erziehung vermag im gesellschaftlichen Kontext jene Lücke zu schließen, die sich durch den materiellen Gehalt des im staatlichen Recht formell anerkannten Anspruches auf moralische und sittliche Wertevermittlung ausdrückt. „Im internationalen Recht zeigt sich eine eindeutige Tendenz zur Anerkennung des elterlichen Erziehungsrechts und des Anspruchs des Kindes auf Erziehung und Ausbildung auf menschenrechtlicher Basis, das heißt mit der Qualität als präpositives Rechtsprinzip.“124
Die Anknüpfung an naturrechtliche Grundsätze wie die Anerkennung des natürlichen Rechtes der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder, gegenwärtig vor allem in Anknüpfung an ihr Pendant, nämlich das Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern, vermag im pluralistischen gesellschaftlichen Kontext tragende Lösungsansätze zu vermitteln, die den Prämissen von Freiheit und Verantwortung gerecht werden. Der Gegenstand der Erziehung ergibt sich aus der Prämisse ihres Hingeordnetseins auf das ewige Heil. Das Zweite Vatikanische Konzil definiert das bonum commune als „die Summe aller jener Bedingungen gesellschaftlichen Lebens, die den Einzelnen, den Familien und gesellschaftlichen Gruppen ihre eigene Vervollkommnung voller und ungehinderter zu erreichen gestattet“. Eine ähnliche Festlegung findet sich bei Papst Johannes XXIII. in seiner 122 Stramare, http://www.movimentogiuseppino.wordpress.com/la-teologia-giusep pina/ (abgefragt am 27. 04. 2014), (Übers. d. Verf.). 123 Hollerbach, Erziehungsrecht, Sp. 855. 124 Ibid.
190
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Enzyklika Mater et magistra aus dem Jahr 1961.125 Das bonum commune bildet gleichsam die äußere Klammer für den themenspezifischen Kontext der religiösen Erziehung, deren letztes Ziel die Vervollkommnung als Identifikation des Menschen ist. In diesem Sinne konstatierte auch Papst Franziskus: „Die wahre Erziehung lässt uns das Leben lieben und öffnet uns für die Fülle des Lebens.“126 Gemäß c. 11 CIC 1983 gelten die kirchlichen Gesetze für alle Getauften und die in der Kirche Aufgenommenen, die über den hinreichenden Vernunftgebrauch verfügen und das siebente Lebensjahr vollendet haben.127 Mit dem Erreichen der anni discretionis wird der hinreichende Gebrauch der Vernunft gemäß c. 97 § 2 rechtlich vermutet. C. 205 ist Bestandteil des impliziten Grundrechtkataloges und normiert die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur plena communio, begründet durch die drei vincula des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung. Es ist die Aufgabe der Erziehungsverantwortlichen, den Zugang zur vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche zu eröffnen. C. 208 normiert die Gleichheit aller Gläubigen, der „christifideles“, „secundum propriam cuiusque condicionem et munus.“128 Gemäß c. 96 beginnt die Rechtsfähigkeit im Kirchenrecht mit der Taufe. Damit verbunden ist der Anspruch auf eine christliche Erziehung gemäß c. 217. Die Taufe ist für die Kirchengliedschaft sohin konstitutiv. Außerhalb der Eigenschaft eines Membrums der communio spricht die Kirche dem Menschen das Recht auf die Taufe zu. Korrespondierend dazu normiert der CIC 1983 die Erziehungspflicht der Eltern. Demgegenüber ist zu fragen, woraus ein nicht getauftes Kind einen Erziehungsanspruch nach dem kanonischen Recht ableiten kann. In diesem Kontext kann wohl darauf geschlossen werden, dass das Recht auf die Taufe einen entsprechenden Erziehungsanspruch impliziert. In diesem Zusammenhalt wird im Allgemeinen Katechetischen Direktorium der Kongregation für den Klerus aus dem Jahr 1971 festgehalten: „Der Zugang zum religiösen und sittlichen Leben wird schon ganz zu Anfang des menschlichen Lebens aufgetan. In den Familien der Gläubigen können schon die ersten Monate und Jahre des Lebens von großer Bedeutung sein für die Ausgeglichenheit des späteren Menschen, können schon Voraussetzungen für die christliche Persönlichkeit schaffen.“ Schließlich bildet die Erfüllung der elterlichen Erziehungspflicht ein wesent125 Zweites
Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 65. Erziehung als Ort des Wahren, des Guten und des Schönen, htttp:// www.zenit.org/de/articles/papst-franziskus-erziehung-als-ort-des-wahren-des-gutenund-des-schonen (Stand 24. 06. 2014). 127 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 128 Ibid., 2012. 126 Franziskus:
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum191
liches Element der Sorgetragung der Hirten, denn die „Kirche wird auferbaut, wenn den Eltern geholfen wird, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Das bietet auch die beste Gelegenheit, die Erwachsenen zu unterweisen.“129 Das Allgemeine Katechetische Direktorium bringt in deutlicher Weise zum Ausdruck, dass die Katechese bei Kindern und Jugendlichen weit mehr umfasst als die schlichte Glaubensunterweisung. Daraus erkären sich auch die fliessenden Grenzen zwischen Katechese und Erziehung. Gemäß c. 835 § 4 haben die Eltern Anteil an der amtlichen Lehrverkündigung. Darüber hinaus bilden die Kinder einen Gegenstand der Erziehung, bezüglich der den Hirten der Kirche keine vorrangige Kompetenz zukommt. Das Allgemeine Kateche tische Direktorium beschreibt den Inhalt der Katechese dahingehend, dass den Jugendlichen „die Bedeutung des leiblichen Daseins, die Liebe, die Familie, die Norm, der man im Verlauf des Lebens folgen muß, die Arbeit und die Freizeit, Gerechtigkeit und Friede usw.“ erschlossen werden sollen.130 Das von Papst Johannes Paul II. gewählte Thema des Weltfriedenstages 1998 – Aus der Gerechtigkeit jedes einzelnen erwächst der Friede für alle – „erinnert und mahnt an die persönliche Verantwortung eines jeden Mannes und einer jeden Frau beim Aufbau eines menschlichen Zusammenlebens in Gerechtigkeit als unabdingbarer Voraussetzung für den Frieden aller.“131 Dieser „unbedingte, kategorische Anspruch“ wird „Sittlichkeit, im Bereich des Sozialen aber Gerechtigkeit (sic!)“, genannt. Gerechtigkeit meint mehr als das blosse Erfüllen von Verpflichtungen. Der Anspruch der Gerechtigkeit ist eben unbedingt, von keiner anderen Verbindlichkeit abhängig. Damit impliziert Gerechtigkeit zunächst den Anspruch, „den anderen in seinem Recht, das heißt zuerst und zuletzt als Person, gelten“ zu lassen. Diese in der Bergpredigt enthaltende Gerechtigkeitsvorstellung ist Grundlage für einen überkonfessionellen, allgemein vertretbaren Wertekonsens. Zentral ist nicht das quantitative, sondern das qualitative, von der Kategorie der Selbstlosigkeit getragene Streben nach Pflichterfüllung.132 Basierend auf Gravissimum educationis normiert c. 217 das Recht auf Erziehung und Bildung als Ausfluss der allgemeinen Menschenwürde und fokussiert zwei Ziele, die sich zum einen als Reifung der menschlichen Person und zum anderen als Vertiefung der Gottesbeziehung definieren lassen, woraus sich insgesamt die communio formt: „(…) the latter is the foundation
129 Kleruskongregation,
Allgemeines Katechetisches Direktorium, S. 81 ff. S. 85. 131 L’Osservatore Romano, 5. Juli 1997, Zum Leitmotiv des Weltfriedenstages 1998, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Aus der Gerechtigkeit jedes Einzelnen erwächst der Friede für alle, S. 7. 132 Fraling, Einführung, S. 10. 130 Ibid.,
192
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
of communio.“133 Die Umsetzung vollzieht sich im Wege der Partizipation an den drei munera gemäß c. 205. Eine der aktuell brennendsten Fragen im Bereich der erzieherischen Wertevermittlung innerhalb der Kirche betrifft die dezidierte Anerkennung der persönlichen, subjektiven Gewissensentscheidung im Sinne des c. 748 § 2 neben der Verteidigung des Bestandes der objektiven Wahrheit. Die auf Wunsch der Konzilsväter 1965 von Papst Paul VI. als ständige kollegiale Einrichtung begründete Bischofssynode hat in ihrer ersten ordentlichen Generalversammlung 1967 zehn approbierte Leitsätze zur Kodexreform beschlossen. Darin wurde unter anderem die Umschreibung der Rechte der Person verlangt. Weiters sollte die Ausübung hierarchischer Gewalt deut licher als Dienst erscheinen und ihr Missbrauch ausgeschlossen werden.134 Wenn es dem Menschen gegeben ist, das Wahre in Freiheit zu erkennen, so darf diese Möglichkeit zur Erlangung einer höchste Überzeugungskraft implizierenden Einsicht nicht durch formale Zwänge unterbunden werden. Eine von formalen Zwängen befreite Erziehung muss sohin auf schlichte Glaubwürdigkeit setzen und stellt die Verpflichteten vor das Erfordernis der ehrlichen Selbstreflexion. Erziehung bedeutet nach zeitgemäßem Verständnis vor allem das Vorleben eines Vorbildes und meint in diesem Sinne das He ranführen des jungen Menschen zu einer verantwortungsvollen, sinnerfüllten und eigenständigen Lebensführung. Das Zwangsmoment ist zugunsten der zunehmenden Betonung der Rechte des Kindes in den Hintergrund getreten. Erziehung hat in erster Linie eine dienende Funktion. Der Entscheidung für ein bestimmtes Bekenntnis, für die Erziehung nach einer bestimmten Erkenntnis wohnt freilich ein gewisses Zwangsmoment inne. Dieser Zwang ist jedoch als Verantwortung gegenüber dem eigenen Bekenntnis zu interpretieren. Die Erziehung selbst steht unter der klaren Prämisse der Betonung der Persönlichkeitsrechte und der Freiheit des Kindes. Die Grenzziehung als Schutz- und nicht als Machtfunktion ist im Bereich des durch das Kindeswohl bestimmten Rahmens anzusetzen. Die Erziehungsaufgabe ist ein natürliches Recht und eine naturrechtliche Verpflichtung. Gravissimum educationis folgend qualifiziert der CIC 1983 die Erziehungspflicht der Eltern als streng. Die bedeutungsvolle Formulierung „helfen, zu sein“ fasst die Pädagogik des Thomas von Aquin treffend zusammen. Thomas von Aquin hinterließ eine Definition der Erziehung, die von Papst Pius XI. in der Enzyklika Casti connubii zitiert wurde. Erziehen bedeutet 133 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, S. 272 ff. 134 Loretan, Das Verhältnis der Kirchen zu den Grund- und Menschenrechten, S. 268.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum193
demnach, zur Tugendhaftigkeit, also zur Entwicklung der vollkommenen Reife des Menschen gemäß seiner menschlichen Natur, beizutragen: „primum est proles suscipienda et educanda ad cultum Dei.“135
Die Pflicht zur Erziehung hat ihren Ursprung im göttlichen Sendungsauftrag, den Heilsweg zu verkündigen. Darauf gründet c. 794, der die besondere Pflicht der Kirche zur Erziehung im Wege der irgend möglichen Hilfestellung durch die Seelsorger normiert: „In besonderer Weise kommt der Kirche Pflicht und Recht zur Erziehung zu; denn ihr ist es von Gott aufgetragen, den Menschen zu helfen, daß sie zur Fülle des christlichen Lebens zu gelangen vermögen. Pflicht der Seelsorger ist es, alles zu tun, damit alle Gläubigen eine katholische Erziehung erhalten.“ Gravissimum educationis klammert die Pflicht zur Erziehung aus der primären Verantwortung der Hirten aus und transformiert diese in die Qualifikation einer besonderen Verpflichtung. Eine konkrete Aufsicht wird auf die amtliche Lehrverkündigung im Rahmen der Katechese sowie auf den Reli gionsunterricht reduziert.136 Das Recht und die Pflicht zur Erziehung sind Gegenstand der den Gläubigen gemäß c. 213 zustehenden Hilfe aus den „geistlichen Gütern der Kirche.“ Diese Güter beziehen sich auf das Wort Gottes und die Sakramente. Die Vermittlung dieser beiden Aufbauelemente der Kirche bildet den wesentlichen Gegenstand der Erziehung, deren Ziel auf das ewige Heil ausgerichtet ist. Basierend auf Gravissimum educationis dehnt c. 795 die Ausrichtung der Erziehungsverantwortung auch auf das „Gemeinwohl der Gesellschaft“ sowie „ein tieferes Verantwortungsbewußtsein und den rechten Gebrauch der Freiheit“ zur Befähigung der aktiven Teilnahme am sozialen Leben aus. Das christliche Erziehungs- und Bildungsideal wird nicht mehr als Schutzinstrument gegen Säkularisierungstendenzen innerhalb der Gesellschaft verstanden. Demgegenüber werden die „Stärken und Vorzüge“ betont, die „den Menschen in seiner Ganzheit“ erfassen. Gaudium et spes artikuliert die Bedrohungen der Menschenwürde in Gestalt der Gefahren für die Ehe und die Familie. Damit verbindet die pastorale Konstitution die Mahnung zur Wahrnehmung mit der Verantwortung für eine menschenwürdige Gesellschaft. Als Voraussetzung hierzu fungiert eine lebendige Gottesbeziehung: „Gott offenbart sich in Jesus als jene Liebe, die den endlichen Menschen befähigt, Ja zu 135 Aquino, Thomas de, Summa Theologiae, Prima pars Secundae Partis, q. 102, a. 1 c.; vgl. Alarcón, Thomas de Aquino, http://www.De articulis Fidei et Ecclesiae sacramentis ad archiepiscopum Panormitanum, corpusthomisticum.org/oss.html (Stand 29. 03. 2011). 136 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 232.
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sich selbst zu sagen, die ihn zu seiner Identität befreit. In der Nachfolge Jesu geschieht jene Zuwendung zum anderen, die ihn, den Nächsten, befähigen will, ja zu sich selbst zu sagen, die ihn zu seiner Identität befreien will. In dieser Nachfolge Jesu wird das Menschen- und Gottesverhältnis Jesu prä sent.“137 Erziehung soll den in den Menschenrechten enthaltenen Ethos zugänglich machen und ist eine der bedeutendsten Formen der Diakonie.138 Vor allem im Kontext der Erziehung vermag sich das ursprüngliche, von Dia konie und Solidarität gekennzeichnete Wesen der Kirche auszudrücken.139 Dieser Ansatz findet seine weitreichendste Resonanz im Ehekonsens. Wie Papst Johannes Paul II. es in seinem Brief an die Familien ausdrückte, definiert der Ehekonsens das „gemeinsame Wohl.“140 Ausgangspunkt ist die Annahme des Menschen um seiner selbst willen. Das sich aus dem Ehekonsens ergebende gemeinsame Wohl der Familie impliziert das Wohl des Kindes. Dieser im weltlichen Recht sehr strapazierte und interpretationsoffene Begriff des Kindeswohls basiert im kanonischen Kontext auf der unverfügbaren Würde des Menschen und muss in seinem Grundsatz einer subjektiven Beurteilung entzogen bleiben: „Die Worte des Ehekonsenses legen fest, worin das gemeinsame Wohl des Ehepaares und der Familie besteht. Zunächst das gemeinsame Wohl der Ehegatten: die Liebe, die Treue, die Ehrerbietung, die Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung bis zum Tod: „alle Tage des Lebens.“ Das Wohl der beiden, das zugleich das Wohl eines jeden von ihnen ist, muß dann zum Wohl der Kinder werden. Während das gemeinsame Wohl seiner Natur nach die einzelnen Personen verbindet, gewährleistet es das wahre Wohl einer jeden von ihnen.“141 Als Wirkung der Ehe steht die Beziehung zu den Kindern und ihrer Erziehung unter den sich aus dem Ehekonsens ergebenden Postulaten der Liebe, der Achtung und der Treue. Allein die „evangelische Wahrheit der Selbsthingabe“ ermöglicht eine vollkommende Selbstfindung, die Begegnung mit „der Wahrheit und dem Leben“ (Joh 14,6) und das Erfassen des Lebenssinnes.142 In diesem Sinn repräsentiert sich der „Wert der Person“ im „Maß ihrer Würde“, die in den kollektiven Kontext ausstrahlen. Im Bereich der Ehe und Familie wird diese Verantwortung aus vielen Gründen noch „verbindlicher.“ (…) „Der Mensch bringt diese Dimension in jedes soziale, wirtschaftliche
137 Deutsche
Kommission Justitia et Pax, S. 48. S. 49. 139 Ibid., S. 51. 140 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 10. 141 Ibid., Nr. 10. 142 Ibid., Nr. 16. 138 Ibid.,
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und politische System mit.“143 Kein anderes gesellschaftliches System vermag die der Ehe und Familie implizite Verbindlichkeit zu generieren. Aus der Erfüllung der Aufgaben der Ehe und der Familie „entsteht die Zivilisation, die schließlich nichts Anderes ist als die „Humanisierung der Welt“. Zivilisation hat also in gewisser Hinsicht dieselbe Bedeutung wie „Kultur“. Man könnte daher auch von einer „Kultur der Liebe“ (…)“144 sprechen. Damit widersetzt sich die Familie den die Würde des Menschen ausklammernden Kräften in der Welt. „Der Positivismus hat bekanntlich auf theoretischem Gebiet den Agnostizismus und auf praktischem und sittlichem Gebiet den Utilitarismus zum Ergebnis. In unseren Tagen wiederholt sich die Geschichte in gewisser Hinsicht. Der Utilitarismus ist eine „Zivilisation“ der Produktion und des Genusses, eine Zivilisation der Dinge und nicht der „Personen“, eine Zivilisation, in der von „Personen“ wie von „Dingen“ Gebrauch gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Zivilisation des Genusses kann die Frau für den Mann zu einem Objekt werden, die Kinder zu einem Hindernis für die Eltern, die Familie zu einer hemmenden Einrichtung für die Freiheit der Mitglieder, die sie bilden.“145
Papst Johannes Paul II. beschreibt eine Freiheit ohne Verantwortung als negatives Pendant zur Liebe: „Das dargestellte Programm des Utilitarismus, das sich auf eine im individualistischen Sinne orientierte Freiheit oder eine Freiheit ohne Verantwortung gründet, stellt die Antithese zur Liebe dar, auch als Ausdruck der in ihrer Gesamtheit betrachteten menschlichen Zivilisation.“146
Im Kontext der notwendigen Anerkennung des Individualismus im Hinblick auf das erforderliche Zugeständnis der Freiheit muss sich die Nützlichkeit aus der Wahrheit und nicht umgekehrt ergeben. Deshalb ist der Terminus des Personalismus zu bevorzugen: „Das „Ethos“ des Personalismus ist altruistisch: Es treibt die Person dazu an, sich für die anderen hinzugeben und Freude in der Hingabe zu finden.“147
Die themenspezifische Grundlegung des CIC von 1983 spiegelt die sich insbesondere aus der Reflexion der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums ergebenden Ansätze der Anerkennung von individuellen Grundrechten der Person vor dem Hintergrund ihres Eingebettetseins in ein unverfügbares Regulativ wider.
143 Ibid.,
Nr. 11. Nr. 13. 145 Ibid., Nr. 13. 146 Ibid., Nr. 14. 147 Ibid., Nr. 11. 144 Ibid.,
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Der Begriff der Bildung findet im kanonischen Recht keine explizite Berücksichtigung. Der CIC 1983 geht in seinem c. 795 von der educatio beziehungsweise von der formatio aus. Des Weiteren definiert der CIC 1983 kein explizites Recht des Kindes auf Erziehung. Betont werden das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht der Eltern vor allem gemäß c. 226. Diese wurzeln in der Elternschaft und nach dem sakramentalen Verständnis gemäß c. 1055 im Ehebund. C. 226 § 2 bekräftigt die Verpflichtung zur Erziehung nach der Lehre der Kirche. Gravissimum educationis betont die erste und unveräußerliche Pflicht der Eltern zur Erziehung, „primum et inalienabile officium et ius educandi“, und knüpft daran die Forderung nach freier Schulwahl, „vera libertas in scholis eligendis,“148 resultierend aus dem Recht der Kinder auf eine angemessene schulische Erziehung, „ius puerorum ad adae quatam educationem scholarem.“149 Im Hinblick auf die schulische Erziehung ist c. 793 § 1 maßgeblich: „Die Eltern und diejenigen, die ihre Stelle einnehmen, haben die Pflicht und das Recht, ihre Kinder zu erziehen, katholische Eltern haben auch die Pflicht und das Recht, die Mittel und Einrichtungen zu wählen, mit denen sie je nach den örtlichen Verhältnissen besser für die katholische Erziehung ihrer Kinder sorgen können.“ § 2 leg. cit. lautet: „Die Eltern haben auch das Recht, jene von der weltlichen Gesellschaft zu leistenden Hilfen zu nutzen, die sie für die katholische Erziehung ihrer Kinder benötigen.“ Die Schulen als „Mittel zum Ausbau der Erziehung“ gemäß c. 796 § 1 haben eine Hilfsfunktion. C. 797 normiert die Freiheit der Eltern hinsichtlich der Schulwahl. Gemäß c. 793 § 2 ist es darüber hinaus die Aufgabe der zivilen Gesellschaft, ein entsprechendes Angebot bereitszustellen. Subsidiär, sohin mangels Verfügbarkeit eines adäquaten Schulangebotes, sind die Eltern gemäß c. 798 selbst zur Sorgegtragung für die katholische Erziehung ihrer Kinder außerhalb der Schule verpflichtet. Die Gesellschaft insgesamt ist gemäß c. 800 § 2 angehalten, die Einrichtung von katholischen Schulen zu fördern. Nach c. 799 hat sich dieses allen Gläubigen aufgetragene Bemühen unter steter Einbeziehung der Bedeutung der Gewissensentscheidung der Eltern auch auf die Hinwirkung zur Schaffung entsprechender Schulgesetze zu erstrecken. C. 796 § 2 betont das Erfordernis der Kooperation zwischen Eltern und Lehrern. Gemäß c. 794 § 1 kommt der Kirche in „besonderer Weise“ das Recht und die Pflicht zur Erziehung zu. C. 804 § 2 normiert die Pflicht des Ortsordinarius zur Auswahl geeigneter Lehrer für den Religionsunterricht an katholischen und nicht katholischen Schulen. Gemäß c. 802 § 1 hat der Diözesanbischof die Pflicht, 148 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 335, Nr. 6. 149 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 48, zitiert nach Gravissimum educationis Nr. 6.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum197
die Gründung von Schulen zu forcieren, „in denen eine Erziehung in christlichem Geist vermittelt wird.“ C. 806 § 1 normiert das bischöfliche Aufsichts- und Visitationsrecht betreffend die katholischen Schulen innerhalb einer Diözese einschließlich jener Schulen, die gemäß c. 801 von Orden und Kongregationen geführt werden. Das Recht auf schulische Erziehung beziehungsweise Bildung korrespondiert mit dem Recht auf eine christliche Erziehung gemäß c. 217.150 Betont die erste Enzyklika zum Themenfeld der Erziehung, Divini illius magistri, noch das Erziehungsrecht der Kirche, formuliert Gravissimum edu cationis den Ansatz des Rechtes des Kindes und stellt das Pflichtrecht der Eltern in das Zentrum.151 Die Kirche hat der Anerkennung der Eltern als primären Trägern der Erziehungsverantwortung in ihrer kanonischen Grundlegung Rechnung getragen und den Bedarf der dienstbereiten Anteilnahme der Hirten erkannt. Die Globalisierung und der neuzeitliche Individualismus fördern einen Lebensstil, der die Entwicklung und die Stabilität der Bindungen zwischen den Menschen sehr erschwert und der Entfaltung einer Kultur der Familie nicht günstig ist.152 Die Kultur der Familie umschreibt ein Phänomen, dem interkonfessionell und im außerreligiösen Bereich Bedeutung und ein absoluter Wert zuzuerkennen ist. „Wenn es sich aber bei der Wahrheit um die Wahrheit der Liebe handelt, wenn es die Wahrheit ist, die sich in der persönlichen Begegnung mit dem Anderen und den anderen erschließt, dann ist sie aus der Verschlossenheit in den Einzelnen befreit und kann Teil des Gemeinwohls sein.“153 In diesem Zusammenhalt ist mit Papst Franziskus der Terminus der Beziehung in den Blick zu nehmen: „Wenn die Liebe aber eine Beziehung ist, dann ist es eine Realität, die wächst, und dann kann man beispielsweise sagen, dass man sie aufbaut wie ein Haus. (…) Liebe, die das Fundament für die Familie legt, (…) Kultur des Provisorischen, das geht nicht!“154 Die Grundlegungen der Friedensenzyklika Papst Johannes XXIII.’, Pacem in terris, aufgreifend, betont Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio den Wert der Familie: „(…) die natürliche Familie (…), in der verschiedene Generationen zusammen leben und sich gegenseitig helfen, um zu größerer Weisheit zu gelangen und die
150 Seelinger,
Bildung, S. 258. Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 56. 152 Franziskus, Kirche sein, heißt missionarisch sein, Oss. Rom., 7. Februar 2014, S. 7. 153 Franziskus, Nachdenken über die lichtvolle Dimension des Glaubens, S. 8. 154 Franziskus, Die Ehe soll ein wahres Fest sein, Oss. Rom., 21. Februar 2014, S. 10. 151 Fürst,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Rechte der einzelnen Personen mit den anderen Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens zu vereinbaren, ist das Fundament der Gesellschaft.“155
In seinem der katholischen Soziallehre gewidmeten Apostolischen Schreiben beschreibt derselbe die überreligiöse Dimension der Erziehung: „(…) die Erziehung zur Selbstverantwortung, die Übermittlung von Werten und fester Überzeugung tangieren die fundamenta humanae societatis.“156 Die Entfaltung der Persönlichkeit schließt die Aufgeschlossenheit gegenüber den Anforderungen der Zeit ein. Vor dem Hintergrund der theologischen Forschungsfreiheit gemäß c. 218 stehen Hochschulen und Universitäten im Hinblick auf die Ausbildung der Lehrer und Erzieher unter der Prämisse des Erziehungszieles der Begegnung von Glaube und Vernunft, wofür Thomas von Aquin als besonderes Vorbild gelten mag. Die Grenze für die Freiheit in der Ausbildung kennzeichnet die Schuldigkeit des gegenüber dem Lehramt der Kirche zu wahrenden Gehorsams. Gravissimum educationis lässt ein konkretes Eingehen auf die aktuelle Erziehungsproblematik betreffend den Inhalt von Lehr- und Studienplänen sowie die Form des Unterrichts, respektive Ausführungen zu konfessionellen Privatschulen, vermissen.157 Der Begriff und das Ziel der Erziehung nach dem kanonischen Recht werden in den cc. 217 und 795 umschrieben: C. 217: „Da ja die Gläubigen durch die Taufe zu einem Leben nach der Lehre des Evangeliums berufen sind, haben sie das Recht auf eine christliche Erziehung.“ C. 217 definiert das Ziel der Erziehung eher allgemein, indem diese zur „Erlangung der Reife der menschlichen Person und zugleich zur Erkenntnis des Heilsgeheimnisses und zu einem Leben danach“ anleiten soll. Darüber hinaus gehend definiert c. 795 die „wahre Erziehung“ als „umfassende Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel und zugleich auf das Gemeinwohl der Gesellschaft (…); daher sind die Kinder und die Jugendlichen so zu bilden, daß sie ihre körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen harmonisch zu entfalten vermögen, tieferes Verantwortungsbewußtsein und den rechten Gebrauch der Freiheit erwerben und befähigt werden, am sozialen Leben aktiv teilzunehmen.“ Gemäß c. 795 umfasst das Ziel christlicher Erziehung die sowohl auf ihre ewige Bestimmung als auch auf das Gemeinwohl hingeordnete Bildung der menschlichen Person.158 Mit der Einbeziehung der iuvenes fasst der CIC 1983 den Kreis der Adressaten erzieherischen 155 Paul VI., Populorum progressio, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (IV, Rz. 495), zitiert nach der Pastoralkostitution GS, Nr. 52, AAS LVIII (1966) 1073. 156 Paul VI., Octogesima adveniens, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), I (1976) (IV, Rz. 894). 157 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 331. 158 Mussinghoff, Einführung vor c. 793, Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum199
Wirkens weiter als die Erklärung Gravissimum educationis, die nur von Kindern spricht. Die christliche Erziehung fokussiert kein „individualistisches Bildungsideal“, vielmehr geht es um die „soziale Einbindung des einzelnen Menschen in die Gesellschaft und seine Entfaltung in der Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens.“ Orientiert am allgemeinen Wohl ist sie auf das ewige Heil ausgerichtet. „Verantwortung, Freiheit, aktive Teilnahme am sozialen Leben, nicht Gehorsam, Unterordnung, Einordnung und Lehrsamkeit sind Grundbegriffe christlicher Erziehung und Gewissensbildung.“159 Diesem Ansatz trägt der CIC von 1983 auch im Hinblick auf die Pflichten und die Rechte der Kirche zur Erziehung Rechnung, indem er erstere vor allem im Kontext der diaconia betont. C. 794 § 1 lautet: „In besonderer Weise kommt der Kirche Pflicht und Recht zur Erziehung zu; denn ihr ist es von Gott aufgetragen, den Menschen zu helfen, daß sie zur Fülle des christlichen Lebens zu gelangen vermögen.“ § 2 leg. cit. betont die „Pflicht der Seelsorger (…) alles zu tun, damit alle Gläubigen eine katholische Erziehung erhalten.“ Der CIC 1983 stellt das Elternrecht an die Spitze der Normen über die Erziehung. Das Elternrecht auf Erziehung wurde in dem Artikel 5 der Charta über die Familienrechte vom 22. Oktober 1983160 als Grundrecht aufgenommen. Korrespondierend dazu formulierte es Gravissimum educationis. Das natürliche Recht der Eltern zur Bestimmung der Erziehung und Bildung ihrer Kinder wird auch im internationalen Recht anerkannt. So etwa im Artikel 26 (3) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948161 und im Artikel 2 des Zusatzprotokolls der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952.162 Die Subsidiarität des Erziehungsrechtes der Kirche gründet mit Johannes Paul II. in der „Einzigartigkeit der Beziehung, die zwischen Eltern und Kindern besteht.“163 Entsprechend ihrem in der Transzendenz wurzelnden Auftrag nimmt die educatio in der Katholischen Kirche einen gegenüber der
159 Mussinghoff, c. 795, Rz. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 160 Päpstlicher Rat für die Familie, Charta der Familienrechte, 22. Oktober 1983, http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/family/documents/rc_pc_fam ily_doc_19831022_family-rights_ge.html (abgefragt am 27. 10. 2015). 161 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, http://www.un.org/depts/german/ grunddok/ar217a3.html (Stand 11. 03. 2003). 162 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Europäische Menschenrechtskonvention – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 16. 05. 2015, http://www.ris.bka.gv.at/Gel tendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000308 (abgefragt am 16. 05. 2015). 163 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 16.
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formatio weitaus breiteren Raum ein.164 Hingeordnet auf die Entfaltung des Menschen im individuellen, kollektiven, religiösen und sozialen Kontext ist Erziehung obligatio, munus und officium. C. 835 § 4 benennt in seinem letzten Satz die Anteilhabe der Eltern am Heiligungsdienst im Rahmen der Erziehung ihrer Kinder. Damit hat der kirchliche Gesetzgeber einen bedeutenden Schritt in Richtung der individuellen und kollektiven Anerkennung der Bedeutung der Erziehung für die Kirche vollzogen. Dennoch bleibt noch ein ausfüllungsbedürftiger Raum, dessen Inhalt das Zweite Vatikanische Konzil bereits vorgezeichent hat, indem es die wahre Gleichheit der Gläubigen hervorkehrte, dem c. 208 Rechnung trägt. In diesem Kontext bedarf es noch einer Konkretisierung der Rechte des Kindes. Gerade hierin scheint das Initium für eine tragfähige Ontologie vor dem Hintergrund der unverbrüchlichen Lehre der Kirche und ihrer Sakramente im Lichte der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils verortet zu sein. Es bedarf der expliziten, normativen Anerkennung des Kindes als eigenständiger, vollwertiger Mensch. In den bezeichneten Schutznormen muss die Gewährleistung der aus der Kindeseigenschaft entspringenden Verantwortung zum Ausdruck kommen. Einen wesentlichen Schritt im 20. Jahrhundert bildete die Implementierung von Pflichten gegenüber Kindern. Das 21. Jahrhundert steht vor der besonderen Herausforderung, die Rechte der Kinder zu fokussieren. Dieser Ansatz bedarf der Einbeziehung eines unveränderlichen Regulativs, dessen direkte Vermittlung dem Staat verwehrt ist, ungeachtet dessen ihn eine Schutzpflicht trifft. Das Kindeswohl ist aus der Perspektive des Kindes zu beurteilen. Die Heranziehung von Ergebnissen ungebundener Entscheidungen, die sich keinerlei Regulativ verpflichtet wissen, ist der postulierten, kindlichen Anspruchslage nicht angemessen und gestattet es sohin nicht, den Rechten und dem Schutzbedürfnis des Kindes adäquat zu begegnen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine pervertierte Realisierung von Freiheit. Der Mangel an Bindung und Verantwortung impliziert auch den Mangel an Authentizität und damit letztlich an Identität. Die von den Vereinten Nationen normierten Kinderrechte sind ein Ansatz, der weiterverfolgt werden muss, um konkrete Rechtsschutzinstrumente verfügbar zu machen.165 Das Erziehungsrecht der Eltern gemäß c. 226 § 2 korrespondiert mit dem Anspruch auf Erziehung gemäß c. 217. Die maßgeblichen Erziehungsziele der menschlichen Reife und der Fähigkeit zu intellektueller und lebensmäßiger Erfassung der Heilsgeheimnisse umfassen nach kirchlichem Verständnis auch die humane Dimension der Erziehung. Hierzu zählen der leibliche, der soziale und der kulturelle Aspekt, sowie die christliche Dimension des reli 164 Ilgner,
Katholische Erziehung, S. 627 (628). c. 835 Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 165 Mussinghoff,
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum201
giösen und sittlichen Aspekts. C. 795 fokussiert die Bildung der mensch lichen Person unter Orientierung an den humanen Letzt- und Höchstwerten sowie der Berücksichtigung seiner transzendenten Dimension im Wege der Integration von körperlicher, ethischer und intellektueller Erziehung sowie der Förderung der sozialen Kompetenz und des Verantwortungsbewußtseins. Den besonderen Stellenwert des erzieherischen Pflichtrechts kehrt c. 1136 hervor, wenn er das „ius primarium“ dem „officium gravissimum“ gegenüberstellt.166 Der gesellschaftliche Wertewandel und der Strukturwandel innerhalb der Familie bilden regelmäßig den Ausgangspunkt für Polarisierungen im Kontext der cc. 796 und 797 und erfordern die vehemente Postulierung der Freiheit der Schulwahl durch die Eltern sowie des Rechts auf Kooperation zwischen Eltern und Lehrern. Dieser Grundsatz wurde vor allem in Gravissimum educationis festgeschrieben, wenn es in seinem Artikel 6 heisst: „primum et inalienabile officium et ius est filios educandi“. Die erste und unveräußerliche Pflicht und dasselbige Recht zur Erziehung liegt bei den Eltern. Hieraus ergibt sich die „vera libertas in scholis eligendis“, womit sich die Forderung nach freier Schulwahl in Korrespondenz zum Recht der Kinder auf eine angemessene schulische Erziehung, das „ius puerorum ad adaequatam educationem scholarem“, verknüpft.167 Das Pontifikat Johannes XXIII. war durch eine modifizierte Haltung der Kirche gegenüber dem Staat und der Gesellschaft gekennzeichnet. Diese bereitete etwa in Österreich den Boden für die Konzeption des Schulvertrages.168 Mitunter geht es heute auf der Ebene von Ehe und Familie um das Auffinden eines ebensolchen Kompromisses, der dem Postulat des Bewahrens tragender Werte ebenso gerecht wird, wie er eine gebotene Antwort auf die Zeichen der Zeit zu geben versteht. In diesem Konnex mehr als begrüßenswert ist das seitens des von Papst Franziskus eingesetzten Koordinators des Kardinalsgremiums zur Kurienreform, Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga, geäußerte folgende Statement: „Wir brauchen eine Laienkongregation“, in der die Kompetenzen der bisherigen mit Laienagenden betrauten Gremien – der Päpstlichen Räte für die Laien und für die Familien – gebündelt werden. „So wie bisher kann es nicht weitergehen.“169 Kardinal Maradiaga, Erzbischof der Diözese Tegucigalpa in Honduras und Angehöriger der Ordensgemeinschaftschaft der Salesianer Don Boscos, die Pionierarbeit in der Jugendarbeit geleistet haben, erläuterte dieses Defizit in einem Interview 166 Schmidt,
Erziehungsrecht, in Campenhausen, S. 629 (630). Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 48. 168 Ibid., S. 20. 169 La Croix, Cardinal Maradiaga: „Il faudrait un couple marié à la Curie“ | LaCroix.com, http://www.la-croix.com/Religion/Actualite/Cardinal-Maradiaga-Il-faudrait -un-couple-marie-a-la-Curie-2014-02-17-1107841 (abgefragt am 11. 03. 2014). 167 Fürst,
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mit der französischen Zeitung La Croix. Gegenüber einer Kongregation für die Bischöfe, für das religöse Leben und für die Kleriker existiere nur ein Päpstlicher Rat für die Laien, die innerhalb der Kirche dennoch die Mehrheit bilden. Dem Rat mangle es an den erforderlichen legistischen Kompetenzen, weshalb eine Kongregation für die Laien eingesetzt werden sollte. Eine mögliche Leitung durch eine Ehepaar wäre nach der Überzeugung des Kardinals ein wunderbares Zeichen. Das Wirken des Heiligen Geistes weise in diese Richtung. Schließlich stünden Laien am Beginn der Evangelisation. Es gelte, diese zu ermutigen. Diese Entwicklung brauche Zeit und es bedürfe der Implementation einer entsprechenden, veränderten Mentalität innerhalb der Kirche.170 Die Diskrepanz zwischen dem primär in die Kompetenz der Eltern als Laien fallenden Aufgabenkomplex der religiösen Erziehung und seiner strukturellen Einordnung im CIC 1983 weist in dieselbe Richtung. Der dritte Titel des dritten Buches über den Verkündigungsdienst, De Ecclesiae munere do cendi, trägt den Titel De educatione catholica, woraus sich auf eine programmatische Darstellung der komplexen Materie der Erziehung schließen läßt. Doch nehmen nur die ersten drei Canones der Einleitung, cc. 793–795, und c. 795 auf das Recht und die Pflicht zur Erziehung Bezug, während die cc. 796 bis 806 in spezifischer Weise die schulische Erziehung regeln. Die folgenden beiden Kapitel beziehen sich auf die katholischen Universitäten, die kirchlichen Universitäten und Fakultäten sowie andere Hochschuleinrichtungen. Aus der themenspezifischen Gesamtschau des Kodex ergibt sich allerdings, dass Erziehung auch die Katechese und die Anteilhabe am munus sanctificandi mitumfasst. Sohin ergeben sich fliessende Grenzen und erscheint die Überschrift De educatione catholica angesichts der hierunter behandelten Materie nicht treffend gewählt. Aufbauend auf einer Konkretisierung der Rechte des Kindes und der Rechte und Pflichten der Familie mag es demgegenüber den Postulaten der Kontinuität und Weiterentwicklung des themenspezifischen kanonischen Rechts entgegenkommen, den einleitenden Teil des gegenständlichen Kapitels über die katholische Erziehung in entsprechender Weise auszubauen, um auf diese Weise die in der Elternschaft grundgelegte Erziehungsverantwortung und die Verantwortung der Kirche, aller Gläubigen und insbesondere der Seelsorger adäquat hervorzuheben. Im Hinblick auf die Kirche wird eingeräumt, dass diese „als eine zur Erziehung fähige Gemeinschaft anzuerkennen ist.“171 Das Beharren auf einer 170 La Croix, Cardinal Maradiaga: „Il faudrait un couple marié à la Curie“ | LaCroix.com, http://www.la-croix.com/Religion/Actualite/Cardinal-Maradiaga-Il-faudrait -un-couple-marie-a-la-Curie-2014-02-17-1107841 (abgefragt am 11. 03. 2014). 171 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) IX, Rz. 134.
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Monopolstellung wurde fallen gelassen. Als Erziehungsmittel der Kirche werden die katechetische Unterweisung, die Massenmedien, die der geistigen und körperlichen Ertüchtigung dienenden Vereinigungen und vor allem die Schulen genannt.172 Darüber hinaus streicht Gravissimum educationis die Bedeutung der Initiativen nationaler und internationaler staatlicher Autoritäten zur Förderung der Bildung und der kulturellen Teilhabe für alle Menschen dezidiert und im überkonfessionellen Kontext hervor.173 Der bereits im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils einsetzende Perspektivenwechsel in der innerkirch lichen Erziehungspraxis knüpft an der Personenwürde und Freiheit des Einzelnen, im Blick auf den Menschen per se, an. Die Sendungsverantwortung der Gläubigen ist ein ius nativum.174 Aufgrund der Unverletzlichkeit des natürlichen Erziehungsrechtes der Familie ist eine diesbezügliche Verfügung gegen den Willen der Eltern nur unter bestimmten Bedingungen und Vorsichtsmaßregeln gestattet. Dass der Sakramentenempfang die Voraussetzung einer katholischen Erziehung und Bildung darstellt, ist auch aus c. 217 ableitbar. C. 795 betont das Erfordernis der Reichweite der Erziehung als „umfassend“, indem diese „in Hinordnung auf ihr letztes Ziel und zugleich auf das Gemeinwohl der Gesellschaft“ zu erfolgen hat. Die Voraussetzung hiefür bilden zwei Elemente. Der Canon nennt ein „tieferes Verantwortungsbewußtsein und den rechten Gebrauch der Freiheit.“175 Damit werden die beiden entscheidenden, in einem komplementären Verhältnis stehenden Schlüsselqualifikationen für die Entfaltung des Menschen im individuellen wie kollektiven Kontext aufgegriffen. C. 1136 CIC 1983 stellt die Erziehung in den Kontext der Ehewirkungen. Bemerkenswert ist die vorrangige Aufzählung der leiblichen, sozialen, und kulturellen, sowie erst daran anschließend der sittlichen und der religiösen Erziehung, womit der Kodex einen diametralen Ansatz gegenüber dem CIC von 1917 aufweist. Als wichtigste Form der Verkündigung beinhaltet der erste Titel des dritten Buches über den Verkündigungsdienst der Kirche, benannt als Dienst am Wort Gottes, die Normen über die Predigt und die Katechese. Wie sich aus C. 774 § 2 ergibt, spricht die Kirche den Eltern auch im Rahmen der Katechese die Vorrangstellung zu: „Vor allen übrigen sind die Eltern verpflichtet, 172 Ibid.,
Rz. 135. Rz. 134; vgl. Paul VI., Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen, 4. Oktober 1965, Oss. Rom. 6. Oktober 1965. 174 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 45. 175 Erlinghagen, Grundfragen katholischer Erziehung, S. 59, 60. 173 Ibid.,
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durch Wort und Beispiel ihre Kinder im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden.“176 Die Plausibilität der Unauflöslichkeit des Ehesakramentes zeigt sich am deutlichsten aus der Perspektive der Anspruchssituation des Kindes, aus dem Blickpunkt der seitens der Eltern gegenüber dem Kind bestehenden Pflichten. Das kanonische Recht macht transparent, warum und dass das Kind per se als unverfügbares Rechtssubjekt und nicht das Kindeswohl allein als Rechtsgut zu behandeln ist. Daher kommt der Schönheit in dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil als „gravissimum educationis momentum in vita hominis“ anerkannten Prinzip eine unschätzbare Bedeutung zu. Aus dem Konzilsdekret geht hervor, dass die „wahre Erziehung die Bildung der menschlichen Person im Hinblick auf ihr endgültiges Ziel fördern muss. Dies erfolgt zugunsten der verschiedenen Gruppen, denen der Mensch angehört und in denen er als Erwachsener Aufgaben zu erfüllen hat.“177 Das Werk der Erziehung wirkt ganzheitlich auf die Person in ihrer Komplexität, ihrer individuellen und sozialen Dimension und ihrer übernatür lichen Bestimmung. Die Erziehung entspricht der Aufgabe der Bildung der Person und ist eine zwischenmenschliche Beziehung, wie Papst Benedikt XVI. im Rahmen der Präsentation des Briefes über die Erziehung vor der Diözese Rom betonte. „Erziehung ist jedoch nicht allein das Werk der Erzieher: Sie ist eine Beziehung zwischen Menschen, wobei im Laufe der Jahre Freiheit und Verantwortung der zu Erziehenden immer größeren Raum einnehmen.“ Entscheidender Moment der Erziehung ist die bedingungslose Annahme des Kindes. Sie ist ein Ausfluss der Liebe. Daran knüpft sich eine Verantwortung, die sich in ihrem Inneren nicht als Korrespondenz von Ansprüchen und damit als Komponente eines Interessenausgleichs darstellt. Das Erfordernis einer echten Erziehung besteht vor allem in der Vermittlung jener Nähe und jenes Vertrauens, die aus der Liebe entstehen.178 Die ersten themenspezifischen Festlegungen des CIC 1983 lassen die mit dem Ehesakrament verbundenen Verpflichtungen zunächst unberührt. Damit vollzog der kirchliche Gesetzgeber des aktuellen Kodex einen weitreichenden Paradigmenwechsel gegenüber dem CIC von 1917. Machte Letzterer das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht noch allein an den Ehewirkungen 176 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 171. 177 Franziskus: Erziehung als Ort des Wahren, des Guten und des Schönen, http:// www.zenit.org/de/articles/papst-franziskus-erziehung-als-ort-des-wahren-des-gutenund-des-schonen (Stand 24. 06. 2014). 178 Papst Benedikt XVI., Erziehung, http://www.servidellasofferenza.ch/papstbenediktxvi.ch/?m=16&s=6 (abgefragt am 08. 09. 2014).
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fest, normiert der CIC von 1983 das Recht auf eine christliche Erziehung zunächst aus der Perspektive der Adressaten. Daraus ergeben sich für den themenspezifischen Kontext spezifische und unausweichliche Relationen. Diese basieren auf der aus der Würde des Menschen resultierenden Freiheit des Einzelnen sowie der in Korrespondenz dazu stehenden Verantwortung. Diesen Aspekten muss die kanonische Ordnung Rechnung tragen. Die Prämisse der normativen Gestaltung der Erziehung vorangestellt, erscheint der Entwurf eines rechtlichen Konzeptes familiärer Strukturen gegenwärtig konsequent.179 C. 835 § 4 definiert die Führung der Ehe im christlichen Geist sowie die christliche Erziehung der Kinder als Teilhabe am Heiligungsdienst der Kirche und begründet damit einen gesamtekklesiologischen Bezug der Erziehung. Damit wird die Erziehungspflicht katholischer Eltern auch in den Kontext der allgemeinen Rechte und Pflichten der Christgläubigen gestellt. Den materiellen Inhalt der katholischen Erziehung definiert c. 226 § 2, wonach diese „secundum doctrinam ab Ecclesia traditam“ zu erfolgen hat. Nichtkatholische christliche Eltern sind zur Erziehung ihrer Kinder gemäß der Lehre ihrer Kirche beziehungsweise ihrer kirchlichen Gemeinschaft verpflichtet. Sollte eine katholische Erziehung nicht gewährleistet sein, besteht nach c. 868 § 1 n. 2 die Möglichkeit eines Taufaufschubes. Dessen ungeachtet bleibt das Recht auf die Taufe jedenfalls gewahrt. C. 1125 n. 1 sieht eine Kautelenleistung für den Fall einer konfessionsverschiedenen, beziehungsweise c. 1086 § 2 für den Fall einer religionsverschiedenen, c. 1071 § 2 schließlich für den Fall einer Eheschließung mit einem vom katholischen Glauben offenkundig Abgefallenen vor.180 C. 835 § 4 lautet: „In munere sanctificandi propriam sibi partem haben ceteri quoque christifideles actuose liturgicas celebrationes, […] peculiari modo idem munus participant parentes vitam coniugalem spiritu christiano ducendo et educationem christianam filiorum procurando.“ („An diesem Heiligungsdienst haben eigenen Anteil auch die übrigen Christgläubigen, tätig an den liturgischen Feiern, (…) in besonderer Weise haben an diesem Dienst die Eltern Anteil, durch Führen eines ehelichen Lebens in christlichem Geiste und durch Sorgen für eine christliche Erziehung der Kinder.“) Bemerkenswert ist, dass c. 835 § 4 S 2 die Eltern im Kontext der Adressaten zur Vollziehung des Heiligungsdienstes neben die Bischöfe, Priester und Diakone stellt, wobei andere Laien nur im Rahmen ihrer Anteilnahme an li179 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1186, 1187. 180 Reinhardt, c. 226, Rz. 5, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
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turgischen Feiern Berücksichtigung finden. Dies unterstreicht zum einen die der Familie beigemessene Bedeutung im ekklesiologischen Kontext und verweist zum anderen auf ihren im Recht der Natur begründeten und somit nicht von der Autorität der Kirche verliehenen, sondern vielmehr diesem vorgegebenen Stellenwert. Dem ist hinzuzufügen, dass die gegenständliche Passage ex officio normativen Eingang fand.181 C. 835 § 4 2. Halbsatz verwendet den Terminus „parentes“, nicht „coniuges“, womit die natürliche Verantwortung der Eltern angesprochen ist.182 Des Weiteren ist im Kontext dieses Canons zu beachten, dass hier im Rahmen der Grundlegungen zur Liturgie auch auf die christliche Lebensführung außerhalb des liturgischen Bereiches Bezug genommen wird. Dieses Faktum ergibt sich notwendigerweise aus der spezifischen Verortung der Erziehung als sowohl auf die Hinführung zur Kirche ausgerichtetem als auch in ihr wirkendem Instrument. Eine Definition der Erziehung kennt der CIC nicht. C. 795 konkretisiert die Ziele der Erziehung und der Bildung, educatio et formatio, die nicht klar voneinander getrennt werden können. In analoger Weise lässt sich auch keine klare Abgrenzung zwischen der Erziehung und der Katechese ziehen. Bereits der Grundrechtskatalog aller Gläubigen beinhaltet eine Festschreibung des Rechtes auf eine christliche Erziehung. Gemäß c. 217 soll die christliche Erziehung die Gläubigen zur Reife der menschlichen Person und zur Kenntnis der Heilsgeheimnisse führen. C. 217, durch c. 795 konkretisiert, definiert das allgemeine Erziehungsziel. Gemäß c. 795 bedeutet „wahre Erziehung“ die „umfassende Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel und auf das Gemeinwohl“, die harmonische Entfaltung der „körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen“ und das Streben nach der Vermittlung des Erwerbs von Verantwortungsbewußtsein und des rechten Gebrauchs der Freiheit, sowie die Befähigung zur aktiven Teilnahme am sozialen Leben. Zur Verkündigung des Evangeliums als Grundlage des katholischen Glaubens ist jeder Gläubige beauftragt. Neben der Predigt zählt die katechetische Unterweisung zu den spezifischen Formen des Verkündigungsdienstes. Der erste Titel des dritten Buches über den Verkündigungsdienst behandelt die katechetische Unterweisung, De catechetica institutione, in den cc. 773 bis 780. Der dritte Titel des dritten Buches über den Verkündigungsdienst behandelt die Thematik der Erziehung in drei einleitenden Canones, cc. 793 bis 795. Die folgenden, cc. 796 bis 806, sind ausschließlich der schulischen Erziehung und Bildung gewidmet.
181 Althaus, c. 835, Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 182 Ibid., Rz. 7.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum207
Aus dem gemäß c. 1055 § 1 normierten Zweck der Ehe folgt die Verpflichtung zur Erziehung gemäß c. 1136. Bereits Thomas von Aquin stellte das Postulat „proles suscipienda et educanda ad cultum Dei“ auf.183 C. 1136 lautet: „Parentes officium gravissimum et ius primarium habent prolis educationem tum physicam, socialem et culturalem, tum moralem et religiosam pro viribus curandi.“ („Die Eltern haben die überaus schwere Pflicht und das angestammte Recht, für die physische, soziale und kulturelle als auch die sittliche und religiöse Erziehung ihrer Kinder nach Kräften zu sorgen.“) C. 1114 CIC 1917 führte zuerst die religiöse und moralische und erst dann die körperliche und staatsbürgerliche Erziehung an. Demgegenüber vollzog der kanonische Gesetzgeber im CIC von 1983 einen Wandel. Der CIC 1983 nennt zuerst die leibliche, soziale und kulturelle Erziehung und sodann erst die sittliche und die religiöse Erziehung, womit er der in Gravissimum edu cationis angeführten Chronologie folgt. C. 217 normiert das allgemeine Recht auf Erziehung und releviert den „aspect of the natural right to religious freedom in connection with the natural right to education and culture.“184 Damit wird der gegenüber der Kirche bestehende Erziehungsanspruch angesprochen, dem von innerkirchlicher Seite entsprechend zu begegnen ist. Aufgrund seiner Grundlegung in der Taufe richtet sich der Anspruch nicht gegen säkulare Bildungsinstitutionen. Basierend auf dem gemäß c. 213 normierten Recht auf den Heilsdienst der Kirche regelt c. 774 § 2 die elterliche Verpflichtung im Bereich der Verkündigung. Anders als der nur den innerkirchlichen Bereich erzieherischer Maßnahmen ansprechende c. 217 regelt c. 793 in seinem § 1 die den säkulären Bereich betreffende Wahlfreiheit der Eltern hinsichtlich der Mittel und Einrichtungen und in seinem § 2 das allgemeine Recht zur Inanspruchnahme jedweder Hilfe von Seiten der Zivilgesellschaft. Damit stellt dieser Canon ein Pendant zur Freiheit von Bildung und Religion normierenden Bestimmungen in internationalen, völkerrechtlichen Verträgen dar.185 Diesem Ansatz folgend unterstreicht auch c. 1136 zwei Aspekte. Die vorangestellte Verpflichtung der Eltern zur physischen, sozialen, kulturellen und moralischen Sorgetragung nimmt gemäß c. 1137 ihren Beginn mit der Empfängnis. Noch ungeachtet eines religiösen Bekenntnisses wird das natürliche Recht des Menschen auf Förderung und Schutz seines begonnenen Lebens normiert: „This care of the children begins at the moment of their concep
183 Mussinghoff, c. 793 Rz. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici; vgl. S. Th. II-II q. 102, a. 1 c. 184 Caparros/Thériault/Thorn (Hrsg.), Code of Canon Law Annotated, S. 194. 185 Ibid., S. 518 ff.
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tion.“186 Sodann – definitiv mit der Taufe – sind die Eltern zur religiösen Erziehung verpflichtet. Als „ius primarium“ gehört das elterliche Erziehungsrecht zu den der Kirche vorgegebenen Menschenrechten und wurde in der Kirche seit Anbeginn anerkannt, obschon eine normative Ausgestaltung erst nach zögerlichen Ansätzen Umsetzung fand.187 Das Verständnis der katholischen Erziehung gründet auf dem Glauben.188 Eine Entkoppelung von Glauben und katholischer Erziehung kann weder operativ umgesetzt noch verstanden werden. Der fehlende Stufenbau der Rechtsordnung im kanonischen Recht des Kodex von 1983 impliziert den Mangel von Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien. Ungeachtet formeller Defizite ist der themenspezifische Gehalt an materiellen Grundrechtspositionen weitreichend im Hinblick auf inhaltliche Festlegungen und die fragmentarisch verstreuten Anordnungen. Eine der aktuell brennendsten Fragen im Bereich der erzieherischen Wertevermittlung innerhalb der Kirche betrifft die dezidierte Anerkennung der persönlichen, subjektiven Gewissensentscheidung neben der Verteidigung des Bestandes einer objektiven Wahrheit. C. 217 normiert das Recht auf eine christliche Erziehung. Der Rechtsanspruch gründet in der Taufe. Ein expliziter Rechtsanspruch des Kindes auf Erziehung ist nicht normiert. Diese Konstitution läßt zweierlei Interpretationen zu. Zum einen wird das Recht des Kindes nicht als ob der Kindeseigenschaft dezimiert angesehen. Andererseits verbinden sich mit der Kindeseigenschaft spezifische, die allgemeinen Personenrechte überragende Ansprüche. Hiermit korrespondieren entsprechende Schutz- und Gewährleistungspflichten, die sich aus dem naturgemäßen Angewiesensein des Kindes ergeben. Potentielle Normadressaten der angesprochenen Pflichten sind die Eltern, die an ihre Stelle Tretenden, die Paten, die Hirten und die Gemeinschaft der Gläubigen. Nur ausgehend von der Perspektive des Kindes kann jene Brücke geschlagen werden, die es ermöglicht, der Würde des Kindes wie den Interessen im engen wie breiten gesellschaftlichen Kontext der kontemporären, pluralistischen Gesellschaft adäquat zu begegnen. Diesem Ansatz entspricht auch das internationale Kindschaftsrecht. Wie der kirchliche ist auch der weltliche Gesetzgeber auf nationaler Ebene aufgerufen, entsprechende normative Adaptionen vorzunehmen. Zentraler Anknüpfungspunkt ist das Recht des Kindes auf beide Eltern. Die Anerkennung dieses Anspruches ist die Vorausset186 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, ad c. 1136. 187 Mussinghoff, Ausschluss der Erziehung als Ehenichtigkeitsgrund, Archiv für katholisches Kirchenrecht, S. 63 (78). 188 Rees, Religionsunterricht und katholische Schule im Kontext religiöser Erziehung, S. 187 (189).
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zung für die Verwirklichung der gemäß c. 217 normierten Erziehungsziele, nämlich der Reife der menschlichen Person, der Erkenntnis der Heilsgeheimnisse sowie einem Leben danach.189 Der Erziehungsanspruch des Kindes korrespondiert mit dem gemäß c. 226 § 2 in der Elternschaft wurzelnden Erziehungsrecht der Eltern. Nach kirch lichem Verständnis folgt der humanen Dimension der Erziehung in Gestalt der leiblichen, sozialen und kulturellen Aspekte die christliche Dimension der religiösen und sittlichen Aspekte. C. 795 erstreckt den Inhalt der „wahren Erziehung“ auf die „umfassende Bildung der menschlichen Person in der Hinordnung auf ihr letztes Ziel.“ Unter einem betont der Canon das Erfordernis der Ausrichtung auf das „Gemeinwohl der Gesellschaft.“ Die Entfaltung der „körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen“ soll zu einem „tieferen Veranwortungsbewußtsein und einem rechten Gebrauch der Freiheit“ führen. Eingeschlossen ist auch die aktive Teilnahme am sozialen Leben. Hieran knüpft die Bedeutung der Schule als hilfreiches Instrument zur Unterstützung der elterlichen Erziehung und als Ebene der sozialen Begegnung. So definiert c. 796 die Funktion der Schule als „vorzügliche Hilfe.“ Der Kontext verlangt die freie Schulwahl, weshalb c. 797 die Zuerkennung und den im Wege der Bereitstellung entsprechender Mittel zu gewährleistenden Schutz dieser Freiheit einfordert. Größte zukünftige Herausforderungen im themenspezifischen Kontext resultieren aus dem Strukturwandel in der Familie und dem gesellschaftlichen Wertewandel.190 Veränderte Kommunikationsformen bergen Chancen und Risiken, die zu gewärtigen sind. Diese neuen Herausforderungen sind in den Kontext der von Gravissimum educationis dargelegten Grundlegung zur Erziehung zu stellen. Die Erklärung definiert die erste und unveräußerliche Pflicht und das korrespondierende Recht der Eltern zur Erziehung: „primum et inalienabile officium et ius est filios educandi“. Im Zusammenhalt mit der Schule folgt hieraus das Erfordernis der „vera libertas in scholis eligendis.“ Erst die Gewährleistung dieser Prämissen ermöglicht die Verwirklichung des „ius puerorum ad adaequatam educationem scholarem.“191 In Konsequenz dieser Ausrichtung läßt die Erklärung offen, ob ein Kind die Schule besuchen muss, also eine Schulpflicht besteht.192
189 Seelinger,
Bildung, S. 258. Erziehungsrecht, S. 630. 191 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 48, vgl. Gravissimum educationis Nr. 6. 192 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium. 190 Schmidt,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Betonte die Enzyklika Divini illius magistri noch das Erziehungsrecht der Kirche, formuliert Gravissimum educationis das Recht des Kindes und stellt das Pflichtrecht der Eltern in das Zentrum.193 „Kirche, Familie und staatliche Institutionen müssen sich heute vorrangig den Kindern zuwenden, weil diese vielen Gefahren ausgesetzt sind und daher besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.“ Gravissimum educationis begründet das Recht auf Erziehung vornehmlich mit der Personenwürde, nicht mit der bevorzugten Bezugnahme auf die Taufe, womit die Erklärung der Grundlgegung von Dignitatis huma nae folgt. Zudem wird das Erfordernis der Einbindung kultureller Hintergründe betont. Modernen pädagogischen Ansätzen wird anerkennend Rechnung getragen. Zuerst wird das Erfordernis der Förderung der „körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen“ mit dem Ziel angeführt, daß die Kinder und Jugendlichen „allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein für ihr eigenes Leben und seine im steten Streben zu leistende Entfaltung erwerben, daß sie in der wahren Freiheit wachsen und tapfer und beharrlich alle Schwierigkeiten und Widerstände überwinden.“ Erwähnt wird die altersgemäße „positive und kluge Sexualerziehung“. Außerdem geht es um die Vorbereitung auf die „Teilnahme am sozialen Leben“, die Ausstattung mit dem „notwendigen und geeigneten Rüstzeug“, das dazu befähigt, „sich in die verschiedenen Bereiche der menschlichen Gemeinschaft aktiv einzuglie dern.“194 Schließlich richtet Gravissimum educationis die „Bitte“ an die Staatenlenker und Erzieher, hinsichtlich des Rechtes der Kinder und Jugendlichen auf Erziehung entsprechend Sorge zu tragen, sodaß diese „die moralischen Werte nach rechtem Gewissen beurteilen (…) lernen.“195 Erst nach Anführung des allgemeinen Rechts auf Erziehung betont Gravissimum educationis das spezifische Recht des Christen. Die Eltern werden als „die ersten und bevorzugten Erzieher“ angeführt. Sodann wird die Bedeutung der Familie zunächst ungeachtet ihrer Konfession oder Weltanschauung aufgegriffen: „So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden (…)“.196 Daran anknüpfend geht Gravissimum educationis auf die Besonderheit der christlichen Konfession und Familien näher ein.197 Die Anerkennung der persönlichen Glaubensund Gewissensfreiheit wird so explizit sichtbar. Damit wird eine Sichtweise eingenommen, welche der Kirche von Anbeginn gegeben war und auch von zahlreichen Kirchenlehrern aufgegriffen wurde. Die Kirchengeschichte hatte 193 Fürst,
Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 56. Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, IX, Rz. 129. 195 Ibid., Rz. 130. 196 Ibid., Rz. 131. 197 Ibid., Rz. 132. 194 Zweites
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum211
zwischenzeitlich ein völlig anderes Bild gezeichnet. Die Bedeutung der Erziehung wurde stets unter den beiden sich wechselseitig beeinflussenden Aspekten der Notwendigkeit für die Entwicklung des Menschen als Individuum sowie für das Funktionieren der zivilen Gemeinschaft als Kollektiv betrachtet. In diesem Kontext ist es die unverzichtbare Aufgabe des Staates, Förderungen, Schutz und Hilfestellungen unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund des Verzichts auf die im Außenverhältnis über Jahrhunderte beanpruchte Monopolstellung deckt sich das Selbstverständnis der Kirche heute mit ihrer gesellschaftlichen Anerkennung als zur Erziehung kompetenter Gemeinschaft. Bereits im Vorfeld des Zweiten Vatikanums kam es in der innerkirchlichen Erziehungspraxis zu einem grundlegenden Perspektivenwechsel, der in der Anerkennung der Personenwürde und Freiheit des Einzelnen – im Blick auf den Menschen per se – wurzelt. Der uneingeschränkten Gewalt der Eltern widerpricht auch c. 98 § 2 CIC 1983 mit der Unterstellung des Kindes unter die elterliche Gewalt vorbehaltlich der nach göttlichem Gesetz oder kanonischem Recht ausgenommenen Fälle. In diesen Kontext fallen die Ansprüche des Kindes auf den Empfang der Initiationssakramente. Gemäß c. 868 § 1 i. V. m. 1478 § 3 ist das Kind zur Geltendmachung seines Rechts auf die Taufe legitimiert und steht nach c. 98 § 2 i. V. m. c. 1478 § 3 im Hinblick auf das für die christliche Initiation maßgebliche Recht auf den Kommunionempfang nicht unter elterlicher Gewalt. Diese normative Festlegung bildet einen Ausfluß des nach der Grundlegung der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium allgemeinen Grundrechts der Gläubigen auf den Sakramentenempfang gemäß c. 213. In der Konsequenz dieses Ansatzes besteht keine dem Taufrecht entsprechende Verpflichtung der Eltern zum Erbitten des Firmsakraments. Mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres steht dem Minderjährigen gemäß c. 111 § 2 als Taufwerber die freie Wahl des Ritus zu. Kindern, die aufgrund eines Rituswechsels ihrer Eltern oder des katholischen Elternteils in eine andere Rituskirche eigenen Rechts aufgenommen wurden, steht es nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres gemäß c. 112 § 1 n. 3 frei, zur lateinischen Kirche zurückzukehren. Diese normative Ausrichtung widerspiegelt die Komplementarität des Rechtes auf Erziehung und des Rechtes auf den Sakramentenempfang. Anknüpfend an die Würde des Menschen impliziert sie das Erfordernis der Begleitung des jungen Menschen im Kontext seiner Freiheit. Gemäß c. 849 CIC 1983 ist die Taufe die „Eingangspforte zu den Sakramenten.“ In Korrespondenz zum kirchlichen Grundrecht auf den Sakramentenempfang normiert c. 851 n. 2 das Erfordernis der Belehrung der Eltern und Paten über die mit dem Sakrament verbundenen Verpflichtungen. Satz 2 leg. cit. stellt diese Sorgetragung explizit in die persönliche Kompetenz des
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Pfarrers. Ausdrücklich normiert wird die Obliegenheit des Seelsorgers zur Vorbereitung der Eltern, zur Versammlung von Familien oder zum Haus besuch im Vorfeld einer Taufe. Der Empfang der ersten Kommunion steht gemäß c. 913 § 1 unter der Bedingung der hinreichenden Kenntnis und sorgfältigen Vorbereitung der Kinder. Unter der Prämisse der primären Verantwortung der Eltern für die religiöse Erziehung legt der nachfolgende c. 914 die Vorbereitung auf das Sakrament der Eucharistie als primäre Pflicht der Eltern sowie der an ihre Stelle Tretenden und sodann als subsidiäre Pflicht des Pfarrers fest. Zudem trifft den Pfarrer gemäß leg. cit. die Verantwortung für die Zulassung der Kinder zum Empfang der Heiligen Kommunion infolge des Vorliegens der notwendigen Voraussetzungen, nämlich der Erlangung des Vernunftgebrauchs und der ausreichenden Vorbereitung. Die vorrangige Nennung der Eltern schmälert nicht die Pflicht zur Sorgetragung des Pfarrers. Vielmehr steht diese mit dem Einsetzen der religiösen Erziehung unter dem Postulat der Diakonie gegenüber der elterlichen Verpflichtung. Zudem trifft den Pfarrer die Aufgabe des Hinwirkens auf den rechtzeitigen Empfang der Eucharistie. Gemäß c. 890 sind die Gläubigen verpflichtet, „dieses Sakrament rechtzeitig zu empfangen; die Eltern und die Seelsorger, vor allem die Pfarrer, haben dafür zu sorgen, daß die Gläubigen für seinen Empfang gebührend unterrichtet werden und zur rechten Zeit darauf zugehen.“ Konstitutives Element für das Einsetzen der Erziehungspflicht und des Erziehungsrechtes ist die Elternschaft. Mit dieser expliziten Festlegung hat der CIC 1983 einen neuen Weg beschritten, den es im Kontext der kontemporären gesellschaftlichen Herausforderungen konsequent weiterzuverfolgen gilt. Die Brisanz des Erfordernisses zweier ausdrücklicher Grundlegungen fällt zunehmend ins Auge. Zum einen bedarf es der ausdrücklichen Normierung der Anerkennung des Kindes als Rechtsperson mit spezifischen Rechten. Zum anderen ist der Institution der Familie im kanonistischen Kontext unbeschadet der Anerkennung der Sakramentalität der Ehe und respektive der Unauflöslichkeit des vinculum matrimoniale adäquat Rechnung zu tragen. Gerade aus Letzterem ergeben sich die tragenden und die angemessene Einordnung der Familie ermöglichenden Faktoren. Die Anerkennung des in der Taufe grundgelegten Bundes mit Gott spiegelt sich in der Beständigkeit des Ehebundes wider. Vor diesem Hintergrund ist der Familie ein angemessener Rechtsraum zuzusprechen. Bereits im Vorfeld der Kodifikation des CIC von 1983 äußerten Kanonisten manifeste Bekenntnisse zu diesem Postulat. Ein weiteres Novum ist die Betonung der Anteilhabe der Eltern am Heiligungsdienst gemäß c. 835 § 4. Damit hat der CIC 1983 der im Zuge des Zweiten Vatikanums vollzogenen Aufwertung der Laien betreffend die Eltern im Kontext des munus sanctificandi Rechnung getragen.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum213
Das Eheleben im christlichen Geist und die christliche Erziehung sind bereits Teil der Vorbereitung der Kinder auf den Empfang der Eucharistie und der Firmung. Die Grenzen zwischen dem munus docendi und dem munus sanctificandi sind hierbei fließend. Die Anerkennung des von Johannes Paul II. verwendeten Terminus der Familienkatechese ist nicht konstitutiv zu deuten. In praxi und gemäß c. 835 § 4 haben die Eltern jedenfalls Anteil an der Katechese. Keinesfalls üben sie diese selbständig aus, zumal die Katechese an eine amtliche Lehrverkündigung gebunden ist und das kanonische Recht keine implizite Innehabung eines Amtes vorsieht, wie eine solche etwa aus der Elternschaft abgeleitet werden könnte. An diese und parallel zur Vorbereitung durch die Eltern knüpft die Sakramentenkatechese durch den Pfarrer an. Unter der Maßgabe der vom Diözesanbischof erlassenen Normen gehört es gem. c. 777 § 2 zur Erfüllung seiner Amtspflichten, „daß die Kinder, mittels einer sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckenden katechetischen Unterweisung, ordnungsgemäß auf die Erstbeichte und die Erstkommunion und auf die Firmung vorbereitet werden,“ und daß sie gemäß n. 3 „nach Empfang der Erstkommunion eine weitere vertiefte katechetische Bildung erhalten.“ Zur Bewahrung des Ehestandes im christlichen Geist sind die Seelsorger nach c. 1063 angehalten, die Predigt und die Katechese den Bedürfnissen der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen anzupassen. Bei der Erfüllung dieser Amtspflicht soll sich der Pfarrer gemäß c. 776 der „Mitarbeit der seiner Pfarrei zugewiesenen Kleriker, von Mitgliedern der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, unter Berücksichtigung der Eigenart eines jeden Instituts, wie auch von Laien, besonders der Katecheten“ bedienen. Es ist dem Pfarrer explizit aufgetragen, die „Eltern bei der Katechese in der Familie, von der in can. 774 § 2 die Rede ist, zu fördern und zu pflegen.“ C. 774 § 2 verpflichtet die Eltern „vor allen übrigen, (…) durch Wort und Beispiel ihre Kinder im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden; in gleicher Weise sind dazu diejenigen verpflichtet, welche die Stelle der Eltern einnehmen, und die Paten.“ Die grundsätzliche Unterstellung der Minderjährigen unter die elterliche Gewalt wird im jenen Fällen durchbrochen, in denen sie gemäß c. 98 § 2 „nach göttlichem Gesetz oder kanonischem Recht von deren Gewalt ausgenommen sind.“ Der Begriff Bildung findet im kanonischen Recht keine explizite Berücksichtigung. C. 795 geht von der educatio beziehungsweise der formatio aus. Des Weiteren definiert der CIC 1983 kein Recht des Kindes auf Erziehung. Betont werden das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht der Eltern gemäß c. 226 § 2. C. 1055 § 1 normiert die Hinordnung der Ehe auf die Erziehung der Kinder. Unter Berufung auf c. 1013 § 1 CIC 1917 betonte Leo XIII. die Zeugung und Erziehung der Kinder noch als Hauptzweck der Ehe. Später
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
wird in diesem Zusammenhang nicht mehr von einem Wesensmerkmal, sondern von einer Wesenseigenschaft der Ehe gesprochen. Die Betonung der elterlichen Erziehungspflicht per se, „(…) quod debita prolis educatione continetur,“ wurde ungebrochen aufrecht erhalten.198 C. 1136 § 2 CIC 1983 qualifiziert die Auslieferung eines Kindes zur Erziehung in einer nichtkatholischen Religion als Pflichtverletzung. Hieraus ergibt sich ein aktueller Diskussionspunkt im Hinblick auf die Ökumene. Schulen erfüllen gemäß c. 796 § 1 CIC 1983 die Kategorie von Hilfsmitteln. C. 793 § 2 folgend ist es die Aufgabe des Staates, die Wahlmöglichkeiten für die Eltern bereit zu stellen. Mangels entsprechendem Angebot sind die Eltern nach c. 798 zur Sorgetragung für eine katholische Erziehung außerhalb der Schule verplichtet. Nach c. 800 § 2 ist die Sorgetragung für die Förderung katholischer Schulen den Gläubigen insgesamt aufgetragen. Des Weiteren liegt es in der Geamtverantwortung der communio, sich dafür einzusetzen, dass „in der weltlichen Gesellschaft die Gesetze über die Bildung der Jugendlichen auch deren religiöse und sittliche Erziehung nach dem Gewissen der Eltern in den Schulen selbst“ berücksichtigt werden. Die Kooperation zwischen Eltern und Lehrern hat insbesondere auch die auf Initiative der Lehrer zur errichtenden Elternvereinigungen und Elternversammlungen einzuschließen und sollen diese seitens der Schule „hochgeschätzt“ werden. Explizit benennt c. 796 § 2 das Erfordernis seitens der Lehrer, die Eltern „bereitwillig anzuhören.“ Gemäß c. 794 ist die Erziehung auch Gegenstand einer eigenen Pflicht und eines eigenen Rechts der Kirche. Dies impliziert das Postulat der seitens der Kirche geforderten Verteidigung des Elternrechts. Besonderen Ausdruck findet dies im Rahmen der Schule gemäß c. 804 § 1, als der katholische Religionsunterricht und die katholische religiöse Erziehung der kirchlichen Autorität unterstehen. Insbesondere hat sich der Ortsordinarius nach § 2 leg. cit. der Rechtgläubigkeit, des Zeugnisses des christlichen Lebens und des pädagogischen Geschicks bei der Auswahl geeigneter Lehrer zu vergewissern. Insgesamt ist es nach § 802 § 1 die Aufgabe des Diözesanbischofs, die Einrichtung von Schulen zu forcieren, die eine „Erziehung in christlichem Geist“ gewährleisten. Schließlich normiert c. 806 das bischöfliche Aufsichtsund Visitationsrecht über die katholischen Schulen. Die Kontinuität der Anknüpfung an die Elternschaft als konstitutivem Element zur Begründung der elterlichen Erziehungspflicht wahrt der Kodex gem. c. 1154. Die Erziehungspflicht der Eltern erfährt durch die Trennung der Eltern keine Schmälerung, sondern besteht ungebrochen fort. Die Erfüllung der elterlichen Erziehungspflicht ist nicht erzwingbar. C. 1366 stellt nur 198 Pius XI.,
Casti connubii, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, VII, 60–61.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum215
den Tatbestand der Veranlassung einer nichtkatholischen Taufe oder Erziehung unter eine Strafdrohung. Weder die Nichterfüllung noch die Unterlassung der Erziehungspflicht werden vom kanonischen Recht mit Strafe bedroht. Somit fehlt ein ausreichender themenspezifischer Rechtsschutzmechanismus zugunsten des Kindes. Der CIC 1983 lässt eine explizite Regelung des Rechts der Familie vermissen. Das Erfordernis der Erfassung der Familie als normativer Institution ergibt sich aus dem bereits in der Elternschaft wurzelnden Erziehungsanspruch des Kindes. Entsprechend ihrer Wesensart verwirklicht die Familie eine spezifische Form der Beteiligung am Aufbau der Kirche. Der Angelpunkt hierfür ist der sakramentalen Sendungsverantwortung bereits vorgelagert und findet sein Initium in der durch das Zweite Vatikanum relevierten Würde des Menschen. Eine analoge Heranziehung des materielles Verfassungsrecht implizierenden c. 226 § 1 bildet einen potentiellen Ausgangspunkt für ein Familienrecht der Kirche, indem die Familie als Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern als extrasakramentale Institution ein vor allem durch die Erziehungsverantwortung repräsentiertes Verpflichtungsgefüge darstellt. Als solches leistet sie einen Beitrag zum Aufbau der communio. Vollkommen unberührt hiervon bleiben die gemäß c. 1056 „ratione sacramenti“ normierten „essentiales matrimonii proprietates“ der „unitas et indissolubilitas.“ Vielmehr handelt es sich um die Ebene der den Sakramenten vorgelagerten Grundrechte. Mit einer rechtlichen Anerkennung der Familie würde ein sich aus der Normierung der in der Elternschaft begründeten Erziehungsverantwortung als themenspezifische Konsequenz der an der Menschenwürde anknüpfenden Grundlegung des Zweiten Vatikanums ergebender Regelungsbedarf gedeckt. Die Plausibilität der grundsätzlichen Unauflöslichkeit des Ehesakramentes zeigt sich am deutlichsten aus der Perspektive der Anspruchssituation des Kindes, aus dem Blickpunkt der seitens der Eltern gegenüber dem Kind bestehenden Pflichten. Das kanonische Recht macht transparent, warum und dass das Kind per se als unverfügbares Rechtssubjekt und nicht das Kindeswohl allein als Rechtsgut zu behandeln ist. Gemäß c. 226 § 2 hat der Gesetzgeber die Existenz eines außerhalb des geschützten Bereiches des Ehesakramentes bestehenden Verantwortungsbereiches anerkannt. Das Erfordernis eines sich aus dieser Grundlegung abgeleiteten Familien- und Kindschaftsrechtes ist eine logische und notwendige Konsequenz. In diese Richtung weist auch die von Zapp vorgenommene Interpretation der gemäß c. 1055 normierten Eigenschaft der Ehe „ad prolis generationem et educationem ordinatum“ als Wesensmerkmal und nicht als Wesenseigenschaft derselben. Dieser Ansatz wird durch mannigfache Anknüpfungspunkte in tragenden Grundsätzen des kirchlichen Lehramtes gestützt. Die Familie ist in ihrer Au-
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tonomie und rücksichtlich ihrer spezifischen Rechte und Pflichten zu schützen. Die Implementierung eines expliziten Kindschafts- und Familienrechts birgt zudem das Potential der Aufbereitung eines tragenden Fundamentes für die Stufen der Ehevorbereitung. Auch die Grundlegung der Ehewirkungen im c. 1136 folgt einer gestuften Verantwortung der erzieherischen Elternsorge, indem der Canon zunächst an das „officium gravissimum et ius primarium“ im Hinblick auf die physische, soziale und kulturelle und erst darauf aufbauend an die moralische und religiöse Erziehung anknüpft. Unter Einbeziehung der kirchlichen Autoritäten wird so der Boden für die Einbettung der persön lichen und gesellschaftlichen Beziehungen in die Sakramente bereitet.199 Ein weiterer außerhalb des Ehesakramentes existierender Pflichtenkreis umfasst die Pflicht zur erzieherischen Hilfestellung durch die Paten, denen es aufgetragen ist, das Kind gemäß c. 872 „una cum parentibus“ zur Taufe zu bringen und Hilfe bei der christlichen Erziehung zu leisten: „(…) operam dare ut baptizatus vitam christianam baptismo congruam ducat obligationesque eidem inhaerentes fideliter adimpleat“.200 In Übereinstimmung mit Gravissimum educationis betont der CIC 1983 die in der Elternschaft begründete Erziehungspflicht der Eltern an drei Stellen. Ausgehend von der Schlüsselnorm des c. 226 § 2 im Kontext der Pflichten und Rechte aller Gläubigen regelt c. 793 § 1 am Beginn der Normen über die katholische Erziehung das elterliche Pflichtrecht zur Erziehung. Die Qualifikation „officium gravissimum et ius primarium“ im c. 1136 des Eherechts knüpft daran an. C. 835 § 4 normiert die elterliche Sorge als Teilhabe der Eltern am Heiligungsdienst der Kirche.201 Die religiöse Erziehung ist nicht der erste Anknüpfungspunkt des Kodex betreffend den Inhalt der Erziehung. C. 1136 benennt die einzelnen konkreten Aspekte der Erziehung und beschränkt sich keineswegs auf die religiöse Dimension, auch wird diese nicht an erster Stelle genannt. Dies wird vor dem Hintergrund der bei Falchi zitierten Ansicht Eugenio Correccos deutlich, nach der c. 1136 „é redatto secondo un’ottica naturale e non ecclesiale“, demzufolge „é concipita in modo giusnaturalistico, senza ricomprendere esplicamente l’educatione alla fede e alla Chiesa.“202 Somit schafft die Kirche zunächst einen Rahmen, der die Erziehungspflicht fernab eines Bekenntnisses festlegt. 199 Paul,
II., Familiaris Consortio, Nr. 36. Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, S. 41. 201 Hollerbach, Erziehungsrecht, Sp. 855. 202 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1178. 200 Ahlers,
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum217
Die Rechtsfähigkeit beginnt im Kirchenrecht mit der Taufe. Gemäß c. 11 verpflichten kirchliche Gesetze alle Getauften und in die Kirche Aufgenommene, die den hinreichenden Vernunftgebrauch besitzen und das siebente Lebensjahr vollendet haben. Demnach ist dem ungetauften Kind die Geltendmachung eines Erziehungsanspruches nach dem kanonischen Recht verwehrt. Ungeachtet dessen impliziert das Grundrechtsverständnis des CIC 1983 auch Rechte. Im themenspezifischen Kontext ist die Erziehungspflicht der getauften Eltern normiert. Geht man von der Komplementarität von Rechten und Pflichten aus, ist ein Anspruch des Kindes aus der Elternpflicht ableitbar. Gemäß c. 226 § 2 kommt den Eltern die Pflicht zur Versorgung und Erziehung ihrer Kinder bereits auf der Grundlage ihrer Elternschaft zu, weshalb leg. cit. im strukturellen und materiellen Kontext der Grundrechte und -pflichten der Laien steht. C. 793 § 1 hebt diesen Aspekt neuerlich hervor.203 Die im c. 226 § 2 normierte Erziehungspflicht der Eltern korrespondiert mit dem entsprechenden Recht des Kindes gemäß c. 217. C. 226 § 2 wird als Ausfluss des ius divinum naturale, als natürliches Recht, verstanden. In diesem Kontext anerkennt auch die staatliche Rechtsordnung ein natürliches Recht. C. 1136 definiert den Gegenstand der Erziehung näher, indem er die Verpflichtung zur Erziehung im leiblichen, sozialen, kulturellen, sittlichen und religiösen Bereich normiert. Als Schutznorm für die Interessen des Kindes normiert c. 1154 das Aufrechtbleiben der elterlichen Erziehungspflicht im Falle der Trennung der Eltern. C. 1689 beinhaltet die korrespondierende Norm im Prozessrecht für den Fall der Nichtigkerklärung der Ehe und c. 1071 § 1 n. 3 normiert, dass eine Wiederverheiratung die Erziehungspflicht unberührt lässt.204 Mit dem Dekan der Römischen Rota, Pio Vito Pinto, qualifiziert Falchi c. 1689 CIC 1983 „di natura metagiuridica“ und erblickt in diesem Canon eine besondere Schutznorm, die ihre Quelle in der Lehre der Kirche findet und sich auf die natürliche Funktion der Eltern beruft. Die Nichtigerklärung der Ehe schmälert nicht die Pflicht zur Erziehung.205 C. 226 wird als zentrale Norm für die elterlichen Erziehungspflichten und -rechte angesehen: „This canon is the foundation for the rest.“ Die Pflichtund Rechtsposition der Eltern, die in dieser Norm basierend auf Gravissimum educationis festgeschrieben ist, steht in einem primären Rang. Dies bedeutet nicht, dass sie auch in einem absoluten Rang steht. In diesem Konnex kommt das relativierende, materielle Gesetzesverständnis des CIC 1983 insofern 203 Lüdicke, c. 1136 Rz. 1, 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 204 Reinhardt, c. 226 Rz. 3, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 205 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1188.
218
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
zum Tragen, als die Eltern zur Relevierung der „requirements of the common good (in the temporal order and in the Church)“ gehalten sind.206 C. 744 § 2 nimmt auf die Formung des Glaubens, c. 776 auf die Unterstützung durch die Hirten Bezug. Die Hinführung zu den Sakramenten, allgemein in c. 835 § 4 geregelt, wird in den cc. 851 n. 2, 855, 857, 867 bis 868 und 874 für die Taufe, sowie in c. 890 für die Firmung, schließlich in c. 914 für die Eucharistie und in den cc. 1063 und 1071 § 1 n. 6 für die Eheschließung normiert. Mit der konziliaren Ekklesiologie hat sich die Kirche zu einer Offenheit gegenüber der gesellschaftlichen Realität bekannt. Gleichzeitig sieht sie sich mit dem Postulat konfrontiert, die Unverfälschtheit und Kontinuität ihrer Lehre zu bewahren. Vor diesem Hintergrund können die Bereiche der Erziehung und der Bildung als gegenwärtig und zukünftig primär zu fokussierende Handlungsfelder angesehen werden: „Il problema educativo é forse il più importante della societá civile e religiosa.“ An die Gravität der Herausforderung knüpft sich die Reichweite der Verantwortung: „La responsabilitá prima dell’educatione grava sulla famiglia e sulla Chiesa.“207 In diesem Kontext zeigt sich auch der Stellenwert des kanonischen Rechts als lebensbegleitende Hilfestellung. Das Zweite Vatikanischen Konzil wirkt in Richtung einer Reduktion der positivistischen Sichtweise zugunsten einer Betonung des auch an das Recht gestellten Postulats der Diakonie. In diesem Sinne betonte Papst Paul VI. die Funktion des Rechts als pastorale Hilfe.208 Christliche Erziehung basiert nicht auf einem von Individualismus gekennzeichneten Bildungsideal, sondern hat die soziale Einbindung des einzelnen Menschen in die Gesellschaft und seine Entfaltung in der Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens im Auge, orientiert am ewigen Heil und am Gemeinwohl. Verantwortung, Freiheit, aktive Teilnahme am sozialen Leben, nicht Gehorsam, Unterordnung, Einordnung und Lehrsamkeit sind Grundbegriffe christlicher Erziehung und Gewissensbildung. Den materiellen Inhalt der katholischen Erziehung definiert c. 793 § 2, wonach diese „secundum doctrinam ab Ecclesia traditam“ zu erfolgen hat: „L’educatione che (come insegna l’Aquinate) consiste nel promuovere l’uomo fino alla sua maturità morale attraverso il dominio della virtù della prudentia, per sé spetta ai diritti fondamentali della famiglia, sulla base del diritto naturale.“209
206 Coriden/Green/Heintschel 207 Chiappetta
(Hrsg.), The Code of Canon Law, S. 162. (Hrsg.), Il Codice di Diritto Canonico, S. 877, Rz. 3000, S. 878
Rz. 3002. 208 Corecco/Herzog/Scola (Hrsg.), Die Grundrechte des Christen in Kirche und Gesellschaft, S. 101. 209 Pinto, Commento al Codice di Diritto Canonico, S. 490.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum219
1. Necessitas und Utilitas Die alten kirchlichen Grundsätze der necessitas und der utilitas bilden im themenspezifischen Kontext maßgebliche Grundlagen der kanonischen Ausrichtung. In diesem Zusammenhalt bezog sich Thomas von Aquin auf die Konzeption des letzten Kirchenvaters des Westens, Isidor von Sevilla (560– 636): „Et ad haec tria omnes aliae conditiones quas postea ponit, reducuntur. Nam quod dicitur honesta, refertur ad hoc quod religioni congruat. Quod autem subditur, iusta, possibilis secundum naturam, secundum consuetudinem patriae, loco temporique conveniens, additur ad hoc quod conveniat disciplinae. Attenditur enim humana disciplina primum quidem quantum ad ordinem rationis, qui importatur in hoc quod dicitur iusta. Secundo, quantum ad facultatem agentium. Debet enim esse disciplina conveniens unicuique secundum suam possibilitatem, observata etiam possibilitate naturae (non enim eadem sunt imponenda pueris, quae imponuntur viris perfectis); et secundum humanam consuetudinem; non enim potest homo solus in societate vivere, aliis morem non gerens. Tertio, quantum ad debitas circumstantias, dicit, loco temporique conveniens. Quod vero subditur, necessaria, utilis, etc., refertur ad hoc quod expediat saluti, ut necessitas referatur ad remotionem malorum; utilitas, ad consecutionem bonorum; manifestatio vero, ad cavendum nocumentum quod ex ipsa lege posset provenire. Et quia, sicut supra dictum est, lex ordinatur ad bonum commune, hoc ipsum in ultima parte determinationis os tenditur.“ („Auf diese drei Eigenschaften lassen sich die anderen zurückführen. Denn ‚ehrbar‘ bezieht sich auf die Religion. Das ‚gerecht‘ nach den Möglichkeiten der Natur und der Gewohnheit Zeit und Ort entsprechend, bezieht sich auf den Unterricht und die Erziehung. Der menschliche Unterricht nämlich muß zuerst vernunftgemäß sein, was ausgedrückt ist durch ‚gerecht‘. Dann muß er den Kräften und Talenten entsprechen, also ‚die Möglichkeit‘ bieten, nach jeder Richtung hin recht aufgefaßt zu werden; (nicht dasselbe legt man den Kindern auf, wie den Erwachsenen). Er muß endlich ‚angemessen sein der Gesellschaft‘ oder Gemeinschaft, welcher der einzelne Mensch angehört; denn der einzelne lebt nicht allein für sich, er muß sich den Sitten der anderen anbequemen. Ebenso muß der Unterricht oder die Erziehung unter den gebührenden Umständen von Zeit und Ort vor sich gehen. Endlich gibt Isidor an: ‚notwendig‘, ‚nützlich‘ etc., was Alles sich auf das Wohl der Menschen bezieht, dem das Gesetz zu dienen hat. Die ‚Notwendigkeit‘ bezieht sich auf die Entfernung der Übel; der ‚Nutzen‘ auf die Erreichung des Guten; das ‚Offenbarsein‘ auf den Schaden, den eine falsche Auslegung des Gesetzes verursachen kann. Und daß das Gesetz dem Gemeinbesten förderlich sein soll, geht aus dem letzten Teile der Angabe Isidors hervor.“)210
Thomas von Aquin knüpft zunächst an die Vernunft als Maßstab der Gerechtigkeit an, dies ohne die individuelle Konstitution des Einzelnen außer 210 Aquino,
co.
Thomas de, Summa Theologiae, Prima Pars Secundae Partis, q. 95 a. 3
220
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Acht zu lassen. Sodann ist auch der kontemporäre Kontext zu beachten. Darauf aufbauend ist die Notwendigkeit als fundamentale Prämisse zu berücksichtigen. Dazu bedarf es der Gewährleistung der Authentizität des das Wohl des Menschen Generierenden. Diesem Postulat ist das Gesetz, versehen mit dem Attribut des Dienens, unterworfen. Der im Alpha ansetzende Kreis findet seine Vollendung schließlich in der Ausrichtung auf das Omega als Einbeziehung des Nützlichen im Sinne jenes Fortschreitens in Richtung des unübertrefflich Guten, des Heils. Diese Grundlegung impliziert alle fundamentalen Parameter der religiösen Erziehung. „Das alte kanonische Prinzip ‚necessitas‘ und ‚utilitas‘ war für Kirche und Staat gleichermaßen von Bedeutung und Wegweisung, wie jenes Vakuum wieder aufgefüllt werden konnte, das durch die menschenverachtende Diktatur hervorgerufen war.“211 Hierin liegt das grundlegende Postulat der Erziehung. Notwendig ist, wovon nicht abgegangen werden kann: „Et dit nécessaire ce qu’on ne peut pas éviter ou ce dont on ne peut pas se passer.“212 Das dem Kirchenrecht immanente Prinzip der Notwendigkeit und Nützlichkeit findet nur an wenigen Stellen expliziten Ausdruck. Eine allgemeine legislative Festlegung existiert nicht. „L’état de nécessité n’est pas defini par les textes législatifs.“213 Etwa im Zusammenhalt mit den Hinderungsgründen für die Zulassung zum Noviziat verwendete der kirchliche Gesetzgeber ausdrücklich den Terminus der Notwendigkeit. C. 542 n. 2 CIC 1983 lautet auszugsweise: „(…) parentes quorum opera sit ad liberos alendos vel educandos necessaria (…).“214 Die Differenzierung in eine physische oder natürliche Notwendigkeit und in eine spirituelle Notwendigkeit ist im Bereich der elterlichen Erziehung nicht möglich, zumal beide Komponenten sich weitgehend überlappen. Der aristotelische Ansatz des Notwendigen als zum guten Leben Notwendigen wurde von Augustinus weiterentwickelt und unter die Prämisse des freien Willens gestellt. Nach Augustinus schließen Notwendigkeit und freier Wille einander nicht aus, vielmehr folgt das Maß der Freiheit des Willens proportional der Erkennbarkeit des Notwendigen.215 Der Einfluss des Christentums verknüpfte das teleologische Verständnis der Notwendigkeit des Aristoteles in der Neuzeit mit der „Prädestination durch Gott.“216 Demgegenüber wirkt 211 Paarhammer, Die Restauration der religiösen Erziehung von 1945–1962 (Schulvertrag), S. 103 (129). 212 Naz, Dictionnaire de Droit Canonique, Sp. 990–992. 213 Ibid. 214 Liber II Pars II, De religiosis, Titulus XI, De admissione in religionem, Caput II, De novitiatu, CIC online, http://www.codex-iuris-canonici.de/ (Stand 19. 01. 2014). 215 Kühn, Notwendigkeit, Sp. 946–971. 216 Wandschneider, Notwendigkeit, Sp. 972–982.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum221
Immanuel Kants spätere Sinninterpretation der Notwendigkeit all das, was wirklich ist und daher auch möglich sein müsse, inhaltsleer und unreflektiert. Während die Notwendigkeit in steter Beziehung zur Wirklichkeit steht, betrifft die Nützlichkeit bereits bei Platon die Abwägung im Hinblick auf das Gute und das Gerechte. Die Notwendigkeit bezieht sich somit auf die Realität, die Nützlichkeit bedarf einer Wertung. „So wird im Zusammenhang pä dagogisch-didaktischer Überlegungen die Auswahl der Lerninhalte durch die Gesichtspunkte des Notwendigen, des Nützlichen, des Schönen und des Edlen bestimmt.“ Die Nützlichkeit als im summum bonum, im „Göttlich-Guten“, verortete Lebensdienlichkeit ist für Thomas von Aquin der Erkennbarkeit im Wege der vis cogitativa, daher auch ratio particularis genannt, zugänglich. Exemplarisch führt er Ehe und Nachkommenschaft an, deren Nützlichkeit sich durch die entsprechende vernunftgemäße Einordnung bestimme.217 Für Immanuel Kant ist die Nützlichkeit schlicht ein objektiver Gegenstand der äußeren Zweckmäßigkeit, demgegenüber er die innere Zweckmäßigkeit als Vollkommenheit definiert. Wegen ihrer Wirkung auf das „absolute Wesen“ ist Religion für Hegel „das Allernützlichste.“218 Die Nachkriegszeit hatte das Bewußtsein für das Erfordernis der Unabhängigkeit der Familie verstärkt. Die unverzichtbare Realität der Existenz der Familie kann in direkten Bezug zum dargelegten Kriterium der Notwendigkeit gesetzt werden. Das Moment der Erziehung korrespondiert mit der Nützlichkeit im permanenten Streben nach Kongruenz.
2. Glaubensfreiheit und Bekenntnispflicht Erziehung in der Kirche vollzieht sich im Gegenüber von Freiheit und Garantie des „spezifisch Katholischen.“ Somit eröffnet gerade das Feld der Erziehung den Raum zur Verwirklichung einer in rechter Weise verstandenen Bekenntnisfreiheit. Gegenüber dem Bekenntnis gesteht die Kirche immerwährende Freiheit zu. Auch ein einmal gewähltes Bekenntnis muss sich vor dem Hintergrund des letztlich keinem äußeren Zwang unterwerfbaren persönlichen Gewissens immer wieder bewähren. Deshalb dürfen die Gläubigen nicht zum Festhalten an dem einmal gewählten Bekenntnis gezwungen werden. Bekennt sich ein Gläubiger zur katholischen Kirche, so ist er in Betä tigung dieses Bekenntnisses, respektive der Erziehung, frei, soweit es seine Pflicht zur Wahrung der „principa doctrinae catholicae“ gestattet.219 Dies 217 Jüssen,
Nutzen, Nützlichkeit, Sp. 992–1001. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 1001–
218 Ritter/Gründer
1008.
219 Schmitz, Die Bekenntnisfreiheit im Gemeinstatut der Gläubigen, (cc. 208–223), S. 119.
222
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
bedeutet, dass zwischen der fides quae creditur, sonach dem Glauben, der geglaubt wird und der fides qua creditur, dem persönlichen Glaubensakt, zu unterscheiden ist. Das nach der Wortbedeutung vom Schenken beziehungsweise Geben des Herzens – cor dare – abzuleitende credere ist letztlich jeder menschlichen Verfügbarkeit entzogen. So ist die religiöse Erziehung auf den Glauben hingeordnet, doch ist der Glaubensakt, das Bekenntnis, keine unmittelbare Wirkung der Erziehung. Andererseits besteht die im Taufsakrament begründete Verpflichtung zur Bewahrung der Treue – fides. Daraus sind die Eltern zur christlichen Erziehung im Sinne der Weitergabe von Glaubens inhalten verpflichtet. Das Mass der Verpflichtung zur Zeugenschaft orientiert sich am persönlichen Glauben. Es ist die Aufgabe der Eltern und der Paten, anläßlich der Taufe den Glauben an Stelle des Kindes zu bekennen. Gemäß den cc. 204 § 1 und 225 § 1 CIC 1983 verbindet sich damit die Teilnahme am kirchlichen Sendungsauftrag und am Apostolat.220 Hinsichtlich der Taufpaten kommt nach c. 872 der spezifische Auftrag des „in initiatione christiana adstare“ hinzu. Die Beiziehung eines Taufpaten ist aber nicht zwingend gefordert, sondern beschränkt sich auf das „quantum fieri potest“.221 Gemäß c. 874 § 1 n. 1 ist die Auswahl des Taufpaten primär Aufgabe der Eltern. Subsidiär ist eine Benennung durch den Pfarrer vorgesehen.222 Der CIC kennt keinen Kirchenaustritt. Die gemäß c. 96 erfolgte Eingliederung in die Gemeinschaft der Gläubigen folgt dem Grundsatz semel catholi cus semper catholicus. Das Sakrament der Taufe vermittelt ein „untilgbares Prägemal.“ Ein Katholik, der nach staatlichen Gesetzen von der Kirche austritt, bleibt gem. c. 11 CIC 1983 kirchlichen Gesetzen unterworfen. Nach diesen Rechtsgrundlagen ist ein ausgetretener Katholik nach Reinhild Ahlers vom Patenamt nicht ausgeschlossen.223 Demgegenüber sieht Joseph Listl im Kirchenaustritt einen Verstoß gegen c. 209 § 1. Der Verstoß gegen die darin normierte allgemeine Grundpflicht habe die Unvereinbarkeit mit einer die Sendungsverantwortung implizierenden Pflichterfüllung im Hinblick auf die cc. 210, 211, 212, 222 i. V. m. cc. 1261 § 2, 1262, 1263, sowie den Verlust der Rechte gemäß den cc. 212 §§ 2 u 3, 214, 215, 216, und 224 bis 231 zur Folge.224 Diese Position schließt auch den aus der Kirche ausgetretenen Elternteil von der religiösen Erziehung seines Kindes aus.
220 Ahlers,
Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, S. 4. S. 7. 222 Ibid., S. 12. 223 Ibid., S. 33. 224 Listl, Die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts in der staatlichen und kirchlichen Rechtsordnung, S. 160 (163). 221 Ibid.,
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum223
Aufgrund des character indelebilis der Taufe kann die „Taufwirklichkeit“ nicht verlorengehen und die durch sie begründete Gliedschaft an der commu nio der Kirche nicht willentlich aufgelöst werden. C. 748 § 1 stellt die Bekenntnispflicht in Korrelation zur Glaubensfreiheit, die gemäß § 2 leg. cit. keinem Zwang unterliegen darf. Gemäß den cc. 111 § 2 und 112 § 1 n. 3 kennt die Kirche eine „religiöse Teilmündigkeit“, die mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres einsetzt.225
3. Zu den themenspezifischen kanonischen Grundrechtsbegriffen Im Gegensatz zum staatlichen Recht impliziert das kirchliche Recht aufgrund seiner göttlichen Stiftung einen menschlichem Urteil unzugänglichen Anteil. Aus der Grundlegung der communio ecclesiae ergeben sich wechselseitige Rechte der Gläubigen, jeder einzelne ist Teil der als Leib Christi verstandenen Kirche. Die allgemeinen Menschenrechte gründen in der jedem einzelnen Menschen zukommenden Würde. Hieraus folgt das Prinzip der gegenseitigen Verantwortung. Dies impliziert einen definitiven Ausschluss beliebigen, individualistischen Strebens, woran sich das Postulat der Solidarität knüpft. Damit verbindet sich die Komplementarität von Rechten und Pflichten. Die Basis für den Menschenrechtsethos wird in der Erziehung grundgelegt. Sie besteht in der vorbehaltlosen Vermittlung von Liebe, Vertrauen, Barmherzigkeit und bedingungsloser Annahme, die grundlegenden Wurzeln der Gerechtigkeit. Die christliche Grundbotschaft lautet: „Du bist von Gott geliebt, unbedingt bejaht und anerkannt – der kategorische Indikativ vor jedem Imperativ!“226 Nur aus der authentischen Selbstannahme kann auch Beziehung wachsen.227 Die Glaubenserziehung als Gegenstand der Erziehung steht unter dem Postulat, Gottes Offenbarung in Jesus als jene Liebe zu vermitteln, „die den endlichen Menschen befähigt, Ja zu sich selbst zu sagen, die ihn zu seiner Identität befreit.“ Aus der erlebten Selbstannahme folgt das Bedürfnis des Einzelnen, Jesus nachzufolgen und damit, sich dem anderen zuzuwenden, sodass auch dieser befähigt wird, „ja zu sich selbst zu sagen.“228 Erziehung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Präsentwerden des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch. Insofern die Rechte der Gläubigen an die Begründung der Kirchengliedschaft durch die Taufe gebunden sind, unterscheiden sich die Christenrechte 225 Mussinghoff, c. 793 Rz. 6, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 226 Deutsche Kommission Justitia et Pax, Gerechtigkeit für alle, S. 46. 227 Ibid., S. 47. 228 Ibid., S. 48.
224
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von den Menschenrechten und es ist zu fragen, ob dem Kind ein Recht auf die Taufe zukommt.229 Die grundlegenden Christenrechte sind in den cc. 96, 204 und 205 normiert. Es wird differenziert zwischen Rechten für alle Getauften und für Katholiken. Innerhalb der Menschenrechte als äußerster Klammer existieren die Christenrechte, sodann die Rechte aller Getauften und wiederum darin die „Katholikenrechte.“230 Der in der plena communio stehende katholische Christ genießt vollen Rechtsschutz gemäß c. 221 § 1. Vorbehaltlich einer anderslautenden Regelung ist jedes Recht gemäß c. 1491 durch Klage und Einrede geschützt. Mit dem CIC 1983 wurde gemäß c. 1400 § 2 eine prinzipielle Differenzierung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung getroffen. Diese hat insbesondere Relevanz im Hinblick auf ein Rechtsmittel gegen ein Urteil – appellatio – beim nächsthöheren Gericht. Diesbezüglich sah der CIC 1917 lediglich einen recursus an die zuständige Kongregation des Apostolischen Stuhls vor.231 Ungeachtet dessen ist der Ausbau von Verfahrensgarantien und Rechtsschutz noch nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgt. C. 1400 § 2 sieht zwar die Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts für eine Klage gegen eine Verwaltungsbehörde vor. Demgegenüber gibt es in der Kirche jedoch keine systematisierte Verwaltungsgerichtsbarkeit. Verwaltungsakte sind nunmehr nur durch recursus, nicht durch die actio beziehungsweise apellatio bekämpfbar. Dies ist insofern problematisch, weil oft subjektive Rechte betroffen sind, deren Gewährleistung so nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Die Interpretation des allgemeinen Rechtsmittels des recursus hierarchicus ist schwierig. Am Beispiel des Taufaufschubes gemäß c. 868 § 1 n. 2 durch den Pfarrer stellt sich etwa die Frage, ob der Bischof als superior hierarchicus anzusehen ist. Diese Annahme würde voraussetzen, dass der Pfarrer als hierarchicus anzusehen ist, wovon nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann. Nachvollziehbarer erscheint die Annahme des Papstes als superior hierarchicus.232 Das differenzierte und detaillierte Regelwerk des CIC zum Schutz subjektiver Rechte findet vornehmlich im Eheprozess Anwendung. Demnach ist die Rota hauptsächlich mit Entscheidungen in Ehesachen befasst.233 Essentielle Grundlage für die Normierung von Rechten des Kindes ist die explizite Aufnahme der Rechtsbegriffe Kind und Familie in das Verfassungsrecht. Dies gilt für das weltliche wie für das kirchliche Recht gleichermaßen. Im kirchlichen Recht fehlt ein expliziter, rechtsverbindlicher Grundrechts katalog überhaupt und unterblieb eine explizite Inkraftsetzung einer kirch 229 Heimerl,
Menschenrechte und Christenrechte, S. 20 (25). Recht und Rechtsschutz im neuen kirchlichen Gesetzbuch, S. 334. 231 Ibid., S. 335. 232 Ibid., S. 342. 233 Ibid., S. 336. 230 Heinemann,
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum225
lichen Verfassung der Grundrechte. Zwar wurden in die Lex Ecclesia Funda mentalis grundlegende Bestimmungen aufgenommen. Das Kind als Rechtssubjekt findet jedoch auch dort keine konkrete Beachtung. Die Aufnahme des Kindes und der Familie als Subjekte und nicht als Objekte der rechtlichen Ordnung könnte in konstruktiver Weise innerhalb der aktuell gebotenen, diffizilen Auseinandersetzung mit Fragen des Werteverfalls und des Umgangs mit beziehungsmässigem Scheitern wirken. Das Ausgehen vom Kind und von der Familie als Rechtssubjekten ist der Schlüssel für das Auffinden jenes Grates zwischen der tragenden und lebenserhaltenden Konservierung überkommener Werte und der gebotenen Orientierung an gesellschaftlicher und kultureller Progression. Der Religionsunterricht ist das deutlichste Beispiel für die res mixtae, also für jene Angelegenheiten, die Kirche und Staat betreffen. Diese Materie tangiert die unterschiedlichen Grundrechtspositionen in vielfältiger und intensiver Weise. Die österreichische Verfassung und der Zielparagraph des Schulorganisationsgesetzes betonen die Wichtigkeit des Religionunterrichts. In Deutschland ist der Religionsunterricht ein ordentliches Lehrfach. Die Vermittlung nur einer bestimmten Religion ist dem weltanschaulich neutralen Staat nicht gestattet. Zudem könnte er die Inhalte nicht bereitstellen und schließlich wäre hierdurch unter einem eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und Religionsgemeinschaften verwirklicht.234 Soweit Schulträger staatliche Aufgaben wahrnehmen, sind sie an die verfassungsrechtlichen Vorgaben wie Religionsfreiheit und Aufnahmezwang gebunden. Gegenüber privaten Schulträgern ist die Bindung gelockert, als Aufnahmekriterien festgelegt und eine Konfession zur Bedingung gemacht werden können. Damit wird der Staat der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen – gegenständlich relevant im Hinblick auf die freie Wahl der Schule – gerecht.235 Darunter fällt auch die Prämisse des Schutzes der Familie, der nicht nur um ihrer selbst Willen, sondern darüber hinaus ob ihrer Bedeutung für den gesellschatlichen Gesamtkontext zu gewährleisten ist. Denn „die natürliche Familie (…), in der verschiedene Generationen zusammenleben und sich gegenseitig helfen, um zu größerer Weisheit zu gelangen und die Rechte der einzelnen Personen mit den anderen Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens zu vereinbaren, ist das Fundament der Gesell schaft.“236
234 Rüfner,
Die Geltung von Grundrechten im kirchlichen Bereich, S. 9 (14). S. 15. 236 Paul VI., Populorum progressio, in: Utz/Gahlen, I (1976) (IV, Rz. 495), zitiert nach der Pastoralkostitution GS, Nr. 52, AAS LVIII (1966) 1073). 235 Ibid.,
226
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Gravissimum educationis definiert den Anspruch auf Erziehung wie folgt: „Omnibus hominibus cuiusvis stirpis, conditionis et aetatis utpote dignitate personae pollentibus, ius est inalienabile ad educationem, proprio fini respondentem, propriae indoli, sexus indifferentiae, culturae patriisque traditionibus accomodatam et simul fraternae cum aliis populis consortioni apertam ad veram unitatem et pacem in terris fovendam.“ („Alle Menschen, gleich welcher Herkunft, welchen Standes und Alters, haben kraft ihrer Personenwürde das unveräußerliche Recht auf eine Erziehung, die ihrem Ziel, ihrer Veranlagung, dem Unterschied der Geschlechter Rechnung trägt, der heimischen Kulturüberlieferung angepaßt und zugleich der brüderlichen Partnerschaft mit anderen Völkern geöffnet ist, um der wahren Einheit und dem Frieden auf Erden zu dienen.“)237
Das Recht auf Erziehung wird nun vornehmlich mit der Personenwürde begründet, nicht mit der zuvor bevorzugten Bezugnahme auf die Taufe, womit Gravissimum educationis der Erklärung über die Religionsfreiheit, Dig nitatis humanae, Rechnung trägt. Zudem wird das Erfordernis der Einbindung kultureller Hintergründe betont. Nach der neuen Lehre der Kirche beruht die Glaubensentscheidung auf der autarken, freien Entscheidung des Gewissens. Somit darf die im Wege der Erziehung und Bildung intendierte Formung des Menschen in diesem Punkt etwa im Wege eines autoritären Hinwirkens auf ein Bekenntnis oder eine Konversion nicht vorgreifen und die Gewissensentscheidung vorwegnehmen. Die Anspruchstellung der Kirche tritt hinter die Achtung vor der persönlichen Entscheidungsfreiheit zurück. Darüber hinaus stellt die Erklärung die Freiheit der Person in den sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Kontext und betont das Postulat der angemessenen Anpassung und Öffnung als Voraussetzung für den Frieden. Mit Dignitatis humanae werden „das Recht der Wahrheit und der Anspruch der individuellen Freiheit (…) miteinander versöhnt.“238 Damit hat die Kirche in keiner Weise davon Abstand genommen, ihre Wahrheit zu verkünden und zu verteidigen: „Was nicht der Wahrheit und dem Sittengesetz entspricht, hat objektiv kein Recht auf Dasein (…).“ Die Anerkennung der Freiheit des Gewissens und des Glaubens setzt die Anerkennung des Menschen als Rechtssubjekt voraus. Damit verbunden ist ein Perspektivenwechsel vom Recht der Wahrheit zum Recht der Person.239 Dies impliziert keine Relativierung der Wahrheit, sondern stellt diese dem Menschen gegenüber. Der Wahrheit selbst eignet die Anerkennung der persönlichen Freiheit des Menschen. Schließlich vollzieht sich seine Sinnsuche in der Konfrontation des Subjekti237 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 128). 238 Böckenförde, Einleitung zur Textausgabe der Erklärung über die Religionsfrei heit, S. 401. 239 Ibid., S. 405.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum227
ven mit dem Objektiven, wobei Subjektivität nur ob der Existenz einer objektiven Kategorie denkbar ist. C. 1315 CIC 1917, der das Verbot des Zwanges zur Annahme des katholischen Glaubens normierte, bedeutete keinerlei Zugeständnis hinsichtlich einer individuellen Religionsfreiheit. Wegbereiter für Dignitatis humanae war Papst Johannes XXIII. mit seiner Enzyklika Pacem in terris. Mit Dignitatis humanae vollzog die Kirche den konkreten Schritt von einem „Recht der Wahrheit“ zu einem „Recht der Person.“ Hinsichtlich der Reichweite der persönlichen Freiheit zitierte Ernst-Wolfgang Böckenförde den Jesuiten Augustin Kardinal Bea (1881–1968), der an der Konzeption der konziliaren Dokumente über die Ökumene und über die Religionsfreiheit wesentlich beteiligt war: „Grenzen werden nur durch das Gebot der Wahrung einer gerechten öffentlichen Ordnung gesetzt.“240 Eben dieser Ansatz impliziert das Potential eines tragfähigen Fundamentes gelungener Erziehung. Mit Dignitatis humanae entzieht die Kirche sich selbst „die prinzipielle Legitimation“ (Art. 6). Darüber hinaus spricht sich die Kirche gegen Gewährleistungspflichten des Staates gegenüber einer bestimmten Religion aus: „Die Pflichten der Staatsgewalt, die gegenüber der Religion bestehen, sind nur solche gegenüber der religiösen Freiheit und ihrer Verwirklichung im Allgemeinen, nicht solche gegenüber einer bestimmten Religion.“241 Dig nitatis humanae unterscheidet in seinen ersten beiden Artikeln zwischen der moralischen Pflicht und dem äußeren Recht auf religiöse Freiheit. Erstere bezieht sich als „Tugend- und Wahrheitsordnung“ auf die „Beziehungen des Menschen zu Gott“ auf einer vertikalen Ebene. Letztere ist auf „die Beziehungen der Menschen untereinander und im Verhältnis zur staatlichen Gewalt“242 auf eine horizontale Ebene gerichtet. Hierin findet sich keinerlei Widerspruch. Vielmehr eröffnet dieser Ansatz Raum in jede Richtung. Einander entsprechende Koordinaten können einen Schnittpunkt ergeben, daneben sind in vertikaler wie horizontaler Richtung unendlich viele Konstellationen möglich. „Das Problem beginnt dort, wo diese Grundsätze, die im moralischen Bereich ihre Gültigkeit haben, übertragen werden auf den Bereich des Rechts. In diesem Moment wirken sie freiheitszerstörend.“243 Die Grenze der legitimen Betätigung persönlicher Freiheit bestimmt sich durch die Prämisse der allgemeinen Rechtsgrundsätze oder der guten Sitten, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die sich aus den von der horizontalen Ebene herrühenden Implikationen „der Notwendigkeit eines geord240 Ibid.,
S. 407. S. 408. 242 Ibid., S. 410. 243 Ibid., S. 411. 241 Ibid.,
228
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
neten und friedlichen sozialen Zusammenlebens in einer staatlichen Gemeinschaft“ ergeben. Auf ein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit kann es dabei freilich nicht ankommen.244 Dignitatis humanae nimmt auf diese Herausforderung Bezug, dies unter gänzlichem Verzicht auf eine der Basis der katholischen Lehre entnommene, metaphysische Definition der Freiheit im gegenseitig korrespondierenden, kollektiven Kontext: „Das Gemeinwohl der Gesellschaft besteht in der Gesamtheit jener Bedingungen des sozialen Lebens, unter denen die Menschen ihre eigene Vervollkommnung in größerer Fülle und Freiheit erlangen können; es besteht besonders in der Wahrung der Rechte und Pflichten der menschlichen Person.“ Hieraus ergibt sich das Fazit eines scheinbaren Widerspruchs. „So einleuchtend dieser Grundsatz ist, so schwierig ist es, die ‚Grenzen‘ der Freiheit in concreto zu bestimmen. Die Erklärung hat diese Aufgabe, auf das Ganze gesehen, gelöst.“245 Dignitatis humanae verwendet den juristischen Begriff des ordre public:246 (…) „Die Erklärung des Konzils hat nun gerade diesen, auf die individuelle Freiheit bezogenen Charakter des modernen Rechts legitimiert und als Voraussetzung für die Wirklichkeit der Freiheit nicht nur, sondern auch für die Ausbreitung der Wahrheit anerkannt. Damit ist zugleich das prinzipielle Verhältnis des Christen zur modernen, säkularisierten, primär auf die Freiheit des Individuums ausgerichteten Welt und ihren Ordnungsformen auf eine neue Grundlage gestellt.“247 Unter der Prämisse, dass sich Dignitatis humanae im Gegensatz zu den verworfenen Ansätzen auf authentische, naturrechtliche Grundlagen bezieht, ist mit Böckenförde „konsequenterweise den Ordnungsformen der Polis-Religion jede Legitimation entzogen und damit auch ein Verdikt über Jahrhunderte der christlich-abendländischen Entwicklung gefällt.“248 Damit werden nicht kircheninterne Moralvorstellungen revidiert, sondern die äußere, rechtliche Sphäre der Religionsfreiheit definiert. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurzelt das Recht auf religiöse Freiheit in der „Würde der menschlichen Person.“ Demnach hängt diese nicht von einer Gewährung ab, sondern wird anerkannt, dass ihr Zuspruch einer menschlichen Disposition entzogen ist. Die Religionsfreiheit wird „durch Vernunft, freien Willen und persönliche Verantwortung bestimmt.“249 Das Recht auf religiöse Freiheit schließt jegliche Zwangsmaßnahmen in Be244 Mayer-Maly,
245 Böckenförde,
Das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, S. 26, 52. Einleitung zur Textausgabe der Erklärung über die Religionsfrei
heit, S. 411. 246 Ibid., S. 413. 247 Ibid., S. 416. 248 Ibid., S. 418. 249 Krämer, Religionsfreiheit in der Kirche, S. 10.
III. Strukturelle Einordnung der educatio liberorum229
zug auf das Religionsbekenntnis und seine Ausübung aus. „Nach der Lehre des Konzils darf niemand auf die Glaubensentscheidung eines anderen mit Zwang, mit physischer Gewalt oder psychischem Druck einzuwirken versuchen.“250 C. 1351 CIC 1917 normierte die Religionsfreiheit lediglich im Missionsrecht als Teil des Verkündigungsrechtes. Normadressaten grundlegender Rechte waren vorwiegend Kleriker. Hinsichtlich der Religionsfreiheit fanden sich im CIC 1917 sogar noch zahlreiches Kanones, die einer Anerkennung der Religionsfreiheit widersprachen. Von einer Gewährleistung von allen Gliedern der Kirche zukommenden, grundlegenden Rechten war der CIC 1917 noch weit entfernt.251 Nach Familiaris Consortio hat die Familie als Lebens- und Liebesgemeinschaft Anteil am priesterlichen, königlichen und prophetischen Amt.252 C. 226 § 2 ist Ausdruck des neuen Bewusstseins, dass Familie per se verfassungsrechtlichen Schutz benötigt. Gabriela Eisenring folgend umfasst die „ganze eheliche Realität“, bestehend aus dem Eheband, dem Ehezweck und den Subjekten auch das ihr implizite Ziel der Familiengemeinschaft, weshalb diese in der Kirchenverfassung geschützt sei. Die Autonomie der Familie gründet im Taufsakrament.253 Indem er die Familie zur Mitarbeit am Aufbau der Kirche entsprechend ihrer Wesensart anhält, könnte c. 226 § 2 den Ausgangspunkt für ein kodikarisches Familienrecht bilden. Der Canon beinhaltet materielles Verfassungsrecht. Mangels formaler Qualifikation als Verfassungsnorm mangelt es jedoch an einer adäquaten Effektivität.254 Ungeachtet der mangelnden normativen Implementierung von Persönlichkeitsrechten im Kirchenrecht gilt: „Die christliche Theologie sieht den Menschen ungeachtet seiner Einbindung in die christliche Gemeinde in seiner Beziehung zu Gott als Person.“255 Die im CIC 1983 normierten Rechte und Pflichten aller Gläubigen haben keine erhöhte Bestandskraft, zumal das Kirchenrecht keinen Stufenbau der Rechtsordnung kennt. Dessen ungeachtet untersteht die Kirche durch ihren Sendungsauftrag einer umfassenden mate250 Ibid.,
S. 12. S. 18. 252 Johannes Paul II., Familiaris Consortio, Nr. 17. 253 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 38, 39. 254 Ibid., S. 49. 255 Starck, Das Christentum und die Kirchen in ihrer Bedeutung für die Identität der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, S. 5 (16). 251 Ibid.,
230
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
riellen Verpflichtung. Hierunter fälllt der themenspezifische Kontext des c. 217: „Da parte sua, la Chiesa ha il grave obbligo di provvedervi con tutti i mezzi necessari, e attraverso le sue institutioni.“256 Zur Verwirklichung ihrer selbst bedarf der einzelne Gläubige und in besonderer Weise jedes Kind der Gemeinschaft der Personen. Diese steht unter dem Postulat des Gemeinwohls. Das Gemeinwohl kann als Regulativ für ein geglücktes Leben angesehen werden: „Denn das Gemeinwohl ist keine empirische, sondern eine ethische Größe. Es läßt sich nicht bestimmen als die Resultante im Parallelogramm der sozialen Kräfte; ebenso wenig als der reale Konsens einer Gesellschaft über ihre Ziele; denn es ist nicht der Konsens, sondern dessen inhaltliches Richtmaß.“257
4. Zur kanonischen Rechtsfähigkeit Gemäß c. 96 CIC 1983 wird die kanonische Rechtsfähigkeit mit der Taufe begründet. C. 111 § 2 stellt dem vierzehnjährigen Taufwerber die Wahl des Ritus frei. Nach c. 112 § 1 n. 3 ist es dem Vierzehnjährigen gestattet, im Falle der mit dem Rituswechsel eines Elternteils vollzogenen Übernahme in die Rituskirche des anderen Elternteils zum lateinischen Ritus zurückzukehren. C. 97 § 1 normiert den Eintritt der Mündigkeit mit der Vollendung des achzehnten Lebensjahres. Bis zum Eintritt der Volljährigkeit bleibt der Minderjährige gemäß c. 98 § 2 der Gewalt der Eltern unterstellt. Davon aus genommen sind jene Fälle, in denen eine Ausnahme nach göttlichem oder kanonischem Recht besteht. In Konkretisierung des c. 213 normiert c. 913 die Voraussetzungen für die Zulassung zur Heiligen Kommunion derart, dass die Kinder das „Geheimnis Christi gemäß ihrer Fassungskraft begreifen und den Leib des Herrn gläubig und andächtig zu empfangen in der Lage sind.“ Die gehörige Vorbereitung inkludiert die konkrete Sakramentenkatechese, eingebettet in die einen zeitlich breiteren Rahmen einnehmende religiöse Erziehung. Gemäß der Rechtsvermutung des c. 97 § 2 entsprechen sieben Jahre dem angemessenen Alter. Die „Pflicht vor allem der Eltern und derer, die an Stelle der Eltern stehen, sowie des Pfarrers ist es, dafür zu sorgen, daß die Kinder, die zum Vernunftgebrauch gelangt sind, gehörig vorbereitet werden“, wie c. 914 normiert. C. 854 § 4 CIC 1917 erwähnte bloß das Recht der Eltern im Sinne eines „iudicium“. Hinsichtlich des Rechts auf den Kommunionsempfang steht das Kind gemäß c. 98 § 2 i. V. m. 1478 § 3 nicht unter elterlicher Gewalt. Es handelt sich um ein materielles Grundrecht des Kindes, wie sich aus der in 256 Chiappetta, 257 Isensee,
Il Codice di Diritto Canonico, S. 281 Rz. 1243. Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 22.
IV. Erziehung als Recht und Pflicht231
der letztgenannten Norm enthaltenen, selbständigen Klagslegitimation des Kindes ergibt.
IV. Erziehung als Recht und Pflicht Der CIC von 1983 beinhaltet keine explizite Charta der Familienrechte. Die Lex Ecclesiae Fundamentalis wurde nicht in Kraft gesetzt. Der erste Teil des zweiten Buches über das Volk Gottes enthält in seinen ersten beiden Titeln über die Rechte und Pflichten der Gläubigen und der Laien Normen mit einem den Grundrechten entsprechenden materiellen Gehalt. Die in c. 211 für alle Gläubigen und ähnlich gemäß c. 225 § 1 für die Laien normierte Verpflichtung zur Verbreitung der Heilsbotschaft258 korrespondiert mit der spezifischen Verpflichtung der Ehepartner gemäß c. 226 § 1 sowie der Eltern gemäß c. 226 § 2.259 C. 761 nennt die verschiedenen Mittel der katechetischen Unterweisung.260 Schließlich verpflichtet c. 799 die Gläubigen zur Hinwirkung auf die Schaffung einer entsprechenden Rechtslage in der Welt in dem Sinne, „daß in der weltlichen Gesellschaft die Gesetze über die Bildung der Jugendlichen auch deren religiöse und sittliche Erziehung nach dem Gewissen der Eltern in den Schulen selbst vorsehen.“261 In diesem Kontext besteht gemäß c. 800 § 2 eine explizite Beauftragung der Gläubigen zur Förderung der Gründung und des Erhaltes katholischer Schulen.262 C. 843 § 2 verpflichtet die Seelsorger und die übrigen Gläubigen „pro suo quisque ecclesiastico munere“ – zur Verkündigung sowie zur katechetischen Unterweisung als Vorbereitung auf die Sakramente.263 Das Zweite Vatikanische Konzil stellt die Verantwortung aller Getauften für den Sendungsauftrag der Kirche heraus und betont damit das allgemeine Priestertum. Der CIC 1917 kannte noch keine Gleichheit aller Christgläubigen. Lumen gentium definiert die „vera aequalitas.“ Dieser Geist soll fortan ausgehend von der gemeinsamen Würde die Verwirklichung des kirchlichen Sendungsauftrages auf allen Ebenen begleiten. Schließlich begreift sich hierin auch die hierarchische Struktur der Kirche primär als Verwirklichung des Auftrages zur tätigen Diakonie.264
258 CIC6, 259 Ibid.
Deutsche Bischofskonferenz, 2012.
260 Ibid. 261 Ibid. 262 Ibid. 263 Ibid.
264 Lüdicke, Einführung vor c. 208 Rz. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
232
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Mit dem Terminus „institutio et educatio religiosa catholica“ erfasst c. 804 § 1 nicht nur die schulische Erziehung und Bildung, sondern auch jene im Bereich verschiedener sozialer Kommunikationsmittel. Nähere Regelungen werden der jeweiligen Bischofskonferenz überlassen. C. 217 CIC 1983 lautet: „Christifideles, quippe qui baptismo ad vitam doctrinae evangelicae congruentem ducendam vocentur, ius habent ad educationem christianam (…)“ („Da ja die Gläubigen durch die Taufe zu einem Leben nach der Lehre des Evangeliums berufen sind, haben sie das Recht auf eine christliche Erziehung, (…)“).
Damit ist in diesem spezifischen Fall eine weitere Unterscheidung betreffend die Rechtsbindung getroffen: das ius divinum naturale verpflichtet alle Menschen, ius divinum positivum alle Christen und das ius humanum (ius mere ecclesiasticum) alle Katholiken. C. 217 („…qua ad maturitatem humanae personae prosequendam atque simul ad mysterium salutis cognoscendum et vivendum rite instruantur“ („durch die sie in angemessener Weise zur Erlangung der Reife der menschlichen Person und zugleich zur Erkenntnis des Heilsgeheimnisses und zu einem Leben danach angeleitet werden“) listet die Erziehungsziele auf und nennt an erster Stelle die Erlangung menschlicher Reife und sodann die Erkenntnis der Heilsgeheimnisse und die dementsprechende Lebensführung. Dass das letztbezeichnete Ziel nach Schmitz als Vorbedingung menschlicher Reife zuerst genannt werden sollte, erscheint im Hinblick auf die Einordnung des c. 217 in den Katalog der allgemeinen Christenrechte und Pflichten und vor dem Hintergrund des c. 748 § 2 nicht nachvollziehbar, zumal gerade der sich aus der Freiheit des zu Erziehenden und des Erziehers ergebenden Dynamik des permanenten Strebens nach Bewährung des mit der Wahl des Bekenntnisses als wahr erkannten Glaubensgutes ein angemessener Raum zu gewähren ist.265 Rudolf Michael Schmitz entnimmt den Spezialnormen über die Erziehung, „daß bereits das Recht auf diese spezifisch katholische Erziehung jene ekklesiale Bindung des Glaubens festlegt, in deren Rahmen sich dann die Freiheit des Bekenntnisses in (…) der Erziehung (…) bewegt.“266 Darin ist ein Widerspruch in sich zu erblicken, zumal die Freiheit des Glaubens auch nach erfolgtem Bekenntnis keiner Beschränkung unterliegen darf (vgl. c. 748 § 2). Sehr wohl aber sind die Gläubigen verpflichtet, nach dem Prinzip der freien Gefolgschaft als wahr erkannte Glaubensinhalte gemäß c. 748 § 1 zu bewahren und in der Folge weiterzugeben. 265 Schmitz, Die Bekenntnisfreiheit im Gemeinstatut der Gläubigen, (cc. 208–223), S. 112 ff. 266 Ibid., S. 114, 115.
IV. Erziehung als Recht und Pflicht233
Unter dem Titel educatio catholica nimmt der dritte Teil des dritten Buches vornehmlich auf die Schule Bezug. C. 793 § 1 normiert das Recht der freien Schulwahl und c. 798 verpflichtet die Eltern zur Sorgetragung für eine katholische Erziehung. Im Dienst am munus docendi kommt es innerhalb der Kirche zur Entfaltung differenter Beziehungsstrukturen im individuellen und kollektiven Kontext sowie hinsichtlich der juristischen Qualifikation. Einen besonderen Stellenwert im Kontext der Vermittlung essentieller intellektueller und spiritueller Bildung nimmt die Position der Eltern ein. Die Spezifika des Elternrechtes implizieren das Erfordernis seiner Respektierung auch seitens der hierarchischen Struktur der Kirche.267 Gemäß c. 799 ist allen Gläubigen das Bemühen um eine weltliche Gesetzgebung aufgetragen, die eine Bildung der Jugendlichen entsprechend einer Erziehung nach der religiösen und sittlichen Überzeugung der Eltern gewährleistet. Die mit Erziehungsverantwortung betrauten Orden nimmt c. 801 in die Pflicht. Der Ausgleich des Mangels an verfügbaren Bildungseinrichtungen, in denen eine Erziehung im christlichen Geist vermittelt wird, liegt gemäß c. 802 § 1 i. V. m. 803 § 1 in der Verantwortung des Diözesanbischofs. C. 803 § 2 fordert die „Rechtgläubigkeit“ und den „rechtschaffenen Lebenswandel“ der Lehrer. Unter der Autorität der Kirche unterliegt die Sorge für die rechtmäßige Katechese gemäß c. 774 allen Gläubigen: „Every member of the Christian community shares responsability for the catechetical endeav or.“268 Die katholische Erziehung stellt eine qualifizierte Form des Verkündigungsdienstes dar. Darüber hinaus besteht ein allgemeiner Verkündigungsauftrag aller Gläubigen im Sinne einer als Communio verstandenen Verfassung der Kirche. Korrespondierend zum allgemeinen, das Recht auf den Heilsdienst der Kirche normierenden c. 214, regelt c. 774 § 2 die elterliche Verpflichtung im Bereich der Verkündigung. Derselben Verpflichtung unterliegen die jene Stelle der Eltern Einnehmenden und die Paten. Unter Betonung der Wahlfreiheit der Mittel und Institutionen streicht c. 793 § 1 die elterliche Verantwortung zur katholischen Erziehung heraus. § 2 leg. cit. betont das allgemeine Recht auf Unterstützung durch die Zivilgesellschaft. Im Kontext des c. 798 ist die subsidiäre Bedeutung der schulischen Bildung und Erziehung insofern zu beachten, als die Inanspruchnahme schulischer, katholischer Erziehung nahegelegt wird, die letzte Verantwortung jedoch bei den Eltern verbleibt, als diese für den Fall der Unverfügbarkeit oder Unerreichbarkeit einer adäquaten Schule selbst die Verantwortung für die katholische Bildung und Erziehung tragen. Hiervon unberührt bleibt frei-
267 Arrieta,
The Active Subject of the Church’s Teaching Office, S. 250. (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law,
268 Beal/Coriden/Green
S. 934.
234
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
lich die generelle Verantwortung der Hirten: „The Catholic school ist viewed in the law as a mean, not an end.“269 C. 226 § 1 spricht keine juristische, sondern vielmehr eine moralische Verpflichtung an. Die religiöse Dimension der Familie konkretisiert sich in drei Freiheiten: gegenüber der Kirche, gegenüber dem Staat und innerhalb der Familie, sohin zwischen Eltern und Kindern.270 Unter Zugrundelegung des c. 1063 ist ein ganz besonderes Augenmerk auf die pastorale Sorge der Hirten und die Gemeinschaft der Gläubigen gegenüber den Braut- und Ehepaaren zu legen.271 In der Ausübung des Heiligungsdienstes tragen die Eltern eine sehr spezifische Verantwortung, deren systematische Einordnung und materieller Gehalt sich im c. 835 § 4 zeigt. Der letzte Satz leg. cit. basiert auf der nie in Kraft gesetzten Lex Ecclesiae Fundamentalis aus dem Jahr 1980, in der die Betätigung des Heiligungsdienstes in gegenseitiger Verantwortung der Christgläubigen herausgestellt wird, ohne allerdings die besondere Funktion der Eltern zu benennen.272
V. Die Familie als Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern Die Definition des Katechismus übernehmend, definiert die Österreichische Bischofskonferenz den Familienbegriff wie folgt: „Ein Mann und eine Frau, die miteinander verheiratet sind, bilden mit ihren Kindern eine Familie.“273 Wie in dieser Arbeit dargelegt, sprechen darüber hinaus viele Gründe für eine rechtliche Anerkennung der Familie per se als kanonisch anerkannte Institution, andernfalls auch die kanonische Anerkennung der Elternschaft in Frage zu stellen wäre. Da es um die normative Anerkennung einer naturrechlich vorgegebenen Einrichtung geht, die Genealogie des Menschen die Komplementarität von Mann und Frau voraussetzt und sich Familie insgesamt in einer Vielzahl unterschiedlichster Beziehungsstrukturen verwirklicht, sind die bezeichneten Parameter im Zuge der Erarbeitung einer kanonisch vertretbaren und tragfähigen Definition des Terminus der Familie umfassend zu relevieren.
269 Ibid.,
S. 953, 955. Codice di Diritto Canonico, S. 200. 271 Gallagher, Marriage and the Family in the Revised Code, S. 149 (166). 272 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, S. 1007 ff. 273 Österreichische Bischofskonferenz, Familienbegriff, 7. Jänner 2002. 270 Arrieta,
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 235
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament Nach Gravissimum educationis Nr. 3 entsteht die Erziehungspflicht der Eltern mit ihrer Elternschaft. Mit dem Ehesakrament werden den Eltern besondere Gnadengaben zuteil. Mit der Lumen gentium Nr. 2 und 11 folgenden und in c. 774 § 2 normierten Verpflichtung der Eltern, erste Glaubensboten zu sein, verbindet sich auch der einzige nur an die Laien gerichtete Anspruch der „Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums“ gemäß c. 225 § 2.274 In diesem Kontext steht der die Privatautonomie des Menschen anerkennende und damit die Anspruchslage des Kindes implizierende Paradigmenwechsel, der auch in der Kirchenrechtswissenschaft vollzogen werden muss: „Die Eigenverantwortung der einzelnen Gläubigen ist kirchenrechtlich einzufordern.“275 Das kanonische Postulat der katholischen Erziehung wurzelt im kirchlichen Sendungsauftrag. Das präpositive Abverlangen einer Verpflichtung beziehungsweise Bürgschaft bedeutet eine ungerechtfertigte Einschränkung der persönlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit, die dem Menschen stets – auch nach der Begründung einer Mitgliedschaft zu einer Kirche oder Reli gionsgemeinschaft – gewahrt bleiben muss.276 C. 226 releviert die „primary responsability“ der Eltern. Diese gründet im Faktum der Elternschaft. Die wesenhafte Einzigartigkeit der elterlichen Erziehung und damit das implizite Potential einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung basiert auf der barmherzigen Liebe, die durch das Ehesakrament eine besondere Bereicherung erfährt: „Coniugal love, when enriched by charity, gives a supernatural dimension to mutual help.“277 Gaudium et spes bezeichnet die „obligation and primary right of parents regarding the upbringing of their children“ als „proper mission of the spouses.“278 Es steht nicht in der Dispositionsfreiheit der Eltern, sich der Verantwortung für ihre Kinder zu entledigen: „They cannot absolve themselves of this responsability. It extends to all essential aspects of human and Christian nature. Fundamental to this obligation is the conduct of the spouses toward one another. Their example of unselfish love in itself teaches the
274 Gerosa,
Das Recht der Kirche, S. 220. Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 65. 276 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 380. 277 Caparros/Thériault/Thorn (Hrsg.), Code of Canon Law Annotated, S. 198. 278 Ibid., S. 716. 275 Loretan,
236
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
children the meaning of charity.“279 C. 1136 unterstreicht zwei Stufen der Erziehung: Die vorangestellte Verpflichtung der Eltern zur physischen, sozialen, kulturellen und moralischen Sorgetragung nimmt ihren Beginn mit der Empfängnis. Noch ungeachtet eines religiösen Bekenntnisses wird das natürliche Recht des Menschen auf Förderung und Schutz seines begonnenen Lebens normiert: „This care of the children begins at the moment of their conception.“280 Sodann – definitiv mit der Taufe – sind die Eltern zur religiösen Erziehung verpflichtet.
1. Die educatio liberorum als Ehewirkung C. 1135 CIC 1983 normiert die rechtliche Gleichstellung der Ehepartner.281 Die Bestimmung über die Kirchenzugehörigkeit inkludiert die Bestimmung über die religiöse oder weltanschauliche Erziehung, doch besteht keine Identität der Begriffsinhalte. Die Bestimmung zur religiösen oder weltanschau lichen Erziehung kann auch schlüssig erfolgen.282 So bedarf es zur Bestimmung der Kirchenzugehörigkeit eines konstitutiven Aktes, während die religiöse Erziehung durch die blosse Betätigung festgelegt werden kann. „Die „Personengemeinschaft“, die am Beginn der Familie als eheliche Liebe zum Ausdruck kommt, vervollständigt und vervollkommnet sich mit der Erziehung, die auf die Kinder ausgeweitet wird“.283 C. 1101 § 2 normiert, dass die Gültigkeit der Ehe den Einschluss der Wesenseigenschaft „Nachkommenschaft“ voraussetzt. Eine Erziehungsaufgabe im weiteren Sinne ist auch die Katechese zur Ehevorbereitung.284 „Die Beziehung von Mann und Frau beruht auf Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit. Es geht darum, in Eintracht zu leben, einander zu ergänzen und in gemeinsamer Anstrengung die Aufgaben zu erfüllen. Frauen und Männer tragen gemeinsam die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft unserer menschlichen Gesellschaft.“285 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Ehepartnern basieren auf der Eheschließung. Ursprung für das Knüpfen des Ehebandes ist eine persönliche Entscheidung. Der auf die Ehe gerichtete Wille wird im Ehekonsens zum Ausdruck gebracht. Die Rechtsbeziehung zwischen Eltern und Kindern sind 279 Coriden/Green/Heintschel 280 Beal/Coriden/Green
(Hrsg.), The Code of Canon Law, S. 809. (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law,
ad c. 1336. 281 Loretan, Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 217. 282 Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht, S. 130. 283 Johannes Paul II., Brief an die Familien, Nr. 16. 284 Sebott, Katholisches Kirchenrecht, S. 528 (529). 285 Aparecida 2007, S. 248, Nr. 452.
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 237
natürlichen Ursprungs, auch aus dieser Perspektive erklärt sich die Unverfügbarkeit des Ehebandes.286 Im Kontext der Grundlegung des Zweiten Vatikanischen Konzils spricht sehr viel dafür, die Ehewirkungen nicht im Konnex mit dem Ehekonsens und der Ehe in fieri, sondern mit der Ehe in facto esse zu sehen.287 Die von der Pastoralkonstitution Gaudium et spes hervorgehobene „Lebens- und Liebesgemeinschaft“ erfordert eine die Ehe in fieri übersteigende Sichtweise zugunsten der Ehe in facto esse. Diese Sichtweise impliziert auch ein Abgehen vom Ansatz der „Pathologie“288 der Ehe. Nur ein Ansetzen beim Kind als Rechtssubjekt und an seiner daraus resultierenden rechtlichen Disposition schafft das Fundament für eine zeitgemäße Lösung der weltweit äußerst vielfältigen Problemlagen im Themenfeld der Kinderrechte. Religiöse Erziehung ist der Schlüssel zur Entfaltung der ganzen Dimension des Menschseins. Nahrung und Wohnung dienen der Befriedigung irdischer Grundbedürfnisse. Familie, Bildung und Erziehung eröffnen dem Kind den Weg zu einer freien, selbstbestimmten und unabhängigen Persönlichkeit. Das Recht auf religiöse Erziehung impliziert den Anspruch auf Kompetenzerwerb zur reflektierten und verantwortlichen Betätigung autonomer Entscheidungsfreiheit. 226 § 1 normiert: „Qui in statu coniugali vivunt, iuxta propriam vocationem, peculari officio tenentur per matrimonium et familiam ad aedificationem populi Dei allaborandi.“(„Die im Ehestand leben, sind gemäß eigener Berufung in besonderer Weise verpflichtet, durch Ehe und Familie zum Aufbau des Gottesvolkes beizutragen.“). Die gemäß § 1 leg. cit normierte, in der ehelichen Gemeinschaft gründende Verantwortung verweist konkret auf die eheliche Verpflichtung zur lebendigen Zeugenschaft von der Botschaft Christi.289 Aus dem gemäß c. 1055 § 1 normierten Zweck der Ehe folgt die Verpflichtung gemäß c. 1136. Bereits Thomas von Aquin proklamierte das Postulat der „proles suscipienda et educanda ad cultum Dei.“290 Unter angemessener Relevierung der Familie als Inhaberin subjektiver Erziehungspflichten, hatte der von Papst Johannes Paul II. begründete Päpst286 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 53. 287 Ibid., S. 92. 288 Ibid., S. 61. 289 Lüdicke, c. 226 Rz. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 290 Mussinghoff, c. 793 Rz. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici; vgl. S. Th., II–II q. 102, a. 1 c.
238
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
liche Rat für die Familie vorgeschlagen, c. 1136 wie folgt zu erweitern: „Familia Christiana est prima et praecipua schola educationis ad communionem ecclesialem, ad exercitium virtutum et ad sensum cooperationis in socieate fovendum“ („Die christliche Familie ist die erste und wichtigste Schule der Erziehung zur kirchlichen Gemeinschaft, zur Einübung der Befugnisse und im Sinne der Zusammenarbeit zur Förderung der Gesellschaft“). Dieser die Institution und Bedeutung der Familie berücksichtigende Vorschlag wurde nicht aufgegriffen.291 Ungeachtet dessen schreibt hingegen c. 835 § 4 den Eltern auf Grundlage der Elternschaft die Anteilhabe am priesterlichen Dienst zu: „I genitori sono i ‚maestri della fede‘ e, in un certo senso, i ‚sacerdoti‘ propri. Il padre, secondo una espressione cara a S. Agostino, sarebbe come il ‚vescovo‘ della sua casa, col compito di vigilare e provvedere al bene di tutti i suoi membri, e di presiedere alla preghiera di famiglia, che é come la ‚liturgia‘ della chiesa domestica.“ („Die Eltern sind die ‚Lehrer des Glaubens‘ und, in einem gewissen Sinne, wirk liche ‚Priester‘. Nach einer bedeutenden Wendung des heiligen Augustinus sollte der Vater wie der ‚Bischof‘ seines Hauses sein, dies mit der Aufgabe, über das Wohlergehen aller seiner Angehörigen zu wachen und für sie zu sorgen und das Gebet der Familie zu leiten, das wie die ‚Liturgie‘ der Kirche ist.“).292
Die Erziehungspflicht der Eltern gemäß c. 1136 ist persönlich und unveräußerlich.293 Der Zweck der Erziehung ist hingeordnet auf das in die Zukunft weisende Wohl der Gesellschaft: „Sed matrimonium ordinatur ad bonum commune speciei humanae per viam generationis“ („Doch die Ehe ist hingeordnet auf das Gemeinwohl mit Blick auf den Menschen für den Weg von Generationen“).294 Hieraus ergibt sich das bezeichnete Postulat der Erziehung als erste und unveräußerliche Pflicht: „primum est proles suscipienda et educanda ad cultum Dei.“295 Die Frage der Kinder und ihrer Erziehung steht in engem Zusammenhang mit dem Ehekonsens, mit dem Schwur von Liebe, ehelicher Achtung und Treue bis zum Tod. „Seid ihr bereit, in Verantwortung und Liebe die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und zu erziehen …?,“ fragt der Zelebrant während des Trauungsritus. Der Ehekonsens definiert das der Ehe und der Familie gemeinsame Wohl: „Ich nehme dich … als meine Frau – als meinen Mann – und verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, 291 Gallagher, Marriage and the Family in the Revised Code, S. 168, 169, (Übers. d. Verf.). 292 Chiappetta, Il Codice di Diritto Canonico, Rz. 3091, (Übers. d. Verf.). 293 Ibid., Rz. 3807. 294 Opera omnia, iussu impensaque Leonis XIII. P.M …, (Übers. d. Verf.). archive. org/stream/operaomniaiussui12thom#page/n23/mode/1up (Stand 17. 12. 2013). 295 http://www.Dhspriory.org/thomas/DeArticulisFidei.html (Stand 09. 09. 2013).
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 239
in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe.“296 Gott liebt den Menschen um seiner selbst willen. Die Interpretation des gemeinsamen Wohls der Familie lässt Rückschlüsse auf das Kindeswohl zu. Das bonum coniugium und das bonum familiae werden durch den Ehekonsens festgelegt. Das gegenseitige Versprechen der Liebe, der Treue, der Ehrerbietung, der Dauerhaftigkeit der Verbindung bis zum Tod ist hingeordnet auf das bonum prolis. Der enge Zusammenhang zwischen dem Ehekonsens und der Erziehung der Kinder impliziert die „evangelische Wahrheit der Selbsthingabe, ohne die der Mensch nicht „vollkommen zu sich selbst kommen“ kann und die ihn erahnen läßt, wie tief diese „aufrichtige Hingabe“ in der Hingabe Gottes, des Schöpfers und Erlösers, in „der Gnade des Heiligen Geistes“, deren „Ausgießen“ auf die Neuvermählten der Zelebrant während der Trauungsfeier erbittet, verwurzelt ist. Ohne dieses „Ausgießen“ wäre es wirklich schwierig, das alles zu begreifen und als Berufung des Menschen zu erfüllen. Jedoch viele Menschen erfassen es intuitiv! So viele Männer und Frauen tun genau diese Wahrheit, wodurch sie zu der Erkenntnis gelangen, daß sie nur in ihr „der Wahrheit und dem Leben“ (Joh 14,6) begegnen. Ohne diese Wahrheit vermag das Leben der Ehegatten und der Familie keinen vollkommen menschlichen Sinn zu erlangen.“297 In diesem Sinne erwächst aus dem Ehesakrament die Kompetenz zur verantwortlichen Beziehungsfähigkeit, einer „Realität, die wächst, und dann kann man beispielsweise sagen, dass man sie aufbaut wie ein Haus.“ Diese Grundlegung widerspricht einer „Kultur des Provisorischen.“298 Im themenspezifischen Kontext ist es von großer Bedeutung, darauf hinzuweisen, dass die Ehepartner sich das Sakrament der Ehe selbst spenden. Das Decretum Tametsi legte lediglich eine verpflichtende Assistenz eines befugten Klerikers fest. Hinsichtlich der Verbindlichkeit des Ehekonsenses kommt der Kirche somit nur die Aufgabe zu, das wirksame Zustandekommen zu bezeugen. Diese quasi notarielle Beurkundung seitens der Kirche hat vor allem eine Schutzfunktion analog dem alten zivilrechtlichen Ansatz pacta sunt servanda. Dies zielt nicht in Richtung einer pragmatischen Unauflöslichkeit, sondern auf den Schutz des Bestandes gleichwie auf die Sicherung der auch im Falle einer Trennung aufrecht bleibenden Verantwortung gegenüber dem anderen, dem Ehepartner und den Kindern. Die kirchliche Gerichtsbarkeit hat im Gegensatz zur weltlichen vornehmlich die Pflicht, kirchliche Rechtspositionen zu schützen und die Lehre zu 296 Johannes
Paul II., Brief an die Familien, Nr. 11. Nr. 10. 298 Franziskus, L’Osservatore Romano 21. Februar 2014, S. 10. 297 Ibid.,
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verteidigen. Der Zuspruch subjektiver Rechte erfolgt in formal und inhaltlich einzigartiger Weise im Wege der Spendung der Sakramente. Die durch die Ehepartner selbst wechselseitig getätigte Spendung des Ehesakramentes impliziert den irreversiblen Zuspruch Gottes im Hinblick auf die Stiftung einer konkreten Ehe. Die Eheschließung wirkt konstitutiv für das Entstehen der Ehe und die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Die Anerkennung des Ehebandes durch die Kirche hat lediglich deklarativen Charakter. Die gegenständlich bedeutsame Ehewirkung der elterlichen Pflicht und des Rechts zur Erziehung der Kinder ist somit primär Ausdruck des persönlich und frei erklärten Ehewillens und ist nicht in erster Linie seitens der Kirche auferlegt beziehungsweise gewährt. Aus dem zunächst den Ehepartnern aufgetragenen Dienst am Anderen entspringt schließlich der Dienst an den Kindern. Es handelt sich um die Urform jeder kulturellen Diakonie. Nach Augustinus ist die Ehe durch drei zentrale Güter gekennzeichnet. Sakrament, Lebensgemeinschaft und Fortpflanzung: Augustinus betrachtete das Eheversprechen in Analogie zum Taufversprechen als „sacramentum“, als unwiderrufliche Verpflichtung gegenüber Gott.299 Mit der für die geborenen Kinder übernommenen Erziehungspflicht ist auch die Begründung für die Unauflöslichkeit der Ehe verbunden, da die Erfüllung dieses spezifischen Sendungsauftrages im Rahmen der Erziehung der Kinder grundsätzlich das bestehende Eheband voraussetzt. Die Sakramentalität bedeutet sowohl die Unauflöslichkeit des vinculum matrimoniale, als auch die „Weihe des Vertrags zu einem wirksamen Zeichen der Gnade“.300 In diesem Sinne versteht sich die Beziehung der Ehepartner als „alltäglicher Lebenshorizont der Christusbegegnung“301 im Sinne einer „innigen Gemeinschaft des Lebens und der Liebe“.302 Die Ehe ist somit ein „Realsymbol“ der communio ecclesiae.303 Eine spezifische Herausforderung betrifft insbesondere die Ebene der Eheund Familienpastoral sowie die Katechese. In diesem Kontext können Erziehung und Bildung als vorgelagertes, tragendes Instrument bezeichnet werden. Ein reicher Fundus an inhaltlichen Ressourcen kann aus den Erklärungen, Dekreten und Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils gewonnen werden. Wie die communio im Rahmen der Universalkirche, so muss auch die Ehe im Sinne des totius vitae consortium unantastbares Regulativ und 299 Baumann,
Ehe, Sp. 472. Sp. 473. 301 Ibid., Sp. 474. 302 Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, Nr. 48. 303 Johannes Paul, II., Familiaris Consortio, Nr. 13. 300 Ibid.,
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 241
Angelpunkt für alle möglichen Konstellationen familiären Zusammenlebens bleiben. Primär sind die tragenden Prinzipien des foedus matrimoniale und nicht die pathologischen Ausformungen im Sinne einer vorkonziliären Tradition in den Blick zu nehmen, um die unersetzbare Bedeutung der Ehe als Sinn und Heil stiftende Institution zu gewärtigen. Sohin ist an der Unauflöslichkeit des Ehebandes festzuhalten und knüpft sich daran die Verantwortung gegenüber einer den konkreten Menschen in seiner Lebenssituation in den Blick nehmenden, pastoralen Umgangsweise. In diesem Kontext kommt der Erziehung die zentrale Bedeutung zu. Wurde die Wirkung der Ehe ursprünglich in den Kontext der Ausübung elterlicher Gewalt gestellt, lässt sich gegenwärtig und vor dem Hintergrund der dem einzelnen Menschen zugewandten Positionen des Zweiten Vatikanischen Konzils eine völlig neue Interpretation finden. Demnach erklärt sich die strukturelle Einordnung der Erziehung nicht als Ausfluss des Elternrechtes, sondern als Ausfluss der immanenten Verantwortung, die wiederum dem Anspruch des Kindes auf die Entfaltung seiner Person entspricht. Eben diese Verantwortung für die gemeinsamen Kinder steht auch im Zusammenhang mit der Unauflöslichkeit der Ehe.304 Die Interpretation des c. 1056 CIC 1983 ergibt für Zapp die Qualifikation der Nachkommenschaft nicht mehr als „Wesenseigenschaft“, „essentialis aliqua proprietas“, sondern als „Wesenselement“, „essentialie aliquod elementum,“ der Ehe. Weiters konstatiert Zapp, dass die Ehe als Ganzes auf das bonum prolis hingeordnet ist.305 Hieraus ergibt sich, dass die Verantwortung für die Kinder nicht primär aus der realen Lebensgemeinschaft oder der sakramentalen oder zivilrechtlichen Verbindung der Eltern resultiert. Grundlage bildet vielmehr die Elternschaft per se. Die Rechtswirkungen der Ehe für die Kinder folgen aus den cc. 1137 und 1138. Kinder, die aus einer gültigen Ehe oder einer Putativehe hervorgehen, sind gemäß c. 1137 eheliche Kinder. Ein Kind, das mindestens 180 Tage nach der Eheschließung und maximal 300 Tage nach Beendigung der ehe lichen Lebensgemeinschaft geboren wurde, gilt ebenfalls als ehelich. Eine nachfolgende Eheschließung führt gemäß c. 1139 zur Legitimation. Dieselbe Rechtsfolge resultiert aus der Gültigmachung einer Ehe. Infolge einer conva lidatio simplex gelten die Kinder als legitim, nicht als legitimiert.306 „Die sakramentale Ehe ist das Fundament der Familie.“307 Der wirksame Ehekonsens gemäß c. 1055 bedingt das Vorhandensein von vier Elementen, nämlich
304 Mattel,
S. 33.
305 Zapp,
„Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes!“ (Mk 10, 14),
Das kanonische Eherecht, S. 39. S. 214. 307 Mussinghoff, Familienrecht im Codex Iuris Canonici, S. 96 (101). 306 Ibid.,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
des bonum prolis, des bonum coniugium, des bonum fidei sowie des bonum sacramenti.308
2. Religiöse Erziehung in einer konfessions- oder religionsverschiedenen Ehe C. 1124 definiert die Mischehe als Ehe zwischen zwei Getauften, wobei ein Teil katholisch getauft oder in die katholische Kirche aufgenommen und nicht durch formalen Akt von ihr abgefallen ist und der andere Teil einer nichtkatholischen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft angehört. Mit dem CIC 1983 wurden die verbietenden Ehehindernisse abgeschafft. Nach Hugo Schwendenwein und Klaus Lüdicke umfasst der Terminus matrimoniis mixtis nach wie vor sowohl die bekenntnisverschiedenen als auch die religionsverschiedenen Ehen. Ursula Beykirch spricht sich für einen diesbezüglichen „Bedeutungswandel“ aus. Die überwiegende Mehrheit der Kanonisten qualifiziert die Ehe zwischen einem Getauften und einem Ungetauften als nichtsakramental. In seinem Motu Proprio Matrimonia mixta von 1970 begründet Paul VI. dies mit der fehlenden Gemeinsamkeit der geistlichen Güter, dem spiritualium bonorum communio. Unter den matrimoniis mixtis seien demnach nur die konfessionsverschiedenen Ehen zu verstehen.309 Eine solche Eheschließung ist gemäß c. 1125 nur im Wege einer Erlaubnis des Ortsordinarius und nur dann zulässig, wenn der katholische Partner sich bereit erklärt, nach Kräften alles zu tun, dass die Kinder katholisch getauft und erzogen werden. Bei der gegenständlichen Dispens handelt es sich faktisch um eine Erlaubnis, da sie bei Vorliegen der Voraussetzungen zu gewähren ist. Demgegenüber ist die Zulässigkeit einer religionsverschiedenen Ehe, die sich in ihren Wirkungen nicht von einer konfessionsverschiedenen Ehe unterscheidet, an eine echte Dispens gebunden. Im europäischen Kulturkreis von besonderer Relevanz sind die Ehen zwischen Katholiken und Muslimen, „die eine in vielem andere Auffassung von Ehe und Familie haben.“310 Als Wirkung der Ehe definiert sich die Erziehungspflicht beziehungsweise das Erziehungsrecht in allen Fällen nach c. 1136.311 Das Zweite Vatikanum behandelt das Thema der konfessionsverschiedenen Mischehen, zu einer Beschlussfassung kam es allerdings nicht. Ungeachtet 308 Morissey, 309 Beykirch,
S. 47.
310 Gerosa, 311 Sebott,
L’Évolution du texte des Canons 1055 et 1095, S. 17 (22). Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe,
Das Recht der Kirche, S. 297. Katholisches Kirchenrecht, S. 532.
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 243
dessen fanden die Ergebnisse der Beratungen Eingang in das Motu proprio Matrimonia mixta Papst Paul VI. von 1970. Das Versprechen der katholischen Taufe und Erziehung beziehungsweise die Kautelenleistung im Allgemeinen und die katholische Formpflicht bildeten den Knackpunkt bei den matrimonii mixtae. Die katholische Kindererziehung gestaltete sich somit zum „Angelpunkt der gesamten Mischehenfrage.“312 Die evangelische Kirche kritisierte, dass die Kautelen dem Elternrecht auf religiöse Erziehung widersprächen und die Option einer Dispens von Rom voraussetzt, dass sich der evangelische Teil Rom unterwerfen müsse. Auf der Seite der Katholiken würde die Wahl des Bekenntnisses für die Kinder „iure divino“ begründet und stünde den Eltern nicht frei. Diesen Differenzen suchte das Motuproprio Matrimonia mixta zu begegnen.313 Damit wurden den Bischofskonferenzen themenspezifische Dispensvollmachten übertragen. In der Folge knüpften die Ausführungsbestimmungen der deutschen Bischofskonferenz die Dispens nicht mehr an das von beiden Ehepartnern zu leistende Versprechen katholischer Kindererziehung, sondern nur noch an das Bemühen des katholischen Teils und die Kenntnis des nichtkatholischen Teils über die Verpflichtung des katholischen Teils. Im CIC 1983 fanden die Grundlegungen von Matrimonia mixtra entsprechende Berücksichtigung.314 Ehen zwischen konfessionsverschiedenen Partnern stellen im neuen Kodex kein verbietendes Ehehindernis mehr dar. Als Rahmenbestimmungen sind die cc. 1124 bis 1128 durch die Bischofskonferenzen zu konkretisieren.315 Der Oberhirte kann bei Vorliegen eines gerechten und vernünftigen Grundes gemäß c. 1125 n. 1 die Erlaubnis zur Eheschließung geben, wenn „pars catholica declaret se partam esse pericula a fide deficiendi removere atque sinceram promissionem praestat se omnia pro viribus facturam esse, ut universa proles in Ecclesia catholica baptizetur et educetur.“ Die Dispens ist dennoch daran gebunden, dass „der katholische Partner erklärt, er sei bereit, Gefahren des Abfalls vom Glauben zu beseitigen, und das aufrichtige Versprechen abgibt, dass er nach Kräften alles tun werde, damit die ganze Nachkommenschaft in der katholischen Kirche getauft und erzogen wird.“ N. 3 leg. cit. verweist darauf, dass beide Partner über die Ziele und wesentlichen Eigenschaften der Ehe unterrichet werden müssen. Die Erteilung der Erlaubnis steht unter der Bedingung des voraus312 Geringer, Die Konfessionsbestimmung bei Kindern aus gemischten Ehen, S. 533 (542 ff.). 313 Krätzl, Nachkonziliare rechtliche Entwicklung konfessionsverschiededener Ehen in Österreich, S. 41 (48). 314 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 233. 315 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 43.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
gehenden Brautexamens.316 Zapp interpretiert die gemäß c. 1125 CIC 1983 vom katholischen Partner verlangten Bedingungen für das Eingehen einer Mischehe „pro viribus“ („alles in seinen Kräften Stehende zur tun“) um die katholische Taufe und Erziehung der Kinder zu gewährleisten, als das „im Rahmen des ihm in seiner konkreten Partnerbeziehung Mögliche.“317 An die Stelle des Ehehindernisses der Konfessionsverschiedenheit, von dem dispensiert werden kann, trat im CIC 1983 die Möglichkeit der Erlaubnis durch den Seelsorger. Demgegenüber blieb der Wortlaut des vom katholischen Teil zu leistenden Versprechens im Hinblick auf die katholische Taufe und Erziehung der Kinder gleich.318 Das dem katholischen Partner abverlangte Versprechen der katholischen Taufe und Erziehung ist nach dem CIC 1983 nicht mehr als rechtliches, sondern bloß als sittliches Gebot zu qualifizieren.319 Damit bezieht es sich auf den inneren Bereich, nämlich jenen, in dem es der Kirche aufgetragen ist, das in Freiheit abgelegte Bekennntis und seine Ausübung zu schützen. Mit dem Dekret Matrimonia mixta von 1970 wurden die themenspezifischen konziliaren Grundlegungen in einen juristischen Mantel gegossen.320 Mit der Qualifikation als Norm göttlichen Rechts verbot der CIC 1917 die Schließung einer Mischehe in seinem c. 1060. C. 1055 § 1 CIC 1983 beschreibt die Ehe als ein totius vitae consortium. Der CIC 1983 enthält im Hinblick auf die konfessionsverschiedene Ehe kein Verbot und keine Verwarnung mehr. Der Kodifikation gingen die Dokumente Matrimonii sacramen tum der Glaubenskongregation vom 18. 03. 1966 und Matrimonia mixta von Paul VI. vom 31. 03. 1970 voraus. Die Instruktion der Glaubenskongregation Matrimonii sacramentum enthielt noch die Einladung an den nichtkatholischen Teil, sich „ernst und offen“ gegen eine Behinderung der katholischen Erziehung zu erklären. Diese Instruktion implizierte freilich eine Beurteilung der Gewissens- und Glaubensentscheidung des nichtkatholischen Teils, was der allgemeinen Freiheit des Glaubens widerspricht.321 Der Inhalt des Motu Proprio Matrimonia mixta von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1970 wurde in den CIC 1983 implementiert. Paul VI. trug damit der ständigen Zunahme religionsverschiedener Ehen Rechnung.322 316 Krätzl, Nachkonziliare rechtliche Entwicklung konfessionsverschiedener Ehen in Österreich, S. 52. 317 Zapp, Das kanonische Eherecht, S. 201. 318 Krätzl, Nachkonziliare rechtliche Entwicklung konfessionsverschiededener Ehen in Österreich, S. 56. 319 Krämer, Religionsfreiheit in der Kirche, S. 26. 320 Neuner, Die Lebenssituation konfessionverschiedener Ehen, S. 9 (16). 321 Lüdicke, c. 1125 Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
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Das Herausstreichen der Freiheit des Gewissens in der Erklärung Dignita tis humanae aus dem Jahr 1965 veranlasste die Glaubenskongregation noch während des Konzils, von der Verpflichtung zum Versprechen der katholischen Taufe und Erziehung abzusehen und seitens des nichtkatholischen Teils auf ein blosses Absehen von einer Verhinderung abzustellen. Insofern der Freiheit des nichtkatholischen Teiles hierdurch allerdings noch zu wenig Rechnung getragen worden war, erfolgte 1970 eine Neuregelung der Mischehenfrage und nahm diese Einfluss auf die themenspezifischen Regelungen im CIC 1983. So regelt c. 1125 CIC 1983 Matrimonia mixta folgend die Erklärung des katholischen Teils zur Hintanhaltung einer persönlichen Glaubensgefährdung und das Versprechen um eine katholische Taufe und Erziehung der Kinder unter Berücksichtigung des Gewissens des nichtkatholischen Ehepartners.323 Bis zum CIC 1917 waren konfessionsverschiedene, formlos geschlossene Mischehen anerkannt. Erst der CIC 1917 brachte die Regelung, dass eine konfessionverschiedene Ehe nur gültig geschlossen wird, wenn es zu einer katholischen Eheschließung kommt, die wiederum das Versprechen der katholischen Kindererziehung und das Bemühen um die Konversion des nichtkatholischen Ehepartners voraussetzte. Erst mit dem Zweiten Vatikanum wurde eine „Identifizierung im Sinn der Exklusivität“ aufgegeben. So heißt es nicht mehr, „die Kirche Jesu Christi ist die römisch-katholische Kirche“, sondern sie ist in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht.324 Mit dem daran anknüpfenden Dekret Matrimonia mixta von 1970 wurde infolge der ersten Annäherungen durch das Zweite Vatikanische Konzil eine entscheidende juristische Stufe umgesetzt.325 Die formalen Erfordernisse außer Acht lassend, können zwischen katholischem und evangelischem Verständnis der Ehe im Sinne einer Institution nicht menschlichen Ursprungs weitreichende Parallelen festgemacht werden.326 Nach evangelischem Verständnis entspricht die Ehe einer „Ordnung der Natur“. Ihr Wesen hängt nicht von der formalen Eheschließung ab.327 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass es der evangelischen Kirche für das Verständnis der Institution der Ehe nicht auf ihren formalen Bestand an-
322 Freitag,
Ehe zwischen Katholiken und Muslimen, S. 13. Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 70, 77. 324 Neuner, Die Lebenssituation konfessionverschiedener Ehen, S. 15. 325 Ibid., S. 16. 326 Koch, Das evangelische Eheverständnis nach Luther und in der Gegenwart, S. 49 (51). 327 Ibid., S. 52. 323 Geringer,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
kommt und daher auch die zunächst nur im weltlichen Recht existierende Regelung der juristischen Formerfordernisse kein Problem darstellte.328 Erst c. 1099 § 1 n. 2 CIC 1917 machte die Einhaltung der kanonischen Eheschließungssform zur Gültigkeitsvoraussetzung einer konfessionsverschiedenen Ehe. Ein kanonischer Formmangel begründete zuvor die Unerlaubtheit der Eheschließung. Die Gültigkeit wurde hiervon nicht berührt. Matrimonia mixta folgend, setzt c. 1127 CIC 1983 auch bei konfessionsverschiedenen Ehen die Einhaltung der kanonischen Formvorschriften für die Gültigkeit einer Ehe voraus, zumal der katholische Teil gemäß c. 1117 diesbezüglich gebunden ist. Die Bischofskonferenzen haben in der Folge divergierende Ausführungsbestimmungen getroffen.329 Nach dem Partikularrecht der Österreichischen Bischofskonferenz ist die Verpflichtung des persönlichen Gewissens der zentrale Anknüpfungspunkt. Kein Ehepartner darf zu einem Handeln gegen sein Gewissen verpflichtet werden. Die Verpflichtung beschränkt sich darauf, „das in der konkreten Situation nach bestem Wissen und Gewissen Mögliche“ zu tun. Gefordert ist das „ernste Bemühen“. Trotzdem darf sich kein Ehepartner, der einer Taufe und Erziehung in der anderen Konfession zugestimmt hat, selbst von der Erziehung ausschließen. Das Versprechen beinhaltet, dass der katholische Partner die christliche Gestaltung des Ehe- und Familienlebens aktiv mitträgt. Es geht um die Förderung der Kinder. Hierzu muss der katholische Partner um die eigene Fortbildung im Hinblick auf die „gesamtreligiöse Erziehung“ bemüht sein, die ihn zu einem „fruchtbaren Glaubensgespräch“ mit dem Partner und zur Beantwortung der „Fragen der Kinder“ befähigt.330 Entgegen dieser partikularrechtlichen Regelung könnte eine akatholische Erziehung nach Bruno Primetshofer eine normbefreiende Wirkung hinsichtlich der Verpflichtung des Getauften gegenüber dem kanonischen Recht zur Folge haben.331 C. 2319 § 1 n. 1 CIC 1917 bestrafte den eine konfessionsverschiedene Ehe ohne Dispens eingehenden Katholiken mit der Exkommunikation. Dieselbe Strafdrohung galt gemäß n. 2 für die Vereinbarung der akatholischen Kindererziehung, für die vorsätzliche akatholische Taufe gemäß n. 3 und für die wissentlich akatholische Kindererziehung gemäß n. 4. Zudem normierte § 2 leg. cit. explizit den kirchenrechtlichen Straftatbestand der Häresie nach c. 235 CIC 1917. Matrimonia mixta hob diese Normen rückwirkend auf. C. 1366 CIC 1983 beschränkt eine nicht mehr die Exkommunikation vorse328 Ibid.,
S. 53, 54. Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 72. 330 Österreichische Bischofskonferenz, Ausführungsbestimmungen für konfessionsverschiedene Eheschließungen nach dem neuen kirchlichen Gesetzbuch (cc. 1124– 1128), 25. Jänner 1984, ABl. Nr. 1. 331 Primetshofer, Der Kreis der Normadressaten des kanonischen Rechts, S. 377. 329 Geringer,
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hende Strafdrohung auf jene Fälle des tradere, in denen die Kinder vorsätzlich einer nichtkatholischen Taufe oder Erziehung überlassen werden. Vorhandenes Bemühen des katholischen Teils um die katholische Taufe und Erziehung schließt die Verhängung einer Strafe demnach bereits aus.332 C. 1366 CIC 1983 erinnert an c. 2319 § 1, n. 3 und 4 CIC 1917 und erscheint im Hinblick auf Matrimonia mixta als merkwürdiger „Formelkompromiß“.333 Der CIC 1983 spricht nicht mehr wie der CIC 1917 von der „sakramentalen Würde“ zum „Ehevertrag“, sondern vom Ehebund, dem foedus matrimo niale, und von der Lebensgemeinschaft, dem totius vitae consortium. Die Konfessionverschiedenheit ist im CIC 1983 kein Ehehindernis mehr.334 In vielen deutschen Diözesen wird neben der Konfessionsverschiedenheit extra von der Religionsverschiedenheit ad cautelam dispensiert. Dies beinhaltet einen stillen Zweifel etwa hinsichtlich der Gültigkeit der evangelischen Taufe, was konfessionsverschiedenen Paaren auch gegenwärtig mitunter noch Unbehagen bereitet.335 C. 111 § 1 CIC 1983 normiert die Maßgeblichkeit des elterlichen Bekenntnisses für die Aufnahme eines Kindes in die lateinische Kirche durch die Taufe. Für den Fall der fehlenden Zugehörigkeit beider Elternteile kommt es auf den gemeinsamen Willen an, subsidiär wird das Kind der Rituskirche des Vaters zugeschrieben. Mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres ist das Kind gemäß § 2 leg. cit. dazu berechtigt, selbst die Rituskirche zu wählen, in die es mit der Taufe aufgenommen wird. Sollte der dem lateinischen Ritus angehörende, katholische Teil in einer Mischehe zu einer anderen Rituskirche übertreten, werden nach c. 112 § 1 n. 3 auch die Kinder in diesen Ritus aufgenommen. Mit der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres steht ihnen die Rückkehr zum lateinischen Ritus offen. Als „gravissima obligatio et ius“ ist die Erziehung auch ein den Eltern zukommendes „aequum ius“, das „in solidum“, in einer „freien Willenseinigung über Art, Mittel, Methoden und Ziele der Erziehung“ ausgeübt werden soll. Als Bestandteil des Eheversprechens wirkt sich der Ausschluss der religiösen Erziehung auf die Gültigkeit der Eheschließung aus. Dies ist ins besondere im Kontext der Erlangung einer Dispens bei einer religions- oder konfessionsverschiedenen Eheschließung bedeutsam: „die Erziehung muss eine rechtliche Wertung erfahren, die die personale Würde des Kindes, seine
332 Geringer, 333 Grote,
Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 75. Evangelische Rückfragen und Erwägungen zum kirchlichen Eherecht,
S. 83 (90). 334 Ibid., S. 83. 335 Ibid., S. 85.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
geistige, kulturelle und religiös-sittliche Entwicklung angemessen berück sichtigt.“336
3. Zu den Auswirkungen von Ehenichtigkeitserklärung und Trennung Mit dem Motu proprio Mitis Iudex Dominus Iesus337 verfügte Papst Franziskus am 15. August 2015 eine Neuregelung des Eheprozesses im dritten Teil des siebenten Buches des CIC 1983. Diese wurde am 8. September 2015 promulgiert und trat am 8. Dezember 2015 in Kraft. Anstoß bildete das anlässlich der 3. Außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode hervorgekommene Anliegen einer Vereinfachung des Verfahrens. Hierzu sollte der Kontakt zwischen den Gläubigen und dem Bischof erleichtert und das Verfahren selbst simplifiziert werden. Das neue Verfahren sieht gemäß c. 1683 CIC 1983 in eindeutigen Fällen die direkte Anrufung des Diözesanbischofs im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens vor. Es ist zu erwarten, dass sich durch die unmittelbare Einbindung des Bischofs bedeutende Konsequenzen für die Ehepastoral ergeben. Gemäß Art. 1 der beigeschlossenen Verfahrensordnung soll der Bischof den getrennten oder durch eine Scheidung auseinandergegangenen Christgläubigen, die wegen ihrer Lebenslage möglicherweise von der religiösen Praxis abgekommen sind, mit apostolischer Gesinnung nachgehen. Gemäß c. 529 § 1 teilt der Bischof diese Sorge mit den Pfarrern. Damit wird der menschennahen Hirtensorge im Rahmen der Rechtspflege Rechnung getragen. Art. 14 § 1 der Verfahrensordnung nennt unter den Ehenichtigkeitsgründen, die ein vereinfachtes Verfahren ohne Richterkollegium gemäß c. 1673 § 3 und mit rascher Entscheidungsfindung vor dem Diözesanbischof rechtfertigen etwa den Mangel an Glauben oder das Verschweigen von Kindern aus vorhergehenden Beziehungen. Der neue c. 1691 § 1 normiert, dass die Parteien im Urteil auf ihre moralischen oder zivilrechtlichen Pflichten im Hinbick auf die Erziehung hinzuweisen sind. Der Canon spricht von einer monitio: „In sententia partes moneantur de obligationibus moralibus vel etiam civilibus, quibus forte teneantur, altera erga alteram et erga prolem, ad sustentationem et educationem praestandam“ („Im Urteil sollen die Parteien auf etwa bestehende moralische oder
336 Mussinghoff,
Ausschluss der Erziehung als Ehenichtigkeitsgrund, S. 63 (79). Apostolica „Mitis Iudex Dominus Iesus“ data Motu Proprio dal Santo Padre Francesco sulla riforma del processo canonico per le cause di dichiarazione di nullità del matrimonio nel Codice di Diritto Canonico, 08. 09. 2015. 337 Lettera
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auch zivilrechtliche Verpflichtungen zu Unterhalt und Erziehung hingewiesen werden, die sie gegenseitig und gegenüber den Kindern haben“).338 Dem neuen Verfahren liegt die Intention zugrunde, dass die Feststellung über den Bestand des Ehebandes erleichert werden soll, dies unbeschadet der Unauflöslichkeit des gültigen Bandes. Die Trennung der Ehegatten, die Annullierung der Ehe wegen Ungültigkeit sowie die zivile Ehescheidung entfalten keine bereits im Prinzipiellen begründete Relevanz für die religiöse Erziehung, respektive die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Dies gründet darin, dass das Recht und die Pflicht zur Erziehung im Taufsakrament und in der Elternschaft begründet sind. Die wichtigste Norm in diesem Kontext ist c. 1154: „Instituta separatione coniugi, opportune semper cavendum est debitae filiorum sustentationi et educationi.“ („Sind die Gatten getrennt, ist immer angemessen für die geschuldete Versorgung und Erziehung der Kinder zu sorgen.“)339 Mit der Bezugnahme auf die coniuges nimmt der Canon die getrennten Ehepartner in die Pflicht, indem er die fortbestehende Verpflichtung zur religiösen Erziehung festschreibt. C. 226 § 2 normiert die in der Elternschaft wurzelnde Erziehungspflicht. Nach einer Trennung der Ehepartner kommt c. 1154 zum Tragen, der die Pflicht zur fortdauernden Sorgetragung für den Unterhalt und die im gegenständlichen Kontext themenspezifisch besonders relevante Erziehung der Kinder normiert. Demnach haben weder die kanonische Nichtigkerklärung der Ehe noch die zivilrechtliche Ehescheidung eine unmittelbare Auswirkung auf die Pflicht zur religiösen Erziehung. Schließlich bleibt der Anspruch des Kindes hiervon unberührt, woraus sich die Betonung des Gesetzgebers im Hinblick auf den Fortbestand der Erziehungsverpflichtung ergibt. Eine sehr bedeutsame Ausnahme ergibt sich allein aus der Perspektive des Kindewohls gemäß c. 1153 § 1. C. 1132 CIC 1917 hatte die Erziehung der Kinder im Falle der Trennung der Eltern grundsätzlich dem unschuldigen Elternteil übertragen. Betreffend Mischehen wurde das Erziehungsrecht unbeachtlich der Schuld – pro favo rem fidei – dem katholischen Elternteil zugesprochen. Diese historisch gewachsene Regelung wurde im CIC 1983 fallen gelassen. C. 1153 § 1 gestattet es dem in seinem seelischen oder leiblichen Wohl durch seinen Ehepartner gefährdeten oder auf andere Weise in eine das Gemeinschaftsleben unerträg338 Http://www.mail.a1.net/webmail/mail_download/papa-francesco-motu-proprio _20150815_mitis-iudex-dominusiesus.pdf?x=y&id=5239&fldr=INBOX&partid=2& encoding=base64&mediatype=application %2Fpdf&download=&filename=papafrancesco-motu-proprio_20150815_mitis-iudex-dominus-iesus.pdf. 339 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
lich machenden Weise versetzten Gatten, sich mit der Erlaubnis des Orts ordinarius zu trennen. Dasselbe gilt, wenn ein Ehepartner eine Gefährdung des seelischen oder leiblichen Wohles der Kinder herbeiführt oder das gemeinsame Leben sonst unerträglich macht. Bei Gefahr im Verzug spricht der Canon auch das Recht einer eigenmächtigen Trennung ohne die Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität zu. Die Regelung bringt die kanonische Anerkennung der einem glaubensmäßigen Bekenntnis vorgelagerten Persönlichkeit des Menschen inklusive seiner themenspezifischen Prädestination zum Ausdruck.340 In diesem Kontext ist die Kirche gehalten, die Entscheidungen ziviler Gerichte zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur Rechtslage in Frankreich, Italien, Portugal und Spanien kennt die österreichische Rechtsordnung allerdings keine Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft etwa im Vorfeld einer zivilen Ehescheidung.341 Gravissimum educationis folgend ist die Gemeinschaft im Glauben und in den Sakramenten qua conditio communionis notwendigerweise an den Empfang des Wortes Gottes und der Sakramente gemäß c. 213 gebunden. Die Brücke dazu kann nur durch eine christliche Erziehung geschlagen werden. Im Sinne eines Grundrechts aller Gläubigen normiert dies c. 217.342 Dieser Grundlegung folgend hat die Trennung der Ehepartner grundsätzlich keinen Einfluss auf die gegenüber den gemeinsamen Kindern bestehenden Erziehungspflichten. In der Zusammenschau der Grundlegungen wird evident, dass zwar das Recht auf Erziehung an der Person anknüpft, dass jedoch die Verwirklichung christlicher Gemeinschaft nicht ohne den kollektiven Kontext erfolgen kann, woraus sich eine vom Postulat gemeinsamer Sorgetragung getragene Komplementarität der Erziehungsverantwortung ergibt, wie sie im themenspezifischen Kontext der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Kon zils sowie im CIC von 1983 deutlich zum Ausdruck kommt. Im Sinne der Intention ihres Stifters findet die Kirche in der Welt nicht ihre Vollendung, doch soll sie sich in ihr verwirklichen. Nach diesem heilsökonomischen Verständnis343 der Kirche ist die Gewährleistung der Rechte des Kindes durch das Kirchenrecht von konstitutiver Bedeutung. Aus diesem Grund müssen der Inhalt und die Wirkung der Sakramente menschlicher Verfügung entzogen bleiben. Diese Grundlegung bildet ein unveränderliches Fundament für die seitens der Eltern, der Hirten und aller Gläubigen solidarisch zu tragende
340 Althaus/Prader/Reinhardt (Hrsg.), Das kirchliche Eherecht in der seelsorg lichen Praxis, S. 183. 341 Ibid., S. 184. 342 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II, Nr. 2. 343 Krämer, Theologische Grundlegung des kirchlichen Rechts, S. 149.
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 251
Erziehungsverantwortung, in deren Kontext es gilt, tragfähige pastorale Konzepte zu entwickeln. C. 2356 CIC 1917 belegte die zivile Wiederheirat eines Geschiedenen mit der infamia iuris, der rechtlichen Ehrlosigkeit, als Tatstrafe und legte im c. 765 CIC 1917 den Ausschluß vom Taufpatenamt fest. Der CIC 1983 qualifiziert die Wiederheirat als Irregularität. Diese Normierung findet sich unter den Voraussetzungen für den Empfang des Weihesakramentes gemäß c. 1041 n. 3. Eine Erwähnung der Wiederheirat an einer anderen Stelle des Kodex unterbleibt. Die Situation der Paten ist daher nach c. 874 § 1 n. 3 zu beurteilen.344 Nach Johannes Paul II. sind nach dem zivilen Recht Geschiedene nicht als von der Kirche getrennt zu behandeln. Vielmehr sind sie aufgrund der Taufe zur Teilnahme am Leben der Kirche berechtigt und dazu verpflichtet.345 Verschiedene Entwürfe zur Regelung der Erziehung nach der Trennung der Ehepartner oder nach der Nichtigerklärung der Ehe berücksichtigten die überkommenen Ansätze aus dem Römischen Recht und aus den durch den Liber Extra hinzugekommenen Aspekten. Zudem wurde die Einbeziehung zivilrechtlicher Entscheidungen im Obsorgeverfahren vorgeschlagen.346 Entscheidende Implikationen brachte schließlich ein Entwurf des Weltepiskopates im Jahr 1913, als dieser das besondere Augenmerk auf den Schutz und die Garantie der christlichen Kindererziehung legte.347 Der Entwurf impliziert die Anerkennung zivilrechtlicher Entscheidungen, diese werden aber nicht zur Beurteilung herangezogen. Bedauerlicherweise fanden diese Entwürfe im promulgierten Text des c. 1132 CIC 1917 kaum Beachtung. Auf der Grundlage der Prinzipien des Zweiten Vatikanischen Konzils, respektive der Deklarationen Gravissimum educationis und Dignitatis humanae, regelt der CIC 1983 die bereits in der Elternschaft wurzelnde und den Ehewirkungen vorgelagterte Erziehungsverantwortung in Unabhängigkeit des Bestehens einer Ehe. Der CIC 1917 traf hinsichtlich der Lösung der prinzipiellen Erziehungspflicht aus dem Eherecht noch keine Festlegung.348
344 Ahlers,
Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, S. 36. Paul, II., Familiaris Consortio, Nr. 84. 346 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1181–1183. 347 Ibid., S. 1184, Schema, De rebus, c. 411: „Instituta separatione, filii educandi sunt penes coniugem innocentem, et si alter coniugum sit acatholicus, penes coniugum catholicum, nisi in untroque casu Ordinarius ecclesiasticus pro ipsorum filiorum bono, salva semper eorumdem catholica educatione, aliud decreverit.“ (ASV, CCDC, scat. 87, e APUG, 2033). 348 Ibid., S. 1185. 345 Johannes
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Von einer Auseinandersetzung mit der Schuldfrage wird im c. 1154 CIC 1983 Abstand genommen, zumal eine Erhebung dieser der größeren Kompetenz des Staates zugesprochen wird. Die kirchlicherseits normierten Regeln zur Erziehung im Falle der Trennung der Ehepartner gelten vor dem Hintergrund des Gehalts staatlicher Rechtsprechung.349 Die grundsätzlichen, die Erziehungspflicht auslösenden Festlegungen des CIC 1983 lassen die mit einer katholischen Eheschließung übernommenen Verpflichtungen zunächst unberührt. Vielmehr verweist die normative Gestaltung der Erziehung auf das sich in der Konsequenz ergebende Erfordernis, eine rechtliche Definition des Terminus der Familie und die der Erhebung zum Rechtsinstitut voranzustellende normative Struktur für die Familie per se zu konzipieren. Die Schaffung dieser Rechtsgrundlage impliziert das Potential, ein stringentes Instrumentarium zu Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen der Erziehungspastoral zu vermitteln. Mit der Anerkennung der Erziehungspflicht im Rahmen der Elternschaft hat die Kirche einen Weg eingeschlagen, dessen Spur bereits auf die Implementation eines außerhalb der sakramentalen Ebene situierten Familienrechts verweist. Mehr noch, die Einbettung in ein kanonisches Familienrecht würde der gegenwärtig via Inhalt und systematischer Einordnung innerhalb des kanonischen Rechts exotisch anmutenden Regelung der Erziehungspflicht außerhalb der Ehe erst ihre Isolation nehmen. Mit der systematisch fragmenthaften Regelung der Erziehung außerhalb der Ehe unter gleichzeitiger Hervorhebung ihres großen Bedeutungsgehalts hat der kanonische Gesetzgeber bereits das immanente Erfordernis der Konzeption eines Familienrechts signalisiert. Bemerkenswert ist, dass die nachkonziliare Kirche bereits implizit das Kind zum Ausgangspunkt nimmt.350 In diametralem Verhältnis dazu steht der weltliche Gesetzgeber etwa bei der Gestaltung des Adoptionsrechtes und jeder anderen themenspezifischen Materie, die dem Recht des Kindes aus materieller Sicht einen subsidiären Rang einräumen. In prinzipieller Hinsicht hat sich die Anerkennung der Rechtsposition des Kindes im internationalen und staatlichen Recht mittlerweile freilich durchgesetzt. Im Bereich der strafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruches wurde demgegenüber eine diametral entgegengesetzte rechtliche Festlegung getroffen.. Diese Differenz zwischen kirchlichem und weltlichem Recht resultiert aus der weitgehenden Ausklammerung eines materiellen Gesetzesverständnisses im außerreligiösen Kontext. Hieraus ergibt sich insbesonders der mangelhafte Rechtsschutz gegenüber dem Kindeswohl vorgelagerten Rechtsgütern. Aus demokratischen Prozessen, denen keine unverfügbaren Wertmassstäbe zugrunde 349 Ibid., 350 Ibid.,
S. 1186. S. 1186, 1187.
VI. Zum themenspezifischen Verhältnis von Elternschaft und Ehesakrament 253
gelegt werden, folgt die Orientierung an einem allein der Mehrheit und nicht der Wahrheit verpflichteten Gesamtkontext und wird verkannt, dass sich eine Legitimation aus der Achtung vor der Würde der einzelnen Person ergibt. Etwa am Beispiel des Adoptionsrechtes betrachtet bedeutet dies, dass das Recht des Kindes auf eine Familie, der Eltern angehören, einer menschlichen Verfügung entzogen ist. Die nicht zu überschätzende Bedeutung dessen wird gerade im Kontext der auf die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit und die verantwortliche und selbstbestimmte Betätigung der eigenen Freiheit hingeordneten Erziehung offensichtlich. C. 1154 CIC 1983 enthält keine konkrete inhaltliche Vorgabe hinsichtlich einer katholischen Erziehung. Mit Falchi ist davon auszugehen, dass die Eltern eines getauften und bereits an einer katholischen Orientierung und Formung partizipierenden Kindes gehalten sind, diese fortzusetzen.351 Die allgemeinen Ausführungen des c. 1689 beinhalten „pastorale Begleitmaßnahmen“ und nehmen zudem auf das staatliche Recht Bezug, indem sie zur Sicherstellung der Erziehung nicht nur an die „moralischen“, sondern auch an die „bürgerlichen Pflichten“ erinnern.352 C. 1071 § 1 n. 3 normiert, dass eine zivile Wiederverheiratung die Erziehungspflicht unberührt lässt.353 Ein in der Konfessionsverschiedenheit begründeter Konsensmangel in der Frage der Erziehung verwirklicht keinen Nichtigkeitsgrund. Während der CIC 1917 noch die Leistung der Kautelen als Voraussetzung einer Dispens vom Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit vorsah, stellt der CIC 1983 das Ehehindernis des disparitas cultus unter einen Erlaubnisvorbehalt. Während sich in der Dispenspraxis der Kirche allgemein eine Tendenz zu präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt abzeichnet, normierte der kirchliche Gesetzgeber dies im konkreten Fall des Ehehindernisses der Konfessionsverschiedenheit explizit. Die mangelnde Erlaubnis berührt nicht die Gültigkeit der Eheschließung.354 Seit dem Zeiten Vatikanum wird die ordina tio der Ehe im Bezug auf die Zeugung und Erziehung von Kindern „ad integritatem“ und nicht mehr ad substantiam verstanden. Demzufolge kann das bonum spirituale prolis, respektive die educatio religiosa im Kontext des Ehekonsenses nach Mussinghoff nicht die Gültigkeit der Ehe, sondern allenfalls ihre Erlaubtheit tangieren.355 Dieser Punkt ist insbesondere in Anbe351 Falchi, Educazione religiosa della prole e separazione dei coniugi. Dallo jus decretalium al codice del 1983, S. 1190. 352 Lüdicke, c. 1689 Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 353 Reinhardt, c. 226 Rz. 3, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 354 Mussinghoff, Ausschluss der Erziehung als Ehenichtigkeitsgrund, S. 75, 76. 355 Ibid., S. 69.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
tracht der aktuellen Herausforderungen im pastoralen und sakramentalen Kontext der Familie von Bedeutung und erscheint respektive aus der Per spektive der Anspruchslage des Kindes angemessen. Sohin ist die Ehezwecklehre im Kontext des CIC 1917, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, in dem Sinne zu revidieren, als gegenüber dem bonum prolis eine personalistische Sicht eingenommen wird, die sich auf die Ehepartner und die Kinder bezieht. Hieraus ergibt sich sohin vielmehr eine Verstärkung auf der Ebene des der Erziehung impliziten Verpflichtungsmomentes, weshalb eine unmittelbare Relevanz betreffend die educatio liberorum als Gegenstand des Ehekonsenses jedenfalls abzulehnen ist. In Anbetracht des Gesamtkontextes des Ehesakramentes lässt sich der vorkonziliären Einordnung der mangelnden Intention einer katholischen Erziehung auf der für die Gültigkeit des Ehebandes relevanten, konsensualen Ebene Wesentliches abgewinnen. Demgegenüber muss die nachkonziliare Begründung diametral entgegengesetzt gefunden werden, zumal der Absolutsheitsanspruch der Kirche spätestens mit Dignitatis humanae verdrängt wurde. Dieser Paradigmenwechsel im Kontext der Implementierung der individuellen Religionsfreiheit gemäß c. 748 § 2 CIC 1983 wirkt sich unmittelbar auf die juristische Beurteilung der Intention im Hinblick auf eine reli giöse Erziehung aus. Insofern kann die Einordnung der Ungültigkeit des Ehekonsenses mangels Absicht zur katholischen Erziehung als Ausdruck der Achtung der Glaubensfreiheit verstanden werden. Diese zeitgemäße Interpretation ginge nicht von einer abstrakten, normativen Vorgabe, sondern vom konkreten Menschen aus und würde auch dem Grundsatz pro favorem fidei, der ja auch im Kontext der Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu relevieren ist, nicht zuwiderlaufen. Damit verbindet sich das Postulat der gemeinsamen Verantwortung der Kirche, der Eltern, der Hirten und aller Gläubigen für die Ehe und die Familie. Insbesondere die Hirten haben sich dieser Verantwortung zu stellen. Vor der ersten Pflicht der Erziehung durch die Eltern rangiert die erste Pflicht der Hirten zur pastoralen Sorge für Ehe und Familie, worin eine nicht zu überschätzende Mitverantwortung Ausdruck findet. Das gegenüber dem elter lichen sekundäre Erziehungsrecht der Kirche bezüglich der Kinder wird durch die pastorale Verantwortung der Hirten vor allem gegenüber den Eltern überlagert. Die Verpflichtung gemäß c. 1154 CIC 1983 trifft primär den Vollzieher der Trennung. Zudem trägt auch der Ortsordinarius im Sinne des c. 1153 § 2 eine entsprechende Verantwortung.356 Insbesondere die Situation Geschiede356 Lüdicke, c. 1154 Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
VII. Zum Erziehungsauftrag der Paten255
ner und Wiederverheirateter impliziert für die Kirche das Erfordernis aktiven pastoralen Handelns.357 C. 1154 betont das Erfordernis der Sorgetragung für die katholische Erziehung der Kinder und schließt die Legitimität einer aus der Situation der Eltern folgenden Relativierung aus.358 Diese im c. 1154 angesprochene geeignete Sorgetragung für die Erziehung der Kinder im Falle einer erfolgten Trennung der Ehegatten inkludiert die Übernahme der Verantwortung durch die Gemeinschaft der Gläubigen: „Le communitá ecclesiali – diocesi, parrocchie – dovrebbero preoccuparsi die creare gli opportuni servici pastorali di assistenza, per venire incontro, con spirito christiano, a queste penose situationi dei figli di matrimoni separati, e dei coniugi stressi“ („Die kirchlichen Gemeinschaften – Diözesen, Pfarren – werden dafür Sorge tragen müssen, die zweckmäßigsten pastoralen Dienste zum Beistand zu entwickeln, um mit christlichem Geist diesen leidvollen Situationen der Kinder aus getrennten Ehen und der grossen Belastungen ausgesetzten Ehepartner entgegenzukommen.“)359 Es ist den Seelsorgern aufgetragen, den Kindern sowie den getrennten Ehegatten die bestmögliche pastorale Begleitung anzubieten.
VII. Zum Erziehungsauftrag der Paten Neben den Eltern waren insbesondere die Paten die Träger der religiösen Erziehung in den ersten Jahrhunderten. Die bis zum Mittelalter herausgebildeten Rechtsgrundlagen des Patenamtes blieben im Wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten. So umfasst das Patenamt neben der Zeugenschaft, der Begleitung und Bürgschaft nicht nur die Mitwirkung an der Taufliturgie im Kontext der Ablegung des Taufgelöbnisses, sondern die „Bereitschaftserklärung, sich um eine entsprechende christliche Erziehung des Täuflings später kümmern zu wollen.“360 Im themenspezifischen Kontext von besonderer Relevanz ist die Komplementarität von munus docendi und munus sanctificandi. Soweit die Möglichkeit besteht, ist dem Täufling gemäß c. 872 ein Pate zu geben. Dessen Aufgabe ist es, „das zu taufende Kind zusammen mit den Eltern zur Taufe zu bringen und auch mitzuhelfen, daß der Getaufte ein der Taufe entsprechendes christliches Leben führt und die damit verbundenen Pflichten getreu erfüllt.“ 357 Foster, The Promotion of the Canonical Rights of children in Situations of Divorce and Remarriage, S. 149. 358 Arrieta, Codice di Diritto Canonico, S. 771. 359 Pinto, Commento al Codice di Diritto Canonico, S. 675, (Übers. d. Verf.). 360 Paarhammer, Streiflichter der rechtsgeschichtlichen Entwicklung des Patenamtes von den Anfängen bis zum Konzil von Trient, Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, S. 80 (86, 87).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Nach Hans Paarhammer ist die quantitative Reduktion der themenspezifischen Normen im CIC 1983 gegenüber dem CIC 1917 kein Indiz für die mindere Bedeutung der dort geregelten Rechtsmaterien.361 C. 774 § 2 verpflichtet die Paten subidiär nach den Eltern dazu, die Kinder „durch Wort und Beispiel (…) im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden.“362 Die Ausübung des Taufpatenamtes ist somit Teilnahme am kirchlichen Sendungsauftrag und apostolische Aufgabe. Die Auswahl des Taufpaten ist primär Aufgabe der Eltern. Subsidiär ist gemäß c. 874 § 2 n. 1 eine Benennung durch den Pfarrer möglich.363 Wenn sich nach eingehender Beratung mit dem Taufspender kein geeigneter Taufpate findet, ist die Taufe auch ohne Hinzuziehung eines Paten statthaft. Die Heranziehung der Eltern zum Patenamt lehnt Paarhammer mit der Begründung ab, dass der elterliche Auftrag zur Glaubenserziehung nicht mit der Übernahme des Patenamtes gekoppelt werden könne.364 In diesem Kontext gewinnt auch das dem Katholiken abverlangte Attribut der seinem Bekenntnis enspringenden Verpflichtung zur Diakonie schlüssige Relevanz. Die Zulässigkeit der Spendung der Taufe ohne Paten wird durch den Fall eingeschränkt, dass eine katholische Erziehung nicht zu erwarten ist. C. 868 § 1 n. 2 normiert den Tatbestand der fehlenden Hoffnung auf eine christliche Erziehung. Deshalb soll über die Möglichkeit beziehungsweise Zuässigkeit des Verzichts auf einen Paten im Wege eines Gespräches mit dem Taufspender Klarheit erlangt werden.365 In jedem Fall kann es nur einen Taufaufschub geben. Eine endgültige Verweigerung der Taufe ist unzulässig. Bereits der CIC 1917 zählte nicht mehr alle ursprünglichen Funktionen des Taufpaten auf. C. 774 § 1 CIC 1983 formuliert die konkrete Verpflichtung der Paten.366 Gemäß c. 872 erfüllt der Taufpate seine Aufgabe nach dem CIC 1983 gemeinsam mit den Eltern.367 Der CIC 1983 nimmt eine Aufwertung der Rolle der Eltern und der Taufpaten vor. Wie die Erziehungspflicht der Eltern ist auch die Verpflichtung der Paten nicht sanktionierbar. Doch handelt es sich um eine „ethische Forderung“, womit sich ein verbindlicher Charakter manifestiert, weil die Person mit Peter Krämer per se in ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und ihren Mitmenschen einem Sollens
361 Ahlers,
Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, Rz. 2. Rz. 4. 363 Ibid., Rz. 12. 364 Paarhammer, Speciali autem modo a Patrinis, S. 377 (387). 365 Ahlers, Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, S. 15. 366 Ibid., S. 15, 17. 367 Ibid., S. 15, 18. 362 Ibid.,
VII. Zum Erziehungsauftrag der Paten257
anspruch unterliegt, der eben gerade durch das Attribut des Handelns in „freier Verantwortlichkeit“ gekennzeichnet ist.368 Die drei Initiationssakramente der Taufe, der Eucharistie und der Firmung sind gemäß c. 842 § 2 CIC 1983 zur „vollen christlichen Initiation“ auch für den Taufpaten gefordert.369 An die volle Initation knüpft sich gemäß c. 879 noch zusätzlich der soziale Aspekt des persönlichen Glaubenszeugnisses. Nach Reinhild Ahlers lassen sich weder für nach dem staatlichen Recht ausgetretene Katholiken und noch weniger für wiederverheiratete Geschiedene allgemein gültige Kriterien für einen Ausschluss vom Patenamt festmachen. Vielmehr habe die Beurteilung jeweils auf der Grundlage individueller Umstände zu erfolgen.370 Mit Paarhammer ist von einer grundlegenden Prämisse auszugehen: „Aus der Natur der Patenschaft und von seiner Zweckbestimmung her ergibt sich notwendigerweise das Erfordernis, daß ein für das Patenamt in Aussicht genommener Katholik die volle sakramentale Gliedschaft in der Kirche besitzt.“371 Gemäß c. 874 § 1 n. 3 müssen das Leben aus dem Glauben und der Patendienst einander entsprechen. Nach Papst Johannes Paul II. dürfen geschiedene Wiederverheiratete nicht als von der Kirche getrennt behandelt werden „(…) da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu vepflichtet sind“.372 Dennoch ist die erlaubte Übernahme eines Patenamtes in diese Argumentation nicht notwendigerweise eingeschlossen. Nach Listl bemisst sich der Wert der Zeugenschaft gemäß c. 874 § 1 nach der Übereinstimmung von Worten, Leben und Handeln.373 Zur grundsätzlichen Einordnung des materiellen Sakramentenverständnisses ist die von Gerhard Müller analysierte Arkandisziplin Dietrich Bonhoeffers für die Einordenbarkeit der Taufe in den pluralistischen Kontext der Gesellschaft von überragender Bedeutung. Die „Arkandisziplin“ bei Bonhoeffer meint die Fassbarkeit der „theologischen Kategorie der Stellvertretung, des Seins-für-andere“ zur Überwindung der „religiös-partikularistischen Interpretation.“374 Hinsichtlich der Taufe ist es für eine Einordenbarkeit in den pluralistischen, religiösen Kontext möglich, ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der „soziologischen Dimension der Gnade“ zu sehen.375„Durch die Taufe kommt zum Ausdruck, dass die in ihr verwirklichte neue Men368 Ibid.,
S. 15, 19, 20. Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, Rz. 30. 370 Ibid., Rz. 37. 371 Paarhammer, Speciali autem modo a Patrinis, S. 385. 372 Johannes Paul, II., Familiaris Consortio, Nr. 84. 373 Listl, Die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts in der staatlichen und kirchlichen Rechtsordnung, S. 163–166. 374 Müller, Bonhoeffers Theologie der Sakramente, S. 137. 375 Ibid., S. 145. 369 Ahlers,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
schengemeinschaft aus einer ursprünglichen und unableitbaren Realität hervorgeht, nämlich aus der in der Stellvertretung geschaffenen personalen Einheit der neuen Menschheit.“ Diesem Ansatz implizit ist der „Gedanke der Kollektivperson der neuen Menschheit.“376 Nach Müller impliziert die Anwendung der Arkandisziplin den „vorsichtigen Gebrauch der Kindertaufe“377 und merkt er in diesem Kontext weitergehend an, dass die Kindertaufe als „grundsätzlich legitime Möglichkeit“ anerkannt wurde, dies jedoch keine „unbedingte Pflicht“ einschließe. Somit gäbe es bloss ein Recht, aber keine Pflicht zur Taufe der Kinder. Letztlich sei die freie Entscheidung nach dem Gewissen maßgeblich, die von der Kirche mit keiner Sanktion belegt werden dürfe.378 Gemäß c. 868 § 1 n. 1 müssen die Eltern oder deren Vertreter ihre Intention im Ersuchen um die Taufe ausdrücken, subsidiär ist die Intention des Taufspenders ausschlaggebend. Weitere Voraussetzungen bilden eine gebührende Vorbereitung sowie die begründete Hoffnung auf eine christliche Erziehung:379„By presenting a child for baptism, the parents accept the re sponsability to see that the fruits of the sacrament come to realization as the child matures.“380 Eine „ökumenische Taufe“ wird allgemein abgelehnt, zumal mit der Taufe die Zugehörigkeit zu einer Konfession begründet wird. Infolge einer ökumenischen Taufe wäre eine Zuordnung nicht möglich. Um einem Nachteil für den Ehepartner entgegenzuwirken, in dessen Konfession die Taufe nicht gespendet wird, wurde vorgeschlagen, einen Seelsorger von dessen Konfession in den Ritus der Taufspendung miteinzubeziehen und die Taufe auch in dessen Pfarrei zu registrieren.381 Gemäß c. 868 § 2 dürfen Kinder katholischer und nichtkatholischer Eltern in Todesgefahr auch gegen den Willen der Eltern getauft werden. Diese Regelung ist in hohem Masse problematisch. Im Revisionsentwurf des Taufrechts wurde vor dem Inkrafttreten des CIC von 1983 Gegenteiliges formuliert: „Kinder, auch in Lebensgefahr, dürfen nicht getauft werden, wenn beide Eltern ausdrücklich dagegen sind.“382 Winfried Aymans beipflichtend, sind gegenüber c. 868 § 2 beziehungsweise c. 871, der die Taufe eines vorzeitig geborenen Kindes ohne weiteres „nach Möglichkeit“ vorsieht, „schwerste 376 Müller,
Bonhoeffers Theologie der Sakramente, S. 161, 162. S. 188, 189. 378 Ibid., S. 192, 193. 379 Freitag, Ehe zwischen Katholiken und Muslimen, S. 106. 380 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, S. 1055. 381 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 385. 382 Communicationes 1971, S. 200. 377 Ibid.,
VII. Zum Erziehungsauftrag der Paten259
Bedenken“ anzumelden. Eine Taufe gegen den Willen der Eltern ist abzulehnen. Zumindest das Vorliegen einer die Taufe befürwortenden Rechtsvermutung sollte für die Erlaubtheit der Taufe erforderlich sein.383 Im Hinblick auf die unter Zustimmung der Eltern vollzogene Taufe konstatiert Aymans, dass der Inbegriff der religiösen Erziehung die Entfaltung der Persönlichkeit im „Gesamtrahmen der Erziehung gesehen“ nachhaltiger präge als das isolierte einmalige Geschehen der Taufe.384 Aus dem „Gesamtkomplex der religiösen Erziehung“ ergibt sich, dass – wenn man die Taufe aus Gründen der Religionsfreiheit ablehnt – auch die religiöse Erziehung abzulehnen wäre.385 Vor dem Hintergrund der sakramentalen Dimension erscheint diese Gegenüberstellung und Qualifikation allerdings unhaltbar zu sein. Dies ergibt sich etwa aus der Sakramentenkatechese, deren Aufgabe es ist, auf den Empfang der Sakramente vorzubereiten, indem der Mensch in seiner Entscheidungskraft und Überzeugung gestärkt werden soll. Die Wertung Aymans, dass der Sakramentenempfang in seiner Prägewirkung gegenüber der Entfaltung des Menschen demgegenüber weitaus geringer ausstrahle als die religiöse Erziehung, widerspricht der sich aus dem allgemeinen sakramentalen Verständnis ergebenden Erhabenheit der Sakramente, wie es sich etwa der Definition der Kirche als Wurzelsakrament durch Lumen gentium entnehmen lässt. Hieraus ergibt sich, dass sich die Frage nicht aus der blossen Zugrundelegung menschlichen Maßes beurteilen lässt. Die gemäß c. 868 § 1 n. 2 geforderte, „begründete Hoffung, dass das Kind in der katholischen Religion erzogen wird“, gründet in der mit dem Empfang des Sakramentes übernommenen Verantwortung und nicht darin, dass die religiöse Erziehung höher zu bewerten sei als das sakramentale Geschehen. An diesen Kontext schließt ein Wort Papst Franziskus aus seiner Enzy klika Lumen fidei an: „Aber was in der Kirche mitgeteilt wird, was in ihrer lebendigen Tradition weitergegeben wird, ist das neue Licht, das aus der Begegnung mit dem lebendigen Gott kommt; es ist ein Licht, das den Menschen in seinem Innern, im Herzen anrührt und dabei seinen Verstand, seinen Willen und sein Gefühlsleben mit einbezieht und ihn für lebendige Beziehungen in der Gemeinschaft mit Gott und den anderen offen macht. Um diese Fülle weiterzugeben, gibt es ein besonderes Mittel, das den ganzen Menschen ins Spiel bringt: Leib und Geist, Innerlichkeit und Beziehungen. Dieses Mittel sind die Sakramente, die in der Liturgie der Kirche gefeiert wer den.“386
383 Aymans/Mörsdorf,
Kanonisches Recht, S. 198. S. 196. 385 Ibid., S. 197 ff. 386 Franziskus, Lumen fidei, Nr. 40. 384 Ibid.,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Als Vollendung der Taufe erwirkt das gemäß c. 842 § 2 unverzichtbare Initiationssakrament der Firmung gemäß c. 879 die vollkommenere Verbindung des Getauften mit der Kirche. Über die Wirkung der Taufe hinausweisend, impliziert diese Stärkung durch die Gaben des Heiligen Geistes eine besondere Befähigung zur Ausbreitung und Verteidigung des Glaubens in der Bezeugung Christi. Nach c. 890 sind die Gläubigen zum rechtzeitigen Empfang der Firmung verpflichtet. Die Sorgetragung für den gebührenden Unterricht ist den Eltern und den Seelsorgern aufgetragen. Demgegenüber verpflichtete c. 787 CIC 1917 allein den Pfarrer. Gemäß c. 893 § 1 CIC 1983 sind die Bestimmungen für die Zulassung zum Taufpatenamt sinngemäß anzuwenden.387 Gegenüber dem CIC von 1917 kam es auch zu einer Reduktion von Normen, die das Firmpatenamt betreffen. Dieser Umstand ist in freilich kein Hinweis auf die Beimessung einer geringeren Bedeutung dieser Institution, sondern eine Konsequenz der strukturellen Neuordnung des Kodex, gekennzeichnet durch ein Abgehen vom überkommenen Rubrizismus zugunsten der Konzeption eines modernen Rahmenrechts. Insbesondere war es auch durch das Zweite Vatikanische Konzil zu einer expliziten Aufwertung des Katechumenats, an dem auch die Paten einen tragenden Anteil haben, gekommen.388 Während der c. 796 n. 1 CIC 1917 die Identität von Tauf- und Firmpatenschaft ausgeschlossen hatte, wird diese gemäß c. 893 n. 2 CIC 1983 empfohlen.389 Gemäß c. 891 ist es der Bischofskonferenz freigestellt, ein von der kodikarischen Festlegung verschiedenes Firmalter festzulegen. Nach einem Dekret der Österreichischen Bischofskonferenz darf die Firmung einem Kandidaten frühestens mit der Vollendung des zwölften Lebensjahres gespendet werden. Davon ausgenommen sind die nach dem Universalrecht gemäß c. 891 vorgesehenen Fälle der Todesgefahr und des schwerwiegenden Grundes nach dem Urteil des Spenders. Den Eltern und den Spendern der Firmung wird nach dem Partikularrecht aufgetragen, dafür zu sorgen, dass die Spendung des Sakramentes nicht zu lange hinausgezögert wird.390 Das Hinzutreten eines Firmpaten ist nicht zwingend erforderlich. C. 892 empfiehlt dies jedoch nach Möglichkeit und umschreibt die Aufgaben des Firmpaten als Sorgetragung für das Verhalten des Firmlings als Zeuge Christi sowie für die Erfüllung der mit dem Sakrament verbundenen Verpflichtungen. Besonders im Zusammenhang mit der Firmung zeigt sich die Evidenz 387 Ahlers,
Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, Rz. 69. Speciali autem modo a Patrinis, S. 377. 389 Ahlers, Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, Rz. 71. 390 Österreichische Bischofskonferenz, Dekret über das Firmalter, 9. Dezember 1991, ABl. Nr. 6. 388 Paarhammer,
VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger261
der Bedeutung der persönlichen Partizipation an den Sakramenten seitens der Eltern: „The role of the parents ist also expressed by their active participation in the celebration of the sacraments.“391
VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger Der Erziehungsauftrag der Kirche erfüllt sich primär im Rahmen der katechetischen Unterweisung. So bezeichnet Gravissimum educationis diese als „erstes Erziehungsmittel.“ Erziehung ist ein Mosaikstein des Dienstes der Kirche, ein Instrument auf dem Weg der Hinführung zum Heil. Über die Erfüllung ihres Verkündigungsauftrags hinausgehend leistet die Kirche „in diakonischer Weise ihren Beitrag zu einem gelingenden Leben, das Humanität für das Individuum wie für die Sozietät garantiert.“392 Diese Garantie gründet in der Vollmacht der Kirche, die Sakramente zu spenden. Im Vorfeld dessen ergeben sich besondere Verantwortlichkeiten und Kompetenzen der Seelsorger. So ist der Empfang der Sakramente grundätzlich an die vorhergehende Glaubensunterweisung und konkreter an die Sa kramentenkatechese gebunden. Unter der Autorität der Kirche als Trägerin des Lehramtes haben die Laien Anteil am munus docendi. Im Kontext der Spendung des Ehesakramentes sind die Laien unmittelbar am munus sancti ficandi beteiligt und ist dem Priester die Position der Assistenz zugewiesen. Die Ehe als von Gott gestifteter Bund entsteht unter dem Zuspruch Gottes und dem Konsens der Ehepartner. Aus diesem Verhältnis ergibt sich auch die Stellung der Hirten im Rahmen der Erziehung. Die religiöse Erziehung bildet einen wesentlichen Gegenstand des kirch lichen Verkündigungsdienstes. Darüber hinaus besteht ein allgemeiner Verkündigungsauftrag gegenüber allen Gläubigen als Ausdruck der als commu nio verstandenen Verfassung der Kirche. Ausgehend von der pastoralen Verantwortung der Hirten im Kontext des munus docendi spannt sich der Bogen von der katechetischen Unterweisung bis zur Predigt. C. 213 normiert das Grundrecht der Gläubigen, aus dem Wort Gottes und den Sakramenten „Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen.“ C. 756 § 1 folgend ist die Verkündigung des Evangeliums eine vornehmlich dem Papst und dem Bischofskollegium anvertraute Aufgabe. Die Vollmacht zur Ausübung des munus docendi als „Lehrer des Glaubens“ erhalten die Bischöfe gemäß c. 375 § 1 „kraft göttlicher Einsetzung durch den Heiligen Geist.“ Die höchste Autorität kommt gemäß c. 331 dem Papst als caput des 391 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, S. 1087. 392 Mann/Schinkele (Hrsg.), Österreich, S. 203 (213 ff.).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Bischofskollegiums zu. In Konsequenz dieser Vollmacht wirken die Bischöfe gemäß c. 882 als ordentliche Spender der Firmung. In Vollendung der Taufe erhalten die Gläubigen mit der Firmung die Gabe der Kraft des Heiligen Geistes und haben unter seiner Führung mit den Hirten der Kirche Anteil am Dienst der Verkündigung. Das Sakrament der Firmung festigt die mit der Taufe begründete Gliedschaft der Gläubigen. Dem Ehesakrament gemäß c. 1065 vorausgehend impliziert das Firmsakrament die Grundlage für eine lebendige Anteilnahme der Ehepartner am Dienst der Verkündigung im Rahmen der Erziehung. Hierbei kommen den Eltern zweierlei Aufgaben zu. Zum einen sind sie die ersten Verkünder des Evangeliums gegenüber den Kindern, zum anderen sind sie verpflichtet, den Kindern den Zugang zu den durch die Hirten der Kirche erwiesenen munera docendi et sancitficandi zu ermöglichen. Im Licht des Zweiten Vatikanums sind diese Beziehungsverhältnisse im umfassenden Kontext der Communio-Ekklesiologie zu interpretieren. Primärer Zweck der katechetischen Unterweisung ist die gemäß c. 843 § 2 betonte Vorbereitung auf die Sakramente. In der Einführung zum dritten Titel über die katholische Erziehung führt der CIC 1983 gemäß c. 793 § 1 zunächst die Eltern und die ihre Stelle Einnehmenden als primäre Träger der Erziehungspflicht und des Erziehungsrechtes an. Erst der folgende c. 794 § 1 normiert die Verpflichtung und das Recht zur Erziehung seitens der ganzen Kirche. Schließlich konkretisiert § 2 leg. cit. die Pflicht der Seelsorger zur umfassenden Sorge für die katholische Erziehung der Gläubigen und beschreibt das zu verfolgende Ausmaß mit der Wendung „omnia disponendi“ als dem maximal Möglichen. Dies bedeutet, dass sich die Anteilhabe der Seelsorger an der Erziehung nicht in der Erfüllung formaler Kriterien etwa im Zusammenhang mit der Predigt, der katechetischen Unterweisung oder der Sakramentenkatechese erschöpfen darf. Vielmehr ist am Menschen in dem Sinne Maß zu nehmen, als sich dieser nach dem theologischen Verständnis der Gotteskindschaft Zeit seines Lebens auf dem Weg befindet und der umfassenden Begleitung bedarf. Gemäß c. 774 § 2 sind die „Eltern verpflichtet, durch Wort und Beispiel ihre Kinder im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden“. Dem im Rahmen der katechetischen Unterweisung als Gegenstand des Verkündigungsdienstes festgeschriebenen Vorrecht der Eltern steht ihre nicht im Rang einer Bevorrechtung stehende Anteilhabe am Heiligungsdienst durch die Bischöfe unter Mithilfe ihrer Priester gemäß c. 835 § 4 gegenüber: „auf besondere Weise haben an demselben Dienst die Eltern Anteil, indem sie ihr Eheleben in christlichem Geiste führen und für die christliche Erziehung ihrer Kinder sorgen.“
VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger263
Nach c. 775 § 1 liegt es in der Verantwortung des Bischofs, im Einklang mit dem Apostolischen Stuhl Normen für die Katechese zu erlassen und adäquate Mittel zur Verfügung zu stellen. Fakultativ ist die Herausgabe eines eigenen Katechismus durch einen einzelnen Bischof oder die Bischofskonferenz zulässig. Das in c. 794 § 1 normierte Erziehungsrecht der Kirche konkretisiert c. 800 § 1 im Bezug auf die Gründung von Schulen. Eine entsprechende Verpflichtung zur Sorgetragung für die Gründung besteht nach Maßgabe des c. 802 § 1 für den Fall, dass „es keine Schulen gibt, in denen eine Erziehung in christlichem Geist vermittelt wird.“ Entsprechend ihren Konstitutionen haben sich die gemäß ihrem patrimonium spirituale der Erziehung verpflichteten Ordensinstitute nach c. 801 respektive durch ihre „mit Zustimmung des Diözesanbischofs gegründeten Schulen zu bemühen.“ Innerhalb seiner Diözese steht dem Diözesanbischof nach c. 806 § 1 ein umfassendes Aufsichts- und Visitationsrecht über die katholischen Schulen zu. Der CIC 1917 enthielt keine spezifische Norm betreffend die Seelsorge für konfessionsverschiedene Paare. Eine Bezugnahme erschöpfte sich in dem Auftrag an die Ordinarien und Seelsorger zur Überwachung der Versprechen gemäß c. 1064 n. 3. Demgegenüber verpflichtet c. 1128 CIC 1983 die Ordinarien und anderen Seelsorger ausdrücklich zur umfassenden Seelsorge für die konfessionsverschiedenen Paare, sodaß es „dem katholischen Ehegatten und den Kindern aus einer Mischehe nicht an geistlicher Hilfe zur Erfüllung ihrer Pflichten fehlt; sie sollen den Ehegatten helfen, die Einheit im Ehe- und Familienleben zu pflegen.“ Die explizite Anführung des Lebens der Familie neben dem Eheleben impliziert das Anerkenntnis der schützenswerten Existenz der Familie durch den kirchlichen Gesetzgeber sowie die daraus resultierende umfassende Verpflichtung zur pastoralen Sorgetragung. Das als Motu proprio im Rang einer nachkonziliären Gesetzgebung stehende Apos tolische Schreiben Matrimonia mixta des Konzilspapstes Paul VI. vom 31. März 1970 empfiehlt die aktive Kontaktaufnahme der Seelsorger gegenüber den Angehörigen konfessionsverschiedener Paare und die redliche Zusammenarbeit mit den Amtsträgern der betroffenen Konfessionen (Art. 14).393 Die Eheschließung zwischen zwei Getauften, von denen der eine in der katholischen Kirche getauft oder nach der Taufe in sie aufgenommen worden ist, der andere Partner aber einer Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft zugezählt wird, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche steht, ist ohne ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen Autorität verboten. Nach c. 1125 ist es Sache des Bischofs, die Eheschliessung bei Vorliegen eines „gerechten und vernünftgen Grundes“ gemäß n. 1 bis 3 leg. cit. unter 393 Paul VI., Matrimonia mixta, 31. März 1970, http://www.w2.vatican.va/content/ paul-vi/en/motu_proprio/documents/hf_p-vi_motu-proprio_19700331_matrimoniamixta.html (Stand 12. 03. 2015).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
der Prämisse zu erlauben, „pars catholica declaret se partam esse pericula a fide deficiendi removere atque sinceram promissionem praestet se omnia pro viribus facturam esse, ut universa proles in ecclesia catholica baptizetur et educetur.“ Die Erlaubnis ist an die Erklärung des katholischen Partners gebunden, die „Gefahren des Glaubensabfalls zu beseitigen.“ Dieser hat zudem zu versprechen, „nach Kräften alles zu tun, daß alle seine Kinder in der katholischen Kirche getauft und erzogen werden.“ Von diesem Versprechen ist der andere Partner nach der aktuellen Rechtslage nunmehr lediglich insofern in Kenntnis zu setzen, daß er „um das Versprechen und die Verpflichtung des katholischen Partners weiß.“ Schließlich sind den Eheschließenden „die Zwecke und die Wesenseigenschaften der Ehe darzulegen.“ Diese bilden einen unverzichtbaren Gegenstand des Ehekonsenses. Die Festlegung der Modi der Erklärung sowie des Versprechens fällt gemäß c. 1126 in die Kompetenz der Bischofskonferenz. Damit der Mensch der Kirche begegnen kann, muss sich die real verfasste Kirche auf den Weg zum Menschen machen. Die Kirche darf heute weniger davon ausgehen, dass der Mensch den Weg zu ihr findet, sondern muss vielmehr bemüht sein, dass sie den Weg zum Menschen sucht. Besonders eindrucksvoll betont Harald Mattel die in den Dokumenten des Zweiten Vati kanischen Konzils, Christus dominus und Presbyterorum ordinis, dargelegte spezifische Erziehungsverantwortung der Bischöfe und der Priester.394 Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Gesetzgebungsgewalt der Bischofskonferenzen und den Ermessensspielraum der Diözesanbischöfe erheblich erweitert. Mit dem Ausbau der bischöflichen Rechte ist auch ihre Verantwortlichkeit gewachsen.395 Dieser Umstand gewinnt vor dem Hintergrund der in den einzelnen Teilkirchen doch sehr unterschiedlichen pastoralen He rausforderungen im Kontext der Familie eine besondere Relevanz. Erst mit der Taufe gemäß c. 868 § 1 lebt der Erziehungsanspruch der Kirche gegenüber dem Kind auf. In seinem Artikel 30 betont Christus dominus die Pflicht des Pfarrers zur Unterstützung und Förderung der katechetischen Aufgabe der Eltern in der Familie, wie es c. 773 § 2 i. V. m. c. 776 im Kapitel über die katechetische Unterweisung als Dienst am Wort Gottes normiert. C. 777 regelt die besondere Sorgetragung des Pfarrers für die Sakramentenkatechese. Auch c. 528 § 1 unterstreicht die spezifische Pflicht des Pfarrers für die katechetische Unterweisung der Kinder und Jugendlichen. Mit c. 529 § 1 trägt der Kodex der konziliaren Ekklesiologie deutlich Rechnung, indem der Canon den Pfarrer auffordert, die Familien zu besuchen: „(…) ideo fami394 Mattel,
S. 34.
„Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes!“ (Mk 10, 14),
395 Pototschnig,
Das Bildungswesen, S. 642 (649).
VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger265
lias visitet“. Der letzte Satz des Paragraphen trägt ihm auf, „die Ehegatten und Eltern bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu stützen und die Vertiefung des christlichen Lebens in der Familie zu fördern“ („allaboret etiam ut coniuges et parentes ad officia propria implenda sustineantur et in familiae vitae christianae incrementum foveat“). Die Regelung enthält zwei Besonderheiten, in denen der konziliare Paradigmenwechsel zum Tragen kommt. Zum einen wird das aktive Zugehen des Pfarrers gefordert. Zum anderen werden als Adressaten die Eltern und die Familien genannt. Zumal die Erziehung zu den ehelichen Pflichten gehört, ist daher davon auszugehen, dass die Verwendung beider Termini bedeutet, dass der Pfarrer explizit dazu angehalten wird, sich auch jener Eltern aus eigenem anzunehmen, die nicht durch das Ehesakrament verbunden sind. Gemäß c. 768 § 2 ist die Predigt als Form der amtlichen Lehrverkündigung in einen breiten inhaltlichen Radius zu stellen und eine Betrachtung der „Würde und die Freiheit der menschlichen Person, (…) der Einheit und Festigkeit der Familie und deren Aufgaben, (…) der Pflichten, die den Menschen in der Gesellschaft aufgegeben sind“ sowie der „nach der gottgege benen Ordnung zu regelnden weltlichen Angelegenheiten“ einzuschliessen. Somit ist es die Aufgabe der Seelsorger, die Predigt als Instrument der die religiöse Erziehung begeleitenden Pastoral zu verstehen. Schließlich ist die Predigt ein an die religiöse Erziehung anknüpfendes katechetisches Werkzeug zur lebenslangen Begleitung der Gläubigen. Religiöse Erziehung und Katechese bilden zwei Kreise, die sich überschneiden. So bildet die Katechese neben zahlreichen anderen Komponenten einen integralen Gegenstand der Erziehung. Andererseits erfüllt die Katechese über die Erziehung hinausreichende Parameter der Glaubensverkündigung, die in den Pflichtenkreis kirchlicher Amtsträger fallen. Als Gegenstand der amtlichen Lehrverkündigung ist die Katechese gemäß c. 773 eine insbesondere den Seelsorgern anvertraute „eigene und schwere Pflicht.“ Neben der theoretischen Vermittlung der christlichen Lehre soll diese vor allem durch das gelebte Beispiel erfahrbar werden. Somit nimmt der Canon auf die Gravität der Verpflichtung für die Seelsorger Bezug. Unter der Leitung der rechtmäßigen kirchlichen Autorität ist die Sorge um die Katechese gemäß c. 774 § 1 allen Gliedern der Kirche anvertraut. Das Erfordernis der Leitung gründet in der Eigenschaft der Katechese als Gegenstand der amtlichen Lehrverkündigung, deren selbständige Ausübung den Eltern verwehrt ist, an der sie jedoch gemäß c. 774 § 2 dergestalt erstrangigen Anteil haben, indem sie „vor allen übrigen“ verpflichtet sind, die Kinder „durch Wort und Beispiel im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden.“ Somit verbleibt die letzte Verantwortung zur Wahrung der Authentizität und Kontinuität der kirchlichen Lehre in der Kompetenz der
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Amtskirche, dies unbeschadet der auch im Kontext der Katechese vorrangigen Rechtsposition der Eltern. Eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die Beantwortung katechetischer Fragestellungen und zur Bereitstellung von Hilfsmitteln, sowie zur Pflege und Koordination katechetischer Vorhaben trifft den Diözesanbischof gemäß c. 775 § 1. Unbeschadet des Verbleibens einer legislativen Kompetenz beim Ortsordinarius ist es der legislativen Kompetenz der Bischofskonferenz gemäß § 3 leg. cit. fakultativ überlassen, ein katechetisches Amt einzurichten. Neben der Predigt gehört die katechetische Unterweisung zu den Amtspflichten des Pfarrers, wobei c. 776 ausdrücklich zwischen der Katechese für die Erwachsenen und der Jugend- und Kinderkatechese differenziert. Vorgesehen ist auch die Heranziehung von Mitarbeitern durch den Pfarrer, vornehmlich der seiner Pfarre zugewiesenen Kleriker und der Mitglieder der Institute des geweihten Lebens. Die Verpflichtung Letzterer kann aufgrund entgegenstehender, vorrangig geltender Bestimmungen des Eigenrechts untersagt sein. Andererseits stehen die Verantwortlichen schulerhaltender Institutionen kirchlicher Orden gemäß c. 778 in der besonderen Verantwortung der katechetischen Unterweisung. Schließlich kann sich der Pfarrer auch ausgebildeter Katecheten bedienen, die ihre Mitarbeit nicht verweigern dürfen. Explizit normiert ist die Pflicht zur Sorgetragung des Pfarrers für die Förderung und Pflege der Katechese innerhalb der Familie. C. 777 hebt die Sakramentenkatechese hervor. Während c. 851 n. 2 den Pfarrer dazu verpflichtet, die Eltern und Paten über die Bedeutung des Taufsakramentes und die mit ihm zusammenhängenden Verpflichtungen „ordnungsgemäß zu belehren,“ hat die konkrete Vorbereitung auf die Erstbeichte, die Erstkommunion und die Firmung unmittelbar gegenüber den Kindern und Jugendlichen als Empfänger der Sakramente stattzufinden. Die Erteilung der Katechese ist auch nach dem Empfang der Sakramente forzusetzen. Das basierend auf dem nach Lumen gentium festgeschriebenen Recht der Gläubigen, „aus den geistlichen Gütern der Kirche, (…) insbesondere (…) den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen“,396 wird durch c. 213 konkretisiert. Für den Empfang der Eucharistie setzt c. 913 § 1 die „hinreichende Kenntnis und eine sorgfältige Vorbereitung“ voraus. Gemäß c. 97 § 2 wird die Erlangung des Vernunftgebrauchs mit der Vollendung des siebenten Lebensjahres vermutet. Analog zur Vorbereitung der Taufe nennt auch c. 914 zuerst die Eltern und die an ihrer Stelle Stehenden („imprimis“) noch vor dem Pfarrer als Träger der Vorbereitungspflicht für den Empfang der Eucharistie. Schließlich hat der Pfarrer „auch darüber zu wachen, daß nicht Kinder zur heiligen Kommunion hinzutreten, die den Ver396 Konzil,
II., Lumen gentium, Nr. 13.
VIII. Zum Erziehungsauftrag der Seelsorger267
nunftgebrauch noch nicht erlangt haben oder die nach seinem Urteil nicht ausreichend darauf vorbereitet sind.“ C. 854 § 4 CIC 1917 erwähnte nur das diesbezügliche Recht der Eltern, hingegen nicht die korrespondierende Pflicht. Demgegenüber normiert der CIC 1983 zudem eine vorrangige Pflicht der Eltern. Des Weiteren fällt die Vorbereitung in den Aufgabenkreis des Pfarrers. Bei Fehlen der erforder lichen Voraussetzungen ist er zur Verhinderung des Kommunionsempfanges angehalten. Im Sinne eines materiellen Grundrechtes spricht c. 98 § 2 i. V. m. 1478 § 3 CIC 1983 dem Kind ein eigenständiges Recht auf den Empfang der Kommunion zu. Die Verantwortung des Pfarrers zur Vorbereitung auf die Sakramente ist im Sakramentenrecht detailliert geregelt. Mit besonderer Aufmerksamkeit hat sich der Pfarrer der Vorbereitung der Kinder auf den Empfang der Sakramente zu widmen und ist er zur eingehenden Vorbereitung der Eltern und der Paten auf die Taufe des Kindes angehalten. Die Verpflichtung der Sorgetragung des Pfarrers im Rahmen der Taufvorbereitung ist im CIC sehr konkret geregelt. Gemäß c. 851 n. 2 hat der Pfarrer die Eltern und die Paten „über die Bedeutung dieses Sakraments und die mit ihm zusammenhängenden Verpflichtungen ordnungsgemäß zu belehren; der Pfarrer hat persönlich oder durch andere dafür zu sorgen, daß also die Eltern mit seelsorglichem Zuspruch und sogar mit gemeinsamem Gebet in der gebotenen Weise vorbereitet werden; er soll dazu mehrere Familien versammeln und sie nach Möglichkeit besuchen.“ Die Vorbereitung und Hinführung der Gläubigen zur Firmung legt der CIC in seinem c. 890 vor allem – „praesertim“ – in die Verantwortung des Pfarrers und verpflichtet ihn neben den Eltern. Gemäß c. 761 CIC1917 sollte der Pfarrer auf die christliche Namensgebung hinwirken beziehungsweise zumindest auf einem christlichen zweiten Namen bestehen, der in das Taufbuch eingetragen wird. C. 855 CIC 1983 verpflichtet zuerst die Eltern, sodann die Paten und schließlich den Pfarrer zur Sorgetragung dafür, dass dem Kind kein Name gegeben wird, der „christlichem Empfinden fremd“ ist. Die katechetische Unterweisung durch den Pfarrer bezeichnet c. 773 als „eigene und schwere Pflicht“ der Seelsorger. Diese umfasst nach c. 776 „die katechetische Bildung der Erwachsenen, der Jugendlichen und der Kinder.“ Zur Erfüllung dieser Aufgabe soll der Pfarrer auch die Mitarbeit der seiner Pfarre zugewiesenen Kleriker und der Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens in Anspruch nehmen. Letztere sind nur nach Maßgabe der Eigenart ihres Instituts zur Mitarbeit verpflichtet. Demnach kann etwa eine streng kontemplative Ausrichtung
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
das Unterbleiben der Mitarbeit rechtfertigen. Themenspezifisch von besonderer Relevanz ist c. 776 letzter Satz: „Der Pfarrer hat die Aufgabe der Eltern bei der Katechese in der Familie, von der in c. 774 § 2 die Rede ist, zu fördern und zu pflegen.“ c. 774 § 2 normiert die Verpflichtung zur katechetischen Unterweisung durch die Eltern, die an ihre Stelle Tretenden und die Paten „vor allen übrigen.“ Insofern kommt dem Pfarrer im Rahmen der Familienkatechese eine assistierende Rolle zu. Somit stehen die sich aus seinem Amt ergebende Schwere und die sich aus der Stellung der Eltern ergebende Subsidiarität der Pflicht zur katechetischen Unterweisung des Pfarrers im Rahmen der Familie in einem komplementären Verhältnis. Weiterführend normiert c. 777 § 2 die Verpflichtung des Pfarrers, dafür zu sorgen, „daß die Kinder, mittels einer sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckenden katechetischen Unterweisung, ordnungsgemäß auf die Erstbeichte und die Erstkommunion und auf die Firmung vorbereitet werden.“ C. 1063 n. 1 normiert die Ehevorbereitung im weiteren Sinn durch Predigt und Katechese. N. 2 leg. cit. regelt die konkrete Vorbereitung der Brautleute durch die Seelsorger. Die Begleitung der Ehepartner ist gemäß n. 4 leg. cit. nach der Eheschließung kontinuierlich fortzusetzen. Somit gehören das Angebot einer Ehevorbereitung und einer Ehebegleitung zu den wesentlichen Aufgaben des Pfarrers. Dementsprechend hat er seine Predigt und Katechese den Bedürfnissen der Kinder, der Jugendlichen und der Erwachsenen entsprechend anzupassen, sodaß eine fruchtbae Unterweisung in die Aufgaben der „christlichen Ehe und über die Aufgabe der christlichen Ehegatten und Eltern“ gewährleistet ist. Auch hier differenziert der Kodex zwischen den Aufgaben der christlichen Ehegatten und der Eltern. N. 2 leg. cit. betont die „persönliche Vorbereitung auf die Eheschließung, durch welche die Brautleute in die Heiligkeit und in die Pflichten ihres neuen Standes eingeführt werden.“ Wesentlich ist zudem die gemäß c. 1063 n. 4 durch den Pfarrer auch weiterführend gewährte Hilfe, hingeordnet auf den Schutz und die „Lebensführung in der Familie.“ C. 1252 verpflichtet die Seelsorger und die Eltern zur Bußerziehung. Vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahres besteht noch keine Verpflichtung zur Einhaltung des Fastengebots. Dennoch sollen auch die nicht durch das Fastengebot Verpflichteten „zu einem echten Verständnis der Buße geführt werden.“ Gemäß c. 773 trifft die Seelsorger eine eigene und schwere Pflicht zur Erteilung der Katechese durch Lehre und beispielgebendes Leben. Diese stellt zudem eine Amtsaufgabe dar. Adressaten sind Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Unter Heranziehung von Klerikern, Ordensleuten und Laien innerhalb der Pfarre ist der Pfarrer verpflichtet, die Katechese der Eltern innerhalb der Familie gemäß den cc. 774 § 2 und 776 zu unterstützen. Der
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CIC 1983 legt die inhaltlichen Schwerpunkte für die katechetische Verantwortung des Pfarrers mit den Bereichen der Hinführung zu den Sakramenten und der Vorbereitung auf die Eheschließung fest. Der auf letzteren Bezug nehmende c. 1063 des Eherechts wurde in den CIC 1983 neu eingefügt. Der CIC 1917 normierte noch keine spezielle Verantwortung des Pfarrers zur Vorbereitung auf die Ehe. Auch hierin ist ein Ausfluss des im Zweiten Vati kanischen Konzil wurzelnden diakonischen Auftrages an das Hirtenamt der Kirche zu gewärtigen. C. 776 konkretisiert die Verantwortung des Pfarrers betreffend die Katechese und streicht die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen heraus.397 Der Canon spricht ausdrücklich von der Katechese in der Familie. C. 529 § 1 verpflichtet den Pfarrer zum Familienbesuch und zur Familienseelsorge sowie zur Förderung des Familiengebets nach c. 528 § 2. Gemäß c. 528 § 1 hat „seine besondere Sorge der katholischen Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu gelten.“ C. 529 § 1 folgend soll der Pfarrer Gläubige im Bedarfsfall „in kluger Weise wieder auf den rechten Weg bringen.“ Der Pfarrer ist weiters angehalten, „die Ehegatten und Eltern bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu stützen und die Vertiefung eines christlichen Lebens in der Familie zu fördern“. Von besonderer Brisanz ist die gesonderte Anführung der Ehegatten und der Eltern, womit dieser Canon den insbesondere mit Dignitatis humanae initierten Weg der Kirche unterstreicht. In diesem Kontext wird die Evidenz der Bedeutung des c. 528 § 1 letzter Satz deutlich. Dieser verpflichtet den Pfarrer, „sich mit aller Kraft, auch unter Beiziehung der Hilfe von Gläubigen, darum zu bemühen, daß die Botschaft des Evangeliums auch zu jenen gelangt, die religiös abständig geworden sind oder sich nicht zum wahren Glauben bekennen.“ Demzufolge muss die Haltung des Pfarrers auch innerhalb der Kirche – unter der Prämisse der Freiheit des Gewissens – von einem missionarischen Geist getragen sein. Aus der mit der Taufe begründeten Verpflichtung zur Sorgetragung für die Gläubigen ergibt sich die Gravität der umfassenden Verpflichtung der Seelsorger für die Familienpastoral. In diesem Kontext von herausragender Bedeutung ist die themenspezifische Interpretation des Missionsbegriffes. Während der CIC von 1917 auch eine Mission innerhalb der Kirche kannte, kam es infolge der Ausrichtung des konziliaren Dekretes Ad gentes zu einer grundlegenden Veränderung in der Einordnung des Missionsbegriffes. Demnach ist die innerkirchliche Mission heute in den Bereich der Predigt und Katechese einzuordnen. Wenn Ad gentes nun ausführt, dass die Katechumenen „schon mit der Kirche verbunden“ sind und somit gesagt
397 Beal/Coriden/Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, S. 935.
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werden kann, sie „gehören schon zum Hause Christi,“398 so hat die analoge, besondere Sorge der Kirche auf dieser – dem elterlichen Erziehungsrecht vorgelagerten – Ebene im Sinne einer Evangelisierung zur Förderung der Bereitschaft zur Annahme des Glaubens in Freiheit auch den ungetauften Kindern zu gelten. Im Rahmen seiner Liturgiereform sah das Zweite Vatikanum erstmals die Option zur expliziten Gestaltung einer Messe für Kinder vor. Bezug genommen wird auf alle Bestandteile der Heiligen Messe, womit die Kirche ihr Votum für eine „Vollteilnahme der Kinder“ ausdrückt.399
IX. Zur Sendungsverantwortung aller Gläubigen Die Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi gemäß c. 204 § 1 impliziert das Postulat an alle Gläubigen, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die die Christen erfüllt.“ (1 Petr 3, 15) Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Sendungsverantwortung der Kirche allen Gläubigen anvertraut. C. 225 § 1 normiert die allen Gläubigen idente Bestimmung der Laien zum Apostolat. Im gegenständlichen Kontext von Ehe, Familie und Erziehung hat Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Humane vitae im Hinblick auf die konziliare Definition der Berufung der Laien nach Lumen gentium und Gaudium et spes „ein neues Apostolat ausgezeichneter Art“ betont. Der Papst beschreibt es als den „Dienst jener aneinander, die in gleicher Situation stehen: die Eheleute übernehmen für andere Eheleute, denen gegenüber sie sich als Führer erweisen, eine apostolische Aufgabe. Das scheint heute eine besonders zeitgemäße Form des Apostolates zu sein.“400 Hieraus ergibt sich eine zweifache Dimension der allgemeinen Sendungsverantwortung der Gläubigen. Die eine Dimension geht von der Familie aus, indem das Apostolat einer Familie auf andere und letztlich in Richtung der ganzen Kirche ausstrahlt. Die zweite Dimension ist auf die Familie hingeordnet, weil jeder einzelne Gläubige der communio ecclesiae und damit den in ihr verfassten Familien dahingehend verpflichtet ist, gemäß c. 208 am Aufbau der Kirche mitzuwirken. C. 210 verpflichtet alle Gläubigen zur Förderung des Wachstums der Kirche und ihrer ständigen Heiligung. Im Sinne einer tätigen Zeugenschaft knüpft c. 211 daran die Obliegenheit zur Verbreitung der göttlichen Heilsbotschaft. Erstmals normiert c. 215 die Freiheit der 398 Konzil,
II., Ad gentes, Nr. 14. Kinderkommunion, Sp. 1443, 1444. 400 Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968 | Paul VI., http://www. w2.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_25071968_ humanae-vitae.html (abgefragt am 29. 10. 2015). 399 Heinz,
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung271
Gläubigen, Vereinigungen zur Verfolgung apostolischer Zwecke zu gründen. Apostolicam actuositatem schreibt den frei gegründeten Vereinigungen der Gläubigen im Kontext der Erziehung die subsidiäre Funktion der Erziehung zum Apostolat zu.401 Schließlich normiert der c. 797 die den christifideles aufgetragene Sorgetragung für die Gewährleistung der elterlichen Freiheit durch die weltliche Gesellschaft betreffend die freie Wahl der Schule. Gemäß c. 799 sind alle Gläubigen zudem gehalten, auf eine weltliche Gesetzgebung einzuwirken, die eine Bildung der Jugendlichen entsprechend der religiösen und sittlichen Erziehung nach dem Gewissen der Eltern gewährleistet.
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung In die Definition der für die Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe geeigneten Hilfsmittel schliesst die Kirche die katechetische Unterweisung ein. Sodann nennt Gravissimum educationis die sozialen Kommunikationsmittel sowie „die verschiedenen der geistigen und körperlichen Ertüchtigung dienenden Vereinigungen, die Jugendgemeinschaften und vor allem die Schulen.“402
1. Schulen Der Religionsunterricht stellt einen Teilbereich der religiösen Erziehung dar, in dem es in besonderer Weise auf die Zusammenarbeit zwischen den Eltern, der Schule und den verantwortlichen Amtsträgern der Kirche ankommt. In dieser Arbeit soll dieses Kooperationsverhältnis vornehmlich aus der Perspekitve des Elternrechts beleuchtet werden. Gemäß dem Elternrecht hat der Religionsunterricht eine religiöse Unterweisung im Sinne der elter lichen Ausrichtung zu beinhalten, wobei die Eltern durch ihre in der Taufe begründete Kichengliedschaft selbst an die Glaubenslehre der Kirche gebunden sind. Entscheidendes Moment ist die transzendente Ausrichtung dieses Unterrichtsfaches, die es mit im Diesseits wahrnehmbaren, abstrakten Bildungsinhalten zu verknüpfen gilt. Der dem Religionsunterricht immanente Bildungsauftrag wurzelt im Glauben und kann im Ganzen auch nur aus dem Glauben verstanden werden. Aus dem Glauben rührend und zum Glauben führend impliziert der Religionsunterricht als Gegenstand der religiösen Erziehung das Erfordernis eines persönlichen Glaubenszeugnisses. Die religiöse Erziehung in der Familie soll die Kinder auf den schulischen Religionsunter401 Konzil, II., Apostolicam actuositatem, http://www.vatican.va/archive/hist_ councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651118_apostolicam-actuo sitatem_ge.html (abgefragt am 24. 10. 2015). 402 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Rahner/Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, S. 335.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
richt vorbereiten und diesen begleiten. So gelten die Schulen als wertvolle Unterstützung der elterlichen Erziehungsarbeit und gemäß c. 796 § 1 als „vorzügliche Hilfe.“ Der Begriff Bildung findet im kanonischen Recht keine explizite Berücksichtigung. C. 795 geht von der educatio beziehungsweise der formatio aus. Des Weiteren definiert der CIC 1983 kein explizites Recht des Kindes auf Erziehung. Betont werden die Erziehungspflicht und das Erziehungsrecht der Eltern. C. 226 § 2 CIC bekräftigt das elterliche Erziehungsrecht und konkretisiert die Verpflichtung zur Erziehung nach der Lehre der Kirche. Im Sinne des c. 796 § 1 sind Schulen subsidiäre Hilfsmittel, „quae quidem parentibus, in munere educationis implendo, praecipuo auxilio sunt.“ Im Kontext der elterlichen Erziehung findet der zwei Grundsätzen folgende, nämlich auf die Betonung der diakonia auf allen Ebenen und auf die Aufwertung der Laien bauende Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils besonderen Ausdruck. Die Schule wird als „vorzügliches, aber subsidiäres Hilfsmittel“ der Erziehung bezeichnet, woraus ihr „am Elternrecht orientierter diakonischer Charakter“ folgt, wie ihn auch Gravissimum educationis betont.403 Bereits die Konzilsväter forderten den „Dialog der Generation.“404 In seinem Art. 6 unterstreicht Gravissimum educationis das Postulat für die freie Wahl der Schule, das bereits im Art. 5 der Erklärung über die Reli gionsfreiheit grundgelegt ist: „Parentes quibus primum et inalienabile officium et ius est filios educandi, in scholis eligendis vera libertate gaudeant oportet. Potestas publica igitur cuius est civium libertates tueri et defendere, iustitiae distributivae consulens curare debet, ut subsidia publica ita erogentur ut parentes pro filiis sius scholas, secundum conscientiam suam, vere libere selegere valeant.“ („Die Eltern, die zuerst und unveräußerlich die Pflicht und das Recht haben, ihre Kinder zu erziehen, müssen in der Wahl der Schule wirklich frei sein. Die Staatsgewalt, deren Aufgabe es ist, die bürgerlichen Freiheiten zu schützen und zu verteidigen, muß zur Wahrung der ‚austeilenden Gerechtigkeit‘ darauf sehen, daß die öffentlichen Mittel so verwandt werden, daß die Eltern für ihre Kinder die Schulen nach ihrem Gewissen frei wählen können“).405
Im Hinblick auf die Garantie der Religionsfreiheit einschließlich der Möglichkeit entsprechender Betätigung, wozu auch die religiöse Erziehung gehört, trifft den Staat keine Pflicht zur expliziten Bereitstellung eines be403 Mussinghoff, c. 796 Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 404 Ibid., Rz. 6. 405 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 138).
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung273
stimmten Angebotes. Demgegenüber hat der Staat einen Rahmenschutz zur Gewährleistung der elterlichen Wahlfreiheit zu implementieren. Insbesondere im Rahmen der öffentlichen Schule sieht sich die religiöse Erziehung mit dem Postulat des argumentierenden, interreligiösen und interkonfessionellen Diskurses konfrontiert, dem sich freilich auch die Privatschulen bewusst zu stellen haben. Im Rahmen dieser erscheint darüber hinaus die weitestgehende Vernetzung des Bildungsangebotes geboten und gerechtfertigt.406 Die Bedeutung der Theologie im Kontext der Erziehung kehrt sich gerade „unter den Bedingungen des nachmetaphysischen Denkens“ hervor.407 Der konfessionelle Religionsunterricht wurde vor dem Hintergrund eines kollektiven Bekenntnisses eingerichtet. Aufgrund der erfolgten Transformation zu einem individuellen, reflektierten Bekenntnis bedarf es entsprechender Anpassungen in der Konzeption.408 In diesem Kontext spricht Gravissimum educationis auch dem Staat eine angemessene Kompetenz zu: „Der Staat muß (…) die Befähigung der Lehrer und das Niveau der Studien überwachen, (…). Dabei soll er das Subsidiaritätsprinzip vor Augen haben unter Ausschluß jeder Art von Schulmonopol, das den angeborenen Rechten der menschlichen Person widerstreitet, dem Fortschritt und der Ausbreitung der Kultur, dem friedlichen Zusammenleben der Bürger und dem in sehr vielen Staaten heute herrschenden Pluralismus zuwiderläuft.“409 Die subsidiäre Stellung der Schule als Medium zur Erfüllung des staat lichen Bildungs- und Erziehungsauftrages lässt sich sehr treffend mit einem von Ernst-Wolfgang Böckenförde geprägten Wort beschreiben: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“410 In diesem Kontext gilt es, eine Kultur des Dialoges zu pflegen: „Die Schule muss durch die systematische und kritische Aneignung der Kultur in erster Linie zu einem privilegierten Ort ganzheitlicher Bildung und Förderung werden. Dies wird ihr vor allem durch eine intensive und lebendige Begegnung mit dem kulturellen Erbe gelingen.“411 Gravissimum educationis streicht die Bedeutung der Initiativen nationaler und internationaler staatlicher Autoritäten zur Förderung der Bildung und 406 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 183. S. 184. 408 Ibid., S. 185. 409 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 139). 410 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 60. 411 Aparecida 2007, Nr. 329. 407 Ibid.,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
kulturellen Teilhabe für alle Menschen dezidiert und im überkonfessionellen Kontext hervor.412 Die Lehrer werden als „Helfer der Eltern und Vertreter der menschlichen Gesellschaft“ bezeichnet. Ihr Beruf erfordere eine „sorgfältige Vorbereitung und die dauernde Bereitschaft zur Erneuerung der Anpassung.“413 Gravissimum educationis tritt für die Anerkennung von „Autoritäten und Gemeinwesen“ ein, die „dem Pluralismus der heutigen Gesellschaft Rechnung tragen, die gebührende religiöse Freiheit wahren und so den Familien dazu verhelfen, dass ihren Kindern in allen Schulen eine Erziehung nach den sittlichen und religiösen Prinzipien der Familie erteilt werden kann.“414 Nicht die sittlichen und religiösen Prinzipien der Kirche, sondern jene der Familie, werden primär betont. Gerade in der Anerkennung des Pluralismus als schützendem Rahmen für eine Entfaltung der persönlichen Freiheit liegt die Chance eines friedlichen Nebeneinanders differenter Religionen und Weltanschauungen. Die Anerkennung der Freiheit des Nächsten impliziert auch die Anerkennung des erforderlichen Raumes und der nötigen Mittel zur Verwirklichung.415 In diesem Kontext findet die Lehre der Kirche ihren angemessenen Platz und den Boden für die Entfaltung ihres transzendenten Gehalts. Prototyp hierfür ist die Familie. Die Komplementarität zwischen den Familien, dem munus docendi der Kirche und dem Staat brachte Papst Pius XI. wie folgt zum Ausdruck: „Der Staat hat nichts zu fürchten von einer Erziehung, die von der Kirche und unter ihrer Leitung vermittelt wird; diese Erziehung war es, die die moderne Kultur verbreitet hat in allem, was gut an ihr ist, in dem was zum Höchsten und Besten an ihr gehört. Die Familie hat sogleich verstanden, daß dem so ist, und von den ersten Tagen des Christentums bis in unsere Tage haben Väter und Mütter, sogar wenn sie selber nur wenig oder gar nichts glaubten, zu Millionen ihre Kinder den von der Kirche gegründeten und geleiten Erziehungsanstalten anvertraut.“416 In seinem Apostolischen Schreiben Catechesi Tradendae über die Katechese in unserer Zeit hielt Papst Johannes Paul II. den Vorteil der katholischen 412 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX. Rz. 134); vgl. Paul VI., Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen, 4. Oktober 1965, Oss. Rom. 6. Oktober 1965. 413 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976), (IX. Rz. 135). 414 Ibid., (IX, Rz. 142). 415 Ibid. 416 Pius XI., Chirographus, Die Souveränität der Kirche, Handschreiben an Kardinal-Staatssekretär Pietro Gasparri, bezüglich der Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Italien, 30. Mai 1929, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, III (1976), 2494 (XXIV, Rz. 81, 82).
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung275
Schulen fest: „Der Eigencharakter und das Wesen einer katholischen Schule, weshalb katholische Eltern ihr den Vorzug geben sollten, liegt gerade in der Qualität des Religionsunterrichts, der in die Gesamterziehung der Schüler integriert ist. Zwar müssen die katholischen Lehranstalten die Gewissensfreiheit achten, das heißt vermeiden, auf sie von außen her Druck auszuüben, sei er nun physischer oder moralischer Art, vor allem, was die religiöse Praxis der Jugendlichen angeht, doch obliegt ihnen die schwerwiegende Pflicht, eine religiöse Bildung anzubieten, die den oft sehr unterschiedlichen Situationen der Schüler angepaßt ist.“417 Somit steht der katholische Religionsunterricht in der steten Ambivalenz zwischen der Gewissensfreiheit des Einzelnen und dem Postulat eines Angebotes von besonderer Qualität. Darüber hinaus ist die Vermittlung religiösen Wissens in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen. Gefordert ist eine kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen. Einen wesentlichen Input erlangte der Religionsunterricht durch die Sozialenzykliken Rerum Novarum von Papst Leo XIII. 1891, Quadagesimo anno von Papst Pius XI. 1931 und Mater et magistra von Papst Johannes XXIII. 1961. Zunehmend erkannte die Kirche die Bedeutung gesellschaftlicher und ökonomischer Parameter für die Verwirklichung des Christseins in der Welt. Mit der Enzyklika Laudato si’ erweiterte Papst Franziskus dieses Spektrum des kirchlichen Lehramtes um die Komponente ökologischer Faktoren und kehrte seine Relevanz für die Generierung des Gemeinwohls als Postulat christlicher Lebensführung hervor. Damit vergrößerte sich der Radius reli giöser Erziehungsinhalte in bedeutsamem Ausmaß, zumal die konkrete Einbeziehung diesseitiger Lebensrealitäten gefordert wird. Hieraus ergibt sich das Erfordernis einer intensiven Vernetzung der unterschiedlichen Disziplinen der Bildung. Ein abstraktes Nebeneinander von Theologie und Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Ökologie und Ökonomie erscheint vor diesem Kontext defizitär. Ein Ausfluss des Elternrechts auf Erziehung ist der Anspruch der Eltern auf ihre Organisation in Elternvereinigungen. Sie haben das Recht auf Anhörung und auf die Äußerung ihres Erziehungswillens. Der CIC 1983 tritt für ein „gesellschaftliches Konzept von Schule“ ein und befürwortet ein „demokratisches Modell von Schulgemeinschaft“ auf der Ebene von Eltern und Lehrern, die jeder Partei eine ihren Lebensumständen entsprechende Wahrnehmung der eigenen Verantwortung ermöglicht.418
417 Johannes
Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 69. Die Privatschule als Ausformung des aus dem Elternrecht abgeleiteten Erziehungsanspruchs im kanonischen Recht, S. 280. 418 Katzinger,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Gemäß c. 796 § 2 ist eine umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Lehrern zu pflegen. Der Canon streicht insbesondere das Recht der Eltern auf „bereitwillige Anhörung“ hervor. Besonders die Einrichtung und Hochschätzung von Elternvereinigungen und Elternversammlungen soll diesem Zweck dienen. Gravissimum educationis betont das Erfordernis dieses Schwerpunktes: „Besonders mit den Eltern sollen sie (die Lehrer, Anm.) eng zusammenarbeiten (…).“419 Heinrich Mussinghoff gesteht den Eltern einen wohl aus der materiellrechtlichen Grundrechtsposition des elterlichen Erziehungsrechts und dem demokratischen Modellkonzept von Schulgemeinschaft im CIC 1983 abzuleitenden „Anspruch auf Einzelgehör in Fragen der Erziehung je ihres Kindes“ respektive im Rahmen der Schulgemeinschaft zu.420 C. 793 § 2 folgend, hat der Staat entsprechende Wahlmöglichkeiten bereit zu stellen. Gemäß c. 798 lastet die erste und letzte Verantwortung bei den Eltern. Mangelns entsprechendem Schulangebot müssen die Elterrn selbst für die katholische Bildung Sorge tragen. Alle Gläubigen haben gemäß c. 800 § 2 die Pflicht, katholische Schulen im Wege eines Beitrages zur Gründung und Erhaltung zu fördern. Zudem schreibt c. 799 die Verpflichtung aller Gläubigen zur Sorgetragung dahingehend vor, dass „die Gesetze über die Bildung der Jugendlichen auch deren religiöse und sittliche Erziehung nach dem Gewissen der Eltern in den Schulen selbst vorsehen.“ Der Canon unterstreicht den Vorrang der elterlichen Gewissensentscheidung betreffend sitt liche und religiöse Fragen auch im Inneren der Schule. Der Tenor des Schulrechts im CIC 1983 betont das Gewissen der Eltern als Maßstab für die schulische Erziehung. Damit korrespondiert auch das weltliche Recht auf Glaubensfreiheit. Bedauerlicherweise normiert der CIC 1983 kein Beteiligungsrecht der Schüler an den Mitwirkungsgremien der Schule. Dies befremdet insbesondere im Hinblick auf die vorhandenen Ansätze eines Kindschaftsrechts etwa in den folgenden Bereichen, die eine Normierung eines Mitwirkungsrechtes in schulischen Angelegenheiten jedenfalls gerechtfertigt erscheinen lassen: So normiert c. 111 § 2 das Recht des vierzehnjährigen, ungetauften Jugendlichen auf die Wahl des Ritus, c. 112 § 1 n. 3 das Recht des getauften vierzehnjährigen Jugendlichen bei vorherigem Rituswechsel der Eltern zum lateinischen Ritus zurückkehren zu dürfen, c. 1478 § 3 die begrenzte Prozessfähigkeit des Vierzehnjährigen, cc. 874 § 1 n. 2 und 893 § 1 die Befähigung des Sechzehnjährigen zum Patenamt und c. 1323 n. 1 die Straf
419 Zweites Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 145). 420 Mussinghoff, c. 796 Rz. 4, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici.
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung277
fähigkeit.421 Als Mindestmaß einer Beteiligung an der Schulgemeinschaft erscheint es auch im kanonischen Recht geboten, dem Kind ein Recht auf Anhörung zuzugestehen. Gemäß c. 802 § 1 ist es die explizite Aufgabe des Diözesanbischofs, die Einrichtung von Bekenntnisschulen zu forcieren. Gemäß c. 806 § 1 trifft ihn ein Aufsichts- und Visitationsrecht an den diözesanen, sowie nach Absprache gemäß c. 801 an den von Orden und Kongregationen geführten Schulen. C. 804 § 2 normiert das Recht auf religiöse Unterweisung durch die Auswahl geeigneter Lehrer. Erforderliche Qualifikationskriterien sind die Rechtgläubigkeit, ein christliches Lebenszeugnis sowie pädagogische Fähigkeiten. Im Gesamtkontext der Bildung geht es um die von c. 217 postulierte Förderung der menschlichen Reifung der Person.422 Das Werk der Erziehung hat ganzheitlich auf die Person in ihrer Komplexität, ihre individuelle und soziale Dimension und ihre übernatürliche Bestimmung zu wirken. Dies bedeutet, dass sich Bildung und Erziehung im Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen vollziehen und diese fördern. Im Rahmen der Präsentation des Briefes über die Erziehung vor der Diözese Rom wies Papst Benedikt XVI. auf die Rolle der in die Erziehung eingebundenen Personen hin und erinnerte daran, dass „sich auch die zu Erziehenden frei und verantwortungsbewusst für den Erziehungsprozess öffnen müssen.“ Ferner bezeichnete er die Bildung als einen „vollkommenen Prozess, der moralisches, kulturelles und geistliches Wachstum“ einschließe und als „Reichtum an Wahrheit, Güte und Schönheit, der in Jesus Christus seinen Eckstein findet.“423
2. Exkurs: Marchtalplan Der Marchtaler Plan ist der 1984 eingeführte Erziehungs- und Bildungsplan der katholischen freien Schulen in der deutschen Diözese RottenburgStuttgart und kann als vorbildhaftes Exempel eines zeitgemäßen katholischen Bildungskonzeptes angeführt werden. Er stellt ein wirksames Instrument zur Verwirklichung des katholischen schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags als Teilbereich der kulturellen Diakonie dar. Das Konzept entspricht einer Reform von unten. Nach Beseitigung der Bekenntnisschule in der NS-Zeit und dem Scheitern der bildungspolitischen 421 Mussinghoff, Einführung vor c. 796 Rz. 3, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 422 Seelinger, Bildung, S. 258. 423 Franziskus: Erziehung als Ort des Wahren, des Guten und des Schönen, http:// www.zenit.org/de/articles/papst-franziskus-erziehung-als-ort-des-wahren-des-gutenund-des-schonen (Stand 24. 06. 2014).
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Entwicklung in der Nachkriegszeit waren die Urheber des Marchtaler Planes mit der Frage konfrontiert, wie ein zeitgemäßes Bildungsangebot einer katholischen Schule konzipiert sein müsse, um eine breite Akzeptanz zu erfahren. Nach dem Krieg machte man sich in ganz Europa Gedanken über die Neugestaltung des Schulwesens. Exemplarisch angeführt sei die Äußerung der deutschen Bischöfe in einem gemeinsamen Hirtenbrief aus dem Jahr 1945: „Darum bestehen wir in Einmütigkeit und Übereinstimmung mit den Weisungen Papst Pius XI. in seiner herrlichen Erziehungsenzyklika auf der katholischen Schule für die katholischen Kinder. Wo keine Möglichkeit einer öffentlichen katholischen Schule gegeben ist, muß der Kirche die Freiheit bleiben, private katholische Volksschulen zu errichten (…). Wir stützen unsere Forderung auf unser durch Gesetz und Konkordat verbürgtes Recht. Wir erwarten von allen Gläubigen, daß sie unsere Bemühungen um die echte katholische Erziehung der Kinder nach Kräften unterstützen.“424 Die Erneuerung des katholischen Schulwesens wurde somit unter das Postulat des Elternrechts und des Reichskonkordats gestellt. Kirchliche und gesellschaftliche Veränderungen in den 70-er Jahren führten aufgrund entsprechender Weisungen der Kongregation für das Bildungswesen zu Profilierungsversuchen von katholischen Privatschulen. Die katholischen Bischöfe engagierten sich unentwegt für die Bekenntnisschule als Schulform erster Präferenz.425 Diese sollten den neuen kulturellen, gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedingungen Rechnung tragen.426 Das Spezifikum des Marchtalplanes besteht in der einzigartigen Verwirk lichung des Postulates eines Bildungs- und Erziehungsprogramms auf der Grundlage der Religions- und Bildungsfreiheit. Ausgangspunkt ist der Mensch im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung. Im Rahmen des vernetzten Unterrichts wird der Erwerb individueller Kompetenzen in den Kontext kontemporärer sozialer, ökologischer und ökonomischer Herausforderungen gestellt. Die pädagogischen Grundelemente des Marchtalplanes umfassen den Morgenkreis, die freie Stillarbeit und den vernetzten Unterricht sowie den Fachunterricht. Der Morgenkreis dient der Rhythmisierung und Ritualisierung und damit der Entwicklung einer eigenen Schulkultur. Das hermeneutische Konzept der freien Stillarbeit ist die verantwortete Freiheit (vgl. Gal. 5,13) und impliziert den Erwerb hoher Sozial- und Selbstkompetenz im Wege der Selbsttätigkeit des Menschen. Ihr existenzielles Prinzip ist die Selbsttätigkeit. Der vernetzte Unterricht erleichtert die Auseinander424 Meißner,
Vom Schulstreit zum Marchtaler Plan, S. 43. S. 54. 426 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Katholische Schule als Stätte der Menschwerdung, 1977 – Die Katholische Schule, Nr. 11. 425 Ibid.,
X. Hilfsmittel für die religiöse Erziehung279
setzung mit Sinnfragen durch die Verknüpfung anthropologisch-theologischer wie sachlich begründeter Zugänge. In allen Fächern wird davon ausgegangen, „Schule und Unterricht grundlegend vom Menschen her zu reflektieren.“ Stetes Fundament bildet die christliche Anthropologie, die den Menschen als ein einmaliges, unverwechselbares Geschöpf versteht, das „zur Freiheit berufen“ (Gal 5,13) ist. Sohin ist in der „Frage nach der verantworteten Freiheit als der Frage nach dem Menschen das Kernanliegen des Gesamtkonzeptes des Marchtaler Plans“427 auszumachen. Modernen pädagogischen Ansätzen wird anerkennend Rechnung getragen. Zuerst wird das Erfordernis der Förderung der „körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen“ angeführt, mit dem Ziel, dass die Kinder und Jugendlichen „allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein für ihr eigenes Leben und seine im steten Streben zu leistende Entfaltung erwerben, daß sie in der wahren Freiheit wachsen und tapfer und beharrlich alle Schwierigkeiten und Widerstände überwinden.“ Erwähnt wird die altersgemäße „positive und kluge Sexualerziehung“. Außerdem geht es um die Vorbereitung auf die „Teilnahme am sozialen Leben“, die Ausstattung mit dem „notwendigen und geeigneten Rüstzeug, das dazu befähigt, sich in die verschiedenen Bereiche der menschlichen Gemeinschaft aktiv einzugliedern.“428 Damit begegnet der Marchtalplan der in der Erklärung Gravissimum educationis formulierten „Bitte“ an die Staatenlenker und Erzieher, hinsichtlich des Rechtes der Kinder und Jugendlichen auf Erziehung entsprechend Sorge zu tragen, sodass diese „die moralischen Werte nach rechtem Gewissen beurteilen (…) lernen.“429 Der Marchtalplan begegnet in vorbildhafter Weise dem den Religionsunterricht allgemein treffenden Erfordernis „einer Synthese von Information und Verkündigung, die sich an der allgemeinen Schuldidaktik orientiert und den Anforderungen moderner Pädagogik entspricht.“430 „In diesem Sinn ist Religionsunterricht nicht allein aus dem kirchlichen Verkündigungsauftrag abzuleiten, sondern es gilt, ihn als Teil des gesamten schulischen Unterrichts im Konnex mit den allgemeinen Schulzielen zu begründen und zu gestal ten.“431 Der Marchtalplan unterstreicht die Eigenverantwortlichkeit des Schülers und erleichtert es, dem katholischen Erziehungsziel adäquat zu begegnen. Dieses verlangt auch eine Offenheit gegenüber andersgläubigen oder konfessionslosen Schülern. Das Besondere am Marchtalplan ist, dass es sich um das erste umfassende pädagogische Konzept handelt, in dem sich die 427 Gerst,
Marchtaler Plan, http://www.marchtaler-plan.de/ (Stand 19. 12. 2005). Vatikanisches Konzil, Gravissimum educationis, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) (IX, Rz. 129). 429 Ibid., Rz. 130. 430 Schinkele, Religionsunterricht – ein Privileg der Kirchen und Religionsgesellschaften?, S. 191 (203). 431 Ibid., S. 204. 428 Zweites
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
erziehungs- und bildungsmäßigen Grundlegungen der katholischen Kirche mit den Grundsätzen der modernen Pädagogik, die vom Kind ausgeht und dieses in die Mitte stellt, verbindet. Das Bildungskonzept des Marchtalplanes sieht eine intensivere Einbeziehung der Eltern vor, als es die allgemeinen gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen vorsehen. Die Mitwirkung ist sowohl im Hinblick auf pädagogische als auch personelle Fragen sowie betreffend die Aufnahme von Schülern möglich.432 Der Marchtalplan verwirklicht die pädagogischen Konzepte von Ellen Key (1849–1926), Maria Montessori (1870–1958) und Janusz Korczak (1878– 1942), die allesamt die Betrachtung des Kindes als vollwertigen, eigenberechtigten Menschen propagieren.433 Grundprinzip des pädaogischen Konzeptes ist das zur Freiheit berufene Kind. Das Konzept verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und ist auf eine umfassende personale und soziale Erziehung ausgerichtet.434 Der vernetzte, fächerübergreifende, religiöse, ethische und abstrakte Inhalte verbindende Unterricht entspricht einerseits dem Pluralismus innerhalb der gegenwärtigen Welt und wird andererseits dem Postulat des Erwerbes von Wissen und refelektierter Urteilskompetenz im individuellen Kontext glaubensmäßiger Selbstfindung gerecht. Das Konzept impliziert die vom Kind ausgehende Formel der Reformpädagogik des 20. Jahrhunderts. Ziel ist die Förderung der Individualität und Personalität durch die Vermittlung der Kompetenz für verantwortliches Handeln nach dem eigenen Willen. Diese Grundlegung entspricht den drei Prinzipien der katholischen Soziallehre: Personalität, Subsidiarität und Solidarität.435 Der Marchtalplan nimmt „(…) inmitten der Brisanz der modernen Welt die Würde des Menschen, sein Personsein, seine Freiheit und seine Verantwortung so zum Inhalt von Erziehung und Bildung, dass junge Menschen davon ergriffen und durchformt werden.“436 Fokussiert wird kein subjektives Bildungsideal, sondern die Orientierung am gemeinen Wohl und die damit in Zusammenhang stehende soziale Einbindung des Menschen in den gesellschaftlichen Kontext. Hierbei geht es nicht um Gehorsam und Unterordnung, sondern um Freiheit und Verantwortung.
432 Walther,
Der Marchtaler Plan, S. 194, 195. S. 175–185. 434 Ibid., S. 61, 62. 435 Ibid., S. 32. 436 Bischöfliches Schulamt der der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Erziehungs- und Bildungsplan für die Katholischen Freien Grund- und Hauptschulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (2002), S. 10. 433 Ibid.,
XI. Zur themenspezifischen Relevanz von Festen und Feiern 281
3. Medien Art. 3 des des konziliaren Dekrets über die sozialen Kommunikationsmittel, Inter mirficia437, aus dem Jahr 1964 und c. 822 § 1 qualifizieren die sozialen Kommunikationsmittel als Instrumente zur Erziehung. Gemäß Art. 13 des bezeichneten Dekrets sind diese Instrumente insbesondere auch durch die Hirten selbst zu nützen. Art. 16 schreibt es dem Religionsunterricht zu, den rechten Umgang mit den Kommunikationsmitteln zu lehren. Die im Jahr 1971 auf Grundlage des Dekrets ergangene Instruktion, Communio et pro gressio, beschreibt die Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel für die Evangelisierung: „Die Instrumente der sozialen Kommunikation erhalten auf dem weiten Gebiet der menschlichen Erziehung immer umfangreichere und größere Aufgaben.“438 Insbesondere ermöglichen die sozialen Kommunika tionsmittel die Betätigung des Rechts auf Information. Im Gesamten ist es unumgänglich, die realen gesellschaftlichen Parameter in den Blick zu nehmen, um den unverzichtbaren Umgang mit den sozialen Medien im religiösen Erziehungs- und Bildungskontext in adäquater Weise vollziehen zu können. Dies impliziert eine Abwägung von Pros und Contras. Einserseits stellen soziale Kommunikationsmittel wertvolle Medien zur Vermittlung erzieherischer Inhalte dar, andererseits bergen sie auch Gefahren, weshalb das Erlernen des rechten Umgangs seitens der Erziehungsträger und seitens der Kinder als Adressaten erforderlich ist.
XI. Zur themenspezifischen Relevanz von Festen und Feiern Die Heranführung an die Sakramente impliziert die Konfrontation mit Symbolen und Zeichen als einer „Art Sprache.“439 Diese stellen somit eine Form der Kommunikation und damit ein implizites Instrument der Erziehung dar. Im Kontext der religiösen Erziehung ist der Bedeutung von Festen und Feiern innerhalb und außerhalb der Liturgie daher ein hoher Wert beizumessen. Die Reise der Heiligen Familie nach Jerusalem aus Anlass des Paschafestes brachte den Sohn in die Gelegenheit der Teilnahme am „Katechismus437 Konzil, II., Inter mirifica, http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_ vatican_council/documents/vat-ii_decree_19631204_inter-mirifica_ge.html (abgefragt am 29. 10. 2015). 438 Vat., II, Pastoralinstruktion Communio et progressio. Über die Instrumente der sozialen Kommunikation, 23. Mai 1971, http://www.Vatican.va/roman_curia/ponti fical_councils/pccs/documents/rc_pc_pccs_doc_23051971_communio_ge.html (abgefragt am 29. 10. 2015). 439 Beck, Leben wie geht das?, S. 49.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Unterricht“ der Schriftgelehrten im Tempel. In diesem Kontext qualifizierte Papst Johannes Paul II. die Feste als „in der Tat passende Anlässe zur Weitergabe des Glaubens an die Kinder, die ungefähr in Jesu Alter waren.“440 In seinem Schreiben über die Katechese in unserer Zeit, Catechesi Tradendae, konstatierte Papst Johannes Paul II.: „Feste und wohlbedachte Überzeugungen führen zu mutigem, klarem Handeln. (…) Diese Katechese prägt sich stärker aus, wenn im Rhythmus der Familienereignisse wie beim Sakramentenempfang, bei der Feier der großen liturgischen Feste, bei der Geburt eines Kindes oder bei einem Trauerfall in der Familie der christliche oder religiöse Sinn dieser Ereignisse sorgfältig erklärt wird.“441 Die Erziehung als Anteilnahme an der Verkündigung der Heilsgeheimnisse kann nicht in einem abstrakten und isolierten Rahmen vollzogen werden. Das Zweite Vatikanische Konzil hebt die Bedeutung der Teilhabe aller Gläubigen an den tria munera, dem munus regendi, dem munus docendi und dem munus sanctificandi hervor und betont die Relevanz der communio cum Deo sowie communio fide lium im Sinne eines dialogischen Verhältnisses zur Realisierung der Ecclesia. Im Anschluß an die Bezugnahme auf die drei Dienste betont c. 204 die allgemeine Sendungsverantwortung. C. 208 spricht schließlich die „wahre Gleichheit“ an und stellt diese in den Kontext des „secundum propriam conditionem et munus.“ Wenn c. 837 § 2 eine „gemeinsame Feier“ der liturgischen Handlungen verlangt, so impliziert dies eine entsprechende Hinführung im Rahmen der Erziehung. C. 835 § 4 konkretisiert die in c. 208 angesprochene Stellung und Aufgabe der Eltern im Rahmen ihrer Erziehungsverantwortung: „An dem Heiligungsdienst haben auch die übrigen Gläubigen den ihnen eigenen Anteil, indem sie sich auf ihre Weise tätig an den liturgischen Feiern, besonders an der Feier der Eucharistie, beteiligen; auf besondere Weise haben an demselben Dienst die Eltern Anteil, indem sie ihr Eheleben in christlichem Geiste führen und für die christliche Erziehung ihrer Kinder sorgen.“ Zumal die Wahrnehmung der Erziehungsaufgabe durch die Eltern zum einen keinen ausschließlichen Gegenstand der amtlichen Lehrverkündigung bildet und zum anderen unbeschadet dessen eine Hinführung zur Teilnahme und Anteilhabe an der Liturgie sowie zu den Sakramenten und damit zu ihren Festen und Feiern impliziert, bildet eine „gewisse Entfaltung des kulturellen Lebens (…) eine Voraussetzung für die Verkündigung des Evangeliums.“442 In diesem Zusammenhang erscheint die Entfaltung einer Familienkultur unter Einschluss der Aufnahme von Ritualen, von Festen und 440 Johannes Paul II., Brief an die Kinder, 13. Dezember 1994, http://www. vatican.va/holy_father/john_paul_ii/letters/1994/documents/hf_jp-ii_let_13121994_ children_ge.html (Stand 19. 04. 2013). 441 Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 68. 442 Katzinger, Aspekte kultureller Diakonie im geltenden kanonischen Recht, S. 421 (422).
XII. Auswirkungen des staatlichen Kirchenaustritts283
Feiern, vor dem Hintergrund des Procederes des Kirchenjahres geboten, zumal es c. 225 § 2 folgend jedem Gläubigen aufgetragen ist, „gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evange liums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und so in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen.“ Gemäß c. 529 § 1 soll der Pfarrer „seine Aufgabe darin sehen, die Ehegatten und Eltern bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu stützen und die Vertiefung eines christlichen Lebens in der Familie zu fördern.“ C. 1063 n. 4 verpflichtet die Seelsorger zur Ehe- und Familienpastoral, sodaß die Ehegatten durch ihre Hilfe zu einer „von Tag zu Tag heiligeren und vollkommeneren Lebensführung in der Familie gelangen.“ Somit ist nicht nur den Gläubigen die tätige Anteilnahme am amtlichen Gottesdienst aufgetragen, sondern ist es auch den Seelsorgern, respektive dem Pfarrer aufgetragen, am Leben der Familie zu partizipieren und sich aktiv in ihren Dienst zu stellen. Schließlich betont c. 1248 § 2 die Bedeutung des Gebetes in der Familie und in Familienkreisen als tragendes Element der communio.
XII. Auswirkungen des staatlichen Kirchenaustritts auf die Erziehungspflicht Der dem c. 11 CIC 1983 implizite Grundsatz semel catholicus semper catholicus bezeichnet den mit der Taufe begründeten und daher unaufhebbaren Rechtstatus des Gläubigen und seine bleibende Unterstellung unter das kanonische Recht. Dies impliziert den Fortbestand der Verpflichtung zur religiösen Erziehung. Unter Berücksichtigung der angemessenen Maßgeblichkeit der persönlichen Gewissenentscheidung ist daher davon auszugehen, dass die Eltern gehalten sind, die Möglichkeit des Kindes zur Glaubenserfahrung zu gewährleisten. Ausgehend von dem im character indelebilis der Taufe wurzelnden „unauslöschlichen Prägemal des Taufsakramentes“ kennt das katholische Kirchenrecht keinen Kirchenaustritt, sondern nur einen Abfall von der Kirche als formalen Akt in Analogie zu den cc. 1086, 1117 und 1124 CIC 1983. Damit dieser als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia qualifiziert werden kann, bedarf es nach einer von Papst Benedikt XVI. approbierten Notifikation des Päpstlichen Rates für die Gesetzes texte,443 die von den drei die plena communio begründenden vincula Glaube, Sakramente und pastorale Leitung ausgeht, gemäß c. 205 CIC 1983 einer 443 Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica, http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_ councils/intrptxt/documents/rc_pc_intrptxt_doc_20060313_actus-formalis_ge.html (Stand 09. 02. 2015).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
entsprechenden inneren Entscheidung, der Bekundung dieser, sowie der Annahme der Bekundung. Erst in der Folge kann ein Eintrag im Taufbuch vorgenommen werden.444 Nach dem im katholischen Kirchenrecht geltenden Grundsatz des semel catholicus semper catholicus ist ein Austritt somit nur auf staatskirchenrechtlicher Ebene möglich. Zu klären bleibt, ob die ausgetretene Person den Tatbestand des Schismas gemäß c. 751 CIC 1983 erfüllt und somit mit der Tatstrafe der Exkommunikation gemäß c. 1364 § 1 CIC 1983 zu belegen ist:445 „Die Achtung vor der Würde der Person kann aber niemandem abgesprochen werden, auch nicht nach einer Entscheidung wie zum Beispiel dem Kirchenaustritt. Die Würde der Person, auch der konfessionslosen und der nichtchristlichen Person gilt es zu schützen.“446 Josef Listl sieht im Kirchenaustritt einen Verstoß gegen c. 209 § 1 CIC 1983. Der Verstoß gegen die darin normierte allgemeine Grundpflicht zur Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche habe die Unvereinbarkeit mit weiteren Pflichterfüllungen nach den cc. 210, 211, 212 sowie 222 CIC 1983 in Verbindung mit den cc. 1261 § 2, 1262, 1263 CIC 1983 und schließlich den Verlust der Rechte gemäß den cc. 212 §§ 2 und 3, 214, 215, 216 sowie endlich der cc. 224 bis 231 CIC 1983 zur Folge.447 Nach Reinhild Ahlers lassen sich für den nach kanonischem Recht nicht anerkannten Austritt eines Katholiken keine allgemein gültigen Kriterien für einen Ausschluss vom Patenamt festmachen. Vielmehr habe die Beurteilung jeweils auf der Grundlage individueller Umstände zu erfolgen.448
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 1. Allgemeines und verfahrensrechtliche Grundlagen C. 221 CIC 1983 normiert eine allgemeine Rechtsschutzgarantie zugunsten der Gläubigen.449 C. 221 § 1 gesteht den Gläubigen zu, „ihre Rechte, die sie in der Kirche besitzen, rechtmäßig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor der zuständigen kirchlichen Behörde zu verteidigen.“ Der kirchliche Gesetzgeber präzisiert diese Aussage nochmals im Prozess444 Loretan,
Religionen im Kontext der Menschenrechte, S. 81, 88. S. 82. 446 Ibid., S. 87. 447 Listl, Die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts in der staatlichen und kirchlichen Rechtsordnung, S. 163–166. 448 Ahlers, Das Tauf- und Firmpatenamt im Codex Iuris Canonici, Rz. 37. 449 Heinemann, Recht und Rechtsschutz im neuen kirchlichen Gesetzbuch, S. 331. 445 Ibid.,
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 285
recht, wenn er gemäß c. 1491 normiert, dass „jedwedes Recht (…) nicht nur durch die Klage, die actio, sondern auch durch die Einrede, die exceptio, geschützt ist“. Zur Frage des Rechtsschutzes kann allgemein ausgeführt werden, dass grundsätzlich jedem Christgläubigen gemäß den c. 1400 §§ 1 und 2 und c. 1491 der Gerichtsweg offensteht.450 Nach c. 1476 verfügen auch Nichtgetaufte über eine Klagslegitimation.451 Die bereits relevierte, von Rudolf Sohm zu Beginn des 20. Jahrhunderts vehement artikulierte, grundsätzliche Kritik an der Existenz eines kirchlichen Rechtssystems ist abzulehnen. Das Zusammenleben in der zivilen Gesellschaft braucht einen Ordnungsrahmen, der Orientierungs- und Schutzfunktion gerade vor dem Hintergrund der auch für die communio ecclesiae maßgebenden persönlichen Freiheit des Einzelnen hat. Basierend auf der selbst nie in Kraft getretenen Lex Ecclesiae Fundamen talis Papst Paul VI.’ sind materielle, grundrechtliche Normen im Kodex von 1983 vor allem in den ersten beiden Titeln des ersten Teils des zweiten Buches über das Volk Gottes enthalten. Weitere finden sich fragmentarisch vertreut auch in anderen Teilen des CIC 1983. Die kanonische Rechtsordnung verfügt über keinen den weltlichen Rechtssystemen vergleichbaren Stufenbau. Dementsprechend sind der Rechtsschutz und die Verfahrensgarantien nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Bereits die Bischofssynode von 1967 hatte den verfahrensrechtlichen Schutz subjektiver Rechte der Christgläubigen gefordert.452 Das differenzierte und detaillierte Regelwerk des CIC 1983 zum Schutz subjektiver Rechte findet vornehmlich im Eheprozess Anwendung. Dementsprechend ist die Römische Rota hauptsächlich mit Entscheidungen in Ehesachen befasst.453 Vor allem in diesem Kontext ist der themenspezifische Bereich der religiösen Kindererziehung in der kanonistischen Praxis berührt. Urteile können mit der appellatio beim nächsthöheren Gericht bekämpft werden. Ergeben sich Streitigkeiten jedoch aus einer Maßnahme im Rahmen der Ausübung von potestas exsecutiva, so können diese gemäß c. 1400 § 2 CIC 1983 „nur einem Oberen oder einem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden.“ Mangels Existenz eines Verwaltungsgerichtes kommt in der Praxis allerdings nur der recursus hierarchicus in Betracht. Die mangelnde Bekämpfbarkeit eines Verwaltungsaktes durch eine actio oder eine apellatio ist insofern problematisch, weil oft subjektive Rechte betroffen 450 Lüdicke, Einführung vor c. 208, Rz. 6, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 451 Heinemann, Recht und Rechtsschutz im neuen kirchlichen Gesetzbuch, S. 333. 452 Lüdicke, Einführung vor c. 208 Rz. 3, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 453 Heinemann, Recht und Rechtsschutz im neuen kirchlichen Gesetzbuch, S. 336.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
sind, deren Gewährleistung im Wege des hierarchischen Rekurses nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann.454 Zudem ist die Interpretation des Adressaten des recursus hierarchicus schwierig. Themenspezifisch relevant ist dies etwa, wenn der Pfarrer eine Entscheidung zugunsten eines Taufaufschubes gemäß c. 868 § 1 n. 2 ausspricht. Hier stellt sich die Frage, ob der Diözesanbischof als superior hierarchicus anzusehen ist. Dies ist nur unter der Prämisse denkbar, dass der Pfarrer als hierarchicus anzusehen ist, wovon nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann. Wird der Diözesan bischof als hierarchicus angesehen, fungiert der Papst als superior hierarchi cus.455 Gemäß c. 1419 § 1 entscheidet der Diözesanbischof in gerichtlichen Angelegenheiten in erster Instanz.456 Eine allfällige Berufung ist gemäß c. 1438 an das Metropolitangericht zu richten.457 Eine Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs durch einen Kleriker mit einem Minderjährigen unter 16 Jahren gemäß c. 1395 § 2 fällt nach c. 1362 § 1 n. 1 in die direkte Zuständigkeit der Glaubenskongregation.458 Im Hinblick auf die Strafbestimmungen wird die gemäß c. 17 normierte allgemeine Interpretationsregel des CIC 1983 im nachfolgenden c. 18 dahingehend relativiert, als diese einer engen Auslegung unterliegen.459 Zu relevieren ist zudem c. 1323 n. 2. Nach dem kanonischen Recht setzt eine Straffreiheit die schuldlose Unkenntnis eines Gesetzes voraus. Unachtsamkeit und Irrtum werden der schuldlosen Unkenntnis gleichgestellt.460 Das kanonische Recht beobachtet nicht nur die äußeren Tatbestandsmerkmale, sondern blickt auch auf den Willen als inneren Tatbestand. Dieser vornehmlich strafrecht liche Bereiche tangierende Ansatz übertrug sich in die nationalen Rechtsordnungen461 und hat im themenspezifischen Kontext eine herausragende Bedeutung, zumal der Moment der Freiheit in der Gewissens- und Glaubensentscheidung tangiert ist. Gemäß c. 1478 § 1 können Minderjährige vor Gericht grundsätzlich nur durch die Eltern oder die an ihre Stelle Tretenden handeln. In dem Falle, dass es um die Rechte des Minderjährigen gegenüber den Erziehungsberechtigten geht oder dass diese seine Rechte nicht hinreichend verteidigen können, hat das Gericht einen Vormund oder Pfleger zu bestellen. Von herausragender 454 Ibid.,
S. 341. S. 342. 456 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 457 Ibid. 458 Lüdicke, Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Bd. 6 (1943–) Titel V, Zuständigkeit der Glaubenskongregation, Rz. 1, 2. 459 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 460 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012 461 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 42. 455 Ibid.,
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 287
Bedeutung ist c. 1478 § 3. Soweit es sich um geistliche oder mit diesen zusammenhängende Sachen handelt, sind des Vernunftgebrauchs mächtige Minderjährige selbst klagslegitimiert und prozessfähig. Eine Zustimmung der Eltern oder des Vormundes ist nicht erforderlich. Vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahres ist dem Minderjährigen vom Gericht zu seiner Verantwortung ein Pfleger beizugeben. Nach c. 1479 ist die Zulassung eines von weltlicher Seite eingesetzten Pflegers oder Vormundes nach Anhörung des Diözesanbischofs möglich. Gemäß c. 1481 § 3 hat das Gericht für den Minderjährigen zudem von Amts wegen einen Verteidiger zu bestellen, der ihm im gerichtlichen Verfahren beizustehen hat. C. 1344 legitimiert den Richter zur Entscheidung nach freiem Ermessen selbst für den Fall, dass das Gesetz eine explizite Anordnung vorschreibt. N. 2 leg. cit. gestattet es dem Richter zudem, von der Verhängung einer Strafe überhaupt abzusehen, eine mildere Strafe zu verhängen oder eine Buße unter der Prämisse aufzuerlegen, daß seitens des Schuldigen bereits eine Besserung eingetreten ist, das Ärgernis behoben wurde oder bereits die Bestrafung durch eine weltliche Autorität gegeben oder zu erwarten ist. Nach den Arten der Strafe differenziert das kanonische Strafrecht zwischen Beugestrafen, Strafsicherungsmitteln oder Bußen und Sühnestrafen. C. 1312 § 2 umschreibt die Strafe als „Entziehung eines Gutes, über das die Kirche verfügen kann.“462 Eine konkretere Definition der Strafe per se findet sich im CIC 1983 nicht und muss somit in der Lehre gefunden werden. Das spezielle kanonische Strafrecht kennt sieben Deliktskategorien. Gegenständlich relevant ist die erste, die cc. 1364 bis 1399 umfassende Kategorie betreffend „Glaube und Einheit der Kirche.“463
2. Zur strafrechtlichen Relevanz der nichtkatholischen Taufe oder Erziehung C. 1366 CIC 1983 enthält eine Strafdrohung für die Veranlassung einer Taufe, die nicht den katholischen Vorgaben entspricht. Die Gültigkeit einer solchen Taufe bleibt von der strafrechtlichen Sanktion unberührt. Des Weiteren sanktioniert c. 1366 die Veranlassung der nichtkatholischen Erziehung. Strafbar ist nicht die Unterlassung, sondern die vorsätzliche Veranlassung der nichtkatholischen Taufe oder Erziehung. Die Verpflichtungskraft des c. 1366 trifft gemäß c. 11 nur Angehörige der Katholischen Kirche. Die Grenze des Forderbaren bildet c. 1125 n. 1, wonach der katholische Ehepartner das Versprechen abzugeben hat „nach Kräf462 Sebott, 463 Ibid.,
Das kirchliche Strafrecht, S. 24 ff. S. 155.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
ten alles zu tun, daß alle seine Kinder in der katholischen Kirche getauft und erzogen werden.“ In einer Wegweisung des ehemaligen Bischofs von Münster, Reinhard Lettmann, plädierte dieser vor dem Hintergrund der beiderseits zu respektierenen Gewissensverpflichtung der konfessionsverschiedenen Ehepartner dafür, das Postulat der „bestmöglichen religiösen Erziehung“ in die Mitte zu stellen.464 Der im Textentwurf des c. 1366 auf Wissen und Vorsatz abstellende, vorgeschlagene Zusatz „sponte et scienter“ wurde nicht in die Endfassung aufgenommen. Möglicherweise suchte man damit die Problematik der Erziehung in konfessions- oder religionsverschiedenen Ehen zu berücksichtigen. Trotzdem wurde der normative Gehalt leg. cit. zu einem der meistdiskutierten Straftatbestände des kirchlichen Strafrechts. Das Brautexamensprotokoll der Deutschen Bischofskonferenz spricht im themenspezifischen Kontext der religiösen Erziehung von einem „sittlichen Gebot.“ Liberaler formuliert es die Österreichische Bischofskonferenz, wenn sie von einer „Forderung des Glaubens (…) unter Rücksichtnahme auf das Gewissen des Partners“ spricht. Die innerhalb der Kirche vertretene Überzeugung der Freiheit des Gewissens impliziert, dass jeder für die Erziehung eines Kindes Verantwortliche verpflichtet ist, seinen als wahr erkannten Glauben weiterzugeben.465 Die im kanonischen Strafrecht prinzipiell vorausgesetzte Zurechenbarkeit kommt im gegenständlichen Fall nur insoweit zum Tragen, als ungeachtet der Verwirklichung des Tatbestandes einer nichtkatholischen Taufe oder Erziehung von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen ist. Das tatbestandsmäßige tradere erfüllt sich nicht mit dem Wissen oder Zulassen, sondern erst mit der Veranlassung aus Eigenem und kommt auch dann nur zum Tragen, wenn jede Einschränkung der Freiheit der Erkenntnis oder des Willens ausgeschlossen werden kann. Im Zusammenhang mit der Taufe kann das tradere als Beauftragen verstanden werden, womit sich freilich nicht notwendigerweise ein tatbestandsmässiger, gehobener Vorsatz verbindet. Nach Hans Paarhammer ist die Nicht-Taufe von Kindern katholischer Eltern jedenfalls nicht tatbestandsmässig.466 Der Terminus „tradunt“ gemäß c. 1366 impliziert somit, dass eine Verwirklichung des Deliktes nur vorsätzlich begangen werden kann. Die – wenn auch vorsätzliche – Unterlassung einer katholischen Taufe oder Erziehung der Kinder ist nicht tatbestandsmäßig und bleibt straffrei, soweit die Taufe oder Erziehung in einer nichtkatholischen Religion unterbleibt. Nach Art der verhängten Strafe handelt es sich 464 Grote, Evangelische Rückfragen und Erwägungen zum kirchlichen Eherecht, S. 94, zitiert nach: Wegweisung für die Ökumene am Ort. Eine Handreichung für die Gemeinden, Münster 1984, hier S. 18 Abs. 5.34. 465 Lüdicke, c. 1366 Rz. 1, 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 466 Ibid., Rz 4.
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 289
um eine „bestimmte und verpflichtende Spruchstrafe.“467 „Da es sich um ein Vergehen von Laien handelt, wird als mögliche Zensur zunächst an das Interdikt zu denken sein. Die Exkommunikation scheint doch etwas zu scharf zu sein, wenn man nicht von einer Zensur überhaupt absehen will und es bloß bei einer ‚alia iusta poena‘, die als Alternative möglich ist, belassen will. Worin eine solche ‚gerechte‘ Strafe allerdings bestehen soll, ist nicht leicht vorstellbar.“468 Das Interdikt bedeutet die Versagung der Sakramente. C. 2319 § 1 n. 1 CIC 1917 bestrafte den eine konfessionsverschiedene Ehe eingehenden Katholiken mit der Exkommunikation. Dieselbe Strafdrohung galt gemäß n. 2 für die zumindest teilweise Vereinbarung der akatholischen Kindererziehung, für die vorsätzliche akatholische Taufe gemäß n. 3 und für die wissentlich akatholische Kindererziehung gemäß n. 4. Zudem normierte § 2 leg. cit. explizit den kirchenrechtlichen Straftatbestand der Häresie gemäß c. 235 CIC 1917. Matrimonia mixta hob diese Normen rückwirkend auf. Der Anwendungsradius gemäß c. 1125 n. 1 CIC 1983 erschöpft sich in einem nach Kräften – pro viribus – getätigten Versprechen des Bemühens um die katholische Taufe und Erziehung der Kinder. Die Gegenüberstellung der cc. 1366 und 1125 n. 1 ergibt, dass die Verwirklichung eines Straftatbestandes gemäß c. 1366 aktives, tatbestandsmäßiges Zutun bedingt469. Gemäß c. 1341 soll die Verhängung von Strafen das letzte Mittel sein.470 Nach c. 1321 § 1 bilden Vorsatz, dolus, und schwere Schuld, gravis imputabilitas, die Voraussetzungen für die Verhängung einer Kirchenstrafe, diese liegen hier nicht vor. C. 1366 beschränkt die Strafdrohung auf jene Fälle, in denen die Kinder zur nicht katholischen Taufe oder Erziehung hingegeben werden, maßgeblicher Terminus ist somit das tradere. Danach schließt bereits das vorhandene Bemühen des katholischen Teils um die katholische Taufe und Erziehung die Verhängung einer Strafe aus. Schließlich ist anzumerken, dass die persönliche schwere Schuld in einem eigenen Verfahren nachzuweisen wäre, zumal nicht eine poena latae sondern eine poena ferendae sententiae angedroht wird.471 Im Ergebnis erinnert c. 1366 CIC 1983 dennoch an c. 2319 § 1 n. 3, 4 CIC 1917 und erscheint im Hinblick auf Matrimonia mixta als merkwürdiger „Formelkompromiß“.472 Vor dem Hintergrund der 467 Sebott,
Das kirchliche Strafrecht, S. 164, 165. Das spezielle Strafrecht des CIC, S. 403 (423). 469 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 443 ff. 470 Lüdicke, Titulus V, De Poenis Applicandis/Titel V, Verhängung von Strafen, Rz. 1, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 471 Geringer, Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 75. 472 Grote, Evangelische Rückfragen und Erwägungen zum kirchlichen Eherecht, S. 90. 468 Paarhammer,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde c. 1366 auf breiter Ebene kritisiert.473 C. 1366 fordert die vorsätzliche Begehung der Tat.474 Zu relevieren ist stets „la gravitá oggettiva per imporre la pena adeguata.“475 Allein aus der Wissentlichkeit folgt keine Strafbarkeit.476 Nach einem materiellen Gesetzesverständnis ist die Strafbarkeit gemäß c. 1366 auf die vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandes beschränkt. Das im Kontext mit dem in c. 1125 normierten Gebot eines Bemühens „nach Kräften“ entbindet den katholischen Teil im Hinblick auf das im Strafrecht zur Anwendung zu bringende Günstigkeitsprinzip bereits auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, sodass die Ebene einer Schuldfrage gar nicht erreicht wird. C. 1366 stellt auf die cc. 867 und 868 über die katholische Taufe beziehungsweise den c. 793 über die katholische Erziehung ab. Aufgrund der auch nach getätigtem Bekenntnis im Letzten zu gewährleistenden Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl. c. 748 § 1) erscheint im Konnex des c. 1366 gegenüber c. 1125 n. 1 – der Erziehung in konfessions- oder religionsverschiedenen Ehen „nach Kräften“ – in Anbetracht speziell gelagerter Einzelfälle ein impliziter Ausnahmetatbestand im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes gegenüber den Straftatbeständen des c. 1366 vertretbar zu sein. Zumal das tradere nicht nur als schlichtes Überlassen, sondern als nur mit implizitem Vorsatz verwirklichbar verstanden wird, fehlt es im ersteren Fall bereits an der Rechtswidrigkeit, infolgedessen die Prüfung eines Rechtfertigungsgrundes entfällt.477 C. 1366 in Verbindung mit c. 798 sanktioniert die Veranlassung der nichtkatholischen Erziehung im Rahmen der Schule.478 Soweit den Eltern die Option der katholischen Schulerziehung nicht offensteht, „sind sie verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die erforderliche katholische Erziehung außerhalb der Schule geschieht.“ Demzufolge verlangt c. 798 das aktive Zutun zur Erwirkung einer katholischen Erziehung. Die Strafdrohung des c. 1366 richtet sich gegen die Religion und die Einheit der Kirche. Das kirchliche Strafrecht des CIC 1983 weist gegenüber dem CIC 1917 eine weitgehende Vereinfachung auf.479 Es versteht sich als 473 Krätzl, Nachkonziliare rechtliche Entwicklung konfessionsverschiedener Ehen in Österreich, S. 57. 474 Chiappetta, Il Codice di Diritto Canonico, S. 500, Rz. 4478. 475 Arrieta, Codice di Diritto Canonico, S. 912. 476 Pinto, Commento al Codice di Diritto Canonico, S. 802. 477 Lüdicke, c. 1366 Rz. 3, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. 478 Fürst, Auf dem Weg zum Schulfrieden in Österreich (1945–1962), S. 62. 479 Sebott, Das kirchliche Strafrecht, S. 19.
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 291
„Rahmenrecht“ zugunsten der Erweiterung des partikularer Gesetzgebung überlassenen Rahmens für die untergeordneten Instanzen, respektive die Bischofskonferenzen und die Ortsordinarien.480 Ihre Autorität einerseits aus dem in Freiheit bekannten Glauben und dem freiwilligen Empfang der Sa kramente gewinnend, begreift sich die Kirche demgegenüber andererseits gemäß c. 204 § 2 als „verfaßte und geordnete Gesellschaft“ mit der Verfügungsgewalt einer „societas perfecta.“481 Nach c. 1366 ist als Strafmittel die Belegung mit einer Beugestrafe gemäß c. 1312 § 1 n. 1 oder eine andere gerechte Strafe vorzunehmen. In diesem Kontext ist zudem c. 1347 § 1 zu beachten. Nach diesem Canon ist die Verhängung einer Beugestrafe nur unter der Voraussetzung einer mindestens einmaligen vorausgehenden Verwarnung, der monitio, zulässig, die darauf ausgerichtet ist, „seine Widersetzlichkeit aufzugeben und ihm eine entsprechende Zeitspanne zum Sinneswandel gewährt.“ Erst das Verfahren im Rahmen der monitio ermöglicht das Feststellen der Vorsatzqualifikation. Wenn der Täter die Widersetzlichkeit aufgegeben hat, kann eine Beugestrafe nach c. 1358 § 1 nicht mehr verhängt werden. Als Novum gegenüber dem CIC von 1917 legitimiert c. 1674 n. 1 CIC 1983 auch den nichtkatholischen Ehepartner zur Einleitung eines Ehenich tigkeitsprozesses,482 womit der kanonische Gesetzgeber auch seiner Gewissensentscheidung Reverenz erweist. Der CIC 1983 sanktioniert vor einem staatlichen Gericht Geschiedene nicht mehr mit einer Kirchenstrafe, doch betont Johannes Paul II. in Familiaris Consortio, dass mit einer nachfolgenden Wiederverheiratung die schwere Sünde des Ehebruchs verwirklicht wird und dies den Ausschluss vom Empfang der Eucharistie begründet.483 Der CIC 1983 betont die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen und nimmt sich in der Verrechtlichung des Glaubenslebens zurück. C. 748 § 2 1983 normiert das Verbot des Gewissenszwangs zur Annahme des katholischen Glaubens. Demgegenüber fällt auf, dass der CIC 1917 die Übergabe der Kinder zur nichtkatholischen Taufe und Erziehung scienter, sohin wissentlich, forderte. Unkenntnis oder Willensmangel befreiten somit infolge des fehlenden Unrechtsbewusstseins von einer aus Fahrlässigkeit oder Absicht resultierenden Schuldfähigkeit.484 Die Vorgabe ist sehr weit zu interpretieren. C. 1366 CIC 1983 begrenzt die Grenze der Straflosigkeit mit dem vom Vorsatz getragenen tradere.
480 Ibid.,
S. 20. S. 21. 482 Grote, Evangelische Rückfragen und Erwägungen zum kirchlichen Eherecht, S. 86. 483 Ibid., S. 89. 484 Ibid., S. 92. 481 Ibid.,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
3. Zum mangelnden Rechtsschutz des Kindes In der schwierigen Frage der religiösen Kindererziehung insbesondere in den Mischehen, den religionsverschiedenen Ehen und bei wiederverheira teten Geschiedenen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften lassen sich über die Anknüpfung an die rechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern teilen letztlich nur relative und ungenügende Lösungsansätze für den Rechtsanspruch des Kindes auf eine religiöse Erziehung finden. Zentraler An knüpfungspunkt muss das Kind als Rechtssubjekt sein. Ausgehend von der Rechtssubjektivität des Kindes können klare Ansprüche, Grundlagen für ihre Durchsetzung und Sanktionen für den Fall des Scheiterns definiert werden. Vor dem Hintergrund des naturgegebenen Rechts der Freiheit des Glaubens und des Gewissens ist im Rahmen der religiösen Kindererziehung innerhalb der Familie der Maßstab des Zweiten Vatikanischen Konzils in Ansatz zu bringen. Demnach sind die beiden Ebenen des innerkirchlichen Glaubensschutzes für den katholischen Teil und der zuletzt in Dignitatis humanae festgeschriebenen Religionsfreiheit für den nichtkatholischen Teil gegenüberzustellen. Das Bestehen des Ehebandes impliziert zusätzliche Verpflichtungsmomente. Jene für die Anspruchstellung des Kindes auf religiöse Erziehung maßgeblichen Gewährleistungen ergeben sich allerdings bereits aus der Personenwürde und aus dem Taufsakrament. Ludger Müller folgend sind kirchliche Verfahren „aus dem sakramentalen Charakter der Kirche zu begründen.“ Den von Klaus Mörsdorf geprägten Begriff der „sakramentalen Zeichenhaftigkeit“ zitierend, unterstreicht Müller, dass auch das kirchliche Gerichtswesen in die Verkündigung des Wortes, die Feier der Sakramente und in die Ausübung der Caritas eingebettet ist.485 Darüber hinaus bildet ein wirksamer Rechtsschutz die Voraussetzung für die inhaltliche Gewährleistung der dem Einzelnen zukommenden Rechte.486 Somit steht der Rechtsschutz im Dienst des Menschen. Die Legitimation einer strafrechtlichen Sanktion ergibt sich sonach aus der im theologischen Fundament gegründeten Sendungsverantwortung und schließlich aus dem übergeordneten Postulat der salus animarum. Im themenspezifischen Kontext der religiösen Erziehung ist hier auf ein gravierendes Defizit im Rahmen der kanonischen Rechtsschutzbestimmungen zu verweisen. Der mit dem Zweiten Vatikanum vollzogene Perspektivenwechsel zur Anspruchslage des Kindes fordert bislang unterbliebene Konsequenzen des ka485 Müller, Rechte in der Kirche. Die Begründung des kirchlichen Verfahrensrechts, S. 9 (19). 486 Echeverría, Code de Droit Canonique. Traduction et adaption francaise des commentaires de l’Université pontificale de Salamanque, S. 189, 785.
XIII. Zum themenspezifischen, strafrechtlichen Schutz im Kirchenrecht 293
nonischen Gesetzgebers, die dem Schutz des Kindes Rechnung tragen. Gegenständlich ist dem Anspruch des Kindes auf religiöse Erziehung die Erziehungsverpflichtung der Eltern gegenüberzustellen. In diesem Zusammenhang kann es als Regelungslücke gedeutet werden, dass für die Unterlassung der religiösen Erziehung keine strafrechtliche Sanktion vorgesehen ist. Allein die vorsätzliche Veranlassung der nichtkatholischen Taufe oder Erziehung ist mit einer strafrechlichen Sanktion bedroht. Dass c. 1491 CIC 1983 prinzipiell jedes Recht mit einer Klage schützt, kann gegenständlich keinesfalls als ausreichend angesehen werden. Ebensowenig ist der gemäß c. 1689 im Urteil zum Ehenichtigkeitsverfahren geforderte Hinweis auf eine moralische oder zivilrechtliche Erziehungsverpflichtung als relativ zahnlos einzustufen. Im Zuge der dem CIC 1983 vorgelagerten, nachkonziliaren Reformbestrebungen wurden ausdrücklich eine Verbesserung und der Ausbau des Rechtsschutzes innerhalb der Kirche gefordert.487 Betreffend den Rechtsschutz des Kindes hinsichlich seines Anspruchs auf religiöse Erziehung kehrt sich die Evidenz eines Regelungsbedarfs vor allem im Wege der Fokussierung der Personenwürde und der Religionsfreiheit durch das Zweite Vatikanum hervor. Der Rechtsschutzanspruch des Kindes wurzelt in seiner Menschenwürde sowie im Taufsakrament.488 Spätestens mit dem Empfang des Taufsakramentes sind die katholischen Eltern zur aktiven Betätigung der religiösen Erziehung verpflichtet. Unbeschadet der Freiheit des Glaubens gemäß c. 748 ergibt sich dies aus dem Grundsatz der Treue – fides. Ungeachtet des Bestehens eines Ehebundes, der gemäß c. 1055 § 1 die Erziehung der Kinder als konsensuales Element einschließt, ergibt sich die Erziehungsverantwortung der christifideles bereits aus der Taufe der Eltern. Daran lässt sich die Überlegung einer Sanktionierbarkeit der Unterlassung der religiösen Erziehung mittels Interdikt knüpfen. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Kommunionsverbot von Wiederverheirateten nicht vornehmlich als Strafe gegenüber den vom Interdikt Betroffenen, sondern als Schutz zugunsten der Freiheit des Kindes. Die dem Kirchenrecht implizite Komplementarität von Rechten und Pflichten muss auch im Kontext der religiösen Erziehung gelten. Gleichwohl wäre es nur konsequent, die Unterlassung der Erziehungspflicht mit einer Sanktion zu belegen. Hierfür ergibt sich im gegenständlichen Zusammenhang eine besondere Rechtfertigung aus dem spezifischen Rechtsschutzbe487 Communicationes
1969, S. 77 (82 ff.). Rechtsschutz im kirchlichen Strafrecht und im kirchlichen Strafverfahren, S. 75 (78). 488 Rees,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
dürfnis des Kindes. Es kann den Eltern nicht freigestellt bleiben, ihre eigene Religionsfreiheit zu betätigen, ohne dass sich daraus ein verpflichtender und sanktionierbarer Moment der Sorgetragung für die Kinder ergibt. Den verpflichtenden Moment aus der Perspektive des Kindes normieren die cc. 226 § 2 und 793 § 1. Insbesondere der Terminus der gravissima obligatio verweist auf das Erfordernis eines expliziten, korrespondierenden Rechtsschutzes. Unter dem Grundsatz der Treue – fides – finden sowohl die Achtung der Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit der Eltern als auch die Gewährleistung religiöser Erziehung gegenüber dem Kind zumindest im Rahmen des naturgegebenen, in der Elternschaft wurzelnden Treuegebotes Platz mit dem Gebot, dem Kind die Möglichkeit einer Glaubenserfahrung nicht zu verwehren.
4. Pastorale Diakonie als Prophylaxe? Der CIC 1917 enthielt keine spezifische Norm betreffend die Seelsorge für konfessionsverschiedene Paare. Eine Bezugnahme erschöpfte sich in dem Auftrag an die Ordinarien und Seelsorger zur Überwachung der Versprechen gemäß c. 1064 n. 3. Demgegenüber verpflichtet c. 1128 CIC 1983 die Ordinarien und Seelsorger ausdrücklich zur umfassenden Seelsorge für die konfessionsverschiedenen Paare. Darüber hinaus empfiehlt Matrimonia mixta die Kontaktaufnahme zur redlichen Zusammenarbeit mit den Amtsträgern der betroffenen Konfessionen.489 Vor dem Hintergrund der allgemeinen Verantwortung der Kirche sind im Zusammenhang mit c. 1366 besonders zwei Aspekte zu untersuchen. Zum einen ist gemäß c. 773 die allgemeine und zum anderen gemäß c. 1128 die besondere Veranwortung der Hirten im ökumenischen Kontext hervorzuheben. Es ist insgesamt zu ergründen, ob – vor dem Hintergrund der generellen Verantwortung der Kirche – eine Intensivierung der Bestrebungen in der Evangelisation und in der Katechese nicht besser als die Androhung von Strafen geeignet ist, christliche Werte zu bewahren.490 An erster Stelle muss die mit der religiösen Erziehung einsetzende umfassende pastorale Sorgetragung stehen. Zentralen Ausgangspunkt moderner Seelsorge bildet nicht der Fokus gerichtet auf eine Glaubensvertiefung oder eine konfessionelle oder religiöse Unterweisung, sondern der Mensch. Die Verwirklichung dieses Postulats erfordert die Zugrundelegung eines missionarischen Geistes, der das Bewusstsein der Komplementarität von Sendungsverantwortung und Freiheit impliziert. 489 Geringer,
Die konfessionsverschiedene Ehe im kanonischen Recht, S. 75, 76. (Hrsg.), The Code of Canon Law, S. 921.
490 Coriden/Green/Heintschel
XIV. Die religiöse Erziehung – ein Streitpunkt im Bereich der Ökumene? 295
Die Kirche der Zukunft ist gehalten, eine fruchbare Synthese zwischen pastoralem Wirken und einer Rechtspflege als Ultima Ratio anzustreben. Mit dem schottischen Jesuiten und Kanonisten Clarence Gallagher (1920– 2013) ist die Bedeutung der kirchlichen Gerichtsbarkeit im Sinne einer diakonischen Diensterbringung gerade im Kontext von Ehe und Familie zu konstatieren und dieser sogleich das Erfordernis und das Potential eines Reformbedarfs auf theoretischer und praktischer Ebene gegenüberzustellen: „(…) a very important service to family life in the Church is in fact provided by the tribunals. Many (…) would agree that there are still too many regions where the tribunal structure is far from satisfactory in the way it functions – or fails to function.“491
XIV. Die religiöse Erziehung – ein Streitpunkt im Bereich der Ökumene? Mit der Konstitution Unitatis redintegratio des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1965 hat sich das innerkirchliche Verständnis der Ökumene grundlegend verändert. Die Konstitution forciert die Funktion der Kirche als Heilsgemeinschaft gegenüber dem insbesondere seit dem Mittelalter vorherrschenden Modell einer als institutionalisierte Hierarchie wirkenden Kirche. Zudem wurde der communio plena das Attribut der Geschlossenheit im Außenverhältnis genommen.492 Der CIC 1983 betont die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen am Beginn des gesamten Verkündigungsrechts und nimmt sich in der Verrechtlichung des Glaubenslebens deutlich zurück. C. 748 § 2 1983 normiert das Verbot des Gewissenszwangs zur Annahme des katholischen Glaubens. Der CIC 1917 beschränkte noch das Verbot des Glaubenszwangs auf das Missionsrecht. Maßgebliches Element für die Eingliederung in die weit gefasste communio fidelium nach dem CIC 1983 ist die Taufe. Die konkrete Rechtsstellung und Handlungsfähigkeit des Getauften hängt vom Grad seiner Eingliederung in die katholische Kirche ab.493 Die Rechtsstellung eines Konvertierten wird sehr differenziert beurteilt. Ausgehend vom Grundsatz semel catholicus semper catholicus und den Rechtsfolgen der Häresie reicht der Bogen bis zur schlichten Einordnung in die communio plena.494 Im Kontext der Ökumene bildet die religiöse Erziehung der Kinder in den Mischehen die größte Herausforderung für die Kirche. Insbesondere bei der Beurteilung der Ehen von Ungetauften stellen sich diffizile Fragen, 491 Gallagher,
Marriage and the Family in the Revised Code, S. 164. Ökumene und Kirchenrecht – Bausteine oder Stolpersteine?,
492 Hallermann,
S. 16–18. 493 Ibid., S. 23, 24. 494 Ibid., S. 25.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
welche die Kirche vor dem Hintergrund der allgemeinen Berufung des Menschen zum Heil im Kontext von göttlichem Recht und Naturrecht zu beantworten sucht.495 Nur so kann sie ihrer juristischen und pastoralen Verantwortung, die sie gegenüber dem Menschen vom Beginn seiner Existenz an hat, gerecht werden. Erst mit dem Dekret Matrimonia mixta von 1970 wurde infolge der ersten Annäherungen durch das Zweite Vatikanum eine entscheidende juristische Stufe umgesetzt.496 Nach c. 1124 wird eine Mischehe als Ehe zwischen zwei Getauften qualifiziert, wobei ein Teil katholisch getauft oder in die katholische Kirche aufgenommen und nicht durch formalen Akt von der katholischen Kirche abgefallen ist und der andere Teil einer nicht katholischen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft angehört, die nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche steht. Eine Eheschließung ist abgesehen vom Vorliegen einer iusta causa gemäß c. 1125 nur im Wege der Zustimmung des zuständigen Ortsordinarius und nach n. 1. leg. cit. nur unter dem Vorbehalt des Versprechens des katholischen Partners erlaubt, nach Kräften alles für eine katholische Taufe und Erziehung der Kinder zu tun. Bemerkenswert ist, dass der gegentändliche Canon nicht mehr von einer Dispens, sondern einem Erlaubnisvorbehalt spricht, womit der im Zuge des Zweiten Vatikanums zugestandenen größeren Freiheit in Anbetracht des persönlichen Glaubens und der Gewissensentscheidung Rechnung getragen wird. Gemäß c. 1126 ist „Aufgabe der Bischofskonferenz“, die „Art und Weise“ der „Erklärungen und Versprechen“ festzulegen und die Weise ihrer Feststellung sowie ihre Zurkenntnisbringung zu bestimmen. Nach einem Beschluss der Österreichischen Bischofskonferenz wird das Vorliegen einer iusta causa stets als gegeben erachtet.497 Dem ist ein von Bernd Jochen Hilberath stammendes Statement des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen aus dem Jahr 1986 entgegenzuhalten, wonach die Ehe „nicht als menschliche Erfindung“ betrachtet werden dürfe. Als Sakrament stehe sie „im gleichen Rang“ wie die Taufe.498 In diesem Konnex ist auch die Erziehungsverantwortung für die aus der Ehe hervorgehenden Kinder sowie in entsprechend abgestufter Form die außerhalb der Ehe aus der Elternschaft resultierende Verantwortung gegenüber den Kindern zu sehen. Als Wirkung der Ehe kommen das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht nach c. 1136 nur den Eltern ehe495 Schwendenwein, Fragen um den naturrechtlichen Charakter eherechtlicher Normen, S. 291 (294). 496 Neuner, Die Lebenssituation konfessionverschiedener Ehen, S. 16. 497 Österreichische Bischofskonferenz, ABl Nr. 1 vom 25. Jänner 1984, S. 4. 498 Lehmann, Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, S. 144.
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licher Kinder zu. Die Ehelichkeit der Kinder bestimmt sich nach c. 1137. Die Legitimation nichtehelicher Kinder erfolgt durch eine nachfolgende Eheschließung oder ein Reskript des Heiligen Stuhles gemäß c. 1139. Der CIC 1983 enthält keine Bestimmung mehr, die ein nichteheliches Kind gegenüber einem ehelichen schlechter stellt.499 Papst Johannes Paul II. folgend, ist die „Katechese ökumenisch, wenn sie sich bemüht, die katholischen Kinder und Jugendlichen sowie die Erwachsenen darauf vorzubereiten, im Kontakt mit Nichtkatholiken zu leben und dabei ihre katholische Identität mit Respekt vor dem Glauben der anderen zu wahren.“500 C. 1136 § 2 CIC 1983 qualifiziert die Auslieferung eines Kindes zur Erziehung in einer nichtkatholischen Religion als Pflichtverletzung und markiert damit einen weiteren brisanten Diskussionspunkt im Hinblick auf die Ökumene. Wiederum Bezug nehmend auf den vorgenannten Ökumenischen Arbeitskreis konstatierte Hilberath: „Durch die Eheschließung wird (…) die Möglichkeit geschenkt und in wirksamer Verheißung zugesprochen (…) diese spezifische und grundlegende Form menschlicher Gemeinschaft zu realisieren (…). Das Sakrament der Ehe befähigt somit ‚zur wahren Selbsthingabe‘ (…).“501 Die formalen Erfordernisse außer Acht lassend, können zwischen katholischem und evangelischem Verständnis der Ehe im Sinne einer Institution nichtmenschlichen Ursprungs weitreichende Parallelen festgestellt werden.502 Nach evangelischem Verständnis entspricht die Ehe einer „Ordnung der Natur“. Ihr Wesen hängt nicht von der formalen Eheschließung ab.503 In seiner 1943 verfassten Traupredigt aus der Zelle verweist der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer auf den „institutionellen, von Gott verbindlich vorgegebenen Charakter der Ehe“. Dieser resultiere nicht aus der formalen Eheschließungsform, sondern aus der übenatürlichen Stiftung. Ehe „ist Gottes heilige Stiftung, (…) eure Liebe gehört euch allein und persönlich, die Ehe (aber) ist etwas Überpersönliches, sie ist nicht ein Stand, ein Amt. Wie die Krone den König macht und nicht schon der Wille zu herrschen, so macht die Ehe und nicht schon eure Liebe zueinander euch zu einem Paar vor Gott und vor den Menschen. (…) Nicht eure Liebe trägt die Ehe, sondern von nun an trägt die Ehe eure Liebe.“504 Hinsichtlich ihrer rechtlichen Einordnung bezeichnet Luther die Ehe als „äußerlich leiblich Ding.“ Die evangelische Kirche kennt keine umfassende 499 Sebott,
Katholisches Kirchenrecht, S. 532. Paul, II., Catechesi Tradendae, Nr. 32. 501 Hilberath, Ehe als Sakrament, S. 27 (28, 29, 37). 502 Koch, Das evangelische Eheverständnis nach Luther und in der Gegenwart, S. 51. 503 Ibid., S. 52. 504 Bonhoeffer, Traupredigt aus der Zelle, S. 44. 500 Johannes
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Kodifikation des Eherechts. Die normative Regelung des Instituts der Ehe wurde dem staatlichen Gesetzgeber überlassen.505 Die evangelische Tradition des Versagens der Erlaubnis zur Wiederverheiratung im Falle einer verschuldeten Scheidung wurde später dahingehend modifiziert, dass im Traugespräch der Nachweis einer von der Kirche zu billigenden Einstellung zur christlichen Ehe zu erbringen ist.506 Die Entscheidung obliegt dem Pfarrer. Die Eheschließung nach dem evangelischen Kirchenrecht begründet kein Rechtsverhältnis und somit auch keine besonderen rechtlichen Wirkungen.507 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass es der Evangelischen Kirche für das Verständnis der Institution der Ehe nicht auf ihren formalen Bestand ankommt und daher auch die zunächst nur im weltlichen Recht existierende Regelung der juristischen Formerfordernisse kein Problem darstellt.508 Eine besondere Herausforderung im Kontext der Ökumene stellt der schulische Religionsunterricht dar. Den cc. 796 § 1, 630 § 2 und 798 folgend sind Schulen „subsidiäre Hilfsmittel“ In diesem Kontext hat der Staat nach c. 793 § 2 Wahlmöglichkeiten bereitzustellen. Fehlt ein entsprechendes Angebot zur Vermittlung einer katholichen Schulbildung, sind die Eltern nach c. 798 zur entsprechenden Sorgetragung verpflichtet. C. 800 § 2 verpflichtet die Gläubigen insgesamt zur Förderung katholischer Schulen und c. 799 zur Hinwirkung auf die Konzeption von gesetzlichen Grundlagen, die eine „religiöse und sittliche Erziehung nach dem Gewissen der Eltern in den Schulen selbst vorsehen.“ Die in c. 796 § 2 normierte Aufforderung zur Kooperation zwischen Eltern und Lehrern impliziert die Auseinandersetzung der Eltern mit Schulangelegenheiten im Zusammenhalt mit den Herausforderungen der gelebten Ökumene vor dem Hintergrund des gemäß c. 217 normierten Rechtes der Ausrichtung „auf eine christliche Erziehung (…) zur Erlangung der Reife der menschlichen Person und zugleich zur Erkenntnis des Heilsgeheimnisses und zu einem Leben danach.“509 Demgegenüber vertrat Pius XII. in seiner Enzyklika Mystici corporis 1943 – nach der Interpretation von Neuner – noch die Auffassung, dass es außerhalb der Kirche nur „Häretiker und Schismatiker“ gäbe.510 Diese Position steht in einem Spannungsverhältnis zu den themenspezifischen Grundlegungen des Zweiten Vatikanums. Erst in dessen Rahmen wurde eine „Identifizierung im Sinn der Exklusivität“ aufgegeben. So heißt es nicht mehr, „die 505 Pierson,
Evangelisches Eherecht, S. 526. S. 527. 507 Ibid., S. 528. 508 Koch, Das evangelische Eheverständnis nach Luther und in der Gegenwart, S. 53, 54. 509 Seelinger, Bildung, S. 258. 510 Neuner, Die Lebenssituation konfessionverschiedener Ehen, S. 10, 11. 506 Ibid.,
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Kirche Jesu Christi ist die römisch-katholische Kirche“, sondern sie „ist in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht“.511 Die konkreten Anfänge der ökumenischen Bewegung können im 19. Jahrhundert festgemacht werden. Seit dem Jahr 1968 entsendet die katholische Kirche Vertreter in den zunächst ohne ihre Beteilung im Jahr 1948 in Genf gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen – World Council of Churches. 1959 wurde die Konferenz europäischer Kirchen auf regionaler Ebene gegründet. Dem folgte eine Kooperation mit dem Rat der katholischen euro päischen Bischofskonferenzen seit 1971, dem Consilium Conferentiarum Episcopalium Europae – CCEE. Auf katholischer Seite wurde die Kommis sion der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, Commissio Episcopatum Communitatis Europaeae – ComECE, gegründet.512 Mit Josef Ratzinger spricht sich Hilberath513 für eine zeitgemäße Betrachtungsweise der Ökumene aus, indem er dafür plädiert, dass „Orts-Ökumene nicht bloß ausführendes Organ von Spitzen-Ökumene, sondern eine originäre Form des Ökumenischen und ein selbständiger Ausgangspunkt (…)“ sei.514 Die evangelische Kirche verfügt über kein einheitliches, für alle evangelischen Kirchen geltendes Recht. Aus dem historischen Kontext ergibt sich, dass evangelisches Kirchenrecht erst mit der Reformation entstand. Tragenden Grundsatz bildet die Verkündigung des Evangeliums unter Verzicht auf menschlichen Zwang und Leitungsbefugnisse nach dem Grundsatz sine vi sed verbo. Freilich kommt auch die evangelische Kirche nicht ohne Regelung organisatorischer Fragen aus. Entsprechende Normierungen entstanden auf weltlicher Ebene. Evangelische Territorialherren übernahmen Leitungsfunktionen als „legitimer Hilfs- und Notdienst“. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden Konsistorien eingerichtet, die zunächst als kirchliche Gerichte fungierten und später die Funktion von Leitungsbehörden übernahmen. Die Superintendenten als Pfarrer im leitenden Amt unterstanden zunächst den Territorialherren. Es existierte ein „landesherrliches Summepiskopat“. Ohne Übereinstimmung mit Luther befürworteten evangelische Juristen die Übernahme des römischen Corpus Iuris Civilis unter dem Vorbehalt der Ausklammerung jener Inhalte, die mit dem evangelischen Verständnis nicht vereinbar waren. Noch das Ius Ecclesiasticum Protestantium (1714–1737) des renommierten evangelischen Juristen Justus Henning Böhmer orientierte sich am Corpus Iuris Civilis. Allmählich entwickelte sich eine Verbandsautonomie und die Befugnisse des Landesherrn wurden in iura in sacra und iura circa 511 Ibid.,
S. 15. Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 217. 513 Hilberath, Ehe als Sakrament, S. 44. 514 Ratzinger, Ökumene am Ort, S. 315. 512 Link,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
sacra unterschieden. Die Einrichtung von Synoden als kirchlichen Gesetzgebungsorganen förderte die Selbständigkeit der Evangelischen Kiche. Erst mit dem Ende der monarchischen Regierungssysteme in Europa endete das landesherrliche Kirchenregiment und kam es zur Entwicklung eines eigenständigen Kirchenrechts der Evangelischen Kirche sowie zur Konzeption von unterschiedlichen Kirchenverfassungen. Schließlich folgte die Einsetzung von Bischöfen. Die nach dem Führerprinzip konzipierte Grundlegung der Evangelischen Kirche machte diese anfällig für totalitäre Regierungssysteme wie jenes des Nationalsozialismus. Eine distanzierende Stellungnahme erfolgte durch die Barmer Theologische Erklärung im Jahr 1934.515 Aufgrund ihres Fundaments kam es in der Evangelischen Kirche nur marginal zur Entwicklung von Grundrechtstheorien und fand das Anliegen allgemein wenig Beachtung.516 Der gegenwärtig auch auf evangelischer Seite zunehmende Einsatz für Menschenrechte innerhalb der ökumenischen Bewegung ist ob dem dargelegten Selbstverständnis kein Indiz für eine parallele Lösung der innerkirchlichen Grundrechtsproblematik.517 Dies gründet vornehmlich in der fehlenden sakramentalen Gemeinschaft. So versteht sich die katholische Kirche nicht als „instrumentales Wirkmittel des Heils“, vielmehr resultiert das Heil aus der „personalen Begegnung zwischen Gott und Mensch.“518 Luther und die ihm folgenden führenden Reformatoren bestritten den sakramentalen Charakter der Ehe. Ehesachen wurden aber nach der causa-mixta-Lehre von 1539 durch vom Kurfürsten eingerichtete weltliche Gerichte, Konsistorien unter Beiziehung von geistlichen Beisitzern, entschieden. Seit 1875 gibt es kein evangelisches Eheschließungsrecht mehr, sondern nur noch ein Traurecht.519 Im Kontext der Evangelischen Kiche ist Sohms Auffassung durchaus nachvollziehbar, dass das Kirchenrecht allein das spezifisch korporative Handeln der Kirche und die Beziehung der Gläubigen in ihrer Eigenschaft als Korporation erfasse, nicht aber die durch den geistlichen Auftrag der Kirche unmittelbar begründeten Beziehungen.520 Für die im unverfügbaren ius divinum wurzelnden munera docendi und sanctificandi muss eine Übereinstimmung jedoch vehement bestritten werden, zumal es gerade zur Aufgabe der Kanonistik gehört, die in der sakramentalen Taufe grundgelegte Eingliederung des einzelnen Gläubigen in die communio eccle siae zu fördern, zu ordnen und zu gewährleisten. Dazu gehört die Gewähr515 Wall,
Kirchenrecht, Evangelisches, Sp. 1815–1821. Innerkirchliche Grundrechte aus der Sicht der evangelischen Kirchenrechtslehre, S. 339. 517 Ibid., S. 350, 351. 518 Gerhartz, Die Verpflichtung zur religiösen Kindererziehung in katholischer Sicht, S. 17 (19). 519 Burgsmüller, Ehe, Ehescheidung, Sp. 966 (967). 520 Sohm, Kirchenrecht, S. 674, 679. 516 Pirson,
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leistung der individuellen Glaubens- und Religionsfreiheit, wie sie in der jüngsten Zeit insbesondere durch Dignitatis humanae Anerkennung gefunden hat. Die nach dem CIC von 1917 auch für die Protestanten geltende Verbindlichkeit der eherechtlichen Normen wurde demzufolge durch den CIC von 1983 aufgehoben.521 Demgegenüber wird eine „ökumenische Taufe“ allgemein abgelehnt, zumal mit der Taufe die Zugehörigkeit zu einer Konfession begründet wird. Infolge einer ökumenischen Taufe wäre eine Zuordnung nicht möglich. Um einem Nachteil für jenen Ehepartner entgegenzuwirken, in dessen Konfession die Taufe nicht gespendet wurde, wurde vorgeschlagen, einen Seelsorger dessen Konfession in den Ritus der Taufspendung miteinzubeziehen und die Taufe auch in dessen Pfarrei zu registrieren.522 Im Gegensatz zur Katholischen Kirche hat die evangelische Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg eine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet. Mangels der Existenz individuell gewährleisteter Rechte in den materiellen Normen bleibt ihre Schlagkraft aber im marginalen Bereich. Schließlich kennt die evangelische Kirche auch keine individuell gewährleisteten Rechte in den materiellen Normen.523 Dessen ungeachet förderte Martin Luthers (1483– 1546) Werk Von der Freiheit eines Christenmenschen auch die Akzeptanz kindlicher Individualität. Philipp Melanchthon (1497–1560) war ein bedeutender Gründer von Schulen in der Zeit der Reformation.524 Mit der nachkonziliären Instruktion Matrimonii sacramentum und dem Motu proprio Matrimonia mixta wurden die rechtliche Verhältnisse in Mischehen auf ein neues Fundament gestellt und die Fortsetzung jahrhundertelangen Leides von Kindern beendet.
XV. Jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven Mit der Apostolischen Konstitution Pastor aeternus des Ersten Vatikani schen Konzils wurden die Infallibilitätserklärung für Entscheidungen des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen ex cathedra und der päpstliche Jurisdiktionsprimat zu Glaubenssätzen erhoben.525 Innerhalb der Kirche führte der Verlust weltlicher Machtbastionen zu einer verstärkten Ausrichtung auf das Papsttum. Es kam zur Etablierung des nach Ulrich Stutz so bezeichneten 521 Schwendenwein, Fragen um den naturrechtlichen Charakter eherechtlicher Normen, S. 297. 522 Beykirch, Von der konfessionsverschiedenen zur konfessionsverbindenden Ehe, S. 385. 523 Pirson, Innerkirchliche Grundrechte aus der Sicht der evangelischen Kirchenrechtslehre S. 374, 345. 524 Olbertz, Kindererziehung, Sp. 1749–1754. 525 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 157.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
„vatikanischen Kirchenrechts.“ Abgesehen von gewissen Relativierungen im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils dauert dieses bis heute an.526 Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils kam es zu einer Konzeption des Grundrechtes der Religionsfreiheit und hiedurch zu einer Relativierung der Qualifikation der potestas directa.527 Die gegenüber dem CIC von 1917 vorgenommenen Modifikationen, der gemäß seinem c. 1131 § 1 den Anspruch auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft wegen nichtkatholischer Erziehung als Verletzung der Elternpflicht und der ehelichen Treuepflicht normierte und der die Vereinbarung der nichtkatholischen Erziehung oder Taufe mit der per se eintretenden Exkommunikation belegte, tragen der konziliaren Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, Rechnung.528 So wurde die strafrechtliche Sanktion der Exkommunikation gemäß c. 2319 CIC 1917 bereits durch das Motu Proprio Matrimonia mixta aufgehoben529 und findet sich auch der zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft bezeichnete Tatbestand im CIC von 1983 nicht mehr. Auch das an die Eltern und die Kinder gerichtete Verbot des Besuchs nichtkatholischer Schulen gemäß c. 1374 CIC 1917 wurde im CIC von 1983 aufgegeben.530 Übernommen wurde die grundsätzlich persönlich wahrzunehmende Pflicht der Sorgetragung durch die Eltern – „curandi“. Damit verwirklicht sich im CIC 1983 im themenspezifischen Kontext die Bewahrung der Lehre der Kirche über die Unverbrüchlichkeit der Sakramentalität der Initiation und der Ehe unter gleichzeitiger Festschreibung des Rechtes auf Religions-, Glaubensund Gewissensfreiheit sowie der Ansprüche des Kindes als Person. Sohin kam es in der Kanonistik zu einer gegenüber den kontemporären Herausforderungen innerhalb des Kontexts gesellschaftlicher Pluralität notwendigen und vertretbaren Adaption rechtlicher Grundlegungen. Weiterführend ist die explizite Normierung der Rechte des Kindes zu erwägen. Der Natur der Sache entsprechend kann dies nur unter der Prämisse des Festhaltens am unverbrüchlichen Bestand der Botschaft des Evangeliums erfolgen. Dementsprechend geht es um eine zeitgemäße Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, die den Gläubigen und im themenspezifischen Zusammenhang insbesondere den Kindern nur unter der Prämisse eines konservativen Ansatzes als Rahmen dienlich sein kann. In diesem Sinne bildet die Verteidigung des unveränderlichen Sockels der Sakramente das tragende 526 Ibid.,
S. 122. S. 90, 91. 528 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 529 Paul VI., Apostolic Letter in the form of Motu Proprio on Mixed Marriages, http://www.vatican.va/holy_father/paul_vi/motu_proprio/documents/hf_p-vi_motuproprio_19700331_matrimonia-mixta_en.html (Stand 11. 11. 2004). 530 CIC6, Deutsche Bischofskonferenz, 2012. 527 Ibid.,
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Fundament für eine progressive Entwicklung, die eine Entfaltung des Menschen in der Hinordnung auf sein letztes Ziel gewährleistet. Zentrale Basis ist das Sakrament der Taufe mit seinem character indelebilis als ianua om nium et fundamentum, auf dem alle anderen Sakramente aufbauen. Es wird erforderlich sein, das Verständnis der Gläubigen dahingehend zu vertiefen, dass die Sakramente ein Schutzschild bilden und ihr Inhalt und ihre Konzeption keinen einschränkenden Charakter tragen, sondern demgegenüber auf die Betätigung und Entfaltung der religiösen Freiheit ausgelegt sind. Hierzu bildet das Ansetzen bei der Taufe den zentralen Ausgangspunkt, zumal dieses Sakrament initial an der Personalität des einzelnen Menschen anknüpft. In der Taufe wurzeln die kanonische Rechtsfähigkeit und somit der Anspruch auf eine religiöse Erziehung. Im März 1971 billigte Papst Paul VI. (1897–1978) das Allgemeine Kate chetische Direktorium der Kongregation für den Klerus. Dieses Direktorium bildet das Grunddokument für die Anregung und Ausrichtung der katechetischen Erneuerung katholischen Kirche. Ferner gründete der Papst im Jahr 1975 den Internationalen Rat für die Katechese.531 Im gleichen Jahr bekräftigte Paul VI. die gegenwärtig maßgebliche Interpretation der christlichen Erziehung und Katechese mit der Verfassung des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Evangelii nuntiandi anlässlich der dritten ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode 1974 mit dem Thema Die Evange lisierung in der Welt von heute und nannte das Zweite Vatikanische Konzil „den großen Katechismus für die moderne Zeit.“532 Seinem Wunsch folgend widmete sich das Thema der vierten Generalversammlung der Bischofssynode im Oktober 1977 in besonderer Weise der Kinder- und Jugendkatechese. Thema war Die Katechese in unserer Zeit. Papst Johannes Paul II. knüpfte an diese Linie mit seinem Apostolischen Schreiben Catechesi Tradendae 1979 an. 1980 folgte die fünfte ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema Die christliche Familie. Hierzu verfasste Papst Johannes Paul II. das nachsynodale Schreiben Familiaris Consortio. Mit dem Motu Proprio Familia a Deo instituta richtete Papst Johannes Paul II. im Jahr 1981 den Päpstlichen Rat für die Familien ein. Papst Franziskus setzte mit seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem Jahr 2013 ein weiteres Zeichen zur Festigung des mit den Grundlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeschlagenen Weges der Kirche.
531 http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cclergy/documents/rc_con_ cclergy_pro_31051999_ge.html (27. 04. 2015). 532 Paul VI., Apostolisches Schreiben Evengelium nuntiandi, 8. Dezember 1975, http://www.w2.vatican.va/content/paul-vi/de/apost_exhortations/documents/hf_p-vi_ exh_19751208_evangelii-nuntiandi.html (27. 04. 2015).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Vor dem Hintergrund dieser Dokumentation und vor allem der vierzehnten ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die sich dem Thema der Berufung und Sendung der Familie in der Kirche und in der Welt von heute widmete, wird das Bemühen der Kirche um Umsetzung der themenspezifischen konziliaren Grundlegung sehr deutlich. Die Betonung der Bedeutung der Erziehung und der Katechese, eingebettet in die Familie, wird mit dem Versuch in einen größeren Kontext gestellt, der – mit der personalen Würde des Menschen verbundenen, unverfügbaren – Anspruchslage der einzelnen Gläubigen und insbesondere der Kinder so zu begegnen, wie es die als unumgänglich erkannte Auseinandersetzung mit den zeitlichen Gegebenheiten in der Welt erfordert. In diesem Sinne steht die religiöse Erziehung unter der übergeordneten Prämisse der salus animarum. Die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils ermöglicht einen menschennahen Brückenschlag zwischen der Gewährleistung der Freiheit des Einzelnen und seinem Schutz. Die unter konsequenter Rückbindung an die theologischen Grundlagen konzipierte Ordnung des kanonischen Rechts hat diesem Postulat umfassend Rechnung zu tragen. In diesem Kontext kann der für die Kirche als neuralgischer Punkt zu bezeichnende Ansatz an der Familie als Institution festgemacht werden. Hierbei hat sich die Kirche der diffizilen Herausforderung einer rechtlichen Einordnung der Familie im kanonischen Recht zu stellen. Eine Anerkennung als der Ehe gleichgestelltes, kanonisches Rechtsinstitut widerspräche dem Wesen der sakramentalen Ordnung. Unbeschadet dessen erscheint es unverzichtbar, den unterschiedlichsten soziologischen Erscheinungsformen familiärer Beziehungstrukturen einen mit dem Attribut rechtlicher Anerkennung ausgestatteten Rahmen zu gewährleisten. Etwa orientiert am interpretationsoffenen Terminus einer Institution ist die Erarbeitung einer Definition zu postulieren, die dem inneren Wesensgehalt der Familie in ihren unterschiedlichsten realen Erscheinungsformen einerseits und einer im Gesamtkontext der kanonischen Rechtsordnung vertretbaren, systematischen Einordenbarkeit andererseits Rechnung trägt. Die in der Taufe begründeten Ansprüche des Kindes auf eine christliche Erziehung verpflichten die Eltern auch außerhalb der Ehe. Dementsprechend ist die Kirche herausgefordert, die adäquaten, extrasakramentalen, juristischen Grundlagen zum Schutz und zur Förderung der Familie als erstem Ort der Erziehung und der Katechese zu etablieren. Diese betreffen die Regelung einer inneren Ordnung wie den Umgang mit dem religiösen und weltanschaulichen Pluralismus innerhalb der zivilen Gesellschaft. Der CIC von 1983 widmet dem Familienrecht keinen eigenen Abschnitt.533 Eine überaus 533 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 12.
XV. Jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven305
bedeutsame Veränderung gegenüber dem CIC von 1917 normiert jedoch c. 226 § 2 CIC 1983, indem die Erziehungspflicht mit der Elternschaft und erst subsidiär als Wirkung der Ehe im Sakramentenrecht begründet wird. Geändert hat sich somit die kanonistische Struktur der Rechtsbeziehungen zwischen den Eltern und den Kindern. Des Weiteren zählt die Hervorbringung von Nachkommen im Rahmen des Eherechts nunmehr nicht mehr zu den Wesenselementen, sondern zu den Wesenseigenschaften der Ehe im Sinne einer Kann-Option. Daraus ergeben sich eine Akzentuierung der kindlichen Privatautonomie und eine Betonung der elterlichen Pflichten als Pendant zur Anspruchsstellung des Kindes. Das Erfordernis der expliziten Normierung der Rechte der Familie erscheint sohin gegenwärtig evident und mit dem Attribut zunehmender Brisanz behaftet. Dem CIC 1983 mangelt es zudem an einer spezifischen Regelung der Rechte und Pflichten der zur Ehe beziehungsweise Familie berufenen Laien. Ebenso fehlt eine kanonische Definition der Familie. Als zur Ordnung des Heils berufene, natürliche Institution fungiert die Familie als primäre Zelle der zivilen Gesellschaft.534 Auch der von Papst Johannes Paul II. eingerichtete Päpstliche Rat für die Familien monierte die fehlenden Normen zum Schutz der Familie im Entwurf des neuen CIC.535 Die Urgenz einiger Bischöfe im Rahmen der Bischofssynode 1980 im Hinblick auf die explizite Implementation eines Familienrechts wurde mit dem Argument der Systemwidrigkeit nicht aufgegriffen.536 Vielleicht ist es gerade diese freilich innerhalb vertretbarer Grenzen zu vollziehende Erweiterung der themenspezifischen Interpretation der Lehre der Kirche, wie sie auch im allgemeinen Kontext fortdauernd stattzufinden hat, die der communio ecclesiae und der sie formenden Gemeinschaft der Gläubigen nachhaltigen Bestand verleiht. Im Rahmen der Ausarbeitung der nie in Kraft getretenen Lex Ecclesiae Fun damentalis wurde von der bearbeitenden Kommission vorgeschlagen, „die Familie als autonomes Zentrum von Rechten und Pflichten“ zu garantieren. Diesem Vorschlag blieb bereits die Aufnahme in den Entwurf verwehrt. Zudem sollten die Hirten angehalten werden, „den Ehepartnern mit Gesetzen und einer angemessenen Pastoral“ zu helfen.537 Dieser Linie folgend, erinnerte der Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie, Bischof Jean Laffitte, anlässlich des Familienkongresses in Manila im Mai 2014 an die themenspezifische Position Papst Johannes Paul II: 534 Cappellini, Prospettive del Diritto di Famiglia nella Revisione del Codice di Diritto Canonico, S. 49. 535 Eisenring, Die eheliche Gemeinschaft und das Kindsverhältnis in der katholischen Rechtsordnung, S. 16. 536 Ibid., S. 14. 537 Ibid., S. 46, zitiert nach dem Schema Codicis 1980, S. 61.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
„L’idea principale di San Giovanni Paolo II era questa: la famiglia ha dei diritti, sono diritti naturali, diritti che precedono quelli di ogni altro tipo di società perché è una società naturale. Questi diritti meritano di essere onorati, rispettati, incoraggiati, protetti.“ („Der wichtigste Gedanke des heiligen Johannes Paul II. war dieser: die Familie hat Rechte, dies sind natürliche Rechte, Rechte, die jenen aller anderen Formen der Gesellschaft vorausgehen, weil sie eine natürliche Gesellschaft ist. Diese Rechte verdienen es, geachtet, respektiert, gefördert und beschützt zu werden“).538
Die mit dem Stukturwandel innerhalb der Familien verbundenen Probleme implizieren ein hohes Maß an Orientierungslosigkeit und Verunsicherung hinsichtlich verbindlicher Erziehungsziele.539 Es ist die Aufgabe der Kirche, diesen Defiziten im Wege einer Hinwendung zum Menschen zu begegnen. Unbeschadet der bezeichneten Prämisse der Unverfügbarkeit von Norm inhalten, im gegenständlichen Kontext insbesondere das Sakramentenrecht und das Verkündigungsrecht betreffend, gilt es im Sinne des Kanonisten Peter Landau, eine gebotene Adaption des Kirchenrechts zu erwägen: „Non debet reprehensible iudicari, si secundum varietatem temporum statuta quandoque varientur humana, praesertim cum urgens necessitas vel evidens utilitas id exposcit, quoniam ipse Deus ex hiis quae in Veteri Testamento statuerat, nonnulla mutavit in Novo.“ („Es darf nicht als tadelnswert beurteilt werden, wenn gemäß dem Wechsel der Zeiten menschliche Beschlüsse irgendwann einmal verändert werden, besonders wenn eine dringende Notwendigkeit oder der offensichtliche Nutzen dies fordert, da ja Gott selbst einiges von dem, was er im Alten Testament festgestellt hatte, im Neuen geändert hat.“)540
Zielführende Ansätze ergeben sich hierbei aus den Prinzipien der necessi tas und der utilitas als Gegenstand eines politischen Grundsatzes, der bis in die Antike zurückreicht. Er findet sich bereits in der griechischen Polis bei Aristoteles. Cicero betrachtet sie als Attribut der res publica und Thomas von Aquin als ebensolche der publica christiana. Hugo Grotius, der Begründer des modernen Völkerrechts, greift die Grundsätze der salus publica ob der ungebrochenen Aktualität ihres Gehalts wiederum auf und legt so den Grundstein für die auch die Zeit der Aufklärung überdauernde Präsenz dieses Prinzips im modernen Verfassungsstaat.541 Aus dieser Grundlage resultiert 538 Congresso delle famiglie d’Asia. Mons. Laffitte: rilanciamo i diritti propri del matrimonio, http://www.it.radiovaticana.va/storico/2014/05/13/congresso_delle_fami glie_dasia._mons._laffite_rilanciamo_i_diritti/it1-798930 (abgefragt am 26. 06. 2014), (Übers. d. Verf.). 539 Hollerbach, Erziehungsrecht, Sp. 855. 540 Landau, Von der Ordnung zur Norm, http://www.muenster.de/~angergun/ laterankonzil.html (Stand 13. 03. 2011). 541 Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 19.
XV. Jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven307
schließlich das Rechtsprinzip des Wohles, zunächst des allgemeinen Wohles und mit der Etablierung der Menschenrechte in den Verfassungen das Wohl des Einzelnen, gegenständlich das Wohl des Kindes. Es war das Verdienst der Kirche, die beiden Grundsätze der Notwendigkeit und offensichtlichen Nützlichkeit um eine gegenständlich entscheidende Komponente zu erweitern, die caritas. Nur unter Einbindung dieses Prinzips erscheint es möglich, den Ansprüchen des Kindes, der Eltern und der Familie gerecht zu werden. In der Rechtsordnung der Kirche findet das Postulat der caritas expliziten Raum, was in dem der Kirche obliegenden Sendungsauftrag begründet ist. Demgegenüber lassen die Staatszielbestimmungen eine Aufnahme karitativer Grundsätze in das weltliche Recht nicht zu. Mit dem deutschen Staatsphilosophen und Juristen, Josef Isensee, ist jede „menschliche Gemeinschaft auf bestimmte Ziele ausgerichtet und strebt nach optimaler Entfaltung ihrer selbst.“ Isensee verweist hierbei auf die Philosophie des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin.542 Für den Kontext der religiösen Erziehung bedeutet dies die nach der Lehre der Kirche vertretbare und angesichts der kontemporären Herausforderungen der Zeit notwendge Anpassung juristischer Grundlegungen. Demzufolge ist eine Änderung der Lehre der Kirche ausgeschlossen. Insofern ist auch von der aktuellen Bischofssynode zu erwarten, daß die Kirche ihre Lehre „nie verändert, sondern stets erweitert und vertieft“ hat, wie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, unter anderem Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre und für das katholische Bildungswesen, im Zusammenhang mit den Erwartungen gegenüber der aktuellen Bischofssynode konstatierte. Es gehe darum, den „hermeneutischen Schlüssel“ im Sinne eines wertschätzenden Umgangs mit Situationen zu finden, die nicht der vollen sakramentalen Realität der christlichen Ehe entsprechen.543 Es ist davon auszugehen, dass der Interpretationsrahmen hierfür noch lange nicht ausgeschöpft ist und es viel Raum für eine Weiterentwicklung der Lehre der Kirche und ihrer juristischen Grundlegung gibt, ohne bereits die durch die Offenbarung gezeichnete, unüberschreitbare Grenze zu tangieren. Das zen trale Postulat besteht im Behalten des Guten und in der Veränderung des Notwendigen. Der zeitgenössische Mensch ist zu einer neuen Reife gelangt. Dem dia logischen Prinzip des Zweiten Vatikanischen Konzils folgend, ist die Kirche aufgefordert, den Blick auf den Menschen zu lenken und ausgehend von seiner konkreten Lebenssituation Lösungen zu finden, die innerhalb der Kir542 Ibid.,
S. 19.
543 Katholische
Presseagentur Österreich, Nachrichten aus der Weltkirche und der Kirche in Österreich, http://www.kathpress.co.at/site/nachrichten/database/64958. html (abgefragt am 29. 09. 2014).
308
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
che vertretbar sind und gegenüber dem Betroffenen Barmherzigkeit spürbar werden lassen. C. 22 des Schemas zur Lex Ecclesia Fundamentalis hebt zum Rechtsschutz der Person hervor, dass kirchliche Grundrechte nicht mit Menschenrechten gleichgesetzt werden können.544 In diesem Kontext ist die auch verfahrensmässig gesicherte Gewährung eines stärkeren Rechtsschutzes gegenüber der Person im kirchenrechtlichen Sinne gegenwärtig geboten und im Interesse der Glaubwürdigkeit der Kirche notwendig.545 Dieses Postulat steht in e inem permanenten Spannungsverhältnisses zur Freiheit der Person, die keinem Zwang unterworfen werden darf. In diesem Zusammenhang spricht Winfried Aymans von der „kirchlichen Direktwirkung eines Menschenrechts.“546 Den Grundlegungen des Zweiten Vatikanums folgend kommt es im CIC 1983 zu einer „Ausstattung der Rechtssubjekte mit Rechten und Pflichten“,547 demgegenüber der CIC 1917 Rechte und Pflichten vornehmlich an einzelne Ämter knüpfte. Trotzdem weist der CIC 1983 noch eine relativ abstrakte Haltung auf, zumal eine konkrete, differenzierte Benennung eines Rechtssubjektes – etwa des Kindes – sowie eine normative Festlegung von Rechtsbeziehungen im Kontext der communio noch ausgeklammert bleibt. Analog dem Rechtsinstitut des durch Apostolicam actuositatem besonders propagierten und im CIC 1983 erstmals einer normativen Festlegung unterworfenen Vereins wäre es etwa denkbar, dass die Familie als Personengemeinschaft eine rechtliche Anerkennung erhält. Dies läßt sich durchaus aus der konzi liaren Programmatik der Communio-Theologie ableiten. Eingebettet in die communio ist der einzelne Gläubige angehalten, sein Leben nach den Grundsätzen der kirchlichen Lehre zu entfalten. Mit der Taufe übernimmt die Kirche konkrete Pflichten gegenüber jedem membrum der communio ecclesiae. Um diese Pflichten entsprechend erfüllen zu können, bedarf es auch einer normativen Regelung von Beziehungsstrukturen, in die der Mensch hineingeboren ist. Hierzu gehört die Familie. In diesem Kontext erscheint der von Papst Franziskus zur Einleitung einer Reform der Apostolischen Konstitution Pastor bonus über die Römische Kurie im Jahr 2013 eingesetzte Kardinalsrat548 als hoffnungsvolles Zeichen 544 Lex Ecclesia Fundamentalis (Schema RecLEF), Communicationes, 1980, S. 35 ff. 545 Aymans, Kirchliche Grundrechte und Menschenrechte, S. 199 (207). 546 Ibid., S. 208. 547 Ibid., Kirchliches Verfassungsrecht und Vereinigungsrecht in der Kirche, S. 79 (86). 548 Francesco, Chirografo con il quale viene istituito un Consiglio di Cardinali per aiutare il Santo Padre nel governo della Chiesa universale e per studiare un progetto di revisione della Costituzione Apostolica Pastor Bonus sulla Curia Romana (28 settembre
XV. Jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven309
im Hinblick auf eine konstruktive Begegnung mit den insbesondere die pastoralen Herausforderungen der Familie und den interreligiösen Dialog betreffenden Fragen der Gegenwart. Einen weiteren Anknüpfungspunkt für die Entwicklung zukunftsweisender Konzeptionen in Fragen der religiösen Erziehung bildet die Forcierung der Kooperation zwischen den thematisch tangierten Dikasterien. Bereits Pastor bonus sah „interdikasterielle Kommissionen“ vor, doch erreichte deren praktische Realisierung noch nicht das den inhaltlichen und zeitlichen Erfordernissen angemessene Ausmaß. Vor dem Hintergrund des persönlichen Rechtes auf religiöse Erziehung darf es nicht nur zwischen der Kongregation für den Klerus im Hinblick auf die Katechese, der Kongregation für das Bildungswesen im Hinblick auf die Ausbildung und der Kongregation für die Glaubenslehre in Fragen der Orthodoxie eine Zusammenarbeit geben.549 Vielmehr bedarf es einer den themenspezifischen, bezeichneten Postulaten folgenden Ausrichtung und Kooperation. Einer Empfehlung des 2013 eingesetzten Kardinalsrates folgend kündigte Papst Franziskus im Rahmen der Familiensynode 2015 die Errichtung einer Kongregation für die Laien, die Familien und das Leben an. Diese sollte den Päpstlichen Rat für die Familie in sich aufnehmen. Mit dem Motu Proprio Sedula Mater vom 15. August 2016 richtete Papst Franziskus das neue Dikasterium für Laien, Familie und Leben ein.550 Damit wird die postulierte Synthese vollzogen. Richtungsweisend ist ein Wort aus der Enzyklika Redemptor hominis Papst Johannes Paul II.’ aus dem Jahr 1976: „Da also der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens, ihrer Aufgaben und Mühen, muß sich die Kirche unserer Zeit immer wieder neu die „Situation“ des Menschen bewusst machen.“551
2013), http://www.w2.vatican.va/content/francesco/it/letters/2013/documents/papa-fran cesco_20130928_chirografo-consiglio-cardinali.html (Stand 10. 12. 2014). 549 Reese, Im Inneren des Vatikan, S. 182 ff. 550 Daily Bulletin oft he Holy See, Comunicato della Sala Stampa: Istituzione di un nuovo Dicastero con competenza su laici, famiglia e vita, (22. 10. 2015). http:// www.de.catholicnewsagency.com/story/papst-franziskus-schafft-ein-neues-dikaste rium-fur-laien-familie-und-das-leben-0126 (22. 10. 2015); http://www.press.vatican. va/content/salastampa/en/bollettino/; http://www.laityfamilylife.va/content/laityfamilyl life/en/il-dicastero/sedula-mater.htmlpubblico/2015/10/22/0808/01813.html#en (22. 10. 2015) (23. 01. 2021). 551 Johannes Paul II., Redemptor hominis, 4. März 1979 | Johannes Paul II., http://www.w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_ enc_04031979_redemptor-hominis.html (abgefragt am 12. 10. 2015), Nr. 14.
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode Die Bischofsynode ist eine spezifizierte Form der Zusammenarbeit des Bischofskollegiums mit dem Papst. Durch das Motu proprio Apostolica sollicitudo wurde die Bischofssynode am 15. September 1965 von Papst Paul VI. eingerichtet.552 Damit wurde der konziliaren Grundlegung hinsichtlich einer intensiveren Kooperation zwischen dem Papst und dem Bischofskollegium entsprochen. Mit der Einrichtung dieses Gremiums wurde auch dem im Zusammenhalt mit den angewachsenen Kompetenzen der Bischöfe entstandenen Erfordernis zur Bewahrung der Homogenität innerhalb der Kirche begegnet. Im Gegensatz zur partikularen Gesetzgebungsbefugnis der einzelnen Diözesanbischöfe beschränkt sich die Kompetenz der Bischofs synode grundsätzlich auf eine beratende Funktion. Zudem sind die Bischöfe berechtigt, Wünsche zu postulieren. Gemäß c. 443 CIC 1983 verfügt die Bischofskonferenz hingegen nicht über eine Entscheidungskompetenz oder das Recht, Dekrete zu erlassen. In einzelnen Fällen kann ihr diese Kompetenz vom Papst konkret zugesprochen werden. Auch in diesem Fall fällt die Inkraftsetzung in die Autorität des Papstes. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils geben Zeugnis von einer Kirche, die sich den kontemporären Herausforderungen im Kontext ihrer Sendungsverantwortung stellt und ihre Mission inmitten dieser zu verwirk lichen sucht. Die Bischofssynode 2015 ließ diesen Geist mit aller Deutlichkeit wieder spürbar werden. Es ist die Aufgabe der Kirche, die Verwirk lichung der menschlichen Berufung zur Liebe und zur Freiheit zu verteidigen, zu schützen und zu fördern. Dies erfordert, den Bogen von der Bewahrung der Sakramente bis zur mitunter diametral gegenübestehenden Lebensrealität des Menschen zu spannen. Maßstab bildet die Würde der natürlichen Person. Davon ausgehend ist es gerechtfertigt und erforderlich, dem gebotenen Schutz unter Berücksichtigung der Freiheit des einzelnen Menschen Grenzen zu setzen. Auch die Kirche selbst hat gelernt, dass eine hinsichlich der persönlichen Freiheit des Menschen unreflektierte, autoritäre Haltung ihrem Wesen nicht angemessen ist und somit ihrer Natur und der Offenbarung widerspricht. Freiheit, Bindung und Verantwortung waren Schlüsselbegriffe der konziliaren Debatten. In diesem Kontext hat die Kirche ihre umfassende Verantwortung und das unumgängliche Postulat einer diakonischen Haltung erkannt. Mit dem zunehmenden Bewußtsein der Selbstverantwortung auf Seiten der Gläubigen sieht sich die Kirche gerade im Bereich der Familien552 Paul VI., Apostolica sollicitudo, 15. September 1965, http://www.w2.vatican. va/content/paul-vi/de/motu_proprio/documents/hf_p-vi_motu-proprio_19650915_ apostolica-sollicitudo.html (Stand 14. 03. 2015).
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode 311
pastoral vor neue Herausforderungen gestellt. Mit Vehemenz, entsprechend dem Gleichnis des Hirten, der sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf macht (Mt 18, 12–14), muss sich die Kirche in den Dienst des Menschen stellen. Im Vertrauen auf den Heiligen Geist ist die unveränderliche Botschaft des Evangeliums so zu interpretieren, dass niemand ausgeschlossen wird. Der Wert einer societas, sei es in der Kirche, sei es in der Welt, misst sich immer daran, wie sie mit ihren Kindern und damit mit ihrer Zukunft umgeht. Jesus hat die Kinder in die Mitte gestellt. Ein ganz besonderes Augenmerk ist auf die gemäß c. 1063 normierte pastorale Sorge der Hirten und der Gemeinschaft der Gläubigen gegenüber den Braut- und Ehepaaren zu legen.553 Im Kontext der aktuellen Bischofssynode kann c. 1063 als Schlüsselcanon angesehen werden. Demnach trifft die Seelsorger gemäß n. 1 leg. cit. eine umfassende Verpflichtung. So sollen „die Gläubigen über die Bedeutung der christlichen Ehe und über die Aufgabe der christlichen Ehegatten und Eltern unterwiesen werden.“ Neben der allgemeinen Predigt und Katechese fordert n. 2 leg. cit. die „persönliche Vorbereitung auf die Eheschließung, durch welche die Brautleute in die Heiligkeit und in die Pflichten ihres neuen Standes eingeführt werden.“ Schließlich verpflichtet n. 4 leg. cit. zur andauernden Begleitung des Ehepaares, damit sie auf diese Weise zu einer „heiligeren und vollkommeneren Lebensführung in der Familie gelangen.“ Die angemessene Ordnung dieses pastoralen Dienstes fällt in die Kompetenz des Diözesanbischofs. Derselbe Canon verpflichtet den Bischof weiters, erfahrende und sachkundige Männer und Frauen zu hören. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Gläubigen und die Hirten der Kirche in eine Korrelation gesetzt. Auch die Träger des Weiheamtes sind Gläubige und daher zum Hören verpflichtet. Unter Berufung auf cc. 383, 794 und 798 betont Harald Mattel die nicht zu überschätzende Bedeutung der kategorialen Seelsorge in und außerhalb der Schule zum Zweck der pastoralen Sorgetragung gegenüber den Kindern und verweist in diesem Kontext auf das Apostolische Schreiben Novo mille nio ineunte, in dem Papst Johannes Paul II. die „gebührende Sorge und Aufmerksamkeit“ für die Kinder postuliert.554 Gemäß c. 383 § 1 hat sich der Diözesanbischof bei der Ausübung des Hirtendienstes „um alle Gläubigen zu kümmern, die seiner Sorge anvertraut werden, (…); er hat den apostolischen Geist auch denen zuzuwenden, die wegen ihrer Lebensumstände aus der ordentlichen Seelsorge nicht hinreichend Nutzen ziehen können, wie auch jenen, die von der religiösen Praxis abständig geworden sind.“
553 Gallagher, 554 Mattel,
S. 101.
Marriage and the Family in the Revised Code, S. 149 (166). „Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes!“ (Mk 10, 14),
312
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
In Gegenüberstellung der cc. 1064 und c. 383 § 1 letzter Satz wird die normative Grundlegung der gebotenen Reichweite pastoraler Verantwortung offenkundig. Besonders hervorzuheben ist gemäß c. 1064 letzter Satz die Pflicht der Hirten, „Männer und Frauen“ zu hören. Darin drückt sich die in der Communio-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils grundgelegte Korrelation zwischen den Gläubigen und den Hirten aus. Indem nicht der Terminus coniuges verwendet wird, trägt der Canon den Grundlegungen der konziliaren Erklärung Dignitatis humanae umfassend Rechnung, wodurch sich der gebotene Radius pastoraler Verantwortung umfassend vergrößert. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob die gegenwärtigen Herausforderungen in der pastoralen Sorge um die Familie nicht die Konzeption neuer normativer Regeln postulieren. In den Blick zu nehmen wäre insbesondere der in der Begründung der Gliedschaft zur Gemeinschaft der Gläubigen durch die Taufe wurzelnde Anspruch auf die Vermittlung von Zielen und Eigenschaften der Familie in einem über die eheliche Gemeinschaft hinausragenden Kontext. Ein derartiger Ansatz entspräche dem Auftrag kultureller Diakonie im Themenfeld der Erziehung als Medium der Generierung von Identität und Lebenssinn im Wege impliziten Zugehens auf den Menschen in seinem realen Lebensumfeld. Papst Franziskus spricht sich für die Begegnung mit dem Menschen in seiner konkreten Lebenssituation aus. Er plädiert dafür, zuerst den Menschen anzusehen. Normen werden so – unter der Prämisse der Wahrung der unveränderlichen Kernelemente – zum Gegenstand eines dienenden Vehikels zum Schutz jener über sich selbst erhebenden Wahrheit. Eine Fragestellung von besonderer Gravität betrifft die pastorale Verantwortung der Hirten für die Familie extra matrimonium. Somit geht es gegenwärtig nicht darum, den Gehalt des Ehesakramentes im Hinblick auf eine Veränderlichkeit zu reflektieren, sondern vielmehr die aus der Prämisse seiner Unverbrüchlichkeit erwachsende Verantwortlichkeit und praktische Umsetzbarkeit in Richtung tragender Konzepte einer Familienpastoral herauszuarbeiten. Diese ist aufgefordert, sich unbeschadet der traditionellen und ungebrochen bedeutsamen Parameter der auf das Ehesakrament ausgerichteten Vorbereitung und Stärkung der Gläubigen explizit der Mission und Heilung im Kontext humaner Lebensrealitäten zu stellen. C. 1063 n. 4 verpflichtet die Seelsorger zur Verkündigung im Hinblick auf die Lebensführung in der Familie – „in familia vitam ducendam“. Ebenso normiert c. 768 § 2 im Rahmen der Predigt die Pflicht der amtlichen Verkündigung über die Einheit und Festigkeit der Familie und deren Aufgaben – „de familiae unitate et stabilitate eiusque muniis.“ Somit zeigt sich die Tendenz des kirchlichen Gesetzgebers zur Wahrnehmung und Anerkennung der Familie als eigenständiger Institution auch außerhalb der sakramentalen Verbin-
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode 313
dung der coniuges. Im themenspezifischen Kontext ist hier insbesondere c. 226 § 2 zu relevieren, der die Erziehungspflicht der Eltern mit der Elternschaft begründet. Unter einem begründet die Geburt eines Kindes per se die Verantwortung der Kirche, ihrer Amtsträger und aller Gläubigen gegenüber dem Kind und seinen Eltern. In einer Ansprache vor der Sacra Romana Rota hebt Papst Paul VI. „zwei Angelpunkte“ hervor, um die sich Agenden des kanonischen Ehe- und Familienrechts bewegen, zum einen jenen des „tiefgreifenden Verständnisses für die Wechselfälle des menschlichen Lebens“, sowie jenen „des unumstößlichen Festhaltens an dem unverletzbaren Gesetz (…)“.555 Diese beiden Pole begrenzen das von der Bischofssynode 2015 zu relevierende Spannungsverhältnis. Die große Herausforderung der Generalversammlung der Bischofssynode 2015 besteht nicht in der Relativierung von unveränderlichen Inhalten der kirchlichen Lehre, der Offenbarung und den Wesenseigenschaften der Sakramente, sondern darin, diese zwischen den bezeichneten Polen quasi als verbindende Brücke auszuspannen. Dabei ist es unumgänglich, das Unveränderliche zu bewahren und die kirchliche Lehre im Wege der zeitgemäßen Interpretation weiterzuentwickeln. Der Communio-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils folgend, hat sich das Procedere innerhalb einer Kultur des Dialoges zwischen den Gläubigen und den Hirten zu vollziehen. In Anlehnung an Gaudium et spes bekennt sich die Bischofssynode zur Anerkennung der Familie als „Schule der Humanität.“556 Das Zweite Vatikanische Konzil betont die Bedeutung der Religionsfreiheit und die christliche Erziehung als Mittel der kulturellen Diakonie. Die Relatio synodi zur Außerordentlichen Bischofssynode in Vorbereitung der XIV. Ordentlichen Generalversammlung zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ umfasste 62 Punkte und drei Themenschwerpunkte. Der erste Teil konzentrierte sich auf das Erfordernis des Hörens. Der „anthropologisch-kulturelle Wandel“ mache einen „analytischen und diversifizierten Ansatz erforderlich.“ Eine besondere Herausforderung wird im Kontext des zunehmenden „Individualismus“ und der „Krise des Glaubens“ gesehen.557 Kontemporäre gesellschaftliche Entwicklungen, das zunehmende Bewusstsein von Selbstverantwortung und Entscheidungsfreiheit gebieten der Kirche ein Zugehen auf die Menschen und damit das Hervorkehren ihres diakonischen Auftrages.
555 Paul VI.,
Allocutio, in: Utz/Gahlen (Hrsg.), II (1976) 1298 (VII, Rz. 214). Synode zu Fragen der Ehe- und Familienpastoral, Relatio synodi, 25. Oktober 2014, Nr. 2. 557 Ibid., Nr. 5. 556 Außerordentliche
314
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Im Zusammenhang mit der kulturellen und religiösen Diversität wird die damit verbundene Anforderung in der Frage der Kindererziehung benannt.558 Das Spezifikum der Familie ist ihre Fähigkeit der Vermittlung einer solidarischen Haltung, die nicht an säkulare oder materielle Bedingungen anknüpft. Mit der Beständigkeit von Beziehungen untrennbar verbunden ist die für das Gelingen und die Erfüllung des menschlichen Lebens unverzichtbare Generierung von Hoffnung und Lebenssinn. Die zentrale Herausforderung ist die explizite Anerkennung von Eigenrechten der Kinder, die Schaffung eines eigenen Kindschaftsrechts, woraus sich das Erfordernis der Konzeption eines Familienrechts ergibt. Damit würde der Authentizität der menschlichen und vor allem der kindlichen Existenz vollends entsprochen und könnte unter einem der Brückenschlag gegenüber der kulturellen und religiösen Pluralität unter Wahrung der Botschaft des Evangeliums der Familie gelingen. Ein Antasten der Unauflöslichkeit des Ehebandes würde die ureigenste Wesenseigenschaft des Menschen untergraben und seine Würde relativieren. Weiterführend geht es darum, die Beteiligten einer gescheiterten Ehe im christlichen Sinne vornehmlich als Opfer, nach dem Maß ihrer Verantwortung auch als Täter zu qualifizieren. In diesem Kontext ist die Eigenberechtigung des Kindes als herausgehoben zu betrachten. Denn nur aus diesem Status erfliessen primäre Ansprüche. Die Einordnung des Kindes als Opfer einer Scheidung oder Trennung eröffnet lediglich Wege einer Maßnahmensetzung zur Schadensbegrenzung, zumal der Status einer Rechtssubjektivität hintangestellt bleibt. Doch erreichen Schutzmaßnahmen nicht die Ebene der Gewährleistung verfassungsrechtlich garantierter, unveräußerlicher Rechte. Hierzu gehören das Recht des Kindes auf seine genetischen Eltern sowie sein Recht auf Erziehung als unverzichtbare Vorbedingungen einer angemessenen Betätigung eigener Persönlichkeitsrechte, respektive der Glaubens- und der Religionsfreiheit. Das Kriterium des Kindeswohls kommt erst auf einer unter geordneten Ebene zum Tragen. Schließlich unterliegt dessen Interpretation mangels der vorgelagerten, ausreichenden Anerkennung von persönlichen Eigenrechten der Kinder unvertretbaren Beschränkungen, zumal die Qualifikation regelmäßig zu sehr aus der Perspektive der Erziehungsberechtigten und sohin unter Relevierung deren Rechtspositionen vorgenommen wird. Familie ermöglicht das Erleben einer „Reflexion“ der wahren „Bedeutung des Menschseins“ und seiner „tiefsten Erwartungen.“559 Der zweite Teil behandelt das „Evangelium der Familie“ und die „gött liche Pädagogik der Heilsgeschichte“. „Liebe und Zärtlichkeit“, „Wahrheit, Geduld und Barmherzigkeit“ sind die tragenden Parameter. Aufgrund der „göttlichen Pädagogik“ entwickle sich die „Schöpfungsordnung“ zu einer 558 Ibid., 559 Ibid.,
Nr. 7. vgl. Nr. 11.
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode 315
„Erlösungsordnung.“ Mit der Taufe ist der Gläubige in die „Hauskirche, die seine Familie darstellt“, aufgenommen. Dies eröffne ihm nach Familiaris Consortio die Teilnahme an jenem „dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortscheitenden Hereinnahme der Gaben Gottes.“ Demnach setzen die gemäß c. 794 § 1 CIC 1983 normierte Pflicht und das Recht der Kirche zur Erziehung mit der Taufe des Kindes ein und ist nicht primär der Stand der Eltern zu relevieren. Ausgestattet mit besonderen Gnadengaben sind die im Ehestand lebenden Eltern in spezifischer Weise dazu befähigt, dem Kind im Wege der ecclesia domestica einen Zugang zum Heil zu vermitteln. Allein die bedingungslose Hingabe korrespondiert mit der Ausschließlichkeit und der Endgültigkeit. Aufgrund dieser Wesenseigenschaften der Ehe ist an ihrer Unauflöslichkeit festzuhalten. Diese bildet die Basis für die Vermittlung von Solidarität, Selbstlosigkeit, sowie bleibende lebensdienliche Werte. Nur „beständige Umkehr“ zur Liebe ermöglicht Erlösung und „Leben in Fülle“.560 Caritas et veritate, die dritte Enzyklika Papst Benedikt XVI.’, definiert die „Liebe als Prinzip des Lebens in der Gesellschaft.“561 Eine Dispens von bestehenden Regeln kann stets nur soweit gerechtfertigt sein, als es der Schutz der Personenwürde des Einzelnen gebietet. In demselben Rahmen ist auch eine Beschränkung der persönlichen Freiheit legitim. In diesem Kontext hat die Trennung von kodifiziertem Recht und Moral in der Kanonistik den Radius für den Anwendungsbereich der traditionell anerkannten Epikie, der Einzelfallgerechtigkeit, erweitert. Die Annahme der Auferlegung eines Zwanges widerspricht dem Willen Gottes. Verwurzelt in der Taufgnade impliziert das Ehesakrament demgegenüber umfassende Schutzund Hilfsfunktionen.562 Zu vage mutet die Formulierung an, dass eine Ermutigung gegenüber den nur zivil Verheirateten, Geschiedenen, Wiederverheirateten oder einfach Zusammenlebenden dahingehend zuzusprechen sei, „im Dienst der Gemeinschaft zu stehen, in der sie leben und arbeiten.“563 Vielmehr erscheint es situationsgerecht, den zu erweisenden Dienst einer um die communio ecclesiae Sorge tragenden Kirche zu betonen. Ein Perspektivenwechsel zugunsten der Kinder könnte Abhilfe schaffen. Die Bezugnahme auf das Eingehen eines anderen als des Ehebundes impliziert die synonyme Verwendung des Terminus „Bund“ für eine von der Kirche nicht anerkannte Verbindung. Darin ist zum einen ein scheinbarer Widerspruch in sich zu erkennen, zum anderen scheint die Diktion auf eine Aufweichung des kirchlichen Eherechtes zu verweisen. Beides ist als nicht zutreffend anzusehen. Vielmehr läßt sich eine legitime und notwendige Öff560 Ibid.,
Nr. 13. Nr. 19. 562 Ibid., vgl. Nr. 21. 563 Ibid., Nr. 25. 561 Ibid.,
316
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
nung der Kirche gegenüber der Lebensrealität der Menschen gewärtigen. Im gleichen Sinne wird im nächsten Punkt die Kondition „wenn die Verbindung durch ein öffentliches Band offenkundig Stabilität erlangt, (…)“ angesprochen.564 In Übereinstimmung mit der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils ist eine klare Einordnung der Familie als pars ecclesiae geboten. Insofern ist die verbale Ausrichtung in der Relatio synodi in ausreichendem Maße determiniert.565 Wenn die Bischofssynode postuliert, man müsse die „schwächsten Kinder begleiten,“ so verbindet sich damit das Erfordernis der Anerkennung des Kindes als vollwertiger Person mit eigenen Rechten. Die Hilfsbedürftigkeit und das Angewiesensein des Kindes bedeutet keine Einschränkung von Rechten, sondern korrespondiert als Ausfluss der impliziten Verantwortung vielmehr mit einem höheren Maß an Schutz- und Gewährleistungspflichten. Die Bezugnahme auf die Konsequenzen „verlorener Liebe“566 ist im Kontext menschlicher Liebe zu sehen, zumal die Liebe Gottes nicht verlorengehen kann. Darin gründet auch die Unverlierbarkeit des mit der Taufe begründeten Bundes. Bekräftigt durch den in der Firmung vermittelten Beistand des Heiligen Geistes erwächst ein Schutz für die Ehe. Diese Komplementarität zwischen Taufe und Ehe findet in der Beziehung zwischen den Ehepartnern sowie dieser gegenüber den Kindern ihren Ausdruck. Die Kirche ist gefordert, diese Basis mit ihren Diensten der Verkündigung, der Heiligung und schließlich mit der Schaffung und Bewahrung entsprechender rechtlicher Grundlagen zu gewährleisten und zu schützen. Unter einem ist die Relevanz weltlicher Entwicklungen dahingehend zu erwägen, inwiefern eine zeitgemäße Adaption kirchlicher Rechtsgrundlagen auf der Basis der Aufrechterhaltung der Lehre des Evangeliums geboten erscheint. Im Hinblick auf die Umsetzung dieser Prämissen ist „von der ganzen Kirche eine missionarische Umkehr gefordert.“ Dazu ist es „notwendig, nicht bei einer (…) abgekoppelten Verkündigung stehenzubleiben.“ Die Glaubenskrise ist die Ursache für die Krise von Ehe und Familie. Zentralen Ansatzpunkt eines Entgegenwirkens bildet eine der Familie initiativ zugewendete Pastoral und Verkündigungsarbeit. Die Familie in ihren unterschiedlichsten Konstellationen ist entsprechend zu begleiten. Aufgrund ihrer Bedeutung für die zivile Gesellschaft erscheint es angemessen, der Familie mit gebotenen Respekt und Barmherzigkeit zu begegnen. Demgegenüber stellt die erwachte Selbstverantwortung die Menschen vor die Herausforderung eines individuellen, in 564 Ibid.,
Nr. 27. Nr. 26. 566 Ibid., Nr. 28. 565 Ibid.,
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode 317
der eigenen Überzeugung gegründeten Glaubens, der als solcher eine gewachsene Beständigkeit impliziert.567 Ein wesentlicher Punkt ist die Art und Weise der Kommunikation: „Umkehr betrifft auch die Sprache. (…) Verkündigung muss die Erfahrung vermitteln, dass das Evangelium der Familie eine Antwort auf die tiefsten Erwartungen des Menschseins ist (…).“ Dieses Postulat gilt insbesondere für die Erziehung. „Es geht nicht nur darum, Bestimmungen vorzulegen, sondern darum, Werte anzubieten, (…).“ Ausgehend von der in der Relatio synodi relevierten Leiderfahrung des Kindes durch zerbrochene Beziehungen bestätigt sich die Evidenz der Spiegelung einer korrekten Proportionalität recht licher Strukturen durch ein Ausgehen vom Kind. Der in der Gnade der Taufe wurzelnde Anspruch des Kindes auf Beziehung und Erziehung ist den im Ehesakrament grundgelegten Rechten und Pflichten vorgelagert.568 Die Form der Kommunikation impliziert zum einen das entscheidende Moment der Gemeinschaft, die innerhalb der Kirche in der communio ihren Ausdruck findet, deren kleinste Zelle die Familie bildet. Zum anderen geht es nicht nur um die verbale Mitteilung, sondern insgesamt um ein teilendes Miteinander als lebendiges Zeichen des auch im Zweiten Vatikanischen Konzil betonten dialogischen Prinzips, das die Kirche innerhalb und zwischen allen Ebenen, beginnend bei der Familie bis zu den Hirten, verwirk lichen soll. Die umfassende Bedeutung der Ehe muss als Erfahrung des Lebens vermittelt werden. „Sie darf nicht nur als kulturelle Tradition oder gesellschaftliches oder rechtliches Erfordernis angesehen werden.“ Eine Erneuerung der themenspezifischen pastoralen Praxis erfordert eine Reform der Ausbildung vor allem durch eine „größere Einbeziehung der Familien selbst.“569 Damit der Mensch der Kirche begegnen kann, muss sich die real verfasste Kirche auf den Weg zum Menschen machen. Die Kirche darf heute weniger davon ausgehen, dass der Mensch den Weg zu ihr findet, sondern muss vielmehr bemüht sein, dass sie den Weg zum Menschen sucht. Evangelisierung muss die „kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse“ und Gefahren für Familien mitberücksichtigen. „Dialog und Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Strukturen“ sowie die Ermutigung und Unterstützung von engagierten Laien sind in diesem Kontext unumgänglich. Damit ist der weltliche Bereich von Gesellschaft und Politik angesprochen. Sowohl in der Welt als auch innerhalb der Kirche besteht eine kollektive Verantwortung hinsichtlich der Förderung der Erfüllung familiärer Bedürf567 Ibid.,
Nr. 32. Nr. 33. 569 Ibid., Nr. 37. 568 Ibid.,
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
nisse insbesondere betreffend die Erziehung und Bildung von Kindern. Damit wird dem scheinbaren Paradoxon zwischen Individualität und Gemeinschaft begnegnet. Tatsächlich handelt es sich um eine Symbiose. Die Entwicklung von Individualität bedarf der Reflexion. Diese setzt wiederum Beziehung und damit Gemeinschaft voraus. In der Fokussierung des operativ notwendigen Regulativs ist die „Bedeutung der Tugenden in Erinnerung zu rufen“ und die Verbindung zwischen der christlichen Initiation, der Taufe, der Ehe und den anderen Sakramenten herauszustreichen.570 Fortschrittlich mutete es an, dass vom Erfordernis der Unterstützung der erzieherischen Aufgabe der Eltern und nicht allein jener der verheirateten Katholiken gesprochen wird.571 Auch darin ist eine respektvolle Weitung des Blickes im Geiste von Dignitatis humanae zu erblicken. Erst am Ende des dritten Teils wird die Thematik der „Herausforderung der Erziehung“ konkret behandelt. Dass die Rechte des Kindes und sein Anspruch auf Erziehung im Dokument keine zentrale Einordnung erfahren, mutet gerade deshalb merkwürdig an, da die Bedeutung der Verkündigung als entscheidende Voraussetzung für eine Überwindung der Glaubenskrise und damit des weithin eingebrochenen Verständnisses für den Wert von Ehe und Familie explizit betont wird. Am Beginn der Verkündigung steht die Erziehung durch die Eltern als erste Verkündiger des Glaubens. Postuliert wird, „dass die Eltern frei die Art der Erziehung wählen können, die sie ihren Kindern entsprechend ihren Überzeugungen geben wollen.“572 Damit wird kein Novum ausgesprochen. Dennoch ist die Betonung der Freiheit des Einzelnen und damit auch im Kontext der Erziehung von elementarer Bedeutung. Schließlich konnte sich die Kirche erst im 20. Jahrhundert zu einer umfassenden Anerkennung der Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit durchringen. Weiterführend wäre an eine Implementierung von Rechten des Kindes ausgehend vom Kind als Rechtssubjekt zu denken. Der Schutz des Kindes als Rechtsobjekt und seine Subsumtion unter die Gemeinschaft der Gläubigen bedarf der expliziten, absoluten Anerkennung inklusive seiner besonderen Ansprüche. Es ist klar zum Ausdruck zu bringen, dass die Kindeseigenschaft keine relativen Rechte, sondern vielmehr besondere Verpflichtungen seitens der Eltern, der Hirten und der Gemeinschaft der Gläubigen impliziert. Ausschließlich vor diesem Hintergrund ist die von der Bischofssynode betonte „kindliche Würde“573 zu verstehen, zumal eine Relativierung gegenüber der allgemeinen Würde des Menschen ausgeschlossen 570 Ibid.,
Nr. 39. Nr. 61. 572 Ibid., Nr. 60. 573 Ibid., Nr. 58. 571 Ibid.,
XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode 319
ist. Mit dem Blick auf „irreversible und an moralische Verpflichtungen gegenüber den Kindern gebundene Fälle“ und unter Einbeziehung des Katechismus stellte die Bischofssynode hinsichtlich des Zugangs zu den Sakramenten in Aussicht, dass „die Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie (…) sogar aufgehoben sein können“. Hierbei wird der objektive Tatbestand den mildernden Umständen des Einzelfalles gegenübergestellt. Wie der Mensch in der Familie selbstlose Liebe erfährt, so ist auch die Pastoral gefordert, der Ehe und der Familie in selbstloser Liebe barmherzig und geduldig zu begegnen.574 Eine Änderung der Lehre der Kirche betreffend etwa die Unauflöslichkeit der Ehe wäre eine Verleugnung und ein Verrat der Liebe Gottes. Auf der Ebene des Rechts als praktische Grundlage des pastoralen Handelns der Kirche bildet die Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt das themenspezifisch vorrangige Postulat. Die Definition des Rechts auf Freiheit und Bindung verweist auf eine adäquate Qualifikation der Sanktionierbarkeit eventualiter vollzogenen Unrechts auf Seiten der E rzieher. Die Formulierung in der Relatio synodi zur außerordentlichen B ischofssynode im Oktober 2014, Kinder (…) „können kein Gegenstand“ sein“,575 greift zu kurz. Während das Postulat der Seelsorge und des pastoralen Dialogs für zivil Verheiratete oder ohne Trauschein Zusammenlebende noch eine knappe Zweidrittelmehrheit fand, begegnete das Kommunionsverbot für Wiederverheiratete oder zusammenlebende Geschiedene sowie die Herstellung einer Analogie zwischen Ehe, Familie und homosexuellen Gemeinschaften der geringsten Zustimmung.576 Von zentraler Bedeutung ist das von Papst Franziskus artikulierte Postulat der barmherzigen Begegnung und Begleitung, das sich nicht im Richten sondern in der Befreiung, der menschlichen Berufung zur Liebe verwirkliche.577 Die Liebe lebt aus dem Gegenüber von Freiheit und Bindung. Im Kontext des kindlichen Anspruches auf Erziehung ist zu beachten, dass eine Normierung der Menschenrechte niemals das gesamte Ausmaß der Würde erfassen kann. Dies gilt in besonderer Weise für die Determinierung kirchlicher Grundrechte. Mit dem Motu Proprio Familia a Deo instituta installierte Papst Johannes Paul II. 1981 den Päpstlichen Rat für die Familie – Pontificium Consilium pro Familia. Im Jahr 2016 ging dieser im neuen von Papst Franziskus eingesetzten Dikasterium für Laien, Familie und Leben auf.
574 Ibid.,
Nr. 24. Nr. 47. 576 Ibid., Nr. 41, 52, 53, 55. 577 Ibid., Nr. 46. 575 Ibid.,
320
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Zur Vertiefung des katholischen Verständnisses von Ehe und Familie und um der pastoralen Sorge und Verantwortung für Ehe und Familie gerecht zu werden, richtete Papst Johannes Paul II. im Jahr 1982 mit der Apostolischen Konstitution Magnum Matrimonii sacramentum das Päpstliche Institut für Studien über Ehe und Familie – Pontificium Institutum Joannes Paulus II Studiorum Matrimonii ac Familiae – ein. Die Ausrichtung des Institutes vereinte die zentralen Positionen der pastoralen Konstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils wie des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Familiaris Consortio – Über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt, in dem Papst Johannes Paul II. dem Aspekt der Erziehung ein besonderes Augenmerk schenkte. Mit dem Motu Proprio Summa familiae cura vom 8. September 2017 gründete Papst Franziskus das Päpstliche Theologische Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften unter gleichzeitiger Auflösung des vorgenannen Institutes.578 Die themenspezifische Herausforderung der Gegenwart besteht im Ausschöpfen der im Zweiten Vatikanischen Konzil grundgelegten Ressourcen für einen zukunftsweisenden pastoralen und katechetischen Umgang. Weder eine restriktive noch eine so extensive Interpretation der Lehre der Kirche, die bestehendem Recht materiell derogieren würde, könnte dem Menschen gerecht werden. Wie die communio im Rahmen der Universalkirche so muss auch die Ehe im Sinne des totius vitae consortium unantastbares Regulativ und Angelpunkt für alle möglichen Konstellationen familiären Zusammenlebens bleiben. Primär sind die tragenden Prinzipien des foedus matrimoniale in den Blick zu nehmen. Anders würde man den Sinn der Ehe als gelungene menschliche Existenz und Sinnerfüllung stiftende Institution in das Gegenteil verkehren. Deshalb ist an der Unauflöslichkeit des Ehebandes festzuhalten. Sodann knüpft sich daran die Verantwortung einer den konkreten Menschen in seiner Lebenssituation in den Blick nehmenden pastoralen Umgangsweise. In diesem Kontext kommt der Erziehung die zentrale Bedeutung zu. Als Wirkung der Ehe ursprünglich in den Kontext der Ausübung elterlicher Gewalt gestellt, lässt sich für die Erziehung gegenwärtig und vor dem Hintergrund der dem einzelnen Menschen zugewandten Positionen des Zweiten Vatikanischen Konzils eine völlig neue Interpretation finden. Demnach erklärt sich die strukturelle Einordnung der Erziehung nicht primär als Ausfluss des Elternrechtes, sondern als Ausfluss der korrespondierenden Pflicht, die wiederum der Freiheit und dem daraus erwachsenden Anspruch des Kindes auf Entfaltung seiner Person entspricht. 578 Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Recongnoscendo, Communicationes, 1982, S. 108; http://www.laityfamilylife.va/content/laityfamilylife/en/il-dicastero/ sedula-mater.html (28. 12. 2020); http://www.vatican.va/content/francesco/en/motu_ proprio/documents/papa-francesco-motu-proprio_20170908_summa-familiae-cura. html (28. 12. 2020).
XVII. Braucht die Kirche ein Kindschafts- und Familienrecht? 321
Gegenwärtig gilt es, das Spannungsverhältnis zwischen der konkreten Lebensrealität der Familien einerseits und dem Gebot der unbedingten Wahrung der Sakramente zu lösen. Mitunter ist nicht von einem Spannungsverhältnis zu sprechen, sondern vom Erfordernis einer zeitgemäß adaptierten Interpretation des Sakramentenverständnisses auszugehen. Dem Postulat der Barmherzigkeit ist umfassend Rechnung zu tragen. Wegen der Unaufhebbarkeit des für das Erreichen des letzten Zieles existentiell notwendigen Gegenübers und wegen des nur scheinbaren Paradoxons zwischen Freiheit und Bindung im theologischen Kontext darf dieses Prinzip auch auf der Ebene des mensch lichen Rechts nicht durchbrochen werden. Demzufolge ist eine Durchbrechung ohnehin nur als Verkennung des im ius divinum begründeten character indelebilis denkbar. In diesem Kontext ist es in einem weiteren Radius unumgänglich, das bonum familiae, das Familienwohl, in den Blick zu nehmen. Nach Heinz Mussinghoff kommt die Berücksichtigung dessen auch in der nachkonziliaren Phase zu kurz. Das Konzil behandelt vor allem das bonum prolis, das Kindeswohl, jedoch auch dieses nicht in einem eigenen, sondern vornehmlich im Kontext der Ehe. Die gegenwärtig vordringlichen Postulate bestehen somit in der Konkretisierung und Gegenüberstellung des bonum familiae als primärem themenspezifischen Verantwortungsbereich der Hirten und dem bonum prolis als korrespondierenden Veranwortungsbereich der Eltern.579 Dieser Ansatz beschreibt die Schlüsselposition für eine konstruktive Auseinandersetzung mit den themenspezifischen Herausforderungen der aktuellen Bischofssynode. Im Kontext der „aktuellen kulturellen Wirklichkeit“ geht es darum, „Wachstum auf personalisierten Wegen zu begleiten“ und „in den umfassenden Sinn des Lebens einzuführen“, sowie „Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung zu ermöglichen.“580
XVII. Braucht die Kirche ein Kindschafts- und Familienrecht? Bereits mit dem CIC 1983 vollzog der kirchliche Gesetzgeber den Schritt, die Katechese nicht ausschließlich dem Bereich der amtlichen Lehrverkündigung zuzuordnen. Vor dem Hintergrund der Ekklesiologie des Zweiten Vati kanischen Konzils erscheint es geboten, den Beitrag der Laien, insbesondere der Eltern, Paten und Familien, rechtlich in einem weitergehenden Ausmaß 579 Mussinghoff,
Familienrecht im Codex Iuris Canonici, S. 96 (123). Lineamenta – „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“, http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/ rc_synod_doc_20141209_lineamenta-xiv-assembly_ge.html (abgefragt am 26. 09. 2015). 580 Bischofssynode,
322
D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
anzuerkennen. Hierzu bedarf es der Anerkennung expliziter Persönlichkeitsrechte des Kindes. Die sich daraus ergebende Anspruchsstellung des Kindes impliziert das Erfordernis der Implementierung eines kanonischen Kindschafts- und Familienrechts, in das jene sich aus der naturgegebenen Beziehungsstruktur zwischen Eltern und Kindern ergebenden Rechte und Pflichten eingebettet sind. In diesen Kontext gehört der Anspruch des Kindes auf das Bemühen der Eltern um eine Lebensführung nach den Maßstäben der Glaubenslehre der Kirche. Im Sinne der traditio canonica und im Lichte eines von Barmherzigkeit getragenen Ansatzes, der sich vor allem am Kontext der familiären Beziehungen orientieren muss, besteht die große Herausforderung darin, den Grat zwischen den Anforderungen der salus animarum und – dem Postulat eines barmherzigen Umgangs gerade gegenüber den am meisten Verletzten folgend – der aequitas canonica zu finden. Zum Schutz des Kindes ist eine Anpassung des kirchlichen Strafrechts geboten. Hierbei geht es nicht um eine Bestrafung der Eltern, sondern um ein Rechtsschutzinstrument zur Einforderung der elterlichen Erziehungspflicht. Zunächst geht es um eine Güterabwägung zwischen den rechtlich geschützten Interessen des Kindes und jenen der Eltern. Die Unterlassung der Taufe und der religiösen Erziehung seitens katholischer Eltern oder eines katholischen Elternteils lassen an den Tatbestand der Diskriminierung des Kindes denken. Schließlich ist im Zusammenhang mit der in der Elternschaft begründeten Verpflichtung zur Erziehung an neue Straftatbestände zu denken, die sich als Verletzung der eine aktive Betätigung implizierenden Sorgepflicht zur religiösen Erziehung konkretisieren. Dieses Postulat ergibt sich aus der Anerkennung der Würde der Person und der daraus erfliessenden Anspruchslage, die insbesondere betreffend die Situation von Kindern die Einforderung von Pflichten der Erziehungsträger gebietet. Insofern ist zu konstatieren, dass dem Kind unabhängig und unbeschadet der Religionsfreiheit der Elten die Möglichkeit einer Glaubenserfahrung zu gewährleisten ist. Dies ergibt sich aus dem Anspruch des Kindes auf Entfaltung seiner Persönlichkeit. Demnach ist die Unterlassung der Veranlassung der Taufe und einer religiösen Erziehung seitens getaufter Eltern oder an ihrer Stelle Stehender sowie der Paten als Diskriminierung des Kindes zu qualifizieren.
XVIII. Anspruchstellung des kanonischen Rechts an das staatliche Recht Nach dem Selbstverständnis der Kirche gründet ihr Erziehungsanspruch weder in einer entsprechenden Tradition noch in einer Festlegung des ius mere ecclesiasticum. Vielmehr bilden diese Entwicklungen eine Folge der in der
XVIII. Anspruchstellung des kanonischen Rechts an das staatliche Recht 323
Würde des Menschen grundgelegten und somit jeder menschlichen Verfügbarkeit entzogenen und mit der Stiftung durch Christus besiegelten Anspruchslage. Wie das Erziehungrecht der Eltern gründet daher auch das Erziehungsrecht der Kirche in der Transzendenz. Mit dem an das Toleranzpatent Josef II. aus dem Jahr 1781581 anknüpfende Staatsgrundgesetz von 1867 fand das jahrhundertelange Tauziehen zwischen kirchlicher und weltlicher Macht durch die Anerkennung der Glaubens-, Gewissens- und Religonsfreiheit ein Ende. Die Anspruchstelltung der katholischen Kirche gegenüber dem Staat ergibt sich aus dem universalen Recht sowie aus konkordatären und partikularrechtlichen Bestimmungen. Im Folgenden sei kurz skizziert, inwiefern die österreichische Rechtsordnung diesem Anspruch Rechnung trägt. Nach dem österreichischen Recht bestimmen sich die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach dem Art. 14 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867, nach Art. 63 Absatz 2 des Staatsvertrages von St. Germain, sowie nach Art. 9 der Europäischen Menschenrechts konvention, die im Verfassungsrang steht. Darüber hinaus gewährt der Staat auch einen Rechtsschutz im Kontext des Gleichheitssatzes gemäß Art. 7 (1) B-VG sowie nach Art. 5 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK und nach Art. 2 StGG 1867. Schliesslich ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK zu berücksichtigen. Art. 14 des Staatsgrundgesetzes von 1867 gewährleistet jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte unabhängig von einem Religionsbekenntnis.582 Art. 15 des Staatsgrundgegetzes von 1867 regelt das Selbstverwaltungsrecht der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften betreffend ihrer eigenen Angelegenheiten: „Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.“583 581 Österreichische Nationalbibliothek, ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte, http://www.alex.onb.ac.at/ (Stand 21. 01. 2014). 582 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 25. 06. 2015, http:// www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =10000006 (abgefragt am 25. 06. 2015). 583 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 24. 10. 2015, http:// www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnum mer=10000006 (abgefragt am 24. 10. 2015).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
Die Gewährleistung des Rechtes auf religiöse Erziehung garantiert der im Verfassungsrang stehende Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention: „Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.“584 Neu ist das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vom 15. Februar 2011.585 Dieses besteht in einer Synthese der völkerrechtlichen Normierungen von Kinderrechten in den Konventionen der Vereinten Natio nen sowie den weitaus reduzierter gefassten Kinderschutzbestimmungen der Europäischen Union.586 Das Bundesverfassungsgesetz stützt sich im Wesentlichen auf das Postulat der Respektierung der Meinung des Kindes, dabei auf die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Österreich im Jahr 1992 unterzeichnete. Mit dem neuen Bundesverfassungsgesetz werden einzelne Teile dieser UN-Konvention im Verfassungsrang verankert. Im vorliegenden Zusammenhang ist insbesondere das in Art 4 des BVG über die Rechte von Kindern normierte Recht auf Partizipation in Betracht zu ziehen. Zutreffend wurde zu dieser Bestimmung angemerkt, dass die Berücksichtigung der „Meinung“ des Kindes nicht im Sinne der Meinungsfreiheit gemeint sei, sondern in umfassender Weise die Berücksichtigung des Kinderwillens verlangt. Ein Vergleich mit Art. 12 Abs. 1 der UN-Kinder rechtskonvention zeigt, dass es um die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung geht. Art 4 des BVG über die Rechte von Kindern verlangt, dass entsprechend dem Alter und der Reife des Kindes in allen Angelegenheiten, die das Kind betreffen, seine Meinung zu bedenken und zu berücksichtigen ist. Wenn das Kind die entsprechende Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt, ist seine Willensäußerung zu berücksichtigen.587 Insofern deckt sich das im Hinblick auf die Religionsfreiheit des Kindes gefundene Ergebnis mit der Gewährleistung des Art 4 des BVG über die Rechte von Kindern. 584 Europäische
Menschenrechtskonvention (Zusatzprotokoll), Art. 2. BGBLA_2011_I_4 – Bundesgesetzblatt authentisch ab 2004, http:// www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA _2011_I_4 (abgefragt am 29. 10. 2015). 586 Jahrbuch Öffentliches Recht 2011, 91: Kinderrechte in der Verfassung: Das BVG über die Rechte von Kindern (Claudia Fuchs): RDB Rechtsdatenbank 91–110, http://www.rdb.manz.at/document/rdb.tso.LIjboeffr201106?execution=e1s3&highligh t=religi%C3 %B6se+kindererziehung (abgefragt am 11. 10. 2015). 587 Jahrbuch Öffentliches Recht 2013, 23: Die Straflosigkeit der Beschneidung im Lichte der Grundrechte (Katharina Pabel): RDB Rechtsdatenbank, 23–46, http:// www.rdb.manz.at/document/rdb.tso.LIjboeffr201303?execution=e1s5&highlight=reli gi%C3 %B6se+kindererziehung (abgefragt am 11. 10. 2015). 585 RIS –
XVIII. Anspruchstellung des kanonischen Rechts an das staatliche Recht 325
Mit dem BVG über die Rechte von Kindern setzte der Gesetzgeber einen wesentlichen Schritt in Richtung der verfassungsgesetzlichen Garantie von Persönlichkeitsrechten des Kindes. Damit wurde in entscheidender Weise der schon lange erforderliche Perspektivenwechsel zugunsten der Rechtssubjektivität des Kindes auf verfassungsrechtlicher Ebene vollzogen. Trotzdem ist festzuhalten, dass die materiellen Inhalte, insbesondere der Art 1 des BVG über die Rechte von Kindern, zu kurz greift. Dies deshalb, weil es sich beim Terminus des Kindeswohls um einen interpretationsoffenen Begriff handelt. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass die verfassungsrechtlich zu gewährenden Persönlichkeitsrechte nicht bereits per se, sondern allenfalls betreffend eine Verhältnismäßigkeitsprüfung einer relativierenden Interpretation zugänglich sein dürfen. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist das 1985 wiederverlautbarte Gesetz über die religiöse Kindererziehung maßgeblich. Dieses ist nach dem Grundsatz der freien Eingigung der Eltern konzipiert und spricht dem Kind eine gestufte Religionsmündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahr zu, ab dem es in religiösen Fragen eigenberechtigt entscheiden kann.588 Einen traditionellen Reibungspunkt zwischen Kirche und Staat bildet der Kontext der Schule, in dem es stets um ein Ringen zwischen der Sendungsverantwortung der Kirche und der Gewährleistung von Staatszielbestimmungen geht. Aus diesem Grund bilden der Religionsunterricht und die Frage der Errichtung und Erhaltung von Schulen einen zentralen Regelungsgegenstand konkordatärer Vereinbarungen und sind auch die nationalen Bischofskonferenzen gehalten, sich der Frage des Religionsunterrichts und der Schulen auf der Ebene partikularrechtlicher Grundlegungen anzunehmen. Gemäß Artikel VI § 1 des Konkordates 1934 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich steht der Kirche das Recht auf Erteilung des Religionsunterrichtes und Vornahme religiöser Übungen für die katholischen Schüler an allen niederen und mittleren Lehranstalten zu.589 Nähere Regelungen ergeben sich aus der konkordatären Vereinbarung des sogenannten Schulvertrages.590 In einem Dekret aus dem Jahr 1994 unterstreicht die Ös588 BGBl.Nr. 155/1985: Kundmachung: Wiederverlautbarung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung: RDB Rechtsdatenbank, http://www.rdb.manz.at/ document/ris.c.BGBL_OS_19850430_0_0155++?execution=e1s4&highlight=religi% C3%B6se+kindererziehung (abgefragt am 11. 10. 2015). 589 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Konkordat – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 18. 11. 2013, http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=B undesnormen&Gesetzesnummer=10009196 (abgefragt am 18. 11. 2013). 590 RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Schulwesen – Regelung – Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 29. 10. 2015, http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wx e?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009263 (abgefragt am 29. 10. 2015).
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D. Zur Kindererziehung im geltenden kanonischen Recht
terreichische Bischofskonferenz die Bedeutung des Religionsunterrichtsgesetzes aus dem Jahr 1949 sowie der Teilkonkordate aus den Jahren 1962 und 1971 für die religiöse Unterweisung in „Schulen jeglicher Art.“591 Die zentrale Norm des universalen kirchlichen Rechts betreffend die Anspruchstellung der Kirche gegenüber dem Staat im Kontext der religiösen Erziehung ist c. 793 § 2: „Die Eltern haben auch das Recht, jene von der weltlichen Gesellschaft zu leistenden Hilfen zu nutzen, die sie für die katholische Erziehung ihrer Kinder benötigen.“ Der Canon bezieht sich vornehmlich auf das an den Staat gerichtete Postulat der Bereitstellung eines adäquaten Bildungsangebotes, sodass den Eltern die freie Wahl einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Schule tatsächlich offensteht. Eine Pflicht zur religiösen Erziehung kennt das staatliche Recht nicht mehr und würde eine solche auch der garantierten, negativen Religionsfreiheit widersprechen. Demgegenüber führt der mit dem BVG über die Rechte von Kindern initiierte Perspektivenwechsel unweigerlich zur Frage nach den konkreten Persönlichkeitsrechten des Kindes, gegenständlich seinem Recht auf religiöse Erziehung. Dieser Anspruch korrespondiert mit dem Recht auf Religionsfreiheit der Eltern. Damit das Kind seine religiöse Freiheit später betätigen kann, sollte es eine Erziehung erhalten, die ihm eine entsprechende Entscheidungskompetenz vermittelt. Wie auch das Recht auf Meinungsfreiheit nur betätigt werden kann, wenn Methoden der mündlichen oder schriftlichen Artikulation – sohin das Sprechen und das Schreiben – erlernt werden. In beiden Fällen ist freilich eine Anlage vorhanden. Unterbleibt allerdings eine entsprechende Förderung, so kann sich diese kaum entfalten. Diese Aspekte sind der Religionsfreiheit der Eltern gegenüberzustellen. In diesem Kontext ist davon auszugehen, dass die Eltern gehalten sind, dem Kind zumindest die Erfahrung eines religiösen oder weltanschaulichen Erfahrungshorizontes zu ermöglichen. Dies ergibt sich aus dem natürlichen Anspruch des Kindes. Ferner muss es auch im Interesse des Staates liegen und fällt damit in den Kontext der Staatszielbestimmungen, dass die Staatsbürger über die Kompetenz zur Reflexion moralischer Aspekte verfügen. Die Implikationen hierzu werden traditionell von den Kirchen und Religionsgemeinschaften vermittelt. Diese natürliche Anspruchslage des Kindes bedarf einer normativen Garantie. Von einer solchen kann nur gesprochen werden, wenn zum einen das Kind als Rechtssubjekt explizit anerkannt und zum anderen diesem das Rechtsgut der religiösen oder weltanschaulichen Erziehung konkret zugesprochen wird.
591 Österreichische Bischofskonferenz, Dekret über die religiöse Erziehung, 28. April 1994, ABl. Nr. 11.
E. Fazit Vor dem Hintergrund der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils und im Kontext der kontemporären gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung in der Welt ist die katholische Kirche gehalten, der Institution der Familie als erstrangiger Trägerin der Pflicht und des Rechts zur religiösen Erziehung Rechnung zu tragen. In diesem Kontext kann c. 226 § 2 CIC 1983 als Schlüsselparagraph für die Impelementierung eines kanonischen Kindschafts- und Familienrechts angesehen werden. Unbeschadet der sakramentalen Ordnung der Ehe einschließlich ihrer Unauflöslichkeit ist die kanonische Anerkennung der Familie als Institution mit Rechtssubjektivität und grundlegenden sozialen sowie erzieherischen Kompetenzen zu erwägen. Die Umsetzung dieses Postulats birgt im Weiteren das Potential zur Aufbereitung eines tragenden Fundamentes für die Stufen der Ehevorbereitung, die sich vor dem Hintergrund der Lehre der Kirche im Kontext der Zeit gleichermaßen der Authentizität wie der Kontinuität verpflichtet wissen muss. Ausgehend von der Anspruchslage und dem rechtlichen Interesse des Kindes ist die Erziehungsverantwortung der Eltern konsequent einzufordern. Die Betätigung der persönlichen Freiheiten, gegenständlich insbesondere der Glaubens- und Gewissensfreiheit, setzt eine entsprechende Bildung des Gewissens und die Vermittlung von inhaltlichen, bildungsmäßigen Parametern voraus. Diesbezüglich besteht ein von der religiösen Freiheit der Eltern unabhängiger Anspruch des Kindes. Dem darauf hingeordneten Schutzgedanken wäre auch im Kontext des kanonischen Strafrechts angemessen Rechnung zu tragen, dies primär ausgehend vom Gedanken des Rechtsschutzes gegenüber dem Kind und nur subsidiär unter dem Aspekt einer strafrechtlichen Sanktion gegenüber den Eltern. Die konkrete Verpflichtung der Eltern und der an ihre Stelle Tretenden zur religiösen Erziehung erwächst aus dem selbst empfangenen Sakrament der Taufe. Ungeachtet der persönlichen Glaubenüberzeugung verpflichtet die Taufe aus dem Grundstz der Treue – fides. Nach der gegenwärtigen Rechtslage sanktioniert das kirchliche Strafrecht nur die vorsätzliche Veranlassung der nichtkatholischen Taufe oder Erziehung eines Kindes. Dem gegenüber wurde der von c. 217 CIC 1983 erfasste Anspruch des Kindes auf religiöse Erziehung mit keinem expliziten Rechtsschutz bedacht. Es wäre nur konsequent, dem vollzogenen Paradigmenweschsel auch in diesem Kontext Rechnung zu tragen.
328
E. Fazit
Mit der postulierten Anerkennung der Würde des Menschen und seiner Freiheit vollzog das Zweite Vatikanische Konzil einen Perspektivenwechsel. In diesem Kontext kehrten vor allem die konziliaren Erklärungen Gravissi mum educationis und Dignitatis humanae zahlreiche anthropologische Anknüpfungspunkte hervor, deren systematische Interpretation und praktische Umsetzung bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Die konziliare ekklesiologische Grundlegung fokussiert den Auftrag der Kirche zur diaconia. Dieser Ansatz impliziert auch die kulturelle Diakonie im Rahmen der Erziehung und der Bildung. Vor allem die mehrdimensionale und wechselseitige Wirkung der Erziehung im Hinblick auf Seele und Verstand impliziert das Erfordernis der barmherzigen Zuwendung. Auszugehen ist nicht vom Recht der Kirche, sondern vom Recht des heranwachsenden Menschen. In diesem Zusammenhang haben viele Staaten gegenwärtig überschiessende Regelungen im Familienrecht normiert, die aus der maßgeblichen Perspektive der Kinder als originären Trägern der Menschenrechte als diskriminierend bezeichent werden müssen. Auf der Grundlage eines interpretationsoffenen Begriffsverständnisses des Kindeswohls innerhalb einer demokratisch legitimierten Gesellschaftsordnung, die sich dem Grundkonsens des Lebensschutzes nicht mehr verpflichtet weiss und deshalb auch das Recht auf Eltern, auf Familie und auf eine menschenwürdige Erziehung für disponibel erachtet, birgt nur ein Perspektivenwechsel zugunsten des Kindes als Rechtssubjekt die Chance einer Gewährleistung der in der Würde des Menschen grundgelegten und daher unverfügbaren Ansprüche. Aus der Genealogie des Menschen ergibt sich – unbeschadet der legitimen Existenz unterschiedlichster familiärer Strukturen – das Recht des Kindes auf einen Vater und eine Mutter. Unter Berücksichtigung aller inhaltlichen Komponenten des Anspruchs auf religiöse Erziehung bildet dieses Postulat einen integralen Bestandteil desselben. Essentieller Ausgangspunkt für die Gesamtheit der religiösen Erziehung ist die Achtung der Freiheit des Kindes. Vor diesem Hintergrund benötigt das Kind Halt und Orientierung, um letztlich selbst eine Entscheidung in Freiheit und Verantwortung, unterlegt durch entsprechendes, aus einem reflektierten Erziehungs- und Bildungsprozess resultierendes Wissen, treffen zu können. Die Eltern dürfen dem Kind nicht seine Freiheit nehmen. Vielmehr sind sie vor die Verantwortung gestellt, das Kind mit dem Ziel der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit entsprechend vielseitig zu fördern. Unfrei ist, wer keine Entscheidung trifft. Eine aus einem Mangel an fundierter, wertekonformer Bewusstseinsbildung resultierende Orientierungslosigkeit führt zu einer Kreiselbewegung und folgt keinem zukunftsweisenden, fortschreitenden Weg, der zur nachhaltigen Entwicklung der Person als Individuum und der Gesellschaft als Kollektiv beiträgt.
E. Fazit329
Das Kind braucht entschiedene, gute Vorbilder, die es bewusst und unbewusst beobachten kann, die ihm aber nicht die höchstpersönliche Entscheidung abnehmen. Es braucht ein Gegenüber, an dem es eigene Vorstellungen reflektieren kann. Die Schulpflicht korrespondiert mit dem Recht des Kindes auf die Vermittlung einer umfassenden Bildung, welche die Weitergabe eines Kulturverständnisses und religiöser beziehungsweise weltanschaulicher Erziehung impliziert. In diesem Konnex erscheint es geboten, die Rechte der Kinder und die Pflichten ihrer Erzieher konkret und tiefgehend zu normieren. Die in den staatlichen Gesetzen normierte Prämisse, dass jedes Kind einen Eigenwert darstellt, wodurch die Verfügungsgewalt der Eltern per se begrenzt sei, entspringt explizit der christlichen Kinderschutztradition. Gegenwärtig ist in diesem Kontext eine stärkere Implementierung von Beteiligungs- und Anhörungsrechten der Kinder und Jugendlichen im Kontext der Schule zu fordern, deren Adressaten sie ja sind. Vor dem Hintergrund der Korrelation zwischen dem grundrechtlichen Schutz des Kindes und dessen Wahrnehmbarkeit eigener Persönlichkeitsrechte lässt sich gegenwärtig zunehmend eine Tendenz zur Ausweitung der kindlichen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung erkennen. Geichzeitig ist die Abwendung von institutionalisierten Großkirchen zugunsten einer individualisierten Pluralisierung des religiösen Lebens wahrnehmbar. Angesichts dieser Entwicklung ist der Staat in besonderem Maße gefordert, entsprechende normative Rahmenbedingungen aufzustellen, womit dem Menschen – vom Beginn seines Lebens an – ein entsprechender Schutz seiner Freiheiten gewährleistet wird. Somit ist es zum einen notwendig, das konkrete Bekenntnis innerhalb der pluralistischen Gesellschaft von staatlicher Seite zu legi timieren, andererseits vermag gerade die religiöse Tradition hinsichtlich der Implementierung eines multikulturellen Grundrechtsverständnisses in die Verfassung Maßgebliches beizutragen. Aktuell besteht das Erfordernis, Kinderrechte sowohl auf kanonischer als auch auf staatsverfassungsrechtlicher Ebene weiter auszubauen und die Prämisse der persönlichen Entscheidungsfreiheit verknüpft mit dem Recht auf eine adäquate, zur verantwortungsvollen, selbstbestimmten Lebensführung befähigende Erziehung in den kanonischen und weltlichen Gesetzen stärker hervorzuheben. Korrespondierend dazu ist der Ausbau von Rechtsschutzinstrumenten auf kirchenrechtlicher und religionsrechtlicher Ebene zu befürworten und anzustreben. Nicht der Glaube und die Religion haben sich verändert, sondern der Zugang. An die Stelle der vormaligen, starken Verbindung zwischen Kirche und Staat ist heute das Postulat eines weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates getreten. Damit einher geht die zunehmende Verantwor-
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E. Fazit
tung des Staates, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen und dessen Bestand sowie die Verwirklichbarkeit einer materiellen Befüllung im Hinblick auf die Entfaltungsmöglichkeiten unterschiedlicher Konfessionen und Weltanschauungen zu gewährleisten. Gegenwärtige Rechtsentwicklungen kehren die Evidenz der Unverzichtbarkeit einer Aufnahme von expliziten Kinderrechten in die Rechtsordnungen der katholischen Kirche und der Staaten hervor. Damit würde nicht ein existenter Standard dokumentiert, sondern eine zielgerichtete Perspektive als Mindeststandard formuliert.1 Somit bildet die normative Implementierung der Rechtssubjektivität des Kindes im kanonischen und im staatlichen Recht das Initium für die Garantie seiner Rechte und eine notwendige Grundlage für die menschenwürdige Interpretation der Termini Erziehung, Familie und Gemeinwohl. „Daß für das materiale Profil einer Rechtsordnung die Orientierung an einem bestimmten Menschenbild und die Orientierung an einem bestimmten Sozialmodell die beiden wichtigsten Entscheidungen darstellen, wird erst in neuerer Zeit stärker bewußt.“2
Die dargelegte Bedeutung von Familie, Erziehung und Schule führt zu jenem bekannten, von Ernst-Wolfgang Böckenförde stammenden Diktum, dessen Geltung an keine Zeit gebunden ist: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“3
In diesem Kontext sei noch einmal auf die unter Bezugnahme auf Theo Mayer-Maly und dessen Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit des Rechts bei der Bekämpfung der Korruption von Herbert Schambeck konstatierte, hohe Relevanz einer ethischen Gesinnung verwiesen: „Vom Gewissensanspruch des Einzelnen (…) und seiner individial- und sozialethischen Grundhaltung wird der Wert der Demokratie im Staat entscheidend abhängen und der Gefahr der Permissivität begegnet werden können.“4
Damit die neu ins Bewusstsein gerückte Freiheit auch menschenwürdig gelebt werden kann, bedarf es einer entsprechenden Erziehung und adäquaten Bildung hingeordnet auf eine verantwortungsvolle Betätigung der Entscheidungsfreiheit und die Kompetenz zu sinnerfüllter Selbstbestimmung im indivduellen und kollektiven Kontext.
1 Lutterbach,
Kinder und Christentum, S. 16. Christentum und Privatrechtsentwicklung, S. 39 (45). 3 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 60. 4 Schambeck, Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich, S. 902. 2 Mayer-Maly,
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Sachwortregister Abaelardus, Petrus 99 Ad gentes 170, 269 Adamovich, Ludwig 58 Aequalitas 58 ff., 111, 231 Aequitas canonica 322 Aeterni patris 167 Affari vos 115 Aggiornamento 136 Albertus Magnus 80 Alexander III. 99 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 146, 153 f., 170, 199 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch 143 Allgemeines Katechetisches Direktorium 169, 190 ff., 303 Allgemeines Preußisches Landrecht 143 Ambrosius 140 Amoris laetitia 21 Anni discretionis 83 ff., 139 ff. Anselm von Canterbury 41 Ante vestrum 115 Antoniano, Silvio 108, 133 Aparecida 182 ff. Apostolat 222, 270 f. Apostolica sollicitudo 310 Apostolicam actuositatem 169, 271, 308 Aquin, Thomas von 46 ff., 101 ff., 168, 219 Arbeit 136 f., 191, 315 Arcanum divinae sapientiae 114, 126, 137 Aristoteles 61, 101, 112, 139, 148, 306 Aufklärung 45, 51, 68, 78, 80, 142 ff., 306
Augsburger Religionsfrieden 110 ff. Augustinus 46, 65, 79, 80 ff., 220, 240 Autonomie 34, 43, 47, 50, 69, 139, 146, 158, 183, 188, 229, 235, 299, 305 Aymans, Winfried 122, 258 f., 308 Basilius von Caesarea 80, 85 Beck-Mannagetta, Margarethe 48 Beichtpflicht 100, 140 Benedikt von Nursia 85, 92 f. Benedikt XV. 116 Benedikt XVI. 70, 157 Benediktiner 51, 87, 92 ff., 94 Bewusstseinsbildung 17, 328 Beziehung 17, 19, 33, 39, 46, 62, 69, 164, 175, 216, 227 Bildung 9 ff., 32 ff., 45, 50 ff., 93 ff., 115, 272 ff. Bildungspolitik 9, 35 Bildungsprozess 14, 164 f., 328 Bildungssystem 32, 94 Bischöfe 15, 98, 115, 159 f., 262 ff. Bischofskonferenz, Österreichische 23, 180, 234 Bischofssynode 147 ff., 174, 192, 248, 285, 304, 310 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang 330 Böhmer, Justus Henning 299 Bonhoeffer, Dietrich 57, 257 f., 297 Bonifaz VIII. 88, 99 Bonifazius 86 Bonum commune 169 f., 189 f., 219, 238 Bonum coniugium 122, 170 Bonum infinitum 67 Bonum prolis 122, 170, 239 Bonum spirituale 253
Sachwortregister359 Borromäus, Karl 95, 108, 111, 141 Brautexamen 124 Brief an die Familien 36, 44 f., 55, 152 ff. Buber, Martin 56 Calixtus II. 99 Canisius, Petrus 82, 95 f., 106, 121 Capacitas doli 139 f. Cappellini, Ernesto 174 Caritas et veritate 315 Caritas 149, 292, 307 Cäsarius 85 Casti conubii 122 f., 192 Catechismus minimus 106 Catechismus parvus catholicorum 106 Catechismus Romanus 107 Character indelebilis 66, 118, 223 Charta der Familienrechte 55, 199 Chartres, Ivo von 99 f. Christifideles 29, 175, 190 Christus dominus 159, 167, 264 Chrysostomos, Johannes 82 Cicero 59, 148, 306 Clementinae 99 Cluny 98 Coles, Robert 69 f. Communio ecclesiae 66, 158, 167, 171 ff., 223 ff., 240, 270, 285, 300 ff. Communio 43, 50 ff., 147, 152, 173 ff., 191 Communitas 152 Compte, Auguste 38 Congregatio Patrum doctrinae christianae 96 Coniuge innocente 107 Corpus Iuris Canonici 88, 91, 116, 128 Corpus Iuris Civilis 299 Correcco, Eugenio 216 Covid-19 21 Cuius regio eius religio 110 Cunctos populos 89
De catechizandi rudibus 82 De Matrimonii Sacramento 180 Decretum Gratiani 88, 99 ff. Decretum Tametsi 107, 112, 122 f., 239 Dei verbum 169 Dekretalen 80 Dell’Aqua, Angelo 137 Demokratie 14, 330 Deus caritas est 157 Deutscher Idealismus 42 Devotio 86 Diakonie, kulturelle 159 ff., 194, 212, ff., 231, 240, 256, 277, 294 ff. Dialog 12, 161, 167 ff., 272, 313, 317 Dienst 20 ff., 43, 67, 76, 79, 159 ff., 192, 233, 240 Dignitatis humanae 146, 156 ff., 170 ff., 210, 226 ff., 245, 251 ff., 269, 292, 301 f., 312, f., 328 Directorium catechisticum generale 169 Diskriminierung 34, 322 Divini illius magistri 84, 108, 132 ff., 197, 210 Durkheim, Emile 38 Ecclesia domestica 93, 106, 161, 172, 315 Educatio catholica 233 Educatio liberorum 47, 76 ff., 116 ff., 132 ff., 186 ff., 236 Educatio religiosa 76 ff., 101, 106, 116 ff., 132 ff., 160, 177, 199, 206 ff., 213, 232, 236 ff., 253 Ehe 118, 120 ff., 171 ff., 177, 179, 195, 235 ff. Eheband 109, 122 ff., 173, 229, 236 ff., 249, 254, 292, 314, 320 Ehehindernis 113, 123, 242 f., 253 Ehekonsens 92, 122, 184 f., 194, 236 ff. Ehelichkeit 126, 149, 297 Ehesakrament 79, 125 f., 173, 186, 204, 215, 235 ff. Ehevorbereitung 216, 236, 268
360 Sachwortregister Ehewirkung 125, 174 ff., 203 ff., 236 ff. Ehezweck 122, 254 Einrichtungen, akademische 22 Ekklesiologie 29, 37, 157 ff., 187, 200, 218 Eltern 13, 117, 177 ff., 181 ff., 196 ff., 203 ff., 233 Elternpflicht 15, 175 ff., 217, 302 Elternschaft 29, 49, 128, 177 ff., 217 f., 235 ff., 294 ff., 305 Elternvereinigungen 214, 275 Emile ou l’éducation 45 Englische Fräulein 96 Entscheidungsfreiheit 67 f., 159, 225 f., 237, 313 Entscheidungskompetenz 18, 32, 52 ff., 73, 139, 313, 326 Epikie 315 Erfahrung, religiöse 41 Erstes Vatikanisches Konzil 113 Eruditio 70 Erziehung 12 ff., 21 ff., 36 ff., 68 ff., 101 ff., 166 ff., 186 ff., 200, 217 ff., 255 ff., 261 ff. Erziehungsrecht 20, 34, 76 ff., 103, 116 ff., 123 ff., 134 ff., 188 ff., 208 f. Erziehungsvertrag 14 Ethikunterricht 59 ff. Eudaimonie 62 Eugen IV. 145 Europäische Menschenrechtskonvention 64, 98, 199, 323 Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten 144 Europarat 9, 14 Evangelii gaudium 10 ff., 76 Evangelii nuntiandi 303 Evangelisierung 21, 37, 156, 170, 270, 281, 303 Exkommunikation 66, 131, 246, 284 ff., 302 Extravaganten 88, 100 Falchi, Francesco 107, 125 ff., 176 ff., 187, 205, 216 f., 251 ff.
Familia a Deo instituta 303 Familia 90, 312 Familiaris Consortio 46, 53, 216, 229 ff., 320 Familie 13 ff., 35, 53 ff., 241 ff., 252 ff., 268 ff., 303 ff. Familienkatechese 185 Familienrecht 185 ff., 215 ff., 229, 252, 305, 314 Faustus 86 Favor fidei 108, 127 Feste 281 ff. Feuerbach, Ludwig Andreas 41 Fichte, Johann Gottlieb 45 Fickler, Johann Baptist 94 Fides et ratio 167 Fides qua creditur 65, 222 Fides quae creditur 65, 222 Firmung 120, 140, 167 ff., 187, 213, 257 ff., 316 Foedus 17, 179, 241, 247 Formatio 14, 106 Franziskus 10, 20 ff., 39, 64, 76, 190, 197, 239 Fratelli tutti 23 ff. Freiheit 11 ff., 20 ff., 44 ff., 51, 60 ff., Freiheitsrechte 14 ff., 42, 60 Frieden 10, 46, 70, 146, 158 ff., 191, 226 Friedrich II. 143 Fürst Kaunitz, Wenzel Anton 96 Gallagher, Clarence 234, 295, 311 Gaudium et spes 53, 146, 159, 169 f., 190 f., 235 Gemeingut 10 Gemeinschaft 35 ff., 53 ff., 71, 102 ff., 138, 150 ff., 184 ff. Gemeinschaftsformen 13 Gemeinwohl 10, 21 ff., 33, 71, 134, 150, 209, 218, 228, 230, 238, 275 Gerechtigkeit 10 ff., 19, 46 ff., 60 f., 161, 191, 223, 272 Geschwisterlichkeit 24
Sachwortregister361 Gesellschaft 15, 62 ff., 68 ff., 115 f., 150 ff., 174 Gesellschaftsordnung 9, 65, 328 Gesundheit 21 ff., 239 Gewährleistungspflicht 50, 208, 227, 316 Gewissen 14 f., 18 f., 44 ff., 50, 63 ff., 166, 210, 218, 226 Glaubensfreiheit 128, 161, 221 ff., 276 Gläubige 117, 122, 129, 147, 160, 167, 175 Gleichheit 190, 200, 231, 282, 323 Glettler, Hermann 23 Gnostizismus 12 Gratian, Johannes 89, 99 Gravissimum educationis 14, 22, 81, 84, 166 ff., 191 ff., 216, 226, 235 ff. Gregor der Große 84 Gregor II. 86 Gregor IX. 99 f. Gregor VI. 98 Gregor VII. 99 Gregor von Nazianz 132 Gregor XVI. 113, 154 Grotius, Hugo 307 Grundrechte, kanonische 148, 157, 172 f., 195, 215 ff., 231, 267, 302 Gymnasien 96 Habermas, Jürgen 40 f., 56, 73 Häresie 107 Häring, Bernhard 180 Hauskirche 81, 93, 106, 156, 315 Haustafeln 81 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 63, 113, 221 Heiligung 79, 126, 270, 316 Heiligungsdienst 159 f., 171, 189, 200 ff., 205 ff., 234, 262 Heilsbotschaft, katholische 79, 270 Hieronymus 85 Hilberath, Bernd Jochen 296 Hilfe, pastorale 23, 67, 110, 160 Hingabe 161, 184, 194 f., 239, 297
Hirten 15, 159, 167 ff., 181 ff., 305,311 ff. Hochheim, Eckhart von 39, 46, 51 Hochschule 14, 163, 198, 202 Humanae vitae 136 Humanismus 22, 45, 51, 108 Humboldt, Wilhelm von 45, 51, 70 Idealismen 12 Idee 10, 12, 24, 45, 70, 97, 114, 137, 162, 168, Identifikation 34, 38, 41, 67, 72 ff., 190 Identität 17, 30, 38, 29, 41 ff., 52, 67 ff., 126, 162 ff., 200 Ignatius von Loyola 47, 106 In coena Domini 154 Inderdikt 289 Individualisierung 34, 39 f., 47 Infantes 86, 89 Innozenz III. 99 Inscrutabili Deo consilio 116, 150 Institution 156, 174, 182 ff., 207, 210 ff., 234, 241 ff., 304 Integration, soziale 38, 56, 72 f., 157, 201 Inter mirficia 281 Investitutstreit 99 Isensee, Josef 148 ff., 230, 306 f. Isidor von Sevilla 84 f., 219 Ius divinum 99, 217, 232 Ius Ecclesiasticum Protestantium 299 Ius emigrandi 110 Ius familiae 133 Ius humanum ecclesiasticum 99 Ius nativum 152 Ius parentae 133 Ius vitae necisque 89 Jesuiten 82, 93 ff., 106 f., 227, 295 Johannes Paul II. 36 ff., 44 ff., 55 ff., 152 ff., 175, 183 f., 191 ff., 274, 282, 303 ff. Johannes XXII. 99 Johannes XXIII. 116, 138, 189
362 Sachwortregister Josef II. 113 Justinian 91, 140 Kant, Immanuel 63, 221 Kardinaltugenden 57 Karl der Große 93 Kasper, Walter Kardinal 75 Katechese 47, 76, 81 ff., 95, 103 ff., 159 ff., 185 ff., 203, 213, 230, 265 ff. Katechismus 82, 95, 163, 234, 263, 281, 303 Kaufmann, Franz-Xaver 40 Kautelen 112, 123 ff., 205, 243, 253 Kelsen, Hans 18 Key, Ellen 280 Kierkegaard, Sören 41 Kind 35 f., 44, 53, 64, 79, 101 Kinderkatechese 81, 186, 266 Kinderoblation 85, 88, 139, Kinderrechte 50, 144, 174 f., 237, 324, 329 Kindeswohl 33, 192, 204, 215, 239, 252, 314, 321, 325, 328 Kindschaftsrecht 29, 117, 142 f., 208, 215, 276, 314 Klosterschulen 93 ff. Kommunion 83, 100, 121, 141, 212 f., 230, 266 ff., 319 Komponenten, metaphysische 51 Konfessionsverschiedenheit 112, 123 f. Konflikt 10, 41 Konkordat 30, 99, 278, 325 f. Kontingenzbewältigung 17 Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes 18, 144 Konventionen, völkerrechtliche 9, 50 Konzil von Arles 84 Konzil von Chalcedon 92 Konzil von Mainz 84 Konzil von Paris 84 Konzil von Toledo 84, 86 Konzil von Trient 77, 82, 87 Korczak, Janusz 280
Korruption 330 Kultur 9, 48, 53, 64, 78, 116, 125, 139, 159 ff. Kulturkampf 113, 154 Kulturkreis 17 Laffitte, Jean 53, 188, 305 Laien 117, 120, 147 ff., 158 ff., 176, 188, 201 ff., 261, 270 Landau, Peter 306 Las Casas, Bartolomé de 153 Laterankonzil, viertes 83, 99 f., 140 Laudato si’ 33, 275 Lebensdeutung 17 Legalismus 57 Leges barbarorum 141 Leo XIII. 97, 114 ff. Lex Ecclesiae Fundamentalis 148, 172, 225, 234, 285, 305 Liber Extra 88, 251 Liber Sextus 99, 99 Liberi 101 Liguori, Alfons Maria di 108 Locke, John 63, 142 Loretan, Adrian 147 Luckmann, Thomas 39 Lumen gentium 159, 166 f., 186, 211, 231 ff., 259, 266 ff. Luther, Martin 82, 147, 297 Lüttich, Alger von 99 Magisterium ecclesiasticum 128 Magnum matrimonii sacramentum 244, 301, 320 Maria Theresia 96 Markus Sittikus von Hohenems 94 Martin V. 105 Martini, Karl Anton von 96 Mater et magistra 138, 151, 190, 275 Matrimonia mixta 132, 142, 180, 242 f. Matrimonium in facto esse 179, 188, 237 Matrimonium in fieri 179, 237
Sachwortregister363 Mattel, Harald 241, 264, 311 Mayer-Maly, Theo 18, 48, 65 ff., 228 Melanchthon, Philipp 301 Menschenrechte 14, 36, 136, 148, 152 ff., 194, 307 ff., 328 Menschenwürde 10, 35, 60, 63 ff., 191 ff., 215, 293 Metaphysik, thomistische 52 Militantis Ecclesiae 121 Mirari vos 113, 154 Mischehe 112 f., 123, 242 ff., 292 ff. Missio canonica 95, 122 Mitis Iudex Dominus Iesus 248 Modus vivendi 85 Montessori, Maria 280 Montini, Giovanni Battista 136 Moral 38, 140, 156, 158, 163 ff., 189, 198, 206 ff., 227 f., 234 Moralität 10 Mörsdorf, Klaus 159 Munt 142 Munus docendi 160, 173, 202, 213, 233, 255, 261 f., 274, 282, 300 Munus propheticum 160 Mussinghoff, Heinrich 159, 235, 276, 321 Mystici corporis 123, 298 Naturrecht 79 ff., 101, 144 ff., 185, 178, 181, 192, 228, 296 Ne temere 123 Necessitas 219 ff., 148, 306 Neri, Philipp 108, 163 Neuhumanismus 45 Neuscholastik 97 Nichtigkeit, Ehe 248 ff. Nietzsche, Friedrich 40 Nikomachische Ethik 101 Nominalismen 12 Nostra aetate 169 Notzivilehe 113 Novo millennio ineunte 311
Oblation 10, 85 ff., 101 ff., 139 f., 161 Obligatio 120, 125 ff., 177, 20, 216, 235, 247 f., 294 Officium 125, 129 f., 163, 176 f., 196, 200 f., 209, 272 Ökonomie 275 Optatam totius 167 Orden 233, 277 Ordensleitung 117 Ordnung, sakramentale 79, 132 Ortsordinarius 118 ff., 130, 180 Overlapping consensus 73 Pacem in terris 116 Päpstlicher Rat für die Familien 160, 174, 303 ff. Partizipationsrechte 72 Parvulus 119 Pastor aeternus 113, 121, 301 Pastor bonus 308 Pastoral 67, 81, 95, 132 f., 146 ff., 161, 173, 218, 309 ff. Paten 81 ff., 98, 120 ff., 170, 186, 211 ff., 222 Patenamt 255 ff. Patria potestas 90 Patrimonium spirituale 263 Paul III. 145 Paul IV. 96 Paul VI. 67, 136, 151, 185, 192 ff., 203, 218, 225, 243 f., 263 Paulus von Tarsus 81 Penaforte, Raimund von 99 Persona sui iuris 14 Persona 65, 104 Personalität 19, 280 Persönlichkeitsentwicklung 36, 235 Persönlichkeitsrechte 64, 81, 117, 139, 144, 150, 186, 192, 229, 322 ff. Pestalozzi, Johann Heinrich 45 Pfarrer 83, 117, 123, 164, 212 ff., 224, 230, 248, 256 ff. Piaristen 96
364 Sachwortregister Pirson, Dietrich 78, 147 Pius IX. 97, 113 Pius X. 83, 116 Pius XI. 84, 97, 102, 113, 122 ff., 132 ff. Pius XII. 123, 134 ff., 298 Placidus 86 Platon 61, 221 Pluralismus 34, 64, 71, 158 Populorum progressio 151, 197 f., 225 Potestas directa 154, 302 Praedicatio 120, 129 Predigt 57, 62, 95, 159, 203, 206, 213, 261 ff., 297, 322 f. Presbyterorum ordinis 170 Privatschulfreiheit 121 Privilegium Paulinum 127 Prodi, Paolo 65 Profeß 87 Professio 86 Proles 101, 131, 243 Propositio docrinae in scholis 159 Publica christiana 306 Puer minori aetate 86 Puer parvuli 86 Pueri oblati 87 Quadragesimo anno 275 Quam singulari 83 Quanta cura 113, 154 Quod multum 114 ff. Quoniam nulla 100 Rabanus Maurus 87 Rahner, Karl 157 Ratzinger, Joseph 70, 176, 179 Rawls, John 73 Rechte, politische 72 Rechtsfähigkeit, kirchliche 90, 142, f., 172 f., 190, 217, 230 ff. Rechtsgüter 50, 53, 252 Rechtsschutz 208, 215, 224, 252, 285, 292 ff., 308
Rechtssoziologie 30 Rechtsstaatlichkeit 13 ff. Rechtssubjekt 14, 225 ff., 237, 292, 308 Recursus 22 Redemptor hominis 309 Redemptoristen 108, 180 Rees, Wilhelm 92, 97 f., 100, 106 f., 140, 208, 293, 309 Reformation 57, 77, 94 ff., 106 ff., 141, 296 Reformpädagogik 71 Regel, goldene 70 Regula Sancti Benedicti 92 Religionsfreiheit 13, 18, 65 f., 79, 111 ff., 136, 146, 152 ff. Religionsunterricht 93 ff., 159 f., 225, 271 ff. Rerum novarum 115, 138, 145, 149 f., 275 Ritus 247, 276 Römischer Katechismus 108 Römisches Recht 77 Rotterdam, Erasmus von 96 Rousseau, Jean-Jaques 45 Rupert von Salzburg 93 Sachsenspiegel 142 Sacrae disciplinae leges 156 Sakramentalität 91, 107, 212, 302 Sakramente 78 ff., 120, 126, 140, 150, 160, 173, 187 ff. Säkularisierung 30, 94, 99 Salus animarum 46, 67, 292, 304, 322 Salus publica 148 Salvianus 85 Salzburger Provinzialkonzil 141 Salzburger Synoden 94 Sánchez, Tómas 107 Sapientiae christianae 155 Schambeck, Herbert 330 Scheler, Max 58 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 42 Schleiermacher, Friedrich 39
Sachwortregister365 Schmidinger, Heinrich 147 Scholastik 80, 92 ff., 142 ff. Schönborn, Christoph 307 Schule 14, 45 ff., 82, 93 ff., 120 ff., 183, 196 f., 209, 214, 231, 311 ff. Schulgemeinschaft 276 ff. Schulorganisationsgesetz (Österreich) 32, 59, 225 Schulpflicht 97, 209, 329 Sedula Mater 309 Selbsthingabe 36, 65, 161, 184, 194, 239, 297 Semel christianus semper christianus 118 Sendungsverantwortung 152, 167, 187, 215, 222, 270 ff. Separatio ab oeconomia paterna 142 Septem artes liberales 89 Sevilla, Isidor von 84 f., 219 Simmel, Georg 39 Simultanschule 97 Societas domestica 116, 150, 161, 172 Societas perfecta 112 ff., 132, 175, 291 Societas 53 f., 311 Sohm, Rudolph 77 ff. Sokrates 62 Solidarität 10, 21 ff., 54, 61, 161, 194, 223, 280 Sorgetragung, pastorale 13, 15, 57, 120, 129 ff., 169, 191, 207, 211 ff., 250 ff. Sozialisation 17, 68, 71 Soziallehre, christliche 10, 23, 198, 280 Sozialpädagogik 51 Sozialpolitik 35 Sozialrechte 72, 145 Spencer, Herbert 38 Staat 9 ff., 32 ff., 59 ff., 115 ff., 273, 330 Stoa 90 ff., 144 Stoiker 62, 79 Strafbarkeit 290 Strafe 118, 215, 247, 287 ff. Suárez, Francisco 144
Subsidiarität 10, 22 ff., 34, 126, 199, 211, 268, 273 Summa familiae cura 320 Superior hierachicus 224 Swieten, Gerhard van 96 Swieten, Gottfried van 96 Syllabus errorum 113 Synode von Mainz 82 Tarsus, Paulus von 86 Taufsakrament 83, 121, 189, 222, 229, 249, 266 f., 283, 287 Tertullian 79, 83, 140 The Second Treatise of Government 142 Tilmann, Clemens 163 f. Tolstoi, Leo 40 Totius vitae consortium 122, 179 Transzendenz 19, 35, 43, 55, 119, 199, 323 Tre libri dell’Educatione Cristiana e Politica de’ Figliuoli 108, 111 Trennung, Ehepartner 248 ff. Treuepflicht 127, 176, 302 Tugend 24, 57, 318 Über den Beruf des Staates zur Erziehung 45 Über Hoffahrt und Kindererziehung 82 Unauflöslichkeit 107, 126, 172 f., 314 ff. UNESCO 9 Unio 51 Unitatis redintegratio 167, 295 Universitäten 9, 93 ff., 198, 202 UN-Kinderrechtskonvention 324 Ursulinen 96 Urteilsvermögen 33, 54, 74, 136, 280 Usus rationis 119, 140, 143 Utilitarismus 195 Utilitas 148, 219, ff. Utopie 11, 33 Verfassungsstaat 45 148, 183, 306, 329
366 Sachwortregister Verkündigung 79 ff., 120 ff., 128, 159 f., 191 ff., 229 ff., 261 ff., 279, ff., 306, 312, 316 ff. Verkündigungsdienst 82, 128, 202 ff., 233, 261 Verlöbnis 139 f. Vernunft 34, 40 ff., 41, 59, 62, 67, 72 ff., 80, 83 ff., 100 ff., 118 f., 140 f., 168, 198, 212, 219, 266, 287 Vinculum matrimoniale 107, 212 Virchow, Rudolf von 113 Vitoria, Francisco de 144 Volksschule 96, 278 Vormund 85, 105, 119, 141 ff., 286 f. Weil, Simone 19
Weltanschauung 72 f., 116 Weltanschauungsfreiheit 42 Werte 17 ff., 24, 32 ff., 198, 209, 225, 279, 294, 315 f., 328 Wertebewusstsein 33, 73 Westfälischer Friede 77, 111 f. Wolf Dietrich von Raitenau 94 Wolff, Christian 142 Wormser Konkordat 99 Würde 14, 61 ff., 137, 145 f., 154 f., 161, 164, 166 ff., 175, 179, 194 Zeiller, Franz von 143 Zweites Vatikanisches Konzil 161, 166 ff., 171 ff., 245, 253, 262, 270, 308