Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren: Nichtregierungsorganisationen im Spannungsfeld notwendiger Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und staatlichen Sicherheitsinteressen [1 ed.] 9783428581504, 9783428181506

NGOs, die bei der Durchsetzung humanitären Völkerrechts tätig sind und humanitäre Hilfe leisten, arbeiten in einem Spann

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German Pages 334 Year 2021

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Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren: Nichtregierungsorganisationen im Spannungsfeld notwendiger Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und staatlichen Sicherheitsinteressen [1 ed.]
 9783428581504, 9783428181506

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Schriften zum Völkerrecht Band 247

Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren Nichtregierungsorganisationen im Spannungsfeld notwendiger Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und staatlichen Sicherheitsinteressen

Von

Regina Klostermann

Duncker & Humblot · Berlin

REGINA KLOSTERMANN

Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren

Schriften zum Völkerrecht Band 247

Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren Nichtregierungsorganisationen im Spannungsfeld notwendiger Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und staatlichen Sicherheitsinteressen

Von

Regina Klostermann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Arbeit ist im Rahmen des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs SFB 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ entstanden.

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-18150-6 (Print) ISBN 978-3-428-58150-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde im Februar 2017 als Dissertation im Fachbereich Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin angenommen. Die Arbeit berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur bis September 2020. Wesentliche Teile der Arbeit entstanden am DFG geförderten Sonderforschungsbereich SFB 700 – Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit im Rahmen des Teilprojektes „Humanitäre Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“. Der Austausch und die Tätigkeit in diesem interdisziplinären Arbeitsumfeld haben die Arbeit sowohl bei der Themenwahl als auch bei der inhaltlichen Ausarbeitung deutlich geprägt: Nicht-internationale bewaffnete Konflikte finden regelmäßig in Räumen begrenzter Staatlichkeit statt, die staatlichen Steuerungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten sind begrenzt oder fehlen vollständig. Insoweit ist die Frage der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts durch und gegenüber nicht-staatlichen Akteuren von wesentlicher Bedeutung, die auch im Zeitraum der Bearbeitung nicht an Bedeutung verloren hat und eben nicht nur auf juristischer, sondern auch politikwissenschaftlicher Seite rezipiert wird. Die Bedeutung der Fragestellung für diverse Konflikte der Gegenwart verdient den notwendigen Einbezug verschiedener Perspektiven und den Blick über den Tellerrand. Ich danke meiner Doktormutter Prof. Dr. Heike Krieger. Insbesondere durch die Arbeit am SFB ermöglichte sie mir, den Schritt aus der rein juristischen Perspektive heraus zu wagen und den gestellten Fragen auch interdisziplinär zu begegnen. Ich danke ihr für die wissenschaftliche Freiheit, die sie mir bei der Erstellung der Arbeit gewährt hat, aber vor allem für die vielseitigen hilfreichen Denkanstöße. Prof. Dr. Robin Geiß danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke der DFG für die Gelegenheit, im Rahmen einer Studienreise in den (Süd-)Sudan weiterführende Impulse für diese Arbeit gewinnen zu können, sowie die Möglichkeit eines Forschungsaufenthaltes in Genf. Dort hatte ich die Gelegenheit, mit wesentlichen Akteuren sprechen zu können, und danke dabei insbesondere den Mitarbeitern von Geneva Call für ihre Bereitschaft zum Gespräch und zur Diskussion. Bei Kerstin Braun, Julia Flatau, Alena White, Jan Scharlau und Michael Klostermann möchte ich mich für die fachliche, aber vor allem auch moralische Unterstützung während der Erstellung der Arbeit bedanken. Mein besonderer Dank gilt Maria Scharlau für das umfangreiche Korrekturlesen, ihre wertvollen

6

Vorwort

und klugen Hinweise und die vielen gemeinsamen Stunden in den verschiedensten Bibliotheken Deutschlands. Schließlich danke ich von Herzen meinen Eltern, Helga und Michael Klostermann, für ihre Motivation und stete Unterstützung, nicht nur bei der Erstellung dieser Arbeit. München, im März 2021

Regina Klostermann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1 Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

26

Kapitel 1 Ausgangspunkt der Untersuchung

26

A. Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befolgung des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsbefolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umsetzung als formale Voraussetzung der Rechtsbefolgung . . . . . . . . b) Rechtsbefolgung setzt Fähigkeit und Wille voraus . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 28 28 29 29 31

B. Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch Nichtregierungsorganisationen? I. Begriff der Nichtregierungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung humanitärer Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile des Einsatzes humanitärer Nichtregierungsorganisationen gegenüber staatlichem Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehende Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 36

C. Exkurs: Fallbeispiel Südsudan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der nicht-internationale bewaffnete Konflikt im (Süd-)Sudan . . . . . . . . . . . . 1. Konfliktursachen und Friedensverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligte Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) SPLM/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internationale Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Bürgerkrieg im Südsudan ab 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 42 43 44 44 46

D. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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37 39

Kapitel 2 Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung A. Kenntnis und Verständnis des Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49

8

Inhaltsverzeichnis I. Vorliegen eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts als Anwendungsschwelle des relevanten Rechtskanons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Behandlung eines nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes vor 1949 51 2. Keine Klärung der Kriterien durch den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Das Zweite Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen behebt die Unklarheiten über die Anwendungsschwelle nicht . . . . . . . . . . . . 53 4. Konkretisierung in der Literatur und durch das IKRK . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Handhabbare Kriterien erst durch die Rechtsprechung entwickelt . . . . . . 56 a) Klärung der Begrifflichkeit durch das ICTY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Klärung der Begrifflichkeit durch das ICTR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Kenntnis des relevanten Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt geltendes Recht . . . . . . . . . 62 a) Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen . . . . . . . . . . . 63 bb) Zweites Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen von 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Sonstiges Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Gewohnheitsrecht nach der IKRK-Studie zum Gewohnheitsrecht 72 2. Verbreitung des Rechts zur Förderung der Rechtsbefolgung . . . . . . . . . . . 73 a) Verbreitung ist primäre Verpflichtung der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Verbreitung des Rechts durch das IKRK und Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Art und Umfang der zu verbreitenden Verpflichtungen . . . . . . . . . 75 (1) Konkretisierung und Vereinfachung des anwendbaren Rechts 76 (2) Orientierung an den Zielen und Motiven der Konfliktparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Art und Weise der Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Schulungen der Gruppen und Unterstützung bei der internen Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Vermittlung der Kenntnis gegenüber der Zivilbevölkerung . . 80 3. Verbreitung des Rechts alleine nicht ausreichend zur Verbesserung der Rechtsbefolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

B. Anforderungen an die Struktur der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I. Rechtliche Anforderungen an die Struktur einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Tatsächliche Anforderungen an die Struktur der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Inhaltsverzeichnis 1. Struktur relevant für Verhandlungen mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Struktur relevant für die interne Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

84 85

Kapitel 3 Der Wille zur Rechtsbefolgung A. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsbefolgung aufgrund einer Kosten-Nutzen-Abwägung (rationalchoice Ansatz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsbefolgung aus Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsbefolgung aufgrund von Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbefolgung aufgrund der Wertigkeit der Norm (Normativismus) . . . . . 1. Management-Theorie: Rechtsbefolgung durch Selbstverpflichtung . . . . . 2. Konstruktivismus: Rechtsbefolgung aufgrund von Identifizierung und Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsbefolgung aufgrund von Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessuale Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politikwissenschaftliches Verständnis: Input- und Output-Legitimität c) Vereinbarkeit der beiden Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Rechtswissenschaftliche Diskussion zur Bindung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen als Spiegelbild der Legitimitätsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bindungswirkung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bindungswirkung wird in der Praxis angenommen . . . . . . . . (2) Art und Umfang der Bindung ist in der Praxis unklar . . . . . . bb) Erklärungsmodelle für eine Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe ist vom Staat abgeleitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Originäre Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eigene vertragliche Verpflichtungen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe an das Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe an das Gewohnheitsrecht als Völkerrechtssubjekt . . (bb) Geltung des Völkergewohnheitsrechts gegenüber den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen . . . . . . . (c) Ius cogens bindet bewaffnete nicht-staatliche Gruppen . cc) Spiegelbildlichkeit der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89 91 93 94 95 96 97 98 100 101 102

103 103 104 105 106 106 109 109 109 110 112 115 117

10

Inhaltsverzeichnis dd) Fazit aus der Gleichläufigkeit der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

B. Relevante Kriterien für die Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Identifizierte Kriterien: Zwang, Eigeninteresse und Legitimität . . . . . . . . . . . 1. Übertragbarkeit der Kriterien auf das humanitäre Völkerrecht . . . . . . . . . 2. Übertragbarkeit auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung der Kriterien zur Verbesserung der Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung von Zwang zur Verbesserung der Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinflussung des Eigeninteresses nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen zur Verbesserung der Rechtsbefolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Legitimitätsfragen und die Rechtsbefolgung nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Identifikation mit dem in der Norm verkörperten Wert . . . . . . . . . . . . . b) Partizipation bei der Normentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 119 120 121 123 123 125 128 128 129 130

Kapitel 4 Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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A. Einseitige Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 B. Abkommen unter Beteiligung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe . . . . . . . I. Sonderabkommen nach dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abkommen zur Regelung humanitärer Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Operation Lifeline Sudan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der OLS Ground Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung der Ground Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befolgung der Ground Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Memorandum of Understanding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ad hoc-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 D. Überprüfungs- und Überwachungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 E. Verpflichtungserklärungen von Geneva Call . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeichnung der Verpflichtungserklärungen von Geneva Call durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen . . . . b) Umsetzung der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen

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Inhaltsverzeichnis aa) Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überwachungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verpflichtungserklärung zum Schutze von Kindern in bewaffneten Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung der Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirksamkeit der Verpflichtungserklärungen von Geneva Call . . . . . . . . . . . . 1. Gründe für die Zeichnung von Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . . a) Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hindernisse beim Abschluss der Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . a) Hindernisse beim Zugang zu den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hindernisse bei der Umsetzung der Verpflichtungserklärungen . . . . . 3. Übertragbarkeit der Erfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 154 155 156 158 158 159 160 160 161 162 166 166 167 168

Teil 2 Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen

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Kapitel 5 Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden einer Nichtregierungsorganisation A. Gründung und Registrierung einer Nichtregierungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . I. Gründung internationaler humanitärer Nichtregierungsorganisationen . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Stiftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schweizer Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizer Stiftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Registrierung internationaler humanitärer Nichtregierungsorganisationen . .

174 174 175 175 175 176 177 177 177 178 179

B. Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung als handlungsbegrenzende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Internationale Vorgaben: Resolutionen des UN-Sicherheitsrates . . . . . . . . . . 182

12

Inhaltsverzeichnis II. Nationale Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Material Support Gesetzgebung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand des 18 U.S.C. § 2339B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen des § 2339B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektiver Tatbestand des § 2339B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausländische terroristische Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Material Support . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein ausreichender Ausnahmetatbestand für humanitäre Tätigkeiten . aa) Kein ausreichender Ausnahmetatbestand nach § 2339B . . . . . . . . bb) OFAC-Lizenzen bieten auch keinen ausreichenden Schutz . . . . . . c) Extraterritoriale Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarkeit mit US-amerikanischem Verfassungsrecht . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 19 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Extraterritoriale Anwendung des § 2339B . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Legitimierende Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Strafgewaltserstreckung im konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . (c) Gerichtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzgebung in Australien, Kanada, EU, Deutschland, Niederlande und dem Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland . . . . . . . . . f) Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Regelungen zur Terrorismusabwehr in US-amerikanischen Zuwendungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klauseln in US-amerikanischen Fördervereinbarungen . . . . . . . . . . . . . b) USAID Partner Vetting System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klauseln in Zuwendungsvereinbarungen weiterer Staaten . . . . . . . . . . . . . a) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 185 185 186 187 187 189 191 191 192 192 194 195 196 196 200 201 204 204 207 207 208 208 209 209 211 211 211 212 213 213 214 214 214 216 216 216

Inhaltsverzeichnis c) Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. (Tatsächliche) Auswirkungen auf die Nichtregierungsorganisationen . . . . . . 1. Auswirkungen der US-amerikanischen „material-support“-Regelungen . 2. Weitere Auswirkungen der weltweiten Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 216 217 217 217 219

Kapitel 6 Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime für humanitäre Nichtregierungsorganisationen

221

A. Humanitäre Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt der Prinzipien Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . 1. Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Verwurzelung der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenrecht der Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung der Prinzipien auf internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 3. Genfer Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221 221 221 223 224 224 226 227

B. (Nicht-)Gewährleistung der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzielle Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zivil-militärische Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermischung der Interessen und Wahrnehmung in der Bevölkerung . . . . . . . IV. Missbrauch der humanitären Hilfe durch die Konfliktparteien . . . . . . . . . . . . V. Veränderung der Konfliktart und Zunahme von Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 229 232 235 237 239 241

C. Auswirkungen der Nichtgewährleistung der humanitären Prinzipien . . . . . . . . . . I. Tatsächliche Folgen der Nichtgewährleistung humanitärer Prinzipien . . . . . . II. Rechtliche Folgen der Nichtgewährleistung humanitärer Prinzpien . . . . . . . . 1. Rechtliche Folgen für die NGOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Folgen für die Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurechnung im Recht der Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zurechnung nach Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung in weiteren Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtswidriges Handeln als Voraussetzung einer möglichen Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen das Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interventionsverbot umfasst grundsätzlich auch die Erbringung humanitärer Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241 241 244 244 244 245 246 249 251 252 252

14

Inhaltsverzeichnis bb) Verletzung des Interventionsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Rechtfertigung einer möglichen Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Kapitel 7 Mögliche Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden und rechtlichen Grenzen 260 A. Möglichkeiten der NGOs im Rahmen der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Bestehende Vorschläge zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen nationalen Sicherheitsinteressen und humanitären Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Weitere Möglichkeiten zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen nationalen Sicherheitsinteressen und humanitären Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 B. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien . . . . . . . . . . . . . I. Versuch der Gewährleistung auf staatlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs . b) Good Humanitarian Donorship Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versuch der Gewährleistung der humanitären Prinzipien durch die Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltenskodex für die Internationale Rot Kreuz und Roter Halbmond Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährleistung humanitärer Prinzipien durch Zertifizierungen . . . . . . . . 4. Keine ausreichende Gewährleistung durch die humanitären Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Möglichkeiten der weitergehenden Sicherung humanitärer Prinzipien . . . . . . . . . I. Wahrung der programmatischen Unabhängigkeit durch Anpassung der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wahrung der humanitären Prinzipien durch Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstärkte internationale Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahrung der humanitären Prinzipien durch verstärkte Interaktion mit der Bevölkerung und den Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 266 266 269 270 270 272 273

273 274 276 276 277 278 278 279 282 284

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 8 Zusammenfassende Auswertung und Schlussbetrachtungen

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A. Zusammenfassende Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 B. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Abkürzungsverzeichnis ATC CAP CEDAW CERF CPA CPMT CRDA CRS CTC DFID ECHO EU FPA GHD HAFA HAP HAPPA ICNL ICTR ICTY ICVA IGAD IGH IKRK IPbpR JEM JMC MoU MSF NDFP NGO OFAC OHCHR OLS ONLF

Anti-Terrorism Certification Consolidated Appeal Process Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women Central Emergency Response Fund Comprehensive Peace Agreement Civilian Protection Monitoring Team Christian Relief and Development Agency Catholic Relief Services Counter Terrorism Committee Department for International Development European Civil Protection and Humanitarian Aid Europäische Union Framework Partnership Agreement Good Humanitarian Donorship Humanitarian Assistance Facilitation Act Humanitarian Accountability Partnership Humanitarian Assistance and Peacebuilding Protection Act International Center for Not-for-Profit Law International Criminal Tribunal for Rwanda International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia International Council of Voluntary Agencies Intergovernmental Authority on Development Internationaler Gerichtshof Internationales Komitee vom Roten Kreuz Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte The Justice and Equality Movement Joint Military Commission Memorandum of Understanding Médecines sans Frontières National Democratic Front of the Philippines Nichtregierungsorganisation Office of Foreign Assets Control (USA) Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights Operation Lifeline Sudan Ogaden National Liberation Front

Abkürzungsverzeichnis PRT PVS RUF SFB 700 SIDA SPLM/A SRRA UIA UN UNHCR UNICEF UNMAS UNMIS UNMISS USAID VN WANGO WTO ZGB ZP II

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Provincial Reconstruction Teams Partner Vetting System Revolutionary United Front Sonderforschungsbereich 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ Swedish international development agency Sudan People’s Liberation Movement/Army Sudan Relief and Rehabilitation Association Union of International Asscociations United Nations United Nations High Commissioner for Refugees United Nations International Children’s Emergency Fund United Nations Mine Action Service United Nations Mission in Sudan United Nations Mission in South Sudan United States Agency for International Development Vereinte Nationen World Association of Non-Governmental Organizations World Trade Organisation Zivilgesetzbuch Zweites Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen

Einleitung Auf der 31. Rotkreuz-Konferenz im Jahre 2011 stellten die Staaten und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) (erneut) fest, dass im humanitären Völkerrecht die mangelnde Rechtsbefolgung eine der größten Herausforderungen ist. Trotz sich wandelnder Konfliktsituationen und neuer Probleme und Anwendungsbereiche besteht weitgehend Einigkeit, dass das humanitäre Völkerrecht auch diese neuen Situationen regeln kann, das Recht jedoch nicht oder wenig befolgt wird.1 Zudem gibt es keine funktionierenden Durchsetzungsinstrumente: Grundsätzlich obliegt auch im humanitären Völkerrecht die Rechtsdurchsetzung den einzelnen Staaten und es gibt wenig bis keine internationale Durchsetzungsmechanismen. Die Vielzahl der bewaffneten Konflikte der Gegenwart sind jedoch nicht-internationale bewaffnete Konflikte, die sich auch dadurch kennzeichnen, dass den Staaten regelmäßig die Fähigkeit fehlt, völkerrechtliche Regeln einzuhalten und durchzusetzen, da sie entweder bereits so geschwächt sind, dass sie nicht die Kapazitäten haben, das Recht durchzusetzen oder eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe die Kontrolle über ein bestimmtes Territorium übernommen hat.2 Nicht-internationale bewaffnete Konflikte finden in Räumen begrenzter Staatlichkeit statt, wie sie Gegenstand des interdisziplinären Sonderforschungsbereichs SFB700 „Räume begrenzter Staatlichkeit“ waren, an dem diese Arbeit in wesentlichen Teilen entstand. Nach dem Verständnis des SFB sind Räume begrenzter Staatlichkeit solche, in denen staatliche Akteure mit nicht-staatlichen Akteuren um die Regel(durch)setzungsfähigkeit bzw. das Gewaltmonopol konkurrieren und in denen die staatliche Fähigkeit zur Durchsetzung verbindlicher Regeln oder des Gewaltmonopols zumindest zeitweise eingeschränkt ist.3 Daher kann auch die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts nicht durch den Staat selbst, sondern nur durch die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe oder die internationale Gemeinschaft erfolgen.

1 Lamp hingegen argumentiert, dass den „neuen Kriegen“ bereits ein anderes Konzept von Krieg zugrundliegt als es im humanitären Völkerrecht vorausgesetzt wird, vgl. Lamp, Conceptions of War and Paradigms of Compliance, 16 Journal of Conflict & Security Law 2011, 225 ff. 2 Krieger, Inducing Compliance in Areas of Limited Statehood, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 504, 505 f. 3 Draude/Schmelzle/Risse, SFB 700: Grundbegriffe der Governanceforschung, SFBGovernance Working Paper Series, Nr. 36, 9; Risse, Governance Configurations in Areas of Limited Statehood, SFB-Governance Working Paper Series Nr. 32, 6 f.

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Vor diesem Hintergrund lud die 31. Rotkreuz-Konferenz das IKRK ein zu untersuchen, wie die Rechtsbefolgung und die Rechtsdurchsetzung erhöht werden kann: „[T]o pursue further research, consultation and discussion in cooperation with States and, if appropriate, other relevant actors, including international and regional organisations, to identify and propose a range of options and its recommendations to (. . .) enhance and ensure the effectiveness of mechanisms of compliance with international humanitarian law.“ 4

Dies führte zu einem vierjährigen Konsultationsprozess über die Entwicklung neuer Durchsetzungsinstrumente und der Schaffung eines Befolgungsmechanismus.5 Als mögliche Elemente eines solchen Befolgungsmechanismus wurden ein regelmäßiges Staatentreffen mit Berichtspflichten über die Umsetzung und Einhaltung humanitärer Verpflichtungen, thematische Diskussionen über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im humanitären Völkerrecht sowie die Etablierung eines spezifischen Untersuchungs- und Überprüfungsmechanismus identifiziert.6 Ein Einbezug von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen war nicht vorgesehen, obwohl Einigkeit besteht, dass auch diese zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts angehalten werden müssen. Im Dezember 2015 fand die 32. Rotkreuz-Konferenz in Genf statt, auf der auch über den Befolgungsmechanismus entschieden wurde. Dabei konnten sich die Staaten nicht darauf einigen, einen solchen zu etablieren. Sie entschieden sich stattdessen, in den nächsten vier Jahren auf zwischenstaatlicher Ebene auf eine bessere Umsetzung des humanitären Völkerrechts hinzuwirken.7 Auch die 33. Rotkreuz-Konferenz im Dezember 2019 brachte im Hinblick auf diese Fragestellung keinen Fortschritt. Die dargestellte Entwicklung beinhaltet drei wesentliche Punkte: • Es gibt keinen funktionierenden staatlichen Mechanismus, mit dem Parteien eines Konflikts und insbesondere bewaffnete nicht-staatliche Akteure zur Rechtsbefolgung angehalten werden können und das humanitäre Völkerrecht wirksam durchgesetzt werden kann. • Bewaffnete nicht-staatliche Akteure haben weder Einfluss auf weitere Entwicklungen, noch sind (momentan) Mechanismen vorgesehen, mit denen sie 4

31st International Conference of the Red Cross and Red Crescent, Resolution 1,

§ 6. 5 Vgl. dazu auch Stutz/Blazeby/Goussac, Strengthening Compliance with International Humanitarian Law, 39 UWA Law Review 2015, 51 ff.; Lang, The Path to Better Compliance with International Humanitarian Law, 52 Military Law & Law of War Review 2013, 131 ff.; IKRK, Second Meeting of States on Strengthening Compliance, Juni 2013; IKRK, Fourth Meeting of States on Strengthening Compliance, März 2015. 6 IKRK, Strengthening legal protection for victims of armed conflict, Report 31IC/ 11/5.1.1; IKRK, Fourth Meeting of States on Strengthening Compliance, März 2015. 7 IKRK, No agreement by States on mechanism to strengthen compliance with rules of war.

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auch gegenüber den Staaten die Einhaltung ihrer rechtlichen Pflichten darlegen können. • Nichtregierungsorganisationen und dem IKRK sollen im weiteren Prozess der Rechtsumsetzung und Rechtsdurchsetzung keine besondere Rolle zukommen, es soll zukünftig nur ein zwischenstaatlicher Prozess stattfinden. Diese Punkte stehen jedoch im Widerspruch zu aktuellen tatsächlichen Entwicklungen und sind wohl gleichzeitig Folge derselben: Die Anzahl der nichtinternationalen bewaffneten Konflikte weltweit ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, und damit einhergehend auch die Existenz von bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen. Nicht-internationale bewaffnete Konflikte sind regelmäßig von asymmetrischen Strukturen gekennzeichnet, bei denen sich ungleiche Parteien gegenüberstehen, die auf grundlegend unterschiedliche personelle und materielle Kapazitäten zurückgreifen,8 und die sich schon aufgrund dieser ungleichen Kapazitäten oftmals nicht offen begegnen.9 Die Asymmetrien betreffen verschiedene Bereiche wie militärische Kapazitäten, wirtschaftliche Mittel oder den Zugang zu Kommunikation.10 Die Asymmetrie zwischen den Parteien bedeutet, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen häufig auf unkonventionelle und auch rechtswidrige Methoden der Kriegsführung zurückgreifen (müssen).11 Die Beteiligung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen führt vermehrt zu Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, die in die Kämpfe mit einbezogen wird und zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts.12 Insgesamt muss die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts auch und gerade gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gestärkt werden.13 So führt der UN-Generalsekretär explizit aus, dass nur die Einbindung von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu einem besseren Schutz von Zivilisten in be-

8 Münkler, Die neuen Kriege, 11; Hobe, Der asymmetrische Krieg als Herausforderung der internationalen Ordnung und des Völkerrechts, in: Heinze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderungen an das humanitäre Völkerrecht, 69; Pfanner, David gegen Goliath oder asymmetrische Kriegsführung, 18 Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2005, 165. 9 Bundeszentrale für Politische Bildung, bpb Dossier, Asymmetrische Konflikte. 10 Bassiouni, New Wars and the Crisis of Compliance, 98 Journal of Criminal Law and Criminology 2007–2008, 711, 785. 11 Bassiouni, New Wars and the Crisis of Compliance with the Law of Armed Conflict by Non-State Actors, 98 Journal of Criminal Law and Criminology, 2007–2008, 711, 715; Geiß, Asymmetric conflict structures, 88 IRRC 2006, 757, 776. 12 Geiß, Asymmetric conflict structures, 88 IRRC 2006, 757, 758; Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 5. 13 Die Erwartung an die Rechtsbefolgung durch die bewaffneten Gruppen wird zudem als niedrig gesehen, vgl. Jo, Compliance in International Humanitarian Law by Non-State Armed Groups, 19 Yearbook of International Humanitarian Law 2017, 63, 69.

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waffneten Konflikten führen kann.14 Wie bei jedem anderen Rechtsgebiet müssen die durch das humanitäre Völkerrecht Verpflichteten auch das Recht kennen, verstehen und befolgen, damit es seinen Schutz bewirken kann. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Annahme, dass Staaten oder die Staatengemeinschaft eine Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen momentan nicht umfassend gewährleisten können. Entweder sind sie aufgrund ihrer begrenzten Staatlichkeit nicht in der Lage, das Recht durchzusetzen oder es fehlt an wirksamen Durchsetzungsmechanismen und auch schon an dem Dialog mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen. Staaten sind grundsätzlich zurückhaltend, aus einer Vielzahl von rechtlichen und tatsächlichen Gründen aber auch nicht immer geeignet, mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen in den Dialog zu treten. Häufig wollen Staaten nicht direkt mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen agieren, um diesen keine Anerkennung zukommen zu lassen oder sich nicht in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen.15 Diesen Bedenken begegnen Nichtregierungsorganisationen16 weniger, sodass diese, so die Grundannahme, gegenüber nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen grundsätzlich das humanitäre Völkerrecht vermitteln und die Rechtsbefolgung verbessern können.17 Daher sind zahlreiche NGOs bereits im humanitären Bereich tätig18: Ein wesentlicher Teil der Arbeit von NGOs umfasst die Erbringung humanitärer Hilfe, also alle Handlungen zur Bereitstellung von Gegenständen oder Dienstleistungen humanitären Charakters, welche unabdingbar für das Überleben und die Versorgung der Grundbedürfnisse der Zivilbevölkerung sind. Daneben verbreiten Nichtregierungsorganisationen das humanitäre Völkerrecht und sind vereinzelt darüber hinaus bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts tätig. Diese Tätigkeiten werden häufig von den Staaten finanziert und sollten auch gerade im Hinblick auf die Bedeutung des humanitären Völkerrechts für den Schutz der Zivilbevölkerung gefördert werden. Allerdings sind die Staaten vermehrt zurück-

14 Generalsekretär der Vereinten Nationen, Honouring Geneva Conventions, Secretary-General says debate „no-longer“ between peace and justice but between peace and what kind of justice, press release, 26. September 2009. 15 IKRK, ICRC’s conference on Humanitarian dialogue with Non-State Armed Groups: The impact of geopolitical challenges, Feature 25.02.2014. 16 Im Folgenden auch NGOs. 17 Fleck, International Humanitarian Law After September 11: Challenges and the Need to Respond, 6 Yearbook of International Humanitarian Law 2003, 41, 68. 18 Sowohl die NGOs, die sich um die Verbreitung des humanitären Völkerrechts kümmern und dadurch versuchen, das Leiden der Zivilbevölkerung zu verringern, als auch diejenigen, die direkt humanitäre Hilfe leisten, werden im Folgenden als humanitäre NGOs verstanden, da sich ihre Tätigkeiten gegenseitig bedingen und von denselben Prinzipien geleitet werden. Sie stehen in ihrer inhaltlichen Ausrichtung im Vergleich zu menschenrechtlich ausgerichteten NGOs oder zu Umweltorganisationen.

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haltend, was die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen angeht. Vielmehr erfolgt, wie auch die Entscheidung für einen rein zwischenstaatlichen Konsultationsprozess auf der 32. Rotkreuzkonferenz zeigt, eine Rückbesinnung auf die Staatlichkeit. Es ist Ziel dieser Untersuchung, das Spannungsfeld darzustellen, in dem sich Nichtregierungsorganisationen bei der Erbringung humanitärer Hilfe und der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts bewegen: Einerseits ist ihre Tätigkeit unerlässlich und gewinnt gerade in Bezug auf die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen an Bedeutung. Andererseits begegnen Nichtregierungsorganisationen bei der Durchführung dieser humanitären Arbeit Hindernissen. Insbesondere aus Sicherheitserwägungen heraus schränken die Staaten den Handlungsspielraum von Nichtregierungsorganisationen stark ein. Dazu soll in einem ersten Teil untersucht werden, warum bewaffnete nichtstaatliche Gruppen überhaupt Recht befolgen und inwieweit Nichtregierungsorganisationen tätig werden können, um die Rechtsbefolgung zu erhöhen. Als erste Voraussetzung müssen die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen natürlich ihre Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht kennen, um diese befolgen zu können. Bei der Verbreitung des Rechts kommt den Nichtregierungsorganisationen eine bedeutende Rolle zu, da sie oftmals – auch durch lokale Organisationen – die einzigen Akteure sind, die überhaupt Zugang zu den Gruppen haben oder Kontakt aufbauen können. Doch auch Kenntnis der Verpflichtungen gewährleistet nicht bereits die Rechtsbefolgung. Vielmehr ist entscheidend, dass eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe das Recht auch befolgen will. Dabei ist es natürlich unerlässlich, die Motive und Prinzipien zu kennen, die das Verhalten der Gruppe bestimmen.19 In der vorliegenden Analyse liegt der Schwerpunkt auf einer theoretischen Auseinandersetzung mit verschiedenen rechtswissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Erklärungsansätzen zur Rechtsbefolgung. Aus diesen Erklärungsansätzen werden Kriterien entwickelt, die den Willen zur Rechtsbefolgung beeinflussen und die maßgeblich für die Beurteilung sind, welche Instrumente die Rechtsbefolgung verbessern können. Die Kombination juristischer und politikwissenschaftlicher Ansätze macht deutlich, dass die Kriterien in den verschiedenen Disziplinen in ähnlicher Weise verwendet werden. Diese Kombination stellt auch einen wesentlichen Vorteil des Einbezugs in den gesamten Sonderforschungsbereich SFB700 dar: Politikwissenschaftliche Erklärungsansätze können in die allgemeine juristische Methodik und Argumentation einbezogen und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede fruchtbar gemacht werden.

19 IKRK, A collection of codes of conduct issued by armed groups, 93 IRRC 2001, 483, 486.

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Einleitung

Im Anschluss werden die bestehenden Instrumente analysiert, die von Nichtregierungsorganisationen genutzt werden, um das Recht gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen durchzusetzen und diese zur Rechtsbefolgung zu bewegen. Besonders hervorgehoben wird dabei die Arbeit von Geneva Call, einer Schweizer Nichtregierungsorganisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, bewaffnete nicht-staatliche Gruppen durch eigene Verpflichtungserklärungen zur Einhaltung spezifischer Regelungen aus dem humanitären Völkerrecht zu bewegen. Auf diesem ersten Teil aufbauend setzt sich der zweite Teil der Arbeit mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinander, unter denen humanitäre NGOs tätig werden. Diese unterliegen Beschränkungen durch nationale und internationale Vorgaben. Auf der nationalen Ebene ist auffällig, dass NGOs in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand der Gesetzgebung waren. Zahlreiche Gesetze schränken dabei die Vereinigungsfreiheit und die Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen in den einzelnen Ländern ein. Diese einschränkende Gesetzgebung richtet sich im Wesentlichen gegen menschenrechtliche Organisationen, hat aber teilweise auch Auswirkungen auf humanitäre NGOs. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit nationaler Gesetzgebung liegt jedoch eindeutig auf der Untersuchung von Gesetzen zur Terrorismusbekämpfung, die den Handlungsspielraum der humanitären NGOs deutlich verringern. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der „material support“-Gesetzgebung der USA, wonach auch das Training und die Ausbildung von als Terroristen gelisteten bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen durch Nichtregierungsorganisationen verboten ist, auch wenn es sich um die Ausbildung im humanitären Völkerrecht handelt. Wie das Beispiel des Harvard Program on Humanitarian Policy and Conflict Research zeigt, rückt der Konflikt von humanitären Interessen und Sicherheitsinteressen der Staaten auch in den Fokus anderer Forschungsprojekte. Auf Seiten der Politikwissenschaften werden in der Literatur vereinzelt Strategien vertreten, wie dieser Gegensatz aufzulösen ist.20 Dabei werden verschiedene Szenarien von einer Überlagerung des humanitären Völkerrechts durch Sicherheitsregelungen bishin zu einer Integration in staatliche Aufsicht im Hinblick auf die nationale Sicherheit vertreten. Letzteres ist jedoch gerade mit Blick auf die nicht nur vom humanitären Völkerrecht geforderte Unabhängigkeit der Nichtregierungsorganisationen problematisch. Auf juristischer Seite wurde dies bisher wenig rezipiert. Ein Augenmerk wird daher, auch unter Berücksichtigung politikwissenschaftlicher Lösungsansätze, darauf gelegt, wie solche Gegensätze juristisch aufgelöst werden können. Eine juristisch gangbare Auflösung dieser Widersprüche könnte durch Unbedenklichkeitserklärungen geschehen, wodurch humanitäre Hilfsorganisationen im Vorfeld nach objektiven Kriterien beurteilt werden. Dadurch werden Si20 Modizareh/Lewis/Bruderlin, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 641.

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cherheitsüberlegungen berücksichtigt, die Organisationen müssten sich aber nicht direkter staatlicher Aufsicht unterwerfen und könnten somit ihre Unabhängigkeit wahren. International sind die humanitären Gruppen insbesondere durch die humanitären Prinzipien gebunden, deren Gewährleistung vermehrt in Frage steht: Gerade das Prinzip der Unabhängigkeit wird beispielsweis durch den Versuch der staatlichen Einbindung humanitärer Hilfe in militärische Aktionen gefährdet. Die Wahrung der humanitären Prinzipien könnten insbesondere durch eine verstärkte internationale Kooperation der NGOs besser gefördert werden. Zur Umsetzung der Maßnahmen bedarf es wiederum staatlicher Bereitschaft und einer grundsätzlichen Akzeptanz für die Arbeit der humanitären Organisationen.

Teil 1

Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen Kapitel 1

Ausgangspunkt der Untersuchung A. Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen Die Beteiligung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen führt dazu, dass herkömmliche diplomatisch-staatliche Formen der Konfliktbearbeitung und Krisenbewältigung nicht mehr oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommen.1 Die Durchsetzung internationaler Regeln ist – gerade auch in langandauernden Konflikten – zunehmend schwierig, wobei ein wesentlicher Faktor die fehlende Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen ist. Die folgende Arbeit hat die Frage zum Gegenstand, wie Nichtregierungsorganisationen diese fehlende Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen beeinflussen und die Rechtsdurchsetzung verbessern können. Dazu werden im Folgenden zunächst kurz die Grundlagen dargestellt, was im Laufe dieser Arbeit unter bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und Rechtsbefolgung verstanden wird. I. Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen In einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt ist mindestens eine der Konfliktparteien eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe, häufig bekämpfen sich aber auch verschiedene nicht-staatliche Gruppen untereinander. Es gibt keine allgemein anerkannte Definition, wann eine Vereinigung als bewaffnete nichtstaatliche Gruppe im Sinne des humanitären Völkerrechts angesehen wird. Unumstritten ist nur, dass die Gruppe nicht unter staatlicher Kontrolle stehen darf.2 Darüber hinaus gehen die Vorstellungen in der (juristischen sowie sozialwissenschaftlichen) Literatur weit auseinander, welche Voraussetzungen eine bewaff1

Matthies, Eine Welt voller neuer Kriege?, Der Bürger im Staat, 2004, 185, 188. Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 109; O’Connell, Enhancing the Status of Non-State Actors Through a Global War on Terror, 43 Columbia Journal of Transnational Law 2004–2005, 435, 437. 2

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nete nicht-staatliche Gruppe erfüllen muss.3 Tatsächlich divergieren die Gruppen untereinander deutlich, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele,4 ihrer Vorgehensweise aber auch hinsichtlich ihrer Struktur. Gruppierungen erscheinen in stark zentralisierter Form bis hin zu gar nicht zentral organisierten Gruppen.5 Um dieser tatsächlich existierenden Vielfalt an bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gerecht zu werden, geht zum Beispiel der International Council on Human Rights von einer weiten Definition aus und sieht alle Gruppierungen, die bewaffnet sind, Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele anwenden und nicht staatlich kontrolliert sind, als bewaffnete nicht-staatliche Gruppen an, die unter das humanitäre Völkerrecht fallen.6 Geneva Call, eine Nichtregierungsorganisation, die direkt mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammenarbeitet, erweitert die Definition um eine politische Komponente: „In the context of its mission, Geneva Call focuses on organized armed entities that are involved in armed conflict, which are primarily motivated by political goals and which operate outside State control, thereby lacking legal capacity to become party to relevant international treaties. These include armed groups, national liberation movements and de facto governing authorities.“ 7

Der Einbezug der politischen Komponente ermöglicht, solche Gruppen auszuschließen, die eindeutig nur kriminell vorgehen, auch wenn die Grenzen zwischen krimineller Vereinigung und politisch motivierten Akteuren häufig verschwimmen.8 Lange Zeit wurden bewaffnete nicht-staatliche Gruppen nur beachtet, wenn sie fähig und in der Lage waren durch ihr Auftreten das staatliche Gewaltmonopol zu bedrohen. Die tatsächliche wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung fand nur mit Gruppen statt, die bereits staatsähnlich agierten.9 Dies spiegelt jedoch 3 Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Kriterien, die eine nicht-staatliche bewaffnete Gruppe ausmachen, liefert Bellal, „What are Armed Non-state Actors“? A Legal and Semantic Approach, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 21 ff., einen Versuch der Kategorisierung liefern Bellal/ Bongard/Heffes, From Words to Deeds, Geneva Academy Research Brief, 4. 4 Vgl. Heffes, Non-State Actors Engaging Non-State Actors, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 427, 429 zu der Bedeutung der verschiedenen Ziele und Interessen auch in Hinblick auf die Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen. 5 Mack, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 11; International Council on Human Rights Policy, Ends and Means: Human Rights Approaches to Armed Groups, 20 f. 6 International Council on Human Rights Policy, Ends and Means: Human Rights Approaches to Armed Groups, 5. 7 Geneva Call, Armed Non-State Actors. 8 IKRK, Holding Armed Groups to International Standards: An ICRC contribution to the research project of ICHRP, 2, 3. 9 Krause/Milliken, Introduction: The Challenge of Non-State Armed Groups, 30 Contemporary Security Policy, 2009, 202.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

nicht die tatsächlichen Gegebenheiten wider, in denen zahlreiche kleinere bewaffnete Gruppen verantwortlich für eine große Zahl an Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung sind.10 Letztlich kann daher auch nur eine weite Definition das Spektrum der tatsächlich operierenden Gruppen abdecken und der Vielzahl der Erscheinungsformen an bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gerecht werden. Im Folgenden wird daher eine Gruppe, die nicht unter staatlicher Kontrolle oder staatlichem Einfluss steht und (auch) mit Waffengewalt ihre Ziele durchzusetzen versucht, als bewaffnete nicht-staatliche Gruppe verstanden. II. Befolgung des humanitären Völkerrechts Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass das bestehende Recht geeignet ist, auch den Herausforderungen asymmetrischer Konflikte und bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zu begegnen. Jedoch mangelt es oftmals an der Umsetzung und Rechtsbefolgung sowie an der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts. Das Problem der Rechtsdurchsetzung und eines möglicherweise bestehenden Durchsetzungsdefizits im Völkerrecht im Allgemeinen und im humanitären Völkerrecht im Besonderen wurde erst relativ spät Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Die analoge Frage, warum die Akteure im Völkerrecht, im Wesentlichen die Staaten, das Recht befolgen, rückte noch später in den Fokus, auch weil diese Fragestellung in einem Grenzbereich zwischen juristischem und sozialwissenschaftlichem Arbeiten liegt. Weil bereits die Verwendung der Begrifflichkeiten nicht einheitlich erfolgt, wird im Folgenden dargestellt, was in dieser Arbeit unter Befolgung und Durchsetzung des Rechts verstanden wird. 1. Rechtsbefolgung

Bewaffnete Konflikte unterliegen den Regelungen des humanitären Völkerrechts, welches insbesondere den Schutz von Zivilisten während eines solchen Konfliktes zu gewährleisten versucht. Rechtsbefolgung ist dabei der Akt, der dazu führt, dass der vom Gesetzgeber gesetzte Zweck und – gerade im Falle des humanitären Völkerrechts – Schutz erreicht wird. Im englischen Sprachraum wird als Ausdruck der Rechtsbefolgung in der Regel der Begriff „compliance“ verwendet, in einigen Fällen auch „obedience“.11 Dabei variieren jedoch die Definitionen der Begriffe,12 was sich unter anderem auch mit den Erklärungsansätzen vermischt, warum Akteure Recht befolgen.13 Für die Begriffe gibt es ebensowenig eine eindeutige deutsche Übersetzung. Im Folgenden soll Rechtsbefolgung 10 Krause/Milliken, Introduction: The Challenge of Non-State Armed Groups, 30 Contemporary Security Policy, 2009, 202. 11 Koh, The Value of Process, 11 International Legal Theory 2005, 27 ff. 12 Dai, The „Compliance Gap“, in: Risse/Ropp/Sikkink, The Persistent Power of Human Rights, 85, 87. 13 Vgl. dazu Kapitel 3, S. 89 ff.

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als Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder ein Verhalten entsprechend den rechtlichen Vorgaben verstanden werden.14 a) Umsetzung als formale Voraussetzung der Rechtsbefolgung Ein erster Schritt der Rechtsbefolgung ist regelmäßig die Umsetzung der eingegangenen oder bestehenden Verpflichtung. Umsetzung im Sinne von „Implementation“ bedeutet dabei, dass ein Staat die Verpflichtung in nationales Recht überträgt.15 Dabei stellt die Umsetzung ein formales Kriterium16 der Rechtsbefolgung dar, da es sich dabei auf völkerrechtlicher Ebene um die Maßnahmen handelt, mit denen ein Staat seine internationalen Verpflichtungen im innerstaatlichen Recht integrieren kann.17 Regelmäßig ist die Umsetzung in diesem Sinne auch die notwendige Voraussetzung der internen Rechtsdurchsetzung. Auch wenn es einer solchen förmlichen Umsetzung in ein Rechts- oder Wertesystem zur Wirksamkeit nicht bedarf, muss die internationale Verpflichtung zunächst innerhalb des internen Regelungssystems „ankommen“ und Bedeutung erlangen.18 Insoweit kann die Umsetzung auch für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen als wesentliche Voraussetzung der Rechtsbefolgung relevant sein, sodass es eines Äquivalents der Umsetzung staatlicher Verpflichtungen in nationales Recht bedarf. Die Frage der Umsetzung sagt jedoch noch nichts über die tatsächliche Rechtsbefolgung aus und ist mithin nicht Mittel, aber Voraussetzung dafür, dass das Recht tatsächlich befolgt werden kann.19 b) Rechtsbefolgung setzt Fähigkeit und Wille voraus Um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen und sein Verhalten an rechtlichen Vorgaben auszurichten, muss der Akteur dazu einerseits fähig sein, andererseits auch gewillt sein, das Recht zu befolgen. Das IKRK fasst daher die Herausforde-

14 Ebenso Steinmann, Implementierung und Rechtsbefolgung in der Streitschlichtung der WTO, 21. 15 Vgl. zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten ebenfalls Raustiala, Compliance and Effectiveness in International Regulatory Cooperation, 32 Case Western Reserve Journal of International Law 2000, 387, 392 f. 16 Simmons, Remarks, Wrap-Up Plenary: What’s Next on Implementation, Compliance and Effectiveness?, 91 ASIL Proceedings 1997, 504, 508; Alvarez, Why Nations Behave, 19 Michigan Journal of International Law 1998, 303 ff. 17 Jacobsen/Brown Weiss, Compliance with International Environmental Accords, 1 Global Governance 1995, 119, 123. 18 Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 134. 19 Jacobsen/Brown Weiss, Compliance with International Environmental Accords, 1 Global Governance 1995, 119, 125.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

rungen der (mangelnden) Rechtsbefolgung im humanitären Völkerrecht wie folgt zusammen: „In many non-international armed conflicts, bearers of arms with little or no training in IHL are directly involved in the fighting. This ignorance of the law significantly impedes the efforts to increase respect for IHL and regulate the behaviour of the parties to the conflicts. [. . .] Any actor attempting to increase respect for the law might face another significant challenge: a party may not have enough political will, or none at all, to comply with the provisions of humanitarian law.“ 20

Rechtsbefolgung setzt danach einerseits die Fähigkeit und Kapazität voraus, überhaupt Recht zu befolgen, andererseits den Willen, dieses auch zu tun.21 Daraus ergibt sich eine Matrix von vier möglichen Konstellationen22: (1) Akteure können zunächst gewillt und fähig sein, das Recht zu befolgen. Eine Rechtsbefolgung erfolgt. (2) Akteure können nicht fähig sein, das Recht zu befolgen. Insoweit wird das Recht unabhängig vom Willen des jeweiligen Akteurs nicht befolgt. (3) Akteure können zwar in der Lage sein, das Recht zu befolgen, aber aus verschiedenen Motiven heraus nicht gewillt sein, dies zu tun. Auch in diesem Fall ist nicht von einer Rechtsbefolgung auszugehen. (4) Akteure können zudem gleichzeitig nicht fähig und nicht gewillt sein, das Recht zu befolgen. Das Recht wird in dieser Konstellation nicht befolgt werden. Diese natürliche Differenzierung zwischen Fähigkeit und Willen zur Rechtsbefolgung wird im Folgenden als Maßstab dieser Arbeit zugrunde gelegt: Bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen könnte es bereits schlicht an der Kenntnis um ihre Verpflichtungen fehlen.23 So berichtete die Sudan People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) beispielsweise von Kommandeuren, die aus fehlender Kenntnis heraus Landminen eingesetzt hätten, obwohl die Gruppe sich selbst verpflichtet hat, diese nicht mehr zu nutzen.24 Die bewaffneten nicht-staatlichen 20 Mack, Increasing respect for international humanitarian law in non-international armed conflicts, 12. 21 Brown Weiss, National Compliance with International Environmental Agreements, in: Theme Plenary Session: Implementation, Compliance and Effectiveness, 91 ASIL Proceedings 1997, 53, 57; Haas/Bilder, Compliance Theories Choosing to Complying, in: Shelton, Commitment and Compliance, 43, 46; Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL 1993, 327, 329 m.w. N., vgl. zur Fähigkeit zur Rechtsbefolgung bei bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen auch Heffes, Non-State Actors Engaging NonState Actors, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 427, 443 ff. 22 Brown Weiss, National Compliance with International Environmental Agreements, in: Theme Plenary Session: Implementation, Compliance and Effectiveness, 91 ASIL Proceedings 1997, 53, 58. 23 Bangerter, Persuading Armed Groups to Better Respect IHL, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 112, 113; McHugh/Bessler, Humanitarian Negotiations with Armed Groups, 39. 24 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 26.

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Gruppen waren und sind an der Entstehung des humanitären Völkerrechts nicht beteiligt, sodass nicht vorausgesetzt werden kann, dass sie die Verpflichtungen, denen sie unterliegen, kennen. Neben der Kenntnis müssen die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen auch insgesamt fähig sein, das Recht zu beachten. So müssen sie Voraussetzungen dafür schaffen, dass Verpflichtungen durch interne Mechanismen und Durchsetzungsmittel Geltung verschafft werden kann. Insoweit zeigt die Frage der Umsetzung als formale Voraussetzung der tatsächlichen Rechtsbefolgung bereits, dass eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe auch gewisse Kapazitäten und Fähigkeiten haben muss, um das Recht in ihr eigenes Wertesystem zu übertragen und dann auch befolgen zu können.25 Der zur Rechtsbefolgung erforderliche Wille kann wiederum auf verschiedenen Gründen beruhen, die Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in den Rechts- und Sozialwissenschaften sind.26 Solche Gründe können sich beispielsweise aus humanitären, politischen, wirtschaftlichen, pragmatischen, moralischen oder traditionellen Überlegungen ergeben, oder aber auch aus einem rein normativen Verpflichtungsgedanken.27 2. Durchsetzung des Rechts

Spiegelbildlich zur Rechtsbefolgung steht die Rechtsdurchsetzung. Sinn und Zweck der Rechtsdurchsetzung ist es, die Rechtsbefolgung durch den jeweilig Berechtigten oder Verpflichteten zu erreichen und damit dem materiellen Rechtsanspruch tatsächlich Geltung zu verschaffen. Durchsetzung ist dann die Anwendung von Mitteln, die die Rechtsbefolgung durch das Individuum fördern und herbeiführen und dessen Fähigkeit oder Willen dazu erhöhen. Notwendige Voraussetzung der Rechtsbefolgung eines Akteurs ist – wie festgestellt – dessen Kenntnis um seine Verpflichtungen und der Wille, diese zu befolgen. Auf einer ersten Stufe umfasst daher Rechtsdurchsetzung auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe benötigt, um das Recht befolgen zu können. Erst auf einer zweiten Stufe kann dann die Durchsetzung insoweit erfolgen, als dass damit auf den Willen des Verpflichteten eingewirkt werden soll und kann. Dies kann auf freiwilliger Basis durch das Setzen von Anreizen erfolgen oder auf sanktionsbewehrte Weise.28 Die 25 Bothe, Neue und alte Konzepte der Durchsetzung des Humanitären Völkerrechts, in: Epping/Fischer/Heintschel von Heinegg, Brücken bauen und begehen, 23, 28; Handler Chayes, Remarks, in: Henkin, How are Nations Behaving, 96 ASIL Proceedings 2002, 206, 208. 26 Vgl. dazu Kapitel 3, S. 89 ff. 27 Ratner zählt diese Gründe als Argumentationsmöglichkeiten für das IKRK auf und setzt sich kritisch damit auseinander: Ratner, Behind the Flag of Dunant, Public Law and Legal Theory Working Paper Series, WP No. 283, 9. 28 Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL 1983, 327, 328.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Politikwissenschaften unterscheiden dabei unterschiedliche Modi der Steuerung, also ein mögliches Einwirken auf den Entscheidungsspielraum des einzelnen Akteurs. Hierarchie kennzeichnet dabei die klassischen, vertikalen Formen hoheitlicher Steuerung. Es geht um Weisungen (Befehle), denen sich Akteure unterwerfen müssen und deren Einhaltung notfalls mittels Zwangsgewalt und gegen die Interessen der Akteure durchgesetzt wird.29 Dabei müssen solche Sanktionen oder die Drohung mit Sanktionen glaubwürdig sein. So muss der Vollzug der Sanktionen bei Nichtbefolgung auch wahrscheinlich sein und nicht bloß unverbindlich in Aussicht gestellt werden.30 Die bloße Möglichkeit abweichendes Verhalten zu sanktionieren, kann bereits die Rechtsbefolgung durch den Verpflichteten deutlich erhöhen.31 Auf der völkerrechtlichen Ebene gibt es, im Gegensatz zu nationalem Recht, kein einheitliches, auf Zwang basiertes Durchsetzungsregime. Dies liegt zunächst darin begründet, dass eine Grundannahme im Völkerrecht ist, dass die Staaten, die sich vertraglich zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, diese Verpflichtungen auch einhalten.32 Darüber hinaus begegnen internationale Institutionen, die gegenüber Staaten tätig werden könn(t)en, um Recht durchzusetzen, sehr häufig Souveränitätsbedenken der einzelnen Staaten.33 Grundsätzlich bietet auch das humanitäre Völkerrecht keine direkten Zwangsmittel zur Durchsetzung des Rechts gegenüber Staaten, ebensowenig gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen. Im Rahmen der Initiative der Vereinten Nationen zum Schutze von Kindern in bewaffneten Konflikten wurde erstmals zur Durchsetzung des humanitären Völkerrechts auf gezielte Sanktionen gesetzt,34 es gibt Möglichkeiten Konten einzufrieren oder Reisebeschränkungen zu verhängen. Eine andere Form der Bestrafung bietet das internationale Strafrecht, welches die schwersten Verbrechen im bewaffneten Konflikt unter Strafe stellt. Doch die Realität zeigt, dass diese sanktionsbewährten Maßnahmen nicht ausreichend sind und es vermehrt, auch gerade auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts kommt. Es gibt gerade keine „Völkerrechtspolizei“ und die internationale Strafgerichtsbarkeit steckt auch heute noch in ihren Anfängen. Die Einhaltung völkerrechtlicher Bestimmungen hängt daher in hohem Ausmaß von der Bereitschaft der Akteure ab, sich an diese Bestimmungen zu halten. 29

SFB 700, Grundbegriffe der Governanceforschung, Working Paper Series Nr. 8, 11. Fisher, Improving Compliance with International Law, Charlottesville 1981, S. 39 ff.; Kolari, Constructing Non-Compliance Systems into International Environmental Agreements, 14 Finnish Yearbook of International Law 2003, 205, 219. 31 Kolari, Constructing Non-Compliance Systems into International Environmental Agreements, 14 Finnish Yearbook of International Law 2003, 205, 217. 32 Doehring, Völkerrecht, 20 f. 33 Graf Vitzthum, Völkerrecht, 31. 34 Vgl. dazu auch S. 123 ff. 30

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In diesem Zusammenhang spielen die nicht-hierarchischen Steuerungsformen, die nicht allein auf hoheitliche Gewalt zurückgreifen, eine wichtige Rolle. Insbesondere kommt dabei gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen eine Steuerung durch Rückgriff auf Interessenkalküle und Strukturierung von Interessenkonstellationen, die Steuerung durch Anreize und/oder Sanktionen (z. B. bargaining) oder die Steuerung durch Argumente in Betracht.35 Der Steuerungsbegriff erlaubt, erfordert es aber auch, systematisch Akteursinteressen, -identitäten und -ressourcen in den Blick zu nehmen.36 Die im Rahmen der Rechtsbefolgung dargestellten vier Konstellationen zeigen deutlich, dass individuell festgestellt werden sollte, warum ein Akteur das Recht nicht befolgt, um dementsprechend die Steuerungsmechanismen anzupassen und anzuwenden. Um nicht-staatliche bewaffnete Gruppen zur Rechtsbefolgung anzuhalten, müssen auch in Anerkennung ihrer Diversität ihre zugrundeliegenden Ziele und Motivation identifiziert, Anreize gesucht und unter Umständen geschaffen werden.37 Im Folgenden soll daher untersucht werden, wie über direkte Sanktionierung eines Verhaltens durch gezielte Sanktionen und repressive Strafverfolgung hinaus bewaffnete nicht-staatliche Akteure auf nicht-staatlicher Ebene, also durch Nichtregierungsorganisationen, angehalten werden können, das Recht zu befolgen.

B. Durchsetzung humanitären Völkerrechts durch Nichtregierungsorganisationen? I. Begriff der Nichtregierungsorganisation Auch für den Begriff der Nichtregierungsorganisation gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Dies ist umso erstaunlicher, da der Begriff Nichtregierungsorganisation, aber auch das englische Akronym NGO, mittlerweile fester Bestandteil des deutschen Sprachgebrauches sind. Schon vor der Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945 waren unterschiedliche private Organisationen auch im internationalen Umfeld tätig.38 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde in Art. 71 UN Charter grundsätzlich das Prinzip der Konsultation zwischen NGOs und den Vereinten Nationen festgeschrieben: The Economic and Social Council may make suitable arrangements for consultation with non-governmental organizations which are concerned with matters within its 35

SFB 700, Grundbegriffe der Governanceforschung, Working Paper Series Nr. 8, 11. SFB 700, Grundbegriffe der Governanceforschung, Working Paper Series Nr. 8, 12. 37 Ryngaert/Van de Meulenbroucke, Enhancing and Enforcing Compliance with International Humanitarian Law by Non-State Armed Groups, 16 Journal of Conflict & Security Law 2011, 443, 444; Krieger, Inducing Compliance in Areas of Limited Statehood, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 505, 511. 38 Vgl. dazu Martens, Alte und neue Players – eine Begriffserklärungs, in: Frantz/ Zimmer, Zivilgesellschaft international, 31, 32. 36

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen competence. Such arrangements may be made with international organizations and, where appropriate, with national organizations after consultation with the Member of the United Nations concerned.

In der deutschen Fassung wurde der Begriff der „non-governmental organisation“ mit „nicht-staatlichen Organisationen“ übersetzt, dennoch hat sich die Begrifflichkeit Nichtregierungsorganisation durchgesetzt. Art. 71 UN Charta sieht die Existenz von NGOs vor, definiert aber nicht, was darunter zu verstehen ist. Gemeinsames Merkmal ist danach lediglich das negative Merkmal der NichtStaatlichkeit.39 Die Vereinten Nationen anerkennen jedwede Art von privatrechtlich organisierter Gesellschaft oder Vereinigung, die folgende Kriterien erfüllt: Sie müssen unabhängig von den Staaten sein, dürfen diese nicht als politische Parteien herausfordern, nicht gewinnorientiert arbeiten und keine kriminellen Absichten verfolgen.40 Eine Organisation ist dann unabhängig vom Staat, wenn der Staat keinen direkten Einfluss ausüben darf,41 sodass die ECOSOC-Definition auch Organisationen umfasst, welche Regierungen oder staatliche Stellen als Mitglieder haben.42 Eine Nichtregierungsorganisation darf kein Teil der öffentlichen Verwaltung, keine politische Partei, kein Wirtschaftsunternehmen und keine kriminelle Vereinigung oder Rebellengruppe sein.43 Auf der Ebene des Europarates wird unter Nichtregierungsorganisationen eine freiwillige, sich selbst verwaltende Körperschaft oder Organisation verstanden, die gegründet wurde, um im Wesentlichen nicht auf Gewinn ausgerichtete Ziele ihrer Gründer und Mitglieder zu verfolgen. Weiterhin dürfen NGOs danach keiner Steuerung durch staatliche Stellen unterworfen werden und der Organisation muss es freistehen, ihre Ziele zu verfolgen, vorausgesetzt, dass sowohl die Ziele als auch die angewandten Mittel mit den Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar sind. 44

39 In verschiedenen Resolutionen, die als Auslegungshilfe zu Art. 71 UN Charta verstanden werden, hat der ECOSOC (United Nations Economic and Social Council) verschiedene Kriterien zur weiteren Konkretisierung der Begrifflichkeit, wie beispielsweise die Internationalität, aufgestellt, vgl. Resolution 288 B (X) vom 27. Feburar 1950; Resolution 1296 (XLVI) vom 23. Mai 1968; vgl. dazu Ernstdorfer, Beitrag von NGOs zu den Weltkonferenzen der Vereinten Nationen, Arbeitspapiere Nr. 32/2002, 13. 40 Willetts, What is a Non-Governmental Organization?, in: UNESCO, Encyclopedia of Life Support System, Article 1.44.3.7. 41 Willetts, What is a Non-Governmental Organization?, in: UNESCO, Encyclopedia of Life Support System, Article 1.44.3.7. 42 Charnovitz, Two Centuries of Participation: NGOs and International Governance, 18 Michigan Journal of International Law 1996–1997, 183, 253. 43 Willetts, What is a Non-Governmental Organization?, in: UNESCO, Encyclopedia of Life Support System, Article 1.44.3.7. 44 Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten über den rechtlichen Status von Nichtregierungsorganisationen in Europa, CM/Rc (2007) 14, Rn. 1 bis 11.

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Das Hauptproblem einer Definition ist, dass die zahlreichen Akteure, die darunter zu fassen sind, in Größe, Bedeutung, Tätigkeit, kultureller und politischer Herkunft, Ideologie, Organisation und rechtlichem Status stark variieren.45 Letztlich ist schon aufgrund des Begriffes selbst nur eine Negativabgrenzung möglich. Der Versuch vieler Autoren liegt also darin festzustellen, was NGOs gerade nicht sind und nicht, was sie auszeichnet. Die Enzyklopädie des Völkerrechts definiert NGOs wie folgt: „Nongovernmental organizations are private organizations not established by a government or by intergovernmental agreement, which are capable of playing a role in international affairs by virtue of their activities, and whose members enjoy independent voting rights. The members of an NGO may be individuals [. . .] or bodies corporate [. . .]. There is some controversy as to whether an NGO has to be international, permanent, and non-profit-making.“ 46

In der Literatur werden jedenfalls meist private Unternehmen, terroristische Vereinigungen und politische Parteien nicht als Nichtregierungsorganisation angesehen.47 Ein anderer Definitionsansatz versteht unter NGO jede nicht gewinnorientierte, gewaltfreie, organisierte Gruppe von Menschen, die keine Regierungsfunktion anstrebt.48 Soziologisch geprägte Definitionsversuche fordern zudem, dass die Organisationen eine gemeinschaftlich-orientierte Zielsetzung verfolgen.49 Die EU Kommission wiederum verständigte sich im Jahr 2000 auf folgende Kriterien zur Identifizierung: „Nichtregierungsorganisationen arbeiten auf freiwilliger Basis und sind nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Sie sind gleichzeitig nicht nur informelle Gruppierungen, sondern unterliegen einem institutionellen Rahmen. Nichtregierungsorganisationen sind unabhängig, insbesondere von Regierungen oder anderen staatliche Institutionen. Ihr Ziel ist es, der Gesellschaft im Gesamten zu dienen und gemeine Werte zu verfolgen.“ 50 45 Martens, Alte und neue Players – eine Begriffserklärung, in: Frantz/Zimmer, Zivilgesellschaft international, 25, 31. 46 Rechenberg, Non-Governmental Organizations, in: Encyclopedia of Public International Law, 612. 47 Simmons, Learning to Live with NGOs, Foreign Policy 1998, 82, 83; Gamble/Ku, International Law – New Actors and New Technologies, 31 Law and Policy in International Business, 1999–2000, 221, 227. 48 Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen, 22. 49 Otto, Nongovernmental Organizations in the United Nations System, 18 Human Rights Quarterly, 1996, 107, 112: „[O]rganization that aim to represent values and aspirations associated with peoples rather than with states, including the promotion of human rights, gender and race equality, environmental protection, sustainable development, indigenous rights, nonviolent conflict resolution, participatory democracy, social diversity, and social and economic justice“; vgl. auch Cakmak, Civil Society in International Law and World Politics, 6 International Journal of Civil Society Law 2008, 7, 15. 50 Prodi/Kinnock, The Commission and Non-Governmental Organisations: Building a Strong Partnership“, Commission Discussion Paper, 3.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Die international tätige Union of International Associations nimmt einen etwas liberaleren Standpunkt ein. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in dieser Organisation, die als Dachverband verschiedenster NGOs agiert, ist, dass die Organisation offen für neue Mitglieder ist. Sie erlaubt auch staatliche Bestandteile einer solchen Organisation. Solche Organisationen können dann als NGO oder QuasiNGO (QUANGOS) angesehen werden, wenn sie ihr Programm unabhängig von politischer Einflussnahme festlegen.51 Allen genannten Definitionen ist gemein, dass die Organisationen privatrechtlich organisiert sind und sich unabhängig von den jeweiligen Staaten und politischer Einflussnahme organisieren. Teilweise wird diese Unabhängigkeit ausschließlich bereits im Gründungsakt gesehen,52 teilweise auch tatsächlich unabhängige Arbeit gefordert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine einheitliche positive Definition schwer zu finden ist, da die Gruppe der Organisationen, welche unter dem Kürzel NGO arbeiten, sehr heterogen ist, verschiedenartigste Ziele verfolgt und in verschiedenen Rechtsformen agiert. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit wird jedoch eine weite Definition zugrunde gelegt: Unter NGOs wird hier eine privatrechtlich organisierte Vereinigung verstanden, welche grundsätzlich nicht unter staatlicher Kontrolle steht, sondern vielmehr in Selbstverwaltung agiert. II. Bedeutung humanitärer Nichtregierungsorganisationen Im humanitären Bereich verbreiten NGOs einerseits das humanitäre Völkerrecht, leisten aber auch als wesentliche Implementierungspartner der Vereinten Nationen und Geberländer tatsächlich humanitäre Hilfe in Konflikt- und Krisengebieten. Die Geberländer förderten zunächst selbst das Tätigwerden humanitärer NGOs insbesondere bei der Mittelverteilung, als sie Mitte der 1980er Jahre feststellten, dass die Empfängerstaaten die ihnen geleistete Hilfe nicht immer bestimmungsgemäß nutzten.53 Die steigende Bedeutung humanitärer NGOs ist aber nicht zuletzt auch dem Wandel der Konfliktgeschehen geschuldet. Denn im Rahmen eines nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes könnte eine neutrale und unabhängige Verteilung der Konfliktgüter nicht gewährleistet werden, wenn dies lediglich durch den Empfängerstaat, der gleichzeitig Konfliktpartei ist, erfolgt. International agierende NGOs wie CARE, Catholic Relief Services (CRS), International Rescue Committee, Médecines sans Frontières (MSF), Save the 51 Martens, „Mission Impossible? Defining Nongovernmental Organizations“, 13 Voluntas: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations 2002, 271, 280 f. 52 Nicht durch einen Staat gegründet. 53 Macrae, NGOs: Has the „N“ gone missing?, The Magazine of the Red Cross and Red Crescent Movement, 1996, 18, 19.

Kap. 1: Ausgangspunkt der Untersuchung

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Children und World Vision54 kanalisieren einen Großteil der von den Staaten im Bereich der humanitären Hilfe zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Sowohl die NGOs, die sich um die Verbreitung des humanitären Völkerrechts kümmern und dadurch versuchen, das Leiden der Zivilbevölkerung zu verringern, als auch diejenigen, die direkt humanitäre Hilfe leisten, werden im Folgenden als humanitäre NGOs verstanden. Ihre Tätigkeiten bedingen sich gegenseitig und werden von denselben Prinzipien geleitet. 1. Vorteile des Einsatzes humanitärer Nichtregierungsorganisationen gegenüber staatlichem Tätigwerden

Sowohl bei der Verbreitung des humanitären Völkerrechts als auch bei der Leistung humanitärer Hilfe haben NGOs gegenüber Staaten wesentliche Vorteile, sie können flexibler auftreten, sind häufig bereits lokal verwurzelt und unterliegen (teilweise) geringeren Restriktionen als Staaten. Denn im Gegensatz zu Staaten handelt es sich bei Nichtregierungsorganisationen, selbst bei den weltweit agierenden, um vergleichsweise kleine Einheiten mit einer relativ flexiblen Verwaltung.55 International agierende NGOs unterliegen weniger politischen Restriktionen als beispielsweise die Vereinten Nationen.56 Daneben können sie nicht-staatliche Akteure besser als internationale Organisationen von ihrer Unabhängigkeit überzeugen57 und trotzdem gleichzeitig auf internationale Anerkennung zurückgreifen.58 Dies alles erlaubt ihnen auch neue und kreativere Problemlösungen und Herangehensweisen zu finden.59 Nichtregierungsorganisationen haben meistens einen thematischen Schwerpunkt und können in diesem Bereich

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Stoddard, Humanitarian NGOs: Challenges and Trends, in: Macrae, Humanitarian Action, HPG Report 14, 25; Debiel/Sticht, (Ohn-)Mächtige Samariter, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 165, 167. 55 Cakmak, Civil Society in International Law and World Politics, 6 International Journal of Civil Society Law 2008, 7, 11; Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 79, 91; Krieger, Inducing Compliance in Areas of Limited Statehood, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 504, 546. 56 Debiel/Sticht, (Ohn-)Mächtige Samariter, Humanitäre NGOs zwischen Intervention, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 165, 166; Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 24. 57 Zeender, Protecting The Internally Displaced, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 98. 58 Thomas, International NGOs, State Sovereignty, and Democratic Values, 2 Chicago Journal of International Law 2001, 389, 392. 59 Tarlock, The Role of Non-Governmental Organizations in the Development of International Environmental Law, 68 Chicago-Kent Law Review 1992–1993, 61, 64; Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Law, 79, 105 f.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

eine große Expertise aufbauen.60 Dies rührt nicht zuletzt daher, dass sie regelmäßig nur inhaltlich arbeiten und nicht politischem Alltagsgeschehen ausgesetzt sind.61 Der wesentliche Beitrag von NGOs im Allgemeinen ist dabei nach wie vor die Verbreitung und Beschaffung von Informationen gegenüber Regierungen und Individuen.62 Insofern haben humanitäre NGOs wiederum eine Sonderstellung inne, da sie vorwiegend vor Ort und gemeinsam mit der Zivilbevölkerung arbeiten. Sie sind häufig eng in der Zivilgesellschaft verwurzelt, was zu einer erhöhten Akzeptanz der verfolgten Ziele führt.63 Sie sind auch in abgelegenen Gegenden präsent und können dort die Verbreitung von Informationen über das internationale Recht gewährleisten,64 haben aber auch besonderen Kontakt zu den Akteuren vor Ort und möglicherweise auch entscheidenden Einfluss auf diese. Neutralität und Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen und politischen Entscheidungsprozessen bringen den NGOs dabei eine erhöhte Glaubwürdigkeit ein.65 Trotz dieser Sonderstellung kommen humanitären Nichtregierungsorganisationen in der öffentlichen Wahrnehmung auch die Erfolge von menschenrechtlichen oder umweltpolitischen NGOs zugute. Nichtregierungsorganisationen insgesamt werden nämlich oft als Kritiker bestehender Gesellschaftsbilder und damit als Ursprung neuer Ideen und Initiatoren von Aufbruch wahrgenommen, die sich für mehr Transparenz in komplexen politischen Zusammenhängen einsetzen.66 Die Europäische Kommission fasst diese Vorteile der humanitären Nichtregierungsorganisationen wie folgt zusammen: „Non-Governmental Organisations (NGOs) are essential to the humanitarian response as they deliver the majority of international humanitarian aid due to their

60 McGann/Johnstone, The Power Shift and the NGO Credibility Crisis, International Journal of Non-Profit-Law 2005, 3; Pearson, Non-Governmental Organisations and International Law, 23 Australian Yearbook of International Law 2004, 73, 98. 61 Hofmann, Engaging Non-State Armed Groups in Humanitarian Action, 13 International Peacekeeping 2006, 396, 399. 62 Gamble/Ku, International Law – New Actors and New Technologies: Center Stage for NGOs, 31 Law and Policy in International Business, 1999–2000, 221, 230; Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Law, 79, 92 ff. 63 Cakmak, Civil Society in International Law and World Politics, 6 International Journal of Civil Society Law 2008, 7, 11. 64 Zeender, Protecting The Internally Displaced, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 98, 103. 65 Cakmak, Civil Society in International Law and World Politics, 6 International Journal of Civil Society Law 2008, 7, 11; Sinnar, Mixed Blessings: The Growing Influence of NGOs“, 18 Harvard International Review, 1995–1996, 55, 56. 66 Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen, 123.

Kap. 1: Ausgangspunkt der Untersuchung

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field-presence and flexibility, often with a high-level of specialisation. They are also a direct expression of active citizenship at the service of the humanitarian cause.“ 67 2. Bestehende Nachteile

Je größer jedoch Bedeutung und Einsatzbereich der NGOs im internationalen Bereich, desto größer sind auch die Anforderungen, die an sie gestellt werden. NGOs müssen als legitime Akteure auftreten und wahrgenommen werden, um ihrer bedeutenden und wachsenden Stellung gerecht zu werden. Sie müssen transparent arbeiten und Rechenschaft über ihre Handlungen ablegen.68 Aufgrund ihrer besonderen Rolle interagieren sie häufig mit bewaffneten Gruppen, die als Inhaber nicht nur militärischer, sondern auch gesellschaftlicher Macht zum Verhandlungsgegenüber und Partner bei der Vermittlung der Hilfe werden.69 Dabei müssen die Hilfsorganisationen einen Ausgleich zwischen Distanz und Kooperation finden, der ihnen in jeweils möglichst großem Maße humanitären Zugang, Schutz der Zivilbevölkerung und Erhaltung der eigenen Neutralität ermöglicht.70 Ebenfalls nachteilig kann sich gerade für international agierende NGOs auswirken, dass sie einem vielschichtigen Regelwerk ausgesetzt sind. Sie sind grundsätzlich, mit Ausnahme des IKRK, nur Subjekte des nationalen Rechts, in dem sie gegründet wurden. Die einzelnen Nationalstaaten behandeln dabei die Tätigkeiten der NGOs je nach politischer Tradition unterschiedlich restriktiv, die Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit im Einzelnen sind aber zahlreich. Teilweise wird schon die Gründung solcher Organisationen selbst beschränkt, teilweise die Ausübung ihrer Tätigkeit stark reglementiert.71

C. Exkurs: Fallbeispiel Südsudan Im Laufe dieser Arbeit werden zahlreiche Beispiele aus dem Südsudan dargestellt werden. Der nicht-internationale bewaffnete Konflikt im Sudan zwischen dem Norden und dem heute unabhängigen und eigenständigen Südsudan ist der längste auf dem afrikanischen Kontinent.72 Nicht nur die Dauer, sondern auch 67 Europäischer Konsens über die Humanitäre Hilfe, Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, 2008/C25/01, Rn. 49. 68 Pearson, Non-Governmental Organisations and International Law, 23 Australian Yearbook of International Law 2004, 73, 90 m.w. N. 69 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 216. 70 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 216. 71 Vgl. insgesamt Teil 2 dieser Arbeit, S. 172 ff. 72 Daneben ist in Darfur ein weiterer, unabhängiger Konfliktherd im Sudan, in dem verschiedene nicht-staatliche bewaffnete Gruppen im Westen des Landes gegen die Zen-

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

wechselnde Auseinandersetzungen zwischen zahlreichen Akteuren führten zu zahlreichen zivilen Opfern. Dieser Konflikt ist historisch gesehen der erste, in dem verschiedene internationale Akteure versucht haben, dem Recht des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts während eines laufenden Konflikts (mehr) Geltung zu verschaffen. Die Vereinten Nationen und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen arbeiteten eng mit der Regierung des Sudans, aber auch mit der beteiligten bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe, der Sudan People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A), zusammen, um das Leiden der Zivilbevölkerung zu verringern. Beispielsweise wurde erstmals in einem laufenden Konflikt der humanitäre Zugang zur Leistung humanitärer Hilfe in einem von Rebellen kontrollierten Gebiet verhandelt. Im Folgenden wird kurz der Hintergrund des Konflikts zwischen dem Norden und dem heute eigenständigen Südsudan dargestellt. Heute herrschen weitere Auseinandersetzungen im Südsudan zwischen den verschiedenen Ethnien und politischen Fraktionen. I. Der nicht-internationale bewaffnete Konflikt im (Süd-)Sudan Im Sudan richteten zwei Kriege, die Sezessionsbewegungen im Süden von 1955 bis 1972 und dann von 1983 bis 2005 der Kampf gegen die Zentralregierung in Khartoum, großen Schaden im ganzen Land und insbesondere auf Seiten der Zivilbevölkerung an.73 Bereits in der Kolonialzeit war der Sudan in zwei administrative Teile gespalten, um ein gemeinsames Aufbegehren gegen die Kolonialmacht zu verhindern.74 Systemtische Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zwischen dem Norden und dem Süden75 führten bereits 1956 zu Sezessionsbestrebungen südsudanesischer Rebellen. Der erste Bürgerkrieg fand im Jahre 1972 mit dem Addis Abbeba Friedensabkommen zwischen der Regierung des Sudans und dem South Sudan Liberation Movement (SSLM) ein Ende. Dieses Abkommen, das mit Hilfe verschiedener Kirchen verhandelt worden ist, sah einen tralregierung in Khartoum kämpfen. Wie auch in dem langen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Landes sind auch hierbei die Ursachen einerseits in der ethnischen Vielfalt, andererseits aber besonders in dem Kampf um natürliche Ressourcen zu sehen. Wenn im Folgenden Beispiele aus dem Sudan gewählt werden, betreffen diese den Nord-Süd Konflikt und die Auseinandersetzung der Zentralregierung in Khartoum mit der SPLM/A. 73 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 14 ff.; Riehl, Who is ruling in South Sudan?, 8. 74 Ägypten und Großbritannien verwalteten den arabisch geprägten Norden gemeinsam, während im Süden eine rein britische Kolonialverwaltung entstand, vgl. Mükusch, Der erste Bürgerkrieg und die schwierige Unabhängigkeit 1956 bis 1983, in: Chiari, Wegweiser zur Geschichte Sudan, 39. 75 Riehl, Who is ruling in South Sudan?, 8.

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autonomen Süden unter Bewahrung einer eigenen kulturellen und politischen Identität in einem Staat Sudan vor.76 Dennoch konnte das Addis Abbeba Friedensabkommen dem Land keinen stabilen und andauernden Frieden bringen. Einerseits gelang es in der Folgezeit nicht, Unterschiede auszugleichen, sodass die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen dem Süden und dem Norden weiter fortbestanden.77 Andererseits missachtete die Regierung im Norden auch auf politischer Ebene die Autonomiebestimmungen für den Süden.78 Ende der 1970er Jahre kam es in der Regierung in Khartoum zu einem erhöhten Einfluss radikal-islamischer Strömungen, was letztlich dazu führte, dass die Regierung die Selbstverwaltung des Südens beendete. Entscheidend dafür war wohl auch das Auffinden großer Ölvorkommen in den südlichen Provinzen, die der Norden für sich beanspruchen wollte.79 Schließlich führte die Regierung auch in dem mittlerweile in verschiedene Provinzen aufgespalteten Süden das SchariaRecht ein.80 Im Mai 1983 flüchteten Armeeangehörige aus dem Süden nach Äthiopien und gründeten dort unter dem Schutz des äthiopischen Präsidenten Mengistu die SPLM/A.81 Die Rebellen sahen unter anderem in der Einführung des SchariaRechts einen Ausdruck der religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Unterdrückung.82 John Garang, einem ehemaligen Offizier der sudanesischen Armee, gelang es, die heterogenen Truppen des Südens gegen die Regierung im Norden mit dem Ziel zu einen, gegen die Beherrschung und strukturellen Ungleichheiten zu kämpfen.83 In den folgenden 22 Jahren kämpfte die SPLA gegen wechselnde Regierungen in Khartoum. Auf das zunächst erklärte Ziel eines vereinten Sudans mit einem autonomen Süden folgte später die Forderung nach einem unabhängigen Südsudan.84 Der SPLM/A gelangt es weitestgehend, die verschiedensten Ethnien in teilweise schwer zugänglichem Gelände im Süden gemeinsam zu ver76 Kuol, The International Council on Human Rights Policy, Holding Armed Groups Accountable, The Case of the SPLM/SPLA, 3. 77 Herr, Vom Regelbruch zur politischen Verantwortung, HSFK-Report Nr. 5/2010, 10. 78 Bradbury/Leader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle, HPG Report 4, 14. 79 Mükusch, Der erste Bürgerkrieg und die schwierige Unabhängigkeit 1956 bis 1983, in: Chiari, Wegweiser zur Geschichte Sudan, 39, 49. 80 Adar, Sudan: The Internal and External Contexts of Conflict and Conflict Resolution, UNHCR Writenet Paper No. 06/2000, 1. 81 Herr, Fragiler Frieden, HSFK Standpunkte, Nr. 05/2011, 2. 82 Collins, Requiem for Sudan 1983–1993, in: Collins, Civil Wars and Revolution in the Sudan, 83; Kuol, Holding Armed Groups Accountable, The Case of the SPLM/ SPLA, 4. 83 Herr, Vom Regelbruch zur politischen Verantwortung, HSFK-Report Nr. 5/2010, 10. 84 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 20.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

walten und zu kontrollieren,85 sie hatte allerdings auch stets mit Abspaltungen und internen Auseinandersetzungen zu kämpfen.86 Kennzeichnend für diesen zweiten Bürgerkrieg war vor allem der Einbezug der Zivilbevölkerung in den Konflikt. Immer mehr Zivilisten gerieten wegen religiöser, ethnischer, regionaler oder sprachlicher Zugehörigkeiten in den Fokus der kämpfenden Parteien und nahmen ebenfalls zunehmend selbst auch aktiv an den Kämpfen teil.87 Es kam zu Plünderungen, Vertreibungen und Flucht, und nicht zuletzt dadurch bedingt zu Hunger, da in provisorischen Auffanglagern häufig nicht einmal im Ansatz die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt werden konnten. Internationale Hilfsorganisationen, die ärztliche Unterstützung und Nahrungsmittel boten, sahen sich Anfeindungen und Behinderungen von Seiten der Regierung in Khartoum und ebenfalls der SPLM/A ausgesetzt. Beide Seiten setzten das Mittel des Versorgungsentzuges bewusst als Waffe im Kampf gegen ihre Gegner ein oder kanalisierten internationale Hilfslieferungen in Richtung befreundeter Gruppen.88 1. Konfliktursachen und Friedensverhandlungen

Die Ursachen für den Konflikt sind vielfältig.89 Neben wirtschaftlichen Gründen wie der Beherrschung der Ölvorkommen spielten ethnische, religiöse und kulturelle Differenzen eine bedeutende Rolle.90 Diese Vielschichtigkeit des Konfliktes trug dazu bei, dass der Weg zu einem umfassenden Friedensprozess sehr lang war. Bereits Ende der 1980er Jahre kam es zu ersten Friedensgesprächen, im Jahre 1994 erklärte die IGAD91 in einer Prinzipienerklärung, dass ein Frieden

85 Bradbury/Leader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle, HPG Report 4,16. 86 Vgl. dazu Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 14 ff. 87 Chiari, Der zweite Bürgerkrieg und seine Auswirkungen auf die Gesellschaften des Sudan, in: Chiari, Wegweiser zur Geschichte Sudan, 50, 51. 88 Chiari, Der zweite Bürgerkrieg und seine Auswirkungen auf die Gesellschaften des Sudan, in: Chiari, Wegweiser zur Geschichte Sudan, 50, 54 f. 89 Vgl. dazu u. a. Levine, Promoting Humanitarian Principles: the Southern Sudan Experience, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 5 ff.; Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215 ff. 90 Bradbury/Leader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle, HPG Report 4, 14. 91 Die „Intergovernmental Authority on Development“ (IGAD) ist ein Zusammenschluss von acht Staaten (Stand: September 2020) am Horn von Afrika. Die Regionalorganisation mit Sitz in Dschibuti unterstützt ihre Mitgliedstaaten in ihren vielfältigen Entwicklungsanstrengungen, insbesondere bei Friedensprozessen und in der Ernährungssicherung.

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unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze verhandelt werden müsse.92 Letztlich führte aber erst ein im Jahre 1997 von der IGAD initiierter Sudan-Friedensprozess zu einem Vertragswerk, das dem jahrelangen Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden ein Ende bereitete. Die Zentralregierung des Sudans und die SPLM/A unterzeichneten im Juli 2002 in Kenia die Machakos-Protokolle und einigten sich in den von der IGAD geleiteten Verhandlungen auf ein Regelwerk, welches den Weg zu dem umfassenden Friedensabkommen im Jahre 2005 ebnen sollte.93 Das Umfassende Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement, CPA) wurde im Jahre 2005 von den beiden (Haupt-)Konfliktparteien gezeichnet und beendete den 22 Jahre dauernden Konflikt. Nach den Vorgaben dieses Friedensabkommens wurde unter anderem eine gemeinsame Verwaltung des Sudans geschaffen, an der sowohl Vertreter des Nordens, als auch des Südens beteiligt waren. Diese sollte sich in einer Übergangsphase von sechs Jahren um die nationale Einheit bemühen. Die Umsetzung des Friedensabkommens wurde von den Vereinten Nationen und der Friedensmission UNMIS begleitet, welche vom Sicherheitsrat in der Resolution 1590 am 24. März 2005 mit Mandat ausgestattet wurde. Nach dieser Übergangsperiode sollten die Südsudanesen selber über die Unabhängigkeit des Südsudans abstimmen. Das Referendum wurde im Januar 2011 abgehalten und 99 % der Bevölkerung stimmten für die Unabhängigkeit des Südsudans. Schließlich erklärte sich dieser am 9. Juli 2011 von der Republik Sudan unabhängig. Allerdings sind auch nach der Abspaltung des Südens und dessen Anerkennung als eigener Staat weiterhin Konfliktpunkte mit der Zentralregierung in Khartoum offen. Unter anderem ist der Grenzverlauf ebenso wenig abschließend geklärt wie die Verteilung und der Abbau der Ölreserven in den Grenzgebieten. Unter anderem ist die Zugehörigkeit des Abyei-Gebietes zwischen dem Südsudan und dem Sudan streitig. Die United Nations Interim Security Force for Abyei94 soll dafür sorgen, dass es in Abyei zu keinem neuen Aufflammen des Konfliktes kommt. 2. Beteiligte Akteure

An dem Konflikt zwischen dem Nordsudan und dem Süden nach 1983 waren zahlreiche Akteure beteiligt.

92 Vgl. Declaration of Principles, 20. Juli 1994, abgedruckt in: Simmons/Dixon, Peace by Piece, Adressing Sudan’s Conflicts, Accord, Conciliation Resources, 80. 93 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 20; El-Mukhtar Hussein, Negotiating Peace, in: Simmons/Dixon, Peace by Piece, 18, 19. 94 Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1990 vom 27. Juni 2011, UN Doc. S/Res/1990 (2011).

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

a) SPLM/A Die SPLA, und ihr politischer Zweig die SPLM, wurden 1983 durch John Garang gegründet. Frühe militärische Erfolge und eine stark zentralisierte Struktur unter der Führung John Garangs führten zu einer ständigen Vergrößerung der SPLA in den 1980er Jahren. Seine Macht, die er bis zu seinem Tod im Jahre 2005 halten konnte, zeichnete sich durch einen repressiven Führungsstil aus, der wenig Abweichung duldete. Gerade in den frühen Jahren der SPLA wurden die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung hinten angestellt und lediglich die militärische Entwicklung der Gruppe vorangetrieben.95 Ende der 1980er Jahre kennzeichneten interne Machtkämpfe das Bild der SPLM/A, welche letzlich vor allem auf ethnische Spannungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen im Südsudan zurückzuführen waren. John Garang gehörte der Ethnie der Dinka an, wodurch sich der im Sudan zweitgrößte Stamm der Nuer benachteiligt fühlte. Dies führte im Jahre 199196 zu einer zeitweiligen Aufspaltung der Befreiungsarmee in die SPLA und die SPLA-Nasir97 unter der Führung von Riek Machar98, im Jahre 2002 erfolgte eine Wiedereingliederung in die SPLA.99 Gerade diese internen Auseinandersetzungen trafen besonders die Zivilbevölkerung und führten zu Toten, Verletzen und Vertriebenen. b) Internationale Akteure 1989 starteten die Vereinten Nationen die Operation Lifeline Sudan (OLS), die mehr als eine Million Menschen im Land vor dem Hungertod bewahren sollte.100 Erstmals konnte auch während eines laufenden Konflikts direkte Hilfe an die Zivilbevölkerung geleistet werden. Gleichzeitig arbeiteten die Vereinten Nationen erstmals auch direkt mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammen.101 95 Bradbury/Leader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle, HPG Report 4, 17. 96 Adar, Sudan: The Internal and External Contexts of conflict and Conflict Resolution, UNHCR Writenet Paper No. 06/2000, 4. 97 Riek Machar wurde anfänglich auch von Lam Akol unterstützt, allerdings spaltete sich die SPLA-Nasir 1992 bereits wieder, Riek Machar gründete die South Sudan Independence Movement/Army (SSIM/A), während Lam Akol die SPLM/A mit lokalen Milizen weiterhin bekämpfte. Im Namen der SSIM/A schloss Riek Machar auch ein Friedensabkommen mit dem Norden und wurde zwischenzeitlich dessen Verbündeter im Kampf gegen die SPLA, vgl. auch Adar, Sudan: The Internal and External Contexts of conflict and Conflict Resolution, UNHCR Writenet Paper No. 06/2000. 98 Dem Vizepräsidenten des Südsudans nach dessen Unabhängigkeit, vgl. dazu auch S. 46 f. 99 Johnson, Waging Peace in Sudan, 22. 100 Vgl. dazu auch BradburyLeader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle, HPG Report 4, 27. 101 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 176.

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Die OLS arbeitete nach folgenden Grundprinzipien: Die Hilfe sollte ausschließlich der Zivilbevölkerung zugute kommen und nicht zugunsten der kämpfenden Parteien erfolgen. Die Hilfeleistungen sollten in transparenter Weise und mit Wissen aller Konfliktparteien durchgeführt werden.102 Dieser Hilfsaktion ging eine Konferenz in Khartoum im Jahr 1989 voraus, auf der sich die Regierung des Sudans bereit erklärte, Hilfsmaßnahmen auch im besetzten Süden zuzulassen.103 Durch die OLS sollten sogenannte „Korridore der Ruhe“ und dadurch der Zugang zu der Zivilbevölkerung geschaffen werden, sodass Hilfeleistungen diese auch inmitten des Konflikts erreichen konnten. Obwohl die Zentralregierung in Khartoum ihr grundsätzliches Einverständnis zu der OLS gegeben und damit auf einen Teil ihrer Hoheitsrechte verzichtet hatte, behinderte sie teilweise die Ausführung von Lieferungen oder bombardierte Lebensmittellager.104 Der Sudan kontrollierte weiterhin den Luftraum und konnte durch Sperrung desselben leicht Hilfslieferungen im schwer zugänglichen Süden verhindern.105 Gleichzeitig gab es auch immer Übergriffe auf die Hilfeleistungen durch die SPLM/A. Es arbeiteten bis zu fünf UN-Hilfsorganisationen und über vierzig internationale und lokale NGOs unter dem Dach der OLS.106 Damit stellte die OLS die erste Hilfsaktion dar, in der sowohl die Vereinten Nationen, aber eben auch die verschiedenen Nichtregierungsorganisationen direkt mit einer bewaffneten nichtstaatlichen Gruppe zusammenarbeiteten, um die humanitäre Situation in dem Konflikt zu verbessern. Zentrale Aufgaben der beteiligten Nichtregierungsorganisationen waren dabei einerseits die Leistung humanitärer Hilfe und andererseits die Verbreitung humanitärer Prinzipien, um die am Konflikt beteiligten Parteien zu einer besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu bewegen. Dabei fungierten sowohl die Vereinten Nationen als auch die Nichtregierungsorganisationen als Vermittler für einzelne Drittstaaten, die wiederum nicht direkt in Interaktion mit den Rebellen treten wollten.107 Im Nachhinein wurde OLS vermehrt die Kritik entgegengebracht, dass sie den Konflikt wesentlich verlängert habe. 102 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 175. 103 Reno, The Sudan Rebel Perspective, Complex Work in Weak and Failing States, PRISM 1 No. 2, 111, 113. 104 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 176. 105 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 216. 106 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 216. 107 Reno, The Sudan Rebel Perspective, Complex Work in Weak and Failing States, PRISM 1 No. 2, 111, 113.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Den Konfliktparteien wird vorgeworfen, dass sie die humanitäre Hilfe instrumentalisiert und zur Versorgung der eigenen Kämpfer genutzt haben.108 Gerade in den von der SPLM/A besetzten Gebieten kam es zu einer indirekten Unterstützung der Rebellengruppe, da diese durch die Hilfeleistungen über Steuern und durch die Stammesstrukturen mit versorgt wurden. Diese indirekte Unterstützung der SPLM/A kann als Verstoß gegen das Neutralitätsgebot gesehen werden, wurde aber von den NGOs in Kauf genommen.109 Die Zusammenarbeit im Süden fand mit der Sudan Relief and Rehabilitation Association (SRRA), dem humanitären Arm der SPLM/A, statt, der bereits im Jahre 1985 ins Leben gerufen worden war, um die internationale Gemeinschaft zu informieren und mit den humanitären NGOs zu interagieren.110 II. Der Bürgerkrieg im Südsudan ab 2013 Im Jahr 2013 entbrannte im unabhängigen Südsudan ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt zwischen den verschiedenen Ethnien und ursprünglichen Fraktionen der SPLM/A. Im Juli 2013 entließ der Präsident Salva Kiir, der der Ethnie der Dinka angehört, den Vizepräsidenten Riek Machar, einen Nuer.111 Diese Auseinandersetzung war einer der Auslöser für einen Bürgerkrieg zwischen der SPLA, den Anhängern von Riek Machar und weiteren kleineren bewaffneten Gruppen. Neben den ethnischen und kulturellen Differenzen steht vor allem die Uneinigkeit der wirtschaftlichen Nutzung von Ressourcen und von Weideland im Zentrum des Konflikts. Am 23. Januar 2014 einigten sich die beiden Seiten nach Vermittlung der IGAD auf einen vorläufigen Waffenstillstand. Dennoch wurden die Kampfhandlungen bald wieder aufgenommen, Nuer-Rebellen besetzten die Ölstadt Malakal. Im Mai 2014 kam es zu einem ersten direkten Gespräch zwischen Salva Kiir und Riek Machar und zu erneuten Friedenverhandlungen in Addis Abeba: Sie führten zu einem weiteren Waffenstillstand-Abkommen, das jedoch wiederum von beiden Seiten nicht eingehalten wurde. Die anhaltenden Kämpfe führten zu einer angespannten Sicherheitslage und dem vollständigen wirtschaftlichen Zusammenbruch des noch jungen Landes. Die Situation für die Zivilbevölkerung verschlechtert sich stets, es kommt sowohl auf Seiten der SPLA als auch auf Seiten der Rebellen zu stetig wachsender sexueller 108 Vgl. Levine, Promoting Humanitarian Principles: the Southern Sudan Experience, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 7 f.; Rolandsen, Guerilla Government, 44 ff. 109 So auch Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 228, vgl. dazu auch S. 140 ff. 110 Simmons/Dixon, Profiles, in: Simmons/Dixon, Peace by Piece, Addressing Sudan’s Conflicts, Accord, Conciliation Resources, 84. 111 Dieser kehrte 2016 als Vizepräsident zurück, was jedoch nicht zu einem Ende der Gewalt führte. Er wurde im Juli 2016 erneut durch Salva Kiir abgesetzt.

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Gewalt, Plünderungen, Vertreibungen und Angriffen auf die Zivilbevölkerung.112 Im März 2016 gaben die Vereinten Nationen bekannt, dass bis zu dem Zeitpunkt mehr als 50.000 Menschen im südsudanesischen Bürgerkrieg getötet und bis zu 2,2 Millionen Menschen vertrieben wurden.113 Am 12. Septemer 2018 schlossen die Konfliktparteien erneut ein Friedensabkommen, worunter Salva Kiir und Riek Machar im Februar 2020 wieder eine Einheitsregierung bildeten. Die humanitäre und politische Lage ist nach aber nach wie vor fragil.

D. Fragestellungen Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appelierte 2009 an die Staaten: „Victims suffer, not because of gaps in the law, but because international humanitarian law is not respected or enforced. [. . .] We must also focus more attention on compliance with international humanitarian law by non-State armed groups. Unpalatable as it may be for some States, engagement with such groups is critical. [. . .] Failure to do so is always likely to mean more, not fewer, civilians killed and wounded. I urge Member States to accept this necessity.“ 114

Wie der UN-Generalsekretär in dem vorangestellten Zitat betont, ist die Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten dringend notwendig, um dem humanitären Völkerrecht mehr Geltung zu verschaffen und damit den Schutz von Zivilisten weltweit zu erhöhen. Das Beispiel des Südsudans zeigt, dass im Bereich eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts auch eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe zur Befolgung des humanitären Völkerrechts angehalten werden kann. Das Beispiel des Südsudans zeigt ebenfalls, dass dies nur durch ein Zusammenspiel einer Vielzahl von Akteuren gewährleistet werden kann. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die These, dass gerade Nichtregierungsorganisationen in der Lage sind, gegenüber nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen das humanitäre Völkerrecht zu vermitteln und die Rechtsbefolgung dadurch zu verbessern. Die aktuellen Bestrebungen der Staaten gehen jedoch in eine andere Richtung und lassen die Bedeutung der direkten Interaktion mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen außer Acht. Auch aus nationalstaatlichen Sicherheitsinteressen, der wachsenden Bedrohung durch den Terrorismus und einer Rückbesinnung auf die Staatlichkeit insgesamt folgt, dass die Arbeit der Nichtregie112 Vgl. dazu auch African Union Commission of Inquiry on South Sudan, Final Report, Executive Summary, 7 ff. 113 OHCHR, Assessment Mission by the Office of the United Nations High Commissioner, 3, 13; vgl. auch die Pressemitteilung dazu vom OHCHR vom 11. März 2016. 114 UN Generalsekretär, Honouring Geneva Conventions, Pressemitteilung vom 26. September 2009.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

rungsorganisationen mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen häufig kritisch gesehen und durch die Staaten teilweise eingeschränkt wird. Insgesamt ergeben sich daraus folgende Fragestellungen, denen in dieser Arbeit nachgegangen werden soll: • Wie können bewaffnete nicht-staatliche Gruppen angehalten werden, das humanitäre Völkerrecht besser zu beachten und welche Maßnahmen eignen sich besonders dazu? • In welchen rechtlichen und tatsächlichen Grenzen bewegen sich die Nichtregierungsorganisationen dabei und wie kann deren Situation verbessert werden, um die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts und Erbringung humanitärer Hilfe gegenüber den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen besser zu gewährleisten?

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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Kapitel 2

Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung Ein Akteur muss fähig sein, das Recht zu befolgen. Dazu muss er zunächst die Verpflichtung überhaupt kennen und diese auch verstehen können. Innerhalb einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe müssen dabei verschiedene Ebenen vom einzelnen Kämpfer bis zur Führungsriege Kenntnis erlangen, um eine Rechtsbefolgung auf diesen unterschiedlichen Ebenen zu ermöglichen. Beispielsweise führte ein Kommandeur der SPLM/A gegenüber der NGO Geneva Call aus, dass weder er noch andere Kommandeure je von den Genfer Konventionen gehört hätten.115 Der Akteur muss also um seine Verpflichtung wissen und diese auch verstehen. Innerhalb einer Gruppe müssen diese Verpflichtungen nach innen um- und durchgesetzt werden, dabei kann eine gute Struktur einer Gruppe helfen. Im Folgenden werden zunächst der Rechtsrahmen und die Verpflichtungen dargestellt, die die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen überhaupt im humanitären Völkerrecht befolgen müssen. Die Verbreitung des Rechts ist Mittel der Wahl, um diese notwendige Kenntnis der Verpflichtungen bei den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu schaffen. Das Ziel der Verbreitung des Rechts ist, Bewusstsein für dessen Existenz zu schaffen und dadurch das Verhalten der Konfliktparteien zu beeinflussen.116 Im Anschluss folgt eine kurze Analyse der Anforderungen an eine Gruppe und insbesondere an ihre Struktur, der es bedarf, um das Recht auch intern um- und durchzusetzen.

A. Kenntnis und Verständnis des Rechtsrahmens Die Kenntnis des Rechts ist unabdingbare Voraussetzung der Rechtsbefolgung. Im Bereich des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts muss diese erforderliche Kenntnis zwei verschiedene Ebenen umfassen: Die Voraussetzungen dafür, dass das humanitäre Völkerrecht überhaupt Anwendung findet und die Verpflichtungen, die das Recht selbst enthält. Zunächst muss ein (nicht-internationaler) bewaffneter Konflikt vorliegen, da andernfalls das humanitäre Völkerrecht nicht anwendbar ist. Dann unterliegen die Handlungen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe und deren Mitglieder nur dem nationalen Recht und erfüllen häufig strafrechtlich relevante Tatbestände. Soweit die Anwendungsschwelle zum humanitären Völkerrecht überschritten ist, enthält das humanitäre Völkerrecht 115 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, Report of Proceedings and Recommendations, 16. 116 Simmons argumentiert, allerdings für Staaten, dass allein das Vorhandensein und dementsprechend die Kenntnis der Verpflichtung zu einer Änderung des Verhaltens führen könne, vgl. Simmons, Capacity, Commitment and Compliance, 46 Conflict Resolutions 2002, 892 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

eine Vielzahl von Regelungen für den Einzelnen und die Gruppe, die sie zu beachten haben. Im Folgenden wird daher zunächst analysiert, wann im humanitären Völkerrecht ein bewaffneter Konflikt vorliegt, um dann im Anschluss die geltenden Verpflichtungen zu untersuchen. I. Vorliegen eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts als Anwendungsschwelle des relevanten Rechtskanons Voraussetzung für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts ist das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts. Denn nur das Überschreiten einer gewissen Schwelle lässt das internationale Recht Anwendung finden und das nationale Recht zurücktreten. Entscheidend ist, wann ein Konflikt eine Intensität erlangt hat, die ein Zurücktreten des staatlichen Anspruchs auf Souveränität117 zugunsten der Anwendung des humanitären Völkerrechts gebietet.118 Der Umfang der Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht richtet sich sodann danach, ob der Konflikt als nicht-internationaler oder internationaler bewaffneter Konflikt klassifiziert wird.119 Für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ist bereits das Wissen essentiell, wann überhaupt die Anwendungsschwelle zum humanitären Völkerrecht überschritten ist. Die Genfer Konventionen enthalten dabei keine klare Definition, wann ein solcher (nicht-internationaler) bewaffneter Konflikt vorliegt. Ohne eine klare Definition oder hinreichende Kriterien, welche die Schwelle zu einem bewaffneten Konflikt konkretisieren, können aber die am Konflikt beteiligten Parteien nicht bestimmen, ob das humanitäre Völkerrecht Anwendung findet. Insoweit ist die Frage, wann die Anwendungsschwelle überschritten ist, auch ein gutes Beispiel für grundsätzliche Schwierigkeiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, bei unbestimmten Rechtsbegriffen sichere Kenntnis zu haben. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf es klarer Kriterien, nach denen alle beteiligten Konfliktparteien an einem bewaffneten Konflikt festmachen können, wann ein bewaffneter Konflikt i. S. d. gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen vorliegt und welches Rechtsregime anwendbar ist. 117 Hess, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts, insbesondere in gemischten Konflikten, 86 ff. 118 Ekango, Innerstaatliche bewaffnete Konflikte und Drittstaaten, 31. 119 Zu der Unterscheidung zwischen nicht-internationalem und internationalem bewaffneten Konflikt vgl. beispielsweise Greenwood, Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts, in: Fleck, Handbuch des Humanitären Völkerrechts, 41; Zimmermann, Art. 8, in: Triffterer, Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, Rn. 267. Er differenziert darüber hinaus verschiedene Fälle, in denen unter Beteiligung nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen eine Eingruppierung nicht eindeutig möglich ist. Zur Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des ICTY und anderer Gerichte in Bezug auf die Frage des Vorliegens eines nicht-internationalen oder internationalen Konfliktes vgl. Byron, Armed Conflicts, 6 Journal of Conflict & Security Law 2001, 63.

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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1. Behandlung eines nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes vor 1949

Vor den Genfer Konventionen von 1949 wurden nicht-internationale bewaffnete Konflikte völkerrechtlich als innere Angelegenheiten der betroffenen Staaten betrachtet.120 In den Anwendungsbereich des internationalen Rechts fielen solche Konflikte nur im Falle einer Anerkennung der Aufständischen als Kriegspartei, sei es durch den kriegsführenden Staat oder durch einen dritten Staat, wobei dieser durch seine Anerkennung zur Neutralität verpflichtet wurde.121 Eine Anerkennung durch Dritte unterlag zudem weiteren Voraussetzungen: so musste der nicht-staatliche Akteur einen Teil des Staatsgebietes besetzt halten und auf diesem Gebiet eine Regierung etabliert haben. Daneben mussten die militärischen Operationen von organisierten Truppen unter einem Oberkommando und gemäß dem internationalen Kriegsrecht durchgeführt werden.122 Eine solche Anerkennung war jedoch selten, in der Regel blieb es bei der Annahme, dass es sich um eine innere Angelegenheit handele. Die Staaten waren sehr zurückhaltend, Aufständische als Kriegspartei anzuerkennen aus Angst, dass den bewaffneten Gruppen durch Regelungen im humanitären Völkerrecht eine faktische Anerkennung und Legitimität zuerkannt würde und damit ihre Bedeutung wachse. Gleichzeitig fürchteten sie die Einmischung in ihre eigenen inneren Angelegenheiten. Die Mehrheit der Staaten teilte daher bis 1949 die Ansicht eines russischen Abgeordneten, der der Idee des IKRK zur Berücksichtigung auch nichtinternationaler Konflikte mit Folgendem begegnete: „I consider, [. . .] that the Red Cross Societies would have no duty toward insurgents or bands or revolutionaries who the laws of my country regard as criminals.“ 123 2. Keine Klärung der Kriterien durch den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949

Trotz dieser grundsätzlichen Zurückhaltung der Staaten erkannten die Genfer Konventionen von 1949 durch ihren gemeinsamen Artikel 3 erstmals den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt als Regelungsgegenstand des internationalen humanitären Völkerrechts an. Entscheidend für die Anwendbarkeit des hu120 Zu den Bemühungen der Literatur in dieser Zeit vgl. Schlögel, Civil War, 108 IRRC 1970, 123, 125; Taubenfeld, The Applicability of the Laws of Wars, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 499, 502. 121 Cullen, Key Developments Affecting the Scope of Internal Armed Conflict, 183 Military Law Review 2005, 66, 75; Daase, Das humanitäre Völkerrecht und der Wandel des Krieges, in: Haase/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 132, 145; Higgins, Internal War and International Law, in: Black/Falk, The Future of the International Legal Order, Vol. III: Conflict Management, 81 ff. 122 Daase, Das humanitäre Völkerrecht und der Wandel des Krieges, in: Haase/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 132, 146. 123 Pictet, Dévelopment et principes du droit international humanitaire, 57; Taubenfeld, The Applicability of the Laws of Wars, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 499, 502.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

manitären Völkerrechts ist danach nicht mehr das subjektive Kriterium der Anerkennung124, sondern das Vorliegen eines bewaffneten (nicht-internationalen) Konflikts: „Im Falle eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat und auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht, ist jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, mindestens die folgenden Bestimmungen anzuwenden [. . .].“

Mangels Definition in dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen kann jedoch allein anhand des Vertragstextes nicht bestimmt werden, wann ein (nichtinternationaler) bewaffneter Konflikt vorliegt.125 Für die Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen reicht die bloße Kenntnis des Normtextes nicht. Auch die Entstehungsgeschichte hilft bei der Frage, wann die Anwendungsschwelle des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen überschritten ist, nicht weiter: Die Staaten waren sich einig, dass nicht jeder innerstaatliche Konflikt, in dem Waffengewalt zum Einsatz kommt, als ein bewaffneter Konflikt im Sinne des gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen angesehen werden soll, ohne eine genaue Schwelle oder Intensität festzulegen.126 Vielmehr wählten die Staaten denWortlaut bewusst offen, um den zahlreichen Bedenken und der Sorge um eine mögliche Einschränkung ihrer Souveränität Rechnung zu tragen.127 Denn viele Regierungen tendieren (oder tendierten) dazu, das Ausmaß der Kampfhandlungen in der Außendarstellung herunterzuspielen und diese lediglich als innere Spannungen, innere Unruhen oder terroristische Akte zu qualifizieren,128 sodass der Anwendungsbereich des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen nicht gegeben wäre.129 124

ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor v. Jean-Paul Akayesu, Trial Judgement vom 2. September 1998, Rn. 603; Hess, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts, 84. 125 Zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung vgl. auch Inter-American Commission on Human Rights, Rechtssache Abella ./. Argentinien, IACHR Report No. 55/97, Case No. 11.137, 30 Oktober 1997, Rn. 153, vgl. dazu auch Rodenhäuser, Organizing Rebellion, 35 ff. 126 Zischg, Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt und Völkerrecht, 32 m.w. N. 127 Geistlinger, Revolution und Völkerrecht, 393 f.; Zischg, Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt und Völkerrecht, 32. 128 Cullen, Key Developments Affecting the Scope of Internal Armed Conflict, 183 Military Law Review 2005, 75, 83 m.w. N.; Meron, The Humanization of Humanitarian Law, 94 AJIL 2000, 239, 261; Schlögel, Civil War, 108 IRRC 1970, 123, 126; Taubenfeld, The Applicability of the Laws of War, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 499, 502 m.w. N.; Zischg, Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt und Völkerrecht, 33 m.w. N. 129 Andererseits zeichnet sich eine Tendenz ab, nach der Situationen verfrüht oder auch bei Nichtvorliegen der identifizierten Kriterien als bewaffnete Konflikte bezeichnet werden, möglicherweise um einem höheren Schutzstandard unter dem Regime der Menschenrechte keinen Anwendungsraum zu geben. Vgl. dazu Geiß, Humanitarian law

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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3. Das Zweite Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen behebt die Unklarheiten über die Anwendungsschwelle nicht

Seit 1977 wird das Recht nicht-internationaler bewaffneter Konflikte auch durch das Zweite Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen geregelt. Art. 1 Absatz 2 des Zweiten Zusatzprotokolls enthält dabei erstmals Regelbeispiele130, wann ein Konflikt (noch) nicht die Intensität eines bewaffneten Konflikts erreicht hat: 2. Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten.

Allerdings kann dies zur Klärung der Frage, wann ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Art. 3 der Genfer Konventionen gegeben und die bewaffnete nichtstaatliche Gruppe aus dem humanitären Völkerrecht verpflichtet ist, nur begrenzt weiterhelfen. Artikel 1 des Zweiten Zusatzprotokolls, der den sachlichen Anwendungsbereich des Protokolls regelt, enthält erstmals eine Definition eines nichtinternationalen bewaffneten Konfliktes: Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen Artikel 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Artikel 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfaßt sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, daß sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.

Danach muss ein bewaffneter Konflikt also (1) auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, (2) zwischen deren Streitkräften und einer anderen organisierten obligations of organized groups, in: International Institute of Humanitarian Law, NonState Actors and International Humanitarian Law, 93, 101; Geiß, Das humanitäre Völkerrecht im Lichte aktueller Herausforderungen, in: Heintze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 45, 52. Vgl. zum Verhältnis Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht aus der umfassenden Literatur bspw. Green, The Relations between Human Rights and International Humanitarian Law, in: Beau/Jachec-Neale, Testing the Boundaries of International Humanitarian Law, 49 ff.; Heintze, Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts durch den Menschenrechtsschutz, in: Heintze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 163 ff. 130 Zu den Definitionen vgl. IKRK, Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts, Genf 24 Mai–12 Juni 1971, Documentation, Vol. V: Protection of victims of non-international armed conflicts; Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, Rn. 1355, vgl. zum Zweiten Zusatzprotokoll auch Rodenhäuser, Organizing Rebellion, 46 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

bewaffneten Gruppe stattfinden. Die bewaffnete Gruppe muss (3) effektive Kontrolle über einen Teil des Territoriums ausüben sowie (4) ein Mindestmaß an Organisation innehaben. Damit fallen aber beispielsweise Konflikte zwischen zwei nicht-staatlichen Akteuren nicht in den Anwendungsbereich des Zweiten Zusatzprotokolls. Im Laufe einer nicht-staatlichen Auseinandersetzung wird das Zweite Zusatzprotokoll erst anwendbar, wenn die Aufständischen einen Teil des staatlichen Territoriums unter Kontrolle halten. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass oppositionelle Gruppen eigentliche militärische Operationen unter Beachtung des humanitären Völkerrechts erst dann ausführen können, wenn sie von einem eigenen Territorium aus handeln können.131 Diese Voraussetzung für die Anwendung des humanitären Völkerrechts auf einen internen Konflikt ist aber neu und unterscheidet Art. 1 des Zweiten Zusatzprotokolls vom gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen von 1949.132 Der Versuch, objektive Kriterien zu finden und diese verbindlich niederzuschreiben, führte dazu, dass die Anwendungsschwelle des Zweiten Zusatzprotokolls gegenüber dem gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen deutlich erhöht wurde.133 Das humanitäre Völkerrecht kennt daher heute zwei Formen bewaffneter Konflikte nicht-internationalen Charakters: solche, die Gegenstand des Zweiten Zusatzprotokolls und des gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konvention sind und solche, die nur unter den gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen fallen.134 Damit hat das Zweite Zusatzprotokoll für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen selbst und die Frage, wie ein bewaffneter Konflikt möglichst eindeutig bestimmt werden kann, nur eine eingeschränkte Bedeutung. Zwar kann eine Gruppe bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Zweites Zusatzprotokoll sicher davon ausgehen, dass ein bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Norm vorliegt. Dennoch bestehen die Unsicherheiten in Bezug auf die Konflikte weiter, die lediglich unter den gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen fallen. Dieser bildet aber auch weiterhin die wesentliche, weil niedrigere Anwendungsschwelle. Wie sich schon aus dem Wortlaut des Artikel 1 des Zweiten Zusatzprotokolls ergibt, bleibt der gemeinsame Art. 3 Genfer Konventionen weiterhin anwendbar.135

131 Zu den Problemen bei der Entwicklung des Zweiten Zusatzprotokolls und dessen Entstehung sowie zum Aufeinandertreffen der verschiedenen Ansichten hinsichtlich des Anwendungsbereichs von humanitärem Völkerrecht in internen Konflikten Forsythe, Legal Management of Internal War, 72 AJIL 1978, 272, 280 f. 132 Gasser, Hans-Peter, Humanitäres Völkerrecht, 63. 133 Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, Rn. 4448. 134 Kretzmer, Rethinking the Application of International Humanitarian Law, 42 Israel Law Review 2009, 8, 42. 135 Bothe/Partsch/Solf, New Rules for Victims of Armed Conflicts, Commentary on the Two 1977 Protocols Additional, Rn. 4457.

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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4. Konkretisierung in der Literatur und durch das IKRK

Der Fragestellung, wie die Anwendungsschwelle des gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen konkretisiert werden kann, wurde auch in der Literatur nachgegangen.136 Diese Definitionsversuche bleiben aber oftmals vage137 oder berücksichtigen nicht die tatsächlichen Gegebenheiten138 und bleiben theoretischer Natur. Für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen ist zudem eine rechtswissenschaftliche Definition nur sehr schwer zugänglich. Zudem werden solche Ansätze oftmals nicht von den Staaten rezipiert und können somit nicht zu Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beitragen. Anders als Definitionsversuche der Literatur erreichen solche des IKRK die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen mit hoher Wahrscheinlichkeit, da das IKRK regelmäßig in Kontakt mit Konfliktparteien steht. Ein bewaffneter Konflikt ist nach dieser Definition durch zwei Merkmale gekennzeichnet: die bewaffnete Aktion hat kollektiven Charakter und die aufständischen Gruppen ein Minimum an Organisation.139 Merkmale, die das Vorliegen einer Konfliktsituation indizieren, sind nach dem IKRK die Dauer der Auseinandersetzung, Zahl und Führung der Aufständischen, Kontrolle von Teilen des Staatsgebiets und Kampfhandlungen, allgemeiner Grad der Instabilität, Zahl der Konfliktopfer, sowie die Mittel, welche die Regierung zur Wiederherstellung der Ordnung einsetzt.140 Insgesamt hebt das IKRK aus humanitären Gründen stets den weiten Anwendungsbereich des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen hervor.141 Diese Kriterien des IKRK ermöglichen einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe einzuordnen, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt.142 Dennoch bieten auch sie keine 136 Vgl. bspw. Castrén, Civil War, 26 ff.; Lombardi, Bürgerkrieg und Völkerrecht, 78 ff.; Zischg, Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt und Völkerrecht, 35. 137 Castrén, Civil War, 85: „This provision would be valid in a civil war, in insurrections and in other internal disturbances, in which it is not merely a question of riot, disorder or minor demonstration, but where a warlike situation which the police forces are unable to quell has arisen.“ 138 Beispielsweise hängen die von Zischg entwickelten Indizien für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts wie die Einberufung von Zivilisten zum außerordentlichen Militärdienst, der Einsatz fremder Truppen, der Einsatz der Luftwaffe, von Artillerie und sonstiger schwerer Waffen, eine hohe Anzahl von Toten und Verwundeten weitestgehend von Handlungen von Staatsorganen ab. Dann könnte aber ein Staat durch eigene Handlungen beeinflussen, wann die Schwelle zur Anwendung des bewaffneten Konflikts überschritten ist, vgl. Zischg, Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt und Völkerrecht, 35. 139 Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, 19. 140 Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, 19. 141 IKRK, Commentary, Geneva Convention relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War, 50; Kretzmer, Rethinking the Application of International Humanitarian Law, 42 Israel Law Review 2009, 8, 40. 142 Vgl. zu Gegensätzlichkeiten und Unklarheiten, die auch den Definitionsversuchen des IKRK anhaften auch Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 525 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

umfassende Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, da das Verständnis des IKRK nicht durch alle Staaten anerkannt wird. Gerade die grundlegende Annahme eines sehr weiten Anwendungsbereichs des gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen stößt bei Staaten teilweise auf Bedenken.143 5. Handhabbare Kriterien erst durch die Rechtsprechung entwickelt

Letztlich haben erst die ad-hoc Tribunale Jugoslawien (ICTY) und Ruanda (ICTR) bei der Auseinandersetzung mit der Frage, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt, nachvollziehbare und für alle am Konflikt beteiligten Parteien verständliche Kriterien für einen bewaffneten Konflikt im Sinne des gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen identifiziert. Diese Kriterien werden von den meisten Staaten anerkannt, sodass dadurch erstmals Rechtssicherheit in Bezug auf den Anwendungsbereich gewonnen werden konnte. Dies ergibt sich bereits aus der den Gerichten durch die Staaten zugewiesenen Entscheidungskompetenz. Gemäß Artikel 3 des Statuts des Jugoslawientribunals144 ist das Gericht befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die gegen Gesetze und Gebräuche des Krieges verstoßen haben. Artikel 4 des Ruandatribunals145 erklärt das Gericht für zuständig, schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen strafrechtlich zu verfolgen. Relevante Vorfrage war damit bei beiden Tribunalen in zahlreichen Verfahren, ob das humanitäre Völkerrecht überhaupt anwendbar war und mithin, ob ein bewaffneter Konflikt vorlag. Die dabei von den Tribunalen identifizierten Kriterien können den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen leicht nahgebracht werden, da sie der Konfliktwirklichkeit entstammen und damit für diese nachvollziehbar sind. a) Klärung der Begrifflichkeit durch das ICTY Wegweisend zur Klärung der Begrifflichkeiten war das Tadic-Urteil des ICTY.146 Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Fragestellung, wann ein bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts vorliege, stellte das Tribunal folgende Definition auf: „An armed conflict exists whenever there is a resort to armed force between States or protracted armed violence between governmental authorities and organized armed groups or between such groups within a State.“ 147 143 Lombardi, Bürgerkrieg und Völkerrecht, 91, vgl. zu den möglichen Bedenken der Staaten auch bereits oben S. 33 f. 144 Im Weiteren auch ICTY. 145 Im Weiteren auch ICTR. 146 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995. 147 ICTY, Case IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 70.

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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Damit macht die Appeals Chamber klar, dass im Wesentlichen zwei Kriterien für das Vorliegen eines bewaffneten Konfliktes gegeben sein müssen: einerseits eine gewisse Organisationsstruktur auf Seiten der Kämpfenden und andererseits eine Situation andauernder bewaffneter Gewalt. Die Differenzierung, ob ein internationaler oder ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt, nimmt das Tribunal erst auf zweiter Ebene vor.148 Die im Tadic-Urteil entwickelten Kriterien gewannen im Laufe weiterer Urteile an Schärfe und Inhalt. So hat sich das Tribunal in der Sache Limaj149 unter Berücksichtigung der in der Rechtssache Tadic entwickelten Kriterien mit dem Begriff des bewaffneten Konfliktes auseinandergesetzt. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen nimmt es eine Abwägung zwischen staatlichen Souveränitätsinteressen und dem allgemeinen Geltungsanspruch humanitärer Werte vor. Zur Abgrenzung seien die Voraussetzungen eines gewissen Organisationsgrades der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe und das Vorliegen einer Situation langandauernder Gewalt ausreichend.150 Das Tribunal sieht sich in dieser Analyse auch durch die Einführung des Artikels 8 Absatz 2 (f) des Römischen Statutes bestätigt, welches die TadicKriterien im Wesentlichen übernimmt:151 Absatz 2 Buchstabe e findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben, und somit nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen. Er findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die im Hoheitsgebiet eines Staates stattfinden, wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht.

148 ICTY, IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 70, ICTY, Case No. IT-96-21-T, Prosecutor v. Zeijnil Delalic, Zdravko Mucic, Hazim Delic, Esad Lanzo, „Celebici-Case“, Trial Chamber Judgement, 15. November 1998, Rn. 184. Die Anklage gegen Zejnil Delalic u. a. beruhte auf Ereignissen in der Gegend von Konjic in dem Gefangenenlager Celebici im Jahre 1992. Die Angeklagten wurden verurteilt gemäß. Art. 2, 3, 7 des Statuts des ICTY wegen schweren Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, Mordes, Folter und Vergewaltigung. 149 ICTY, Case No. IT-03-66-T, Prosecutor v. Fatmir Limaj, Haradin Bala, Isak Musliu, Trial Chamber Judgment, 20. November 2005, Rn. 83 ff. Fatmir Limaj, Haradin Bala und Isak Musilu waren als Mitglieder der Befreiungsarmee Kosovo (KLA) angeklagt Straftaten gegenüber serbischen Zivilisten und Kosovo-Albanern, die der Zusammenarbeit mit Serben beschuldigt waren, begangen zu haben. Ihnen wurde Verschleppung, Folter, Internierung, unmenschliche Behandlung sowie Mord vorgeworfen, das Verfahren endete gegenüber Bala mit einer teilweisen Verurteilung, ansonsten mit Freisprüchen. 150 ICTY, Case No. IT-03-66-T, Prosecutor v. Fatmir Limaj, Haradin Bala, Isak Musliu, Trial Chamber Judgment, 20. November 2005, Rn. 86. 151 ICTY, Case No. IT-03-66-T, Prosecutor v. Fatmir Limaj, Haradin Bala, Isak Musliu, Trial Chamber Judgment, 20. November 2005, Rn. 87.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Darüber hinaus nimmt das Tribunal Stellung zu der Frage, ob die Kriterien zu weich seien bzw. das Erfordernis eines gewissen Organisationsgrades nicht hinreichend bestimmt genug sei.152 Da aber lediglich eine Abgrenzung nach unten hin gegenüber beispielsweise lokalen Unruhen erfolge, sei eine weitere Eingrenzung nicht notwendig. Vielmehr müssten die Voraussetzungen auf tatsächlicher Ebene in einer Fall-zu-Fall Analyse genauer betrachtet werden.153 Insgesamt hat genau diese fallbezogene Analyse durch das Tribunal wesentlich dazu beigetragen, dass die offenen Merkmale einer gewissen Organisationsstruktur und einer langandauernden Gewaltsituation an Schärfe und Klarheit gewonnen haben. In der Rechtssache Celebici wurde die Intensität der Kampfhandlungen als Kriterium herangezogen sowie die Tatsache, dass sogar der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf die Situation reagierte.154 An anderer Stelle kommt das Tribunal nach Analyse der Fakten zu dem Schluss, dass nicht nur die Anzahl und Intensität der Kämpfe, sondern auch die Auswirkungen auf Zivilisten als Kriterium zu berücksichtigen seien.155 In der Sache Hadzihasanovic und Kubura156 rekurriert das Gericht darauf, dass der Konflikt von Zeugen als Krieg oder bewaffneter Konflikt bezeichnet worden war.157 Daneben habe es auf Seiten der beiden Konfliktparteien Anordnung für die Durchführung eines Waffenstillstandes gegeben, was voraussetze, dass es einen bewaffneten Konflikt gegeben habe.158 In der Rechtssache Martic159 nimmt das Gericht eine kurze Analyse ohne Nennung der genauen Voraussetzungen vor und kommt zu dem Schluss, 152 ICTY, Case No. IT-03-66-T, Prosecutor v. Fatmir Limaj, Haradin Bala, Isak Musliu, Trial Chamber Judgment, 20. November 2005, Rn. 88. 153 ICTY, Case No. IT-03-66-T, Prosecutor v. Fatmir Limaj, Haradin Bala, Isak Musliu, Trial Chamber Judgment, 20. November 2005, Rn. 89. 154 ICTY, Case No. IT-96-21-T, Prosecutor v. Zeijnil Delalic, Zdravko Mucic, Hazim Delic, Esad Lanzo, „Celebici-Case“, Trial Chamber Judgement, 15. November 1998, Rn. 188, 190. 155 Vgl. ICTY, Case No. IT-01-48-T, Prosecutor v. Sefer Halilovic, Trial Chamber Judgement, 16. November 2005, Rn. 161 ff.; beispielsweise wird in Rn. 164 von zivilen Todesfällen gesprochen und in Rn. 165 davon, dass Zivilisten aus Mostar vertrieben wurden. 156 ICTY, Case No. ITR-01-47-T, Prosecutor v. Enver Hadzihasanovic und Amir Kubura, Trial Chamber Judgment, 15. März 2006, Rn. 20 ff. Im Jahr 1993 bis zum März 1994 wurden zahlreiche Übergriffe in Zentralbosnien gegen vorwiegend bosnische Kroaten durch Truppen der Armee von Bosnien und Herzegovina verzeichnet. Den Truppen wird neben Mord, Verschleppung, Missbrauch, unmenschliche Behandlung und Plünderung vorgeworfen. Die Angeklagten sollen dies trotz Kenntnis und Möglichkeit im Rahmen ihrer Befehlsgewalt nicht verhindert haben. Beide wurden teilweise verurteilt. 157 ICTY, Case No. ITR-01-47-T, Prosecutor v. Enver Hadzihasanovic und Amir Kubura, Trial Chamber Judgment, 15. März 2006, Rn. 22. 158 ICTY, Case No. ITR-01-47-T, Prosecutor v. Enver Hadzihasanovic und Amir Kubura, Trial Chamber Judgment, 15. März 2006, Rn. 23. 159 ICTY, Case No. IT-95-11-T, Prosecutor v. Milan Martic, Trial Chamber Judgement 12. Juni 2007, Rn. 344 f.

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dass ein bewaffneter Konflikt vorliege aufgrund der Intensität der Kämpfe, des tatsächlichen Vorhandensein militärischer Ausbildung sowie des Bemühens, Friedensverträge zu schließen.160 Diese nur exemplarische Darstellung einzelner Rechtssachen zeigt bereits, dass sich durch die Rechtsprechung unter Anwendung der Tadic-Kriterien eine Kasuistik herausgebildet hat und im Sinne der Rechtssicherheit Indizien gefunden wurden, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt. Dabei wurden durch das Jugoslawientribunal im Hinblick auf das Vorliegen einer andauernden Gewaltsituation zur Bestimmung der Intensität folgende Kriterien herangezogen161: • Intensität, Anzahl und Dauer der gewaltsamen Übergriffe, • Intensivierung der Quantität und Qualität solcher Übergriffe, • Art und Verwendung der Waffen und anderer genutzter militärischer Gegenstände, • Mobilisierung und Verteilung von Waffen auf beiden Seiten, • Grad der Aufmerksamkeit, den der Konflikt auf internationaler Seite erfahren hat, insbesondere die Konsequenzen durch den Sicherheitsrat, • Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, • Anzahl der kämpfenden Personen, • Anzahl der getöteten Personen, • Art und Umfang der Zerstörung, • Anzahl von (Binnen-)Flüchtlingen. Zur Bestimmung des Grades an Organisationsstruktur wurden u. a. folgende Indikatoren herangezogen162:

160 ICTY, Case No. IT-95-11-T, Prosecutor v. Milan Martic, Trial Chamber Judgement 12. Juni 2007, Rn. 344, 345. 161 Vgl. dazu insbesondere die Auswertung der Rechtsprechung durch ICTY, Case No. IT-04-84-T, Prosecutor v. Ramush Haradinaj, Idriz Balaj, Lahi Brahimaj, Trial Chamber Judgement 3. April 2008, Rn. 37 ff.; dabei ging es um Straftaten begangen zwischen dem 1. März und 30. September 1998 in der Region Dukagjin im Kosovo. Die Angeklagten Haradinaj, Balaj und Brahimaj sollen als Inhaber der Befehlsgewalt Mord, Folter, Vergewaltigungen und unmenschliche Behandlung zugelassen und darüber hinaus täterschaftlich begangen haben. Brahimaj wurde verurteilt, die beiden anderen vom erstinstanzlichen Gericht freigesprochen. Dieser Freispruch wurde aufgehoben und an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen; sowie ICTY, Case No. IT-95-13/1-T, Prosecutor v. Mile Mrksic, Miroslav Radic, Verselin Sljivacanin, Trial Chamber Judgment, 27. September 2008, Rn. 407 ff.; Mile Mrksic, Miroslav Radic und Veselin Sljivancanin wurden beschuldigt, über 200 Kroaten aus dem Vukovar Krankenhaus misshandelt und später hingerichtet zu haben. Mrksic und Slijvancanin wurden zu Haftstrafen verurteilt, Radic freigesprochen. 162 ICTY, Case No. IT-04-84-T, Prosecutor v. Ramush Haradinaj, Idriz Balaj, Lahi Brahimaj, Trial Chamber Judgement 3. April 2008, Rn. 60, 64.

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• Vorliegen eines gemeinsamen Stützpunktes/Hauptquartiers sowie einer Befehlskette, • Möglichkeit der Vornahme von Disziplinarmaßnahmen, • Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet, • Fähigkeit, an Waffen und anderes notwendiges militärisches Material zu gelangen, • Fähigkeit, neue Mitglieder zu rekrutieren, • Möglichkeit, militärisches Training, aber auch militärische Operationen durchzuführen, • Geschlossenes Auftreten nach Außen wie z. B. in Fällen von Verhandlungen über Friedensabkommen. b) Klärung der Begrifflichkeit durch das ICTR Die vom ICTY entwickelten Kriterien wurden vom Ruandatribunal analysiert und für anwendbar befunden. Wegweisend ist dafür das Akayesu-Urteil.163 Auch das ICTR stellt fest, dass sowohl der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen als auch bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen das Zweite Zusatzprotokoll Anwendung finden, wenn und soweit ein bewaffneter Konflikt gegeben ist,164 welcher sich insbesondere aufgrund seiner Intensität von internen Störungen abgrenzt.165 Diese Herangehensweise wurde im Weiteren durch Urteile des ICTR bestätigt. So stellt das ICTR beispielsweise im Rutaganda-Urteil fest, dass eine Definition oder der Versuch einer Definition notwendigerweise abstrakt erfolgen muss, während die Klassifizierung im Rahmen einer Fall-zu-Fall Analyse zu geschehen hat.166 Einer solchen fallbezogenen Klassifizierung legt das ICTR vergleichbare Kriterien zugrunde, wie sie sich bei der Rechtsprechung des ICTY zur Einzelfallbewertung ergeben haben.167 6. Zwischenergebnis

Durch die Klarstellung der Kriterien durch die Rechtsprechung kann mittlerweile eindeutig bestimmt werden, wann die Schwelle eines nicht-internationalen 163 ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor Chamber, 2. September 1998, Rn. 601 ff. 164 ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor Chamber, 2. September 1998, Rn. 603. 165 ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor Chamber, 2. September 1998, Rn. 620. 166 ICTR, Case No. ICTR-96-3-T, Prosecutor Chamber, 6. Dezember 1999, Rn. 92. 167 ICTR, Case No. ICTR-96-3-T, Prosecutor Chamber, 6. Dezember 1999, Rn. 90 ff.

v. Jean-Paul Akayesu, Judgment Trial v. Jean-Paul Akayesu, Judgment Trial v. Jean-Paul Akayesu, Judgment Trial v. George Rutaganda, Judgment Trial v. George Rutaganda, Judgment Trial

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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bewaffneten Konflikts überschritten ist. Die vom ICTY und ICTR entwickelten Kriterien entstammen der Praxis und sind mithin auch für die Konfliktparteien nachvollziehbar und verständlich. Auch besteht eine grundsätzliche Akzeptanz der Tadic-Kriterien durch die Staaten, was durch die Schaffung des Artikels 8 Abs. 2 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes bestätigt wird.168 Danach findet das Statut Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben, dagegen nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen und Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder ähnliche Handlungen. Es findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen untereinander ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht. Dies stellt keine Einschränkung des Artikels 3 Genfer Konventionen dar, sondern erlaubt nur eine strafrechtliche Verfolgbarkeit auf sekundärrechtlicher Ebene.169 Gleichzeitig spiegelt die Aufnahme der Tadic-Kriterien einen Konsens der Staaten hinsichtlich einer Anwendungsschwelle wider. Von der hohen Akzeptanz des Römischen Statuts kann auf eine hohe Akzeptanz dieser Kriterien geschlossen werden. Insgesamt hat also die Frage nach der Anwendungsschwelle erst durch die Rechtsprechung an Schärfe gewonnen, eine rechtliche Klassifizierung ist anhand der gefundenen Kriterien und Indizien möglich. Dies führt zu einer erheblichen Steigerung der Rechtssicherheit, denn alle an einem Konflikt beteiligte Parteien können leichter beurteilen, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt. Die einzelnen Kriterien sind erkennbar und verständlich und können dadurch auch einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe leichter nah gebracht werden als offen formulierte Normen, die keine Definitionen enthalten. Die Kriterien entstammen der Konfliktwirklichkeit, sodass sie für die Konfliktparteien nachvollziehbar sind. Dies erleichtert die Vermittlung des Wissens über diese Kriterien durch NGOs. Bei Kenntnis dieser Kriterien können bewaffnete nicht-staatliche Gruppen leichter einschätzen, ob bereits die Schwelle zur Anwendung des humanitären Völkerrechts überschritten wurde. Zudem wird die Einschätzung und Bewertung einer Konfliktsituation durch das IKRK auf eine einheitliche Grundlage gestellt, sodass diese weniger Angriffen ausgesetzt ist. Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen können sich dann wiederum sicherer auf eine solche Bewertung durch das IKRK beziehen.

168 Schabas, Punishment of Non-State Actors in Non-International Armed Conflicts, 26 Fordham International Law Journal 2002–2003, 907, 927. 169 Bothe, Art. 8, in: Cassese, The Rome Statute for an International Criminal Court, A Commentary, 419.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

II. Kenntnis des relevanten Rechtsrahmens Soweit der Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts eröffnet ist, bestimmen die Regelungen über den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die Rechte und Pflichten der am Konflikt beteiligten bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen. Die Gruppen müssen Zielsetzung und Zweck des humanitären Völkerrechts kennen und verstehen, um dessen Inhalt internalisieren und befolgen zu können. Nicht ausreichend erscheint es, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nur pauschal um ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht wissen.170 Ein pauschaler Verweis auf das humanitäre Völkerrecht kann keine Einhaltung in der Konfliktwirklichkeit herbeiführen,171 vielmehr kann nur die Kenntnis einzelner Regeln dazu führen, dass diese eingehalten werden. Allerdings stellt das humanitäre Völkerrecht eine komplexe Materie dar mit zahlreichen einzelnen Verpflichtungen, die wiederum auf grundlegenden Prinzipien basieren. Bei der Vermittlung der rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen kommt es mithin auch darauf an, wem welche Regeln vermittelt werden sollen: Bei einzelnen Kämpfern kann beispielsweise schon die Kenntnis der einzelnen Prinzipien zu einer besseren Rechtsbefolgung führen. In jedem Fall sollten aber Führungspersönlichkeiten umfassend Kenntnis um die einzelnen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht haben. Daher werden im Folgenden die Regeln erläutert, die anhand der verschiedenen Rechtsquellen identifiziert werden können und das Verhalten der Konfliktparteien in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt bestimmen. 1. Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt geltendes Recht

Die Regelungen des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts ergeben sich aus Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht. a) Völkervertragsrecht Der nicht-internationale bewaffnete Konflikt ist durch den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen und durch das Zweite Zusatzprotokoll von 1977 geregelt. Daneben enthalten weitere Verträge des humanitären Völkerrechts Regelungen, die auch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen betreffen. 170 Vgl. Beispiele dazu bei Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 366. 171 Als ausreichend erachtend Greenwood, Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 41.

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aa) Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen regelt die Grundlagen des Rechts des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts. Aufgrund seiner umfassenden Regelungsstruktur wurde der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen auch als „convention en miniature“ bezeichnet.172 In dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen steht der Mensch als Schutzobjekt im Vordergrund. Die Bestimmung sieht ein Mindestmaß an Schutz für die nicht oder nicht mehr direkt an den Feindseligkeiten beteiligten Personen vor und verlangt deren humane Behandlung sowie die Pflege der Verwundeten und Kranken. Daneben enthält er vier absolut geltende Verbote.173 Verboten sind danach: a) Angriffe auf das Leben und die Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung; b) das Festnehmen von Geiseln; c) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung; d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völkern als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

Darüber hinaus enthält der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen die Ermächtigung, dass die am Konflikt beteiligten Parteien durch besondere Abkommen auch die Bestimmungen der Genfer Konventionen in Kraft setzen, welche nicht bereits durch den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen abgedeckt sind.174 Abschließend sieht die Regelung vor, dass die Anwendung der Bestimmung auf die Rechtsstellung der am Konflikt beteiligten Parteien keinen Einfluss hat. Dies resultiert wiederum aus der Angst der Staaten, dass interne Konflikte eine internationale Einmischung erfahren könnten.175 bb) Zweites Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen von 1949 Das Zweite Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte erweitert und ergänzt den Inhalt des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen, indem die in diesem enthaltenen Mindestgarantien durch differenziertere Verpflichtungen ergänzt werden. So werden einerseits die Regelungen 172

Pictet, Commentaire de la Convention de Genève (I), 51. Pictet, Commentaire de la Convention de Genève (I), 57, 59; Hess, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts, insbesondere in gemischten Konflikten, 99. 174 Zu den einzelnen Sonderabkommen, vgl. S. 135 ff. 175 Vgl. bereits S. 50 f. 173

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zum Schutz der Zivilisten vertieft, andererseits enthält das Protokoll Vorschriften zur Behandlung der Verwundeten und Kranken und von Gefangenen. Es beinhaltet die Grundsätze und die wichtigsten Anwendungsregeln des humanitären Völkerrechts und erweitert diese in Bezug auf größere nicht-internationale bewaffnete Konflikte.176 Als unbestrittene Kernsätze des humanitären Völkerrechts gelten dabei das Verbot, die Zivilbevölkerung als solche anzugreifen, sowie das Gebot der Unterscheidung.177 In Artikel 4 des Zweiten Zusatzprotokolls werden die grundlegenden Prinzipien der menschlichen Behandlung dargelegt und Garantien aufgestellt, die allen Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, das Überleben unter angemessenen Bedingungen erlauben sollen.178 Artikel 4 Absatz 2 Zweites Zusatzprotokoll verbietet Angriffe auf das Leben, die Gesundheit und das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, Kollektivstrafen, Geiselnahme, terroristische Handlungen, die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, Sklaverei und Sklavenhandel in all ihren Formen, Plünderung sowie die Androhung einer dieser Handlungen immer und unter allen Umständen gegenüber den geschützten Personen. In den folgenden Artikeln wird dieser Schutzstandard weiter ausdifferenziert. Artikel 5 des Zweiten Zusatzprotokolls enthält Regelungen zum Schutz von Personen, denen die Freiheit entzogen worden ist. Unter anderem wird dort bestimmt, dass diese Personen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, ihnen Unterkunft gewährt werden muss und sie ihre Religion ausüben dürfen. Männer und Frauen sollen grundsätzlich getrennt untergebracht werden, der Zugang zu medizinischer Versorgung muss gewährleistet werden. Die Personen, denen die Freiheit entzogen wurde, dürfen nicht zu medizinischen Tests herangezogen und nicht den besonderen Gefahren des bewaffneten Konfliktes (in der Kampfzone) ausgesetzt werden. Artikel 6 des Zweiten Zusatzprotokolls normiert Mindestanforderungen an eine Strafverfolgung und enthält die wesentlichen justiziellen Grundgarantien eines fairen Verfahrens. Der dritte Teil des Zweiten Zusatzprotokolls behandelt die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen. Die Artikel 7 bis Artikel 12 Zweites Zusatzprotokoll unterstreichen das grundlegende Bedürfnis aller Verwundeten und Kranken unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt zu werden, und verdeutlichen wesentliche Aspekte dieses Schutzes. Nach einem Gefecht soll alles getan werden, dass Verwundete und Kranke unterschiedslos geborgen werden können, was sich auch häufig in lokalen Traditionen und Werten widerspiegelt. Im Weiteren sehen 176

Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949,

189. 177 Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten, in: Hasse/ Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 78, 107. 178 Gasser, Humanitäres Völkerrecht, 135.

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die Artikel 8, 9 und 10 Zweites Zusatzprotokoll vor, dass das Sanitätspersonal und dessen Geräte und Transportmittel geschützt werden müssen und ihr Einsatz möglich bleiben muss. Artikel 12 Zweites Zusatzprotokoll sieht vor, dass Schutzzeichen179 nicht missbraucht werden dürfen. Dies ist besonders bedeutend für humanitäre Gruppen und NGOs, die medizinische Hilfe leisten. Nur wenn und soweit die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe von diesen Verpflichtungen Kenntnis hat und sie auch achtet, kann eine sichere Zusammenarbeit stattfinden. Im engen Zusammenhang damit steht Art. 18 des Zweiten Zusatzprotokolls. Danach können die im Hoheitsgebiet einer der Hohen Vertragsparteien gelegenen Hilfsgesellschaften, wie die Organisationen des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) ihre Dienste anbieten, um ihre Aufgaben gegenüber den Opfern des bewaffneten Konflikts zu erfüllen. Daneben wird auch die Durchführung von Hilfsaktionen zugunsten der Zivilbevölkerung verlangt, falls diese unter Mangel an Lebensmitteln und medizinischer Versorgung leidet; dies steht allerdings unter Vorbehalt der Zustimmung des betroffenen Staates.180 Die Kenntnis dieser Regelungen erleichtert die Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Organisation des Roten Kreuzes und einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe. Die Artikel 13 ff. Zweites Zusatzprotokoll beinhalten Regelungen über den Schutz der Zivilbevölkerung: Bestimmte Arten der Kriegsführung sind verboten, nämlich solche, die unterschiedslos eine große Anzahl von Zivilisten gefährden und ihnen schaden können, wie das Aushungern der Bevölkerung (Art. 14 ZP II) oder Angriffe auf gefährliche Anlagen (Art. 15 ZP II). Zivilpersonen genießen Schutz (Art. 13 Abs. 1 ZP II) und dürfen nicht angegriffen oder bedroht werden (Art. 13 Abs. 2 ZP II), sofern und solange sie nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen (Art. 13 Abs. 3 ZP II). In Artikel 14 und Artikel 15 übernimmt das Zweite Zusatzprotokoll die Vorschriften des Ersten Zusatzprotokolls über den Schutz der für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekte und den Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten. Artikel 16 Zweites Zusatzprotokoll enthält die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts über den Schutz von Kulturgut und Kultstätten.181 Artikel 17 Zweites Zusatzprotokoll verbietet die Zwangsverlegung von Teilen der Bevölkerung. Die Verpflichtungen des Zweiten Zusatzprotokolls zeigen deutlich, wie die grundlegenden Prinzipien weiter konkretisiert werden können. Die Regelungen des Zweiten Zusatzprotokolls sind insgesamt verständlich und nachvollziehbar

179 Rotes Kreuz auf weißem Grund, roter Halbmond auf weißem Grund und in Verbindung mit dem dritten Zusatzprotokoll der rote Kristall auf weißem Grund. 180 Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten, in: Hasse/ Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 78, 107. 181 Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten, in: Hasse/ Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 78, 107.

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formuliert und ermöglichen ein grundlegendes Verständnis von Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht. Dies kann gerade gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen genutzt werden, um die einzelnen Verpflichtungen nicht nur abstrakt, sondern auch anhand konkreter und verständlicher Normen und Beispiele näher zu bringen. cc) Sonstiges Völkervertragsrecht Mittlerweile enthält auch weiteres Völkervertragsrecht Regelungen, die nichtinternationale bewaffnete Konflikte betreffen.182 Gerade bei diesem sonstigen Völkervertragsrecht kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich dies auch in lokalen Traditionen widerspiegelt, da es sich regelmäßig um sehr spezifische und technische Regelungen handelt. Umso relevanter ist eine Verbreitung der grundlegenden Schutzziele. Zunächst findet die Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten Anwendung. Ihr Artikel 19 sieht vor, dass in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten mindestens den Bestimmungen Beachtung geschenkt werden soll, welche die Respektierung von Kulturgut183 betreffen.184 Die Konfliktparteien sollen es unterlassen, ein Kulturgut und seine unmittelbare Umgebung sowie die zu seinem Schutz bestimmten Einrichtungen zu Zwecken zu nutzen, die das Gut der Vernichtung oder Beschädigung aussetzen könnten. Ebenso ist es untersagt, gegen das Gut gerichtete schädliche Handlungen vorzunehmen. Diebstahl, Plünderung oder andere widerrechtliche Inbesitznahme von Kulturgut sowie jede sinnlose Zerstörung solchen Gutes soll

182

Vgl. dazu u. a. Byron, Armed Conflicts, 6 Journal of Conflict & Security Law 2001, 63, 64 ff.; Greenwood, Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 41; Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 11, 26 f. 183 Gemäß Art. 1 der Konvention ist Kulturgut dabei, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmale religiöser oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gebäudegruppen, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, Archivalien oder Reproduktionen des oben bezeichneten Kulturguts; b) Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a) bezeichneten beweglichen Gutes dienen, wie z. B. Museen, größere Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a) bezeichnete bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a) und b) aufweisen und als „Denkmalsorte“ bezeichnet sind. 184 Der genaue Umfang dieses geltenden Minimalstandards ist hingegen nicht eindeutig geklärt, vgl. auch Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 26, Fn. 65.

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verboten und verhindert werden. Sonderabkommen185 zwischen den Konfliktparteien sollen darüber hinausgehenden Bestimmungen Geltung verschaffen. Eine weitere Regelung über nicht-internationale bewaffnete Konflikte enthält Artikel 22 des Zweiten Protokolls vom 26. März 1999 zur Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.186 Das Zweite Protokoll ergänzt das Kulturgutschutzabkommen von 1954 und erweitert den Anwendungsbereich für den Fall des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts wesentlich. Als Verstöße gegen die Konvention gelten danach auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt Angriffe gegen Kulturgut unter Sonderschutz, die Nutzung von Kulturgut unter Sonderschutz für militärische Zwecke, die Zerstörung oder Aneignung von geschütztem Kulturgut, Angriffe gegen geschütztes Kulturgut sowie der Diebstahl und die Plünderung von Kulturgut. Für diese Verstöße gilt auch eine individuelle strafrechtliche Verantwortung. Neben den Regelungen über den Schutz von Kulturgütern wurde der Einbezug des nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes auch in internationalen Abkommen über den Gebrauch bestimmter Waffen geregelt. Das Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßiges Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenabkommen) erstreckt sich durch seinen im Jahre 2001 geänderten Artikel 1 auch auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte. Danach finden das Übereinkommen sowie die dazugehörigen Protokolle auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten Anwendung187 und beschränken die Parteien in der Wahl ihrer Mittel. Nach dem ersten Protokoll (vom 10. Oktober 1980) ist der Einsatz von Waffen verboten, deren Hauptwirkung darin besteht, durch Splitter zu verletzen, die im menschlichen Körper durch Röntgenstrahlen nicht entdeckt werden können. Das Protokoll II (vom 10. Oktober 1980 in der Fassung vom 03. Mai 1996) verbietet bzw. beschränkt den Einsatz von Minen, Sprengfallen und ähnlichen Vorrichtungen. Solche dürfen unter keinen Umständen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Ebenfalls ist ihr unterschiedsloser Einsatz verboten. Daneben beinhaltet das Protokoll II Regelungen über die Beseitigung bereits verbreiteter Minen und Sprengfallen oder deren Verbreitung. Protokoll III (vom 10. Oktober 1980) regelt den Einsatz von Brandwaffen.188 Es ist unter allen Umständen verboten, solche gegen Zivilpersonen oder zivile 185

Vgl. dazu auch S. 135 ff. Dieses trat am 9. März 2004 in Kraft, jedoch nicht für die Bundesrepublik Deutschland. 187 Wiederum wird auch in diesem Rahmen eine gewisse Intensität des bewaffneten Konfliktes vorausgesetzt, sodass innere Spannungen und Unruhen von vornherein aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind. 188 Nach Art. 1 des Protokolls bedeutet „Brandwaffe“ Waffen oder Kampfmittel, die in erster Linie dazu bestimmt sind, durch die Wirkung von Flammen, Hitze oder einer Kombination derselben, hervorgerufen durch eine chemische Reaktion eines auf das 186

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Objekte zu richten, gleiches gilt für militärische Ziele, welche sich in direkter Nähe zu einer großen Anzahl von Zivilisten befinden. Grundsätzlich sollen auch keine Wälder oder andere Arten von Bodenbedeckungen in Brand gesetzt werden. Das vierte Protokoll (vom 13. Oktober 1995) verbietet den Einsatz blindmachender Laserwaffen und durch das fünfte Protokoll (vom 28. November 2003) haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, explosive Kampfmittelrückstände zu kennzeichnen und zu beseitigen. b) Völkergewohnheitsrecht Viele der gegenwärtigen Konflikte fallen nicht unter das Zweite Zusatzprotokoll, sei es, weil der betreffende Staat nicht Vertragspartei ist, sei es, weil der Konflikt nicht die relativ hohe Anwendungsschwelle des Protokolls erreicht.189 In diesen Fällen unterliegt der Konflikt dem Standard des gemeinsamen Artikels 3 der Genfer Konventionen sowie des Völkergewohnheitsrechts. Im Völkergewohnheitsrecht zeichnet sich eine partielle und graduelle Ausweitung der Normen für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt ab, dennoch sind dessen Regelungsdichte und Regelungstiefe immer noch vergleichsweise begrenzt. Viele Staaten fürchten, dass die Ausweitung des humanitären Völkerrechts auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte ihren souveränen Handlungsspielraum bei der Bekämpfung innerer Gewaltausbrüche begrenzen könnte.190 Die Rechtsprechung einiger Gerichte, insbesondere des ICTY und ICTR, hat aber in den letzten Jahrzehnten nicht nur bei der Festlegung von Kriterien hinsichtlich der Anwendungsschwelle mehr Klarheit geschaffen, sondern auch erheblich zur Festigung und Entwicklung des Rechts nicht-internationaler bewaffneter Konflikte beigetragen.191 Daneben hat das IKRK umfassend die relevanten gewohnheitsrechtlichen Regelungen des humanitären Völkerrechts identifiziert und in einer Studie zum Gewohnheitsrecht zusammengetragen. Gemäß Art. 38 IGH-Statut ist das Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer als Recht anerkannten Übung eine Rechtsquelle im Völkerrecht: VölkergewohnZiel verbrachten Stoffes, Objekte in Brand zu setzen oder Personen Brandwunden zuzufügen. a) Brandwaffen können beispielsweise die Form von Flammenwerfern, Fugassen, Geschossen, Raketen, Granaten, Minen, Bomben und sonstigen Behältern von Brandstoffen haben. b) Zu den Brandwaffen gehören nicht i) Kampfmittel, die als Nebenwirkung Brandwirkungen haben können, wie Leuchtkörper, Leuchtspursätze, Rauchoder Signalisierungssysteme; ii) Kampfmittel, die dazu bestimmt sind, Durchschlag-, Spreng- oder Splitterwirkungen mit einer zusätzlichen Brandwirkung zu verbinden, wie panzerbrechende Geschosse, Splittergeschosse, Sprengbomben und ähnliche Kampfmittel mit kombinierter Wirkung, bei denen die Brandwirkung nicht eigens dazu bestimmt ist, Personen Brandverletzungen zuzufügen, sondern gegen militärische Ziele wie Panzerfahrzeuge, Luftfahrzeuge und Einrichtungen oder Anlagen verwendet zu werden. 189 Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke/Hobe, Weltinnenrecht, 67, 73. 190 Schaller, Humanitäres Völkerrecht und nichtstaatliche Gewaltakteure, SWP Studie, 11. 191 Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke/Hobe, Weltinnenrecht, 67, 73.

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heitsrecht wird also von zwei Elementen gekennzeichnet, der Staatenpraxis (usus) und der Überzeugung, dass diese Praxis von Rechts wegen eine Erlaubnis oder ein Verbot darstellt.192 Im humanitären Völkerrecht bildet die Praxis der Staaten die Grundlage des Völkergewohnheitsrechts, das Verhalten von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen findet (noch) keinen Eingang.193 Dabei gilt, dass jedwedes Verhalten, also aktives Tun aber auch Schweigen des Staates, zur Bildung der Staatenpraxis herangezogen werden kann.194 Entscheidend ist wohl, dass das Verhalten dem Staat zuzurechnen und klar und eindeutig ist. Damit solche Handlungsformen zu Gewohnheitsrecht werden, müssen sie jedoch allgemeingültig sein. Diese Universalität oder Allgemeingültigkeit ist oftmals schwierig festzustellen. Nicht eindeutig ist, wie viele Staaten der Staatengemeinschaft einer bestimmten Übung folgen müssen, damit diese als allgemeingültig angesehen werden kann. Das ICTY hat hervorgehoben, wie schwierig es gerade im humanitären Völkerrecht ist, die Entstehung von Gewohnheitsrecht im Hinblick auf die Staatenpraxis nachzuvollziehen, da es unmöglich sei, das Verhalten der Truppen im Feld zu beobachten.195 Trotz dieser Probleme der Identifizierung war die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten wesentlich daran beteiligt, das bestehende humanitäre Völkergewohnheitsrecht herauszuarbeiten und anzuwenden. aa) Rechtsprechung Die Staaten waren zunächst noch sehr zurückhaltend mit der Annahme, dass der nicht-internationale bewaffnete Konflikt gewohnheitsrechtlichen Regelungen unterliegt.196 Dennoch sind die bereits dargestellten materiell-rechtlichen Verpflichtungen des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen umfassend Bestandteil des Gewohnheitsrechts. Bereits in seinem Nicaragua-Urteil im Jahr 1986 hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass die in dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen niedergelegten Grundsätze als Ausdruck von grundlegenden Erwägungen der Menschlichkeit einen gewohnheitsrechtlichen Mindeststandard darstellen, wenn nicht sogar Bestandteil des ius cogens sind.197 Dies wurde auch von den Tribunalen bestätigt.198 192 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, xxxii; Moir, The Law of Internal Armed Conflict, 138; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, 346. 193 Vgl. dazu S. 109 f. 194 Bernhardt, Customary International Law, in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Volume I, 900. 195 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 100. 196 Moir, The Law of Internal Armed Conflict, 133. 197 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Rep. 1986, 14 ff., 114; Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 78, 105.

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In der Tadic-Sache hat das ICTY weiterhin einen Anteil von grundlegenden Prinzipien identifiziert, welche viel weiter reichen, als die in dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen niedergelegten Gebote. Zusammenfassend stellte das Tribunal fest: „[T]hese rules [. . .] cover such areas as protection of civilians from hostilities, in particular from indiscriminate attacks, protection of civilian objects, in particular cultural property, protection of all those who do not (or no longer take active part in hostilities, as well as prohibition of means of warfare proscribed in international armed conflicts and ban of certain methods of conducting hostilities.“ 199

Grundlage für die Feststellungen des Tribunals waren unter anderem verschiedene Resolutionen der UN-Generalversammlung.200 Danach müssen in bewaffneten Konflikten gleich welcher Art grundlegende Prinzipien wie das Prinzip der Unterscheidung geachtet werden. Zivilisten sollen möglichst umfassend geschützt werden und nicht Gegenstand militärischer Operationen sein. Dasselbe gilt für Gegenstände im ausschließlichen Nutzen von Zivilisten, deren Unterkünfte und Plätze, die deren Schutz dienen. Gegen Zivilisten sollen keine Vergeltungsschläge verübt werden und sie sollen in ihrer körperlichen Integrität geschützt werden. Diese Zusammenschau durch die Generalversammlung stellt nach Ansicht des ICTY eine rein deklaratorische Darstellung geltender Prinzipien des Gewohnheitsrechts dar.201 Nach Ansicht des ICTY ist damit das Schutzniveau des Völkergewohnheitsrechts viel höher als das des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen. Vielmehr werden danach auch große Teile des Zweiten Zusatzprotokolls als lediglich deklaratorische Festsetzung wesentlicher gewohnheitsrechtlicher Grundsätze an-

198 ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor v. Jean-Paul Akayesu, Trial Judgement vom 2. September 1998, Rn. 608; ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 98 ff.; ICTY, Case No. IT-96-21-T, Prosecutor v. Zeijnil Delalic, Zdravko Mucic, Hazim Delic, Esad Lanzo, „Celebici-Case“, Trial Chamber Judgement, 15. November 1998, Rn. 301 ff. 199 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 127; vgl. dazu auch Byron, Armed Conflicts, 6 Journal of Conflict & Security Law 2001, 63, 64 ff. 200 Besonders hervorgehoben hat das Gericht die Resolution 2444 (1968) über „Respect for Human Rights in Armed Conflicts“, welche besagt, dass grundlegende humanitäre Prinzipien in allen bewaffneten Konflikten gelten und durch alle Verantwortliche beachtet werden müssen. Darauf aufbauend verweist das Tribunal weiterhin auf die Resolutionen 2675(1970), vgl. ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 111 f. 201 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 112.

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gesehen.202 Das ICTY zieht neben den Erklärungen der Generalversammlung Erklärungen Europäischer Staaten als Beleg heran.203 Dem kann jedoch entgegen gehalten werden, dass gerade diese in der Regel keine Konfliktparteien im Rahmen nicht-internationaler bewaffneter Konflikte sind und ihre Rechtsauffassungen somit nicht alleine ausschlaggebend für die Bildung von Gewohnheitsrecht sein können. Außerdem lässt die Gleichsetzung des Zweiten Zusatzprotokolls mit dem Gewohnheitsrecht vollständig außer Acht, dass die Anwendungsschwelle des Zweiten Zusatzprotokolls von der des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen abweicht. Die Rechtsprechung des ICTY führt letztlich über den Weg des Völkergewohnheitsrechts zu einer schleichenden Angleichung des nicht-internationalen mit dem internationalen bewaffneten Konflikt, da nach dieser Auffassung eine Vielzahl der Regelungen, die nach dem Vertragsrecht ausschließlich für den internationalen bewaffneten Konflikt gelten auch auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt Anwendung finden sollen. Teile der Literatur begrüßen dieses weite Verständnis des humanitären Völkergewohnheitsrechts. Dabei wird betont, dass weitestgehend die „materiellen“ Regelungen der Genfer Abkommen sowie ein Großteil der Regeln der Zusatzprotokolle dem Völkergewohnheitsrecht unterfielen,204 also auch die Regelungen, die den internationalen bewaffneten Konflikt regeln. Teilweise wird davon ausgegangen, dass auch die relevanten Regelungen des humanitären Völkerrechts über Kriegsmittel und Kriegsmethoden im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt als Gewohnheitsrecht Geltung beanspruchen können.205 Die Annäherung des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts an das Recht des internationalen be202 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 117, und auch das ICTR geht etwas zurückhaltender davon aus, dass wesentliche Teile mittlerweile dem Gewohnheitsrecht zuzuordnen sind, vgl. ICTR, Case No. ICTR96-4-T, Prosecutor v. Jean-Paul Akayesu, Trial Chamber Judgement vom 2. September 1998, Rn. 609. Die Gleichsetzung ZP II mit Gewohnheitsrecht lässt sich auch wiederfinden im Third Report on the Human Rights Situation in Colombia, Inter-Am. C.H.R., OEA/Ser.L/V/II.102, Doc. 9 rev. 1 (1999), Chapter IV, Rn. 20. Im Gegensatz dazu geht Bothe in seinem Kommentar zum 2. Zusatzprotokoll im Jahre 1982 noch davon aus, dass das Recht des nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gar nicht Gegenstand gewohnheitsrechtlicher Regelung sei, vgl. Bothe, New Rules for Victims of Armed Conflicts, 620. 203 ICTY, Case No. IT-94-1-T, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, 2. Oktober 1995, Rn. 120 ff. 204 Mohr, Durchsetzungsmechanismen des humanitären Völkerrechts, in: Haase/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 158, 161. Allerdings muss in Frage gestellt werden, ob die bloße Existenz von Völkergewohnheitsrecht dessen Durchsetzung erhöht. 205 Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten, in: Hasse/ Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 78, 107, 108.

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waffneten Konflikts wurde ebenfalls durch das 1998 angenommene Statut des Internationalen Strafgerichtshofes bestätigt. Dieses enthält in seinem Artikel 8 Absatz 2 lit c) bis lit f) und Absatz 3 eine Liste von Kriegsverbrechen, die im nicht-internationalen Konflikt begangen werden können.206 Eine Aufnahme strafrechtlicher Sekundärnormen für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt setzt aber voraus, dass die entsprechenden Normen des humanitären Völkerrechts als Gewohnheitsrecht anerkannt sind.207 bb) Gewohnheitsrecht nach der IKRK-Studie zum Gewohnheitsrecht Einen Hinweis auf den materiell-rechtlichen Gehalt des humanitären Völkergewohnheitsrechts gibt auch die Studie des IKRK zum Gewohnheitsrecht. Diese Studie aus dem Jahre 2005, welche nach zehnjähriger Forschung und Beratung veröffentlicht wurde, ist eine umfassende Darstellung solcher Regelungen, die nach Ansicht des IKRK den Kanon des humanitären Gewohnheitsrechts bilden. Zur Ermittlung des Gewohnheitsrechts bewertete das IKRK die Staatenpraxis im Hinblick auf die Rechtswerdung.208 Die dabei berücksichtigte Staatenpraxis bestand auf der einen Seite aus tatsächlich vorgenommenen Handlungen wie Kampfhandlungen oder die Behandlung bestimmter Personenkategorien, auf der anderen Seite aus rein verbalen Akten. Als relevante verbale Akte wurden u. a. die Aussagen in Militärhandbüchern, Kommentare zu Vertragsentwürfen, Stellungnahmen in verschiedenen Foren oder Plädoyers vor internationalen Tribunalen gewertet.209 Außer Acht gelassen, weil nicht unter die Staatenpraxis fallend, wurden die Handlungsweisen und die Praxis bewaffneter Gruppen, die sich durch Selbstverpflichtungserklärungen oder Codes of Conduct äußern können.210 Außerdem hat das IKRK die opinio iuris ausgewertet, es allerdings als schwierig angesehen, zwischen Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis systematisch zu trennen.211 Die IKRK-Studie geht davon aus, dass ein Großteil der Regelungen der Genfer Abkommen, einschließlich des gemeinsamen Artikels 3 der Genfer Konventionen, Teil des Völkergewohnheitsrechts sind. Aufgabe der Studie war es daher, darüber hinaus gehendes Gewohnheitsrecht festzustellen. Das IKRK hat insge206

Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke/Hobe, Weltinnenrecht, 67, 74. IKRK, Commentary on the Additional Protocol, Rn. 4360 ff.; Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke/Hobe, Weltinnenrecht, 67, 74; Bericht über Entwicklungen und Tendenzen des Kriegsrechts seit den Nachkriegskodifikationen, ZaöRV 35 (1975), 574, 585 ff. 208 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, xxxii. 209 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, xxxii ff. 210 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, xxxvi; Bellal/Bongard/Heffes, From Words to Deeds, Geneva Academy Research Brief, 2. 211 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, xxxix ff. 207

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samt 160 Regeln für den internationalen bewaffneten Konflikt identifiziert, wobei ein Großteil auch für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gilt. Getragen werden die Regelungen des Völkergewohnheitsrechts von den grundlegenden Prinzipien, dem Unterscheidungsgebot und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Diese finden sich in verschiedenen konkreten Ausformungen in allen weiteren Regeln wieder. Dabei lassen sich die Regelungen nach dem Schutzgut unterscheiden: Zunächst wird der Schutz von Zivilpersonen in differenzierter Weise dargestellt, dann die besonders geschützten Personen wie Sanitäts- und Seelsorgepersonal, Journalisten oder Verwundete und Kranke. Besonderen Schutz genießen auch Objekte und Orte wie Kulturgüter, die natürliche Umwelt und Orte und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte entfalten können. Daneben werden Mittel und Methoden der Kriegsführung in verschiedenen Regeln eingegrenzt. So werden das Aushungern der Bevölkerung, die Verweigerung des Pardons und die vollständige Zerstörung des Eigentums der Zivilbevölkerung verboten, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird hinsichtlich der Anwendung von Kriegslist betont. Der Grundsatz wird auch bei der Verwendung von Waffen in den Vordergrund gerückt, wobei bestimmte besonders schädliche Waffen geächtet werden. Weiterhin enthält die IKRK-Studie Regeln über die während oder nach den Kampfeshandlungen stattfindende Behandlung von Zivilpersonen und außer Gefecht gesetzten Personen, von Verwundeten und Kranken, von Toten und Vermissten, von Personen, denen die Freiheit entzogen wurde und von Vertriebenen. Zum Abschluss hat das IKRK Regelungen zur Umsetzung des Rechts identifiziert.212 2. Verbreitung des Rechts zur Förderung der Rechtsbefolgung

Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen müssen die dargestellten Verpflichtungen kennen, um diese auch befolgen zu können. Einerseits kann den Gruppen grundsätzlich die Kenntnis der teilweise sehr umfassenden und speziellen Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts bereits deswegen fehlen, weil sie nicht an der Normentstehung beteiligt waren. Andererseits sind, wie schon die Frage nach der Anwendungsschwelle des Vorliegens eines bewaffneten Konflikts zeigt, Rechtsfragen offen für Auslegung,213 die unter Umständen von den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht so vorgenommen wird oder werden kann, wie dies die internationale Gemeinschaft tut. Die Kenntnis von klaren und verständlichen Kriterien kann dabei helfen, dass auch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten haben und insgesamt das Recht besser befolgt wird. 212 Zu einer Auflistung von Völkergewohnheitsrecht vgl. International Commission of Inquiry on Darfur, Report to the United Nations Secretary-General, Geneva, 25. Januar 2005, Rn. 165 ff. 213 Ratner, Law Promotion Beyond Law Talk: The Red Cross, Persuasion, and the Law of War, 22 EJIL 2011, 459, 474, 475.

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Die Kenntnis bei den bewaffneten Gruppen kann durch Verbreitung des Rechts erhöht werden. Nach rechtlichen Vorgaben obliegt die Verpflichtung zur Verbreitung zunächst den Staaten in Friedens- und Konfliktzeiten. Tatsächlich wird sie jedoch vermehrt von dem IKRK und Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. a) Verbreitung ist primäre Verpflichtung der Staaten Die Verbreitung des Rechts obliegt zunächst den Staaten. Artikel 1 der Genfer Konventionen verpflichtet die Staaten, alles zu tun, um die Einhaltung der Genfer Konventionen durchzusetzen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind die Staaten auch verpflichtet, das Recht zu verbreiten. Art 48 der Zweiten Genfer Konvention von 1949 lautet wie folgt: Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in Friedens- und Kriegszeiten den Wortlaut des vorliegenden Abkommens in ihren Ländern im weitestmöglichen Ausmaß zu verbreiten und insbesondere sein Studium in die militärischen und, wenn möglich, zivilen Ausbildungsprogramme aufzunehmen, so daß die Gesamtheit der Bevölkerung, insbesondere die bewaffneten Streitkräfte, das Sanitätspersonal und die Feldgeistlichen, seine Grundsätze kennen lernen kann.

Auch Art. 19 des Zweiten Zusatzprotokolls enthält die Regelung, dass das Protokoll soweit wie möglich verbreitet werden soll. Ebenso sieht das Völkergewohnheitsrecht vor, dass die Staaten alles tun müssen, um die Verbreitung des humanitären Völkerrechts zu fördern.214 Diese Verpflichtung obliegt den Staaten in Friedens- wie in Konfliktzeiten gegenüber ihren eigenen Streitkräften, aber auch gegenüber der Zivilbevölkerung.215 Die Kenntnis bei der Zivilbevölkerung ist wichtig: Diese muss von ihren Rechten unter dem humanitären Völkerrecht wissen, um die ihr zustehenden Rechte überhaupt gelten machen zu können. Entscheidend ist aber, dass durch die Verbreitung gegenüber der Zivilbevölkerung ein höheres Niveau an Kenntnis innerhalb einer Gesellschaft insgesamt erreicht werden kann. Gerade in asymmetrischen Konflikten ist der Übergang zwischen Zivilisten und Kämpfern oftmals fließend,216 sodass in solchen Fällen eine Verbesserung der Kenntnis auf Seiten der Zivilbevölkerung direkt auch zu einer Verbesserung der Kenntnis auf Seiten der Kämpfer führt. Zudem werden auch die Streitkräfte stets von der Zivilbevölkerung beeinflusst.

214 Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, Regel 143. Eine Bestätigung erfolgte auch durch die Resolution 1 der 33. IKRK-Konferenz im Dezember 2019. 215 Breslin, Ensuring Resepct, 43 Israel Law Review 2010, 381, 387. 216 Dörmann, Dissemination and Monitoring Compliance of International Humanitarian Law, in: Heintschel von Heinegg/Epping, International Humanitarian Law Facing New Challenges, 227, 231.

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b) Verbreitung des Rechts durch das IKRK und Nichtregierungsorganisationen Wenn die Staaten ihre Verpflichtung zur Verbreitung des Rechts tatsächlich vollumfänglich auch in Friedenszeiten erfüllen würden, könnte und dürfte man von einer ausreichenden Kenntnis sowohl innerhalb der Streitkräfte, als auch innerhalb der Zivilbevölkerung und der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe ausgehen. Das Gegenteil ist jedoch regelmäßig der Fall. Gerade bei bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und der Zivilbevölkerung kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie – anders als die Streitkräfte – schon zu Friedenszeiten Kenntnis von ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht erlangen.217 Während eines Konfliktes aber fehlt einem Staat gegenüber der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe und gegenüber der Zivilbevölkerung in dem betroffenen Gebiet aufgrund der begrenzten Staatlichkeit die tatsächliche Durchsetzungsgewalt und Fähigkeit, das Recht zu verbreiten. Nicht zuletzt aufgrund dieser staatlichen Defizite haben es sich Nichtregierungsorganisationen und insbesondere das IKRK zur Aufgabe gemacht, den Inhalt des Rechts zu verbreiten. Das Mandat des IKRK dazu ergibt sich unter anderem aus Art. 5 der Statuten des Internationalen Roten Kreuz und Roten Halbmondes und Art. 4 der Statuten des IKRK.218 aa) Art und Umfang der zu verbreitenden Verpflichtungen Es kann, je nach Gruppe oder auch je nach Ebene innerhalb einer Gruppe sinnvoll sein, einzelne Rechtspflichten zu vermitteln oder zunächst die zugrundeliegenden Prinzipien.219 Den bewaffneten Gruppen sollten dabei in jedem Fall humanitäre Mindeststandards, wie sie sich aus dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen ergeben, vermittelt werden. Doch auch darüber hinaus gehende Verpflichtungen wie die Regelungen des Zweiten Zusatzprotokolls oder Völkergewohnheitsrechts können relevant sein, insbesondere zur Verdeutlichung und Konkretisierung der grundlegenden Prinzipien. Auch dadurch kann das all217 Dörmann, Dissemination and Monitoring Compliance of International Humanitarian Law, in: Heintschel von Heinegg/Epping, International Humanitarian Law Facing New Challenges, 227, 234. 218 Dörmann, Dissemination and Monitoring Compliance of International Humanitarian Law, in: Heintschel von Heinegg/Epping, International Humanitarian Law Facing New Challenges, 227, 228, vgl. dazu auch Quintin/Tougas, Generating Respect for the Law by Non-State Armed Groups, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 353 ff. 219 In der Literatur wurde bereits mehrfach angemerkt, dass Untersuchungen zu der Frage, wie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen das Recht verstehen und umsetzen, fehlen, vgl. dazu Sassoli, International Humanitarian Law. Rules, Controversies and Solutions to Problems Arising in Warfare; Bellal/Bongard/Heffes, From Deeds to Words, Geneva Academy Research Brief, 2.

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gemeine Verständnis des Systems des humanitären Völkerrechts und seiner Schutzverpflichtungen erhöht werden. Darüber hinaus bestehendes Völkervertragsrecht muss – zumindest gegenüber den Entscheidungsträgern – ebenfalls vermittelt werden um überhaupt Kenntnis zu schaffen und damit eine potentielle Rechtsbefolgung zu ermöglichen. (1) Konkretisierung und Vereinfachung des anwendbaren Rechts Die Verbreitung kann und muss dabei jeweils an die Konfliktwirklichkeit und die jeweilige Gruppe angepasst erfolgen. Wie festgestellt, ist der Kanon der Verpflichtungen auch innerhalb eines nicht-staatlichen bewaffneten Konflikts groß. Es ist dabei einzelfallabhängig, in welchem Umfang dieser umfassende Kanon den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nähergebracht werden sollte. In Anbetracht der erschreckend hohen Opferzahlen auf Seiten von Zivilisten bei zahlreichen nicht-internationalen bewaffneten Konflikten sollte jedoch die Vermittlung von humanitären Mindeststandards, wie sie sich in den ius cogens Normen widerspiegeln, aber Priorität bei der Verbreitung des Rechts sein. Ausgehend von diesen Mindeststandards und Grundprinzipien sollten die einzelnen Verpflichtungen verständlich konkretisiert werden. Gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen können und sollten bei der Verbreitung Beispiele gewählt werden, um das Verständnis der oft abstrakt gefassten Rechtsnormen zu erleichtern. Teilweise wird auch dafür plädiert, das Recht selbst soweit zu vereinfachen, dass es jederzeit in einen eigenen Verhaltenskodex der Gruppe übernommen werden könnte, um alle erreichen zu können, die potentiell in einem Konflikt eine Waffe tragen.220 Das Recht sollte so vermittelt werden, dass es auch befolgt werden kann und der Einzelne befähig wird, Entscheidungen in der Konfliktwirklichkeit zu treffen.221 Eine Möglichkeit ist, durch simulierte Szenarien in Schulungen Entscheidungen realistisch nachzuempfinden und somit die Rechtsanwendung und Rechtsbefolgung zu vereinfachen.222 Die Darstellung der Regelungen im Einzelnen und anhand von Beispielen kann helfen, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die Grundlagen des humanitären Völkerrechts besser verstehen. Offene Rechtsbegriffe sollten konkretisiert und damit leichter nachvollziehbar vermittelt werden. Bei der Verbreitung des Rechts muss sich dem Niveau und dem vorherrschenden Kenntnisstand der betroffenen Gruppe angepasst werden.223 220

La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 333. Brassil, Increasing Compliance with International Humanitarian Law through Dissemination, 39 UWA Law Review 2015, 83, 102. 222 Brassil, Increasing Compliance with International Humanitarian Law through Dissemination, 39 UWA Law Review 2015, 83, 102. 223 Mack, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 13. 221

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Dies gilt vor allem für die einzelnen Nuancen und Fälle, in denen umstritten ist, was unter offenen Rechtsbegriffen zu verstehen ist. Beispielhaft dafür ist die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten, die sich im Recht des nichtinternationalen bewaffneten Konfliktes nicht findet. Diese Unterscheidung ist für die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe aber besonders wichtig und notwendig zu verstehen, da sich gerade viele asymmetrische Konflikte durch die hohe Schädigung der Zivilbevölkerung und ein Vermischen von Zivilbevölkerung und Mitgliedern der bewaffneten Gruppen, welche direkt an Feindseligkeiten teilnehmen, auszeichnen. Um überhaupt den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, muss die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe positiv wissen, welche Personen in den Schutzbereich des Rechts fallen.224 Dazu sollten den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen auch handhabbare Kriterien vermittelt werden, wann ein Zivilist als Zivilist angesehen werden kann. Als Maßstab dafür könnten von der Rechtsprechung oder vom IKRK entwickelte Kriterien dienen.225 (2) Orientierung an den Zielen und Motiven der Konfliktparteien Das IKRK geht davon aus, dass das Recht und die daraus entstehenden Verpflichtungen den Parteien strategisch näher gebracht werden müssen.226 Diskussion über das Recht müssen den jeweiligen Situationen angepasst überzeugend sein, um auch für die betroffenen Gruppen verständlich und umsetzbar zu sein.227 Dabei sollen die Motive und Interessen der Konfliktparteien berücksichtigt werden. Es könnten beispielsweise militärische Effizienz und Disziplin, gegenseitige Erwartungen, Ansehen, Verweis auf lokale Traditionen, langfristige Ziele der Gruppen sowie die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung thematisiert werden.228 Gerade bei der Vermittlung von Gewohnheitsrecht oder denjenigen Normen, die ius cogens darstellen, handelt es sich um grundlegende Werte der Mensch224 Vgl. dazu bspw. Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke/Hobe u. a., Weltinnenrecht, 67, 73; Hobe, Der asymmetrische Krieg als Herausforderung der internationalen Ordnung, in: Heintze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderungen an das humanitäre Völkerrecht, 69, 77; Melzer, Third Expert Meeting on the Notion of Direct Participation in Hostilities, 2005, 59; Devivere, Unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten, in: Kritische Justiz (2008), 24, 36. 225 Vgl. Inter-Am. C.H:R., Juan Carlos Abella v. Argentina, Case 11.137, Report No 55/97, OEA/Ser.L/V/II.95 Doc 7 rev., 176, 189; Israeli Supreme Court, Entscheidung HCJ 769/02 vom 13. Dezember 2007, Public Committee Against Torture v. Israel, International Legal Materials 46 (2007), 375; IKRK, Direct Participation in Hostilities, 20. 226 IKRK, International humanitarian law and the challenges of contemporary armed conflicts, 89 IRRC 2007, 719, 745. 227 Mack, Increasing Respect For International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 13. 228 IKRK, International humanitarian law and the challenges of contemporary armed conflicts, 89 IRRC 2007, 719, 746.

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heit, die sich regelmäßig auch in Traditionen, Wertvorstellungen und Kulturen der verschiedenen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wiederfinden. Insoweit kann ein Bezug darauf mögliche Abwehrprozesse verringern und auf bereits vorhandenen Moralvorstellungen und Wissen aufbauen. Für die NGOs und das IKRK ist es insoweit unabdingbar, sich mit den individuellen Zielen der jeweiligen Gruppe auseinanderzusetzen. Es kann insoweit ob der Diversität der Gruppen und Ziele keine allgemeingültige Herangehensweise geben.229 bb) Art und Weise der Verbreitung (1) Schulungen der Gruppen und Unterstützung bei der internen Weiterbildung Teil der Verbreitung des Rechts ist auch die Unterstützung der Verpflichteten bei der Umsetzung des Rechts und internen Verbreitung. Daher bietet das IKRK Fortbildungsmaßnahmen für alle Einheiten von Streitkräften an, um den Inhalt des humanitären Völkerrechts dem Einzelnen näher zu bringen.230 Tatsächlich arbeitet in der Rechtsabteilung des IKRK eine Unterabteilung dazu, wie das Recht verbreitet und durch die Rechtsordnungen der einzelnen Staaten oder innerhalb der Streitkräfte mehr Beachtung erfahren kann.231 Als ein Beispiel solch erfolgreicher Verbreitung kann die Zusammenarbeit mit der Regierung im Sudan gesehen werden. Das IKRK brachte diese dazu, für die Truppen einen Verhaltenskodex aufzustellen. Dieser hält die Mitglieder der Streitkräfte unter anderem dazu an, die Genfer Konventionen zu beachten. Besonders ist dabei, dass dieser Verhaltenskodex die Verbindung von Koran und humanitären Völkerrecht leistet, mithin Koranverse, welche die Würde des Menschen berühren, enthält. Daneben hat das IKRK auch wesentlich dazu beigetragen, dass die Kommission für die Durchsetzung des Humanitären Völkerrechts unter Art. 43 der Sudanesischen Verfassung etabliert wurde.232 Damit wurde das humanitäre Völkerrecht als erster Schritt der Rechtsbefolgung ausreichend umgesetzt. Gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen sind jedoch die Herausforderungen ganz andere. So ist es sehr abhängig von der Struktur der einzelnen Gruppe, ob interne Verhaltensregeln dazu beitragen können, dass das Recht besser beachtet wird. Unter Berücksichtigung der Diversität der agierenden Grup229 Dies führt wiederum dazu, dass auch bereits im Rahmen der Verbreitung das Eigeninteresse der Gruppen bedient werden muss. Vgl. dazu Ratner, Law Promotion Beyond Law Talk, 22 EJIL 2011, 459 ff. 230 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 209. 231 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 32. 232 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 207, 208.

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pen, aber auch der Konflikte, an denen sie beteiligt sind, kann es keine einheitliche Herangehensweise an die Verbreitung der Rechtskenntnis in Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen geben.233 Um die Rechtsdurchsetzung effektiv zu gestalten, muss die Gruppenstruktur und Befehlshierarchie analysiert werden, zudem kulturelle Zusammenhänge und Besonderheiten berücksichtigt werden:234 Bei staatsähnlichen Strukturen kann auf bewährte Praktiken hinsichtlich der Übernahme in die Handbücher der Streitkräfte zurückgegriffen werden. Andere bewaffnete nicht-staatliche Gruppen haben jedoch keine eigenen institutionalisierten Ausbildungsmaßnahmen.235 Doch auch bei solchen Gruppen ist eine Verbreitung des Rechts möglich: Denn auch wenn nicht alle bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ein formales internes Ausbildungssystem haben, verfügen alle über gewisse militärische Schulungen, in denen den Kämpfern die Grundlagen über den Umgang mit Waffen beigebracht wird.236 Schulungen über Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht können in solche Ausbildungsprogramme integriert werden, da dann diese Verpflichtungen als ein wesentlicher Teil der internen Verpflichtungen angesehen werden und mithin deren Befolgung als Frage der Disziplin verstanden wird.237 Es bedarf besonderer Ressourcen, um auch innerhalb einer bewaffneten nichtstaatlichen Gruppe alle Ebenen zu erreichen. Häufig agieren gerade die bewaffneten Gruppen in schwer zugänglichen Gegenden, die durch Gruppenmitglieder leichter erreichbar sind. Schulungen auch niederer Ränge könnten zwar durch die Nichtregierungsorganisationen erfolgen, allerdings ist eine Schulung durch auswärtige Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen selten so effektiv wie die Verbreitung durch Mitglieder in der Gruppe selbst.238 Wichtiger Bestandteil der Verbreitung des Rechts ist daher auch, dass wiederum Personen ausgebildet werden, die ihrerseits andere über die Regelungen des humanitären Völkerrechts aus233 Mack, Increasing Respect For International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 13. 234 Mohr, Durchsetzungsmechanismen des humanitären Völkerrechts, in: Haase/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 158, 165; Sassoli geht davon aus, dass es diesbezüglich nützlich sei, sich in die Rolle der Rebellenführer hineinzuversetzen und deren Interessen sich zunutze zu machen, vgl. Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 34. 235 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 28 f. 236 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups 193, 203. 237 Brassil, Increasing Compliance with International Humanitarian Law through Dissemination, 39 UWA Law Review 2015, 83, 99. 238 Vgl. Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups 193, 195 m.w. N.; Bangerter, Persuading Armed Groups to Better Respect IHL, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 112, 117.

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bilden können.239 Es müssen also innerhalb einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Kapazitäten gebildet werden, die wiederum eine Umsetzung der rechtlichen Verpflichtungen ermöglichen sowie die Weitergabe des Wissens garantieren. (2) Vermittlung der Kenntnis gegenüber der Zivilbevölkerung Das humanitäre Völkerrecht muss aber während eines bewaffneten Konfliktes auch gegenüber der Zivilbevölkerung verbreitet werden240: Rechtstreue kann sich auch aufgrund einer Willensbildung innerhalb einer Gesellschaft ergeben.241 Durch die Verbreitung von Recht wird in der Gesellschaft ein Diskurs gefördert, der vorher nicht stattgefunden hat und der zu einer allgemeinen positiven Grundhaltung der Regeleinhaltung führen kann.242 Zudem führt die Verbreitung des humanitären Völkerrechts in der Gesellschaft auch dazu, dass unter Umständen die Schutzstandards sich erhöhen, da diese von der Zivilbevölkerung vermehrt eingefordert werden.243 Eine erhöhte Kenntnis bei der Zivilbevölkerung kann schlussendlich den Wissensstand innerhalb einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe erhöhen, da diese wiederum Mitglieder aus der Zivilbevölkerung rekrutieren. Maßnahmen zur Verbreitung des humanitären Völkerrechts gegenüber der Zivilbevölkerung müssen einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen. Schulungen können nicht die gewünschte Anzahl an Menschen erreichen, zumal es in der Regel während eines Konfliktes an institutionellen Rahmenbedingungen dafür fehlt. Dem versuchen einige NGOs durch innovative Verbreitungsmöglichkeiten zu begegnen. Besonders hervorzuheben ist dabei die Initiative „Fighter not killer“ der NGO Geneva Call, mit der diese in Syrien humanitäres Völkerrecht verbreitet. Zunächst haben sie über Videos und eine hohe Präsenz in den sozialen Medien versucht, einem breiten Publikum Kenntnis über das humanitäre Völkerrecht zu verschaffen. Im Jahr 2016 haben sie sogar ihre eigene Applikation für mobile Endgeräte entwickelt, die das humanitäre Völkerrecht in Form eines Quiz

239

La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 333. Zur Notwendigkeit, auch die Zivilbevölkerung mit einzubinden, vgl. IKRK, The Roots of Restraint in War, 66. 241 Bangerter, Persuading Armed Groups to Better Respect IHL, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 112, 114; Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 237. 242 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 237; Fleck, International Humanitarian Law After September 11, 6 Yearbook of International Humanitarian Law 2003, 41, 67. 243 Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 193. 240

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

81

zu vermitteln sucht. Diese enthält neben verschiedenen konkreten Rechtsfragen in englischer, französischer oder arabischer Sprache vereinfachte Zeichnungen von standardisierten Situationen in einem bewaffneten Konflikt und dazu gehörigen Verhaltensanweisungen. Neben Büchern, Broschüren und unter Umständen Flugblättern, die während eines bewaffneten Konfliktes auch an die Zivilbevölkerung verteilt werden können, besteht durch eine solche Anwendung die Möglichkeit, durch einfache Maßnahmen eine Vielzahl von Menschen zu erreichen und damit insgesamt den Kenntnisstand innerhalb der Zivilbevölkerung zu erhöhen. 3. Verbreitung des Rechts alleine nicht ausreichend zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

Bei den Verhandlungen zum Zweiten Zusatzprotokoll von 1977 bestand noch Einigkeit zwischen den Staaten, dass die Verbreitung des Rechts zu einer besseren Rechtsbefolgung führen würde.244 Dies wird jedoch vermehrt in Frage gestellt: So kam eine Studie des IKRK zu Verbreitungsaktivitäten gegenüber paramilitärischen Gruppen in Kolumbien zu dem Schluss, dass zwar das Wissen über das Recht gestiegen sei, dies jedoch nicht zu einer verbesserten Einhaltung geführt habe.245 Ein ähnliches Bild ergibt sich nach einer groß angelegten Verbreitungskampagne durch die Nichtregierungsorganisation „Action contre la faim“ im Osten des Kongos. Zwar habe sich danach die Kenntnis der Führungspersonen im Bereich des humanitären Völkerrechts verbessert, dies habe allerdings nicht zu einer Verhaltensänderung geführt.246 In die gleiche Richtung geht auch die Frage von Kommandeuren der SPLM/A, ob alleine die Verbreitung des Wissens etwas an den Verhältnissen vor Ort ändere und was die Vorteile der Anwendung seien.247 Verbreitung und Ausbildung über das Recht alleine führt also ohne den Willen zur Umsetzung nicht zu einer Änderung im Verhalten der ausgebildeten Personen.248 Wenn die Führungsriege einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe das Recht nicht befolgen will, wird es auch innerhalb der Gruppe trotz Kenntnis regelmäßig zu keiner Rechtsbefolgung kommen.249

244

Wynn-Pope, Introduction: the Road to Compliance, 39 UWA Law Review 2015,

1, 2. 245

Glaser, Negotiated Access, Carr Center for Human Rights Policy 2002–2003, 37. Glaser, Negotiated Access, Carr Center for Human Rights Policy 2002–2003, 38. 247 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 17. 248 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups 193, 204; Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 196. 249 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups 193, 195, vgl. dazu auch IKRK, The Roots of Restraint in War, 25. 246

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Letztlich kann die Verbreitung des Rechts also lediglich eine erste Voraussetzung sein, dass eine Rechtsbefolgung erfolgen kann, es erfolgt eine Verbesserung der Kenntnis, aber daraus nicht zwingend folgend bessere Rechtsbefolgung.250 Damit kommt auch den Nichtregierungsorganisationen neben der Verbreitung des Rechts die Aufgabe zu, Einfluss auf die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe und deren Rechtsbefolgungswillen zu nehmen.

B. Anforderungen an die Struktur der Gruppe Das humanitäre Völkerrecht muss sowohl durch die Führungsriege als auch durch die einzelnen Kämpfer einer Gruppe angewendet werden. Teilweise führen die einzelnen Kämpfer ausschließlich Befehle aus. Ein möglicher Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht kann sich ergeben, wenn dem Einzelnen ein bestimmtes Verhalten befohlen wurde, beispielsweise als Teil der militärischen Taktik. Der Einzelne kann aber auch aus sich heraus gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, entweder weil eine Anweisung fehlt251 oder weil er sich bestehenden Anweisungen widersetzt. Teilweise treten bewaffnete nicht-staatliche Gruppen aber auch wenig hierarchisch strukturiert auf, sodass eine klare Befehlskette nicht besteht. Letztlich kann aber die Struktur der Gruppe die Rechtsbefolgung und die Fähigkeit dazu beeinflussen. I. Rechtliche Anforderungen an die Struktur einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Lang andauernde Konflikte und intensive Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien führen dazu, dass der Staat in einem bestimmten Territorium als Raum begrenzter Staatlichkeit sein Gewaltmonopol nicht ausüben kann. Wie festgestellt, muss dann die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe in Abwesenheit des Staates dieses Machtvakuum ausfüllen und – je nach Art, Struktur und Zielen der Gruppe – Regeln durchsetzen.252 Dies voraussetzend, enthalten die Genfer Konventionen implizit genauere Anforderungen an die Struktur, die eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe haben muss. Der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen fordert, dass eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe als Konfliktpartei unabdingbare justizielle Recht gewährt, nämlich ein ordnungsgemäßes Gericht bestellt, welches die von den zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet. Damit setzt der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen bereits voraus, dass eine Gruppe

250

Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 201. Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 194. 252 Branovic/Chojnacki, New Modes of Security, in: Risse, Governance Without a State, 89, 91. 251

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

83

die Struktur253 und damit die Fähigkeit hat, nicht nur kämpferisch tätig zu werden, sondern auch Institutionen wie ein eigenes Gericht zu betreiben und intern Recht durchsetzen zu können. Das Zweite Zusatzprotokoll enthält auch im Hinblick auf die Struktur der beteiligten Gruppe eine höhere Anwendungsschwelle. Danach muss die beteiligte Gruppe effektive Kontrolle über ein Territorium innehaben, wobei es auf die Größe des Territoriums nicht ankommt,254 und sie muss eine gewisse Kommandostruktur unter einer verantwortlichen Führung haben. Welchen Organisationsgrad eine bewaffnete Gruppe tatsächlich aufweisen muss, stellt weder das Protokoll noch der gemeinsame Art. 3 Genfer Konventionen klar. Dies wurde jedoch durch die Rechtsprechung konkretisiert. Das ICTY hat die Frage nach der Organisationsstruktur der Gruppe bereits als Teil der Frage nach der Anwendungsschwelle eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts gesehen und zur Bestimmung der notwendigen Organisationsstruktur u. a. folgende Indikatoren herangezogen:255 • Vorliegen eines gemeinsamen Stützpunktes/Hauptquartiers sowie einer Befehlskette, • Möglichkeit von Disziplinarmaßnahmen, • Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet, • Fähigkeit, an Waffen und anderes notwendiges militärisches Material zu gelangen, • Fähigkeit, neue Mitglieder zu rekrutieren, • Möglichkeit, militärisches Training, aber auch militärische Operationen durchzuführen, • Geschlossenes Auftreten nach außen wie z. B. in Fällen von Verhandlungen über Friedensabkommen. II. Tatsächliche Anforderungen an die Struktur der Gruppe Die Genfer Konventionen sehen also vor, dass die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe einer gewissen Organisationsstruktur bedarf, um überhaupt als eine Gruppe im Sinne des humanitären Völkerrechts angesehen zu werden. Daneben können aber auch bestimmte strukturelle Kriterien die Rechtsbefolgung und eine interne Um- und Durchsetzung wahrscheinlicher machen. 253 Vgl. zur notwendigen Organisationsstruktur auch Rodenhäuser, Organizing Rebellion, 15 ff., 113 f. 254 Entgegen anderweitiger Ansichten bei den Verhandlungen zum Zweiten Zusatzprotokoll, vgl. Bothe/Partsch/Solf, New Rules for Victims of Armed Conflicts, 627 m.w. N. 255 ICTY, Case No. IT-04-84-T, Prosecutor v. Ramush Haradinaj, Idriz Balaj, Lahi Brahimaj, Trial Chamber, 3. April 2008, Rn. 60, 64; vgl. dazu S. 56 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Relevant ist die Struktur der Gruppe insbesondere in Bezug auf zwei Punkte, die die Möglichkeit der Rechtsbefolgung erhöhen256: Einerseits erleichtert eine stabile und klare Struktur den Nichtregierungsorganisationen, das Recht gegenüber der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zu verbreiten und mit dieser zu verhandeln.257 Andererseits erleichtert eine klare Organisationsstruktur der Gruppe die eigene interne Rechtsum- und durchsetzung und ermöglicht somit, dass die einzelnen Kämpfer dazu angehalten werden können, das humanitäre Völkerrecht zu befolgen.258 1. Struktur relevant für Verhandlungen mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen

Eine klare Organisationsstruktur erhöht zunächst die Möglichkeit von Nichtregierungsorganisationen, das Recht der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zu vermitteln und mit dieser zu verhandeln. Wenn eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe auseinanderbricht, müssen die jeweiligen humanitären Akteure mit den verschiedenen Splittergruppen verhandeln und ihre Ziele ihnen gegenüber verfolgen. Wenn es aber eine zentrale Führungsperson gibt, reduziert dies die mögliche Unsicherheit auf Seiten der humanitären Organisationen, wem gegenüber sie bei einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe auftreten und mit wem sie verhandeln können.259 Dies zeigt auch das Beispiel der SPLM/A, die über ihren humanitären Arm in regelmäßigem Austausch mit den Nichtregierungsorganisationen stand. Schwieriger wurden die Zusammenarbeit und der Kontakt mit der SPLM/A, als diese aufgrund interner Spannungen vorübergehend auseinanderbrach, da die humanitären Organisationen nunmehr mit verschiedenen Gruppen kommunizieren mussten. Außerdem führten die internen Kämpfe sogar dazu, dass der humanitäre Zugang verhindert wurde.260 Die gute Struktur und ein hoher Grad an Zentralisierung in der SPLM/A mit einem Führer mit klaren politischen Überzeugungen erleichterten die Zusammenarbeit der Gruppe mit humanitären Organisationen wesentlich.261 256 Das IKRK geht davon aus, dass die jeweilige Interaktion an die Organisationsstruktur der Gruppe anzupassen ist, vgl. dazu insgesamt IKRK, The Roots of Restraint in War. 257 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 243. 258 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 243; Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 203. 259 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 251; Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189, 202. 260 Vgl. IKRK, Rapport d’activité 1994, 90; IKRK, Rapport d’activité 1995, 90; IKRK, Rapport d’activité 1996, 95, 99. 261 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 250.

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass Gruppenidentität, ein Zugehörigkeitsgefühl und gemeinsame Gruppenziele die Zusammenarbeit bzw. Verhandlungen mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zumindest erleichtern, da sich insoweit auch die einzelnen Gruppenmitglieder denselben Zielen verpflichtet fühlen.262 2. Struktur relevant für die interne Rechtsdurchsetzung

Eine gute Organisationsstruktur innerhalb der Gruppe ist zudem tatsächliche Voraussetzung dafür, dass die Gruppe das Recht intern bekannt machen263 und auch intern durchsetzen kann.264 Nur wenn eine Befehlskette existiert, können die Inhaber der Befehlsgewalt die relevanten Anweisungen geben und auch einheitliche Befolgung erwarten und verlangen.265 Gleichzeitig ist die Struktur notwendig, damit die Führungsebene wiederum über Verstöße informiert wird.266 Eine klare Organisationsstruktur innerhalb der Gruppe erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsbefolgung auf allen Ebenen. Dies zeigt wiederum das Beispiel der SPLM/A im Vergleich zu der in Darfur operierenden SLA/M, die wenig organisiert und als lockerer Verbund einzelner Kämpfer erscheint, die ihre Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht regelmäßig nicht einhalten.267 Wenn eine Kommandostruktur aber gut funktioniert, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass auch einzelne Mitglieder die gleichen Ziele wie die Führung verfolgen und somit dass das Recht auf allen Ebenen verbreitet und auch befolgt werden kann.268 Eine ausreichend hierarchische Struktur muss gegeben sein, um potentiell abweichende Gruppenmitglieder zur Rechtsbefolgung anzuhalten und intern die Rechtsdurchsetzung zu sichern. Da die positiven und auch politischen Anreize auf ausführender Ebene geringer werden,269 wird häufig intern die fehlende

262

Mc Hugh/Bessler, Humanitarian Negotiations with Armed Groups, 15. La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 329. 264 Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 357; Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFBGovernance Working Paper Series No. 62, 8. 265 Krieger, Inducing Compliance in Areas of Limited Statehood, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 504, 509. 266 La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 329; Schneckener/Hofmann, Verhaltensänderung durch Normdiffusion?, Die Friedens-Warte 2010, 29, 50. 267 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 249; Reno, Violent Non-State Actors in Sudan, in: Mulay, Violent Non-State Actors in World Politics, 319, 320. 268 Mc Hugh/Bessler, Humanitarian Negotiations with Armed Groups, 16. 269 Greenwood führt eine mangelnde Disziplin der Kämpfer als häufigste Ursache von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht an, vgl. Greenwood, Ensuring Compliance with the Law of Armed Conflict, in: Butler, Control Over Compliance with International Law, 195, 196. 263

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Rechtsbefolgung sanktioniert.270 Dies ist aber nur in hierarchisch strukturierten Gruppen mit funktionierender Befehlskette möglich. So betonen ehemalige Kommandeure von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die Bedeutung von Sanktionen und Strafen, um Entscheidungen der Führungsriege intern durchzusetzen. Der Brigadegeneral Malual Ayom Dor der SPLA hat beispielsweise gegenüber dem IKRK geäußert, das die Anordnung und das Inaussichtstellen von Strafen zur Rechtsdurchsetzung, gerade zum Schutz der Zivilbevölkerung notwendig seien.271 Die Bedeutung des Kommandeurs und dessen Stärke ist damit oft entscheidend für die Disziplin und die Rechtsbefolgung in einer Gruppe.272 Dies wiederum setzt auch das humanitäre Völkerrecht selber voraus. Für Streitkräfte im internationalen bewaffneten Konflikt sieht Art. 87 des Ersten Zusatzprotokolls vor, dass ein Kommandant, der erfahren hat, dass Untergebene oder andere ihm unterstellte Personen eine Verletzung der Abkommen begehen werden oder begangen haben, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Verletzungen anordnet. Gegebenenfalls muss er ein Disziplinar- oder Strafverfahren gegen die Täter einleiten. Gleiches gilt auch für bewaffnete nichtstaatliche Gruppen. Denn wie schon das Statut des ICTY (Art. 7 Abs. 3)273 und das Statut des ICTR (Art. 6 Abs. 3)274 sieht auch das IStGH-Statut eine Verantwortlichkeit eines militärischen Befehlshabers oder einer tatsächlich als militärischer Befehlshaber handelnden Person für Taten seiner Untergebenen vor, vgl. Art. 29 IStGH-Statut. Unabhängig von den Anforderungen, die an eine solche Verantwortlichkeit gestellt werden, zeigt bereits deren bloße Existenz, dass das Recht selber davon ausgeht, dass eine klare Kommandostruktur zur internen Rechtsdurchsetzung existieren muss. Die SPLM/A unter der Führung von John Garang hatte die notwendige Organisationskultur und ausreichend territorialen Einfluss inne, um als bewaffnete nicht-staatliche Gruppe im Sinne des humanitären Völkerrechts und auch des Zweiten Zusatzprotokolls zu gelten. Aufgrund der streng hierarchischen Struktur

270 Inwieweit das rechtlich möglich und gewünscht, beispielsweise durch eigenen Rebellengerichte, soll hier nicht umfassend erörtert werden, vgl. dazu aber schon Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 34; Sivakumaran, Courts of Armed Opposition Groups, 7 Journal of International Criminal Justice 2009, 489–500. 271 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups 193, 207. 272 Corn/Hansen u. a., The Law of Armed Conflict: An Operational Approach, 527. 273 Anwendung bspw. in: ICTY, Case No. IT-96-21-T, Prosecutor v. Zeijnil Delalic, Zdravko Mucic, Hazim Delic, Esad Lanzo, „Celebici-Case“, Appeal Chamber, Urteil vom 20. Februar 2001, Rn. 186 ff. 274 Anwendung bspw. in: ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor v. Jean-Paul Akayesu, Judgment Trial Chamber, 2. September 1998, Rn. 486 ff.

Kap. 2: Fähigkeit bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen zur Rechtsbefolgung

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wurde sie als einheitliche Stimme und Verhandlungspartner wahrgenommen.275 Spätestens seit 1994 schaffte die SPLM/A staatsgleiche Institutionen auf verschiedenen politischen Ebenen. Auf dem nationalen Konvent wurden neue Gesetze erlassen und ebenfalls eigene Organe geschaffen: National Convention, National Liberation Council, National Executive Council und die Judikative. Diese Gesetzgebung im Jahre 1994 und die Schaffung ziviler Behörden und Autoritäten waren wesentliche Schritte bei der Entwicklung der SPLM/A von Freiheitskämpfern zu einer auch zivilen Bewegung.276 Denn nach der nationalen Versammlung kam es auch innerhalb der SPLA zu einem strukturellen Wandel, was zu einer Umbenennung in Sudan Poeple’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) führte.277 Bereits seit 1984 hatten sie ihre eigenen disziplinarischen Gesetze, den 1983 erlassenen Strafvorschriften folgte 1984 das Straf- und Disziplinarmaßnahmen-Gesetz.278 Daneben erkannte die SPLA die Bräuche und Gewohnheiten der Bevölkerung als Gesetz an, wie sich aus Art. 2 des Strafgesetzbuches ergibt: The provisions of this law shall not prejudice the application of existing customary laws and practices in each operational area upon the local citizens.279

Schon früh schuf die SPLM/A eigene Gerichte, in denen teilweise auch Angriffe des militärischen Personals abgeurteilt wurden. Dies richtete sich zunächst nach Gewohnheitsrecht. Das Gesetz von 1984 sah drei militärgerichtliche Instanzen vor, ein Militärgericht, das Distrikt Militärgericht und den allgemeinen Militärgerichtshof.280 Daneben bestand weiterhin eine allgemeine Gerichtsbarkeit. Teil der Gesetzgebung des nationalen Konvents war auch der SPLA Act 1994. Gemeinsam mit dem SPLM Straf- und Disziplinarmaßnahmen-Gesetz von 1984 regelte er lange Zeit die interne Durchsetzung und hierarchische Struktur der Bewegung. Er wurde schließlich durch den SPLA Act 2003 abgelöst. Art. 27 des SPLA-Act stellt den Ungehorsam im Allgemeinen unter Strafe stellt. Darunter konnten auch Verstöße gegen Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht fallen, soweit sie den Anordnungen innerhalb der Kommandostruktur zuwiderliefen. Insgesamt zeigen die klare Organisations- und Kommandostruktur der SPLM/A, dass es für die Frage der Rechtsbefolgung erstrebenswert ist, dass eine Gruppe stark hierarchisch ist, und nach außen und innen einheitlich strukturiert und orga275 Reno, Violent Non-State Actors in Sudan, in: Mulay, Violent Non-State Actors in World Politics, 319, 321. 276 Rolandsen, From Guerilla Movement to Political Party, CSCW/PRIO Papers 2007, 5. 277 Herr, Vom Regelbruch zur politischen Verantwortung, HSFK-Report Nr. 5/2010, 11. 278 1984 Penal and Disciplinary Laws SPLA. 279 1984 Penal and Disciplinary Laws SPLA; vgl. dazu auch Kuol, Holding Armed Groups Accountable, 6. 280 Kuol, Holding Armed Groups Accountable, 23, Rn. 115.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

nisiert auftritt, da sich innerhalb einer stark strukturierten Gruppe die Vorgaben der Führungsriege leichter nach innen durchsetzen lassen. In diesen Fällen ist auch für externe Akteure eine Auseinandersetzung und Interaktion mit diesen Gruppen zur Erreichung humanitärer Ziele erfolgsversprechend.281 Das Ziel von Staaten, bewaffnete nicht-staatlichen Gruppen durch Fragmentierung zu schwächen, scheint vor diesem Hintergrund zumindest nicht geeignet, die Rechtsbefolgung durch die Gruppen zu erhöhen.

281 Vgl. dazu auch Reno, Violent Non-State Actors in Sudan, in: Mulay, Violent Non-State Actors in World Politics, 319, 320 f.

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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Kapitel 3

Der Wille zur Rechtsbefolgung Akteure, die grundsätzlich in der Lage sind Recht zu befolgen, müssen auch gewillt sein, dieses zu tun. Gerade im Bereich des humanitären Völkerrechts gibt es zahlreiche Fälle, in denen das Recht willentlich und wissentlich gebrochen wird. Dies ist teilweise der Fall, weil bereits die Motive für das Tätigwerden einer bewaffneten Gruppe insgesamt gegen grundlegende humanitäre Prinzipien verstoßen. Wenn bei terroristischen Vereinigungen wie dem Islamischen Staat der Kampf gegen die Zivilisation das erklärte Ziel ist, stehen auch die angewandten Mittel als solche im Widerspruch zu den Grundlagen unserer Zivilisation. Ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht ist dann Mittel zum Zweck. Auch bei sogenannten „ethnischen Säuberungen“ sind gerade die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht das Mittel der Wahl. In solchen Fällen, in denen bereits die Motive für das Tätigwerden der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe gegen die humanitären Prinzipien verstoßen, kann in der Regel kein politischer Wille zur Rechtsbefolgung vorausgesetzt oder geschaffen werden.282 In anderen Fällen scheint es jedoch möglich, auch auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen einzuwirken, um ihren Willen zur Rechtsbefolgung positiv zu stärken. Die Motive zur Rechtsbefolgung können bei den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ebenso vielfältig sein wie die Motive eines Staates zur Befolgung des Völkerrechts. Sie können ebenso von Gruppe zu Gruppe variieren. Der Frage nach den individuellen Zielen einer Gruppe geht abstrakt die Frage voraus, warum Akteure überhaupt Recht befolgen. Diese Fragestellung ist auch noch gegenwärtig Gegenstand der Forschung in verschiedenen Disziplinen. Da im Völkerrecht die klassischen Rechtsverpflichteten die Staaten sind, sind die wesentlichen Untersuchungen und Analysen zur Rechtsbefolgung auch zu Staaten durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind durchaus auf bewaffnete nichtstaatliche Gruppen übertragbar und können darüber Aufschluss geben, warum Akteure grundsätzlich Recht befolgen und somit auch darüber, wie Dritte vorgehen können, um die Rechtsbefolgung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen positiv zu beeinflussen. Im Folgenden sollen daher zunächst die theoretischen Grundlagen dargestellt werden, warum Akteure willentlich Recht befolgen, um im Anschluss die identifizierten Kriterien und ihre Anwendbarkeit auf das humanitäre Völkerrecht und bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zu untersuchen.

A. Theoretische Grundlagen Der Frage nach dem Willen zur Rechtsbefolgung liegt eine vertiefte theoretische Diskussion zu Grunde, die in verschiedenen Disziplinen stattfindet. Philo282 Mack, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 12.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

sophen, Soziologen, Politikwissenschafter, Rechtswissenschaftler und Ökonomen fragen sich, warum Akteure Regeln befolgen und wie sie dazu angehalten werden können. Die juristische Methodik allein ist dabei grundsätzlich nicht ausreichend, systematisch Gründe und Ursachen für eine Rechtsbefolgung zu untersuchen und vor allem zu erklären.283 Sozialwissenschaftler beziehen sich vermehrt auf die Motive, die einer Rechtsbefolgung zugrunde liegen, während die Juristen die äußeren Umstände beleuchten und nicht auf den Einzelfall schauen. Dabei können die Sozialwissenschaftler die Wirklichkeit, in deren Rahmen das Recht Geltung beanspruchen muss, abbilden. Dennoch liegen die Ansichten der Juristen und der Sozialwissenschaftler hinsichtlich der Bedingungen und Voraussetzungen für eine Rechtsbefolgung nah beieinander.284 Untersuchungsgegenstand, aber auch Analyseergebnis sind in den Disziplinen durchaus vergleichbar. Gerade im Bereich der Rechtsdurchsetzung und Rechtsbefolgung lassen sich die verschiedenen Disziplinen insgesamt schwer trennen. Um ein tatsächliches Verständnis für Rechtsbefolgung auf internationaler Ebene zu bekommen, bedarf es gerade des kombinierten Ansatzes rechtswissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Perspektiven.285 Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Erklärungsmodelle und Strömungen zusammengefasst dargestellt. Gerade im Hinblick auf zunehmende Einigkeit zwischen den Disziplinen sollen die bestehenden Strömungen nicht anhand der Disziplinen klassifiziert werden, sondern nach ihrem Inhalt. Dabei wird vorliegend zwischen rationalen und normativen Theorien differenziert.286 Eine weitere Unterscheidung ist für das Ziel, messbare Kriterien und Motive für die Rechtsbefolgung zu finden, nicht notwendig. Die folgende Analyse kann sich aufgrund der Vielzahl und Komplexität der vertretenen Ansätze nicht abschließend mit der Thematik befassen und beleuchtet ausschließlich die Hauptströmungen. Die Theorien werden im Folgenden nicht bewertet, Ziel der Analyse ist es vielmehr, Kriterien zu identifizieren, die den verschiedenen Theorien gemeinsam sind. Die einzelnen Theorien werden 283 Pulkowski, Testing Compliance Theories, 19 Leiden Journal of International Law 2006, 511, 514. 284 Vgl. dazu schon Alvarez, Why Nations Behave, 19 Michigan Journal of International Law 1998, 303 ff.; Raustiala, Compliance and Effectiveness in International Regulatory Cooperation, 32 Case Western Reserve Journal of International Law 2000, 387, 389. 285 Ebenso Keohane, Compliance With International Commitments, 86 American Society of International Law Proceedings 1992, 176, 178, 183. 286 Vgl. auch Hathaway, Between Power and Principal, 71 University of Chigaco Law Review 2005, 1 ff. Teilweise werden auch drei verschiedene Strömungen unterteilt: Rationalisten, Normativisten und Institutionalisten, vgl. Burgstaller, Theories of Compliance with International Law, 95 ff.; Raustiala, Compliance and Effectiveness in International Regulatory Cooperation, 32 Case Western Reserve Journal of International Law 2000, 387, 407.

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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nämlich nicht als sich gegenseitig ausschließend, sondern vielmehr als komplementär verstanden. In Anbetracht der Konfliktwirklichkeit sowie vielschichtiger Hintergründe und Motive der Akteure, können gerade allgemeingültige Kriterien als Grundlage für die Arbeit mit bewaffneten-nichtstaatlichen Gruppen dienen. I. Rechtsbefolgung aufgrund einer Kosten-Nutzen-Abwägung (rational-choice Ansatz) Nach der in den Sozialwissenschaften als rational-choice Ansatz bezeichneten Grundströmung handelt ein Akteur rein rational und unternimmt vor der Rechtsbefolgung eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Grundlage dieses Konzepts ist letztlich ein wirtschaftlich agierender Akteur, der Entscheidungen für sein Handeln auf der Grundlage rationaler Kosten-Nutzen-Analysen trifft. Im Sinne einer einfachen mathematischen Berechnung wird der Akteur das Recht befolgen, wenn und soweit dies für ihn Vorteile bringt.287 Welche Vorteile dies im Einzelnen sein können, muss wiederum individuell festgestellt werden288 und kann von Akteur zur Akteur unterschiedlich sein. Dabei wird unterstellt, dass der Akteur zwischen den ihm bekannten Alternativen die für ihn Beste wählt.289 Dies setzt wiederum voraus, dass der Akteur rational agiert und gleichzeitig in der Lage ist, seine eigenen Interessen zu erkennen und zu verfolgen.290 Grob lassen sich drei Grundrichtungen unterscheiden, je nach Autor sind die Übergänge jedoch fließend. Nach dem sogenannten Realismus folgt der Akteur Staat letztlich seinen ursprünglichen machterhaltenden und auch geopolitischen Interessen.291 Soweit eine völkerrechtliche Regelung in diesem Interesse liegt, wird der Staat sie aus eigenem Interesse befolgen. Vertreter des Liberalismus gehen davon aus, dass eine Rechtsbefolgung umso wahrscheinlicher ist, je liberaler eine staatliche Struktur ist.292 Danach fühlten sich liberale repräsentative Demokratien dem Recht mehr verpflichtet und sind daher eher bereit, internationale Verpflichtungen als nationale zu übernehmen.293 Damit findet wiederum ein Rückbezug auf den Wert der Normen, die es zu befolgen gilt, statt. Sie werden unabhängig von negativen oder positiven Anreizen aufgrund eigener Vorstellun287

Goldsmith/Posner, The Limits of International Law, 13; Van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 73. 288 Vgl. auch schon Analyse bei Keohane, How Actors in World Politics Behave, in: Henkin, How Are Nations Behaving, 96 ASIL 2002, 213, 214. 289 Fisahn, Natur – Mensch – Recht, 60. 290 Guzman, How International Law Works, 17. 291 Slaughter, International Law in a World of Liberal States, 6 European Journal of International Law 1995, 503, 507. 292 Vgl. z. B. Burley, Law Among Liberal States: Liberal Internationalism and the Act of State Doctrine, 92 Columbia Law Review 1992, 1907, 1920 f. 293 Slaughter, International Law in a World of Liberal States, 6 European Journal of International Law, 1995, 503 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

gen befolgt.294 Insoweit befolgt ein Staat seine völkerrechtlichen Verpflichtungen dann, wenn sie seinen nationalstaatlichen Interessen und Motiven entsprechen. Institutionalisten gehen davon aus, dass zwischenstaatliche Beziehungen dann erfolgreich sind, wenn die Staaten gleichlaufende Interessen verfolgen.295 Institutionen wiederum haben teilweise die Möglichkeit, das Recht mit Zwang durchzusetzen, indem sie Staaten Sanktionen auferlegen können. Nach dem Institutionalismus befolgen Staaten ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen daher entweder aus Angst vor Sanktionen oder (vermehrt) aus Sorge um ihre Reputation.296 Soweit ein Staat seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält, verbessert sich danach dessen Reputation, was wiederum den Staat verlässlicher und eine zukünftige Zusammenarbeit wahrscheinlicher mache.297 Ein Staat befolgt seine völkerrechtlichen Verpflichtungen nach all diesen Begründungsansätzen, weil diese Rechtsbefolgung für ihn einen höheren Nutzen hat als die Nichtbefolgung.298 Mit dem rational-choice-Ansatz können grundlegende Handlungen und Vorgehensweisen von Staaten auch im Rahmen der Rechtsbefolgung erklärt werden. Die Autoren aus den verschiedenen Disziplinen gehen im Grunde alle von einer Kosten-Nutzen-Analyse des Akteurs aus, der das Recht aus Eigeninteresse befolgt. Gerade im Völkerrecht deckt sich dieser Erklärungsansatz mit dem grundlegenden Geltungsgrund des Völkerrechts: aufgrund des Konsensualprinzips entstehen im Wesentlichen nur Normen, die im Interesse der Staaten liegen. Zu einer Rechtsbefolgung ist der Akteur grundsätzlich bereits aus sich heraus motiviert. Mögliche Motive können Gegenseitigkeitserwartungen, Respekt, Abhängigkeit, sozialer Druck oder die Reputation des Akteurs sein. Dabei kann das Verhalten insgesamt durch positive und negative Anreize beeinflusst werden.299 Durch positive Anreize kann der Nutzen für den einzelnen Akteur erhöht werden. Durch negative Anreize erhöhen sich die Kosten insoweit, als das dem Akteur etwas, was ihm bislang eigen war, weggenommen wird und er es nur zurückerhält, wenn er bereit ist, dafür etwas anderes herzugeben.300 Sanktionsmöglichkeiten und Überwachungsmechanismen stellen solche negati294

Tyler, Psychological Perspectives on Legitimacy and Legitimation, 57 Annual Review of Psychology Journal 2006, 375, 378. 295 Keohane/Martin, The Promise of Institutionalist Theory, 20 International Security 1995, 39. 296 Hathaway, Do Human Rights Treaties Make a Difference, 111 Yale Law Journal 2001–2002, 1935, 1951; Finnmore/Sikkink, International Norm Dynamics and Political Change, 52 International Organization 1998, 887, 917; Stiles, State Responses to International Law, 4. 297 Guzman, How International Law Works, 33. 298 Sykes, The Economis of Public International Law, Olin Working Paper Nr. 216, 6. 299 Van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 79. 300 Kirsch, Neue politische Ökonomie, 152.

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ven Anreize dar, die das Verhalten des Akteurs von außen beeinflussen können. Die Rechtsbefolgung kann also im eigenen Interesse liegen oder durch Zwang oder Sanktionen eingefordert werden. 1. Rechtsbefolgung aus Eigeninteresse

Zentraler Ausgangpunkt dieser Strömung ist, dass Akteure das Recht befolgen, da dies nach Abwägung aller Vor- und Nachteile in ihrem Interesse liegt.301 Solche Vor- und Nachteile können wirtschaftlicher oder politischer, nationaler oder internationaler, langfristiger oder kurzfristiger Natur sein.302 Das Eigeninteresse von Staaten bzw. Akteuren selbst kann sich aus verschiedenen Faktoren ergeben, wie beispielsweise den Beweggründen von Entscheidungsträgern, dem internationalen System und aber auch dem nationalstaatlichen System und Institutionen selbst.303 Henkin hat sich bereits früh mit der Frage auseinandergesetzt, warum Staaten Recht befolgen. Seiner Analyse legte er die folgende viel zitierte Annahme zu Grunde: „Almost all Nations observe almost all principles of international law and almost all of the time.“ 304

Gleichzeitig ist auch er der Auffassung, dass Staaten grundsätzlich aufgrund einer Kosten-Nutzen-Abwägung Recht befolgen, wenn es zu ihrem Vorteil ist305: „Since there is no body to enforce the law, nations will comply with international law only if it is in their interest to do so; they will disregard law or obligations if the advantage of violation outweigh the advantage of observance.“ 306

Henkin geht davon aus, dass die Befolgung internationaler Verpflichtungen aus internationalen Verträgen dabei grundsätzlich im Eigeninteresse der Staaten liegt. Ein Staat habe Interesse daran, seine auswärtigen Beziehungen freundschaftlich und funktionierend zu gestalten und als respektabel und verlässlich anerkannt zur werden.307 Gestützt wird dies nach Ansicht von Henkin von einer gegenseitigen Abhängigkeit der Staaten308 und der Erwartung, dass die Verpflichtungen reziprok eingehalten würden.309 301 Becker, Crime and Punishment: An Economic Approach, Journal of Political Economy 1969, 169; Karliczek, Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität, 24 ff. 302 Stiles, State Responses to International Law, 4. 303 Stiles, State Responses to International Law, 3 f. 304 Henkin, How Nations Behave, 42. 305 Vg. Analyse bei Keohane, How Actors in World Politics Behave: Legalization and World Politics, in: Henkin, How are Nations Behaving?, 96 American Society of International Law Proceedings 2002, 213, 214; Jacobsen/Brown Weiss, Compliance with International Environmental Accords, 1 Global Governance 1995, 119, 127. 306 Henkin, How Nations Behave, 49. 307 Henkin, How Nations Behave, 48 ff. 308 Vgl. Handler Chayes, Remarks, in: Henkin, How are Nations Behaving, 96 American Society of International Law Proceedings 2002, 206, 207.

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Auch der Politikwissenschaftler Young sieht das Eigeninteresse als Grundlage des Handelns des Einzelnen und überträgt damit die staatliche Perspektive auch auf das Individuum in einem Staatsgefüge. Eigeninteresse hält den Einzelnen zur Rechtsbefolgung an, auch wenn er keinem Zwang oder anderen Einfluss ausgesetzt ist. Young definiert Eigeninteresse in strikt rationaler Herangehensweise: „Behavior based on utiliarian calculations of costs and benefits in the absence of any external sanctions or social pressures.“ 310

Das Individuum kann durch Belohnungen positiv beeinflusst werden, da die Rechtsbefolgung durch die Belohnungen größeren Nutzen für das Individuum bringt.311 Nach Young ist sozialer Druck, aber auch das Verhalten des sozialen Umfelds an sich ein weiteres Mittel, die Kosten-Nutzen-Rechnung des Einzelnen zu beeinflussen.312 Daneben anerkennt er aber auch, dass normative Verpflichtungen den Einzelnen zur Rechtsbefolgung leiten können.313 Aldrich setzt sich im Gegensatz dazu mit grundlegenden Faktoren auseinander, warum Verpflichtungen gerade nicht befolgt werden. Unter anderem nennt er das schlichte Hinwegsehen über rechtliche Verpflichtungen, grundlegende Zweifel an der Effektivität der Rechtsbefolgung oder das Fehlen von Überwachungsmechanismen.314 Es könne die Kosten-Nutzen-Analyse eines Akteurs positiv beeinflussen, wenn dem einzelnen Akteur der Nutzen der Rechtsbefolgung deutlich gemacht wird.315 Allein diese beispielhaft genannten Vertreter des rational-choice-Ansatzes zeigen Einigkeit in Bezug auf die grundlegende utilitaristische Denkweise eines Akteurs und der Annahme, dass Recht aus eigenen Interessen befolgt wird. Wesentliche Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf die Motive, die das jeweilige eigene Interesse beeinflussen. 2. Rechtsbefolgung aufgrund von Zwang

Eine Handlung oder Rechtsbefolgung kann aber auch erfolgen, um Zwang abzuwehren.316 Zwang bedeutet dabei zunächst absolut wirkenden Zwang, sodass dem Akteur kein Spielraum bleibt, als sich dem Zwang zu beugen und eine Re309

Henkin, How Nations Behave, 50 ff. Young, Compliance and Public Authority, 18. 311 Young, Compliance and Public Authority, 21. 312 Young, Compliance and Public Authority, 22 ff. 313 Young, Compliance and Public Authority, 23 ff. 314 Aldrich, Compliance with the Law, in: Fox/Meyer, Effecting Compliance, 3, 5. 315 Goldsmith/Posner, The Limits of International Law, 37, 127. 316 Vgl. die Definition von „Coercive Measures“ von Downs: „any threatened action or combination of actions that will operate to offset the net benefit in that a potential violator could gain from noncompliance“, vgl. Downs, Enforcement and the Evolution of Cooperation, 19 Michigan Journal of International Law 1998, 319, 321. 310

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gelung zu befolgen, sei es auch gegen die eigene Überzeugung.317 Zwang wird als Übel empfunden, das es zu vermeiden gilt, was beim rational kalkulierenden Individuum zu der Einsicht führt, dass es klüger ist, den (staatlich) gesetzten Gehorsam zu leisten.318 In die gleiche Richtung geht der Steuerungsversuch durch Sanktionen, die dem Einzelnen einen Handlungsspielraum belassen. Dabei ist die Grenze zwischen Zwang und negativer Anreizsetzung beispielsweise durch Sanktionen naturgenäß fließend. Bei beiden Steuerungsformen ist das Bestehen eines asymmetrischen Machtverhältnisses Voraussetzung. In einem solchen asymmetrischen System hat der Stärkere nämlich die Fähigkeit, den Schwächeren zu einem Verhalten zu veranlassen, welches unter Umständen nicht seinen Vorstellungen entspricht.319 Damit ist dieser Mechanismus inhärent für hierarchische Systeme.320 Letztlich soll durch Zwang oder Sanktionen die Kosten-Nutzen-Rechnung des Individuums beeinflusst werden:321 Die Folge einer Sanktion kostet den jeweiligen Akteur mehr, als er durch die Nichtbefolgung gewinnen würde.322 Grundsätzlich ist dem Völkerrecht eine sanktionsbewehrte Durchsetzung im Sinne eines absoluten Zwangs fremd. Vielmehr handelt es sich um ein System, in dem die Verpflichtungen durch die Zustimmung der Verpflichteten zustandekommen.323 Das Völkerrecht kennt aber Sanktionen, die das Verhalten von Akteuren beeinflussen können.324 Solche Sanktionen könnten im Völkerrecht durch internationale Institutionen, die Staatengemeinschaft oder unilateral verhängt werden. In Betracht kommen beispielsweise (Wirtschafts-)Sanktionen gegenüber Staaten, aber auch gezielte Sanktionen gegenüber Individuen wie beispielsweise eine Kontensperrung oder Reisebeschränkungen.325 II. Rechtsbefolgung aufgrund der Wertigkeit der Norm (Normativismus) Staaten handeln jedoch nicht nur rational, und so kann der rational-choice-Ansatz auch nicht ausschließlich die komplexen Entscheidungsprozesse innerhalb 317 Siehe auch die Zusammenfassung bei Risse/Ropp, Introduction and Overview, in: Risse/Ropp/Sikkink, The Persistent Power of Human Rights, 3, 13. 318 Fisahn, Natur – Mensch – Recht, 57. 319 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 383. 320 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 383. 321 Young, Compliance and Public Authority, 19. 322 Downs/Rocke/Barsoom, Is the good news about compliance good news about cooperation, International Organization 1996, 379, 386. 323 Fisher, Improving Compliance with International Law, 18. 324 Downs, Enforcement and the Evolution of Cooperation, 19 Michigan Journal of International Law 1998, 319, 332; Sykes, The Economis of Public International Law, 23. 325 Vgl. S. 123 f.

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eines Staates oder einer Gruppe erklären.326 Rein rationale Theorien können nicht erklären, warum sich das Rechtsverständnis ändert und sich Rechtsregime wie die Menschenrechte entwickeln.327 Daher gibt es eine zweite Grundströmung in den Theorien zur Rechtsbefolgung, nämlich den Normativismus. Grundlage dieses Verständnisses ist es, dass das Recht nicht nur aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse, sondern auch aufgrund normativer Werte befolgt wird.328 Wie bereits bei den Vertretern des rational-choice-Ansatzes differieren die einzelnen Herangehensweisen innerhalb des Normativismus stark in Ausgestaltung und Richtung sowohl innerhalb als auch zwischen den Disziplinen. Den Ansichten ist gemein, dass sowohl Wertigkeit als auch Inhalt der Norm für die Rechtsbefolgung relevant sind. 1. Management-Theorie: Rechtsbefolgung durch Selbstverpflichtung

Abram Chayes und Antonia Handler Chayes sind die bedeutendsten Vertreter der sogenannten Management-Theorie. Diese wird teilweise auch dem Rationalismus zugeordnet329, was wiederum zeigt, wie fließend die Grenzen sind und wie schwierig die Gruppierung der theoretischen Ansätze ist. Nach der Management-Theorie befolgen Staaten ihre internationalen Verpflichtungen, da sie diese vertraglich ausgehandelt haben. Wesentlich sei, dass die Staaten funktional an der Rechtsentstehung beteiligt sind: „The fundamental instrument for maintaining compliance with treaties at an acceptable level is an iterative process of discourse among the parties, the treaty organization and the wider public“.330

Damit ist der Prozess der Rechtswerdung zentraler Punkt für die Rechtsbefolgung.331 Staaten halten sich in solchen Fällen nicht an das Recht, wenn die Auslegung der vertraglichen Verpflichtungen nicht eindeutig sei, die Akteure nicht in der Lage seien, ihren Verpflichtungen nachzukommen, und zeitlich begrenzte Umbrüche wirtschaftlicher, sozialer oder politischer Art sie von der Rechtsbefolgung abhielten.332 326

Goldsmith/Posner, The Limits of International Law, 7. Pulkowski, Testing Compliance Theories, 19 Leiden Journal of International Law 2006, 511, 516. 328 Vgl. Raustiala, Compliance and Effectiveness in International Regulatory Cooperation, 32 Leiden Journal of International Law 2000, 387, 405. 329 Vgl. dazu auch Koh, Why Do Nations Obey International Law, 106 Yale Law Journal 1996–1997, 2599, 2636. 330 Chayes/Handler Chayes, The New Sovereignty, Compliance with International Regulatory Agreements, 25. 331 Zur Kritik daran vgl. nur Koh, Why Do Nations Obey International Law, 106 Yale Law Journal 1996–1997, 2599, 2640. 332 Chayes/Handler Chayes, The New Sovereignty: Compliance with International Regulatory Agreement, 10; Chayes/Handler Chayes, Compliance without Enforcement, 7 Negotiation Journal 1991, 311, 312. 327

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Folge dieses Verständnisses von Chayes und Chayes ist, dass die Rechtsbefolgung verbessert werden kann, wenn Staaten besser informiert sind und die Regeln, die sie eingehen, klar und verständlich sind.333 Sie gehen gleichzeitig davon aus, dass Zwang gleich welcher Art keine besondere Veränderung in dem Verhalten der Akteure herbeiführen würde. Die grundlegende Erkenntnis von Chayes und Chayes liegt aber darin, dass Staaten zunächst grundsätzlich die Verpflichtung aus den Verträgen einhalten, die sie selber eingehen.334 Dabei greifen Chayes und Chayes auf Mechanismen der Zusammenarbeit zurück und stellen den Prozess der Beteiligung und Rechtswerdung in den Vordergrund. 2. Konstruktivismus: Rechtsbefolgung aufgrund von Identifizierung und Internalisierung

Eine weitere Strömung kann als Konstruktivismus bezeichnet werden. Dem liegt die Idee zugrunde, dass sich soziale Akteure wie Staaten gegenseitig konstituieren. Danach befolgen Akteure das Recht, weil sie selbst erst durch Regeln geschaffen werden und diese soweit eine Basis für die eigene Identität bildeten.335 Normen formten die Identität und somit auch die Handlungen von Staaten und anderen internationalen Akteuren.336 Individuelle Entscheidungen wie die Rechtsbefolgung könnten dann durch Institutionen oder Normen selbst beeinflusst werden,337 sodass Rechtsbefolgung daher eine Frage der Sozialisation ist.338 Staaten befolgten Regeln, wenn und soweit sie diese internalisiert hätten, dass sie in ihr eigenes Wertesystem einflößen.339 Brunnée betont, dass eine Identifizierung mit der normgebenden Gruppe und deren Werten notwendig ist.340 Insoweit kann auch eine Vereinbarkeit kultureller, religiöser, moralischer und psychologischer Identifikation mit den zu befolgenden Regeln dazu führen, dass das Recht befolgt wird.341

333

Guzman, How International Law Works, 16. Kolari, Constructing Non-Compliance Systems into International Environmental Agreements, 14 Finnish Yearbook of International Law 2003, 205, 210. 335 Keohane, How Actors in World Politics Behave, in: Henkin, How Are Nations Behaving, 96 American Society of International Law Proceedings 2002, 213, 214. 336 Brunnée, Remarks, in: Wrap-Up plenary: What’s Next on Implementation, Compliance and Effectiveness, 91 ASIL 1997, 504, 505; Brunnée/Toope, Legitimacy and Legality in International Law: An International Account, 92. 337 Goldsmith/Posner, The Limits of International Law, 9. 338 Koh, Why Do Nations Obey International Law, 106 Yale Law Journal 1997, 2599. 339 Koh, Why Do Nations Obey International Law, 106 Yale Law Journal 1997, 2599. 340 Brunnée/Toope, Legitimacy and Legality in International Law: An International Account, 120 ff. 341 Fisher, Improving Compliance with International Law, 7, 68. 334

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen 3. Rechtsbefolgung aufgrund von Legitimität

Dem Normativismus können ebenfalls Legitimitätstheorien zugeordnet werden. Zentraler Punkt der Idee von Legitimität ist die Vorstellung, dass Entscheidungen oder Regelungen bestimmter Autoritäten bereits aus sich heraus gültig sind. Sie werden deswegen befolgt, weil der handelnde Akteur oder der Entscheidungsprozess342 als legitim anerkannt wird.343 Darüber hinaus kann eine Norm aus ihrem Inhalt heraus als legitim angesehen werden.344 Die Legitimität von Normen oder der sie erlassenden Institutionen soll ein inneres Motiv für einen Akteur setzen, das Recht zu befolgen und daher die Rechtsbefolgung erhöhen.345 Aus der juristischen Perspektive ist zunächst nicht eindeutig, was genau unter Legitimität zu verstehen ist: der Begriff ist rechtlich schwer zu fassen. In jedem Fall kann unter Legitimität in den Rechtswissenschaften aber verstanden werden, dass eine Norm rechtmäßig ist, bzw. soweit sie an höherem Recht zu messen ist, mit diesem konform ist. Das ist dann der Fall, wenn die Norm sowohl in formeller als auch in materieller Weise rechtmäßig zustandegekommen ist. Gleiches gilt auch für internationales Recht, das als rechtmäßig oder legitim anerkannt werden kann, wenn es auf rechtstaatlicher Grundlage und der Rule of Law erlassen wurde. Damit überwiegt in den Rechtswissenschaften der prozessuale Legitimitätsbegriff (Richtigkeit des Verfahrens) im Gegensatz zum substantiellen Legitimitätsbegriff (Richtigkeit durch Inhalt der Norm).346 In anderen Disziplinen wird das Konzept der Legitimität diskutiert und in verschiedenen Nuancen von psychologischer, politikwissenschaftlicher und insgesamt sozialwissenschaftlicher Seite mit verschiedenen Schwerpunkten auf Geltung, Wirkung und Handlungsformen beleuchtet. In den Sozialwissenschaften wird der Schwerpunkt nicht nur auf die Normentstehung oder prozessuale Legitimität gelegt, auch wenn dies ebenfalls als ein legitimitätsstiftender Faktor angesehen wird. Vielmehr gibt es daneben noch das Konzept der substantiellen Legitimität,347 wonach eine Norm bereits wegen ihres Inhalts und aufgrund der 342

Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 5. Tyler, Psychological Perspectives on Legitimacy and Legitimation, 57 Annual Review of Psychology Journal 2006, 375, 377; Tyler, The Virtues of Self-regulation, in: Crawford/Hucklesby, Legitimacy and Compliance in Criminal Justice, 8, 11. 344 Suchman, Managing legitimacy, 20 Academy of Management Review 1995, 571, 575, spricht in diesem Zusammenhang von should“, „ought to“ or „has a right to“; Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379 ff. von „ought to obey“, vgl. ebenfalls Skogan/Frydl, Fairness and Effectiveness in Policing: The Evidence, 297. 345 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 387. 346 Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip. Zur Legitimität von Staatsgewalt im Völkerrecht, 9. 347 Ryngaert, Imposing International Duties on Non-State Actors in: Noortmann/ Ryngaert, Non-State Actor Dynamics in International Law, 69, 71 f. 343

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Werte, die sie zu schützen sucht, als legitim angesehen wird.348 Zudem steht im Rahmen der Sozialwissenschaften die Wahrnehmung des jeweiligen Akteurs im Vordergrund. So sieht Habermas es als relevant an, dass der Adressat die Norm als legitim empfindet: „Soziale Geltung und faktische Befolgung [variieren aber] mit dem Legitimitätsglauben der Rechtsgenossen, und dieser stützt sich wiederum auf die Unterstellung der Legitimität, d.h. mit der Begründbarkeit der jeweiligen Normen wie Einschüchterung, Macht der Umstände, Sitte und schiere Gewohnheit müssen eine Rechtsordnung substitutiv um so stärker stabilisieren, je weniger diese legitim ist, jedenfalls für legitim gehalten wird.“ 349´

Suchman definiert Legitimität in die gleiche Richtung gehend wie folgt: „A generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed system of norms, values, beliefs, and definitions.“ 350

Hurd sieht innerhalb der Legitimität einen operativen Prozess in der Internalisierung externer Standards.351 Eine solche Internalisierung findet statt, wenn der Akteur fremde Regeln als eigene annimmt. Nach Hurd wird eine Regelung für den Einzelnen dann legitim, wenn er ihren Inhalt und ihr Ziel als für sich verbindlich anerkennt.352 Als Form der sozialen Kontrolle hat Legitimität danach den Vorteil, dass es keiner hierarchischen Strukturen bedarf. Vielmehr wird die Autorität (des Rechts) aus sich heraus anerkannt.353 Luhmann versteht unter Legitimität den faktischen Glauben an die Richtigkeit und Werthaftigkeit eines bestimmten Sollens.354 Allerdings ist das subjektive Empfinden von Legitimität, von dem die Autoren ausgehen, schwer nachzuweisen und kann nicht als (rechtlicher) Maßstab fungieren. Letztlich ist daher für eine externe Bewertung wieder auf allgemeingültige Kriterien zurückzugreifen. Im Rahmen dieser Arbeit wird insoweit das juristisch und politikwissenschaftlich messbare Grundverständnis von Legimität zur Grundlage gemacht.

348

Ryngaert, Imposing International Duties on Non-State Actors in: Noortmann/ Ryngaert, Non-State Actor Dynamis in International Law, 69, 72. 349 Habermas, Faktizität und Geltung, 48. 350 Suchman, Managing Legitimacy, 20 Academy of Management Review 1995, 571, 574. 351 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 388. 352 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 388. 353 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 388. 354 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 239.

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a) Prozessuale Legitimität Der Frage nach Rechtsbefolgung nähert sich Franck aus rechtsphilosophischer Sicht: Danach befolgen Staaten das Recht, wenn es gerecht ist. Seine Grundannahme ist, dass Staaten, aber auch weitere Adressaten Regeln befolgen, wenn diese rechtmäßig und legitim,355 also insbesondere rechtmäßig zustandegekommen sind.356 Franck versteht Legitimität als Fähigkeit einer Norm oder einer normgebenden Institution, aus sich heraus Rechtsbefolgung zu bewirken, da die Adressaten der Regelung davon überzeugt seien, dass entweder die Norm oder die Institution in Einklang mit objektiv messbaren anerkannten Regeln und prozessualen Prinzipien entstanden ist.357 Für ihn bestimmen vier Faktoren die Legitimität von Normen: die Norm muss bestimmt genug sein, sie muss durch formale Prozesse oder Rituale bestätigt sein, sie muss aus sich heraus klar sein und entweder konform mit prozessualen Vorgehensweisen (Kohärenz mit anderen Regeln) oder der normativen Ordnung des Völkerrechts sein (Einfügung in das Normsystem).358 Ein Staat werde dann über eine Norm hinwegsehen und seinen eigenen eventuell gegenläufigen Interessen folgen, wenn diese Voraussetzungen nicht eingehalten seien.359 Francks Ansatz spiegelt ein grundsätzlich juristisches Verständnis von Legitimität wider und erinnert an Fragen der formalen Rechtmäßigkeit, da es gerade an prozessuale Vorgaben angelehnt ist. Für Franck liegt damit der Schwerpunkt deutlich auf der prozessualen Richtigkeit: „Legitimacy, which is about process, has its own morality [. . .] because it is a belief in right process rather than in right outcomes.“ 360

Damit bezieht er sich auch darauf, dass Diskurs und Partizipation bei der Normentstehung eine wichtige Voraussetzung für die Normbefolgung sind.361 In einem zweiten Schritt setzt sich Franck mit Fragen der Fairness auseinander, die nicht unbedingt mit Legitimität einhergehen müsse.362 Franck wird vorgeworfen,

355 Franck, Legitimacy in the International System, 82 American Journal of International Law 1988, 705, 708. 356 Franck, Legitimacy in the International System, 82 American Journal of International Law 1988, 705, 709. 357 Franck, The Power of Legitimacy Among Nations, 24. 358 Franck, The Power of Legitimacy Among Nations, 41 ff.; zur Bedeutung der einzelnen Kriterien (determinancy, symbolic validation, coherence und adherence) vgl. außerdem Franck, Legitimacy in the International System, 82 American Journal of International Law 1988, 705, 712 ff. 359 Franck, Legitimacy in the International System, 82 American Journal of International Law 1988, 705, 712. 360 Franck, The Power of Legitimacy Among Nations, 288. 361 Franck, Fairness in International Law and Institutions, 481. 362 Franck, The Power of Legitimacy Among Nations, 230 ff.

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dass er die prozessuale Legitimität, also die formale Korrektheit über moralische Verpflichtungen hebe.363 Diese strikte Trennung hebt er allerdings in späteren Arbeiten auf und bezieht sich vermehrt auch auf einen werteorientierten Legitimitätsbegriff.364 b) Politikwissenschaftliches Verständnis: Input- und Output-Legitimität Scharpf ist ebenfalls der Ansicht, dass Legitimität zu freiwilliger Befolgung auch von unerwünschten Regelungen oder Entscheidungen führt.365 Sein Legitimitätsmodell geht davon aus, dass ein politisches System von seinen „Inputs“ oder seinen „Outputs“ her rationalisiert werden kann,366 was zugleich wesentliche Strömungen in den Politikwissenschaften zusammenfasst.367 „Output-Legitimität“ bedeutet, dass die Norm aus sich heraus durch den in ihr verkörperten Inhalt und Wert legitim wirkt. Dabei kann Output-Legitimität prozeduraler, aber auch substantieller Natur sein. Bei der prozessualen Output-Legitimität kommt es im Wesentlichen auf die zu erwartendende Qualität und Art der Entscheidung an.368 Bei der substantiellen Output-Legitimität kommt es auch auf den in der Norm verkörperten Wert und Inhalt an. „Input-Legitimität“ bezieht sich auf die Beteiligung derjenigen, die Adressaten der Regelungen sein sollen. Legitimität wird dabei durch direkte oder indirekte Partizipation der Normadressaten erreicht. Anders als bei prozessualer Legitimität aus juristischer Perspektive steht bei diesem Verständnis von Input-Legitimität nicht nur ein prozessual rechtmäßiges Zustandekommen einer Norm im Vordergrund, entscheidend ist vielmehr auch die Art des Prozesses selbst und die Beteiligung der durch die Norm Berechtigten und Verpflichteten. Die Input-Legitimität steht stark in Verbindung mit diskursiven Demokratietheorien369 und bezieht sich insofern regelmäßig auf die relevante Partizipation im Normentstehungsprozess.370

363 Tesón, The Kantian Theory of International Law, 86 Columbia Law Review 1992, 53, 95. 364 Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 91 ff., 198 f. 365 Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, 37 Leviathan 2009, 244, 249. 366 Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 21. 367 Ebenso Böhm, Zwischen Legitimität und Effektivität – Das Europäische Parlament nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, BayVBl 2006, 173, 175. 368 Petersen, Demokratie und Grundgesetz, 13. 369 In Frage steht diesbezüglich, ob Legitimität und Demokratie stets untrennbar miteinander verbunden sind, vgl. Stein, Demokratische Legitimierung auf supranationaler und internationaler Ebene, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 64 (2004), 563 564. 370 Ryngaert, Imposing International Duties on Non-State Actors, in: Noortmann/ Ryngaert, Non-State Actor Dynamic in International Law, 69, 73.

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c) Vereinbarkeit der beiden Ansätze Die beiden Ansätze lassen jedoch wiederum ein gemeinsames weites Verständnis von Legitimität zu. Der rechtsphilosophische Ansatz geht traditionell von einer prozessualen Rechtmäßigkeit aus und betrachtet eine Norm als legitim, wenn sie formalen Aspekten wie ausreichender Beteiligung, Bestimmtheit und Verfahren genügt. Das Verständnis in den Politikwissenschaften ist weiter, da ein werteorientiertes Verständnis von Legitimität im Vordergrund steht. Jedoch können durchaus Gemeinsamkeiten identifiziert werden. Die Input-Legitimität deckt sich in der Grundannahme mit dem traditionellen juristischen Verständnis, auch wenn letzteres an rein formale Kriterien anknüpft. Beiden gemeinsam ist aber, dass sie sich (auch) auf den Diskurs und Partizipation als ein wesentliches Element beziehen. Besonders im Völkerrecht muss diese Partizipation auch bei rein juristisch – prozessualer Betrachtungsweise im Vordergrund stehen, da das Völkerrecht ein System ist, welches seine Verpflichtungswirkung aus der Zustimmung bezieht. Neben diesem formalen Verständnis liegt beiden Ansätzen ein werteorientiertes Verständnis von Legimität zugrunde. Auch Franck hat zuletzt vermehrt den in einer Norm verkörperten Wert berücksichtigt.371 Mayntz sieht daher innerhalb rechtlicher Legitimität eine Verbindung formaler und substantieller Legitimität.372 Die Output-Legitimität findet auch in der völkerrechtlichen Lehre Geltung, in der die Tendenz zu einem mehr werteorientierten Verständnis geht.373 So bezieht sich die Frage nach Rechtmäßigkeit eben nicht nur auf formale, sondern auch auf materielle Aspekte, was sich wiederum im Inhalt der Norm spiegelt.374 Im Ergebnis ist die Verpflichtungswirkung von ius cogens Normen375 auf der gleichen Argumentationsstruktur begründet: Die Norm entfaltet aus sich und ihrem inneren Wert heraus Geltung. Die verschiedenen Theorien zeigen, dass zumindest ihre Grundlagen ähnlich sind und eine Norm entweder in formaler Weise durch ihre Entstehungsweise oder eben durch ihren Inhalt als legitim angesehen wird.

371

Vgl. oben S. 100 f. Mayntz, Legitimacy and Compliance in Transnational Governance, MPIfG Working Paper 10/5, 8. 373 Vgl. Kadelbach/Kleinlein, Überstaatliches Verfassungsrecht: Zur Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), 235 ff. 374 Mayntz, Legitimacy and Compliance in Transnational Governance, MPIfG Working Paper 10/5, 7. 375 Nach Koskenniemi, From Apology to Utopia, 324 f. stellt Jus Cogens insoweit einen Kompromiss dar, als dass die Normen aufgrund ihrer Wertigkeit alle Adressaten binden. Allerdings unterliege die Tatsache der Akzeptanz der Existenz des Jus Cogens wiederum einer konsensualen Annahme. 372

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d) Exkurs: Rechtswissenschaftliche Diskussion zur Bindung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen als Spiegelbild der Legitimitätsdiskussion In der Völkerrechtslehre ist die Frage nach der Rechtsbefolgung durch Partizipation oder aufgrund der Wertigkeit der Norm bisher insgesamt weniger rezipiert worden. Auffällig ist jedoch, dass die rechtswissenschaftliche Diskussion häufig bereits eine Ebene vorher ansetzt und zu der Frage der Bindungswirkung geführt wird. Gegenstand dieser Diskussion im humanitären Völkerrecht ist, ob und vor allem warum bewaffnete nicht-staatliche Gruppen an das Recht gebunden sind. Diese Verpflichtungswirkung des Rechts ist aber letztlich eine Vorfrage zu der Frage, warum die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen das Recht befolgen sollen oder wollen. Denn wenn bereits die Verpflichtung in Frage steht, ist eine Rechtsbefolgung nicht zu erwarten. Zentraler Gegenstand der Diskussion ist die Frage, ob bewaffnete nicht-staatliche Gruppen an ein Recht gebunden sein können, welches ein originäres Recht der Staaten ist, an deren Entstehung sie zu keinem Zeitpunkt beteiligt waren.376 Auffällig ist aber, dass – zumindest im Rahmen des Erklärungsansatzes über das Gewohnheitsrecht377 – ganz ähnliche Hindernisse und Argumente genannt werden, wie bei der Frage der Rechtsbefolgung aus Legitimitätsgründen. Daher soll im Folgenden kurz der Stand der Diskussion zur Bindung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen an das humanitäre Völkerrecht und insbesondere die These der Bindungswirkung aufgrund von Völkergewohnheitsrecht, dargestellt werden. aa) Bindungswirkung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Ein Staat, der an einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt beteiligt ist, ist als Vertragsstaat der Genfer Konventionen an diese, also auch an den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen, gebunden.378 Zwar findet das Wiener Vertragsrechtsübereinkommen (WVÜ) grundsätzlich keine Anwendung auf die Genfer Konventionen von 1949, da gemäß Art. 4 WVÜ eine Rückwirkung ausgeschlossen ist, allerdings stellt das WVÜ zumindest hinsichtlich des Grundsatzes pacta sunt servanda eine Niederschrift zuvor geltender gewohnheitsrechtlicher Regeln dar, sodass dessen Prinzipen dennoch herangezogen werden können.379 Eine Bindung an das Völkergewohnheitsrecht ergibt sich aus der Natur des Völ-

376 Mack, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 11. 377 Vgl. S. 109 ff. 378 Vgl. auch Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 528. 379 Vgl. auch Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 528.

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kergewohnheitsrechts,380 wenn sich der Staat nicht gegen die Entstehung des jeweiligen Gewohnheitsrechts gewendet hat.381 (1) Bindungswirkung wird in der Praxis angenommen Allerdings wird im Rahmen des humanitären Völkerrechts davon ausgegangen, dass auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten an die Regelungen des humanitären Völkerrechts gebunden sind.382 Einige völkerrechtliche Verträge setzen die Bindung bewaffneter nichtstaatlicher Gruppen voraus. Gemäß dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen ist jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, die grundlegenden Bestimmungen anzuwenden. Daraus wird geschlossen, dass die bewaffnete nichtstaatliche Gruppe an die Genfer Konventionen gebunden ist. Im Wortlaut des Zweiten Zusatzprotokolls wird die Bindung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen nicht genannt. Da aber das Zweite Zusatzprotokoll den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen nur weiterentwickeln soll, gilt der Sinn und Zweck der Bindung auch hier. Eine Bindungswirkung soll und muss aus dem Zusammenwirken des Zweiten Zusatzprotokolls mit dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen angenommen werden.383 Neuere Verträge hingegen – wie zum Beispiel die Ottawa Konvention zur Ächtung von Anti-Personen-Minen – erwähnen bewaffnete nicht-staatliche Gruppen mit keinem Wort. Das IKRK hat aber die gewohnheitsrechtliche Regel identifiziert, dass auch die bewaffnete nichtstaatliche Gruppe das humanitäre Völkerrecht beachten und befolgen muss: „Each party to the conflict must respect and ensure respect for international humanitarian law by its armed forces and other persons or groups acting in fact on its instructions, or under its direction or control.“ 384

380 Vgl. zum Geltungsgrund von Völkergewohnheitsrecht S. 109 ff. und Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, 345 ff. 381 Zur Figur des persistent objector vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 352 f. 382 Vgl. nur Capie/Policzer, Keeping the Promise of Protection, A Policy Brief Commissioned for The UN Secretary-General’s High Level Panel on Global Security, 1. 383 Henkaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, Vol. I, Rules, Rule 139, 495, vgl. auch Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 277: „Today, even in the absence of a consensus on a theroretical justification, it has become clear that, not only rebels are bound as parties to the conflict by Common Article 3 to the Geneva Convention, but they are also bound by the provisions of Protocol II.“ Eine Bindung sieht ebenfalls Art. 19 Haager Kulturgutschutzabkommen vor. Eine solche voraussetzend: beispielsweise: Artikel 22 des Zweiten Protokolls zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten oder Art. 44 des Fakultativprotokolls zur Kinderrechtskonvention vom 25. Mai 2000. 384 Henckearts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, Volume I, Rules, Rule 139.

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Dies wird auch in der Praxis bestätigt, was sich beispielsweise aus dem Report der International Commission for Inquiry Darfur ergibt. Dieser geht davon aus, dass die JEM und SLM/A an die relevanten Normen des humanitären Völkerrechts gebunden seien: „The SLM/A and JEM, like all insurgents that have reached a certain threshold of organization, stability and effective control of territory, possess international legal personality and are therefore bound by the relevant rules of customary international law on internal armed conflicts.“ 385

Die Vereinten Nationen und andere Internationale Organisationen haben in diversen Situationen auf die Verpflichtung aller am Konflikt beteiligten Parteien hingewiesen, das humanitäre Völkerrecht zu achten. So hat beispielsweise der Sicherheitsrat diese Verpflichtung explizit in seinen Resolutionen zu den Konflikten in Afghanistan, Angola, Bosnien-Herzegowina, der demokratischen Republik Kongo, Liberia und Sudan genannt.386 Ebenfalls hat die UN-Generalversammlung bereits mehrfach betont, dass alle Konfliktparteien gebunden seien, das humanitäre Völkerrecht zu achten.387 Dies gilt auch für das IKRK, welches sich in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten regelmäßig an alle an den Feindseligkeiten beteiligte Parteien wendet, ohne einen Unterschied zwischen Regierungsseite und Rebellengruppen zu machen.388 (2) Art und Umfang der Bindung ist in der Praxis unklar Aus den jeweiligen Erklärungen der internationalen Institutionen geht jedoch nicht hervor, in welchem Umfang und aus welchem Grund bewaffnete nichtstaatliche Gruppen an das humanitäre Völkerrecht gebunden sind. So hat beispielsweise der Sicherheitsrat in einer Resolution den Konflikt in Afghanistan betreffend nur folgendes festgestellt: „[A]ll parties to the conflict are bound to comply with their obligations under international humanitarian law and in particular under the Geneva Conventions of 1949.“ 389

Und auch die Berufungskammer des Sondergerichtshofs Sierra Leone hat zusammenfassend geurteilt: 385 International Commission for Inquiry Darfur, Report of the International Commission 25 January 2005, Rn. 172. 386 Vgl. dazu UN Doc S/Res/788; UN Doc S/Res/834; UN Doc S/Res/851; UN Doc S/Res/864, UN Doc S/Res/985 UN Doc S/Res/1001; UN Doc S/Res/1041; UN Doc S/ Res/1059; UN Doc S/Res/1071; UN Doc S/Res/1193; UN Doc S/Res/1213, sowie UN Doc S/Res/1468 und UN Doc S/Res/1591. 387 UN Doc A/Res/2677(XXV); UN Doc A/Res/2852(XXVI); UN Doc A/Res/2853 (XXVI); UN Doc A/Res/3032 (XXVI); UN Doc A/Res/3102 (XXVIII); UN Doc A/ Res/3319 (XXIX); UN Doc A/Res/3500 (XXX); UN Doc A/Res/32/44; UN Doc A/ Res/40/137; UN Doc A/Res/50/193. 388 Gasser, Humanitäres Völkerrecht, 191, 192. 389 UN Doc S/Res/1231 (1998), Präambel Rn 12.

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„It is well settled that all parties to an armed conflict, whether states or non-state actors, are bound by international humanitarian law, even though only states may become parties to international treaties.“ 390

Obwohl aber die Verträge teilweise eine Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen vorsehen und diese auch politisch gewollt ist, sind Art und Umfang der Bindung immer wieder Gegenstand rechtlicher Diskussionen.391 Grund dafür ist die Tatsache, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen durch Recht gebunden sein sollen, auf welches sie bei der Entstehung keinen Einfluss ausüben können und zu dessen Anwendung sie nicht ihr Einverständnis erklären können.392 Eine Bindung ohne Zustimmung ist gerade dem Völkerrecht aber grundsätzlich fremd. Daher verwundert es nicht, dass sich die Frage nach der dogmatisch-konzeptionellen Grundlage der Bindung bereits mit der ersten Anwendung des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen stellte.393 bb) Erklärungsmodelle für eine Bindung In der Literatur werden verschiedene Erklärungsmodelle vertreten, die sich letztlich in solche abgeleiteter und originärer Verpflichtungen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe unterteilen lassen.394 (1) Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe ist vom Staat abgeleitet Einerseits wird die Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe von der Verpflichtung des Staates abgeleitet, in dessen Territorium der Konflikt

390 ICTR, SCSL, Case No. SCSL-2004-14-AR72(E), Prosecutor v. Sam Hinga Norman, Decision on preliminary Motion Based on Lack of Jurisdiction (Child Recruitment), Entscheidung vom 31. Mai 2004, Rn 22. 391 Vgl. nur Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369 ff.; Geiss, Humanitarian Law Obligations of Organized Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Non-State Actors and International Humanitarian Law, 93, 95. 392 Vgl. nur Ryngaert, Non-State Actors and International Humanitarian Law, Working Paper 2008, 2, Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369 ff. 393 Mohr, Durchsetzungsmechanismen des humanitären Völkerrechts, in: Haase/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, 158, 160; vgl. zur Entstehungsgeschichte des gemeinsamen Art. 3 Perna, The Formation of the Treaty Law of Non-International Armed Conflicts, 59; Elder, The Historical Background of Common Article 3 of the Geneva Convention of 1949, 11 Case Western Reserve Journal of International Law 1979, 37, 56; Draper, The Geneva Conventions of 1949, Recueil des Cours 1965, 59, 96. 394 Vgl. dazu auch Bellal/Heffes, „Yes, I do“: Binding Armed Non-State Actors to International Humanitarian Law and Human Rights Norms through their Consent, 12 Human Rights & International Legal Discourse 2018, 120 ff.

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stattfindet.395 Dies setzt aber zunächst voraus, dass der jeweilige Vertragsstaat selbst an die vertraglichen Verpflichtungen gebunden ist und führt letztlich dazu, dass eine gewisse Form der Reziprozität in das humanitäre Völkerrecht eingeführt wird, welche eigentlich nicht gelten sollte.396 Denn nur wenn der betroffene Staat Vertragsstaat ist, kann eine abgeleitete Verpflichtung der jeweiligen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe bestehen. Nach der wohl herrschenden Ansicht begründet das Territorialprinzip eine Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe. Sobald der Territorialstaat die Genfer Abkommen und weiteres relevantes Vertragsrecht ratifiziert hat, werden die Rechte und Pflichten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe von dem Staat, auf dessen Territorium sie agieren, abgeleitet.397 Insbesondere das IKRK vertritt die Ansicht, dass die Genfer Konventionen auf dem Hoheitsgebiet der jeweiligen Vertragspartei gelten und eine auf dem Gebiet agierende nicht-staatliche Gruppe daran gebunden ist.398 Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen aber, die gerade den Staat bekämpfen, sollen dann an das Recht eines Staates gebunden sein, den sie bekämpfen.399 Außer Acht lässt diese Ansicht die Frage nach dem Verhältnis von nationalem und internationalem Recht in den jeweiligen Nationalstaaten.400 Denn das Völkerrecht enthält selbst keine Regeln über seine Wirkungen im nationalen Rechtsraum. Die verschiedenen Mechanismen wie Transformation, Adoption oder Inkorporation führen zu verschiedenen Ergebnissen hinsichtlich der innerstaatlichen Wirkung. Die bewaffnete Gruppe ist nicht direkt an die völkerrechtlichen Verpflichtungen, sondern nur an nationales Recht gebunden, sodass auch vorausgesetzt ist, dass der Territorialstaat das Recht richtig umgesetzt hat.401 Ein weiterer Erklärungsansatz geht, ebenfalls abgeleitet von den staatlichen Verpflichtungen, davon aus, dass alle Individuen eines Staates an die völkerrecht395 Vgl. dazu auch Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, 162 m.w. N. 396 Frau, Entwicklungen bei der gewohnheitsrechtlichen Einbindung nicht-staatlicher Gewaltakteure, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 23, 24. 397 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 15. 398 Pictet, Kommentar, La Convention de Genève II 34; Elder, The Historical Background of Common Article 3 of the Geneva Convention of 1949, 11 Case Western Reserve Journal of International Law 1979, 37, 55. 399 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 16. 400 Frau, Entwicklungen bei der gewohnheitsrechtlichen Einbindung nicht-staatlicher Gewaltakteure, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 23, 26. 401 Vgl. dazu auch Cassese, The Status of Rebels under the 1977 Geneva Protocol on Non-International Armed Conflicts, 30 International and Comparative Law Quarterly 1981, 416, 429; Frau, Entwicklungen bei der gewohnheitsrechtlichen Einbindung nichtstaatlicher Gewaltakteure, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 23, 26.

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lichen Verpflichtungen seines Territorialstaates gebunden sind, da alle Individuen im Staat die gleichen Rechte und Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag wie der Staat selbst teilen.402 Im Unterschied zum ersten Erklärungsansatz sollen danach die Individuen direkt als Individuen verpflichtet sein, auch wenn diese ein politisches Kollektiv geformt haben.403 Allerdings sind die Verpflichtungen von Individuen nach dem Völkerrecht beschränkt auf wenige Regeln internationaler Verbrechen.404 Der von den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nach dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen sowie den weiteren Regelungen geforderte Schutzstandard liegt aber höher.405 Eine andere Ansicht geht davon aus, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen als de-facto Regime an die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates gebunden sind. Jede Macht, die eine effektive Kontrolle in einem Staat ausübt, ist an dessen völkerrechtliche Verpflichtung gebunden.406 Die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen existieren und agieren danach als vom Staat unabhängige Einheit neben der etablierten Regierung.407 Diesem Modell ist zuzugeben, dass in vielen innerstaatlichen Konflikten der Gegenwart die Regierung schwach oder nicht durchsetzungsfähig ist408 und in Räumen begrenzter Staatlichkeit auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen regelmäßig eine gewisse territoriale Kontrolle innehaben.409 Allerdings gibt es eben deutliche Unterschiede in Auftreten und Struktur von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen in der Konfliktwirklichkeit.410 Der Begründungsansatz erscheint nicht ausreichend, um allen verschiedenen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, die in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten auftreten, gerecht zu werden.

402 Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949, Rn. 4442. 403 Baxter, Ius in bello interno, in: Moor, Law and Civil War in the Modern World, 527. 404 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 16. 405 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 16. 406 Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 527, 528; Lysaght, The scope of Protocol II, 33 The American University Law Review 1983, 9, 12; Pictet, Kommentar, The Geneva Convention III, 36; Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369, 379; Wilson, International Law and the Use of Force by National Liberation Movements, 51. 407 Vgl. im Hinblick auf die Geltung von Menschenrechte den gleichen Erklärungsansatz bei Wolfrum/Philipp, The Status of the Taliban, 6 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2002, 559, 585. 408 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 15. 409 Vgl. S. 19. 410 Ryngaert, Non-State Actors and International Humanitarian Law, Working Paper 2008, 6; Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups in International Law, 15.

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(2) Originäre Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Andere Erklärungsmodelle losgelösten Verpflichtung der seits wird diese Bindung über ten nicht-staatlichen Gruppe wohnheitsrecht bejaht.

gehen von einer originären, vom Territorialstaat bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe aus. Einereigene vertragliche Verpflichtungen der bewaffnehergeleitet, andererseits auf Grundlage von Ge-

(a) Eigene vertragliche Verpflichtungen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Nach einer Ansicht411 sind die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen direkt aus dem völkerrechtlichen Vertrag gebunden, auch wenn sie nicht Vertragspartei desselben sind. Vielmehr handele es sich dabei um einen Vertrag zu Lasten Dritter. Artikel 34 WVÜ bildet die Grundlage für diese rechtliche Konstruktion. Die Voraussetzungen einer Ausnahme zum grundsätzlichen Verbot eines Vertrages zu Lasten Dritter sind wohl letztlich aber nicht gegeben.412 Teilweise wird angenommen, dass die Bindung aus dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen und dem Zweiten Zusatzprotokoll dann besteht, wenn die Anwendungsschwelle der jeweiligen Norm überschritten ist. Durch diese würden die Staaten eine partielle und partikulare Völkerrechtssubjektivität der Rebellen statuieren413, die daraus Rechte und Pflichten hätten. Über eine Bindungswirkung sagen diese materiellrechtichen Normen aber gerade nichts aus. (b) Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe an das Gewohnheitsrecht Gerade die Rechtsprechung geht davon aus, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen originär durch Völkergewohnheitsrecht gebunden sind.414 Beispielsweise nahm der IGH in seinem Nicaragua-Urteil an, dass die Contras qua Völkergewohnheitsrecht an den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen gebun411 Vgl. bzgl. des Zweiten Zusatzprotokolls Cassese, The Status of Rebels under the 1977 Geneva Protocol on Non-International Armed Conflicts, 30 International and Comparative Law Quarterly 1981, 423 ff. 412 Vgl. zum Stand der Diskussion Ryngaert, Non-State Actors and International Humanitarian Law, Working Paper 2008, Institute for International Law, 5; Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369, 377 m.w. N. 413 Frau, Entwicklungen bei der gewohnheitsrechtlichen Einbindung nicht-staatlicher Gewaltakteure, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 23, 29. 414 Vertreten wird dies beispielsweise durch Special Court for Sierra Leone, Appeals Chamber vom 13. März 2004, Decision to Challenges to Jurisdiction Lomé Accord Amnesty, Prosecutor against Morris Kallon, Brima Bazzy Kamara, Case No. SCSL2004-16-AR72(E), Rn. 47.

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den sind.415 Ebenfalls nahm der Sondergerichtshof Sierra Leone an, dass die RUF durch Völkergewohnheitsrecht an das humanitäre Völkerrecht gebunden sei: „Notwithstanding the absence of unanimity among international lawyers as to the basis of the obligation of insurgents to observe the provisions of Common Article 3 to the Geneva Conventions,416 there is now no doubt that this article is binding on States and insurgents alike and that insurgents are subject to international humanitarian law.“ 417

Wirksam zustandegekommenes Völkergewohnheitsrecht bindet als Quelle des Völkerrechts grundsätzlich alle Völkerrechtssubjekte. Dies setzt also voraus, dass die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe als Völkerrechtssubjekt angesehen werden kann und das Völkergewohnheitsrecht ihnen gegenüber wirksam entstanden ist. Entscheidend sind dabei der Geltungsgrund von Recht, im vorliegenden Fall von Gewohnheitsrecht, und die Frage nach einer Legitimationskette, da wiederum die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe an Recht gebunden sein soll, an dessen Entstehung sie nicht beteiligt war. Diese Fragestellung verdeutlicht die Parallelität zu der Fragestellung im Rahmen der Legitimitätsdiskussion. (aa) Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe an das Gewohnheitsrecht als Völkerrechtssubjekt Die Bindung an das Völkergewohnheitsrecht setzt zunächst voraus, dass eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe ein zumindest partielles Völkerrechtssubjekt sein kann. Ein Völkerrechtssubjekt ist grundsätzlich jede Person, die Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist, deren Verhalten also unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird. Der IGH hat die Völkerrechtssubjektivität wie folgt beschrieben: „What it does mean that it is a subject of international law and capable of possessing international rights and duties, and that it has capacity to maintain its rights by bringing international claims.“ 418

Grundsätzlich anerkennt das Völkerrecht die Möglichkeit, dass auch eine nicht-staatliche Einheit als zumindest partielles Völkerrechtssubjekt agieren kann.

415 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities In and Against Nicaragua, Nicaragua v. United States Of America, Rn. 218, 220. 416 Vgl. bspw. Convention Relative to the Treatment of Prisoners of War, Geneva, 12. August 1949, 75 UNTS 135. 417 Special Court for Sierra Leone, Appeals Chamber vom 13. März 2004, Decision to Challenges to Jurisdiction Lomé Accord Amnesty, Prosecutor against Morris Kallon, Brima Bazzy Kamara, Case No. SCSL-2004-16-AR72(E), Rn. 45. 418 IGH, Advisory Opinion vom 11. April 1949, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 9.

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Im traditionellen Völkerrecht würde eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe durch Anerkennung als „kriegsführende Partei“ partielle Völkerrechtssubjektivität erlangen.419 Gleiches gilt als stabilisiertes de-facto Regime. Ein solches besitzt partielle Völkerrechtssubjektivität unabhängig von der jeweiligen Anerkennung.420 Nach der Staatenpraxis kommt stabilisierten de-facto-Herrschaften allein kraft ihrer Existenz ein gewisser Mindestbestand an völkerrechtlichen Pflichten und Rechten zu.421 Die Staaten wehren sich aber regelmäßig aus Souveränitätsbedenken gegen eine, wenn auch nur partielle, Völkerrechtssubjektivität bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen.422 Nach anderer, in der Literatur vertretenen Ansicht besitzen Individuen, die sich zu einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zusammengetan haben, ausreichend Rechtspersönlichkeit, um im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht als partielle Völkerrechtssubjekte gelten zu können.423 Und auch der IGH ist der Ansicht, dass nicht nur Staaten als klassische Völkerrechtssubjekte Rechte und Pflichten unter dem Völkerrecht haben können. Vielmehr stellte er in seiner Advisory Opinion zum Reparation for Injuries Case Folgendes fest: „The subjects of law in any legal system are not necessarily identical in their nature or in the extent of their Rights, and their nature depends upon the need of the Community.“ 424

Damit machte der IGH schon früh klar, dass es aufgrund der zahlreichen international agierenden Akteure eine Anpassung der Völkerrechtssubjekte geben muss. Rechte und Pflichten anderer Völkerrechtssubjekte als Staaten hängen von ihrer ganz besonderen Funktion ab.425 Wenn die Bedürfnisse einer Gesellschaft sich ändern, müssen sich auch die Rechtssubjekte in ihr ändern.426 Eine Entwicklung hat aber auch im Bereich des humanitären Völkerrecht stattgefunden: Anstelle der „klassischen“ internationalen Konflikte zwischen zwei oder mehreren Staaten ist eine Vielzahl von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten getreten, an denen zahlreiche bewaffnete nicht-staatliche Gruppen beteiligt sind.427 Im 419 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S240, zu weiteren Voraussetzungen vgl. Cassese, International Law, 125. 420 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 240. 421 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 241. 422 Vgl. oben S. 109 f. 423 Draper, The Red Cross Conventions, 17; Frau, Entwicklungen bei der gewohnheitsrechtlichen Einbindung nicht-staatlicher Gewaltakteure, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 23, 29. 424 IGH, Advisory Opinion vom 11. April 1949, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 178. 425 Vgl. auch Anmerkungen in Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 222, Fn. 5, Shaw, International Law, 176. 426 Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369, 373. 427 Vgl. S. 19 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Hinblick auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen im humanitären Völkerrecht ist somit auch ein funktionaler Ansatz vorzuziehen,428 und diese als partielle Völkerrechtssubjekte anzusehen. (bb) Geltung des Völkergewohnheitsrechts gegenüber den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Entscheidend ist jedoch, dass das Völkergewohnheitsrecht auch gegenüber den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wirksam zustande gekommen ist. Teilweise wird davon ausgegangen, dass mit der Völkerrechtssubjektivität das Völkergewohnheitsrecht die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe direkt bindet.429 Die nicht-staatlichen Akteure sind wiederum nicht an der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts beteiligt, die heutige völkerrechtliche Praxis berücksichtigt bei der Ermittlung von Gewohnheitsrecht die Praxis von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht,430 sodass es insoweit an einem Legitimierungsgrund gegenüber den nicht-staatlichen Akteuren fehlen könnte. Ob eine fehlende Zustimmung bzw. Berücksichtigung der nicht-staatlichen Praxis jedoch dazu führt, dass das Gewohnheitsrecht die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht binden kann, hängt eng mit der Frage zusammen, welchen Geltungsgrund Völkergewohnheitsrecht für sich insgesamt beansprucht bzw. wie es entsteht: Ursprünglich wurde auch das Völkergewohnheitsrecht als Konsens zwischen den Staaten verstanden.431 Durch einen stillschweigenden Vertrag soll danach das Völkergewohnheitsrecht zustandekommen, sodass nur solche Staaten als verpflichtet gelten, die diesem Vertrag auch zugestimmt haben.432 Danach wären auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen mangels Zustimmung nicht gebunden, selbst wenn man sie als partielle Völkerrechtssubjekte ansieht. Die Auffassung verkennt jedoch die Differenzierung zwischen Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht, die Art. 38 IGH-Statut trifft. Anders als Vertragsrecht 428 Teilweise wird sogar vertreten, dass eine neue Form der Anerkennung durch den gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen geschaffen wurde, wodurch die bewaffneten nicht-staatliche Gruppen völkerrechtsunmittelbar zu den partiellen Rechtssubjekten des humanitären Völkerrecht würden, vgl. Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikt seit 1949, 69; vgl. auch Report of the International Commission of Inquiry on Darfur to the United Nations Secretary-General, Geneva, 25 January 2005, Rn. 172. A.A. noch Special Court for Sierra Leone, Appeals Chamber vom 13. März 2004, Decision to Challenges to Jurisdiction Lomé Accord Amnesty, Prosecutor against Morris Kallon, Brima Bazzy Kamara, Case No. SCSL-2004-16-AR72(E), Rn. 45. 429 Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 369, 373. 430 Vgl. dazu auch S. 68 ff., vgl. auch Quintin/Tougas, Generating Respect for the Law by Non-State Armed Groups, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 353 ff. 431 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 346. 432 Tunkin, Customary Norms of International Law, 49 California Law Review 1961, 419, 423; Martin/Schnably, International Human Rights and Humanitarian Law, 30.

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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basiert Völkergewohnheitsrecht gerade nicht auf Zustimmung, sondern auf einer grundlegenden kollektiven Rechtsüberzeugung.433 Grundsätzlich wird im Völkerrecht davon ausgegangen, dass auch Staaten, deren Staatenpraxis nicht berücksichtigt wurde, zunächst an das Völkergewohnheitsrecht gebunden sind.434 Allerdings wird bei Ermittlung der gemeinsamen Staatenpraxis diese universell betrachtet. Eine gewohnheitsrechtliche Norm kann nur dann entstehen, wenn eine Mehrheit der Staaten in Überzeugung und in Kenntnis handelt, dass es sich um ein rechtlich relevantes Verhalten handelt. Aus dem Bestehen der Figur des „persistent objectors“ ergibt sich, dass es weiterhin auf die Akzeptanz der Staaten insgesamt ankommt. Denn ein Staat, der sich im Zuge der Herausbildung einer Norm des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts von Anfang an ihrer Anwendung beharrlich widersetzt hat, kann zwar nicht ihre Entstehung verhindern, wohl aber erreichen, dass er durch sie nicht gebunden wird, da diese Norm ihm gegenüber unanwendbar ist.435 Diese Annahme stellt den Grundstein dafür dar, dass auch Völkergewohnheitsrecht dem Willen der Staaten selbst entspricht und mithin grundsätzlich eine Art Konsens zwischen den Staaten darstellt.436 Dabei muss das Einverständnis der Staaten allerdings nicht vertraglich verbindlich erklärt werden, sondern es wird beim Vorliegen einer Mehrheit vorausgesetzt.437 Die Norm des Völkergewohnheitsrechts wirkt also für und gegen einen Staat, weil dieser, wenn auch indirekt, an deren Entstehung beteiligt war. Dies ist Folge des völkerrechtlichen Systems, welches sich immer noch durch horizontale Bindungen auszeichnet. Demnach ist die (indirekte) Partizipation bei der Entstehung der Norm auch ein wesentliches Element der Geltung des Gewohnheitsrechts gegenüber einem Staat.438 Gerade eine solche, wenn auch indirekte, Partizipation an der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts fehlt wiederum bei den bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen.439 Die fehlende Legitimität gegenüber bewaffneten nicht433 Vgl. Committee on the Formation of Customary International Law, The Role of State Practice in the Formation of Customary and Jus Cogens Norms of International Law, Proceedings of the American Branch of the Law Association 1987–1988, 101, 102 ff. 434 Tunkin, Customary Norms of International Law, 49 California Law Review, 1961, 419, 425. 435 IGH, Urteil vom 18. Dezember 1951, Fisheries (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports 1951, 116, 131; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 352. 436 Ebenso Tasioulas, In Defence of Relative Normativity: Communitarian Values and the Nicaragua Case, 16 Oxford Legal Studies 1996, 85, 92. 437 Tomuschat, Obligations Arising for States Without Or Against Their Will, 241 Recueil de Cours 1993, 220, 291. 438 Ryngaert, Imposing International Duties, in: Northmann/Ryngaert, Non State Actor Dynamics in International Law, 69, 73. 439 Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikt seit 1949, 70 m.w. N.; Ryngaert, Imposing International Duties, in: Northmann/Ryngaert, Non State Actor Dynamics in International Law, 69, 84 m.w. N.

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staatlichen Gruppen wegen mangelnder Partizipation wird auch von diesen selbst ins Feld geführt.440 Insoweit besteht auch auf der Ebene der Bindung an das Völkergewohnheitsrechts eine vergleichbare Problematik wie auf der Ebene der Rechtsbefolgung aufgrund von Legitimitätserwägungen. Diskutiert wird daher, ob auch die Praxis nicht-staatlicher Akteure bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht berücksichtigt werden sollte.441 Dies wird bereits teilweise in Bezug auf Nichtregierungsorganisationen vertreten442 und könnte auf andere nicht-staatliche Akteure ausgeweitet werden.443 Ein Einbezug der Praxis bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen erscheint möglich.444 Dies wird im Völkerrecht grundsätzlich nicht verboten, einer solchen Auslegung steht auch nicht der Wortlaut des Art. 38 IGH-Statuts entgegen. Denn obwohl Art. 38 IGH-Statut nach wie vor in Bezug auf staatliches Handeln interpretiert wird, was das Handeln nicht-staatlicher Akteure per se ausschließt, wird der Begriff Staat in dem Artikel nicht erwähnt.445 Dennoch entspricht eine solche Auslegung nicht der heutigen Praxis des Völkerrechts, wie auch die Studie des IKRK zum Gewohnheitsrecht zeigt:446 Diese bezeichnet die rechtliche Bedeutung der Praxis nicht440 Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 375. 441 Noortmann hebt hervor, dass die Frage, ob im Zeitalter der Globalisierung auch andere Akteure als Staaten und Regierungsorganisatoren an der Bildung der Staatenpraxis teilhaben können, wenig erforscht ist, vgl. Noortmann, Aufständische Gruppen und private Militärunternehmen, in: Heintze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 187, 192 m.w. N. 442 Chinkin, The Role of Non-Governmental Organizations in Standard Setting, Monitoring and Implementation on Human Rights in the Changing World of International Law in the Twenty-first Century, 58. 443 Noortmann, Aufständische Gruppen und private Militärunternehmen, in: Heintze/ Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 187, 193; Schreuer, The Waning of The Sovereign State, 4 European Journal of International Law 1993, 447, 456; Santos ist der Ansicht, dass die Gruppen durch Zeichnung des Deed of Commitments zur Schaffung einer neuen Norm des Völkergewohnheitsrecht über die Ächtung von Tretminen beitragen: vgl. Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, Report of Proceedings and Recommendations, 32. 444 Sassoli, Involving organized armed groups in the development of the law?, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 213, 214. Ebenfalls in diese Richtung gehend: ICTY, Case No. IT-94-1-T, Appeal Chambers Decision on the Defence motion for interlocutory appeal on jurisdiction, Prosecutor v. Dusko Tadic, 2. Oktober 1995, Rn. 103, 107, 109. Gegen einen Einbezug der Praxis nicht-staatlicher Akteure zur Entstehung des Völkergewohnheitsrechts spricht sich Charlesworth aus Sorge darum aus, dass Staaten das Gewohnheitsrecht dann weniger beachteten: Charlesworth, The Unbearable Lightness of Customary International Law, 92 American Society International Law Proceedings 1998, 44 ff. 445 Noortmann, Aufständische Gruppen und private Militärunternehmen, in: Heintze/ Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 187, 193. 446 Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International and Comparative Laq Quarterly 2006, 369, 373 m.w. N.; Sivakumaran, Implementing humanitarian

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staatlicher bewaffneter Gruppen als unsicher. Außerdem ist bereits die Identifizierung nicht-staatlicher Praxis ein wesentliches Problem: Die Vielzahl und Diversität der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen macht die Manifestierung der Gewohnheiten schwierig. (c) Ius cogens bindet bewaffnete nicht-staatliche Gruppen Wie festgestellt, kann aber eine Norm auch dann legitim sein, wenn sie einen substantiellen Wert verkörpert. Auch dies wird auf der Ebene der Rechtswissenschaften durch die Existenz von ius cogens-Normen gespiegelt. Solche Normen, die wesentliche Werte der internationalen Gemeinschaft zusammenfassen, können alle Subjekte des Völkerrechts binden, unabhängig von deren Zustimmung oder (indirekter) Partizipation bei der Entstehung. Mithin können sie auch die Bindung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen an zumindest Teile des humanitären Völkerrechts begründen. Die Existenz solch übergeordneter Rechtsnormen ist im Völkerrecht anerkannt. Nach Art. 53 WVÜ ist eine ius cogens-Norm eine Verpflichtung, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird. Von dieser darf nicht abgewichen werden und sie kann nur durch eine spätere Norm derselben Rechtsqualität abgeändert werden. Dabei müssen diese Normen Interessen schützen, die gegenüber dem Individualinteresse des Verantwortlichen als höher einzustufen ist.447 Allgemein anerkannt sind beispielsweise das Verbot von Völkermord, Sklaverei, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter sowie das Recht auf Selbstbestimmung.448 Auch grundlegenden Normen des humanitären Völkerrechts wird im Allgemeinen ein übergeordneter Rang, nämlich der Charakter von ius cogens zuerkannt.449 Anders als Normen des bloßen Völkergewohnheitsrechts, das grundsätzlich nachgiebiges Recht ist und damit im gegenseitigen Verhältnis der Staaten grundsätzlich abbedungen werden kann,450 binden völkerrechtliche ius cogens-Normen alle Völkerrechtssubjekte in ihren völkerrechtlichen Verhältnissen. In Literatur und Praxis wird von einem Fundament humanitärer Mindeststandards ausgegangen. Grundlegend sind diesbezüglich zwei Resolutionen der UNnorms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 139. 447 Kadelbach/Kleinlein, Überstaatliches Verfassungsrecht: Zur Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 44 (2006), 235 ff. 448 Resolution der UN-Generalversammlung vom 19. Dezember 1968, UN Doc. Res. 2444 (XXIII). 449 Meron, The Geneva Conventions as Customary Law, 81American Journal of International Law 1987, 348, Thürer, Kriegerische Gewalt und die Rule of Law, in: Gasser, Humanitäres Völkerrecht, Zürich 2007, 6, 7; Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, 71; Hess, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts, insbesondere in gemischten Konflikten, 93. 450 BVerfGE 18, 441, 448 f.

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Generalversammlung, nämlich einerseits die Resolution 2444 (XXIII) aus dem Jahre 1968 sowie die Resolution 2675 (XXV) aus dem Jahre 1970. Darin wird nachdrücklich die Forderung vertreten, dass die fundamentalen humanitären Mindeststandards einzuhalten sind. Als unbestrittene Kernsätze dieser Mindeststandards gelten das Verbot, die Zivilbevölkerung als solche anzugreifen, sowie das Gebot der Unterscheidung, also der Grundsatz, unter allen Umständen zwischen Mitgliedern der kämpfenden Verbände und der Zivilbevölkerung zu unterscheiden.451 Auch das IKRK weist die Konfliktparteien in sämtlichen Arten bewaffneter Konflikte immer wieder auf die „Règles fondamentales“ und damit auf die zentralen moralischen Imperative452 des humanitären Völkerrechts hin.453 Der IGH hat in seinem Nicaragua-Urteil festgestellt, dass die im gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen niedergelegten Grundsätze als „Ausdruck von grundlegenden Erwägungen der Menschlichkeit schlechthin“ längst einen gewohnheitsrechtlichen Mindeststandard darstellen, wenn nicht sogar ein „Bestandteil des ius cogens“ sind.454 Die minimalen Grundsätze, die die Grundwerte des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen beinhalten, stellen Verpflichtungen erga omnes dar455 und spiegeln die Grundwerte der internationalen Gesellschaft wider.456 Sie sind auch, wie die fast universelle Zeichnung der Genfer Konventionen belegt, von der Staatengemeinschaft im Sinne des Art. 53 WVÜ anerkannt und verfolgen hochrangige Interessen. Damit stellen sie ius cogens dar.457 Der übergeordnete Charakter dieser fundamentalen Garantien wird aus dessen Schutzwirkung und der Verbindung zu den fundamentalen Menschenrech451 Taubenfeld, The Laws of War in Civil War, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 499, 502; Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten und ihre Vereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht, in: Haase/Müller/ Schneider, Humanitäres Völkerrecht, Politische, rechtliche und strafgerichtliche Dimensionen, 78, 107. 452 Baxter, Existing Problems of Humanitarian Law, Revue de droit pénal et de droit de la guerre 1975, 297, 300. 453 Hess, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts, insbesondere in gemischten Konflikten, 1985, 283. 454 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Rep. 1986, 14 ff., 114; Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten und ihre Vereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht, in: Haase/ Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, Politische, rechtliche und strafgerichtliche Dimensionen, 78, 105; Forsythe, Legal Management of Internal War, 72 American Journal of International Law 1978, 272, 273. 455 Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 61. 456 Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 61, 63; Elder, The Historical Background of Common Article 3 of the Geneva Convention of 1949, 11 Case Western Reserve Journal of International Law 1979, 37, 54; Bothe, Töten und getötet warden, in: Dicke u. a., Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, Berlin 2005, 73; Forsythe, Legal Management of Internal War, 72 American Journal of International Law1978, 272, 273. 457 Fleck, Humanitarian Protection against Non-State Actors, in: Winkelmann/Wolfrum, Verhandeln für den Frieden, Negotiating for Peace, 70, 71 m.w. N.

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ten geschlossen.458 Aufgrund dieser zwingenden Wirkung der in Art. 3 Genfer Konventionen niedergelegten Mindeststandards und der Wirkung von ius cogensNormen als zentrales und allgemeinverbindliches Gerüst des Völkerrechts, sind die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen als partielle Völkerrechtssubjekte in jedem Fall an diese Mindeststandards gebunden. cc) Spiegelbildlichkeit der Fragestellung Die verschiedenen rechtswissenschaftlichen Theorien zur Bindung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen können, wie auch die Analyse im Rahmen des Gewohnheitsrechts zeigt, die fehlende Beteiligung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen bei der Rechtsentstehung nicht überwinden. Die fehlende Legitimitätskette ist dem grundsätzlich horizontalen System des Völkerrechts eigentlich fremd und erklärt sich nur mit der besonderen Stellung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen außerhalb des sonst staatszentrierten Rechts. Diese fehlende Legitimation kann zunächst nur durch die ius cogens-Normen überwunden werden. Problematisch ist allerdings, dass eine Bindung nur an ius cogens-Normen dazu führen könnte, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen weniger umfassend gebunden sind als die staatliche Einheit, die sie bekämpfen. Dies könnte zu einer generellen Abschwächung des Schutzstandards führen. In der Literatur und in der Praxis wird dies in der Regel damit gelöst, dass pauschal auf die Bindung der nicht-staatlichen Akteure an das humanitäre Völkerrecht verwiesen wird.459 Bemerkenswert ist jedoch die Spiegelbildlichkeit der Diskussion zu der Frage der Bindungswirkung, insbesondere im Rahmen des Gewohnheitsrechts, zu der Frage nach der Rechtsbefolgung aufgrund von Legitimität der Normen. Besonders die fehlende Partizipation und die damit unter Umständen einhergehende fehlende (Input-)Legitimität kann letztlich zu Rechtsbefolgungsproblemen führen, sei es, weil sich eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe schon gar nicht gebunden fühlt oder weil sie eben die Norm an sich für nicht legitim erachtet. dd) Fazit aus der Gleichläufigkeit der Diskussion Nicht überraschend ist, dass die Diskussion dabei sowohl auf der politikwissenschaftlichen wie auch auf der rechtswissenschaftlichen Ebene auf identischen Kriterien basiert, aber auf verschiedenen Ebenen stattfindet. 458 Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 61; Meron, The Humanization of Humanitarian Law, 94 American Journal of International Law 2000, 239, 253; Heintze, Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts durch den Menschenrechtsschutz, in: Heintze/Ipsen, Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderung an das humanitäre Völkerrecht, 163, 166; Provost, International Human Rights and Humanitarian Law, 132. 459 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, 1 International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 14.

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Die unterschiedlichen Ebenen der Diskussion zwischen rechtlicher Verpflichtung und rechtlicher Befolgung ergeben sich schon aus den verschiedenen Perspektiven, die die Disziplinen beleuchten. Einer rechtlichen Verpflichtung, die einen Akteur bindet, liegen letztlich objektive Gründe zugrunde. Bei der Rechtsbefolgung, die die Sozialwissenschaften beleuchten, ist hingegen die subjektive Komponente entscheidend. Diese fehlte aber lange im Völkerrecht: Da zunächst (fast) ausschließlich die Staaten Berechtigte und Verpflichtete des Rechts waren, lag letztlich der Geltungsgrund von Recht auf derselben Ebene wie der Befolgungsgrund. Anders als im nationalen Recht waren die Staaten gleichzeitig diejenigen, die das Recht geschaffen haben und die durch das Recht verpflichtet und berechtigt waren. Da das Völkerrecht die Summe an Verpflichtungen war (und ist), denen sich ein Staat freiwillig unterworfen hat,460 galt lange die Prämisse, dass das Recht aus sich heraus befolgt wurde. Die Gleichläufigkeit der Diskussion zeigt aber vor allem, wie wichtig sowohl objektiv wie auch subjektiv die Partizipation der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen bei der Rechtsentstehung ist. Denn wenn im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die Rechtsbindung der staatlichen Konfliktpartei und der nicht-staatlichen Konfliktpartei an den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen festgestellt wird, so ist damit in der Konfliktwirklichkeit doch nicht mehr gewonnen als der Versuch, ein Minimum humanitärer Verhaltensmuster einzuhalten.461 Ob die Verpflichtungen dann auch durch die Konfliktparteien beachtet werden, ist damit nicht gesagt462, da – wie die Diskussion auf der Rechtsbefolgungsseite zeigt – auch der Wille, Normen zu folgen, oftmals abhängig von der Beteiligung an deren Entstehung ist.463 Eine tatsächliche Rechtsinhaberschaft ist oftmals notwendig, um eine Beachtung des humanitären Völkerrechts zu erreichen.464 Inso460 Roberts/Sivakumaran, Lawmaking by Nonstate Actors, 37 Yale Jounal of International Law 2012, 107, 109. 461 Ipsen, Humanitäres Völkerrecht und asymmetrische Konfliktparteien. Ein Ausschlussbefund, in: Fischer-Lescano/Gasser, Frieden in Freiheit, 445, 455. 462 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors to Respect Humanitarian Law and Human Rights Law, 11; Gasser, Humanitäres Völkerrecht, 63, 64 geht aber auch davon aus, dass für die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe das bloße unmittelbare Unterworfensein unter das Völkerrecht bereits als Prestigegewinn aufgefasst werden kann. 463 Ryngaert, Non-State Actors and International Humanitarian Law, Working Paper 2008, 6; Sivakumaran, Binding Armed Opposition Groups, 55 International & Comparative Law Quarterly 2006, 369 375; vgl. dazu insgesamt Sassoli, Possible Legal Mechanisms to Improve Compliance by Armed Groups with International Humanitarian Law and International Human Rights Law, Conference Paper. 464 Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 525, 528; Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125,

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weit ist es nicht verwunderlich, dass auch internationale Institutionen im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die Notwendigkeit erkannt haben, diese an der Rechtsentstehung zu beteiligen.465 Auch Nichtregierungsorganisationen, die mit solchen Gruppen zusammenarbeiten, können und müssen sich diese Erkenntnis zunutzemachen, um die Rechtsbefolgung zu fördern.

B. Relevante Kriterien für die Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen Die verschiedenen dargestellten Ansätze suchen zu erklären, warum insbesondere staatliche Akteure willentlich Recht befolgen. Wie bereits festgestellt, werden vorliegend nicht die Vor- und Nachteile verschiedener theoretischer Erklärungsansätze beleuchtet. Vielmehr können die theoretischen Ansätze jeweils unterschiedliche Situationen bedienen und sollen daher insgesamt nicht als sich gegenseitig ausschließend betrachtet werden, sondern als sich ergänzend.466 Um den größtmöglichen Erfolg zu bieten, bedarf es einer Verbindung der verschiedenen Herangehensweisen, um umfassend auf Nicht-Befolgung reagieren zu können.467 Eine solche Vereinfachung hat den Vorteil, dass so allgemeingültige Kriterien identifiziert werden, mit denen auch NGOs gegenüber bewaffenten nicht-staatlichen Gruppen arbeiten können. I. Identifizierte Kriterien: Zwang, Eigeninteresse und Legitimität Insgesamt überzeugt die Gemeinsamkeit der Disziplinen und der Rückverweis auf dieselben Motive, sodass theoretisch bei einer Kombination der dargestellten Theorien folgende Möglichkeiten bestehen, die Rechtsbefolgung des einzelnen Akteurs zu beeinflussen: Zwang, Eigeninteresse und Legitimität im Sinne einer Input-Legitimität und Output-Legitimität.468 Die Beziehung zwischen den ver130. Davon ging auch zunächst das IKRK aus, welches bei den der vorbereitenden Konferenz zu den Genfer Konventionen vorschlug, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen ihre Zustimmung zur Geltung des humanitären Völkerrecht erklären sollten, vgl. Elder, The Historical Background of Common Article 3 of the Geneva Convention of 1949, 11 Case Western Reserve Journal of International Law 1979, 37, 42. 465 Vgl. bspw. das Ruanda Tribunal, welches berücksichtigte, dass die Rwandan Patriotic Front ausdrücklich ihre Bindung an das humanitäre Völkerrecht erklärt hat, ICTR, Case No. ICTR-96-4-T, Prosecutor v. Jean-Paul Akayesu, Judgment Trial Chamber, 2. September 1998, Rn. 627. 466 Tallberg, Path to Compliance, 56 International Organization 2002, 609; Fearon/ Wendt, Rationalism v. Constructivism, in: Carlsnaes/Risse/Simmons, Handbook of International Relations, 52, 53. 467 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 34 f. 468 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379; diese drei Kriterien sind auch die in der politischen Philosophie identifizierten, vgl. Burgstaller, Theories of Compliance with International Law, 92.

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schiedenen Motiven ist komplex und selten liegen diese isoliert voneinander vor.469 Jedes der dargestellten Motive ist damit Teil des Mosaiks470, welches zu einer erhöhten Rechtsbefolgung führen kann. Wie wiederum die einzelnen Begründungsansätze zueinander im Verhältnis stehen, muss empirisch analysiert werden und kann nicht durch eine theoretische Auseinandersetzung geklärt werden.471 Daher wird im Folgenden mangels empirischer Gegenwerte davon ausgegangen, dass die Mechanismen grundsätzlich gleichwertig sind und sich ergänzen.472 Dies muss umso mehr gelten, als die meisten Positivisten unter den Sozialwissenschaftlern davon ausgehen, dass ein Verhalten meistens von verschiedenen Motiven veranlasst ist.473 Vorliegend sollen daher die Kriterien Zwang, Eigeninteresse und Legitimität als Grundlage dienen für die Auseinandersetzung mit möglichen Instrumenten, die gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen eingesetzt werden, um diese zur Rechtsbefolgung anzuhalten. Dazu müssen die identifizierten Kriterien zunächst überhaupt auf das humanitäre Völkerrecht und auf bewaffnete nichtstaatliche Gruppen anwendbar sein. 1. Übertragbarkeit der Kriterien auf das humanitäre Völkerrecht

Die Untersuchungen und Theorien zu den Fragen der Rechtsbefolgung im Völkerrecht wurden im Wesentlichen zu Staaten durchgeführt. Dies rührt daher, dass diese die primär Berechtigten und Verpflichteten des Völkerrechts sind und damit ihre Rechtsbefolgung zentral für die Wirkung des Völkerrechts insgesamt ist. Inhaltlich beschäftigt sich ein Großteil der Untersuchungen insbesondere mit Fragen des Umweltrechts.474 Aus den genannten Theorien lassen sich aber durchaus auch Rückschlüsse ziehen, aus welchen Motiven heraus andere Akteure das Recht befolgen.475 469 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization 1999, 379, 389. 470 Pulkowski, Testing Compliance Theories, 19 Leiden Journal of International Law 2006, 511, 552. 471 Vgl. dazu Arbeiten wie Simmons, Compliance with International Agreements, 1 Annual Review of Political Sciences 1998, 75 ff. 472 Hurd, Legitimacy and Authority in International Politics, 53 International Organization, 1999, 379, 380. 473 Jacobsen, Conceptual, Methodological and Substantive Issues Entwined in Studying Compliance, 19 Michigan Journal of International Law 1997–1998, 569, 573. 474 Vgl. bspw. Brown Weiss, National Compliance with International Environmental Agreements, in: Theme Plenary Session: Implementation, Compliance and Effectiveness, 91 American Society of International Law Proceedings 1997, 56 ff.; Brown Weiss/ Jacobsen, Engaging Countries: Strengthening Compliance with International Environmental Accords. 475 Vgl. Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL, 1993, 327, 329; Alvarez, Measuring Compliance, in: Louis Henkin, How are Nations Behaving?, 96 American Society of International Law Proceedings 2002, 209.

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Die Interessenlage im internationalen Umweltrecht und im humanitären Völkerrecht ist vergleichbar. In beiden Rechtssystemen gibt es ein besonderes Schutzgut, dessen Verletzung unter Umständen einen kurzweiligen Vorteil für die Akteure bedeutet. Während das Umweltrecht Regelungen zum Schutz von Boden, Wasser und Luft sowie Pflanzen und Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen enthält, regelt das humanitäre Völkerrecht primär den Schutz des Menschen während eines bewaffneten Konflikts. In beiden Fällen versucht das Recht die Minimierung von Einwirkungen auf das jeweilige Schutzgut zu erreichen. Das internationale Umweltrecht ist stark reguliert, aber auch im humanitären Völkerrecht gibt es einen umfassenden Regelungskanon hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Konfliktparteien. Und wie auch im Umweltrecht treten im humanitären Völkerrecht Situationen auf, in denen das Ziel der Norm auch für den einzelnen Verpflichteten nachvollziehbar und wohl auch legitim ist, die Rechtsbefolgung allerdings für den jeweiligen Akteur insbesondere kurzfristig sehr kostenintensiv sein kann. 2. Übertragbarkeit auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Staaten und bewaffnete nicht-staatliche Gruppen können unterschiedliche Ziele haben, von unterschiedlichen Motiven geleitet werden und verschiedenen Traditionen verbunden sein. Trotz dieser Unterschiede ist eine Übertragbarkeit der gefundenen Kriterien auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen möglich. Teilweise wird vertreten, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen nicht als rationale Akteure handeln und insofern nicht zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts angehalten werden können.476 Dem stehen jedoch empirische Erfolge beispielsweise von Geneva Call entgegen, die erfolgreich Gruppen zur Rechtsbefolgung gebracht haben.477 Und auch die Erfahrungen mit der SPLM/A haben gezeigt, dass eine bewaffenete nicht-staatliche Gruppe grundsätzlich in der Lage ist, Recht zu befogen und rational handelt.478 Die Forschung zur Rechtsbefolgung konzentriert sich im internationalen Bereich zwar auf das Verhalten von Staaten, im nationalen Kontext stehen aber Individuen und Firmen im Vordergrund. Allerdings sind dabei Herangehensweisen, aber auch die Ursachen vergleichbar. Young führt dies darauf zurück, dass internationale Abkommen in der Regel in nationales Recht umgesetzt werden und daher auch ähnliche Motive zu 476 Vgl. die Auseinandersetzung damit bei Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 14 f. m.w. N.; Krieger, Inducing Compliance in Areas of Limited Statehood, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 504, 518 f., vgl. dazu auch Fazal, Wars of Law, Unintended Consequences in the Regulation of Armed Conflict, 59. 477 Vgl. S. 149 ff. 478 Ebenso Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 14.

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einer Rechtsbefolgung führen.479 Für eine Vergleichbarkeit spricht aber auch, dass dieselben sozialen Motive einer Entscheidung zur Rechtsbefolgung zugrunde liegen. Denn sowohl auf staatlicher Ebene als auch auf der Ebene von privaten Firmen oder Gruppen stehen letztlich Entscheidungsträger, die handeln und verantwortlich sind.480 Im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht sind diese Entscheidungsträger beispielsweise auf staatlicher wie auf nicht-staatlicher Sicht an das internationale Strafrecht gebunden. Hinsichtlich der Rechtsbefolgung auf nationaler und auf internationaler Ebene unterscheiden sich sowohl auf juristischer als auch auf sozialwissenschaftlicher Seite die genannten zwei Grundströmungen. Die Vertreter des Rationalismus vertreten Modelle, die auf Durchsetzung, Zwang, aber auch Überzeugung basieren, sodass der betroffene Akteur nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung das Recht aus eigenem Nutzen befolgt. Soweit die Kosten des Rechtsbruchs höher sind als dessen Nutzen, erfolgt in der Theorie eine Rechtsbefolgung. Dies wird in den einzelnen Nationalstaaten bei der Rechtsdurchsetzung berücksichtigt und regelmäßig zumindest der Schutz elementarer Rechtsgüter im Strafrecht unter Strafe und damit unter Sanktionen und Zwang gestellt. Die mehr normativ geprägte Herangehensweise stellt die Zusammenarbeit sowie die rechtliche oder auch moralische Überzeugung in den Vordergrund. Auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen können, wie auch Staaten, rational agieren oder Wertvorstellungen folgen.481 Sie agieren entweder wie Einzelpersonen oder haben, wenn sie gut strukturiert sind, zumindest staatsähnliche Entscheidungsprozesse oder innere sanktionsbewährte Durchsetzungsmöglichkeiten. Eine solche Gruppe übt faktisch Gewalt über die Menschen aus, die auf dem von ihr beherrschten Territorium wohnen. In dieser Hinsicht wird die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe als einheitliches Subjekt angesehen, welches eine einheitliche Entscheidung trifft. Auch innerhalb von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen bestehen gemeinsame Interessen, und interne Ziele sind häufig intern anerkannt bzw. können durchgesetzt werden. Dabei spielt wiederum die Struktur der Gruppe482 eine wesentliche Rolle, um eine soziale Kontrolle483 des Einzelnen gewährleisten zu können. Letztlich besteht also gerade in Bezug auf die Entscheidungsprozesse eine Vergleichbarkeit, sodass die identifizierten Kriterien auch auf Fragen der Rechtsbefolgung durch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen übertragen werden können. 479 Young, Is Enforcement the Achilles’ Heel of International Regimes?, in: Young, Governance in World Affairs 1999, 79, 93. 480 Scott/Stephan, The Limits of Leviathan, 44. 481 Vgl. insgesamt zur Rechtsbefolgung von Individuen und Gruppen: Tyler, Why People Obey The Law, 19 ff., 170 ff. 482 Vgl. oben S. 85 ff. 483 Fuchs-Heinritz, Lexikon zur Soziologie, 368; Gibbs, Norms, Deviance, and Social Control, Conceptual Matters, 52 mit weiteren Definitionsansätzen.

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II. Anwendung der Kriterien zur Verbesserung der Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen Die identifizierten Kriterien Zwang, Eigeninteresse und Legimität können herangezogen werden, um auch die Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zu untersuchen. 1. Anwendung von Zwang zur Verbesserung der Rechtsbefolgung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen

Wie bereits festgestellt, ist die Zielerreichung durch absolut wirkenden Zwang dem Völkerrecht grundsätzlich fremd. In der Regel kann die Rechtsbefolgung von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen auch nicht umfassend durch Zwang beeinflusst werden: Auch und gerade gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen im bewaffneten Konflikt ist das dafür notwendige hierarchische Verhältnis auf nationalstaatlicher Ebene grundsätzlich aufgehoben, die Konflikte sind vielmehr gekennzeichnet durch das Fehlen der Staatsgewalt oder einen Mangel an Durchsetzbarkeit der Interessen im hierarchischen System. Damit scheidet eine nur durch Zwang gesteuerte Beeinflussung zur Rechtsbefolgung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen jedenfalls auf nationalstaatlicher Ebene aus. Zwangsmaßnahmen könnten dem bewaffneten nicht-staatlichen Akteur natürlich auch noch von anderen Akteuren angetragen werden. Dafür kommt in der Regel nur die Staatengemeinschaft in Betracht: Maßnahmen und Initiativen der Vereinten Nationen gehen in die Richtung, Individuen oder Gruppen durch negative Anreize und gezielte Sanktionen in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Die Vermeidung von strafrechtlichen Konsequenzen und anderen Zwangsmaßnahmen wie gezielten Sanktionen kann einen ausreichenden Anreiz darstellen, das Recht zu befolgen.484 Ein negativer Anreiz könnte die öffentliche Bezichtigung, das sogenannte Naming und Shaming, sein. Diese Maßnahme setzt an dem öffentlichen Bild der Gruppe an und will darauf aufbauend das Verhalten und damit auch das Bild nach außen wandeln bzw. beeinflussen.485 In einzelnen Fällen ist diese Maßnahme (oftmals auch gekoppelt mit der Androhung von zielgerichteten Sanktionen) erfolgsversprechend, wie das System der Vereinten Nationen zu Kindern in bewaffneten Konflikten zeigt.486 Zum Schutz von Kindern in bewaffneten

484 Ballal/Casey-Maslen, Enhancing Compliance with International Law by Armed Non-State Actors, 3 Goettingen Journal of International Law 2011, 175, 195. 485 Labbé/Meyer/Somer, Engaging Nonstate Armed Groups on the Protection of Children, 5. 486 Vgl. dazu insgesamt Klostermann, The UN Security Council’s Special Compliance Systems, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 313 ff.

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Konflikten hat der UN-Sicherheitsrat ein umfassendes Schutzsystem aufgebaut: Zentrales Element ist eine seit 2001 existierende Liste, auf der solche Parteien genannt werden, die Kindersoldaten rekrutieren und kämpfen lassen.487 Seit 2009 werden auch solche Akteure gelistet, die andere wesentliche Kinderrechte in einem bewaffneten Konflikt verletzen.488 Diese „Liste der Schande“ als zentrales Element wurde mit einem Überwachungsmechanismus verbunden, und letztlich können gegen die Akteure, die die Kinderrechte im Konflikt verletzen, auch gezielte Sanktionen verhängt werden. Diese Maßnahmen bedienen nicht nur Zwang als Kriterium, sondern auch das Eigeninteresse. So kann es im Eigeninteresse des Akteurs liegen, von der Liste gelöscht zu werden: Gerade eine öffentliche Bezichtigung, dass eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe Kinderrechte verletzt, greift deren Reputation stark an und kann zu sinkender Unterstützung weltweit führen. Weiter als das bloße Naming und Shaming gehen gezielte Sanktionen der Vereinten Nationen. Solche Sanktionsmaßnahmen des Sicherheitsrates sind vor allem Waffenembargos, Kontensperrungen oder Reisebeschränkungen. Dazu sollte allerdings sichergestellt werden, dass diese Aktionen den jeweiligen Akteur auch tatsächlich treffen. Der Sicherheitsrat verpflichtet Staaten in seinen Resolutionen solche Maßnahmen gegenüber nicht-staatlichen Gruppen und Individuen zu verhängen.489 Beispielweise wurden gegen Individuen in der Demokratischen Republik Kongo durch den Sicherheitsrat Reisebeschränkungen und finanzielle Sanktionen wie Kontensperrungen verhängt.490 Auch wenn bisher keine direkten Auswirkungen solcher Sanktionen beobachtet werden konnten, erhöhen sie eindeutig die Kosten des Rechtsbruchs für den jeweiligen Akteur. Vereinzelt scheint auch eine Androhung und Anwendung von Zwang durch NGOs selbst möglich zu sein, um eine Verhaltensänderung und eine Rechtsbefolgung herbeizuführen. Sie könnten beispielsweise die Hilfsleistung von einem humanitär akzeptablen Verhalten abhängig machen491 und ihre Unterstützung unterbrechen oder die humanitäre Hilfe insgesamt aussetzen, beispielsweise wenn bestimmte Verpflichtungen wie der Schutz humanitärer Korridore nicht eingehalten werden. Es obliegt allerdings der Entscheidung der jeweiligen NGO, ob sie eine solche Drohung oder tatsächliche Ausführung gegebenenfalls auch zulasten der Hilfeleistung und damit zum Nachteil der Zivilisten durchführen will.

487

Vgl. UNSC Resolution 1379 (20. November 2001). Klostermann, The UN Security Council’s Special Compliance Systems, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 313, 335. 489 Steiger, Nicht-staatliche Gewaltakteure im Fokus des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 55, 57. 490 UNSC Resolution, 1807 (2008), UN Doc. A/65/820-S/2011/250 Rn. 205 f. 491 Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 243. 488

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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2. Beeinflussung des Eigeninteresses nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen befolgen das humanitäre Völkerrecht auch aus eigenem Interesse. Daher ist es unerlässlich, die individuellen Ziele und Motive einer Gruppe zu kennen.492 Die Gründe, warum nicht-staatliche bewaffnete Gruppen das humanitäre Völkerrecht (nicht) befolgen, spielen dabei eine wichtige Rolle.493 Die bereits für Staaten genannten eigenen Interessen sind Machterhaltung bzw. Machterweiterung und geopolitische Interessen (Realismus), Identifizierung mit nationalen Interessen (Liberalisten) sowie gleichlaufende Interessen (Institutionalisten). Diese grundlegenden Motive finden sich auch bei bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen wieder.494 Im Besonderen spielen die Motive der Reziprozität und Reputation regelmäßig eine wesentliche Rolle. Die Frage nach Reputation fließt bei Staaten in die Kosten-Nutzen-Rechnung des Akteurs ein: „A state that violates an international commitment signals to other states that it does not take its international promises seriously and that it is willing to ignore its obligations. When the state seeks to enter into agreements in the future, its potential partners will take into account the risks that the agreement will be violated, and will be less willing to offer suspicion, potential partners may simply refuse to deal with the state.“ 495

Dies kann auch für die Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen relevant sein.496 Die Genfer Konventionen gehen davon aus, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen keinerlei rechtliche Anerkennung erfahren, auch wenn sie Partei eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts sind (vgl. gemeinsamer Art. 3 Genfer Konventionen). Zahlreiche Gruppen suchen aber politische Anerkennung durch die Staatengemeinschaft oder NGOs.497 Sie wollen, wie auch die SPLM/A, ihren guten Willen zeigen und gerade im Hin-

492 Vgl. auch Bruderlein, The Role of Non-State Actors in Building Human Security, Centre for Humanitarian Dialogue, 10 ff. 493 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 9. 494 Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353 ff. 495 Guzman, The Design of International Agreements, 16 European Journal of International Law 2005, 579, 595. 496 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 20 f.; Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Law, 79, 97. 497 Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 358, 360; Jo/Thomson, Legitimacy and Compliance with International Law, 44 British Journal of Political Sciences 2014, 323, 325.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

blick auf das von ihnen verfolgte Ziel einer Unabhängigkeit bereits vor dieser Zielerreichung demonstrieren, dass sie international ein verlässlicher Partner sind und dieselben Werte und Regeln wie die Staatengemeinschaft achten.498 Auch Reziprozität oder die bloße Reziprozitätserwartung ist gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ein relevanter Faktor, die Rechtsbefolgung einer Gruppe zu beeinflussen.499 Zwar liegt der Anwendung des humanitären Völkerrechts keine Reziprozität zugrunde in dem Sinne, dass sie Voraussetzung für die Anwendung des Rechts ist.500 Andererseits kann auch in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die gegenseitige Rechtsbefolgung die Einhaltung des humanitären Völkerrechts insgesamt verbessern.501 Das zeigt bereits die Annahme einer negativen Reziprozität. Wenn eine Partei in einem Konflikt stets aus militärischen Gründen das humanitäre Völkerrecht verletzt und damit auch militärische Erfolge erzielen kann, wird es der Gegenseite zunehmend schwer fallen, nicht ähnliche Verstöße zu begehen. Auch das persönliche Verhalten des einzelnen Kämpfers kann davon abhängen, ob er mit Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht durch die gegnerische Konfliktpartei in Kontakt gekommen ist.502 Gerade wenn die betroffenen Kämpfer täglich mit Verletzungen konfrontiert werden, sind sie eher geneigt, ebenfalls mit solchen Verletzungen des Rechts zu reagieren.503 Und auch die Erwartung von Reziprozität (negativer wie positiver) kann schon zur Rechtsbefolgung führen, wenn Akteure merken, dass ihr eigenes erkennbares Verhalten sich auf das des anderen Akteurs auswirken kann.504 Fraglich ist, ob sich das von Henkin hinsichtlich der Staaten angeführte Motiv gegenseitiger Abhängigkeit auf die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen übertragen lässt. Möglich erscheinen zunächst zwei verschiedene Abhängigkeits498 Jo/Thomson, Legitimacy and Compliance with International Law, 44 British Journal of Political Sciences 2014, 323, 326. 499 A. A. Lamp, Conceptions of War and Paradigms of Compliance, 16 Journal of Conflict & Security Law 2011, 225, 248; Pfanner, Asymmetrical Warfare from the Perspective of Humanitarian Law and Humanitarian Action, 87 IRRC 2005, 149, 161. 500 Vgl. zur Reziprozität im bewaffneten Konflikt auch Richemond-Barak, Nonstate Actors in Armed Conflicts, in: Banks, New Battlefields Old Laws, 106, 119 ff. 501 Rondeau, The Pragmatic Value of Reciprocity, in: Perrin, Modern Warfare, 43, 61; Fleck, International Humanitarian Law after September 11, 6 Yearbook of International Humanitarian Law 2003, 41, 60. 502 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 11, 16 f.; Munoz-Rojas/Frésard, The Roots of Behaviour in War, 86 IRRC 2004, 189,196. 503 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 11 ff.; Rondeau, The Pragmatic Value of Reciprocity, in: Perrin, Modern Warfare, 43, 59; Provost, Asymmetrical Reciprocity and Compliance with the Laws of War, in: Perrin, Modern Warfare, Vancouver, 17, 29. 504 Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL 1993, 327 328; Jacobsen/ Brown Weiss, Compliance with International Environmental Accords, 1 Global Governance 1995, 119, 130.

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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verhältnisse, welche das Verhalten der Gruppen bestimmen können: In Betracht kommt einerseits das Verhältnis der Gruppen untereinander. Allerdings ist aufgrund ihrer Diversität und der unterschiedlichen Strukturen und Ziele kein gemeinsames Ziel auszumachen, dem sich bewaffnete nicht-staatliche Gruppen als solche verpflichtet zu fühlen scheinen. Unter Umständen kann jedoch die positive Erfahrung, die die einzelnen Gruppen bei der Befolgung des humanitären Völkerrechts machen, beispielhaft für zukünftiges Verhalten anderer Gruppen sein.505 So forderte die SPLM/A die Ejército de Liberación Nacional (ELN) in Kolumbien auf, sich wie die SPLM/A selbst gegen die Nutzung von Landminen einzusetzen, da diese ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellten.506 Auf der anderen Seite ist das Verhältnis der bewaffneten Gruppe zu dem Staat, den die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe regelmäßig bekämpft, relevant. Auch in diesem Verhältnis bestehen in der Regel keine gemeinsamen Ziele, eine gegenseitige Abhängigkeit wie im Rahmen der internationalen Gemeinschaft von Staaten ist nicht ersichtlich. Letztlich ist es Aufgabe der Nichtregierungsorganisationen, die mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen interagieren, die Interessen der Gruppe zu identifizieren.507 In einer umfassenden Studie hat die Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights im Jahre 2011 einige davon identifiziert: Zunächst nennen sie strategisch-militärische Gründe,508 die sich aus einem Ungleichgewicht an militärischer Stärke ergeben. Die oftmals militärisch schwächere bewaffnete nicht-staatliche Gruppe könne den Schutz von Zivilisten aus taktischen Gründen nicht achten und starte so beispielsweise Angriffe direkt aus deren Mitte.509 Als mögliche Ursache das Recht nicht zu befolgen, nennt die Studie zudem die von den Gruppen verfolgte Ideologie selbst. Diese könnte bereits gegen die Beachtung des Schutzes von Zivilisten sprechen.510 Ein Anreiz zur Rechtsbefolgung könnte sich nach der Studie jedoch aus einem gewissen Zu505 Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 131. 506 SPLM/A, Letter Sent by a Commandant of the Sudan People Liberation Army to the ELN, 2004. 507 Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 383. 508 Bangerter identifiziert dies ebenfalls als wesentlichen Grund, warum eine Gruppe das Recht befolgt oder auch nicht, vgl. Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 361, 365, 371. 509 Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights, Rules of Engagement, Protecting Civilians through Dialogue with Armed Non-State Actors, 2011, 5. 510 Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights, Rules of Engagement, Protecting Civilians through Dialogue with Armed Non-State Actors, 2011, 6; Bangerter, Reasons why armed groups choose to respect international humanitarian law or not, 93 IRRC 2011, 353, 359.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

wachs an Legitimität und Anerkennung ergeben.511 Außerdem könne ein humanitäres Verständnis zu einer Befolgung des humanitären Völkerrechts führen.512 Eine einheitliche Beantwortung der Frage, welche Interessen eine Gruppe daran hat, das humanitäre Völkerrecht zu befolgen, ist schon ob der Varianz in den Gruppen selber hinsichtlich Größe, Struktur, Zielen und Auftreten unmöglich. 3. Legitimitätsfragen und die Rechtsbefolgung nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen

Zuletzt kann eine Rechtsbefolgung theoretisch durch Legitimität der Norm selbst oder des normgebenden Prozesses oder der normgebenden Autorität erreicht werden. Wenn und soweit eine Norm oder ihr Entstehungsprozess in den Augen des Normadressaten als legitim und fair erachtet wird, kann dies zu einer intrinsisch motivierten Rechtsbefolgung führen. a) Identifikation mit dem in der Norm verkörperten Wert Für eine Rechtsbefolgung, die sich aus dem Wert der Norm selbst ergibt, ist die Kenntnis der Normen und Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts unerlässlich. Gerade die ius cogens-Normen und humanitären Mindeststandards spiegeln Grundwerte wider, die sich auch in lokalen Bräuchen und Regeln wiederfinden. Unterschiede bestehen aber häufig in der tatsächlichen Ausgestaltung. Dies zeigt sich beispielsweise deutlich an der Frage, bis zu welchem Alter ein Kind im Rahmen von Kinderrechten als Kind angesehen wird.513 Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen sind in der Regel nicht Teil eines institutionalisierten Systems bzw. haben sich zum Ziel gesetzt, aus einem solchen auszubrechen, bleiben aber dennoch ihren lokalen Traditionen verschrieben, sodass eine Möglichkeit besteht, daran anzuknüpfen. Fehlt es hingegen bereits an Traditionen und grundsätzlichen moralischen Vorstellungen bzw. werden die humanitären Grundwerte selbst durch eine Gruppe bekämpft, wird es auch Nichtregierungsorganisationen nicht gelingen, die Gruppe zu einer Rechtsbefolgung zu bewegen. In anderen Fällen könnte jedoch bereits eine Annäherung erreicht werden, indem die Nichtregierungsorganisationen durch Schulungen zunächst die Kenntnis des humanitären Völkerrechts näherbringen und dabei die Parallelen zu lokalen Traditionen darstellen. Dies setzt wiederum voraus, dass auch die NGOs

511 Ballal/Casey-Maslen, Enhancing Compliance with International Law by Armed Non-State Actors, 3 Goettingen Journal of International Law 2011, 175, 194, vgl. dazu auch Krieger, International Law and Governance by Armed Groups: Caught in the Legitimacy Trap?, 12 Journal of Intervention and Statebuilding 2018, 563, 580. 512 Ballal/Casey-Maslen, Enhancing Compliance with International Law by Armed Non-State Actors, 3 Goettingen Journal of International Law 2011, 175, 195. 513 Vgl. dazu S. 156 f.

Kap. 3: Der Wille zur Rechtsbefolgung

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die lokalen Traditionen kennen und verstehen, was beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen gefördert werden kann.514 b) Partizipation bei der Normentstehung Ein weiterer Aspekt ist die Input-Legitimität, also dass eine Norm als legitim gilt, wenn ihre Entstehung als legitim angesehen wird. Der Prozess der Normentstehung im Völkerrecht kann zumindest dann als legitim gelten, wenn in Anlehnung an das Konsensprinzip eine Partizipation und damit eine Rechtsinhaberschaft möglich ist. Wie bereits festgestellt, fehlt aber eine solche Beteiligung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen im humanitären Völkerrecht sowohl auf vertraglicher als auch gewohnheitsrechtlicher Ebene.515 Vielmehr zeichnet das Recht sich durch eine (zumindest partielle) Bindungswirkung ohne Partizipationsmöglichkeiten aus. Teilweise haben auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen deutlich gemacht, dass sie kein Recht für verbindlich halten, an dessen Entstehung sie nicht beteiligt waren.516 Dies äußerte beispielsweise die National Liberation Front of Vietnam in Bezug auf die Genfer Konventionen.517 Human Rights Watch berichtet gleiches von kolumbianischen Gruppen in Bezug auf das Zweite Zusatzprotokoll.518 Es ist davon auszugehen, dass es für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen psychologisch einfacher ist, Regelungen zu befolgen, an deren Entwicklung sie beteiligt waren.519 Eine Beteiligung bei der Normentstehung vereinfacht zudem, die Verpflichtungen verständlich nach innen umzusetzen.520 Dies kann auch dazu führen, Unsicherheiten über den Umfang der Verpflichtungen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu überwinden. 514

Vgl. dazu auch S. 137 f. Vgl. dazu auch S. 103 f.; vgl. dazu auch Bellal/Bongard/Heffes, From Words to Deeds, Geneva Academy Research Brief, 1, 4 f. 516 Jo zeigt auf, dass jedoch aus Rebellenperspektive die Beteiligung an der Normentstehung auch als wirksamer Anreiz zur Normbefolgung gesehen werden kann, vgl. Jo, Compliant Rebel Groups and International Law in World Politics, 256. 517 IKRK, The International Committee and the Vietnam Conflict, 6 IRRC 1966, 399, 400. 518 Human Rights Watch, War Without Quarter, Colombia and International Humanitarian Law, 25. 519 Roberts/Sivakumaran, Lawmaking by Nonstate Actors, 37 Yale Jounal of International Law 2012, 107, 127; Sassoli, Possible Legal Mechanisms To Improve Compliance by Armed Groups with International Humanitarian Law and International Human Rights Law, Conference Paper, 6. 520 Sassolì, Taking Armed Groups Seriously, International Legal Studies 2010, 5, 15 ff.; Thürer, The Emergence of Non-Governmental Organizations, in: Hofman/Geissler, Non-State Actors as the New Subjects of International Law, 37, 54: „Basic rights of participation of those affected by regulation, including non-state actors, constitute the society and guarantee the enduring legitimacy of any international obligations imposed.“ 515

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Damit ist ein wesentlicher Aspekt, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Akteure bei der Entstehung der Verpflichtung partizipieren können. Eine tatsächliche Rechtsinhaberschaft ist oftmals notwendig, um eine Beachtung des humanitären Völkerrechts zu erreichen.521 Die fehlende Partizipation und das bestehende Legitimationsdefizit eröffnet für Nichtregierungsorganisationen aber auch einen großen Handlungsspielraum: Sie können auf eine mögliche Selbstverpflichtung oder eine Beteiligung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen hinwirken. III. Zwischenergebnis Der Wille, Normen zu befolgen, ist von verschiedenen Motiven abhängig. Diese können regelmäßig beeinflusst werden: Im Gegensatz zu Zwang, der zu keiner freiwilligen Rechtsbefolgung führt, ist das Eigeninteresse grundsätzlich intrinsich motiviert, aber durchaus von außen durch positive und negative Anreize steuerbar. Dort können Nichtregierungsorganisationen ansetzen und individuell das Interesse der Gruppen isolieren und in Richtung Anwendung des humanitären Völkerrechts steuern. Das Eigeninteresse der Gruppen muss flexibel und individuell ermittelt werden, um die entsprechenden positiven und eventuell auch negativen Anreize setzen zu können. Daneben ist es, zumindest nach theoretischer Ansicht, eine Frage der Legitimität, ob die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen das humanitäre Völkerrecht beachten. Da die Wertigkeit der Normen außer Frage steht, es aber dennoch stets zu Verletzungen und Rechtsverstößen kommt, muss die Frage nach der legitimen Rechtsentstehung im Vordergrund stehen. Der Wille, Normen zu folgen, ist oftmals abhängig von der Beteiligung an deren Entstehung.522 Diese Partizipation der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ist aber im Völkerrecht grundsätzlich nicht vorgesehen. Aufgabe der Nichtregierungsorganisationen, aber auch der anderen Organisationen, welche mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammenarbeiten, ist es somit, eine solche Rechtsinhaberschaft für diese zu schaffen und die fehlende Partizipation als Legimitationsdefizit auszugleichen. Dies ist beispielsweise durch Selbstverpflichtungen oder durch Abkommen zwischen den Konfliktparteien zu erreichen. Die dafür notwendige direkte Interaktion kann besonders gut durch NGOs gestaltet und umgesetzt werden, da diese einerseits weniger rechtlichen und tatsächlichen Restriktionen bei der Interaktion ausgesetzt sind, andererseits aber auch – besonders durch lokale Gruppen – oftmals einen leichteren Zugang zu den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen haben, was auch die Abwehr der nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen deutlich verringern kann. 521 Baxter, Ius in bello interno, in: Moore, Law and Civil War in the Modern World, 528 m.w. N. 522 Ryngaert, Non-State Actors and International Humanitarian Law, Working Paper 2008, 6 m.w. N.; Sassoli, Possible Legal Mechanisms to Improve Compliance by Armed Groups with International Humanitarian Law and International Human Rights Law, Conference Paper, 1 ff.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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Kapitel 4

Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung Wenn Nichtregierungsorganisationen bei der Rechtsdurchsetzung tätig werden, sollten sie die identifizierten Kriterien beachten. Im Folgenden wird untersucht, ob die von den Nichtregierungsorganisationen angewendeten Mittel der Rechtsdurchsetzung diese Motive und Mechanismen und damit die Rechtsbefolgung auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen fördern. Wie bereits festgestellt, sind NGOs und vor allem das IKRK bei der Normdiffusion tätig. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Kenntnis von ihren Verpflichtungen haben. Daneben versuchen sie auch, den Rechtsbefolgungswillen auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu beeinflussen. Da die Interaktion mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen regelmäßig nicht durch hierarchische Strukturen gekennzeichnet ist, stehen dabei Steuerungsversuche im Fokus, die die freiwillige Rechtsbefolgung fördern. Dabei ist die Überzeugungsarbeit ein wichtiges Mittel,523 um den Normadressaten einen Nutzen in der Normbefolgung zu vermitteln. Darüber hinaus können externe Akteure positive, aber auch negative Anreize setzen, welche die Kosten-Nutzen-Rechnung beeinflussen können. Andererseits können externe Akteure dazu beitragen, dass ein Normadressat eine Verpflichtung als legitim erachtet. Bei der Arbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren ist davon auszugehen, dass diese Interessen verfolgen, die sich an den politischen und militärischen Zielen der Gruppe sowie an der Konfliktwirklichkeit orientieren und nur begrenzt beeinflussbar sind. Möglich erscheint jedoch, die fehlende Partizipation bei der Rechtsentstehung beispielsweise durch Selbstverpflichtungen oder den Abschluss von Sonderabkommen auszugleichen. Da die fehlende Partizipation das größte Defizit des humanitären Völkerrechts im Verhältnis zu bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren darstellt, knüpfen auch bereits bestehende Durchsetzungsmechanismen daran an, dieses Defizit auszugleichen. Ziel der Durchsetzung des Rechts ist insoweit, für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die gleichen Voraussetzungen und eine vergleichbare Ausgangsposition zu schaffen: Dies ist dann der Fall, wenn die Gruppen grundsätzlich ihre Zustimmung geben können und beispielsweise durch eine vertragliche Bindung eine rechtliche Verpflichtung eingehen. Dadurch kann bei den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen eine Rechtsinhaberschaft (auch im Sinne der Input-Legitimität) geschaffen werden. In Betracht kommen dabei besonders die Förderung der Abgabe einseitiger Erklärungen durch die Gruppen sowie der Abschluss von Sonderabkommen nach dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen. Aber auch andere bilaterale 523 Capie, Influencing Aremd Groups, in: Geneva Call, Exploring Criteria and Conditions For Engaging Armed Non-State Actors, 86, 89 f.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Abkommen oder die Entwicklung von Innenrecht durch Verhaltenskodizes werden durch Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Nicht zuletzt hat die Schweizer Nichtregierungsorganisation Geneva Call ein Rechtsinstitut sui generis, eine sogenannte Verpflichtungserklärung geschaffen, um dadurch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zur Rechtsbefolgung zu bewegen. Diese Durchsetzungsmechanismen werden im Folgenden auch unter Berücksichtigung ihrer partizipativen Elemente untersucht.

A. Einseitige Erklärungen Einseitige Erklärungen sind solche Erklärungen, die von einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe in einem bewaffneten Konflikt abgegeben werden. Neben bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen524 haben auch schon das IKRK oder die Vereinten Nationen sich selbst in solchen einseitigen Erklärungen zur Achtung des humanitären Völkerrechts verpflichtet.525 Die einseitigen Erklärungen haben zum Inhalt, dass die Gruppe sich in Zukunft entweder an das gesamte humanitäre Völkerrecht oder an einzelne Verpflichtungen halten will.526 Insoweit verweisen einige bestehende Erklärungen lediglich auf den gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen oder beziehen sich auf einzelne Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht. Andere verweisen vollumfänglich auf die gesamten Genfer Konventionen.527 Ein solch pauschaler Verweis auf die Genfer Konventionen und deren Zusatzprotokolle hat aber schon den Nachteil, dass er keine konkreten Verpflichtungen enthält.528 Entscheidend ist dabei, dass die Parteien sich ob der Vielzahl an Regelungen im Klaren sind, welchen Pflichten sie unterliegen. Insoweit kann es sinnvoll sein, dass sich die Parteien nur zur Befolgung einzelner, klar formulierter Regelungen verpflichten, denn nur dies deckt sich mit der Voraussetzung, dass es zur Rechtsbefolgung eindeutig der Kenntnis über das zu befolgende Recht bedarf. 524 Diese Erklärungen wurden jedoch von Gruppen weltweit abgegeben, vgl. nur die Erklärung von September 1987 durch die Coorinadora Guerillera Simon Bolivar, einer kurzlebigen Dachorganisation für verschiedene kolumbianische Rebellengruppen oder die 1991 und 1996 durch die NDFP (National Democratic Front of the Philippines) abgegebenen Erklärungen; vgl. auch Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, United States Institute of Peace, Special Report 284, 5. 525 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 196. 526 Sivakumaran, Lessons for the law of armed conflict, 93 IRRC 2011, 1, 3; Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 126 f. 527 Ryngaert/Van de Meulenbroucke, Enhancing and Enforcing Compliance with International Humanitarian Law by Non-State Armed Groups, 16 Journal of Conflict & Security Law 2011, 443, 445. 528 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 31.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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Die Erklärungen können deklaratorisch oder konstitutiv sein. Die Führungsriege einer Gruppe bringt mit einer einseitigen Erklärung sowohl nach außen als auch nach innen zum Ausdruck, dass sie einen bestimmten Rechtskanon als für sich verbindlich ansieht.529 Damit kann die Gruppe ihr eigenes Rechtsverständnis zum Ausdruck bringen und mangelnde Partizipation bei der Rechtsentstehung ausgleichen. Einseitige Erklärungen, die gerade nur Teile der humanitären Verpflichtungen abbilden müssen, bieten zudem eine Möglichkeit, die eigenen Interessen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu spiegeln. Einseitige Erklärungen werden dabei häufig auch von solchen Parteien abgegeben, die nach Legitimität und Anerkennung streben und sich im Sinne eines positiven Bildes in der Öffentlichkeit selbstständig dem Regime der Genfer Konventionen unterwerfen wollen.530 Dies ist insbesondere bei Freiheitskämpfern zu beobachten.531 Daher ist es für NGOs, die bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zur Abgabe einer Selbstverpflichtung bewegen wollen, wichtig, sich mit den Motiven und Zielen der jeweiligen Gruppen auseinanderzusetzen. Allerdings besteht auch gerade bei der Abgabe solch einseitiger Erklärungen die Gefahr, dass diese nur für die Außenwirkung der Gruppe abgegeben werden, intern aber keine Berücksichtigung finden. So kann der Fall eintreten, dass einseitige Erklärungen nur aus politischem Kalkül abgegeben werden.532 Die Erklärungen eignen sich insoweit für solche politischen Zwecke, da weder Form noch Inhalt vorgeschrieben ist und sie auch in sich sehr unbestimmt sein können.533 Insoweit sollten sich die NGOs auch der politischen Bedeutung von solchen einseitigen Erklärungen klar sein und darauf hinwirken, dass die Erklärungen nicht nur die Verpflichtung enthalten, zu der sich bekannt wird, sondern auch Möglichkeiten, die Verpflichtungen intern durchzusetzen. In Anlehnung an den Konstruktivismus bedarf es zudem einer Übersetzungsleistung und Übernahme der Verpflichtungen für den einzelnen Kämpfer, damit es sich nicht nur um leere Worthülsen handelt.534 Daran können NGOs anknüpfen und durch Schulungen 529 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 196. 530 IKRK, Improving Compliance with International Humanitarian Law, 6. 531 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 30, allerdings mit Verweis auf die Sonderstellung solcher Befreiungsbewegungen unter dem Ersten Zusatzprotokoll und den Regelungen der Art. 80 ff. 532 La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 331. 533 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 197. 534 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 197; Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

den Inhalt und die Bedeutung der Regelungen vermitteln. Um den einseitigen Erklärungen mehr Geltung zu verschaffen, könnten sie zudem mit einem Überprüfungsmechanismus entweder durch die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe selbst, oder durch externe nationale oder internationale Akteure gekoppelt werden.535 Trotz der Missbrauchsgefahr kann die Abgabe einseitiger Erklärungen bereits ein wichtiger Schritt zur Rechtsbefolgung sein. Sie setzt die Kenntnis der Verpflichtung sowie eine Auseinandersetzung mit der Thematik voraus.536 Dadurch kommt es zwar nicht direkt zur Rechtsbefolgung, allerdings bereits zu einer Manifestation des Rechtsbefolgungswillens durch die Führungsriege der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe. Dies kann gleichbedeutend mit der Zeichnung eines Vertrages durch einen Staat auf völkerrechtlicher Ebene sein. Denn auch dadurch verpflichtet sich der Staat zunächst selbst, aber auch der internationalen Gemeinschaft gegenüber, bestimmte Verpflichtungen einzuhalten. Und auch auf dieser Ebene werden häufig Verträge nur gezeichnet, um politische Anerkennung zu erlangen und nicht in dem Willen, die daraus resultierenden Verpflichtungen daraus unbedingt einzuhalten.537 Doch auch die Zeichnung von solchen Verträgen durch Staaten wird durchweg positiv angesehen und führt zur Rechtsinhaberschaft. Einseitige Erkläungen bedienen das Eigeninteresse und können Legimitationsbedenken überwinden, da sie die Möglichkeit bieten, selbständig Verpflichtungen zu benennen. Daher können diese einseitigen Erklärungen trotz der Missbrauchsgefahr ein sinnvolles und positives Instrument auf dem Weg zu einer effektiven Rechtsbefolgung darstellen. Bewaffnete nicht-staatliche Gruppen können unter anderem auch durch NGOs dazu motiviert werden, solche einseitigen Erklärungen abzugeben.538 Beispielsweise haben die „Opposition Forces“ in Libyen auch am 27. April 2011 gegenüber Human Rights Watch erklärt, keine Landminen mehr einsetzen zu wollen.539 Bis heute haben das IKRK und die Schweiz als Depositar der Genfer Konventionen zahlreiche solcher Erklärungen erhalten und durch das IKRK veröffentlicht.540 535

IKRK, Improving Compliance with International Humanitarian Law, 7. Ryngaert/Van de Meulenbroucke, Enhancing and Enforcing Compliance with International Humanitarian Law by Non-State Armed Groups, 16 Journal of Conflict & Security Law 2011, 443, 446. 537 Vgl. zu verschiedenen Motiven der Staaten Burgstaller, Theories of Compliance with International Law, 3; Brown Weiss, Understanding Compliance with International Environmental Agreements, 32 University of Richmond Law Review, 1998–1999, 1555, 1559; Jo/Bryant, Taming of the Warlords, in: Risse/Ropp/Sikking, The Persistent Power of Human Rights, 239, 241; Risse/Ropp, Introduction and Overview, in: Risse/Ropp/ Sikkink, The Persistent Power of Human Rights, 3, 10. 538 Mack, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 19. 539 Human Rights Watch, Lybia: Rebels Pledge not to Use Landmines. 540 La Rosa/Wuerzner, Armed Groups, 90 IRRC 2008, 327, 332. 536

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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B. Abkommen unter Beteiligung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe I. Sonderabkommen nach dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen sieht die Möglichkeit vor, dass in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die beteiligten Parteien ein Sonderabkommen schließen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dass die Parteien sich über ihre bereits durch den gemeinsamen Artikel 3 bestehenden Verpflichtungen hinaus über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einigen. Bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, sich eigenständig zu den Verpflichtungen zu bekennen und sich diese vertraglich zu Eigen zu machen. Grundsätzlich sind die an einem Konflikt beteiligten Staaten sehr zurückhaltend, mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ein solches Abkommen abzuschließen, da den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen damit ein gewisser Geltungsanspruch vermittelt wird.541 Eindeutig wird den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen aber so ermöglicht, an der Rechtsentstehung zu partizipieren. Ein Vorteil solcher Abkommen ist zudem, überhaupt auf diplomatischer Ebene aufeinandertreffen. Daher können solche Sonderabkommen wegweisend für weitere Verhandlungen zwischen den Parteien sein. Aber auch sonstige Abkommen unter Beteiligung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe können diese binden und dazu führen, dass die Parteien politisch aufeinander zugehen und miteinander verhandeln müssen. Die Sonderabkommen nach dem gemeinsamen Artikel 3 werden regelmäßig unter der Schirmherrschaft des IKRK geschlossen. Sie können, wie auch einseitige Erklärungen, pauschal auf den Rechtskanon der Genfer Konventionen verweisen oder aber auch nur besondere Regelungen enthalten. Der Vorteil der Sonderabkommen besteht darin, dass sich die beteiligten Konfliktparteien gegenseitig zusagen, das Recht als verbindlich anzuerkennen, die Verpflichtungen also als reziprok anerkannt werden. Für viele bewaffnete nicht-staatliche Gruppen bedeutet ein solcher Abschluss zudem eine gewisse Anerkennung, da der betroffene Staat sie auch öffentlich als gleichberechtigte Konfliktpartei wahrnimmt. Dies kann das Interesse auf beiden Seiten erhöhen, die zugesagten Verpflichtungen tatsächlich einzuhalten. Dafür spricht auch, dass ein grundsätzliches asymmetrisches Verhältnis der beiden Konfliktparteien durch das Sonderabkommen eine symmetrische Regelung erfährt. Aufgrund der grundsätzlichen Zurückhaltung der Staaten gibt es wenige Beispiele von Sonderabkommen, die nach dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Kon541 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 198.

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ventionen abgeschlossen worden sind. Das meistgenannte ist das Sonderabkommen der Konfliktparteien in Bosnien-Herzegowina. Auf Einladung des IKRK schlossen im Jahr 1992 diverse Konfliktparteien dieses Sonderabkommen. Die Vereinbarung hatte zunächst einen vollständigen Verweis auf den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen zum Inhalt.542 Darüber hinaus enthielt es Verpflichtungen zum Schutze von Kranken und Verwundeten, welche über die Verpflichtungen in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt hinausgingen. Klarstellend, und insbesondere für die staatlichen Beteiligten ein wichtiger Bestandteil, wurde der Hinweis aufgenommen, dass durch das Abkommen der rechtliche Status der Beteiligten nicht berührt würde. Darüber hinaus enthielt es den Verweis, dass die enthaltenen humanitär-rechtlichen Verpflichtungen der Konfliktparteien nicht abschließend seien. Um eine Umsetzung der Verpflichtungen nach dem Sonderabkommen zu gewährleisten und überprüfbar zu machen, enthielt das Abkommen auch einen eigenen Überprüfungsmechanismus. Angezeigte Verletzungen des humanitären Völkerrechts konnten danach untersucht werden. Nichtdestotrotz verbesserte sich der Schutz der Zivilbevölkerung auch durch den Abschluss des Abkommens kaum.543 Andere Beispiele sind ein Abkommen aus dem Jahre 1962 im Jemen und ein weiteres in Nigeria aus dem Jahre 1967, die beide auf die Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen Bezug nahmen. Das San José-Abkommen über Menschenrechte, welches zwischen der Regierung von El Salvador und der Befreiungsbewegung Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) im Jahre 1990 geschlossen wurde, bezog sich unter anderem direkt auf die Verpflichtungen aus dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen und aus dem Zweiten Zusatzprotokoll. Häufig folgen auf eine solche Verpflichtung in einem Sonderabkommen weitere Schritte durch das IKRK oder andere Akteure, um die Parteien zu einer Rechtsbefolgung zu bewegen. So wurde beispielsweise in El Salvador die UNBeobachtermission (ONUSAL) eingeführt, welche ihr Mandat auf das zuletzt genannte Abkommen von 1990 stützte.544 II. Abkommen zur Regelung humanitärer Fragen Neben Sonderabkommen, die die Voraussetzungen des gemeinsamen Artikels 3 Genfer Konventionen erfüllen, gibt es in zahlreichen Konflikten bi- oder multilaterale Abkommen, die sowohl die Konfliktparteien als auch Dritte mit einbezie542 Vgl. dazu IKRK, Increasing Respect for International Humanitarian Law in NonInternational Armed Conflicts, 17 f. 543 IKRK, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 17. 544 IKRK, Increasing Respect for International Humanitarian Law in Non-International Armed Conflicts, 20.

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hen. Regelmäßig werden solche Abkommen im Bereich der humanitären Hilfe geschlossen, da häufig in diesem Bereich eine Einigung leichter zu erzielen ist, weil das streng Humanitäre im Vordergrund steht.545 Durch solche Abkommen können die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ihr Einverständnis erklären und Rechtsinhaberschaft erlangen. 1. Operation Lifeline Sudan

Ein Beispiel für ein solches Abkommen ist die Operation Lifeline Sudan (OLS). Gegenstand dieser Einigung zwischen den Vereinten Nationen, der Regierung des Sudans sowie der SPLM/A war die Erbingung humanitärer Hilfe während der fortschreitenden Auseinandersetzungen im Sudan.546 Teil der OLS waren die sogenannten Ground Rules, die die Verhaltensregeln zwischen den hilfeleistenden Organisationen der OLS und der SPLM/A (und den einzelnen Fraktionen) beinhalteten. Diese wurden zunächst entwickelt, um Sicherheit für die humanitären Mitarbeiter im Rahmen von OLS zu gewährleisten und um die Unparteilichkeit zu wahren.547 Sinn und Zweck war auch, die Rebellengruppen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu bewegen.548 Die Ground Rules sind eines der wenigen internationalen Abkommen, die die Vereinten Nationen direkt mit einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe ausgehandelt haben. Eine erste Version der Ground Rules wurde bereits im Jahre 1992 abgeschlossen, aber nach einiger Zeit als nicht ausreichend angesehen, sodass es zu weiteren Regelungen kam. John Garang unterzeichnete diese im Namen der SPLM/A im Juli 1995, Riek Machar im August 1995 für die South Sudan Independence Movement/Army und Lam Akol im Mai 1996 für die SPLM-United.549 a) Inhalt der OLS Ground Rules In der Präambel der Ground Rules wird allgemein auf die Genfer Konventionen von 1949 nebst beiden Zusatzprotokollen sowie die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahre 1989 verwiesen. Vor dem Abschluss dieser Vereinbarung lässt sich kein direkter Verweis auf menschenrechtliche oder humanitär-rechtliche 545 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law Organized Armed Groups, 187, 198. 546 Glaser, Negotiated Access, Carr Center for Human Rights Policy 2002–2003, 9; vgl. dazu S. 44 ff. 547 Taylor-Robinson, Operation Lifeline Sudan, 28 Journal of Medical Ethics 2002, 28, 50; Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 10. 548 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 225. 549 Akol, Operation Lifeline Sudan, 4.

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Standards in den Dokumenten der SPLM/A finden.550 Auch wurden die Kämpfer der SPLA nicht über humanitäre Regelungen aufgeklärt und waren mithin bis dahin nur lokalen Traditionen und den politischen Zielen der SPLA verpflichtet.551 Ein wesentlicher Teil der Ground Rules verpflichtete letztlich den humanitären Arm der SPLM/A, die Sudan Relief and Rehabilitation Association (SRRA). In einem ersten Abschnitt der Ground Rules552 findet sich ein Verweis auf humanitäre Prinzipien, denen sich sowohl die OLS, aber auch die SRRA unterwerfen. Wesentliches Prinzip der OLS war das Prinzip der Neutralität, humanitäre Hilfe sollte nur auf der Grundlage von Bedürftigkeit unterschiedslos geleistet werden. Insgesamt finden sich neben der Neutralität folgende Prinzipien in den Ground Rules wieder: Das Recht auf humanitäre Hilfe, Unparteilichkeit, Verantwortlichkeit gegenüber Gebern, aber auch gegenüber Empfängern der Hilfe, Schutz von Zivilisten, insbesondere der humanitären Mitarbeiter. Des Weiteren enthalten die Ground Rules die Verpflichtung, dass die humanitäre Hilfe in einer transparenten und verantwortlichen Art und Weise geleistet wird und sich OLS und SRRA gegenseitig mit Respekt begegnen. Besonders hervorzuheben ist aber der Schutz des Rechts auf Lebens: „The fundamental human right of all persons to live in safety and dignity must be affirmed and supposed through appropriate measures of protection as well as relief.“

Daneben beinhalten die Ground Rules einen Abschnitt mit gegenseitigen Verpflichtungen, die die Arbeit der humanitären Organisationen regeln sollten. Die SPLM/A553 verpflichtet sich, die humanitäre und unparteiische Natur der OLSOrganisationen anzuerkennen und zu respektieren. In den Ground Rules wird die OLS ermächtigt, für deren Einhaltung einzutreten, besondere Überwachungsmechanismen sind allerdings nicht enthalten. b) Umsetzung der Ground Rules Die Ground Rules selbst sollten in einem umfassenden Programm „Humanitäre Prinzipien“ soweit wie möglich verbreitet werden. Dessen Ziel war es, „(a) das humanitäre Mandat von OLS zu definieren und zu verteidigen, sicherzustellen, dass die Hilfe die Bedürftigen erreicht und dass Zivilisten geschützt werden, (b) die Kenntnis und Einhaltung von humanitären Prinzipien durch deren Verbreitung und Anerkennung auf allen Ebenen der Gesellschaft zu stärken,

550

Kuol, Holding Armed Groups Accountable, 10. Kuol, Holding Armed Groups Accountable, 10. 552 Bspw. abgedruckt in Bradbury/Leader/Mackintosh, The „Agreement on Ground Rules“ in South Sudan, in: The Politics of Principle: the Principle of Humanitarian Action in Practice, HPG Report 4, 74. 553 Bzw. die SSIM/SPDF und die SPLM/A-United. 551

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(c) das Bekenntnis der politischen Autoritäten zu diesem Prinzip zu festigen, und (d) Verletzungen zu überwachen und zu dokumentieren“ 554. Dies richtete sich gleichermaßen an die Mitarbeiter von OLS selbst, aber auch an die betroffenen Akteure auf Seiten der SPLM/A und insbesondere der SRRA. Die Ground Rules sind aus sich heraus bereits gut verständlich. Allerdings wird tatsächlich erst durch die Schulungen gewährleistet, dass alle Verpflichteten ein einheitliches Verständnis der Regeln haben und diese nicht unterschiedlich auslegen. Auch bieten Schulungen die Möglichkeit, die enthaltenen humanitären Werte mit lokalen Werten und Traditionen in Verbindung zu setzen, um ein besseres Verständnis, aber auch eine erhöhte Akzeptanz derselben zu erreichen. So wurden zum Beispiel auch für UNICEF zu Beginn jeder Schulung über die Ground Rules die Werte aus lokalen Traditionen hinsichtlich des Schutzes von Kindern, von Zivilisten und der Verteilung von Ressourcen abgefragt.555 In den Ground Rules erkannte die SPLM/A erstmals humanitäre Werte als verbindlich an. Weitere vertragliche Verpflichtungen, durch die die SPLM/A Rechtsinhaberschaft über humanitäre Verpflichtungen erlangen sollte, erfolgten erst später. Neben einigen bilateralen Abkommen trat die SPLM/A bereits früh in Kontakt mit Geneva Call und zeichnete 2001 deren Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen.556 c) Befolgung der Ground Rules Die OLS musste sich immer wieder neuen politischen Gegebenheiten anpassen, da sich die Machtverhältnisse innerhalb der SPLM/A veränderten. Beispielsweise wurden die Ground Rules mit reformwilligen Führungskräften ausgehandelt, während die Ausführung unter der Leitung später an die Macht zurückkehrender konservativerer Kräfte stattfinden musste.557 Schwer war besonders die Durchsetzung der Ground Rules in den entlegenen Gebieten des Südsudans. Wie auch der seit 2013 herrschende interne Konflikt im Südsudan und ein stetiges Aufflackern von Kämpfen zwischen verschiedenen Gruppen zeigen, ist eine zentrale Kontrolle und Steuerung nur sehr schwer realisierbar. Die Stärken der Ground Rules und des humanitären Programms lagen sicherlich in der Konkreti-

554 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 229; Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 11. 555 Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 17. 556 Vgl. dazu S. 149 ff. 557 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 238.

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sierung und Kontextualisierung internationalen Rechts in die lokalen Rechtstraditionen.558 Als von der Führungsriege geschlossenes Abkommen genügen die Ground Rules zunächst der Voraussetzung, dass sich die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe das Recht zu eigen macht und bei der Entstehung der Verpflichtung partizipiert. Levine berichtet, dass es vor der Zeichnung der Ground Rules auf Seiten der SPLM/A und der anderen Fraktionen vermehrt zu Fragen gekommen sei, welche Vorteile die Organisation von der Zeichnung hätte und warum sie überhaupt zeichnen sollte.559 Dies spricht dafür, dass eigene Interesse berücksichtigt werden müssen und ein Fokus allein auf Legitimität gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht ausreicht. Doch obwohl eigene Interessen wie Reputation und Anerkennung und Partizipation in der Rechtsentstehung bedient wurden, war eine tatsächliche Befolgung nur eingeschränkt zu beobachten. Insbesondere kam es stetig zu Verstößen bei der Verteilung der humanitären Hilfen, was die Rebellen zur Unterstützung der eigenen Reihen ausnutzten. Auch verpflichtete sich die SPLM/A bereits 1995 in den Ground Rules keine Kindersoldaten mehr einzusetzen, setzten diese doch im weiteren Konfliktverlauf regelmäßig ein.560 Teilweise wird die fehlerhafte Umsetzung auf das Fehlen von Druckmitteln auf Seiten der OLS zurückgeführt.561 Insbesondere haben die beteiligten NGOs schon früh gezeigt, dass sie auch bei Verstößen gegen die humanitären Prinzipien aus dem humanitären Imperativ heraus die Hilfeleistung nicht einstellen.562 Gleichzeitig sind solche Verstöße auch typisches Beispiel für Situationen, in denen das Eigeninteresse des Akteurs, nämlich dann die Versorgung der eigenen Kämpfer, der Rechtsbefolgung zuwiderläuft. In diesen Fällen muss wohl davon ausgegangen werden, dass eine bloße Selbstverpflichtung, welche auch dem Zweck der Anerkennung dienen kann, nicht ausreichend für die Rechtsbefolgung ist. 2. Memorandum of Understanding

Gefolgt wurden die Ground Rules von einem sogenannten Memorandum of Understanding (MoU), durch das der humanitäre Arm der SPLM/A die Zusam558 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 241. 559 Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 13. 560 Coalition to Stop the Use of Child Soldiers, Child Soldiers Global Report 2008, 17, 315 ff. 561 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 233. 562 Vgl. dazu auch S. 229 ff.

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menarbeit mit den verschiedenen NGOs formalisieren wollte. Dies führte zu einem Konflikt zwischen den NGOs und der SPLM/A, wobei es im Wesentlichen um die formale Anerkennung ging und weniger um die konkrete Ausgestaltung der Hilfeleistung.563 Hintergrund des Tätigwerdens auf Seiten der SPLM/A war, dass sie eine Fremdbestimmung durch die NGOs und die Vereinten Nationen fürchteten.564 Das MoU wurde zwischen der SRRA und verschiedenen NGOs ausgehandelt. Einige wenige Punkte jedoch führten dazu, dass mehrere wichtige Akteure unter den NGOs eine Zeichnung ablehnten.565 Letztlich war jedoch eine Vielzahl der NGOs auch unter diesem MoU weiterhin tätig.566 III. Ad hoc-Abkommen Neben den bi- oder multilateralen Abkommen, mit denen vermehrt die Durchführung humanitärer Hilfe zwischen den Parteien und oftmals den humanitären NGOs geregelt werden soll, kann es zwischen den Konfliktparteien verschiedene Ad hoc-Abkommen geben. Ad hoc-Abkommen unterfallen nicht den Sonderabkommen nach dem gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen, da sie Verpflichtungen außerhalb der in den Konventionen genannten Vorgaben regeln.567 Allerdings spricht bereits die bloße Existenz bzw. Nennung solcher Sonderabkommen in den Genfer Konventionen für die Möglichkeit, dass die Konfliktparteien gemeinsam rechtlich verbindliche Abkommen zur Regelung der Kriegsführung schließen können. Die von den Konfliktparteien geschlossenen Ad hoc-Abkommen oder weitere bi- oder multilaterale Abkommen sind ebenso bedeutsam, da sie humanitäre Verpflichtungen als Wegbereiter für Friedensverhandlungen nutzen. So enthalten oftmals Ad hoc-Abkommen nur vereinzelte Pflichten und Regelungen.568 Dies entspricht einer schrittweise erfolgenden Annäherung der Konfliktparteien. Im Rahmen der Annäherung der beiden Konfliktparteien im Sudan, auf dem Weg zu dem gemeinsamen Umfassenden Friedensabkommen, schlossen die Regierung des Sudans und die SPLM/A weitere Abkommen über die Einhaltung 563 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 223. 564 Riehl, Who is ruling in South Sudan?, 13. 565 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO Memorandum of Understanding # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 18. 566 Vgl. dazu S. 235 ff. 567 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 181. 568 Sivakumaran, Lessons for the Law of Armed Conflict from Commitments of Armed Groups, 93 IRRC 2011, 1, 4; Sivakumaran, Implementing Humanitarian Norms through Non-State Armed Groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 128 f.

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humanitärer Prinzipien. Dies erfolgte im Wesentlichen unter der Initiative der Vereinigten Staaten und der Schweiz. Im Jahre 2002 schlossen die Parteien das Nuba Mountains Humanitarian Cease-Fire Agreement. Diese Vereinbarung war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum gemeinsamen Friedensabkommen. Die Regelungen des Abkommens, welches 2002 geschlossen wurde, wurden überwacht von einer Joint Military Commission (JMC)569, welche aus Mitgliedern der SPLM/A, der Einheiten des Nordsudans sowie internationalen Vertretern gebildet wurde. Im Ergebnis war das Nuba Mountains Humanitarian Cease-Fire Agreement eine wichtiger Schritt zum Schutz der Zivilisten im Sudan, insbesondere im Gebiet der Nuba Berge.570 Unter anderem genehmigte die Regierung in Khartoum auch erstmals die Lieferung von Hilfsgütern in diese Region.571 Inhaltlich haben sich die Parteien auf die Wahrung verschiedener humanitärer Prinzipien verständigt. So beinhaltet Art. 2 (3) (d) eine Auflistung von Verhaltensweisen, die eine Verletzung des Abkommens darstellen: „All acts of violence against or abuse of civilian populations including summary executions, torture, harassement, arbitrary detention and persecution of civilians on the basis of ethnic origin, or political affiliations, incitement of ethnic hatred, arming civilians, use of child soldiers, sexual violence, training of terrorists, genocide and bombing of the civilian population.“

Im Jahre 2003 schlossen die Konfliktparteien das Abkommen zum Schutze vor Angriffen auf Zivilisten und zivile Einrichtungen im Südsudan. In diesem bekannten sich die Parteien zu ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht und anerkannten den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen als Grundlage des Schutzes von Zivilisten. Dies stellt im Konflikt des Südsudans das einzige Dokument der expliziten Anerkennung der Verpflichtungen nach dem gemeinsamen Artikel 3 dar.572 Darüber hinaus verpflichteten sich die Parteien auch zur Beachtung weitergehender Regelungen nach den Genfer Konventionen und dem Zweiten Zusatzprotokoll. Inhalt des Abkommens war auch ein eigener Durchsetzungsmechanismus durch die Schaffung eines „Civilian Protection Monitoring Team“ (CPMT). Dessen Mandat war sämtliche tatsächliche oder angebliche Verletzungen der Verpflichtungen zu untersuchen, zu bewerten und darüber zu berichten.573 Art. 2 dieses Abkommens sieht die Einrichtung einer sogenann569 Solche Einheiten überwachen auch 2017 noch die Gebiete, über die im Zuge der Abspaltung des Südens keine Einigung erzielt werden konnte. 570 2017 nach wie vor ein Konfliktgebiet zwischen einer eigenen Einheit der SPLM/ A und der Regierung in Khartoum. 571 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 179. 572 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 180. 573 Art. 1, Basic Undertakings, Agreemen Between the Government of the Republic of Sudan and the Sudan People’s Liberation Movement to Protect Non-Combatant Civilians and Civilian Facilities from Military Attack, 31. März 2003.

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ten „Verification Mission“ vor, die bei etwaigen Verletzungen des Abkommens weitere Untersuchungen durchzuführen sollte. Die Einführung des CPMT kann als erfolgreich angesehen werden, da es seit seiner vollständigen Errichtung im Jahre 2003 zu weniger Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kam.574 Weitere Beispiele für Ad hoc-Abkommen sind ein Übereinkommen zur Abschaffung von Sklaverei, Entführung und erzwungener Dienstleistungen, sowie das „Zones of Tranquility Agreement“, welches Impfungen und damit den Zugang zur Zivilbevölkerung auch in umkämpften Gebieten ermöglichte. Der Nachteil von verhandeltem Zugang ist natürlich, dass der jeweilige Akteur den gewährten Zugang auch jederzeit wieder verhindern kann und ein tatsächlicher Missbrauch dadurch einfach stattfinden kann.575 Grundsätzlich zeigt das Beispiel Sudan, dass unter Berücksichtigung lokaler Werte und Traditionen langfristig auch eine Beachtung des humanitären Völkerrechts durch die nicht-staatliche Konfliktpartei erreicht werden kann. Gerade zu Beginn ihrer Aktivität zeichnete sich die SPLM/A durch große Skrupellosigkeit und Brutalität insbesondere gegenüber der Zivilbevölkerung aus,576 verpflichtete sich aber früh gegenüber Geneva Call zur Ächtung der Landminen577 und schloss vermehrt gegenseitige Abkommen zur Achtung humanitärer Grundprinzipien mit der Regierung in Khartoum. Unter anderem wurden die Fragen des humanitären Zugangs regelmäßig neu verhandelt. Beispielsweise verpflichtete sich die SPLM/A im Jahre 1999 „den freien und ungehinderten Zugang zu hilfsbedürftigen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, den UN die Wahl der Routen und Logistik bei der Bedarfsermittlung und der Erbringung humanitärer Hilfe zu überlassen, die bestimmungsgemäße Verteilung von Hilfsgütern an die Zivilbevölkerung zu garantieren, diese nicht zu besteuern oder zu veruntreuen, die zum Völkergewohnheitsrecht gehörenden Menschenrechte zu respektieren, die Zivilbevölkerung zu schonen und insbesondere diese nicht zwangsweise umzusiedeln oder zu vertreiben.“ 578 Daneben zeigen die vermehrt geschlossenen Abkommen auch, dass die SPLM/A von der Regierung als selbstständiger Partner wahrgenommen wurde,

574 Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 235. 575 Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 7. 576 Dies spiegelt sich natürlich in ihrem Vorgehen wider, ist aber auch in ihren Liedern einbezogen: „Anyone who stands in my way, I will kill him, even if it is my father“ oder „My food comes from the barrel of my gun“, vgl. Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 20. 577 Vgl. S. 149 ff. 578 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 221.

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mit dem Verträge geschlossen werden sollten und konnten. Dies stützt die Annahme, dass eine Rechtsbefolgung oder zumindest Rechtsumsetzung durch die Partizipation bei Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss leichter zu erreichen ist, wenn die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe eine gewisse Stärke, Größe und Struktur erlangt hat.

C. Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) Eine weitere Möglichkeit, durch welche Nichtregierungsorganisationen die Rechtsbefolgung auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe verbessern können, ist die Anregung, sogenannte Codes of Conduct oder Verhaltenskodizes zu schaffen. Darin können sie entweder bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen niederschreiben oder eigene Verpflichtungen festlegen.579 Sie können also entweder einen Umsetzungsakt darstellen, Verpflichtungen festschreiben, oder aber Recht schaffen. Bei den Verhaltenskodizes handelt es sich im Wesentlichen um Innenrecht der Gruppe, welches das Verhalten der einzelnen Kämpfer regeln soll. Dem einzelnen Kämpfer wird damit durch eigenes Recht der Gruppe und nicht durch Dritte vorgeschrieben, wie er sich zu verhalten hat. Von außen aufdiktierte Regelwerke werden im Vergleich dazu schnell außer Acht gelassen, da sie niemals die Kraft eines selbstgegebenen Regelwerkes entfalten können.580 Das IKRK hat in einer Studie im Jahre 2008 zur Durchsetzung des humanitären Völkerrechts solche Verhaltenskodizes als ein wesentliches Mittel identifiziert, um dem humanitären Völkerrecht mehr Geltung zu verschaffen.581 Durch die Codes of Conduct erhalten die Gruppen die Möglichkeit, die rechtlichen Verpflichtungen nach innen festzuschreiben und dadurch Rechtsinhaberschaft zu gewinnen. Eine Regelung muss dazu innerhalb der Gruppe eine gewisse Institutionalisierung erfahren haben. Bereits der Rechtssetzungsprozess selber kann bei den Gruppen dazu führen, dass eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem humanitären Völkerrecht und seinen Verpflichtungen erfolgt.582 Eine solche Institutionalisierung wird besonders deutlich, wenn eine Gruppe das Recht aus sich selbst heraus motiviert in einen allgemeinen Verhaltenskodex integriert und nicht

579

Sivakumaran, Lessons for the Law of Armed Conflict, 93 IRRC 2011, 1, 5. Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 202, 203; Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Law, 79, 96. 581 IKRK, A collection of codes of conduct issued by armed groups, 93 IRRC 2001, 483. 582 IKRK, A collection of codes of conduct issued by armed groups, 93 IRRC 2001, 483, 485. 580

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nur nach Absprache mit auswärtigen Organisationen einen einzelnen Code of Conduct zu humanitären Verpflichtungen erstellt oder gar übernimmt.583 Soweit Nichtregierungsorganisationen auf die Erstellung solcher Verhaltenskodizes Einfluss haben, sollten sie gezielt darauf hinwirken, dass das Recht so umgesetzt wird, dass es auch Wirkung entfalten kann. Das Recht muss dabei insoweit an das Verständnis der Kämpfer und der Organisation angepasst werden, dass der Einzelne wissen kann, welchen Verpflichtungen er tatsächlich unterliegt.584 Das Recht muss den Umständen und der Anwendungssituation entsprechend analysiert und ausgelegt werden und seine Anwendung auf allen Ebenen von vornherein klar sein.585 Kurz und prägnant formulierte Verpflichtungen können helfen, dass auch die einzelnen Kämpfer die Regelungen verstehen und daher leichter befolgen können.586 Dabei gilt wieder zu berücksichtigen, dass es keinen Standard-Verhaltenskodex geben kann, da die Bedürfnisse, Motive und Hintergründe der diversen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen sehr unterschiedlich sind. NGOs, die mit diesen Gruppen arbeiten, müssen sich darauf einstellen. Problematisch hinsichtlich der Rechtsbefolgung kann sein, dass Codes of Conducts wiederum lediglich eine Umsetzungsmaßnahme darstellen. Sie beschreiben dabei Intention und Umfang der Verpflichtung, enhalten aber häufig keine keine weiteren eigenen Umsetzungsmaßnahmen. So haben die Codes of Conducts selbst regelmäßig als Innenrecht keine Überwachungsmechanismen integriert, noch sehen sie Sanktionen vor.587 Im Falle einer hierarchisch strukturierten Gruppe ist aber davon auszugehen, dass – wie auch in der SPLA – das Verhalten des einzelnen Kämpfers und seine Verpflichtungen Gegenstand eigener strafrechtlicher Regelungen oder zumindest sanktionsbewährt sind. Nichtsdestotrotz sollten die Nichtregierungsorganisationen darauf hinwirken, dass die Verhaltenskodizes Regeln zu ihrer eigenen Verbreitung enthalten und dass die primärrechtlichen Verpflichtungen durch sekundärrechtliche Durchsetzungsmaßnahmen abgesichert sind. Um den Rechtsbefolgungswillen in den eigenen Reihen zu stärken, sollten innerhalb der hierarchischen Befehlskette Sanktionsmöglichkei583 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 201. 584 Geneva Call, Improving the Protection of Women and Girls during Armed Conflict, 11. 585 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 201; Sassoli, Involving organized armed groups in the development of the law?, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 213, 219. 586 IKRK, A collection of codes of conduct issued by armed groups, 93 IRRC 2001, 483, 485. 587 Reinisch, The Changing International Legal Framework for Dealing with NonState Actors, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, 37, 53.

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ten für den Fall eines Rechtsverstoßes sichergestellt werden. Die Möglichkeit einer Sanktionierung im Rahmen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe selbst hat dabei auf den einzelnen Kämpfer in der Regel einen höheren Abschreckungseffekt als eine theoretisch mögliche internationale strafrechtliche Verfolgbarkeit.588 Um den Verhaltenskodizes noch mehr Wirkung zu verschaffen, könnten sie auch mit einem Überwachungsmechanismus verbunden werden, in dem beispielsweise NGOs verpflichtet werden, die Einhaltung der Verpflichtungen von außen zu überwachen.589

D. Überprüfungs- und Überwachungsmechanismen Die dargestellten Maßnahmen wie die einseitigen Erklärungen oder Sonderabkommen sind zunächst Maßnahmen, die Verpflichtungen schaffen oder bestehende Verpflichtungen in das Recht der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe umsetzen. Damit stellen sie bereits eine wichtige Grundlage zur Rechtsbefolgung dar, da die bewaffneten Gruppen dadurch ihre eigenen Interessen äußern, aber vor allem Rechtsinhaberschaft gewinnen können.590 Wichtig ist aber, darüber hinaus eine Anreizstruktur zu schaffen, dass es nicht bei diesen Erklärungen bleibt, sondern auch tatsächlich das Recht befolgt wird. Wie bereits in den einzelnen Maßnahmen favorisiert, sollten daher die einzelnen Umsetzungsmaßnahmen, durch die die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe selbst Rechtsinhaberschaft gewinnt, mit Sanktionsmöglichkeiten nach innen oder außen verbunden werden. Interne Durchsetzungsmechanismen können dazu beitragen, dass die einzelnen Kämpfer ihren Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht nachkommen. Eine strikte Befehlshierarchie und eine strenge Kontrolle zur internen Durchsetzung können – wiederum unter Berücksichtigung einer Kosten-Nutzen-Abwägung des Individuums – die Rechtsbefolgung durch den einzelnen Kämpfer unterstützen.591 Dazu muss aber bereits die Gruppenführung konstant und konsequent die Rechtsbefolgung intern durchsetzen. Nach außen könnten Berichts- und Überwachungsmechanismen die Rechtsbefolgung erhöhen und zu einer besseren Wahrnehmung und Präsenz des Rechts an

588 IKRK, A collection of codes of conduct issued by armed groups, 93 IRRC 2001, 483, 486 589 Vgl. dazu auch Sassoli, Involving organized armed groups in the development of the law?, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 213, 220. 590 Sivakumaran, Lessons for the law of armed conflit, 93 IRRC 2011, 1, 2. 591 Bangerter, Disseminating and Implementing International Humanitarian Law within Organized Armed Groups, in: International Institute of Humanitarian Law, Organized Armed Groups, 193, 206.

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sich führen.592 Berichtspflichten können dabei dazu beitragen, dass einerseits intern ein Dialog und mithin ein Bewusstsein über die Verpflichtungen entsteht und andererseits das Wissen um die Verpflichtungen verbreitet wird.593 Die humanitär-völkerrechtlichen Verträge wie die Genfer Konventionen enthalten, anders als viele menschenrechtliche Verträge, keine Berichtspflichten der Mitgliedstaaten und damit auch nicht der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen.594 Das IKRK hat solche Berichtspflichten als eine wesentliche Möglichkeit identifiziert, die Befolgung des humanitären Völkerrechts auch auf staatlicher Seite zu verbessern und einen solchen Mechanismus nach dem Konsultationsprozess auf der 32. Rotkreuz-Konferenz als wesentlichen Bestandteil seines Konzepts vorgeschlagen.595 Möglich wäre, dass die Gruppen gegenüber festzulegenden Institutionen berichten, inwieweit sie die Regelungen des humanitären Völkerrechts eingehalten haben.596 Wie auch in den bestehenden Überprüfungsmechanismen aus dem UNMenschenrechtsregime könnte dies der internen und externen Kontrolle dienen; Berichte der nicht-staatlichen bewaffneten Gruppe über die Befolgung der Regelungen des humanitären Völkerrechts könnten dann in regelmäßigen Abständen oder anlassbezogen erfolgen.597 Solche Berichtspflichten sollten aber auch an eine Überwachungsmöglichkeit durch Dritte gekoppelt werden 598, um die Regelbefolgung transparenter zu machen.599 Die Vereinten Nationen haben beispielsweise zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten ein sehr umfassendes System ins Leben gerufen, in dessen Mittelpunkt sechs schwerste Verletzungen an Kindern in bewaffneten Konflikten600 und ein eigener Berichts- und Überwachungsmechanismus stehen. Dabei werden Gruppen, aber auch staatliche Streitkräfte, die gegen eines dieser

592 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 37. 593 Brown Weiss, Understanding Compliance with International Environmental Agreements, 32 University of Richmond Law Review 1998–1999, 1555, 1574; Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 144 f. 594 Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance with humanitarian norms, 93 IRRC 2011, 673, 679. 595 Vgl. dazu bereits S. 19 ff. 596 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 37. 597 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 37. 598 Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL 1993, 327, 330. 599 Mitchell, Compliance Theory: A Synthesis, RECIEL 1993, 327, 330. 600 Dies sind die Tötung und Verstümmelung von Kindern, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, Entführung von Kindern, Angriffe auf Schulen und Krankenhäusern sowie Verhinderung humanitären Zugangs.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Verbote verstoßen, auf die sogenannte „List of Shame“ aufgenommen. Damit eine Gruppe wieder von der Liste entfernt wird, muss sie nachweisen, dass die festgestellte Verletzung beendet ist. In Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen erarbeiten die einzelnen Gruppen sogenannte „Action Plans“, die die notwendigen Schritte enthalten, um eine Verletzung abzustellen.601 Ein solcher Überprüfungs- und Überwachungsmechanismus kann durchaus dazu führen, dass die Rechtsbefolgung erhöht wird. Die im humanitären Völkerrecht bereits bestehenden Möglichkeiten externer Überwachungsmechanismen richten sich grundsätzlich nicht an bewaffnete nicht-staatliche Gruppen. Allerdings können die Regelungen so ausgelegt werden, dass sie auch solche Gruppen umfassen: So hat auch die Internationale Ermittlungskommission, die nach dem Zusatzprotokoll I eingesetzt werden kann, ihr Mandat so ausgelegt, dass sie auch im Rahmen von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten tätig werden kann.602 Dies kann jedoch nur mit Zustimmung aller an einem solchen Konflikt beteiligten Parteien und nicht gegen den Willen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe erfolgen. Zudem besteht die Möglichkeit, Überwachungsmechanismen in die einzelnen Abkommen aufzunehmen oder mit einseitigen Erklärungen zu verbinden. Beispielsweise enthielt das Sudan-SPLM-Abkommen einen verpflichtenden Überprüfungsmechanismus, der bei schweren Verletzungen des Abkommens und schwersten Verstößen gegen die Genfer Konventionen in Kraft trat. Die Besonderheit dieses Mechanismus war zudem, dass die gefundenen Ergebnisse veröffentlicht werden sollten, sodass auch die Reputation der beteiligten Parteien in Frage stand. Allerdings gilt zu beachten, dass solche Mechanismen wiederum neue Verpflichtungen für die Gruppen bedeuten, denen unter Umständen dazu die Kapazität fehlt. Es würden zudem den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Verpflichtungen auferlegt, die Staaten wiederum nicht erfüllen müssen. Zudem sind, wie auch auf staatlicher Ebene, die Missbrauchsmöglichkeiten gerade bei den Berichtspflichten sehr hoch, gerade wenn diese Berichte einer internationalen staatlichen Institution vorgelegt werden sollen603: Die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen könnten unwahre Informationen weitergeben und diese Plattform zur Selbstdarstellung nutzen, was wiederum dem originären Interesse der Staaten widersprechen würde. Insoweit ist nicht davon auszugehen, dass diese einem solchen Vorschlag zustimmen würden. Letztlich sollte eine Berichts- und Über601 Vgl. umfassend dazu Klostermann, The UN Security Council’s Special Compliance System, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 313 ff. 602 David, Principes de droit des conflit armés, 670. 603 Sassoli, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 37, der als zuständige Institution das IKRK vorschlägt, gleichzeitig aber auch die Probleme anerkennt, die das für die tägliche Arbeit der IKRK haben könnte.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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wachungspflicht nicht losgelöst von sehr konkreten Verpflichtungen eingeführt werden, da nur so auch ergebnisorientierte Berichte über die Einhaltung und Kontrolle derselben möglich sind. Insgesamt können aber konkrete Verpflichtungen, die mit Berichts- und Überwachungsmechanismen gekoppelt sind, starke Anreize der Rechtsbefolgung auch für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen setzen.

E. Verpflichtungserklärungen von Geneva Call Geneva Call ist eine Schweizer NGO, die mit Verpflichtungserklärungen („Deed of Commitment“) bewaffneter nicht-staatlicher Akteure ein Instrument geschaffen hat, das sowohl die mangelnde Partizipation zu addressieren sucht, als auch die Eigeninteressen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe im Blick hat. Neben diesen Verpflichtungserklärungen hat Geneva Call sich zuletzt auch die Verbreitung des humanitären Völkerrechts insgesamt zur Aufgabe gemacht und ist bestrebt, die Kenntnisse der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen über das humanitäre Völkerrecht und ihre Fähigkeit, dieses zu befolgen, zu verbessern. Dazu führt Geneva Call mit verschiedenen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen einen Dialog und folgend Schulungen über das humanitäre Völkerrecht durch. Sie versuchen zudem das humanitäre Völkerrecht einer breiteren Öffentlichkeit über das Internet und (soziale) Medien zugänglich zu machen.604 Beispielsweise haben sie in Syrien die bereits genannte Kampagne „Fighter not killer“ initiiert, die sich an die gesamte Bevölkerung insgesamt richtete.605 I. Zeichnung der Verpflichtungserklärungen von Geneva Call durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen Geneva Call wurde im Jahr 2000 von Mitgliedern der „International Campaign to Ban Landmines (ICBL)“ gegründet. Ziel von Geneva Call ist es, bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zur Einhaltung humanitärer Normen zu bewegen. Zunächst war Geneva Call ausschließlich in dem Bereich der Ächtung von Landminen606 tätig.607 Geneva Call arbeitet mit Gruppen zusammen, die bewaffnet sind, unabhängig vom Staat agieren und Gewalt als Mittel der Wahl sehen, um ihre politischen Ziele zu verfolgen.608 Wichtig ist darüber hinaus für Geneva Call, dass es eine 604

Vgl. bereits oben S. 78 ff. Vgl. oben S. 80 f. 606 Im Folgenden werden die Begriffe Landminen und Personenminen unterschiedslos für Antipersonal Landmines verwendet. 607 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to Protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 107. 608 Vgl. oben S. 26 f. 605

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

deutliche Führungsstruktur gibt, die Gruppe über militärische Bestandteile und eine gewisse territoriale Kontrolle verfügt.609 Vor Beginn des Dialogs mit einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe untersucht Geneva Call deren Charakter, den Führungsstil, die Ziele und bisherige Verhaltensweisen umfassend.610 Bevor sie zu der Gruppe in Kontakt tritt, teilt sie dies auch dem Staat mit, auf dessen Territorium die Gruppe aktiv ist.611 Geneva Call begegnet den bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen durch Dialog, Überzeugungs- und Zusammenarbeit.612 Wenn eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe noch nicht bereit ist, das Deed of Commitment zu zeichnen, unterstützt Geneva Call sie im Vorfeld, bereits kleinere Schritte in Richtung Rechtsbefolgung zu unternehmen.613 Dann tritt Geneva Call in Dialog mit der Gruppe und legt dieser die Vorteile der jeweiligen Verpflichtungserklärung sowie die Möglichkeiten dar, die eine Zeichnung und Selbstverpflichtung nach dem Deed of Committment mit sich bringen. Mit ihren innovativen Verpflichtungserklärungen ist Geneva Call die einzige NGO, die direkt mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammenarbeitet und diese an Regeln des humanitären Völkerrechts bindet. Andere Organisationen haben zwar auch direkten Kontakt mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, beschränken sich jedoch darauf, mit diesen Zugang zur Bevölkerung als notwendige Voraussetzung zur Erbringung humanitärer Hilfe auszuhandeln oder den Inhalt des Rechts zu vermitteln. Lediglich das IKRK versucht darüber hinaus tätig zu werden und bewaffnete nicht-staatliche Gruppen direkt zu verpflichten. Geneva Call selbst beschreibt ihren eigenen Ansatz als umfassend, inklusiv, partizipativ, dialogisch und durch Argumente überzeugend.614 Bisher sind die Erfahrungen, die Geneva Call mit der Zeichnung der Verpflichtungserklärung gemacht hat, weitestgehend positiv. Im August 2012 hatte Geneva Call bereits mit 42 nichtstaatlichen Gruppen Verpflichtungserklärungen zum Verbot von Landminenen ausgehandelt und unterzeichnet. Geneva Call berichtete dazu, dass fast alle der Unterzeichner auch tätig wurden und ihre Verpflichtungen aus dem 609

Decrey Warner, Nouveux Acteurs – Nouvelles Solutions?, 63, 65. Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, Improving Compliance with International Norms, United States Institute of Peace, Special Report 284, 2011, 8. 611 Geneva Call, Geneva Call’s Experience Engaging Armed Non-State Actors on Improvised Explosive Devices and Explosive Remnants of War, 4, vgl. zum ersten Kontakt zwischen Geneva Call und den bewaffneten Gruppen Heffes, Non-State Actors Engaging Non-State Actors, in: Heffes/Kotlik/Ventura, International Humanitarian Law and Non-State Actors, 427, 434 f. 612 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 112. 613 Geneva Call, Geneva Call’s Experience Engaging Armed Non-State Actors on Improvised Explosive Devices and Explosive Remnants of War, 2. 614 Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument and Approach Engaging Armed Groups on Humanitarian Norms, 3. 610

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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„Deed of Commitment“ erfüllten.615 So haben die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Maßnahmen zur Umsetzung getroffen: Sie haben die Regeln und Verpflichtungen innerhalb der Gruppe verbreitet, eigene Regelungen oder Gesetze dazu erlassen und vereinzelt auch eigene Sanktionsmaßnahmen für den Fall der Nichtbeachtung geschaffen.616 In der Fortentwicklung und nach den positiven Erfahrungen, die Geneva Call mit der Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen gemacht hatte, erweiterte sie ihren Tätigkeitsbereich auch auf die Gefahren, die bewaffnete Konflikte für Kinder, aber auch für Frauen haben. Im Dialog mit den bewaffneten Gruppen, unter anderem bei einer Konferenz mit Vertretern derselben in Genf, definierten sie Standards, die auch für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen akzeptabel und erfüllbar sind.617 Heute ist Geneva Call daher nicht nur im Bereich der Ächtung von Landminen tätig, sondern bietet auch Verpflichtungserklärungen zum Schutz von Kindern und zum Verbot sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten an. Als Teil seiner Strategie 2017 bis 2019 begann Geneva Call auch im Bereich Kulturgüterschutz, Vertreibung und Schutz von Gesundheitseinrichtung mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammenzuarbeiten und diese verpflichten zu wollen. Diese Verpflichtungsbemühungen werden im Folgenden jedoch außer Acht gelassen, da die Inititativen gerade erst beginnen.618 Bis August 2020 haben 54 bewaffnete nicht-staatliche Gruppen die Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen, 28 die Verpflichtungserklärung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten und 25 die Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt und von Geschlechterdiskriminierung unterzeichnet. 619 1. Die Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen

Nicht-internationale bewaffnete Konflikte finden oft in stark verminten Gegenden statt, was zu einem besonders hohen Schaden insbesondere für die Zivilbevölkerung führt. Dabei gibt es verschiedene Gründe, warum gerade bewaffnete nicht-staatliche Gruppen auf Landminen zurückgreifen: Der Einsatz solcher

615 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 114. 616 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 114. 617 Geneva Call, Annual Report 2009, 5. 618 Bis August 2020 haben beispielsweise erst zwei bewaffnete nicht-staatliche Gruppen eine Verpflichtungserklärung zum Schutz von Gesundheitseinrichtungen gezeichnet, vgl. zum aktuellen Stand https://www.genevacall.org/how-we-work/ (zuletzt besucht am 7. August 2020). 619 Vgl. zum aktuellen Stand https://www.genevacall.org/how-we-work/ (zuletzt besucht am 7. August 2020). Insgesamt führt bzw. führte Geneva Call einen Dialog mit 80 bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren, die teilweise bereits nicht mehr aktiv sind.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Minen ist kostengünstig und leicht.620 Daneben setzen gerade nicht-staatliche Gruppen, die militärisch unterlegen sind, Landminen ein, da diese auch bei militärischem Ungleichgewicht große Schäden anrichten können.621 Für die Bevölkerung, die in stark verminten Gegenden leben muss, stellen die Minen eine starke Einschränkung und eine erhebliche Bedrohung der Sicherheit dar. Die Gründe für ein Engagement gegen Landminen liegen daher auf der Hand: Sie wirken unterschiedslos und führen dazu, dass gesamte Landstriche nach einem Konflikt nicht für die Zivilbevölkerung bewohnbar und nutzbar sind, es sei denn, die Minen werden wieder entfernt. Flüchtlinge können nicht nach Hause zurückkehren. Landminen fügen den Opfern schwerste Verletzungen zu, oftmals sind Kinder betroffen. Gerade deshalb ist es notwendig, dass auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen verbindlich erklären, solche Waffen nicht weiter einzusetzen. Für Staaten besteht diese konkrete Verpflichtung spätestens seit dem Ottawa Abkommen 1997 zur Ächtung von Landminen, das auch umfassend gezeichnet wurde. Dieses Abkommen gilt aber weder für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen noch kann es als Vertrag zwischen den Staaten von diesen gezeichnet werden. Dies wurde von zahlreichen Akteuren als Lücke erkannt, welche Geneva Call füllen wollte.622 a) Inhalt der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen Die Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen besteht aus drei Teilen. Neben dem einleitenden gibt es einen operativen Teil, gefolgt einen einem abschließenden Abschnitt für die Unterschriften. In der Präambel wird auf die Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts verwiesen sowie auf menschenrechtliche Grundsätze. Die sieben Paragraphen geben die Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts wieder und stellen die Gründe für die Ächtung der Landminen dar. Insbesondere werden das Prinzip der Menschlichkeit, die Verhältnismäßigkeit sowie die Unterscheidbarkeit und der Schutz der Zivilbevölkerung hervorgehoben.623 Art. 1 enthält ein absolutes Verbot von Landminen und bietet gleichzeitig eine allgemeinverständliche, nicht zu technische Definition von Landminen. Das absolute Verbot umfasst sowohl die Nutzung, die Entwicklung und den Erwerb solcher Landminen, aber auch die Verpflichtung zur Beseitigung der bereits vorhandenen und ausgelegten Minen. 620 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 109. 621 Decrey Warner, Nouveux Acteurs – Nouvelles Solutions?, 63; Herr, Binding NonState Armed Groups to International Humanitarian Law, PRIF-Report Nr. 95, 2. 622 Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 1. 623 Vgl. Präambel des Deed of Commitment under Geneva Call for Adherence to a Total Ban on Anti-Personnel Mines and for Cooperation in Mine Action.

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Nach Art. 5 verpflichten sich die Unterzeichner nicht nur zur Ächtung und dem absoluten Verbot von Personenminen, sondern unterwerfen sich auch den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts und der Menschenrechte: „To treat this commitment as one step or part of a broader commitment in principle to the ideal of humanitarian norms, particularly international humanitarian law and human rights, and to contribute to their respect in field practice as well as to the further development of humanitarian norms for armed conflicts.“

Da dabei das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechte nur hervorgehoben („particularly“) werden, werden dadurch auch andere humanitäre Normen, welche beispielsweise in regionalen kulturellen Traditionen oder in religiösen Lehren enthalten sind, mitumfasst.624 Wichtig ist, dass Art. 6 feststellt, dass – wie auch im gemeinsame Art. 3 Genfer Konvention vorgesehen – die Verpflichtungen nach dem Deed of Commitment keinen Einfluss auf die Rechtsstellung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe haben. Dies ist nach Ansicht von Geneva Call besonders relevant für die öffentliche Meinungsbildung. Denn durch Zeichnung in Kenntnis dessen können die bewaffneten nicht-staatlichen Akteure ihre Ernsthaftigkeit und Bereitschaft der Sache und des Inhalts der Verpflichtungserklärung wegen unter Beweis stellen.625 Das Deed of Commitment wird gegengezeichnet von Geneva Call und dem Kanton Genf. Dieser agiert auch als Vertragsverwahrer, was bedeutsam für das Instrument der Verpflichtungserklärung ist, da Genf als Verhandlungsort der Genfer Konventionen hohen Symbolwert hat.626 Die Verpflichtungserklärung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe wird veröffentlicht, auch um den politischen Druck auf den Unterzeichner vor einer breiten Öffentlichkeit zu erhöhen.627 Bei der Unterzeichnung ist die Symbolik sehr wichtig, was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass die Verpflichtungerklärungen soweit dies tatsächlich möglich ist, wie die erste Genfer Konvention von 1864 in dem Alabama Zimmer im Genfer Rathaus gezeichnet werden.628 Inhaltlich ist bemerkenswert, dass bei der Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung keine Vorbehalte erklärt werden können, da sie die vollumfassende Abschaffung von Tretminen erreichen will.629 Die Verpflichtungserklärung ist nicht nur ein trilaterales Abkommen oder ein Memorandum of Understanding, sondern ein Instrument suigeneris.

624

Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 2. Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 5. 626 Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 5. 627 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 111. 628 Vgl. Geneva Call, Annual Report 2009, 7. 629 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 29. 625

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

b) Umsetzung der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen Die Arbeit von Geneva Call hört nicht mit der Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung auf. Denn auch wenn die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Verpflichtung gemäß Art. 4 der Verpflichtungserklärung bei den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen selbst liegt, ist Geneva Call ihrerseits verpflichtet, der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe die bestmögliche und notwendige Unterstützung bei der Umsetzung zukommen zu lassen.630 Neben der Zusammenarbeit hat Geneva Call auch einen eigenen Überwachungsmechanismus geschaffen. aa) Zusammenarbeit Geneva Call unterstützt die Unterzeichnenden bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen. Dies bedeutet regelmäßig, dass Geneva Call technische Ressourcen, aber auch Wissen zur Verfügung stellt und insgesamt fachkräftige Unterstützung durch nationale und internationale Organisationen vermittelt.631 Unterstützungsleistungen durch Geneva Call sind beispielsweise Workshops und Schulungen über die Thematik, sodass gewährleistet wird, dass auch innerhalb der bewaffneten Gruppe der notwendige Wissensstand besteht oder erreicht werden kann. Daneben vermitteln sie technische Unterstützung zur Wiederauffindung und Beseitigung von Personenminen.632 Beispielhaft für die Umsetzung ist die Zusammenarbeit mit der SPLM/A. Diese forderte zur Verbreitung des notwendigen Wissens über die Ächtung von Landminen die Unterstützung von Geneva Call für eine Schulung der oberen Ränge der SPLA an. Diese Schulung brachte dabei politische Führer der SPLM, militärische Führungskräfte der SPLA, aber auch Vertreter der Vereinten Nationen, internationaler und nationaler NGOs und von IGAD zusammen.633 Dennoch ist die SPLM/A nicht all ihren Verpflichtungen aus dem Deed of Commitment nachgekommen. Im November 2002 gründete die SPLM/A jedoch ein Komitee, welches sich verpflichtete, disziplinarische Maßnahmen gegen Kommandeure und Kämpfer einzuleiten, die gegen das Verbot der Nutzung von Landminen verstießen.634 Bei der Durchführung der Schulung im Südsudan empfahl Geneva Call darüber hinaus, dass die SPLM/A die Nutzung von Personenminen unter Strafe stellen solle,635 was den Vorgaben von Art. 4 der Verpflichtungserklärung

630

Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 31. Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 4. 632 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and Conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 112, 113. 633 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 4. 634 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 26. 635 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 37. 631

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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entspricht. Eine solche strafbewährte Verpflichtung ist nicht in den neuen SPLM/AAct von 2003 übernommen worden. Zwar könnte die Nutzung von Landminen unter Art. 27 desselben Gesetzes fallen, der Ungehorsam insgesamt unter Strafe stellt. Wenn und soweit nun die Ächtung von Landminen zu den allgemeinen Leitlinien der SPLM/A gehört, welche durch die oberste Führungsriege festgelegt werden, könnte eine Nutzung von Landminen bereits als Ungehorsam gewertet werden. Der Wortlaut des Art. 27 SPLM/A Act 2003 deutet jedoch eher darauf hin, dass der Ungehorsam sich auf konkrete Anweisungen eines Vorgesetzten beziehen muss. Allerdings ist diese Auslegung nicht zwingend, es gibt aber auch keine bekannten Fälle die gegen eine solche Auslegung sprechen. Beispielhaft ist auch das Vorgehen zur Beseitigung bereits verlegter Personenminen. Da der SPLM/A dazu die notwendigen Kapazitäten fehlten, hat Geneva Call eine Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen organisiert. Dies führte letztlich zu einem Memorandum of Understanding zwischen der SPLM/A, der Regierung des Sudans und dem United Nations Mine Action Service (UNMAS)636, sodass die Beseitigung der Landminen im Südsudan gezielt und organisiert stattfinden konnte und kann. bb) Überwachungsmechanismen Geneva Call hat in Art. 3 der Verpflichtungserklärung einen eigenen Überwachungsmechanismus für die Einhaltung der Verpflichtungen der Ächtung von Landminen geschaffen. Dieser enthält drei Stufen, um eine Rechtsbefolgung zu gewährleisten. Die Unterzeichner müssen sich zunächst gegenüber Geneva Call für ihre Maßnahmen verantworten und regelmäßig über die Einhaltung ihrer Verpflichtungen berichten. Dies wird von Geneva Call und insbesondere von lokalen Partnern überprüft und kann im Zweifel durch Besuche von Mitarbeitern von Geneva Call selbst vor Ort kontrolliert werden. Art. 3 der Verpflichtungserklärung lautet dabei wie folgt: To allow and cooperate in the monitoring and verification of our commitment to a total ban on anti-personnel mines by Geneva Call and other independent international and national organisations associated for this purpose with Geneva Call. Such monitoring and verification include visits and inspections in all areas where antipersonnel mines may be present, and the provision of the necessary information and reports, as may be required for such purposes in the spirit of transparency and accountability.

Zunächst muss die bewaffnete Gruppe selber einen Rechenschaftsbericht abliefern, in dem sie angibt, welche Umsetzungsmaßnahmen sie getroffen hat. Dazu hat Geneva Call standardisierte Formulare geschaffen, in denen die Ver-

636 Vgl. zu deren Tätigkeiten im Sudan: https://unmas.org/en/programmes/south sudan (zuletzte besucht am 25.9.2020).

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

pflichteten Angaben zu möglichen Verletzungen, zu getroffenen Umsetzungsmaßnahmen, der Anzahl und Art von Landminen machen sowie zu anderweitigen humanitären Verpflichtungen Stellung nehmen sollen. Durch diese standardisierte Befragung, die die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen leicht ausfüllen können, soll einerseits der Fortschritt beobachtet werden, andererseits sollen aber auch Probleme und Herausforderungen leichter identifiziert werden können.637 Die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen halten diese Verpflichtungen nach Angaben von Geneva Call gut ein, wobei der Inhalt und die Vollständigkeit der mitgeteilten Informationen natürlich variieren.638 Die Fortschritte werden von lokalen Partnern von Geneva Call überprüft. Informationen erhält Geneva Call auch durch internationale und nationale Organisationen, die vor Ort tätig sind, und durch die Medien. Letztlich basieren auch die Informationen über eine mögliche Verletzung oder Nicht-Einhaltung der Verpflichtungen regelmäßig auf diesen Quellen.639 Soweit Informationsgesuche an die Verpflichteten selbst oder an Dritte keine Klarheit bringen, steht Geneva Call nach der Verpflichtungserklärung auch selbst das Recht zu, sogenannte „Verification Missions“ durchzuführen, also selbständig vor Ort die Angaben der Verpflichteten zu überprüfen. Für die Durchführung einer solchen Mission benötigt Geneva Call keine weitere Einwilligung von den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, vielmehr müssen diese nach der Verpflichtungserklärung Zugang zu allen notwendigen Bereichen und Informationen ermöglichen. Art. 7 der Verpflichtungserklärung enthält zudem eine weitere Möglichkeit, auf das Verhalten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Einfluss zu nehmen. Danach kann Geneva Call die Öffentlichkeit mit einbeziehen und positive Berichterstattung fördern, wenn und soweit eine Gruppe ihre Verpflichtung einhält. Im Fall der Nichtbefolgung kann dies aber auch zu negativer Presse und Berichterstattung führen.640 Damit steht für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, welche nach politischer Anerkennung streben, ein hohes Gut auf dem Spiel, nämlich ihr guter Ruf und internationale Akzeptanz. 2. Verpflichtungserklärung zum Schutze von Kindern in bewaffneten Konflikten

Ausgehend von dem verstärkten Rückgriff auf Kinder in bewaffneten Konflikten und ihrer Einbeziehung in militärische Aktivitäten hat Geneva Call die Ver637 Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance, 93 IRRC 2011, 673, 690. 638 Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance, 93 IRRC 2011, 673, 691. 639 Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance, 93 IRRC 2011, 673, 692. 640 Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 4.

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pflichtungserklärung zum Schutze von Kindern in bewaffneten Konflikten geschaffen. Geneva Call geht dabei davon aus, dass es zwar einen umfassenden Regelungskatalog zu Kindern in bewaffneten Konflikten gibt, dieser allerdings gerade im Hinblick auf bewaffnete nicht-staatliche Gruppen nicht eindeutig ist.641 So bestehen zahlreiche Unklarheiten, wie beispielsweise das Mindestalter eines Kindes für die Rekrutierung durch die Streitkräfte.642 Dies unterscheidet sich im humanitären Völkerrecht und dem Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention. Besonders auffällig ist in Bezug auf das Alter, dass es danach den bewaffneten Gruppen untersagt ist, Kinder unter 18 zu rekrutieren.643 Staaten hingegen wird lediglich vorgeschrieben, dass sie keine Kinder unter 16 rekrutieren und Kinder unter 18 nicht direkt an den Feindseligkeiten beteiligen. Dies bedeutet, dass die Vorgaben für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen bereits restriktiver sind als für die Staaten und dies den Gruppen schwer zu vermitteln ist.644 Dabei wird aber auch mehrheitlich vertreten, dass das Protokoll für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen nicht rechtlich bindend ist, sondern vielmehr nur den Staat verpflichtet, den Rahmen zur Befolgung durch den nicht-staatlichen Akteur zu setzen.645 Die Entwicklung durch das System der Vereinten Nationen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten ist sehr positiv und hat auch bereits zu verschiedenen Erfolgen geführt.646 Dennoch hat sich Geneva Call entschieden, daneben den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die Möglichkeit zu bieten, eine Verpflichtungserklärung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten abzuschließen, um die Wahrscheinlichkeit der Rechtsbefolgung durch verschiedene Gruppen zu erhöhen.647 Deren Bedeutung besteht nicht zuletzt, weil die Bedenken gegen die Unabhängigkeit der Vereinten Nationen wachsen.648 641 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice, 106, 110. 642 Labbé/Meyer/Somer, Engaging Nonstate Armed Groups on the Protection of Children, Issue Brief, 1 f. 643 Art. 4 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten. 644 Labbé/Meyer/Somer, Engaging Nonstate Armed Groups on the Protection of Children, Issue Brief, 2. 645 Vgl. beispielsweise Helle, Optional Protocol on the Involvement of Children to the Convention on the Rights of the Child, 82 IRRC 2000, Art. 4; Labbé/Meyer/Somer, Engaging Nonstate Armed Groups on the Protection of Children, Issue Brief, 2 m.w. N. 646 Klostermann, The UN Security Council’s Special Compliance System, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 313, 332 ff. 647 Labbé/Meyer/Somer, Engaging Nonstate Armed Groups on the Protection of Children, Issue Brief 4. 648 Independent Panel on Safety and Security of UN Personnel and Premises Worldwide, Toward a Culture of Security and Accountability, 9. Juni 2008, Rn. 20: „a significant and growing part of the public no longer perceives the UN as impartial and neutral“.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

a) Inhalt der Verpflichtungserklärung Unter Artikel 1 der Verpflichtungserklärung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten verpflichten sich die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen keine Kinder in bewaffneten Konflikten einzusetzen. Kinder sollen nicht in die bewaffnete Gruppe integriert und auch nicht mit den Streikkräften in irgendeiner Form assoziiert sein. Dies entspricht den internationalen Vorgaben zur Bekämpfung des Einsatzes von Kindersoldaten. Danach werden unter Kindersoldaten nicht nur solche Kinder verstanden, die aktiv an den Kampfhandlungen teilnehmen, sondern auch solche, die sonst innerhalb der Streitkräfte tätig werden, sei es zur Ausführung von Botengängen, zum Kochen oder aber zur Erfüllung sexueller Dienste. Die bewaffneten Gruppen verpflichten sich nach Art. 5 der Verpflichtungserklärung zudem Kinder in Gefangenschaft menschlich zu behandeln sowie auch in bewaffneten Konflikten die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, Kinder ihren Bedürfnissen entsprechend zu behandeln, Art. 7. Im Gegensatz zu der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen kann eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe gegenüber den Verpflichtungen zum Schutz von Kindern Vorbehalte erklären. Diese müssen aber gemäß Artikel 15 mit den Vorgaben des humanitären Völkerrechts sowie den minimalen Anforderungen der Staaten nach dem Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention über die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Gruppen entsprechen. b) Umsetzung der Verpflichtungserklärung Letztlich bedarf es bei Abschluss der Verpflichtungserklärung zum Schutze von Kindern einer noch engeren Zusammenarbeit zwischen den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und Geneva Call als bei dem Verbot von Landminen. Während letzteres vornehmlich technische Fragen betrifft, ist die Thematik des Kinderschutzes komplexer. So haben auch die Konsultationen mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ergeben, dass Kinder nicht nur von ihnen rekrutiert werden, sondern auch bei ihnen Schutz suchen.649 Insofern müssen die verschiedenen Aspekte von Kinderrechten mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen grundsätzlich geklärt werden und ein grundlegendes Verständnis von Kinderrechten und Kinderschutz geschaffen werden. Nach Art. 8 der Verpflichtungserklärung erklären sich die bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen bereit, politische und militärische Führungskräfte über die Verpflichtungen aufzuklären, diese zu verbreiten und Schulungen darüber durchzuführen. Entsprechend den Regelungen zu den Landminen müssen die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gewährleisten, dass sie die Verpflichtungen innerhalb der eigenen Struktur notfalls sanktionsbewährt durchsetzen. Ebenfalls 649 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to Protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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möglich ist ein eigener Überwachungsmechanismus durch Geneva Call mit Berichtspflichten, aber auch die Überprüfung der gegebenen Informationen vor Ort, Art. 9. Dabei stellen sich bei der Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen sehr spezifische Probleme: So kann es für Geneva Call oder eine dritte Organisation vor Ort schwer sein, das Alter von Kindern oder deren Beteiligung am Konflikt zu bestimmen.650 3. Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten

2012 rief Geneva Call die Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt und Geschlechterdiskriminierung ins Leben. Sexuelle Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen und Mädchen, ist in bewaffneten Konflikten weit verbreitet. Einerseits wird dies auf ein Gefühl der Straflosigkeit und fehlende Disziplin zurückgeführt.651 Vermehrt wird in aktuellen Konflikten, beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo, aber auch sexuelle Gewalt als systematisches Mittel der Kampfführung verwendet.652 Im März 2016 veröffentlichte der UNHochkommissar für Menschenrechte einen Bericht über Massenvergewaltigungen im Südsudan, die systematisch durch beide Konfliktparteien stattfanden und jeweils gegen bestimmte ethnische Gruppen gerichtet waren.653 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat klare Regeln zum Schutz von Frauen und Kindern in bewaffneten Konflikten und der Vorbeugung und Verhinderung sexueller Gewalt verabschiedet. Die Rechte der Frau sind auch Gegenstand verschiedener internationaler Abkommen wie beispielsweise des Übereinkommens über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen (CEDAW)654. Gerade in bewaffneten Konflikten tritt die Geschlechterdiskriminierung deutlich hervor, zudem werden ganze Teile der Bevölkerung durch sexuelle Gewalt langfristig traumatisiert. In der Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt und Geschlechterdiskriminierung verpflichten sich die Parteien, keine sexuelle Gewalt in einem bewaffneten Konflikt anzuwenden, Art. 1, sowie alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, dass solche Verbrechen nicht begangen werden, Art. 2. Gleichzeitig soll Opfern sexueller Gewalt geholfen werden: Daher sieht die Verpflichtungserklärung vor, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen dafür die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Die interne Umset650 Goodlife, Armed Non-State Actors and Child Protection, in: Babiker/Daublain/ Vahlas, Enfants-Soldates et Droits des Enfants, 171, 184. 651 Geneva Call, Gleichstellungsfragen, 2. 652 Geneva Call, Gleichstellungsfragen, 2. 653 OHCHR, Assessment Mission by the Office to the Unites Nations High Commissioner, UN Doc. A/HRC/31/49. 654 BGBl. II 1985, Nr. 17 vom 3.5.1985, 647 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

zung, zu der sich die Gruppen verpflichten, ist besonders wichtig. Gemäß Art. 7 soll dabei Wert darauf gelegt werden, einzelne Kämpfer in dieser Hinsicht zu schulen, aber auch Verstöße in jedem Fall zu ahnden, um bereits dem Klima der Straflosigkeit entgegenzuwirken. Teilweise werden sich bewaffnete nicht-staatliche Gruppen erst durch Geneva Call ihrer Verpflichtungen gegenüber Frauen und Kindern bewusst, wie die Aussage eines Kommandeurs einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gegenüber Geneva Call deutlich zeigt: „In our own organization, we do not have a code of conduct or rules and regulations on how to protect women and girls because we are more focused on political issues. However, we realize that gender issues are as important as political issues. We can prevent many things before they happen.“ 655

Insoweit ist es eines der Hauptanliegen von Geneva Call im Rahmen dieser Verpflichtungserklärung Bewusstsein und Kenntnis bei der gesamten betroffenen Bevölkerung zu schaffen.656 Letztlich zeigen aber die Beobachtungen von Geneva Call auch, dass die Thematik von den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht als prioritär eingestuft wird.657 Wie auch in den anderen Verpflichtungserklärungen sieht dieses Deed of Commitment wiederum Überwachungsmöglichkeiten vor. Problematisch kann dabei aber besonders einerseits der Zugang zu den Opfern sein, andererseits kann es schwierig sein, Beweise für Verstöße zu finden.658 II. Wirksamkeit der Verpflichtungserklärungen von Geneva Call Die Verpflichtungserklärungen von Geneva Call haben sich als besonderes und erfolgreiches Instrument zur Durchsetzung von bestimmten Verpflichtungen im humanitären Völkerrecht erwiesen. Die Gründe dafür, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen sich gegenüber Geneva Call verpflichten, sind zahlreich. Trotzdem trifft Geneva Call natürlich auch auf Hindernisse bei der Durchführung und Umsetzung der Verpflichtungserklärungen. 1. Gründe für die Zeichnung von Verpflichtungserklärungen

Zahlreiche bewaffnete nicht-staatliche Gruppen haben bereits die Verpflichtungserklärungen von Geneva Call unterzeichnet und sich damit eigenständig

655 Lamazière, zine 2014, 3. 656 Lamazière, zine 2014, 3. 657 Lamazière, zine 2014, 3. 658 Lamazière, zine 2014, 3.

Engaging armed non-state actors, 60 Humanitarian Exchange MagaEngaging armed non-state actors, 60 Humanitarian Exchange MagaEngaging armed non-state actors, 60 Humanitarian Exchange MagaEngaging armed non-state actors, 60 Humanitarian Exchange Maga-

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verpflichtet. Die Verpflichtungserklärungen bedienen dabei eigene Interessen der Gruppen, sind aber auch ein legitimes Instrument zur Selbstverpflichtung.659 a) Legitimität Die Verpflichtungserklärungen sind ein legitimes Instrument für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen sich unter dem humanitären Völkerrecht zu verpflichten. Wesentlicher Faktor ist zunächst, dass Geneva Call eine unabhängige und neutrale NGO ist und auch so von den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wahrgenommen wird.660 Dies wird besonders deutlich im Vergleich zu der Durchsetzung der Kinderrechte durch die Vereinten Nationen, die teilweise eben nicht als unabhängig angesehen werden. So hat die National Democratic Front of the Philippines (NDFP) beispielsweise in Bezug auf die „List of Shame“ geäußert, dass die Vereinten Nationen nicht der Ort seien, an dem nationale Befreiungsbewegungen fair und objektiv beurteilt würden.661 Zudem kommt Geneva Call der „Schweiz-Faktor“ zugute.662 Dabei kann Geneva Call unter Umständen die Reputation der Schweiz als neutraler Staat nutzen, um etwa die Gruppen nach Genf zur Unterzeichnung oder auch zu gemeinsamen Konferenzen einzuladen.663 Dass der Kanton Genf als Verwahrer fungiert, gibt dem Deed of Commitment eine stärkere Bedeutung als internationales Instrument.664 Besonders wichtig ist aber im Hinblick auf die Input-Legitimität die Beteiligung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe an der Verpflichtungserklärung und deren Umsetzung. Durch die Zeichnung selbst erhalten die Gruppen die Möglichkeit, sich den Inhalt der Erklärungen zu Eigen zu machen und eine Rechtsinhaberschaft zu erlangen.665 Neben dieser einzigartigen Möglichkeit der Partizipation bei der Entstehung der Verpflichtung wird die bewaffnete nichtstaatliche Gruppe auch umfassend in die Durchführung einbezogen. So können die Berichtspflichten im Rahmen des Überwachungssystems dazu führen, dass 659 Vgl. zu den Gründen der Zeichnung auch Schneckener/Hofmann, The Power of Persuasion, in: Krieger, Inducing Compliance with International Law, 79, 102 ff. 660 Geneva Call, Perceptions of armed non-State actors on humanitarian action, 5. 661 NDFP, Letter dated 7 April 2011 to Ms Coomaraswamy, UN Special Representative of the Secretary-General for Children and Armed Conflict, NDFP Human Rights Monitoring Committee. 662 Krieger, A Turn to Non-State Actors, SFB-Governance Working Paper Series No. 62, 24; Schneckener/Hofmann, Verhaltensänderung durch Normdiffusion?, Die Friedens-Warte 2010, 29, 48. 663 Schneckener/Hofmann, Verhaltensänderung durch Normdiffusion?, Die FriedensWarte 2010, 29, 48. 664 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 32. 665 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 112.

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die Gruppen ein verstärktes Gefühl der Rechtsinhaberschaft entwickeln.666 Eine grundsätzliche Verbundenheit mit Geneva Call, aber auch mit allgemeinen Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts kann sich zudem daraus ergeben, dass die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen auch bei der Entstehung weiterer Verpflichtungserklärungen partizipieren können bzw. konnten und somit selbst bei der Fortentwicklung des Rechts unter Berücksichtigung ihrer eigenen Anschauungen und Werte mitwirken konnten. Dies hat schon dazu geführt, dass einige Gruppen bereits grundsätzlich dem Abschluss solcher Verpflichtungserklärungen, auch in Bezug auf andere Themen als Landminen, deutlich aufgeschlossener waren.667 Bereits im Jahre 2001 zeichnete die SPLM/A das Deed of Commitment zur Ächtung von Landminen und erklärte in einem später zur Umsetzung erfolgten Workshop: „The SPLM/A has taken ownership of the mine problem in southern Sudan and was among the first armed movements to sign the Deed of Commitment. It considers itself to be part and parcel of the campaign against landmines.“ 668

Vor der Zeichnung nahm die SPLM/A gemeinsam mit anderen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen an einer Konferenz teil, die unter anderem die Schweizer „Campaign to Ban Landmines“ organisiert hatte. Dort diskutierten die Gruppen die Nutzung von Landminen und den rechtlichen Rahmen sowie eine mögliche Verpflichtung von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen. Bereits in diesem Rahmen verpflichteten sich zwei Kommandeure der SPLM/A mündlich, die Verpflichtungserklärung zu zeichnen.669 b) Eigeninteresse Neben Legitimitätserwägungen, insbesondere der Partizipation der Gruppen, bedienen die Verpflichtungserklärungen aber auch die eigenen Interessen der Gruppen, sodass der Nutzen einer Zeichnung für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen oftmals die Kosten überwiegt. Durch die Zeichnung einer Verpflichtungserklärung von Geneva Call gewinnen die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Reputation. Geneva Call nimmt die Gruppen als eigenständige und gleichwertige Akteure wahr und führt mit diesen einen seriösen Dialog, der auf gegenseitigem Vertrauen aufbaut.670 Die Ver666 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to Protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 118 f. 667 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to Protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 108 f. 668 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 3. 669 Herr, Binding Non-State Armed Groups to International Humanitarian Law, PRIF-Report Nr. 95, 12. 670 Decrey Warner, Dialoguer avec tout le monde, Tribune de Genève 14. Oktober 2010; Herr, Binding Non-State Armed Groups to International Humanitarian Law, PRIF-Report Nr. 95, 2.

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pflichtungserklärungen enthalten Regelungen darüber, dass sowohl die Zeichnung als auch die Rechtsbefolgung öffentlich gemacht werden, sodass dies auch außerhalb von Geneva Call wahrgenommen werden kann.671 Durch die freiwillige Verpflichtung gegenüber Geneva Call kann den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen daher auch internationale Anerkennung zukommen.672 So führt die SPLM bei der Zeichnung der Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen 2001 in Genf aus: „The SPLM/A is fully conscious of the fact that although it is a non-state actor, the world has come to expect from it humanitarian standards, approaching if not on a par with those expected of sovereign governments. [. . .] I am very thankful to both the Swiss and Geneva governments and people for their brave understanding by allowing us, we the non-state actors, to have such an international forum in which to interact.“ 673

Dass auch bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen internationale Anerkennung sowie ihr guter Ruf wichtig sind, wird aus dem Beispiel deutlich, dass sogar somalische Piraten wegen ihres international schlechten Rufes besorgt waren.674 Wichtig für die Anerkennung ist auch die Symbolik durch das äußere Auftreten der Gruppe. Soweit möglich werden die unterzeichnenden nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen eingeladen, das Deed of Commitment in Genf in der Alabama Hall zu unterzeichnen.675 Sicherlich ist dabei auch wichtig, dass Geneva Call einen Rahmen geschaffen hat, in dem die nicht-staatlichen Gruppen eine Bedeutung haben und international wahrgenommen werden und sie aber auch in ihre weitere Arbeit einbezieht. Dies wird beispielsweise deutlich an der Organisation des zweiten Treffens der Unterzeichner in Genf, bei dem soweit möglich alle Unterzeichner zu einer Art Gipfeltreffen bewaffneter nicht-staatlicher Gruppe zusammengekommen sind.676 Auch in der Reziprozität sieht Geneva Call eine wichtige Grundlage.677 Beispielsweise könnte der Einsatz von Landminen durch die nicht-staatliche Konfliktpartei dazu führen, dass die staatliche Konfliktpartei ihrerseits Landminen einsetzt und damit gegen ihre Verpflichtungen aus der Ottawa Konvention gegen 671 Labbé/Meyer, Engaging Nonstate Armed Groups and the Protection of Children, International Peace Institute 2012, 6. 672 Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, Special Report 284, 9. 673 Nhial, Statement of the Sudan People’s Liberation Movement/Army on the Occasion of the Signing and Depositing to Geneva Call Deed of Commitment to Ban Landmines, 4. Oktober 2001. 674 N-TV, Brainstorming in Somalia, Piraten sorgen sich um ihren Ruf, 20. April 2010. 675 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors 108, 111. 676 Geneva Call, Annual Report 2009, 5. 677 Decrey Warner/Somer/Bongard, Armed Non-State Actors and Humanitarian Norms, in: Perrin, Modern Warfare, 73, 77.

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den Einsatz von Landminen verstößt.678 Nur wenn beide Parteien derselben rechtlichen Verpflichtung unterliegen, kann die Gefahr des Einsatzes solcher Minen reduziert werden. Im Gegenzug könnte die Zeichnung der Verpflichtungserklärung durch eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe auch ein positives Beispiel für staatliche Akteure bedeuten, die Ottawa Konvention zu zeichnen und sich selbst rechtlich zu verpflichten.679 Dies zeigt das Beispiel aus dem Sudan: „According to senior officials, the government would not have felt able to ratify the convention if the SPLM/A had not made a prior commitment to observe its provisions in the territory under its control by signing the Geneva Call Deed of Commitment.“ 680

Es haben sich aber auch zahlreiche bewaffnete nicht-staatliche Gruppen unter dem Deed of Commitment verpflichtet, ohne dass der jeweilige Staat die Ottawa Konvention gezeichnet hatte.681 Dies wiederum kann die bewaffnete nicht-staatliche Gruppe für sich nutzen und öffentlich ein positives Bild von sich zeichnen. Die SPLM/A nutzte dies beispielsweise zunächst um die internationale Gemeinschaft aufzufordern, politischen Druck gegenüber der Regierung des Sudans aufzubauen, damit diese die Ottawa Konvention zeichnen und internationalen Kontrolleuren Zugang ermöglichen sollte: „And as we stand committed to deposit our Deed of Commitment, we raise our voice to the international community to bring pressure to bear on the government of the Sudan to ratify the Ottawa Convention on the ban on the use of landmines and to allow free access for coordinated cross-conflict mine action operations. Indeed, states and their affiliated militia should not be allowed to abuse humanity in the name of sovereignty.“ 682

Nicht zuletzt kann Geneva Call aber auch inhaltlich das Interesse der Gruppen wecken. Die Mitarbeiter von Geneva Call versuchen dabei das Verhalten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe durch Argumente zu steuern. Gerade in Bezug auf die Verwendung von Landminen kann den Gruppen ein deutlicher Nut678 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 26; Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 110. 679 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 110. 680 Barber, Preface, in: Geneva Call, Armed Non-State Actors and Landmines, 1; Auch im Irak war die Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe (Patriotic Union of Kurdistan und der Kurdistan Democratic Party) entscheidend für die Zeichnung des Ottawa Abkommen durch den Staat, vgl. http://www.genevacall.org/southsudan-geneva-call-deed-commitment-ottawa-convention/ (zuletzt besucht am 26.9.2020). 681 Decrey Warner/Somer/Bongard, Armed Non-State Actors and Humanitarian Norms, in: Perrin, Modern Warfare, 73, 80. 682 Nhial, Statement of the Sudan People’s Liberation Movement/Army on the Occasion of the Signing andf Depositing to Geneva Call Deed of Commitment to Ban Landmines, 4. Oktober 2001.

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zen aufgezeigt werden: Ein Rückbau von Landminen in dem von den jeweiligen Gruppen beherrschten Territorium erhöht deutlich die Sicherheit und damit die Lebensqualität, aber auch den Wohlstand der dort lebenden Menschen.683 Die Gefahr, die von bereits verlegten Minen ausgeht, besteht auch für die eigenen Kämpfer. Sie sind gleichermaßen in Gefahr wie ihre Familien, Opfer von Landminen zu werden.684 Für die SPLM/A waren zum Zeitpunkt der Zeichnung der Verpflichtungserklärung bereits langfristige Überlegungen relevant, der Schutz sowie die Achtung durch die eigene Bevölkerung hatte wesentliche Bedeutung gewonnen. Dies deckt sich mit der Aussage eines SPLA Kommandeurs, der Folgendes feststellte: „[T]he Movement came to understand that we might end up with a minded land rather than the homeland we are fighting for.“ 685

Die SPLM/A hat auch bereits im Jahre 1996 eine einseitige Erklärung über die negativen Folgen der Nutzung von Landminen abgegeben.686 Im Jahr 2001 hatte die SPLM/A schon wesentliche Teile des Südsudans unter ständiger effektiver Kontrolle. Dabei hat sich im Laufe des Konflikts auch die militärische Taktik und Stärke der SPLM/A geändert, sodass sie nicht mehr auf die Verwendung von Landminen angewiesen war.687 Der militärische Nutzen war letztlich geringer als der Schaden durch die Landminen, so führt ein Kommandeur der SPLMA zusammenfassend aus: „As freedom fighters, we first considered mines as good weapons because we didn’t know the consequences of their use. [. . .] Then we started to realise that mines are not of any strategic or tactical importance. As an active commander, I saw what they did to my own soldiers.“ 688

In Bezug auf die Beseitigung der Landminen besteht zudem noch ein finanzieller Anreiz, die Verpflichtungserklärung von Geneva Call zu unterzeichnen, da die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen unter der Verpflichtungserklärung Unterstützung bei der Beseitigung bereits verlegter Landminen erhalten.689 Wie bereits genannt, werden die verlegten Minen im Südsudan beispielsweise durch die UNMAS beseitigt.690 683

Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, Special Report 284, 9. Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 26. 685 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 21. 686 SPLM, Resolution on Problem posed by Proliferation of Anti-Personnel Mined in Liberated Parts of New Sudan. 687 Herr, Binding Non-State Armed Groups to International Humanitarian Law, PRIF-Report Nr. 95, 12. 688 Geneva Call, Mine Ban Education Workshop in Southern Sudan, 21. 689 Decrey Warner, Nouveux Acteurs – Nouvelles Solutions?, 63, 64. 690 Seit der Unabhängigkeit des Südsudan wird dies insbesondere finanziert durch das United Nations Department of Peacekeeping Operations, die EU und durch Italien, Japan, Südkorea und die Niederlande, vgl. https://www.unmas.org/en/funding/unmas (zuletzt besucht am 28.9.2020). 684

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Die Interessen der jeweiligen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen bei Abschluss der Verpflichtungserklärungen zum Schutz von Kindern und Frauen in bewaffneten Konflikten sind nicht immer gleich eindeutig wie die beim Abschluss der Verpflichtungserklärungen zur Ächtung von Landminen und müssen individuell von Geneva Call in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Gruppe ermittelt werden. 2. Hindernisse beim Abschluss der Verpflichtungserklärungen

a) Hindernisse beim Zugang zu den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Natürlich begegnet Geneva Call auch Hindernissen. So ist ihre Tätigkeit besonders stark davon abhängig, dass sie überhaupt Zugang zu den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen erhält. Dieser kann einerseits durch die Staaten, auf dessen Territorium die jeweilige Gruppe aktiv ist, beispielsweise durch Reisebeschränkungen verhindert werden, andererseits bereits durch Sicherheitserwägungen eingeschränkt sein. Die Tätigkeit von Geneva Call ist abhängig von der Zustimmung der Staaten, auf deren Territorium die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen tätig sind. Beispielsweise wurde ihr lange Zeit der Zugang zur PKK von der Türkei verwehrt, da es sich aus der Regierungssicht bei Mitgliedern der Gruppe um Terroristen handele, die nicht wie andere nicht-staatliche Akteure behandelt werden sollten.691 Diese Probleme treten auf verschiedenen Ebenen auf: So kann ein Staat zunächst verhindern, dass Geneva Call überhaupt auf dem Territorium Verhandlungen mit einer Gruppe durchführt. Soweit es zu einer Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe gekommen ist, können durch solche Beschränkungen auch die Überwachung und eventuelle Kontrollbesuche eingeschränkt werden. Insoweit ist in der Regel die Unterstützung durch den betroffenen Staat relevant für den Erfolg der Verpflichtungserklärungen und den gesamten Überwachungsprozess.692 Die Zugangsverweigerung durch einen Staat kann für Geneva Call zu der Frage führen, ob sie eine Verpflichtung der betroffenen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe unterlässt, was sich allerdings zum Nachteil der Zivilisten auswirken kann, oder mit der Gruppe eine Verpflichtungserklärung abschließt ohne deren Einhaltung überwachen zu können, was zu einer Entwertung des Instruments der Verpflichtungserklärung führen kann.693 Doch auch durch Drittstaaten können Hindernisse für den Zugang zu bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen geschaffen werden, wie das Beispiel der USA 691

Santos, A Critical Reflection on the Geneva Call Instrument, 14. Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance with humanitarian norms, 93 IRRC 2011, 673, 703. 693 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 121 f. 692

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zeigt. Dort steht die Interaktion mit bestimmten bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen unter Strafe, was nach Ansicht der USA auch extraterritorial anwendbar sein soll. Mitarbeiter von Geneva Call könnten sich also bereits beim Dialog mit den Gruppen strafbar machen.694 Oftmals ist der Zugang zu den bewaffneten Gruppen aber auch aus Sicherheitsgründen schwer zu realisieren. Beispielsweise konnte Geneva Call aus Sicherheitserwägungen in Somalia mehrfach nicht zu den verpflichteten Gruppen reisen und mithin die Einhaltung der Verpflichtungen nicht überwachen. Eine weitere Herausforderung ist insbesondere das Auseinanderbrechen oder die weitere Fragmentierung von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen. In solchen Fällen unklarer Strukturen ist es besonders relevant mit allen politischen Führern innerhalb der Gruppe zu verhandeln, da ansonsten nicht gesichert ist, dass alle Zweige innerhalb der Gruppe gebunden sind695 oder sich zumindest ausreichend repräsentiert und damit gebunden fühlen. b) Hindernisse bei der Umsetzung der Verpflichtungserklärungen Bei der Umsetzung der Verpflichtungserklärungen durch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen selbst kann es bereits an der Fähigkeit zur Rechtsbefolgung fehlen. Auf der einen Seite bedarf es häufig mehrerer Schulungen bis die verschiedenen Ränge der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe Kenntnis über ihre Verpflichtungen haben. Bei der Verpflichtung der SPLM/A zum Verbot von Landminen war beispielweise die praktische Verbreitung der Verpflichtung im gesamten, teils schwer zu erreichenden Gebiet des heutigen Südsudans schwierig.696 Gerade in Bezug auf die Beseitigung von Landminen hat Geneva Call zudem häufig mit technischen Problemen bei der Beseitigung der Landminen zu kämpfen. So wissen die Gruppen zwar, wie sie solche Landminen bauen und verteilen, aber nicht, wie sie diese wieder beseitigen und benötigen daher zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen Unterstützung von außen. Die Berichterstattung durch die Gruppen kann auch ein Hindernis sein. Denn obwohl dieses System grundsätzlich die Selbstbeteiligung der Gruppen fördert, kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Informationen auch vollständig und wahrheitsgemäß an Geneva Call übermittelt werden. Dies kann einerseits an den fehlenden Fähigkeiten liegen, den Berichtspflichten nachzukommen, andererseits 694

Vgl. dazu S. 189 ff. Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108, 116. 696 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions, 108, 118. 695

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

natürlich auch am fehlenden Willen. Gleiches gilt aber auch für die Berichte Dritter, deren Objektivität in Konfliktsituationen nicht gewährleistet werden kann.697 Einem weiteren möglichen Problem begegnet Geneva Call bereits präventiv: Je mehr die Bedeutung und Akzeptanz der Verpflichtungserklärungen steigt, umso wichtiger ist auch die Überwachung durch Geneva Call selbst. Dies gilt umso mehr, als die thematische Bandbreite deutlich gewachsen ist. Insoweit hat Geneva Call auch mit eigenen begrenzten Ressourcen zu kämpfen. Auch in Kenntnis dessen hat aber beispielsweise Geneva Call den Umfang der einzelnen Verpflichtungserklärungen bewusst nicht sehr weit gewählt, um eine Überwachung noch gewährleisten zu können.698 Ein bestehender Kontakt zu den Gruppen soll dann aber auch für den weiteren Dialog um humanitäre Verpflichtungen insgesamt genutzt werden. 3. Übertragbarkeit der Erfolge

Die Erfolge, die Geneva Call mit der Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen hat, sind sehr groß. Nicht nur hat sich eine Vielzahl von bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren darunter verpflichtet, die Umsetzung ist auch sehr erfolgreich. Weltweit haben sich verschiedenste bewaffnete nicht-staatliche Akteure dazu entschieden, diese Waffen nicht mehr einzusetzen. So hat sich das Deed of Commitment zur Ächtung von Landminen als durchsetzungsstarkes Instrument etabliert. Durch seinen formalen Abschluss und dem Kanton Genf als Verwahrer hat es einen höheren symbolischen Wert als sonstige einseitige Erklärungen,699 und gewinnt durch das eigene Überwachungssystem noch an Bedeutung. Auch wenn dieser Überwachungsmechanismus teilweise wegen Versagung des Zugangs nicht vollständig umgesetzt werden konnte, erfüllt er regelmäßig seine Funktion. Durch die Besuche von Geneva Call und die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern basiert dieses System nicht nur auf interner, sondern auch auf externer Kontrolle und ist mithin weitreichender als das System unter der Ottawa Konvention.700 Geneva Call kann den Gruppen die Gründe für die Verpflichtung deutlich machen, die sich häufig mit eigenen Interessen der Gruppe decken. Kurzfristige Nachteile können durch die Darlegung langfristiger Vorteile, welche mit der

697 Bongard/Somer, Monitoring armed non-state actor compliance with humanitarian norms, 93 IRRC 2011, 673, 704. 698 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 115. 699 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108,120. 700 Bongard, Engaging Armed Non-State Actors on Humanitarian Norms, in: Geneva Call, Exploring criteria and conditions for Engaging Armed Non-State Actors, 108,120.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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Ächtung von Landminen einhergehen, ausgeglichen werden. Daneben stellt das Deed of Commitment ein eigenes Instrument nur für die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen dar, sodass die Legitimität ihnen gegenüber gewahrt ist. Verschiedene bewaffnete nicht-staatliche Gruppen haben auch die Verpflichtungserklärungen zum Schutz von Kindern und zum Schutz von Frauen in bewaffneten Konflikten gezeichnet. Doch gerade in diesen Bereichen ist die Überwachung und Kontrolle schwierig, sodass es insoweit nicht möglich erscheint, deren Effektivität zu bewerten. Für einen Erfolg der beiden Instrumente spricht aber, dass die bewaffneten Gruppen das Ziel verfolgen, dass ihnen auf Augenhöhe begegnet wird, und sie nicht nur als Teil des Problems, sondern auch als Teil der Lösung angesehen werden wollen.701 Die Bereitschaft, sich auch international zu verpflichten, ist insoweit hoch. Allerdings sind die Anforderungen, die mit den Verpflichtungserklärungen zum Schutz von Kindern und zum Schutz von Frauen in bewaffneten Konflikten verbunden sind, höher als die bei der Verpflichtungserklärung zur Ächtung von Landminen. Bei letzterem reicht auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zunächst der politische Wille, dies umzusetzen sowie die notwendige Struktur, dies innerhalb der Gruppe auch durchzusetzen. Aufgrund der technischen Schwierigkeiten bei der Beseitigung bereits bestehender Minen können die Gruppen wesentliche Unterstützung durch andere Akteure erfahren. Bei den Verpflichtungen zum Schutze der Kinder oder zum Schutz von Frauen müssen die Gruppen aber neben dem politischen Willen zur Um- und Durchsetzung auch noch Kapazitäten besitzen, um die Voraussetzungen der humanitären Behandlung inmitten des bewaffneten Konfliktes zu schaffen. Natürlich werden sie auch in dieser Hinsicht extern unterstützt, dennoch scheinen die Anforderungen an die Gruppe insgesamt höher. Erste Berichte sprechen dafür, dass Gruppen, die eine Verpflichtungserklärung zum Schutz von Frauen abgegeben haben, diese Thematik dadurch nicht als prioritär ansehen.702 Damit sind vor allem die inhaltlichen Anforderungen an die Gruppe entscheidend. Besonders erschreckend ist das Beispiel der SPLM/A, die sich gegenüber Geneva Call zur Einhaltung der Regelungen zum Verbot von sexueller Gewalt verpflichtet hat. Berichte des UN-Hochkommissars für Menschenrechte aus dem März 2016 deuten aber darauf hin, dass die SPLM/A, nunmehr als staatlicher Akteur, systematisch Massenvergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung einsetzt.703

701 Und eben dies tut Geneva Call, vgl. Decrey Warner, Dialoguer avec tout le monde, Tribune de Genève 14. Oktober 2010; Jo, Compliant Rebels, 237. 702 Vgl. oben S. 159. 703 Assessment Mission by the Office of the United Nations High Commissioner, 5, 13, 28 ff.

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Teil 1: Rechtsbefolgung durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen

Letztlich werden sich die Gruppen nur mit den Verpflichtungen identifizieren können, wenn sie ihnen nach Abwägung der Kosten und Nutzen in irgendeiner Weise dienen. Wie auch bei Staaten bedeutet eine Zeichnung der Verpflichtungserklärung keine Rechtsbefolgung. Insoweit muss Geneva Call darauf hinwirken, den bewaffneten Gruppen, unter Berücksichtigung ihrer Traditionen und Werte, die Vorteile der Einhaltung des Rechts näher zu bringen. Trotz unklarer Erfolgsbilanz der Verpflichtungserklärungen zum Schutz von Kindern und zum Verbot sexueller Gewalt ist die Erweiterung der Themen durch Geneva Call begrüßenswert. Die verschiedenen Themen ermöglichen es, noch besser mit den bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren in Kontakt zu treten, da es verschiedene thematische Anknüpfungspunkte für einen Dialog gibt. So kann es Gruppen geben, die zunächst nur an dem Schutz von Kinderrechten interessiert sind, die aber darüber hinaus auch an andere humanitäre Themen herangeführt werden können, sobald der Kontakt einmal besteht.704 Das Beispiel von Geneva Call zeigt insgesamt deutlich, dass eine Zusammenarbeit von NGOs mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen möglich ist und vor allem, dass diese auch bereit sind, humanitäre Verpflichtungen einzugehen und zu befolgen. Gleichzeitig sind sie, zumindest unter den Voraussetzungen der Verpflichtungserklärungen von Geneva Call, ebenfalls bereit, mit anderen Akteuren zusammenzuarbeiten und externe Kontrolle zu akzeptieren.705 So hat sich bisher keine der verpflichteten bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen gegen Kontrollbesuche von Geneva Call verwahrt. Zudem hat die Erfahrung von Geneva Call gezeigt, dass die Verpflichtung von bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen insgesamt das Niveau der Rechtsbefolgung erhöhen kann. Wie das Beispiel Sudan zeigt, kann die Verpflichtung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe einerseits dazu führen, dass sich auch die staatliche Konfliktpartei verpflichtet. Andererseits kann eine bewaffnete nichtstaatliche Gruppe auch als gutes Beispiel für weitere Gruppen dienen.706 Diese Vorbildwirkung für andere bewaffnete Gruppen kann auch über Grenzen und Konflikte hinweg funktionieren. So wies beispielsweise die SPLMA die ELN in Kolumbien darauf hin, dass die Anwendung von Landminen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellen.707 704 Somer, Engaging Armed Non-State Actors to Protect Children from the Effects of Armed Conflict, 4 Journal of Human Rights Practice 2012, 106, 121. 705 Bongard, Engaging armed non-state actors on humanitarian norms, 58 Humanitarian Exchange Magazine 2013, 1, 3. 706 Bongard, Engaging armed non-state actors on humanitarian norms, 58 Humanitarian Exchange Magazine 2013, 1, 4; Roberts/Sivakumaran, Lawmaking by Nonstate Actors, 37 Yale Jounal of International Law 2012, 107, 129; Sivakumaran, Implementing humanitarian norms through non-State armed groups, in: Krieger, Inducing Compliance with International Humanitarian Law, 125, 131. 707 SPLM/A, Letter Sent by a Commandant of the Sudan People Liberation Army to the ELN, Juni 2004.

Kap. 4: Instrumente zur Verbesserung der Rechtsbefolgung

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Letztlich wird sich aber noch zeigen müssen, ob der institutionelle Rahmen und die faktische Anerkennung, die die Gruppen durch die Zeichnung erlangen, ausreichend starke Anreize sind, um die Verpflichtungen nach außen und nach innen langfristig durchzusetzen. Insgesamt bedient und vereint jedoch das Deed of Commitment die als wesentlich identifizierten Kriterien zur Rechtbefolgung, sodass es aus theoretischer Sicht geeignet ist, auch langfristig die Einhaltung des Rechts durch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zu fördern.

Teil 2

Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen Teil 1 der Arbeit hat gezeigt, dass das humanitäre Völkerrecht gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen durchgesetzt werden kann und diese zur Rechtsbefolgung angehalten werden können. Nichtregierungsorganisationen kommt dabei bei der Verbreitung des Rechts, aber auch bei der Stärkung des Willens zur Rechtsbefolgung eine bedeutende Rolle zu. Daneben sind Nichtregierungsorganisationen in bewaffneten Konflikten auch tätig, indem sie humanitäre Hilfe erbringen. Diese humanitäre Arbeit der NGOs im Gesamten wird aber vermehrt durch internationale und nationale Vorgaben eingeschränkt, sei es aus sicherheitspolitischen Erwägungen der Staaten oder aus einer bewußten Abkehr von nicht-staatlichem Handeln. NGOs unterliegen bei Ausführung ihrer Tätigkeiten einem vielschichtigen Regelungswerk. Auf internationaler Ebene kommt den NGOs keine Rechtspersönlichkeit zu, sie existieren vielmehr unter dem nationalen Recht, unter dem sie gegründet werden und sind damit schon bei der Gründung individuellen nationalstaatlichen Grenzen ausgesetzt. Gerade humanitäre Organisationen agieren häufig weltweit und müssen sich so den jeweiligen rechtlichen Gegebenheiten vor Ort, aber auch internationalen Vorgaben anpassen. Sie unterliegen beispielsweise Gesetzen zur Bekämpfung von Geldwäsche oder Korruption. In den letzten Jahren sind zudem zahlreiche Staaten wie Russland oder Ägypten tätig geworden, um die Rechte der Nichtregierungsorganisationen einzuschränken. Ziel der Maßnahmen waren regelmäßig menschenrechtlich ausgerichtete NGOs, die Gesetzgebung kann aber auch Auswirkungen auf humanitäre NGOs haben. Besonders hervorzuheben sind aber Gesetze zur Terrorismusabwehr, die den Sicherheitsinteressen der Staaten dienen sollen, aber den Handlungsspielraum humanitärer NGOs erheblich einschränken. Daneben werden die Tätigkeiten der humanitären NGOs durch die humanitären Prinzipien geleitet, die sowohl den Rahmen für die Leistung humanitärer Hilfe aber auch die Verbreitung des Rechts oder die Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wie Geneva Call bestimmen. Auch in diesem Rahmen begegnen den NGOs Hindernisse.

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

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Humanitäre NGOs1 befinden sich also in einem Spannungsfeld: Ihr Handlungsspielraum wird durch Gesetzgebung, aber auch durch das tatsächliche Verhalten und die politischen Interessen der Staaten eingeschränkt. Ihre Arbeit ist jedoch unverzichtbar, da sie wichtige Akteure bei der Verbreitung und Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen sowie bei der Erbringung humanitärer Hilfe sind. Insoweit müssen trotz der bestehenden Hindernisse Wege und Möglichkeiten gefunden werden, dass die humanitären NGOs diese Tätigkeiten möglichst ohne weitere Einschränkungen ausführen können.

1 Zur Rolle und Stellung des „Humanitarian Aid Workers“ im humanitären Völkerrecht vgl. Seatzu, Revitalizing the International Legal Protection of Humanitarian Aid Workers in Armed Conflict, 11 La Revue de droits de l’homme.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Kapitel 5

Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden einer Nichtregierungsorganisation A. Gründung und Registrierung einer Nichtregierungsorganisation Nichtregierungsorganisationen werden gerade im humanitären, menschen- und umweltrechtlichen Bereich international tätig und unterliegen dabei dem Recht ihrer Gründungsstaaten und dem Recht der Staaten, in denen sie tätig sind.2 Schon die Gründungsvoraussetzungen variieren dabei deutlich. Eine Regelung zur Vereinheitlichung der Gründungsvoraussetzungen und gegenseitigen Anerkennung wird daher immer wieder gefordert.3 Einen Versuch der gegenseitigen Anerkennung kennt das belgische Recht bereits seit 1911: Soweit eine Organisation in einem anderen Staat rechtmäßig gegründet wird, wird ihr nach belgischem Recht ein sogenannter bevorzugter Status zuerkannt, wonach ihre Rechtspersönlichkeit ohne weitere Gründungserfordernisse in Belgien anerkannt wird.4 Auf der Ebene des Europarates wurde diesem Beispiel gefolgt und im Jahre 1986 das Europäische Übereinkommen über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationaler nicht-staatlicher Organisationen geschlossen. Dieses trat 1991 in Kraft. Mitgliedstaaten dieser Konvention erkennen gegenseitig die Rechtspersönlichkeit international agierender Nichtregierungsorganisationen an. Nach ihrem Art. 2 werden die Rechtspersönlichkeit und die Rechtsfähigkeit einer NGO, wie sie im Rechtssystem der Vertragspartei erworben wurden, in der sie ihren satzungsgemäßen Sitz hat, in den anderen Vertragsstaaten anerkannt. Allerdings hat dieses Übereinkommen nie praktische Bedeutung erlangt, da es nur elf Länder ratifiziert haben.5 Zudem ändert die gegenseitige Anerkennung nichts daran, dass eine Organisation zunächst innerhalb eines Staates gegründet werden und der jeweilige Staat die notwendigen Voraussetzungen dafür sowie die Wahrung der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit bieten muss. Im Folgenden wird exemplarisch das nationale Gründungsrecht verschiedener Staaten kurz dargestellt. Untersucht werden Deutschland, die Schweiz und die USA aufgrund ihrer Bedeutung für die international agierenden NGOs. Die größ2 Heintze/Lülf, Non-State Actors unter International Humanitarian Law, in: Noortmann/Reinisch/Ryngaert, Non-State Actors in Internationale Law, 97, 107. 3 Vgl. auch Stoecker, NGOs und die UNO, 134. 4 Art. 8: „International associations with their registered office abroad which are governed by a foreign law . . . may in Belgium . . . exercise the rights accruing from their national status. It is not essential that the administrations shall include at least one Belgian member“, vgl. auch Martens, Examining the (Non-)Status of NGOs in International Law, 10 Indiana Journal of Global Legal Studies 2003, 1, 22. 5 Stand vom 27.1.2017, vgl. auch http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/Cher cheSig.asp?NT=124&CM=8&DF=&CL=GER.

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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ten humanitären NGOs wurden in den westlichen Staaten gegründet. Organisationen wie Oxfam, MSF oder Save the Children sind aber auch in den verschiedenen Nationalstaaten als nationale Rechtssubjekte vertreten, um das Problem der gegenseitigen Anerkennung zu umgehen. I. Gründung internationaler humanitärer Nichtregierungsorganisationen In Deutschland richtet sich die Gründung einer Nichtregierungsorganisation regelmäßig nach dem Vereinsrecht. Gleiches gilt für die Schweiz, wo daneben auch das Stiftungsrecht im Vergleich zu Deutschland eine größere Bedeutung hat. Weiter wird das US-amerikanische Recht untersucht, da sich die wesentlichen Akteure wie Oxfam, Save the Children und CARE nach US-amerikanischem Recht konstituiert haben. Das einschlägige nationale Recht enthält dabei tätigkeitsbegründende Regelungen und spricht der jeweiligen Organisation eine Rechtspersönlichkeit unter nationalem Recht zu. 1. Deutsches Recht

Nichtregierungsorganisationen werden in Deutschland regelmäßig als gemeinnütziger Verein gemäß §§ 21 ff. BGB gegründet. Möglich ist aber auch die Gründung einer Stiftung nach §§ 80 ff. BGB. Diesen Rechtsformen ist immanent, dass sie bei Anerkennung der Gemeinnützigkeit steuerliche Vorteile genießen. Dieselben Vorteile können auch die gemeinnützige Genossenschaft oder die gemeinnützige GmbH genießen. Diese Rechtsformen werden jedoch in der Praxis von NGOs nur sehr selten gewählt und sind daher in Hinblick auf die Konstituierung von NGOs in Deutschland nicht weiter beachtenswert. a) Deutsches Vereinsrecht Nichtregierungsorganisationen treten in Deutschland häufig als Idealverein auf, deren Hauptzweck auf einen nicht-wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Dieser kann als eingetragener Verein gemäß §§ 21 ff. BGB, aber auch als nicht-eingetragener Verein gegründet werden.6 Ein Verein ist rechtlich eine auf Dauer angelegte freiwillige Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Nach seiner Satzung ist ein Verein körperschaftlich organisiert, trägt einen Gesamtnamen, wird von einem Vorstand vertreten und ist unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder.7 Gemäß Art. 9 GG steht allen Deutschen das Recht zu, Vereine und Gesellschaften zu gründen, sofern sich die Ziele der Vereinigungen nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. 6

Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 6. Palandt-Heinrichs, BGB, Einf. v. § 21, Rn. 7; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 5 m.w. N. 7

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Die Gründungsvoraussetzungen für einen Verein, der nach § 21 BGB durch Eintragung Rechtsfähigkeit erlangt, sind damit relativ gering. Es muss eine Mindestanzahl von sieben Personen bei der Gründung einen gemeinsamen Vereinszweck verfolgen.8 Der Vereinszweck ist dabei das die Mitglieder in der Vereinigung verbindende Interesse, auf das die Vereinstätigkeit ausgerichtet ist.9 Verboten sind Vereinszwecke, die der verfassungsmäßigen Ordnung, dem StGB oder den guten Sitten zuwiderlaufen.10 Formal muss eine Satzung die Angelegenheiten des Vereins regeln. Deren Inhalt kann grundsätzlich frei bestimmt werden, muss aber bestimmte Vorgaben wie Regelungen zum Vorstand und zur Abstimmung berücksichtigen, vgl. dazu auch § 40 BGB. Bei Vorliegen der Voraussetzungen und Anmeldung zur Eintragung wird der Verein dann als formaler konstituierender Akt in das Vereinsregister eingetragen und ist damit rechtsfähig gemäß § 21 BGB. Ein Idealverein muss daneben, um steuerlich begünstigt zu werden, als gemeinnützig anerkannt werden. Die Bestimmung der Gemeinnützigkeit ist zentral in der Abgabenordnung geregelt. Nach § 52 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.11 Darüber hinaus kennt das deutsche Recht gemäß § 14 VereinsG den Ausländerverein, also einen Verein mit Sitz in Deutschland, wobei sich die Mitglieder oder Vorsitzende sämtlich oder überwiegend im Ausland aufhalten. § 15 VereinsG geht daneben vom Vorliegen eines Ausländischen Vereins aus, wenn sich der Sitz zwar im Ausland befindet, seine Tätigkeit sich aber auf den räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes erstreckt. Internationale NGOs machen aber regelmäßig von diesen Varianten keinen Gebrauch. Vielmehr stehen nationale Sektionen internationaler NGOs nicht in einem Teilorganisationsverhältnis12, sondern sind selbstständig als Verein organisiert und verbinden sich dann wiederum in einem Dachverband. Der selbstständigen Organisation steht auch das Verfolgen eines gemeinsamen Zweckes nicht entgegen.13 Bei diesen NGOs wird es sich dann auf deutscher Ebene um einen Verein mit internationaler Zielrichtung handeln. b) Deutsches Stiftungsrecht Soweit es bei dem Ziel der Nichtregierungsorganisation im Wesentlichen um die Weitergabe von Finanzmitteln geht, kann diese auch in Form einer Stiftung gegründet werden. Eine Stiftung im Sinne der §§ 80 ff. BGB ist eine mit Rechts8

Palandt-Heinrichs, BGB; § 21, Rn. 9. Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 35. 10 Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 35. 11 Vgl. dazu auch Waldner/Schweyer/Wörl-Himmel, Der eingetragene Verein, 263. 12 Vgl. dazu auch § 15 Abs. 2 VereinsG. 13 Stoecker, NGOs und die UNO, 138 f. 9

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fähigkeit ausgestattete, nicht verbandsmäßig organisierte Einrichtung, die einen vom Stifter bestimmten Zweck mit Hilfe eines dazu gewidmeten Vermögens dauernd fördern soll.14 Gemäß § 80 Abs. 1 BGB sind zur Gründung ein Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz hat, erforderlich. Bei dem Stiftungsgeschäft handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung mit dem Inhalt, dass eine Stiftung errichtet werden soll. Damit die Stiftung als rechtsfähig anerkannt wird, muss diese durch das Stiftungsgeschäft eine Satzung mit dem Namen, dem Sitz, dem Zweck, dem Vermögen der Stiftung sowie der Bildung eines Vorstandes haben, vgl. § 81 Abs. 1 i.V. m. § 80 Abs. 2 BGB. Wiederum ist es für eine steuerliche Begünstigung notwendig, dass die Stiftung gemeinnützige Ziele gem. § 51 ff. AO verfolgt. 2. Schweizer Recht

Ähnlich wie in Deutschland werden in der Schweiz Nichtregierungsorganisationen regelmäßig als Vereine gemäß Art. 60 ff. ZGB oder als Stiftung gemäß Art. 80 ff. ZGB gegründet. Ebenfalls besteht die Möglichkeit der Gründung als gemeinnützige Genossenschaft nach Art. 828 ff. Schweizerisches Obligationenrecht, was jedoch im Folgenden mangels tatsächlicher Bedeutung für international agierende humanitäre NGOs außer Acht gelassen wird. a) Schweizer Vereinsrecht Die Gründung eines Vereins richtet sich in der Schweiz nach den Art. 60 ff. ZGB. Der Verein bildet die typische Rechtsform für NGOs mit Sitz in der Schweiz.15 Gemäß Art. 60 Abs. 1 ZGB erlangen Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder anderen nicht-wirtschaftlichen Aufgabe widmen, Rechtspersönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist. Damit ist wiederum unabdingbare Voraussetzung das Vorliegen einer Satzung, der Statuten. Jeder Verein besteht darüber hinaus aus Mitgliedern und dem Vorstand. Sobald die Vereinsstatuten gegeben sind und ein Vorstand bestellt ist, kann dieser den Verein zum Handelsregister anmelden. Diese Anmeldung ist jedoch nicht konstitutiv für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit, sondern lediglich Publizitätsmittel.16 b) Schweizer Stiftungsrecht Die Gründung einer rechtsfähigen Stiftung richtet sich in der Schweiz nach den Art. 80 ff. ZGB. Zur gültigen Errichtung einer klassischen gemeinnützigen 14

Palandt-Heinrichs, BGB, Vorb. v. § 80, Rn. 5. Vgl. Amstutz, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht – Niggli, Art. 60 ZGB Rn. 2. 16 Amstutz, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht – Niggli, Art. 61 ZGB Rn. 1. 15

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Stiftung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst muss die Vermögensmasse einem besonderen Zweck gemäß Art. 80 ZGB gewidmet werden. Gemäß dem in der Schweiz herrschenden Grundsatz der Stiftungsfreiheit kann der Stifter den Zweck der Stiftung frei wählen,17 wobei sich dieser Zweck in den Grenzen der Rechtsordnung halten muss und weder unsittlich oder widerrechtlich im Sinne des Art. 52 Abs. 3 ZGB sein darf. Darüber hinaus muss der Gründungsakt den wesentlichen Formerfordernissen des Art. 81 ZGB genügen, also öffentlich beurkundet oder Bestandteil einer letztwilligen Verfügung sein.18 Eine Stiftung nach Schweizer Recht ist wiederum eine häufig gewählte Rechtsform für NGOs, so ist auch die Organisation Geneva Call als Stiftung ausgestaltet. 3. US-amerikanisches Recht

In den USA werden Nichtregierungsorganisationen in verschiedenen Rechtsformen gegründet. Namen und Bedeutung unterscheiden sich in den einzelnen Bundesstaaten.19 Den verschiedenen Rechtsformen ist gemein, dass die Organisationen durch einen Gründungsakt ins Leben gerufen werden.20 Die sogenannten Non-Profit Organisationen werden regelmäßig als Gesellschaften geschaffen.21 Dabei gibt es die Unterscheidung zwischen solchen Organisationen, die wie ein Verein Mitglieder haben, und solchen, die ähnlich wie eine Stiftung nur einen Vorstand haben. Zur Gründung einer Gesellschaft bedarf es eines Gründungsaktes, eines Names, einer eigenen Satzung und eines Vorstandes. Nach ordnungsgemäßer Gründung kann die Gesellschaft sich dann als gemeinnützig anerkennen lassen, wenn und soweit sie nicht mit Gewinnerzielungsabsicht arbeitet. Die Voraussetzungen für eine Steuererleichterung einer Non-Profit-Organisation richtet sich nach § 501 (c) (3) Internal Revenue Code. Jede US-NGO muss sich im jeweiligen Bundesstaat, in dem sie ihren Sitz hat, registrieren und ist verpflichtet, einen jährlichen Bericht zu veröffentlichen.22 Insgesamt ergibt sich aus § 503 bis § 505 Internal Revenue Code, dass daneben noch andere Rechtsformen als gemeinnützig anerkannt werden können. NGOs können als Incorporated Nonprofit Association oder als Unincorporated Nonprofit Association gegründet werden. Letztere ist jedoch für die Individuen nachteiliger, da sie in diesem Rahmen persönlich unbegrenzt haften. Auch die Konstituierung als Stiftung ist möglich. 17 Amstutz, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht – Eisenring, Art. 80 ZGB Rn. 6. 18 Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Leitfaden für Stiftungen, 3. 19 Vgl. z. B. für Virginia http://www.citmedialaw.org/legal-guide/virginia/formingnonprofit-corporation-virginia (zuletzt besucht am 9.8.2020). 20 Vgl. z. B. für Virginia http://www.citmedialaw.org/legal-guide/virginia/formingnonprofit-corporation-virginia (zuletzt besucht am 9.8.2020). 21 Vgl. https://nccs.urban.org/project/nonprofit-sector-brief (zuletzt besucht am 28.9. 2020). 22 McGann/Johnstone, The Power Shift and the NGO Credibility Crisis, International Journal of Not-for-Profit Law 2005, 6.

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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II. Registrierung internationaler humanitärer Nichtregierungsorganisationen Gerade humanitäre NGOs werden selten ausschließlich in ihren Gründungsstaaten tätig, sondern in Staaten, in denen humanitäre Katastrophen oder (nichtinternationale) bewaffnete Konflikte stattfinden. Das Tätigwerden internationaler humanitärer NGOs in solchen Empfangsstaaten unterliegt dabei dem nationalen Recht dieser Empfangsstaaten. Viele Staaten haben eigene NGO-Gesetze, die sowohl die Gründungsvoraussetzungen als auch die Tätigkeitsvoraussetzungen für ausländische NGOs regeln. Beispielhaft für einige afrikanische Regelungen steht der NGO-Act 2003 der SPLM/A, der auch nach der Staatsgründung im Südsudan Geltung behielt. Danach ist eine staatliche Institution, das NGO-Board, dafür verantwortlich, dass sich alle im Land tätigen NGOs registrieren. Dies ist nicht konstituierend für eine etwaige Rechtspersönlichkeit, sondern vielmehr Voraussetzung für das Tätigwerden im Land. Dadurch wollen die SPLM/A und die Regierung des Südsudans die Kontrolle über die Aktivitäten von NGOs in ihrem Land beibehalten. Im Rahmen der Registrierung müssen die internationalen NGOs umfassend angeben, welche Projekte sie im Land ausführen wollen, wer die Begünstigten sind, aber auch wer das Projekt finanziell unterstützt. Ausgenommen von der Registrierungspflicht sind lediglich Unterorganisationen der Vereinten Nationen sowie staatlich gegründete Organisationen. Das NGO-Board kann auch Verhaltensregeln aufstellen, was jedoch im Gesetz selbst nur äußerst unbestimmt mit „policy guidelines“ umrissen ist. Dadurch besteht die Möglichkeit, durch diese Richtlinien die Tätigkeiten der NGOs einzuschränken. Daneben sind die humanitären Organisationen nach dem NGO-Act lediglich den humanitären Prinzipien der Nicht-Diskriminierung, also unterschiedlos geleisteter Hilfe und der Unparteilichkeit verpflichtet.23 Nicht vorausgesetzt wird eine etwaige Unabhängigkeit der agierenden Organisation von Drittstaaten. Im Februar 2016 wurde im Südsudan ein neues NGO-Gesetz erlassen.24 Danach bedürfen NGOs nunmehr einer schriftlichen Erlaubnis für alle Aktivitäten, die sie über die in ihrer Registrierung genannten durchführen wollen. Dies gilt auch, wenn nur der räumliche Tätigkeitsbereich verändert werden soll. Daneben sollen NGOs nicht mehr gegen die Versagung oder den Widerruf der Registrierung vorgehen können.25 Durch das Gesetz soll die Zahl der auswärtigen Helfer reduziert und durch südsudanesische Mitarbeiter ersetzt werden.26 Zugleich sollen alle auswärtigen Helfer vor Einreise ein Arbeitsvisum vorweisen, dessen Bearbeitung regelmäßig vier bis sechs Monate in Anspruch nimmt.27 Trotz der angespannten humanitären Lage wird durch 23 24 25 26 27

Vgl. dazu S. 221 ff. South Sudan Non-Governmental Organization Act 2016. ICL NGO Monitor, Südsudan. Sudan Tribune, South Sudan President signs NGO bill into law, 12. Februar 2016. ICL NGO Monitor, Südsudan.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

diese wachsenden Kontrollen und Einschränkungen die Arbeit der humanitären NGOs im Südsudan erheblich eingeschränkt. Gerade unbestimmte Rechtsbegriffe in den jeweiligen NGO-Regelungen können es für die NGOs schwer machen einzuschätzen, unter welchen Voraussetzungen sie arbeiten können: In Uganda wurde beispielsweise im Jahr 2016 ein neues NGO-Gesetz von Präsidenten Museveni unterzeichnet. Danach ist das Nationale Büro für NGOs für die Registrierung von NGOs zuständig und kann eine solche Registrierung ablehnen oder widerrufen sowie die Arbeit von ausländischen Mitarbeitern einschränken.28 Doch auch ein anderer Teil des Gesetzes steht unter scharfer Kritik: Section 44 des Gesetzes verbietet NGOs in Uganda Tätigkeiten vorzunehmen, die gegen die Sicherheit Ugandas gerichtet sind oder gegen die Interessen Ugandas oder die Würde der Ugander verstoßen. Ein Verstoß gegen diese Regelung kann auch strafrechtliche Folgen haben, was ob der Unbestimmtheit des Verbotes schwer vorherzusehen ist. Gerade menschenrechtliche NGOs, insbesondere solche, die sich gegen die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in Uganda einsetzen, verstoßen nach Ansicht der Regierung gegen die Interessen Ugandas und unterfallen daher diesem Verbot. Diese Bestimmung hat aber auch das Potential die Arbeit von humanitären Organisationen einzuschränken. Beispielsweise könnte eine Regierung ohne weiteres darunter festlegen, dass die humanitäre Kooperation mit einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe in Uganda gegen die Interessen des Staates verstößt und damit verboten ist. Insgesamt verdeutlichen diese Beispiele, dass die humanitären NGOs in den Empfängerländern einer Vielzahl von Regelungen ausgesetzt sind, und sie nicht in Rechtssicherheit agieren können. Sie begegnen im Rahmen ihrer Tätigkeit auch tatsächlichen Hindernissen, wie beispielsweise der Nichterteilung oder Entziehung der Visa, Arbeitsgenehmigungen oder notwendige Registrierungen. Beispielsweise hat die Regierung des Sudans im Jahr 2009 dreizehn humanitäre Organisationen, die insbesondere in der Region Darfur tätig waren, aus dem Sudan ausgewiesen. Dies stand im direkten Zusammenhang damit, dass der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Präsidenten des Sudans Omar al-Bashir ausgestellt hatte. Die Regierung beschuldigte einige NGOs, Informationen an den Internationalen Strafgerichtshof weiterzugeben und begründete die Ausweisung mit formalen Aspekten, dass nicht alle erforderlichen Nachweise zur Tätigkeit vorlägen.29 Im Juli 2007 wies die äthiopische Regierung das IKRK aus dem Somali Regional State aus, da dieses Hilfe an die Ogaden National Liberation Front (ONLF) geleistet hatte, die für die äthiopische Regierung als terroristische Vereinigung gilt.30 In Ägypten wurde im August 2014 dem Geschäftsführer 28

ICL NGO Monitor, Uganda. Amnesty International, Jahresbericht 2010, Sudan, 1. 30 Florquin/Decrey Warner, Engaging non-state armed groups or listing terrorists? 1 Disarmament Form 2008, 17, 19. 29

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und der Leiterin der Nordafrika- und Mittlerer Osten-Abteilung von Human Rights Watch die Einreise nach Ägypten aus Sicherheitsgründen versagt, als sie in Ägypten einen Bericht über Massaker an Mursi-Anhängern im Jahre 2013 vorstellen wollte.31 Diese sehr unterschiedlichen Beispiele zeigen deutlich, dass gerade auch humanitäre NGOs in der Ausübung ihrer täglichen Arbeit durch Staaten behindert werden. Nicht zuletzt aus diesen tatsächlichen Schwierigkeiten heraus arbeiten auch internationale NGOs oftmals durch lokale Vertreter und unterstützen diese bei der Durchführung gemeinsamer Programme. Dabei ist jedoch in den letzten Jahren vermehrt zu beobachten, dass zahlreiche Staaten versuchen, auch einen solchen Einfluss zu unterbinden und die Tätigkeit auch humanitärer NGOs deutlich erschweren. Verdeutlicht wird dies durch NGO-Gesetze wie sie in z. B. Russland oder Israel verabschiedet wurden. Solche Gesetze richten sich wiederum hauptsächlich gegen menschenrechtlich ausgerichtete NGOs, können aber auch Auswirkungen auf humanitäre NGOs haben. In Russland sind NGOs beispielsweise verpflichtet, ihre Tätigkeiten detailliert zu beschreiben und umfassend nachzuweisen, wofür sie ihr Geld einsetzen. NGOs, die durch ausländische Mittel finanziert werden, müssen den Zusatz „foreign agents“ tragen.32 Zudem sollen Tätigkeiten, die gegen die Interessen Russlands gerichtet sind und durch US-Bürger oder US-Organisationen finanziert werden, unterbunden werden.33 Dies hat, neben zahlreichen tatsächlichen Übergriffen auf NGOs wie willkürliche Durchsuchungen dazu geführt, dass verschiedene nationale und internationale NGOs ihre Arbeit in Russland eingestellt haben. In Israel verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das eine Kennzeichnungspflicht für NGOs vorsieht, soweit diese ausländische Mittel nutzen.34 Insbesondere bei internationalen NGOs, und gerade im humanitären Bereich, in dem große finanzielle Ressourcen die humanitäre Arbeit erst ermöglichen, kann dies den Tätigkeitsspielraum deutlich einschänken und auch in der Wahrnehmung dazu führen, dass eine Organisation mit der Kennzeichnung „foreign agent“ nicht als unabhängig und neutral wahrgenommen wird.35 Neben solchen Gesetzen, die auf nationaler Ebene abhängig von dem jeweiligen Gründungs- und Einsatzort bestehen, unterliegen NGOs auch internationalen Beschränkungen. Neben Gesetzen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche, die für NGOs vor allem hohen administrativen Aufwand bedeuten, wird der Spielraum für NGOs besonders durch Gesetze zur Terrorimusbekämpfung eingeschränkt. 31

BBC News, Human Rights Watch director barred from Egypt, 11 August 2014. ICL NGO Monitor, Russland. 33 ICL NGO Monitor, Russland. 34 Beaumont, Israel passes law to force NGOs to reveal foreign funding, The Guardian 12. Juli 2016. 35 Vgl. zu den humanitären Prinzipien S. 221 ff. 32

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B. Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung als handlungsbegrenzende Regelungen Im Folgenden sollen die Regelungen durch den UN-Sicherheitsrat und einzelne ausgewählte Nationalstaaten dargestellt werden. Auffällig ist dabei die Bandbreite der nationalstaatlichen Regelungen bei der Umsetzung der Vorgaben des Sicherheitsrates.36 In einigen Jurisdikitionen ist – nach der momentanen Rechtslage – nicht erkennbar, dass diese die Arbeit humanitärer Organisationen einschränkt. In anderen Jurisdiktionen drohen hingegen sogar strafrechtliche Konsequenzen für eigentlich neutrale Handlungen. Vorliegend wird insbesondere das Recht der USA analysiert, da dieses erheblich in die Rechte der NGOs eingreift und bisher auch keine Ausnahme für humanitäre Tätigkeiten kennt. Im Anschluss daran werden ausgewählte vertragliche Regelungen untersucht, denen sich humanitäre NGOs unterwerfen müssen, soweit sie finanzielle Unterstützung, beispielsweise durch USAID, erhalten. I. Internationale Vorgaben: Resolutionen des UN-Sicherheitsrates Bereits seit vielen Jahren beschäftigen sich die UN mit Fragen des Terrorismus, was auf internationaler Ebene zu zahleichen Konventionen und Resolutionen geführt hat. Im Jahre 1999 verpflichete der Sicherheitsrat jedoch erstmals die Mitgliedstaaten, eigene Maßnahmen zur Terrorismusabwehr vorzunehmen.37 Mit der Resolution 1267 (1999)38 etablierte der Sicherheitsrat ein Sanktionsregime gegenüber Mitgliedern von Al-Quaida und mit Al-Quaida-assoziierten Gruppen. Das Sanktionsregime enthielt insbesondere Reisebeschränkungen, das Verbot der finanziellen Unterstützung und Maßnahmen wie das Einfrieren von Konten. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 28. September 2011 die Resolution 1373 (2001)39, in der der internationale Terrorismus (erneut) als Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit anerkannt wurde. Die Staaten wurden aufgefordert, nationale Gesetze und Maßnahmen zu erlassen, um terroristische Akte und deren Finanzierung zu verhindern und jegliche Unterstützung von Personen oder Organisationen, die an terroristischen Akten beteiligt sind, zu unterbinden.40 Im Einzelnen sollten die Staaten folgende Maßnahmen ergreifen:

36

Mackintosh/Duplat, Study on the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

4, 5. 37 Vgl. dazu auch Gillard, Humanitarian Action and Non-state Armed Groups, Chatham House Research Paper 2017, 3 ff. 38 UN Doc. S/Res/1267 (1999) vom 15. Oktober 1999. 39 UN Doc. S/Res/1373 (2001) vom 28. September 2011. 40 UN Doc. S/Res/1373(2001) vom 28. September 2011, Rn. 1 (a) und 2 (a).

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– Die Finanzierung von Terrorismus unter Strafe stellen; – sämtliche Vermögenswerte von Personen, die an terroristischen Akten beteiligt sind, einfrieren; – jegliche Form der finanziellen Unterstützung von Terrorismus verhindern; – die Möglichkeit von Unterstützung, Lebensunterhalt und Zuflucht von Terroristen verhindern und verweigern; – der Austausch sicherheitspolitisch relevanter Informationen; – strafrechtliche Verfolgung von terroristischen Aktivitäten und Beihilfe dazu. Ausnahmen im Bereich der humanitären Arbeit sah die Resolution nicht vor. Der UN-Sicherheitsrat gründete den Ausschuss zur Bekämpfung von Terrorismus (Counter Terrorism Committee, CTC) als Nebenorgan, um die Umsetzung der Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten zu überwachen.41 Das Mandat des CTC wurde durch spätere Resolutionen genauer bestimmt.42 Grundsätzlich binden die UN-Sicherheitsratsresolutionen die Mitgliedstaaten und nicht die NGOs. Die Verpflichtungen aus dem UN-Sanktionsregime können die NGOs aber dennoch treffen: Sie können einerseits unter nationalem Recht verpflichtet sein, wenn die Mitgliedstaaten die Resolutionen umsetzen. Gleichzeitig können sie auch verpflichtet werden, direkt die Verpflichtungen aus den Sicherheitsratsresolutionen zu befolgen. So ist es innerhalb der Geberländer üblich, in ihren Zuwendungsvereinbarungen die Verpflichtung aufzunehmen, in Einklang mit den Resolutionen des Sicherheitsrates zu handeln. Ein Verstoß gegen das Sanktionsregime würde dann eine Verletzung der Vertragspflichten im Rahmen der finanziellen Förderung bedeuten. Die Verpflichtungen unter dem Sanktionsregime der Vereinten Nationen sind für die tägliche Arbeit humanitärer NGOs durchaus relevant. So könnte es bereits als Verstoß gegen ein Reiseverbot angesehen werden, wenn humanitäre NGOs mit Personen oder Gruppen über humanitären Zugang oder – wie Geneva Call – über den Abschluss einer Selbstverpflichtung verhandeln wollen und ihnen die Anreise zur Verhandlung finanzieren. In anderen Fällen können Kosten, Gebühren oder Abgaben, die NGOs für den Zugang oder die Durchreise zahlen müssen, als Verstoß gegen das Verbot der finanziellen Unterstützung gewertet werden.43 Auch aus diesen Gründen befürchtete beispielsweise der Special Rapporteur on Protecting Human Rights While Countering Terrorism nachteilige Auswirkungen auf die Arbeit von humanitären Organisationen, weil Hilfe als indirekte 41

UN Doc. S/Res/1373 (2001) vom 28. September 2011. Vgl. z. B. UN-Sicherheitsresolutionen UN Doc S/Res/1377 (2001) vom 12. November 2001; UN Doc S/Res/1566 (2004) vom 8. Oktober 2004, UN Doc S/Res/1624 (2005) vom 14. September 2005. 43 King/Modirzadeh/Lewis, Understanding Humanitarian Exemptions, 6 f. 42

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

finanzielle Unterstützung von terroristischen Vereinigungen angesehen werden könnte.44 Im Jahr 2005 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1624 (2005). Darin wurden die Staaten aufgefordert, ihren Verpflichtungen zur Terrorismusabwehr durch nationales Recht nachzukommen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sämtliche Maßnahmen im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen und insbesondere den Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht stünden.45 Dies erfordert auch die Achtung der Genfer Konventionen und die Gewährleistung humanitärer Hilfe und deren Unabhängigkeit und Unterschiedslosigkeit. Auch in späteren Resolutionen betont der Sicherheitsrat stets, dass die Staaten ihren Verpflichtungen zur Terrorismusbekämpfung in Einklang mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht nachkommen sollen. Dies zeigt deutlich, dass auf dieser Ebene die Sicherheitsinteressen im Vordergrund stehen, aber dennoch das Bewußtsein herrscht, dass bei dem Schutz dieser Interessen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die Wahl der Mittel zur Auflösung dieses Spannungsfeldes zwischen Sicherheitsinteressen und der notwendigen Arbeit von humanitären Organisationen wird aber grundsätzlich den Staaten überlassen. In Einzelfällen, wie beispielsweise in der Resolution 1916 aus März 2010, sieht der Sicherheitsrat selber eine humanitäre Ausnahme vor, wonach einige Restriktionen und Verpflichtungen unter dem Sanktionsregime gegenüber Somalia46 aufgehoben werden sollten, um notwendige humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Diese Ausnahme gilt jedoch lediglich für die Vereinten Nationen, deren Sonderorganisationen sowie humanitäre Organisationen, die über einen Beobachterstatus bei der Generalversammlung verfügen und humanitäre Hilfe leisten sowie deren Implementierungspartner.47 Nicht umfasst sind davon beispielsweise die Tätigkeiten von unabhängigen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen.48 Gleichzeitig kann eine solche Ausnahmeregelung dazu führen, dass die humanitären Tätigkeiten tatsächlich nur ausnahmsweise zugelassen werden. Humanitäre Hilfe könnte nur noch als möglich angesehen werden, wenn es eine explizite humanitäre Ausnahmeregelung gibt.49 Dies könnte wiederum dazu führen, dass Staaten nur in solchen Fällen humanitäre Ausnahmeregelungen zulassen und keine grundsätzliche Auflösung des Normenkonflikts suchen.50

44 Vereinte Nationen, Press Release, Press Conference by Special Rapporteur on Protecting Human Rights While Countering Terrorism, 26.10.2010. 45 UN Doc. S/Res/1624 (2005). 46 Eingeführt durch die Resolution 1844 (2008), Un Doc. S/Res/1844 (2008). 47 UN Doc. S/Res/1916 (2010). § 5. 48 Pantuliano/Metcalfe, Neutrality undermined, Humanitarian Exchange 2012, 21. 49 King/Modirzadeh/Lewis, Understanding Humanitarian Exemptions, 8 f. 50 Pantuliano/Metcalfe, Neutrality undermined, Humanitarian Exchange 2012, 22.

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II. Nationale Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr Die Verpflichtungen aus den UN-Sicherheitsresolutionen wurden von zahlreichen Staaten umgesetzt,51 einige sind in ihrer Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr auch noch deutlich über diesen Rahmen hinausgegangen. Einige Staaten stellen bereits den Dialog mit terroristischen Vereinigungen unter Strafe.52 Im Folgenden wird umfassend die US-amerikanische Regelung zur Unterstützung von terroristischen Aktivitäten beleuchtet werden, da diese für die humanitären Organisationen wesentliche Hindernisse beinhaltet. Im Anschluss daran werden Jurisdiktionen untersucht, die besonders wichtige Zuwendungsgeber sind und deren Regelungen daher für die humanitären NGOs besonders relevant sind. 1. Material Support Gesetzgebung in den USA

a) Tatbestand des 18 U.S.C. § 2339B Die Vorschriften 18 U.S.C. § 2339A und § 2339B stellen Unterstützungshandlungen („material support“) gegenüber Gruppen, die als ausländische terroristische Vereinigungen gelistet sind, auch durch humanitäre Organisationen unter Strafe. Die Besonderheit dieser strafrechtlichen Normen ist ihr weiter Anwendungsbereich und die Tatsache, dass nicht Akte tatsächlicher Gewaltausübung strafrechtlich verfolgt werden, sondern neutrale Verhaltensweisen des täglichen Lebens, welche nicht in direktem Zusammenhang mit Gewaltausübung stehen.53 Für NGOs, die im humanitären Bereich tätig sind, greift diese Gesetzgebung stark in den Handlungsspielraum ein.54 Eine mögliche Folge ist, dass solche Organisationen ihre Tätigkeiten, sei es in Form des Dialoges, aber auch der in den Genfer Konventionen vorgesehenen humanitären Hilfe nicht mehr ausüben werden, da sie strafrechtliche und wirtschaftliche Sanktionen fürchten müssen. § 2339A stellt dabei die finanzielle Unterstützung terroristischer Vereinigungen unter Strafe. Dabei muss die Unterstützung in dem Wissen oder in der Absicht geleistet werden, dass sie zur Begehung einer terroristischen Handlung genutzt wird. § 2339B, welcher im Folgenden noch genauer untersucht wird, stellt faktisch jedes Tätigwerden gegenüber einer als ausländischen terroristischen Vereinigung gelisteten Gruppe, und damit auch die klassischen Tätigkeitsfelder 51 Vgl. dazu auch Gillard, Humanitarian Action and Non-state Armed Groups, Chatham House Research Paper 2017, 6 ff. 52 Bangerter, Engaging armed non-state actors on humanitarian norms, 58 Humanitarian Exchange Magazine 2013, 1, 4. 53 Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Indiana Law Journal 2011, 543, 556. 54 Zu den Auswirkungen dieser Regelungen auf die humanitäre Arbeit vgl. auch Helton, Construction Of a Terrorist Under the Material Support Statute, 67 American University Law Review 2017, 553, 555 f., 567 ff.

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humanitärer Nichtregierungsorganisationen unter Strafe. Neben den Straftatbeständen gibt es auch verwaltungsrechtliche Möglichkeiten, wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen, wie beispielsweise die Konten solcher Personen oder Organisationen einzufrieren, die solche „terroristischen Vereinigungen“ unterstützen. Eine Ermächtigungsgrundlage dazu bietet die Executive Order 13224.55 Dabei handelt es sich um eine Verfügung des Präsidenten der Vereinigten Staaten,56 welche dieser aufgrund der ihm zugestandenen Ermächtigungen aus dem „International Economic Emergency Powers Act“ 57 erlassen hat. Betroffen sein können Individuen oder Organisationen, die finanzielle, materielle oder technologische Unterstützung leisten.58 Grundsätzlich ist in dem „International Economic Emergency Powers Act“ vorgesehen, dass Spenden erlaubt sein sollen für Gegenstände wie Lebensmittel, Kleidung oder Medikamente, die eingesetzt werden, um menschliches Leiden zu lindern. Diese Ausnahme wurde jedoch in der Executive Order 13224 außer Kraft gesetzt,59 sodass auch humanitäre Arbeit unter diese Regelung fällt und damit von den wirtschaftlichen Sanktionen betroffen sein kann. Besonders hervorzuheben ist jedoch der Straftatbestand des § 2339B. Dieser stellt jedwede Form der unterstützenden Handlungen unter Strafe, eine Zusammenarbeit mit den Organisationen, welche als ausländische terroristische Vereinigung angesehen wird, ist damit faktisch ausgeschlossen. aa) Voraussetzungen des § 2339B § 2339B wurde im Jahre 1996 durch den „Antiterrorism and Effective Death Penalty Act“ als politische Antwort auf innere Anschläge wie den Bombenanschlag in Oklamhoma City 199560 geschaffen. Er sollte ein rechtliches Vakuum schließen, um insbesondere terroristische Vereinigungen zu bestrafen, welche in den USA für terroristische Zwecke Geld sammelten.61 Ausgeweitet wurde der 55 Eine weitere Ermächtigungsgrundlage bietet die „Executive Order 12947 Prohibiting Transactions with Terrorists Who Threaten to Disrupt the Middle East Peace Process“. 56 Fraterman, Criminalizing Humanitarian Relief, 46 International Law and Politics 2014, 399, 422. 57 Public Law No. 95-233, 91 Stat 1626 (1977), codified as amended at 50 U.S.C. §§ 1701–1707. 58 Executive Order No. 13, 224, 66 Fed. Red., 49, 709 8 (September 23, 2001). 59 Dies wurde auf den Ausnahmetatbestand gestützt, dass solche Spenden die Fähigkeit des Präsidenten, mit Notfällen umzugehen und zugleich Truppen am Boden in Gefahr bringen würden, vgl. Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor CounterTerrorism Measures, 43. 60 Parker, Material Support and the First Amendment, 13 N.Y. City L. Rev. 2009– 2010, 291, 296. 61 Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Ind. L. J. 2011, 543, 556.

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Straftatbestand durch den „U.S. Patriot Act“, ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das im Oktober 2001 als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 verabschiedet wurde. Danach wurde jegliche Verbindung zu einer gelisteten terroristischen Vereinigung nun unter Strafe gestellt.62 Heute lautet 18 U.S.C § 2339B wie folgt: Whosoever knowingly provides material support or resources to a foreign terrorist organization, or attempts or conspires to do so, shall be fined under this title or imprisoned [. . .]. To violate this paragraph, a person must have knowledge that the organization is a designated terrorist organization [. . .] that the organization has engaged or engages in terrorist activity [. . .] or that the organization has engaged or engages in terrorism.

bb) Objektiver Tatbestand des § 2339B Der objektive Tatbestand des § 2339B umfasst den „material support“ an ausländische terroristische Vereinigungen. (1) Ausländische terroristische Vereinigung Zunächst muss eine „ausländische terroristische Vereinigung“ existieren, welche Empfänger der Unterstützungsleistung sein kann. Der Staatssekretär entscheidet, ob eine Organisation den Voraussetzungen entspricht und nimmt diese dann in eine dafür vorgesehene Liste auf. Auf die Liste des Secretary of State werden solche Gruppen aufgenommen, bei denen es sich um eine ausländische Gruppe handelt, die an Terrorismus oder terroristischen Aktivitäten beteiligt ist oder war, und die die Sicherheit eines US-Staatsangehörigen oder die nationale Sicherheit der USA gefährdet.63 Die Definition von Terrorismus, welche aus dem „Immigration and Nationality Act“ übernommen wurde, ist dabei sehr weit gefasst, da als Terrorismus auch terroristische Aktivitäten gelten,64 und jede Art politischer Gewalt durch einen nicht-staatlichen Akteur als Terrorismus angesehen werden kann.65 Sobald der Secretary of State ein Individuum oder eine Vereinigung als terroristische Vereinigung auf die Liste gesetzt hat, hat dies weitreichende Folgen: Zu62

Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, Special Report 284, 12. § 1189 (a) (1) (A)–(C), vgl. auch Said, Humanitarian Law Project and the Supreme Court’s Construction of Terrorism, BYU Law Review 2011, 1455, 1488. 64 Section 212(a)(3)(B) des Immigration and Nationality Act definiert Terrorismus wie folgt: „Terrorism means premediated, politically motivated violence perpetrated against non-combatants targets by sub-national groups or clandestine agents“. „Terrorist Activity“ wird definiert als: „Act that is unlawful under the laws of the place where it is committed (or which, if it had been committed in the US, would be unlawful under the laws of the US or any State).“ 65 Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Indiana Law Journal 2011, 543, 545. 63

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nächst werden alle Konten der Vereinigung in den USA eingefroren. Jede unterstützende Handlung zugunsten der Organisation ist dann strafbar. Außerdem ist es jeder Person, die unterstützend tätig ist, verboten in die USA einzureisen. Ausländer, welche in den USA wohnhaft sind, können ausgewiesen werden.66 Gegen die Entscheidung des Secretary of State und die Aufnahme in die Liste kann die betroffene Organisation vorgehen, § 8 U.S.C. 1189 (a)(4)(B). Sie muss ihre Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach Publizierung der Aufnahme in die Liste im Federal Register beim D.C. Circuit einreichen.67 Diese Beschwerde hat jedoch keine aufschiebende Wirkung, vielmehr bleibt die Einordnung als terroristische Vereinigung mit all ihren negativen Folgen für die betroffene Gruppe auch während der gerichtlichen Überprüfung bestehen.68 Die Klassifizierung dauert an, bis sie von dem Secretary of State oder dem Kongress zurückgenommen oder durch das allein zuständige Gericht aufgehoben wird. In zwei Fällen hat der D.C. Circuit Court die fehlende Informationsweitergabe oder rechtliche Beteiligung der Vereinigung gerügt.69 In diesen Fällen wurde die Klassifizierung als terroristische Vereinigung allerdings trotz Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens nicht aufgehoben. Das Gericht wies lediglich den Secretary of State an, die fehlende Benachrichtigung und fehlende Anhörung umgehend nachzuholen.70 In Hinblick auf das Erfordernis der Gefährdung der nationalen Sicherheit sieht sich das Gericht nicht befugt, die Einstufung zu überprüfen, da es sich dabei um eine politische, nicht revisible Entscheidung handele:71 „[T]he sometimes subtle analyzis of a foreign organization’s political program to determine whether it is indeed a terrorist threat to the United States is particularly within the expertise of the State Department and the Executive Branch. Juries could not make reliable determinations without extensive foreign policy education and the disclosure of classified materials.“ 72

66 Wyatt, Designating Terrorist Organizations: Due Process Overdue, 39 Golden Gate University Review 2008–2009, 221, 223. 67 Vgl. § 1189 (c), dennoch erklärte sich der Central District Court of California in der Rechtssache United States v. Rahmani (209 F. Supp. 2d 1045; C.D. Cal. 2006) für zuständig, da es aus dem Wortlaut nicht klar hervorgehe, dass andere Gerichte zuständig seien. Der Central Court of California erklärte dann den §1189 für verfassungswidrig und sprach den Angeklagten frei. Der D.C. District Court widersprach in der Rechtssache Afshari dem Central District Court of California (D.C. Circuit Court, United States v. Afsahri, 392 F 3d 1031, 9th Circuit 2004); 426 F.3d 1150 (9th Circuit 2005). 68 § 1189 (c)(4). 69 D.C. Circuit Court, National Council of Resistance of Iran (NCRI) v. Deputy of State, 351, F.3d 192, 209 (D.C. Circuit 2001). 70 D.C. Circuit Court, National Council of Resistance of Iran (NCRI) v. Deputy of State, 351, F.3d 192, 209 (D.C. Circuit 2001). 71 Said, Humanitarian Law project and the Supreme Court’s Construction of Terrorism, BYU Law Review2011, 1455, 1489. 72 D.C. Circuit Court, United States v. Afsahri, 426 F.3d 1162, 9th Circuit 2005.

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Das Gericht räumt der Exekutive insoweit einen nicht justiziablen Bewertungsspielraum ein und entzieht sich im Ergebnis wiederum aus Sicherheitserwägungen einer eigenen juristischen Überprüfung und Bewertung.73 Gleichzeitig ist die Frage nach einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Hinblick auf § 2339B eine Vorfrage. Der Beschuldigte im Rahmen eines Verfahrens nach den „material support“-Rechten kann sich im Verfahren nicht dahingehend verteidigen, dass es sich bei der Vereinigung eben nicht um eine solche ausländische terroristische Gruppe handele. Diese Klassifizierung wird im Vorhinein vorgenommen und ist für andere als die Gruppe selber nicht rechtlich angreifbar.74 (2) Material Support Strafbewehrt ist in den Straftatbeständen § 2339A und § 2339B der „material support“ gegenüber einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Dieser ist legaldefiniert als: „[M]aterial support“ resources mean any property, tangible or intangible, or service, including currency or monetary instruments or financial securities, financial services, lodging, training, expert advice or assistance, safehouses, false documentation or identification, communictaion equipment, facilities, weapons, lethal substances, explosives personnel (1 or more individuals who may be or include oneself), and transportation, except medicine or religious materials.75

Mithin ist der objektive Tatsbestand sehr weit und jedwede materielle und immaterielle Unterstützungshandlung steht unter Strafe.76 Dies entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, da der US-amerikanische Kongress davon ausging, dass jedes fördernde Verhalten potentielle terroristische Handlungen vereinfachen könne: „[F]oreign organizations that engage in terrorist activity are so tainted by their criminal conduct that any contribution to such an organization facilitates that conduct.“ 77

Der Tatbestand umfasst auch Training und Expertenrat, also die Ausbildung von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen. Die Regelung wurde vom United 73 In der Rechtssache Afsahri stellte dies Richter Kozinski in seiner abweichenden Meinung in Frage: „Under the Constitution, the State Department did not have a carte blanche to label any organization it chooses a foreign terrorist organization and make a criminal out of anyone who donates money to it. Far too much political activity could be suppressed under such a regime“, vgl. D.C. Circuit Court, United States v. Afsahri, 446 F.3d, 922. 74 Doyle, Terrorist Material Support: An Overview of 18. U.S.C. § 2339A and § 2339B, Congressional Research Service Report for Congress, 9 m.w. N. 75 18 USC § 2339A lit b) (1). 76 Fraterman, Criminalizing Humanitarian Relief, 46 International Law and Politics 2014, 399, 406. 77 Antiterrorism and Effective Death Penalty Act of 1996, AEDOA, P.L. 104–32, § 301 (a) (7), 110 Stat. 1250.

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States District Court in Kalifornien in der Rechtssache Humanitarian Law Project v. Ashcroft 78 zunächst als zu unbestimmt angesehen. In der Folge wurden die Begriffe durch Gesetz definiert. Im Ergebnis fand jedoch keine wesentliche Eingrenzung statt: Training bedeutet nun die Vermittlung spezifischen Wissens in Abgrenzung zu Allgemeinwissen. Und ebenfalls der Expertenrat wird dahingehend verstanden, dass die Vermittlung besonderen Fachwissens unter Strafe gestellt ist: (2) the term ,training‘ means instruction or teaching designed to impart a specific skill, as opposed to general knowledge; and (3) the term ,expert advice or assistance‘ means advice or assistance derived from scientific, technical or otherwise specialized knowledge.79

Der weit gefasste Tatbestand des „material support“ enthält auch einen Ausnahmetatbestand. Medizinische und religiöse Handlungen zugunsten der ausländischen terroristischen Vereinigung sollen ausgenommen sein. Allerdings ist unklar, was genau der Ausnahmetatbestand „medicines“ bedeutet und ob darunter grundsätzlich die Leistung von medizinischer Hilfe oder nur die tatsächliche Verabreichung von Medizin fällt.80 So haben beispielsweise der United States District Court 2007 in der Rechtssache US vs. Shah81 und der United States Court of Appeals 2011 in US vs. Farhane82 die direkte medizinische Behandlung von Kämpfern als „material support“ eingestuft und sich damit in direkten Gegensatz zu den Genfer Konventionen, wonach Kranken und Verwundeten Hilfe geleistet werden soll, gesetzt.83 Insgesamt unterfallen damit viele Tätigkeiten, die bisher durch humanitäre NGOs und auch das IKRK ausgeführt wurden, dem Straftatbestand des § 2339B. Neben direkten humanitären Hilfsleistungen ist Training und Aufklärung über erste Hilfe,84 aber auch Ausbildung über Rechte und Pflichten nach dem Völkerrecht nach den „material-support“-Gesetzen strafbar. Allerdings enthält § 2339B lit. (j) eine weitere Ausnahme für die Leistung von Training und „expert advice or assistance“. Eine strafrechtliche Verfolgung ist ausgeschlossen, wenn die Maßnahmen vorher durch den Staatsekretär in Absprache mit dem Attorney General 78

United States District Court for the Central District of California, Urteil vom 17. März 2004, Humanitarian Law Project v. John Ashcroft, 309 F Supp 2 d 1185. 79 18 U.S.C 2339A (b). 80 Ryan, Not All the Practice Makes Perfect, 42 Wake Forest Law Review 2008, 739, 740. 81 United States District Court, United States v. Shah, 474 F Supp 2 d 492 (S.D.N.Y. 2007). 82 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Urteil vom 4. Februar 2011, United States v. Farhane, Docket No. 07-1968-cr (L). 83 Vgl. auch Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action, 2. 84 Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action, 5.

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genehmigt wurden. Dadurch kann ein Training gegenüber einer bestimmten ausländischen terroristischen Vereinigung beispielsweise im Voraus präventiv legitimiert werden. cc) Subjektiver Tatbestand Subjektiv setzt § 2339B voraus, dass der Täter vorsätzlich handelt. Dabei war zunächst unklar, ob der Täter wissentlich hinsichtlich seiner Unterstützungsleistung handeln muss oder lediglich Kenntnis davon haben muss, dass es sich bei dem Empfänger um eine ausländische terroristische Vereinigung handelt. Herrschend wird in der Rechtsprechung letztere Auslegung bevorzugt, wobei der Tatbestand im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Straftatbestandes besonders in der Literatur stark umstritten ist.85 Allerdings hat die Begrifflichkeit durch das Urteil des Supreme Courts in der Sache Holder v. Humanitarian Law Project im Jahre 2010 Klärung erfahren. Dem Täter muss nunmehr nachgewiesen werden, dass er entweder weiß, dass die Organisation als ausländische terroristische Vereinigung angesehen (und gelistet) ist, oder dass die jeweilige Organisation terroristische Aktivitäten durchführt oder durchgeführt hat. Nicht notwendig ist hingegen die Kenntnis, dass die Unterstützungsleistung in irgendeiner Art und Weise terroristisch genutzt werden kann oder könnte. Für die strafrechtliche Folge sei es nämlich irrelevant, in welcher Absicht die Hilfe und Unterstützung an die terroristische Vereinigung geleistet wird. Der Supreme Court führt dazu wie folgt aus: „Congress plainly spoke to the necessary state for a violation of § 2339B, and it chose knowledge about the organization’s connection to terrorism, not specific intent to further the organization’s terrorist activities.“ 86

Auch vollkommen friedlich intendierte Unterstützung kann damit den Straftatbestand erfüllen.87 dd) Rechtsfolge Ist der Tatbestand des § 2339B erfüllt, kann der jeweilige Täter zu einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe bis zu 15 Jahren verurteilt werden. Daneben steht 85 Vgl. bspw. Cole, Out of the Shadows, 97 California Law Review 2009, 693, 724, 725; Aziz, The Laws on Providing Material Support to Terrorist Organizations, 9 Texas Journal of Civil Liberties and Civil Rights 2003, 45, 89. 86 US Supreme Court, Urteil vom 21. Juni 2010, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 US 1 (2010). 87 Hofmann/Schneckener, NGOs and Nonstate Armed Actors, Special Report 284, 12. Weiter ging noch der ursprünglich vom Kongress intendierte subjektive Tatsbestand, wonach noch nicht einmal eine positive Kenntnis vorliegen musste, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handelte. Dies wurde jedoch in der Rechtssache Humanitarian Law Project v. U.S. Department of Justice (Ninth Circuit Court, 352 F.ed 382 (9th Cir. 2003), für verfassungswidrig erklärt und vom Kongress durch den „Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act“ in den jetzigen Wortlaut geändert, vgl. Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Indiana Law Journal 2011, 543, 578.

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dem durch einen terroristischen Akt Verletzten eine zivilrechtliche Klagemöglichkeit offen. In der Rechtsprechung88 ist anerkannt, dass eine Verletzung der § 2339A und §2339B wiederum einen Akt des internationalen Terrorismus darstellen und damit zu Schadensersatzansprüchen auch gegenüber der Nichtregierungsorganisation führen kann.89 § 2339B lit a) (2) enthält darüber hinaus die Regelung mit Strafandrohung, dass jedes Finanzinstitut, welches Kenntnis von Mitteln, die im Interesse einer gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung liegen könnten, erhält, diese Konten direkt sperren und den Secretary of State informieren muss. Dies könnte auch dazu führen, dass Kreditinstitute rein präventiv die Zusammenarbeit mit NGOs überdenken, die in bestimmten Gegenden der Welt aktiv sind. b) Kein ausreichender Ausnahmetatbestand für humanitäre Tätigkeiten aa) Kein ausreichender Ausnahmetatbestand nach § 2339B § 2339B lit (j) enthält einen Ausnahmetatbestand: No person may be prosecuted under this section in connection with the term ,personnel‘, ,training‘, or ,expert advice or assistance‘ if the provision of that material support or resources to a foreign terrorist organization was approved by the Secretary of State with the concurrence of the Attorney General. The Secretary of State may not approve the provision of any material support that may be used to carry out terrorist activity.

Ausnahmsweise kann also eine neutrale Unterstützungshandlung präventiv durch den Secretary of State in Zusammenarbeit mit dem Generalanwalt erlaubt werden. Allerdings birgt diese Herangehensweise eine große Gefahr der Selektivität, da nur noch diese Gruppen als Kommunikationspartner von Nichtregierungsorganisationen ausgewählt werden können, die vom Staat als vertrauenswürdig angesehen werden. Gerade im Fall humanitärer Katastrophen, in denen unter Umständen schnelle Handlungen erforderlich sind, kann eine vorher zu erteilende Erlaubnis durch den Secretary of State zu einer deutlichen Verzögerung der Handlungsfähigkeit der NGOs führen, zumal nicht geregelt ist, wann und wie der Secretary of State eine Entscheidung fällen muss. Darüber hinaus soll § 2339B auch extraterritorial anwendbar sein und somit müssen auch NGOs, die ihren Sitz nicht in den USA haben, eine solche Erlaubnis des Secretary of State einholen. Mithin stellt dieser präventive Erlaubnisvorbehalt eine wesentliche Ein88 United States Court of Appeals, 7th Circuit, Urteil vom 5. Juni, Boim v. Quuranic Literacy Institute, 291 F 3d 1000, 1015. 89 Vgl. 18 U.S. § 2333: „(a) Action and Jurisdiction. Any national of the United States injured in his or her person, property, or business by reason of an act of international terrorism, or his or her estate, survivors, or heirs, may sue therefore in any appropriate district court of the United States and shall recover threefold the damages he or she sustains and the cost of the suit, including attorney’s fees.“

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schränkung und einen starken Eingriff in die Unabhängigkeit und Neutralität von humanitären Organisationen dar und kann gerade bei den bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen, mit denen die NGOs zusammenarbeiten (wollen) den Eindruck erwecken, dass diese nur als Vertreter der US-Regierung agieren. Daneben gilt diese Ausnahmeregelung nicht für die Leistung von direkter humanitärer Hilfe wie Nahrung oder Wasser.90 Auch vollkommen neutrale Handlungen können also als „material support“ angesehen werden. Folge dieser Regelungen kann sein, dass NGOs ihre Arbeit und das Erbringen humanitärer Hilfe in bestimmten Regionen oder zumindest die Zusammenarbeit mit gelisteten Gruppen einstellen.91 Auch die Finanzierung kann erschwert und daher die Arbeit nur noch eingeschränkt möglich sein. Exemplarisch ist die humanitäre Katastrophe in Somalia, die ihren Höhepunkt in der Hungersnot im Jahre 2011 erfuhr. Der Süden des Landes wurde zu dieser Zeit von der Gruppe Al Shaabab kontrolliert, die als terroristische Vereinigung gelistet ist. Jegliche humanitäre Hilfe in dieser Region konnte dazu führen, dass letztlich diese Gruppe oder einzelne Gruppenmitglieder davon profitierten. Da diese Gruppe aber keine „Unterstützung“ erhalten durfte, konnte aus diesem Grund die humanitäre Arbeit in der Region nur eingeschränkt erfolgen und die Bedürfnisse nicht mehr abdecken.92 Als Folge dieser humanitären Katastrophe wurde im November 2013 in den USA der „Humanitarian Assistance Facilitation Act“ (HAFA) eingebracht. Darin wurde anerkannt, dass die „material support“-Gesetzgebung auch dazu geführt hatte, dass keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Bekämpfung der Hungersnot in Somalia aufgebracht werden und humanitäre Organisationen in den von der Al-Shabaab-Miliz kontrollierten Gebieten nicht ausreichend tätig werden konnten.93 Durch dieses Gesetz sollte es legitimiert werden, unter bestimmten Bedingungen aus humanitären Gründen auch gegenüber solchen Personen oder Gruppen Hilfe zu leisten oder mit diesen zur Bekämpfung der Hungersnot zusammenzuarbeiten, die als terroristische Vereinigung gelistet sind.94 Dar90

Ryan, Not All the Practice Makes Perfect, 42 Wake Forest Law Review 2008, 739,

740. 91 Zu den tatsächlichen Problemen und Folgen der Gesetzgebung vgl. auch Charity & Security Network, The Prohibition on Material Support and Its Impact on Nonprofits, Issue Brief, July 2019. 92 CHE Project, Counterterrorism and Humanitarian Engagement in Somalia and Mali, 2; Harvard Program on Humanitarian Policy and Conflict Research, Countering Terror in Humanitarian Crisis, 12 ff. 93 Vgl. Sec. 2, Findings, Humanitarian Assistance Facilitation Act of 2013, abrufbar unter https://www.govtrack.us/congress/bills/113/hr3526/text (zuletzt besucht am 28.9. 2020). 94 „To permit persons subject to the jurisdiction of the United States to enter into transactions with certain sanctioned foreign persons that are customary, necessary, and incidental to the donation or provision of goods or services to prevent or alleviate the suffering of civilian populations, and for other purposes.“, vgl. Humanitarian Assistance Facilitation Act of 2013.

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über hinaus sollte durch das Gesetz die strafrechtliche Regelung des § 2339B dahingehend angepasst werden, dass ein Dialog mit einer terroristischen Vereinigung zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Zivilisten, unter anderem die Kommunikation mit solchen Gruppen zur Verringerung von Gewalt gegenüber Zivilisten, nicht als „material support“ anzusehen sei.95 Dieser Gesetzesentwurf wurde durch zahlreiche amerikanische und internationale humanitäre Organisationen, unter ihnen das amerkanische Rote Kreuz oder Oxfam America unterstützt, ist jedoch nicht verabschiedet worden.96 Auf Grundlage des HAFA wurde 2015 der „Humanitarian Assistance and Peacebuilding Protection Act“ (HAPPA) vorgeschlagen, der zumindest die Kommunikation mit Personen oder Vereinigungen, die gelistet sind, erlauben würde, um das Leiden der Zivilbevölkerung zu lindern. Danach könnte der Dialog mit solchen Gruppen und Individuen möglich sein, um den Zugang zu verhandeln und wohl auch um das humanitäre Völkerrecht zu verbreiten. Zudem soll eine weitere humanitäre Ausnahme geschaffen werden: Der US-Präsident soll nicht länger solche finanziellen Transaktionen sanktionieren können, die von humanitären Organisationen in größter Sorgfalt für humanitäre Zwecke eingesetzt werden.97 Dieser Gesetzesentwurf wurde aber bis Mitte 2020 nicht verabschiedet. bb) OFAC-Lizenzen bieten auch keinen ausreichenden Schutz Das Office of Foreign Assets Control („OFAC“) des US Department of the Treasury verwaltet und überwacht die Durchführung der wirtschaftlichen Sanktionen wie die Möglichkeit, Konten einzufrieren. In diesem Bereich besteht die Besonderheit, dass das OFAC Ausnahmen erlauben kann. Auch humanitäre Organisationen, die in Gebieten arbeiten, in denen bewaffnete nicht-staatliche Gruppen aktiv sind, die als terroristische Vereinigungen gelistet sind, können OFACLizenzen beantragen. Allerdings handelt es sich dabei um einen aufwendigen und langwierigen Prozess. Letztlich gibt es zwei Arten von Lizenzen, eine generelle Lizenz, die nicht personalisiert ist und bestimmte Transaktionen legalisiert, und eine Speziallizenz, die lediglich eine bestimmte Person oder Organisation legitimiert, eine solche Transaktion durchzuführen.98 Die OFAC-Lizenzen können 95 „[E]xcept that such term does not include engaging in speech or communication with a terrorist organization to prevent or alleviate the suffering of a civilian population, including speech or communication to reduce or eliminate the frequency and severity of violent conflict and reducing its impact on the civilian population.“, vgl. Sec. 5 des Humanitarian Assistance Facilitation Act of 2013. 96 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 258 f.; vgl. dazu auch den aktuellen Stand der Gesetzgebung unter https://www.govtrack.us/congress/bills/113/hr3526 (zuletzt besucht am 28.9.2020). 97 Vgl. dazu den Gesetzesentwurf des HAPPA, abrufbar unter http://www.charity andsecurity.org/sites/default/files/files/2015HAPPA-May29%202015(1).pdf (zuletzt besucht am 28.9.2020). 98 Vgl. OFAC, OFAC licenses.

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das Verhalten nur in Bezug auf die wirtschaftlichen Sanktionen legitimieren, sodass die humanitären NGOs keinen Strafgeldern ausgesetzt sind. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Konsequenzen ändert auch eine Lizenz der OFAC nichts.99 Zudem liegt die Erteilung einer solchen Ausnahmelizenz grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Es ist insoweit nicht vorhersehbar, wann und in welchem Umfang die Ausnahmen erteilt werden.100 So soll auch USAID101 im Jahre 2009 eine OFAC Genehmigung für seine humanitäre Arbeit in Somalia beantragt haben, die ihr aber nicht erteilt wurde, sodass trotz der bestehenden humanitären Katastrophe Förderzusagen von USAID nicht verlängert werden konnten.102 c) Extraterritoriale Anwendung In § 2339B ist die extraterritoriale Anwendung vorgesehen: Die Norm beeinhaltet eine Auflistung von Fällen, in denen eine extraterritoriale Anwendung stattfinden soll und einen Auffangtatbestand, wonach im Anwendungsbereich des § 2339B grundsätzlich extraterritoriale Jurisdiktion gegeben ist. Diese spezielle Ausweitung der Jurisdiktion sieht vor, dass in folgenden Fällen eine strafrechtliche Verfolgbarkeit in den US möglich ist: – [A]n offender is a national of the United States [. . .] or an alien lawfully admitted for permanent residence in the United States – an offender is a stateless person whose habitual residence is in the United States – after the conduct required for the offense occurs an offender is brought into or found in the United States, even if the conduct required for the offenses occurs outside the United States – the offense occurs in whole or in part within the United States – the offense occurs in or affects (U.S.) interstate or foreign commerce, or – an offender aids or abets any person over whom jurisdiction exists under this paragraph in committing an offense under subsection (a) or conspires with any person over whom jurisidiction exists under this paragraph to commit an offense under subsection (a), 18 U.S.C. 2339B (d) (1)

Während der grundsätzliche Verweis auf die mögliche extraterritoriale Strafverfolgung seit der Einführung des Straftatbestandes besteht, wurden die speziellen Verweise erst im Jahre 2004 mit dem „Intelligence and Terrorism Prevention Act“ eingeführt um eine extraterritoriale Anwendung in jedem Fall zu gewährleisten.103 99

Margon, Unintended Roadblocks, 7. Margon, Unintended Roadblocks, 7. 101 United States Agency for International Development. 102 Margon, Unintended Roadblocks, 7. 103 Doyle, Terrorist Material Support: An Overview of 18 U.S.C. § 2339A and § 2339B, 14. 100

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d) Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Völkerrecht § 2339B normiert weitreichende Folgen für teilweise bisher als neutral angesehene Tätigkeiten von Nichregierungsorganisationen. Bei strikter Anwendung kann er, wie gesehen, die Arbeit von humanitären Organisationen stark einschränken. Die Vereinbarkeit der Norm mit US-amerikanischem Verfassungsrecht sowie dem Völkerrecht steht in Frage.104 aa) Vereinbarkeit mit US-amerikanischem Verfassungsrecht Wie bereits aus der Darstellung des Tatbestandes ersichtlich, gibt es um die ausreichende Bestimmtheit des Straftatbestandes und um Verfahrensfragen Diskussionen. Die Norm war daher bereits mehrfach Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Supreme Court im Fall Holder v. Humanitarian Law Project erlangt. In diesem vielbesprochenen Fall erhoben mehrere US-Nichtregierungsorganisationen eine vorbeugende Feststellungsklage. Sie wollten dabei festgestellt wissen, dass ihre Hilfstätigkeit nicht strafrechtlich erfasst sei. Die jeweiligen NGOs wollten eine Schulung mit der PKK sowie mit den Tamil Tigers absolvieren und diese über ihre rechtliche Stellung im Völkerrecht sowie ihre Handlungsoptionen gegenüber den Vereinten Nationen aufklären. Sowohl die PKK als auch die Tamil Tigers fanden sich auf der Liste des Secretary of State als ausländische terroristische Vereinigung. Im Einzelnen begehrten die Kläger die Feststellung, dass ihnen folgendesVerhalten erlaubt sei: „(1) [T]rain members of the PKK on how to use humanitarian and international law to peacefully resolve disputes; (2) engage in political advocacy on behalf of Kurds who live in Turkey; (3) teach PKK members how to petition various representative bodies such as the United Nations for relief; and (4) engage in political advocacy on behalf of Tamils who live in Sri Lanka.“ 105

Nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen befand der US Supreme Court im Jahre 2010 in einer 6:3 Entscheidung, dass der Straftatbestand des § 2339B verfassungsgemäß sei. Er hatte darüber zu entscheiden, ob die Norm gegen die Meinungsfreiheit oder das Gebot eines fairen Verfahrens verstößt und ob der Tatbestand zu unbestimmt ist. Der Supreme Court stellte zunächst fest, dass eine vorbeugende Klage rechtlich zulässig sei, da die betroffenen Kläger der konkreten Gefahr einer strafrecht104 Vgl. zu verfassungsrechtlichen Bedenken auch Alwattar, the Material Support Statutes and their Tenuous Relationship with the Constitution, 20 Journal of Constitutional Law 2017, 473 ff. 105 Supreme Court of the United States, Holder et al. v. Humanitarian Law Project et al., Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 2.

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lichen Verfolgung durch ihr Handeln ausgesetzt seien.106 Der Supreme Court urteilte, dass die Regelung nicht zu unbestimmt sei und damit nicht gegen Rechtsstaatsprinzipien verstieße.107 Vielmehr verstehe eine Person durchschnittlicher Intelligenz, was unter „material support“ zu verstehen sei.108 Dabei setzte sich der Supreme Court auch mit der Rechtsprechung der Instanzgerichte auseinander, die die Bestimmung teilweise als zu unbestimmt gewertet hatte. Nach Ansicht des Supreme Courts handelt es sich bei den in Frage stehenden Begriffen aber um objektiv verständliche Begriffe, die eben keiner subjektiven Auslegung bedürften. So habe der Kläger Begriffe aus dem Tatbestand selbst stetig zur Beschreibung ihrer eigenen Arbeit verwendet und ihnen dieselbe Bedeutung zugemessen. Die Kläger waren der Ansicht, dass die „material support“-Gesetzgebung ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletze, und der Eingriff nicht gerechtfertigt sei. Zwar bezwecke das Gesetz den Schutz vor dem internationalen Terrorismus, dieses Schutzgut könne aber die Beschränkung ihrer Meinungsfreiheit nicht rechtfertigen, da sie ihrerseits nur legitime Handlungen gegenüber den terroristischen Vereinigungen vornähmen. Die US-Regierung argumentierte, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung gar nicht betroffen sei, sondern es sich vielmehr um ein Verhalten und nicht um eine Meinung handele. Grundsätzlich ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit in den USA sehr weit.109 Soweit dieser betroffen ist, kann es verschiedene Formen der Rechtfertigung geben, wobei es ähnlich der deutschen Stufentheorie nach der Wertigkeit des verletzten Rechtsgutes eine unterschiedlich hohe Rechtfertigungsschwelle gibt. Differenziert wird dabei zwischen der „strict scrutiny“ auf höchster Stufe, der „intermediate scrutiny“ auf mittlerer Ebene und dem „rational basis“-Ansatz als niedrigste Schwelle.110 Dieser Test stellt letztlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dar, die Handlung des Staates muss verhältnismäßig in Bezug auf ein legitimes Interesse sein. Im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Verletzung der Meinungsfreiheit differenziert die Rechtsprechung zwischen inhaltsneutralen Gesetzen und meinungsausschließenden Gesetzen. Letztere können nur verfassungsgemäß sein, wenn sie der „strict scrutiny“-Überprüfung standhalten und somit dem Schutz höchster Rechtsgüter dienen. Bei meinungsneutralen Gesetzen hin106 US Supreme Court, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 U.S. 2010, Nos 081498 and 09–89, Syllabus, 10–12. 107 US Supreme Court, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 U.S. 2010, Nos 081498 and 09–89, Syllabus, 13–20. 108 US Supreme Court, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 U.S. 2010, Nos 081498 and 09–89, Syllabus, 3, 4. 109 US Supreme Court, Roth v. United States, 354 U.S.476, 484 (1957); US Supreme Court, Lovell v. City of Griffin, 303 U.S. 444, 452 (1938); US Supreme Court, Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444, 447 (1969). 110 Eingeführt wurde die Begrifflichkeit „notions of scrutiny“ durch den US Supreme Court in der Rechtssache United States v. Carolene Products aus dem Jahre 1938.

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gegen muss das jeweilige Gesetz der „intermediate scrutiny“-Überprüfung standhalten und dem Schutz wesentlicher Güter der Allgemeinheit dienen. Der Supreme Court ging in Holder davon aus, dass der Schutzbereich der Meinungsfreiheit durch das Verbot der Übertragung einer Information betroffen sei. Dabei kam das Gericht zu dem Schluss, dass „more rigorous scrutiny“ als Maßstab anzuwenden sei. Auffällig ist, dass es den Begriff der „strict scrutiny“ nicht nennt.111 Den genannten Maßstab sieht das Gericht als erfüllt an, die Parteien seien sich sogar einig gewesen, dass Sinn und Zweck der „material support“-Gesetzgebung der wichtige Kampf gegen den Terrorismus sei. Dies stelle sogar ein Schutzgut höchster Art dar. Der Supreme Court geht also im Ergebnis davon aus, dass der Eingriff in die Meinungsfreiheit gerechtfertigt sei. Dabei differenziert der Supreme Court jedoch nicht dogmatisch nach der Eingriffsintensität. Vielmehr verweist er ohne eine vertiefte Auseinandersetzung auf die Argumentation des Kongresses, dass jedwede Handlung, die zugunsten einer terroristischen Vereinigung vorgenommen werde, den Gruppen schlussendlich deren terroristisches Verhalten erleichtere.112 Wie auch schon in vorherigen Fällen113 stellte das Gericht letztlich auf die sogenannte „money is fungible“-Theorie ab.114 Danach birgt jede finanzielle Unterstützungshandlung, unabhängig mit welcher Intention sie geleistet wird, für die terroristische Vereinigung die Möglichkeit, an anderer Stelle gesparte finanzielle Ressourcen wieder für unrechtmäßige Handlungen einzusetzen.115 Dies entwickelte das Gericht dahingehend weiter, dass jede Art von „material support“ den terroristischen Vereinigungen Legitimität verschafft, was wiederum an anderer Stelle dazu führen könnte, dass sie weiter Unterstützung116 zugunsten ihrer illegitimen Ziele erfahren würden.117 Somit sei das Ver111 Said, Humanitarian Law project and the Supreme Court’s Construction of Terrorism, BYU Law Review 2011, 1455, 1499. 112 US Supreme Court, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 U.S. 2010, Nos 081498 and 09–89, Syllabus 26–28. 113 Vgl. z. B. District Court D.C., Holy Land Foundation for Relief and Development v. Ashcroft, 219 F. Supp. 2d 57, 64 (D.D.C. 2002) und D.C. Circuit Court, 333 F.ed 156 (D.C. Cir. 2003). 114 Dazu ausführlich Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Indiana Law Journal 543 2011, 543, 582. 115 Said, Humanitarian Law project and the Supreme Court’s Construction of Terrorism, BYUniversity Law Review 2011, 1455, 1500. 116 Die erste Abkehr von der reinen „money is fungible“ – Theorie in Richtung Legitimität wurde in der Rechtssache Holy Land Foundation for Relief und Development getroffen. Diesbezüglich argumentierte das zuständige Gericht, dass die finanzielle Unterstützung, die schlussendlich der Hamas zugute käme, deren Bild in der Öffentlichkeit stärkten und somit aller Wahrscheinlichkeit dazu führten, dass diese neue Mitglieder und Unterstützer erhielte, US District Court D.C., Urteil vom 8. August 2002, Holy Land Foundation for Relief and Dec. v. Ashcroft, 219 F.Supp.2d 57 (2002). Vgl. auch Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Ind. L. J. 2011, 543, 586. 117 Supreme Court of the United States, Holder v. Humanitarian Law Project, Syllabus, 20–34.

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bot des Trainings und der Schulungen durch die Kläger gerechtfertigt und die Meinungsfreiheit nicht verletzt.118 Weiterhin sei auch die Vereinigungsfreiheit nicht verletzt, da nicht die Vereinigung an sich betroffen sei, sondern lediglich die Unterstützungshandlung für andere terroristische Vereinigungen. Darüber hinaus sei eine gegebenenfalls vorliegende Einschränkung gerechtfertigt.119 In ihrer abweichenden Meinung verwiesen allerdings drei Richter darauf, dass zumindest der subjektive Tatbestand zu weit sei und verfassungsgemäß ausgelegt werden müsse.120Auch sie gingen davon aus, dass die Regelung nicht zu unbestimmt sei, nahmen aber an, dass die Meinungsfreiheit verletzt sei. Zunächst stellte Justice Breyer in seiner abweichenden Meinung die Herangehensweise der Regierung, dass jedwede Unterstützungsleistung die terroristische Vereinigung in ihren terroristischen Tätigkeiten unterstützt, in Frage. Es gäbe vielmehr keine Anhaltspunkte, dass ein Verhalten wie das in Frage stehende, nämlich die Aufklärung über humanitäres Völkerrecht, bei den terroristischen Vereinigungen andere Kapazitäten und damit die Gefahr erhöhen würde, dass diese in terroristischer Art und Weise tätig würden.121 Ein Nachweis dazu sei von der Regierung nicht erbracht worden. Die Begründung des Gerichts und der Regierung, dass jedwede Unterstützungshandlung den terroristischen Vereinigungen Legitimität verschaffe, die wiederum andere Unterstützung nach sich ziehen würde122, trage nicht. Die Kausalkette könne nur sehr schwer nachgewiesen und nur in einzelnen Fällen angenommen werden, sodass dies keinen Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen könne.123 Eine verfassungsmäßige Auslegung des Straftatbestandes sei aber möglich, in dem der subjektive Tatbestand ungleich enger gefasst werde: Der Täter müsse in dem Fall wissen oder wollen, dass mit seiner unterstützenden Handlung die terroristischen Aktivitäten selbst gefördert werden.124 Eine solche Auslegung würde auch nicht dem Wortlaut der Regelung („knowingly providing support“) widersprechen.

118 A. A. bspw. Parker, Material Support and the First Amendment: 13 NYC Law Review 2009–2010, 291, 299 ff. 119 Supreme Court of the United States, Holder v. Humanitarian Law Project, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, Syllabus, 34–35. 120 Supreme Court of the United States, Holder v. Humanitarian Law Project, Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 2. 121 Supreme Court of the United States, Holder v. Humanitarian Law Project, Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 8. 122 Supreme Court of the United States, Holder et al. v. Humanitarian Law Project et al., Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 10. 123 Supreme Court of the United States, Holder et al. v. Humanitarian Law Project et al., Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 11. Daneben verstieße diese Argumentation laut Justice Breyer gegen bestehendes Case Law. 124 Supreme Court of the United States, Holder v. Humanitarian Law Project, Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09–89, 17.

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Diese Meinung teilte auch der United States District Court for the Middle District of Florida in der Rechtssache United States v. Al Arian. § 2339B sei nur verfassungsgemäß, wenn und soweit in den subjektiven Tatbestand hineingelesen würde, dass der Täter beabsichtige, mit seiner Handlung die schädigenden und rechtswidrigen Taten der ausländischen terroristischen Vereinigung zu stärken.125 Dies blieb jedoch eine Mindermeinung in der Rechtsprechung.126 Der Begriff des „material support“ in der präsidialen Verfügung wurde unter anderem in der Rechtssache Al Haramain v. Treasury127 durch den United States District Court in Oregon als zu unbestimmt beurteilt. Der Begriff „material support“ sei zu unbestimmt, da eine Person durchschnittlicher Intelligenz nicht sicher sein könne, was darunter zu verstehen sei. Im Ergebnis ist allerdings die Definition von „material support“ identisch zu der der Straftatbestände, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der US Supreme Court diese als hinreichend bestimmt erachten würde. Insgesamt sind die Gerichte zurückhaltend bei der Beurteilung der Fragen, die sich im Zusammenhang mit der „material support“ Gesetzgebung stellen. Im Falle des Widerspruchs von Freiheitsrechten und nationalen Sicherheitsinteressen berufen sie sich darauf, dass die Einschätzung grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Politik fällt und nur ein geringer juristischer Überprüfungsrahmen besteht. bb) Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht Der weite objektive Tatbestand des § 2339B ohne subjektives Korrektiv schränkt NGOs gerade im humanitären Bereich stark ein. Beispielsweise ist auch die Tätigkeit von Geneva Call, Verträge mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wie der PKK zu schließen im Hinblick auf die Argumentation des US Supreme Court als „material support“ zu werten. Vor einer Analyse der tatsächlichen Auswirkungen des US-Straftatbestandes, werden die rechtlichen Probleme, die sich außerhalb des US-Rechts stellen, untersucht. Die Vereinbarkeit der Regelung mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) steht ebenso in Frage wie die Rechtmäßigkeit der extraterritorialen Anwendung.

125 United States District Court for the Middle District of Florida, United States v. Al Arian I, 308 F. Supp. 2d 1322, 1335–39 (M.D. Fla. 2004). 126 Vgl. Analyse bei Said, The Material Support Prosecution and Foreign Policy, 86 Indiana Law Journal 2011, 543, 577 f. 127 United States District Court, Al Haramain Islamic Foundation Inc. v. United States Department of the Treasury, abrufbar unter http://www.bernabeipllc.com/pdfs/ Opinion.pdf (zuletzt besucht am 28.9.2020).

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(1) Art. 19 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Art. 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte aus dem Jahre 1966, welchen die USA im Jahre 1992 ratifiziert haben, schützt die Meinungsfreiheit. Nach Art. 19 Abs. 2 IPbpR hat jedermann das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Art. 19 Abs. 2 IPbpR schützt also die freie Meinungsäußerung sowie die Informationsfreiheit. Diese umfasst sowohl die Informationsbeschaffung als auch die Informationsweitergabe ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen. Mithin ist das insbesondere in Holder v. Humanitarian Law Project gerügte Verhalten des Trainings und der Ausbildung der bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen geschützt. Art. 19 Abs. 3 IPbPR sieht jedoch eine Einschränkungsmöglichkeit vor. Soweit bestimmte gesetzliche Verbote vorliegen, die erforderlich sind a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit, darf in die Meinungfreiheit nach Art 19 IPbPR eingegriffen werden. Eingriffe müssen danach gesetzlich vorgesehen sein, einem der abschließend aufgezählten Zwecke dienen und zur Erreichung des Zwecks notwendig sein.128 Gesetzlich vorgesehen bedeutet in diesem Zusammenhang, wie auch sonst im IPbpR, dass sie in einem generell-abstrakten parlamentarischen Gesetz im formellen Sinne oder einer gleichzuhaltenen ungeschriebenen Rechtsnorm des Common Law geregelt sein müssen.129 Diese Voraussetzung ist durch § 2339B erfüllt. Bei den „material support“-Gesetzen handelt es sich um Statuten, welche durch das Gesetzgebungsverfahren des Kongresses erlassen worden sind, somit um parlamentarische Gesetze im formellen Sinne. Fraglich ist hingegen, inwieweit die Einschränkung durch die „Executive order“ diese Voraussetzung erfüllt, welche auf gleicher Grundlage zum Einfrieren der Konten berechtigt. Weiterhin muss ein Eingriff notwendig sein, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Dies entspricht einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, wobei die Einschränkung in der Schwere und Intensität proportional zu dem angestrebten Ziel stehen muss und nicht zur Regel werden darf.130 Der US-Kongress sieht die „material support“-Gesetzgebung als Möglichkeit an, den internationalen Terrorismus zu be128 Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche koll: CCPR-Kommentar, Art. 19, Rn. 33. 129 Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche koll: CCPR-Kommentar, Art. 19, Rn. 36. 130 Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche koll: CCPR-Kommentar, Art. 19, Rn. 37; national Law Review 2011, 478, 493.

und politische Rechte und Fakultativprotound politische Rechte und Fakultativprotound politische Rechte und FakultativprotoCerone, Caveat Doctor, 34 Suffolk Trans-

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kämpfen und damit die nationale Sicherheit der USA zu gewährleisten.131 Auch wenn dies grundsätzlich im Hinblick auf Art. 19 IPbpR einen legitimen Zweck darstellt, sind dabei Eingriffe in die öffentliche Meinungs- und Informationsfreiheit zum Schutz der nationalen Sicherheit wie in den vergleichbaren Bestimmungen des Paktes (Art. 12, 13, 14, 19, 21, 22) nur in schwerwiegenden Fällen politischer und militärischer Bedrohung der gesamten Nation zulässig.132 Die gesamte US-amerikanische Anti-Terror-Gesetzgebung beruht auf der Annahme, dass eine solche Bedrohungslage der gesamten Nation durch den internationalen Terrorismus gegeben ist.133 In Bezug auf den IPbPR ist jedoch bereits fraglich, wer festlegt, was nationale Sicherheit ist und wann diese in hinreichender Weise bedroht ist. Eine pauschale Herangehensweise wie die der USA, die weitgehend Freiheitsrechte durch ihre Anti-Terror-Gesetzgebung einschränken, läuft gerade dem Grundsatz zuwider, dass Eingriffslegitimationen als Ausnahmeregelungen restriktiv zu interpretieren sind.134 Die konkrete Anwendung des § 2339B in seiner jetzigen Ausgestaltung könnte zudem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufen. Die strikte US-Herangehensweise, jedwede Informationsweitergabe gleich welchen Inhalts und welcher Intention zu verbieten, kann nicht überzeugend mit einem pauschalen Rückbezug auf die nationale Sicherheit gerechtfertigt werden. Der pauschale Verweis des Supreme Court, dass jede Handlung gleich welchen Inhaltes, also auch die Vermittlung von Völkerrecht, von der ausländischen terroristischen Vereinigung missbraucht werden können, steht im Widerspruch zu sonstigen rechtstaatlichen Überlegungen.135 Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 19 IPbpR nahe. Allerdings hat dies keine direkten Auswirkungen auf die Tätigkeit der NGOs, da diese keine rechtlichen Möglichkeiten haben, dies gegenüber den USA durchzusetzen: Zwar kann eine NGO einen Verstoß gegen Art. 19 IPbpR im Wege einer Individualbeschwerde beim Menschenrechtsausschuss geltend machen. Da es jedoch keine Wege der Rechtsdurchsetzung gibt, kann eine NGO dadurch der Gefahr einer Strafverfolgung nicht beikommen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass ein US-amerikanisches Gericht einen solchen Verstoß feststellen wird.136 Artikel VI Absatz 2 der US-Verfassung erklärt zwar grundsätzlich in der sogenannten Supremacy Clause, 131 Ein Rückgriff auf dieses Prinzip oder das der öffentlichen Ordnung wird oft gewählt, da es sich insoweit um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die durch die Staaten selber mit Inhalt gefüllt können. Unter Umständen kann dabei auch auf Staatsgeheimnisse verwiesen werden, welche auch als Argumentationsgrundlage nicht öffentlich gemacht werden müssen, vgl. Joseph/Schultz/Castan, The International Covenant on Civil and Political Right, 534, Rn. 18.34. 132 Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR-Kommentar, Art. 19, Rn. 44. 133 Vgl. dazu oben S. 196 ff. 134 Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR-Kommentar, Art. 19, Rn. 37. 135 Cerone, Caveat Doctor, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 478, 493.

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dass völkerrechtliche Verträge den gleichen Rang wie nationales Recht genießen würden: This Constitution, and the Laws of the United States which shall be made in Pursuance thereof; and all Treaties made, or which shall be made, under the Authority of the United States, shall be the supreme Law of the Land; and the Judges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any State to the Contrary notwithstanding.

Allerdings kann dies nur für selbstvollziehende Normen gelten, die keines nationalen Gesetzgebungsakts mehr bedürfen. Dies hat der Supreme Court bereits 1829137 anerkannt. Ein nicht selbstvollziehender Vertrag liegt aber dann vor, wenn es eines nationalen Umsetzungsakts bedarf, oder wenn ein solcher durch den Senat, Kongress oder durch die Verfassung vorgesehen ist.138 Im Hinblick auf den IPbpR könnte man davon ausgehen, dass es sich gerade bei Artikel 19 um eine selbstvollziehende Norm handelt, da sie hinreichend bestimmt ist und dem Einzelnen Rechte zuspricht. Allerdings haben die USA bei der Zeichnung in ihren Vorbehalten und Erklärungen zu dem Vertrag deutlich gemacht, dass es sich nach ihrer Auffassung gerade nicht um selbstvollziehende Rechtsnormen handele.139 Dies stellt klaren politischen Willen dar,140 sodass eine direkte Anwendung des Art. 19 IPbpR durch die US-Gerichte ausscheidet. Im US-Verfassungsrecht existiert die „Charming Betsy“-Regel, wonach stets eine möglichst völkerrechtsfreundliche Auslegung herangezogen werden soll.141 Doch auch unter Anwendung dieser Regel ist keine anderweitige Auslegung durch US-Gerichte zu erwarten. Vielmehr gehen die USA, wie auch die Vorbehalte zum IPbpR insgesamt zeigen, davon aus, dass der Schutz der Meinungsfreiheit in den USA sowieso einen wesentlich höheren Standard genießt als auf internationaler Ebene. Wenn dann das Recht bereits mit der US-Verfassung in Einklang ist, kann es auch nicht das aus dieser Sichtweise vom Schutzstandard geringere Völkerrecht verletzen. Dies gilt umso mehr, als die Verfassung stets den höheren Rang genießt.142 136 Selbst wenn, würde aber auch die Argumentation und Auslegung wie in Holder v. Humanitarian Law Project zugunsten der § 2339B ausfallen. 137 US Supreme Court, Foster v. Neilson, 27 U.S. (2 Pet.) 253, 314 (1829). 138 Holland, Holder v. Humanitarian Law Project and the Potential to Cripple Humanitarian Assistance in Armed Conflict, 18. 139 Declarations (1) That the United States declares that the provision of articles 1 through 27 of the Covenant are not self-executing; vgl. https://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx?src=IND&mtdsg_no=IV-4&chapter=4&clang=_en#EndDec (zuletzt besucht am 28.9.2020). 140 Holland, Holder v. Humanitarian Law Project and the Potential to Cripple Humanitarian Assistance in Armed Conflict, 19. 141 Cerone, Caveat Doctor, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 478, 502 f. 142 Lawyers’ Committee for Civil Rights Under Law, A Critical Assessment Of The U.S. Commitment To Civil and Political Rights, 21.

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(2) Extraterritoriale Anwendung des § 2339B Ebenso steht die extraterritoriale Anwendung der Rechtsnorm in Frage. § 2339B selbst normiert einen generellen Verweis sowie sehr umfassende Einzelfälle, wann der Straftatbestand extraterritorial Anwendung finden soll. Grundsätzlich hat ein Staat gegenüber einem Täter die Befugnis zur Strafverfolgung, wenn der Sachverhalt unter die nationale Strafgewalt fällt. Die Grenzen der Strafgewalt des einzelnen Staates werden durch völkerrechtliche Regeln bestimmt: Gerade in Fällen mit Auslandsbezug, in denen der Täter die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt und/oder die Tat im Ausland begangen worden ist, kann die Anwendung von Strafrecht eines Staates einen Eingriff in die inneren Belange des anderen Staates und damit einen Verstoß gegen das Nichteinmischungsprinzip darstellen.143 So stellte der Ständige Internationale Gerichthof im Lotus-Fall folgendes fest: „Die erste und wichtigste Einschränkung nun, die das internationale Recht dem Staat auferlegt, [. . .] der Ausschluss seiner Macht auf dem Gebiet eines anderen Staats [ist], sofern nicht eine Regel besteht, die dieses erlaubt [. . .]. [I]n diesem Sinne ist die Gerichtsbarkeit sicherlich eine räumliche; sie könnte nicht außerhalb des Gebietes ausgeübt werden, wenn nicht auf Grund einer Regel des internationalen Gewohnheitsrechts oder einer Vereinbarung, die es gestattet [. . .]. Unter diesen Umständen kann man von einem Staat nur verlangen, dass er die Grenzen nicht überschreitet, die das internationale Recht seiner Zuständigkeit zieht; innerhalb dieser Grenzen befindet sich die Grundlage für die Ausübung der Gerichtsbarkeit in seiner Souveränität.“ 144

(a) Legitimierende Anknüpfungspunkte Im Falle einer Auslandsberührung des Strafrechts wird dabei durch das Völkerrecht als Grenze ein „legitimierender Anknüpfungspunkt“ vorausgesetzt: ein sogenannter „genuine link“ zwischen dem normierten Lebenssachverhalt und dem normierenden Staat.145 Im Völkerrecht sind verschiedene legitimierende Anknüpfungspunkte anerkannt: Man differenziert zwischen dem Begehungsort (Territorialitätsprinzip), der Staatsangehörigkeit des Täter oder Opfers (aktives und passives Personalitätsprinzip), dem Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (Schutzprinzip) oder Interessen universellen Charakters (Weltrechtsprinzip) sowie dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege.146 143 Vgl. auch UN Konvention gegen das internationale organisierte Verbrechen vom 3.11.2000 (UN Doc A/55/383/add.1), die das passive und aktive Personalitätsprinzip unter den Vorbehalt der Nichteinmischung stellen, Art. 15 Abs. 2 i.V. m. 4. 144 StIGH, Frankreich v. Türkei, Urteil vom 07.09.1928, STIGHE, 5, 71, 90 f. 145 IGH, Urteil vom 6. April 1955, Nottebohm, I.C.J. Reports. 1955, 4, 23 f. 146 Ambos, Internationales Strafrecht, 23 ff.; Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 182; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 37.

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Fraglich ist mithin, ob die von den USA normierten Fälle der extraterritorialen Anwendung147 sowie der generelle Verweis diesen Vorgaben des Völkerrechts genügen. Nach den Vorgaben des §2339B lit d) soll die Tat verfolgt werden, wenn sie im Ausland erfolgt, der Täter aber Staatsangehöriger der USA ist bzw. sich dort rechtmäßig aufhält oder staatenlos ist und sich dauerhaft auf dem Staatsgebiet aufhält. Dies entspricht den Vorgaben des aktiven Personalitätsprinzips, wonach ein Staat die Strafherrschaft über seine Staatsangehörigen ausübt.148 Die Voraussetzung die Tat zu verfolgen, wenn sie in den USA begangen wird, entspricht dem Territorialitätsprinzip. Bereits sehr weit gefasst ist der Verweis des § 2339B, wonach die Straftat verfolgt werden soll, wenn sie den USAußenhandel betrifft. Dies kann aber noch unter das Prinzip des Staatschutzes gefasst werden. Hervorzuheben sind aber der generelle Verweis und § 2339B lit d) (3)149, da es bei diesen Verweisen lediglich darauf ankommt, dass sich der potentielle Täter irgendwann in den USA aufhält. Das bloße Betreten des Territoriums der USA durch einen ausländischen Staatsangehörigen, der gegen § 2339B im Ausland verstoßen haben soll, stellt keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt dar. Dies könnte zu einem faktischen Einreiseverbot aller Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen führen, die weltweit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen agieren. Etwas anderes kann dann gelten, wenn sich die Straftat in den USA auswirkt. Grundsätzlich weist das Territorialitätsprinzip demjenigen Staat die Strafgewalt zu, auf dessen Territorium die Straftat begangen worden ist.150 Nach dem Auswirkungsgrundsatz kann es ausreichend sein, dass eine im Ausland begangene Straftat ihre Wirkung im Inland entfaltet, weil der Erfolg im Inland eintritt.151 Vorliegend kann dies jedoch die Strafgewalt der USA auch nicht rechtfertigen. Zwar könnte die Kausalkette insoweit aufgebaut werden, dass im Falle eines terroristischen Angriffs auf bzw. in den USA dieser seine Wirkung im Inland entfaltet. Doch muss sich der Taterfolg auf die konkrete Tat beziehen. Bei § 2339B ist aber die Unterstützungsleistung gegenüber einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar. Diese Förderungshandlung wird ihren Taterfolg zunächst nur gegenüber der terroristischen Vereinigung zeigen und sich nicht unmittelbar auf dem Territorium der USA entfalten. Darüber hinausgehende Konstrukte der Wirkung einer grundsätzlich neutralen Unterstützungshandlung auf einen potentiellen Anschlag auf dem Gebiet der USA sind zu weitreichend und mit herkömmlichen Kausalverknüpfungen nicht zu vereinbaren. 147

Vgl. S. 204 f. Ambos, Internationales Strafrecht, 36 ff. 149 „[A]fter the conduct required for the offense occurs an offender is brought into or found in the United States, even if the conduct required for the offenses occurs outside th United States.“ 150 Ambos, Internationales Strafrecht, 25. 151 Ambos, Internationales Strafrecht, 25. 148

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Ein relevanter Anknüpfungspunkt kann auch nicht das Schutzprinzip sein. Dieses unterteilt sich in das Realprinzip und das passive Personalitätsprinzip. Dem Staat steht die Staatsgewalt zu, wenn durch die Tat seine Rechtsgüter oder eben auch seine Staatsangehörigen verletzt oder bedroht werden.152 Dieses Prinzip beruht auf einem engen Bezug zwischen dem Schutzgut und dem das Recht setzenden Staat.153 Ein Täter selbst kann durch die von ihm gewählte Angriffsrichtung bzw. die von ihm in Kauf genommenen Wirkungen eine hinreichend enge Beziehung zu dem betroffenen Staat schaffen.154 Vorliegend könnte die erforderliche enge Beziehung zu den Schutzgütern bestehen, wenn ein Akt des Terrorismus auf dem Gebiet der USA ausgeführt wird. Dabei kann die destabiliserende Wirkung dieses Terroraktes selbst155, aber auch bereits die terroristische Bedrohung ausreichend sein. Eine Beeinträchtigung des inneren Friedens und der inneren Sicherheit ist aber real kaum messbar.156 Eine solche Beeinträchtigung liegt nicht schon dann vor, wenn ein neutral agierender Dritter einer potentiell terroristisch agierenden Vereinigung Hilfe leistet, die nicht mit einer terroristischen Handlung in Verbindung steht. Die vorliegende Erstreckung der Strafgewalt kann sich auch nicht auf das Weltrechtsprinzip stützen.157 Dabei wird der Verfolgerstaat im „Interesse der Staatengemeinschaft“ 158 tätig, weil er gemeinsame Werte und Sicherheitsinteressen aller Staaten und universell anerkannte Rechtsgüter verteidigt.159 Mittlerweile ist anerkannt, dass der internationale Terrorismus als besonders schwerwiegende Straftat dem Weltrechtsprinzip unterfällt.160 Dies wird durch die vertragliche Ahndung auf internationaler Ebene und die Anerkenung der Bedrohung durch den UN-Sicherheitsrat bestätigt.161 Allerdings ist auch in Bezug auf das 152 Ambos, Internationales Strafrecht, 46 f.; Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 192; Zieher, Das sogenannte Internationale Strafrecht, 78. 153 Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 193. 154 Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 193, Satzger, Internationales und europäisches Strafrecht, 35. 155 Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 192, Zieher, Das sogenannte Internationale Strafrecht, 78. 156 Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 38. 157 In den USA dient dies als Grundlage für jede Gesetzgebung im Rahmen des Anti-Terrorkampfes, vgl. Bradley, Universal Jurisdiction and US Law, University of Chicago Legal Forum 2001, 323, 325. 158 Ambos, Internationales Strafrecht, 53. 159 Ambos, Internationales Strafrecht, 53. 160 Colangelo, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction, 48 Harvard Journal of International Law 2007, 121, 130 ff. 161 Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Civil Aviation, Montreal 23. September 1971; Convention for the Suppression of Unlawful Acts Against the Safety of Maritime Navigation, Rome 10. März 1988; vgl. dazu auch Cerone, Caveat Doctor, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 478, 500.

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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Weltrechtsprinzip eine pauschale Verfolgung jeglicher unterstützender Handlungen, gleich welcher Intention, zu weitreichend: Sie fällt nicht mehr unter den Ausnahmetatbestand der Verfolgbarkeit von Terrorismus, da völlig neutrales Handeln keine terroristische Handlung darstellt. (b) Strafgewaltserstreckung im konkreten Fall Selbst wenn man einen der dargestellten Anknüpfungspunkte als ausreichend anerkennt, spricht nur eine Vermutung für die Völkerrechtsmäßigkeit der Strafgewaltserstreckung.162 Auf einer zweiten Ebene ist dann zu prüfen, ob der durch den abstrakten Anknüpfungspunkt legitimierten Strafgewaltserstreckung im konkreten Fall ein ausdrückliches völkerrechtliches Verbot entgegensteht und ob auch die konkrete Hoheitsausübung legitimiert ist, sich die Strafgewaltserstreckung also tatsächlich als sinnvoll („reasonable“ 163) erweist. Durch die Ausdehnung der Strafgewalt der USA auf Staatsbürger anderer Nationen und auf Taten, welche grundsätzlich als vollkommen neutral gewertet werden können und welche nicht auf US-amerikanischem Territorium begangen werden, noch dort zwingend irgendwelche Wirkungen entfalten müssen, überschreiten die USA ihre Einmischungsbefugnis in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.164 (c) Gerichtliche Beurteilung In den meisten Fällen wird die extraterritoriale Anwendung durch den vom Kongress aufgestellten Katalog gedeckt sein, sodass keine Bezugnahme auf den nach der hier vertretenen Ansicht zu weit reichenden Generalverweis und den ebenfalls zu pauschal gefassten Absatz 3 notwendig sein wird. Doch selbst wenn eine solche Bezugnahme stattfände, ist eine kritische Auseinandersetzung durch US-Gerichte nicht unbedingt zu erwarten, da gerade der mehrfache Hinweis der extraterritorialen Anwendung des § 2339B auf eine klare gesetzgeberische Intention schließen lässt. In der Rechtssache Yunis165 stand ebenfalls die extraterritoriale Anwendung in Frage. Der Beklagte war der Ansicht, dass seine Verurteilung gegen sowohl das Universalitätsprinzip und gegen das passive Personalitätsprinzip und somit gegen Völkergewohnheitsrecht verstieße. Der D.C. Circuit Court begegnete jedoch allen Bedenken mit dem Hinweis, dass dies zwar unter internationalem Recht gelten könne, die Anwendung in den USA aber gerade gewünscht sei:

162 163 164

Ambos, Internationales Strafrecht, 25. Oxman, Jurisdiction of States, in: Bernhardt, EPIL III, 55, 56. Ebenso Cerone, Caveat Doctor, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 478,

501. 165

D.C. Circuit Court, United States v. Yunis (Yunis III), 924 F.2d (D.C. Cir. 1991).

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

„When the statute in questions reflects an unmistakable congressional intent, consistent with treaty obligations of the United States, to authorize prosecution of those who take Americans hostage abroad no matter where the offence occurs or where the offender is found, then the customary international law must take a back seat to domestic law.“ 166

Im Ergebnis ist also die entscheidende Frage, wie der US-amerikanische Kongress die Anknüpfungspunkte für die Strafgewalt auslegt.167 e) Zwischenergebnis Die US-amerikanische „material-support“-Gesetzgebung, insbesondere die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 2339B, kann die Arbeit von humanitären Organisationen, die mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zusammenarbeiten, erheblich einschränken. Die Regelung des § 2339B ist sehr weit und stellt auch neutrale Handlungen, die als Unterstützungshandlungen einer als terroristische Vereinigung gelisteten Gruppe zählt, unter Strafe.168 Eine Einschränkung auf Seiten des subjektiven Tatbestandes erfolgt nicht. Zudem soll die Regelung nach dem Willen des US-amerikanischen Gesetzgebers extraterritorial anwendbar sein. Nach der hier vertretenen Meinung liegt ein Verstoß nicht nur gegen das USVerfassungsrecht, sondern auch gegen das Völkerrecht vor. Die US-Gerichte, die sich bisher mit dem § 2339B auseinandersetzen mussten, waren jedoch sehr zurückhaltend und haben sich letztlich selbst in ihrem Beurteilungsspielraum eingeschränkt, indem sie sich auf die Sicherheitsinteressen des Staates zurückgezogen haben. 2. Gesetzgebung in Australien, Kanada, EU, Deutschland, Niederlande und dem Vereinigten Königreich

Auch andere Staaten haben spätestens seit 2001 – in Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus den Sicherheitsratsresolutionen – zahlreiche Gesetze zur Terrorismusbekämpfung erlassen, in denen insbesondere die Finanzierung terroristischer Vereinigungen unter Strafe gestellt wird. Für die humanitären NGOs haben neben den USA besonders die Vorschriften derjenigen Jurisdiktionen eine wesentliche Bedeutung, die durch ihre finanzielle Unterstützung die Arbeit der internationalen humanitären NGOs mit ermöglichen. Neben der EU, Deutschland, 166 D.C. Circuit Court, United States v. Yunis (Yunis III), 924 F.2d 1086 (D.C. Cir. 1991). 167 Bradley, Universal Jurisdiction and US Law, 323 University of Chicago Legal Forum 2001, 323, 333. 168 Für einer Erweiterung des Tatbestandes spricht sich Tilton im Hinblick auf die Funktion zur Terrorismusabwehr aus, vgl. Tilton, United States Antiterror Law is missing the Mark: Changing the Material Support Statute to Hit the Target, 60 William & Mary Law Review 2019, 1043 ff.

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich spielen auch Kanada und Australien diesbezüglich eine wesentliche Rolle. Von den genannten Staaten hat Australien die Regelungen, die die größten Auswirkungen auf die Arbeit der humanitären Organisationen haben können. a) Kanada In Kanada gibt es verschiedene Gesetze zur Terrorismusbekämpfung: Nach der Section 83.02 Criminal Code ist es strafbar, Güter zur Verfügung zu stellen in dem Wissen oder Willen, dass diese für terroristische Akte genutzt werden. Nach der weiterreichenden Section 83.03 des kanadischen Criminal Code ist es strafbar, für terroristische Zwecke Eigentum, finanzielle Mittel oder ähnliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.169 Der Täter muss wissen oder wollen, dass die Mittel für terroristische Zwecke genutzt werden oder von einer gelisteten Gruppe genutzt werden oder dieser zugute kommen. Das kanadische Recht kennt keine Ausnahme für humanitäre Tätigkeiten, bisher gab es aber auch keine strafrechtliche Verfolgung eines humanitären Akteurs nach diesen Regelungen.170 Neben diesen strafrechtlichen Regelungen kann einer gemeinnützigen Organisation (Charity) die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese Organisation eine terroristische Vereinigung unterstützt. b) EU Die EU verabschiedete im Jahr 2002 den Rahmenbeschluss des Rates 2002/ 475/JI zur Terrorismusbekämpfung. Dieser Rahmenbeschluss, der durch den Beschluss 2008/919/JI geändert wurde, wurde zur Angleichung der Rechtsvorschriften zur Terrorismusbekämpfung in den EU-Ländern erlassen. Er definiert terroristische Straftaten, legt Regeln zur Umsetzung fest und führt Mindeststrafen für terroristische Straftaten ein. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den Rahmenbeschluss umzusetzen, können jedoch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung darüber hinausgehen soweit andere Regelungen nicht entgegenstehen.171 Nach Artikel 2 Abs. 2 lit. b) des Rahmenbeschlusses soll jeder Mitgliedstaat die erfor169 Sec. 83.03: „Every one who, directly or indirectly, collects property, provides or invites a person to provide, or makes available property or financial or other related services (a) intending that they be used, or knowing that they will be used, in whole or in part, for the purpose of facilitating or carrying out any terrorist activity, or for the purpose of benefiting any person who is facilitating or carrying out such an activity, or (b) knowing that, in whole or part, they will be used by or will benefit a terrorist group is guilty of an indictable offence and is liable to imprisonment for a term of not more than 10 years.“ 170 Macintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures, 25. 171 Macintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures, 26.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

derlichen Maßnahmen treffen, damit auch die Beteiligung an den Handlungen einer terroristischen Vereinigung einschließlich der Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln unter Strafe gestellt wird. Gleiches gilt für jegliche Art der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung. Die Beteiligung muss in dem Wissen erfolgen, dass diese zu strafbaren Handlungen der terroristischen Vereinigung beiträgt. Ausnahmen für humanitäre Aktivitäten sieht der Rahmenbeschluss nicht vor. Die Vorgaben der Sicherheitsratsresolution 1373 wurden durch die Verordnung 2580/2001 umgesetzt und auf dieser Grundlage eine Liste mit Personen und terroristischen Vereinigungen erstellt.172 Konten von Personen und Vereinigungen auf dieser Liste sollen gesperrt und die Bereitstellung von Mitteln untersagt werden. Die UN-Sicherheitsratsresolution 1267 über die Anwendung bestimmter restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, wurde durch die Verordnung 881/2002 umgesetzt. In der Rechtssache C-340/08173 hat der EuGH sich mit dieser Verordnung und der Frage nach der Reichweite der wirtschaftlichen Unterstützung von terroristischen Vereinigungen auseinandergesetzt. Der Gerichtshof stellte bereits in der Rechtssache Kadi fest, dass das grundlegende Ziel der Verordnung 881/2002 darin besteht, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Insbesondere müsse dieser von Finanzmitteln abgeschnitten werden, indem die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Personen oder Organisationen eingefroren werden, die im Verdacht stehen, in damit verbundene Tätigkeiten verwickelt zu sein.174 In der Rechtssache The Queen/Her Majesty’s Treasury stellte er fest, dass die Regelung wie folgt zu verstehen sei: „[D]as Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen [findet] nur auf Vermögenswerte Anwendung, die in Gelder, Waren oder Dienstleistungen umgewandelt werden können, die geeignet sind, für die Unterstützung terroristischer Tätigkeiten eingesetzt zu werden.“ 175

Auffällig ist, dass der EuGH vorliegend anders als der US Supreme Court argumentiert: Während letzterer davon ausgeht, dass einer terroristischen Vereinigung letztlich jede Unterstützungsleistung in irgendeiner Weise zugute kommt, und sei es, weil dadurch andere Ressourcen frei werden, geht der EuGH davon 172 Diese Liste wurde zuletzt im März 2020 erneuert, vgl. https://www.consilium. europa.eu/de/press/press-releases/2020/01/13/eu-renews-its-terrorist-list-of-persons-andorganisations-subject-to-sanctions/ (zuletzt besucht am 10.8.2020). 173 EuGH, Urteil vom 29. April 2010, Rs. C-340/08 – The Queen/Her Majesty’s Treasury. 174 EuGH, Urteil vom 3. September 2008, Verb. Rs. C-402/05 P, C-415/05 P – Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Rn. 169. 175 EuGH, Urteil vom 29. April 2010, Rs. C-340/08 – The Queen/Her Majesty’s Treasury, Rn. 56.

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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aus, dass die Mittel tatsächlich für die Unterstützung terroristischer Tätigkeiten geeignet und nutzbar sein müssen.176 c) Deutschland In Deutschland ist die Unterstützung von Terrorismus zunächst nach § 129a Abs. 5 StGB strafbar. Umfasst ist logistische und finanzielle Förderung der Gruppe und jede Tätigkeit, durch die ein Nichtmitglied die innere Organisation und Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert.177 Diese im Ausgangspunkt weite Begriffsbestimmung des Unterstützens darf nach Ansicht des BGH aber nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Die vorausgesetzte Nützlichkeit für die Vereinigung muss anhand belegter Fakten nachgewiesen sein und darf sich nicht nur auf vermeintliche Erfahrungswerte oder allgemeine Vermutungen stützen.178 Insoweit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Arbeit humanitärer Organisationen als tatbestandsmäßig angesehen würde.179 d) Niederlande Auch in den Niederlanden ist zunächst die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung strafbar. Nach Art. 140a Abs. 3 Wetboek van Strafrecht (Niederländisches Strafgesetzbuch) ist die finanzielle oder andere Unterstützung strafbar, wenn diese den Grad einer Beteiligung erreicht. Subjektiv muss der Täter wissen, dass die Organisation terroristische Ziele verfolgt. Das niederländische Recht kennt keinen Ausnahmetatbestand für humanitäre Organisationen. Bisher gab es keine strafrechtliche Verfolgung einer solchen Organisation nach Maßgabe des Art. 140a.180 e) Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland Die Regelungen im Vereinigten Königreich gehen weiter. Finanzielle oder sonstige Unterstützung ist strafbar, der Tatbestand bezieht sich aber nicht auf eine 176 Vgl. auch Macintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures, 28. 177 BGH, Beschl. v. 11. 7. 2013 – AK 13 und 14/13, NStZ 2014, 210 (zitiert nach Beck-Online). 178 BGH, Beschl. v. 11. 7. 2013 – AK 13 und 14/13, NStZ 2014, 210, 211 (zitiert nach Beck-Online). 179 Daneben besteht eine Verpflichtung nach dem § 3 Abs. 2 Nr. 3 Geldwäschegesetz, die aber nur Banken, Finanzdienstleistungsinstitute, Finanzunternehmen und andere Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz und mithin keine humanitären Organisationen betrifft. 180 Macintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures, 32.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

terroristische Vereinigung, sondern auf einen terroristischen Akt. Subjektiv muss der Täter wissen oder zumindest einen hinreichend begründeten Verdacht haben, dass die Mittel für terroristische Zwecke verwendet werden oder einer terroristischen Vereinigung zugute kommen.181 Es gibt keine Ausnahmetatbestände für humanitäre Organisationen und bisher gab es keine strafrechtliche Verfolgung unter den genannten Tatbeständen.182 Im Jahr 2010 wurde der „Terrorist Asset Freezing Act“ verabschiedet, der das Finanzministerium ermächtigt, bestimmte Personen (aber nicht Gruppen) unabhängig von regionalen oder internationalen Entscheidungen als „Terroristen“ zu führen.183 Es ist verboten, gelisteten Personen wirtschaftliche oder finanzielle Mittel zukommen zu lassen. Der Handelnde muss in diesem Fall die finanziellen Mittel nicht in der Absicht zur Verfügung stellen, dass dadurch terroristische Aktivitäten gefördert werden. Insoweit können von dieser Regelung auch humanitäre Organisationen betroffen sein. Das Finanzministerium kann auf Antrag Ausnahmegenehmigungen in Form von Lizenzen erteilen,184 was wiederum, wie in den USA, ein weites politisch nutzbares Ermessen einräumt und unter Umständen verhindert, dass humanitäre Organisationen schnell tätig werden können. f) Australien In Australien gab es umfassende gesetzgeberische Tätigkeit zur Terrorismusbekämpfung. In Bezug auf die Beschränkungen, denen humanitäre Organisationen unterliegen, sind besonders die strafrechtlichen Regelungen des „Australia’s Criminal Code Act 1995“ relevant. Bei den australischen Regelungen ist auffällig, dass der subjektive Tatbestand wesentlich enger ausgelegt wird als in den USA. Stimmen in der Literatur halten eine strafrechtliche Verfolgung von humanitären Organisationen – anders als in den USA – für unwahrscheinlich.185 Teilweise sieht das australische Recht auch Ausnahmetatbestände für humanitäre Tätigkeiten vor.186 Diese Ausnahmen gelten jedoch nicht für alle rechtlichen Verpflichtungen: Beispielsweise betreffen zwei Vorschriften das Training und die Verbreitung von Wissen. Nach § 102.5 des Criminal Codes steht es unter Strafe, 181 182

Section 8 bis 17 Terrorism Act 2000. Macintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

39. 183

Terrorist Asset Freezing Act, 2010, Section 2. Terrorist Asset Freezing Act, 2010, Section 17. 185 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 248. 186 Nach Sec. 108 ist auch die Unterstützung einer terroristischen Organisation strafbar, allerdings nicht, wenn die Handlung ausschließlich humanitärer Natur ist, vgl. Criminal Code Australia Sec. 102.8: „Engages in conduct solely by way of, or for the purposes of, the provision of aid of a humanitarian nature.“ Unklar ist jedoch mangels Definition die Reichweite dieser Ausnahme, vgl. Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 244, 246. 184

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

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an einem Training mit einer Gruppe teilzunehmen, die als terroristische Vereinigung gelistet ist. Nach § 102.5 Criminal Code steht aber auch unter Strafe, eine solche Gruppe weiterzubilden. Eine Einschränkung betreffend des Inhalts des Trainings gibt es dabei nicht, sodass theoretisch auch solche Weiterbildungsmaßnahmen erfasst sein können, die rein humanitären Inhalt haben, wie beispielsweise die Verbreitung des humanitären Völkerrechts187 oder die Arbeit von Geneva Call. Wie auch die USA nimmt Australien eine extraterritoriale Geltung dieser Regelungen an und kann mit Zustimmung des Generalanwaltes auch Ausländer (also Nicht-Staatsangehörige) anklagen. Bisher ist ein solcher Fall jedoch noch nicht eingetreten.188 g) Zwischenergebnis Die Darstellung der Regelungen der verschiedenen ausgewählten Jurisdiktionen zeigt die Bandbreite an Bestimmungen, mit denen sich NGOs im Rahmen der internationalen und nationalen Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr auseinandersetzen müssen. Insgesamt haben nur wenige Staaten umfassende Ausnahmetatbestände für die Arbeit humanitärer Organisationen geschaffen. NGOs müssen folglich einerseits mit einer Vielzahl von verschiedenen Regelungen umgehen, die sich nicht nur im Hinblick auf die objektiven Anforderungen unterscheiden, sondern auch in Bezug auf die notwendigen subjektiven Kriterien. Gleichzeitig müssen sie ihre Tätigkeit gerade bezüglich der wenig klaren Ausnahmetatbestände in einer rechtlichen Grauzone vollziehen, in der auch eine strafrechtliche Ahndung ihrer Tätigkeiten zumindest möglich ist. III. Vertragliche Regelungen Neben den gesetzlichen Vorgaben verpflichten einige staatliche Zuwendungsgeber die humanitären NGOs, die bei ihnen Finanzmittel beantragen, in den Fördervereinbarungen zur Einhaltung bestimmter Regeln, die den Sicherheitsinteressen dienen sollen. Besonders die Fördervereinbarungen der Vereinigten Staaten, Kanadas, Australiens und Großbritanniens enthalten strenge Anforderungen, die im Folgenden kurz dargestellt werden. Andere Länder wie die Schweiz, Schweden oder Norwegen haben hingegen in ihren Verträgen keine besonderen dahingehenden Verpflichtungen.189

187 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 245, 250. 188 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 244, 245. Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor CounterTerrorism Measures, 24. 189 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 256.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen 1. Vertragliche Regelungen zur Terrorismusabwehr in US-amerikanischen Zuwendungsvereinbarungen

a) Klauseln in US-amerikanischen Fördervereinbarungen Die United States Agency for International Development (USAID) ist die zentrale Agentur für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in den USA und damit ein bedeutender Geldgeber für zahlreiche internationale humanitäre NGOs, die staatliche Unterstützung zur Umsetzung ihrer Programme benötigen. USAID hat die Möglichkeit, den NGOs ein bestimmtes Verhalten vertraglich aufzuerlegen: Nichtregierungsorganisationen müssen schon bei der Antragstellung bei USAID nachweisen, dass sie in den letzten zehn Jahren nicht mit einem Individuum oder einer Gruppe zusammengearbeitet haben, die als ausländische terroristische Vereinigung gelistet sind oder eine solche Gruppe unterstützt haben.190 Als relevante Person oder Gruppe gilt, wer auf der Liste des „US Treasury’s Office of Foreign Assets Control“ 191 oder einer eigenständigen Liste der USAID geführt wird.192 Humanitäre NGOs müssen sich in Fördervereinbarungen einer Vielzahl von Klauseln zur Terrorismusabwehr unterwerfen und eine Reihe von Versicherungen und Zertifizierungen unterzeichnen, um gefördert zu werden.193 Insbesondere fordert USAID von den NGOs als Zuwendungsempfänger, dass sie eine „Anti-Terrorism Certification“ (ATC) unterzeichnen, in denen sich die jeweiligen Organisationen verpflichten, keiner terroristischen Vereinigung oder Mitgliedern einer solchen Vereinigung „material support“ zu leisten. b) USAID Partner Vetting System Zuletzt haben USAID und das US Department of State ein sogenanntes koordiniertes „Partner Vetting System“ (PVS) ins Leben gerufen. USAID testet dieses Programm in fünf Ländern (Guatemala, Kenia, Libanon, Ukraine und die Philippinen). Bisher gibt es noch keine Entscheidung, dieses System weltweit einzuführen.194 Unter diesem System sind die Antragssteller verpflichtet, zahlreiche detaillierte persönliche Informationen über Personen in ihren Partnerorganisationen zu übermitteln.195 Diese Daten werden gespeichert und daraufhin untersucht, ob eine Beziehung zu gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigungen besteht. Zugang zu diesen Informationen haben auch andere staatliche

190

USAID, Guidelines, 2, Rn. 3. Abrufbar unter https://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/SDN-List/Pa ges/default.aspx (zuletzt besucht am 10.8.2020). 192 USAID, Guidelines, 3. 193 USAID, Guidelines, 6 f. 194 Vgl. https://www.usaid.gov/work-usaid/partner-vetting-system (zuletzt besucht am 10.8.2020). 195 CHE Project, Partner Vetting in Humanitarian Assistance, 4. 191

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Stellen,196 was zu einem erheblichen Misstrauen gegenüber und zwischen den Organisationen und teilweise auch zu einem abgeschwächten Antragsverhalten gegenüber USAID führt. So befürchten NGOs, dass diese neuen Prozesse zu tätlichen Angriffen auf die Organisationen und ihre Partner führen können.197 Die notwendige Informationsweitergabe kann nach außen schnell den Eindruck erwecken, dass die betroffenen Nichtregierungsorganisationen die politischen Ansichten der US-Regierung teilen und relevante Informationen an diese weitertragen. Dies kann das notwendige Vertrauensverhältnis mit der lokalen Bevölkerung nachhaltig beeinträchtigen.198 Die Datenübermittlung an sich kann unter Umständen auch schon gegen nationales Datenschutzrecht verstoßen. Nicht zuletzt wird das PVS aber von den humanitären NGOs kritisiert, weil es deren administrativen Aufwand deutlich erhöht und die Antragsstellung zu einem noch aufwendigeren und zeitintensiveren Prozess macht.199 So hat eine Untersuchung ergeben, dass die Bearbeitung und Zusammenstellung der abgefragten Informationen von mehreren Wochen bishin zu neun Monaten dauern kann.200 Von Organisationen, die Finanzierungsanträge für ihre Arbeit in Gaza, West Bank, Somalia, Afghanistan oder Jemen stellen, fordert USAID darüber hinaus weitere Sicherheitsüberprüfungen.201 Neben USAID haben das State Department202 und das Pentagon203 eigene Systeme zur Datenspeicherung und -überprüfung, die auch die humanitären NGOs betreffen können. Da allerdings die Anforderungen und Auswirkungen für die NGOs ähnlich sind und gleichzeitig die Bedeutung des Verfahrens durch USAID deutlich überwiegt, wird hierauf im Folgenden nicht weiter eingegangen.

196 Harvard Program on Humanitarian Policy and Conflict Research, Humanitarian Action under Scrutiny: Criminalizing Humanitarian Engagement, 23. 197 Van der Does de Willebois, Nonprofit Organization and the Combatting of Terrorism Financing, World Bank Working Paper Nr. 208, 21, 22. 198 „[T]hrough complying with national legislation, US organisations are seen as partners on the ground as endorsing very controversial and political views of the US government“, vgl. Charity and Security Network, The Impact that Counter-Terrorism Measures are Having on the Legitimate Operations, 5, Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action Public, 2. 199 CHE Project, Partner Vetting in Humanitarian Assistance, 15. 200 CHE Project, Partner Vetting in Humanitarian Assistance, 16. 201 CHE Project, Counterterrorism and Humanitarian Engagement in Somalia and Mali, 3. 202 „The State Department’s Bureau for Population, Refugees and Migration (BPRM) has primary responsibility within the US Government for formulating policies on population, refugees, and migration, as well as for administering U.S. refugee assistance and admissions programmes“, vgl. auch CHE Project, Partner Vetting in Humanitarian Assistance, 9. 203 Pentagon’s Synchronized Pre-deployment and Operational Tracker (SPOT), welches eine bessere Kontrolle und Organisation von privaten Vertragspartner in Afghanisten und Irak ermöglichen soll, vgl. dazu auch Margon, Unintended Roadblocks, 10.

216

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen 2. Klauseln in Zuwendungsvereinbarungen weiterer Staaten

a) Kanada In Kanada ist die Canada’s International Development Agency (CIDA) die zuständige Stelle, bei der internationale humanitäre Organisationen finanzielle Unterstützung beantragen können. Die Finanzierungsvereinbarungen mit NGOs enthalten den Passus, dass die Fördergelder nicht zugunsten von terroristischen Vereinigungen oder einzelnen Mitgliedern dieser Vereinigungen eingesetzt werden dürfen.204 Die humanitären NGOs werden auch verpflichtet, eine entsprechende Regelung in ihre eigenen Verträge mit ausführenden Organisationen aufzunehmen.205 b) Australien In Australien verlangt die AusAid (Australian Agency for International Development), die auch für die Verteilung von Mitteln im Bereich der humanitären Hilfe zuständig ist, dass die NGOs sich vertraglich verpflichten, keine direkte oder indirekte Unterstützung an terroristische Vereinigungen zu leisten. Sie müssen gewährleisten, dass die Personen, die für die betreffende NGO arbeiten und die Programme umsetzen, nicht mit terroristischen Vereinigungen in Verbindung stehen.206 Die NGOs verpflichten sich zudem, die AusAid umgehend zu informieren, sobald und soweit sie Informationen über eine mögliche Verbindung von Individuen oder Gruppen zu gelisteten terroristischen Vereinigungen erhalten. Schon aus diesem Grund beziehen beispielsweise MSF keine Unterstützung von AusAID.207 c) Vereinigtes Königreich Im Vereinigten Königreich bezieht das Department for International Development (DFID) Klauseln in ihre Finanzierungsvereinbarungen ein, um sicherzustellen, dass Organisationen keine terroristische Vereinigung, die sich auf einer relevanten List findet, unterstützen. Die Standardklausel lautet wie folgt: „The (name of grant recipient) and DFID are committed to taking appropriate steps to ensure that funds provided by the United Kingdom Government are not used to provide assistance to, or otherwise support, terrorists or terrorist organizations. No such funds, other financial assets and economic resources will be made available, directly or indirectly, to, or for the benefit of, a natural or legal person, group or entity associated with terrorism consistent with relevant United Nations resolutions, 204

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

51. 205

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

51. 206

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

48. 207 Mackintosh, Holder v. Humanitarian Law Project, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 1, 10.

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European Union measures and other international standards, such as those of the Financial Action Task Force, relating to counter terrorism in particular the financing of terrorism.“ 208

Ob solche Klauseln in eine Finanzierungsvereinbarung aufgenommen werden, entscheidet das DFID je nach Umstand.209 Die NGOs müssen in ihrer operativen Planung darstellen, dass sie einen bestimmten Sorgfaltsmaßstab einhalten und ein effizientes Risikomanagement haben. In bestimmten Situationen und Gefahrenlagen arbeitet das DFID dann vorzugsweise mit Partnern, von denen sie bereits wissen, dass diese solche effektiven Systeme haben und nutzen.210 d) EU Auf der Ebene der EU ist die Generaldirektion für Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) für humanitäre Hilfe zuständig. In den Finanzierungsvereinbarungen sind, wie auch in Deutschland und den Niederlanden, keine Klauseln enthalten, die sich auf Terrorismusabwehr beziehen. Sie beinhalten aber die Verpflichtung, dass die Organisationen, die die Zuwendung erhalten, im Einklang mit Völkerrecht, dem nationalen Recht des Empfangstaats sowie den humanitären Prinzipien handeln müssen. Die Organisationen werden auch nicht verpflichtet, Sicherheitsprüfungen durchzuführen oder Informationen über die Begünstigten weiterzureichen.211 IV. (Tatsächliche) Auswirkungen auf die Nichtregierungsorganisationen 1. Auswirkungen der US-amerikanischen „material-support“-Regelungen

Neben den völkerrechtlichen und im Ergebnis auch verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die US-amerikanische „material support“-Gesetzgebung, haben die dargestellten Regelungen auch tatsächliche Auswirkungen auf die Arbeit der NGOs. Betroffen ist zunächst das Recht neutraler und unabhängiger humanitärer Organisationen nach dem gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen den Konfliktparteien ihre Dienste anzubieten.212 Faktisch fällt sowohl das Erbringen direkter 208

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

62. 209

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62. 210

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

62. 211

Mackintosh/Duplat, Study of the Impact of Donor Counter-Terrorism Measures,

55. 212 Vgl. dazu auch Harvard Program on Humanitarian Policy and Conflict Research, Humanitarian Action under Scrutiny: Criminalizing Humanitarian Engagement, 8; Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action, 6, 7.

218

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

humanitärer Hilfe als auch das Aushandeln von Zugang zu den betroffenen Gebieten sowie die Ausbildung und Vertragsverhandlungen wie beispielsweise Geneva Call sie betreibt, unter den Tatbestand des § 2339B. Ebenso davon betroffen sind Friedensverhandlungen und der Versuch, nach einem Konflikt Aussöhnungsprozesse voranzutreiben.213 Humanitäre Organisationen könnten durch die Gesetzgebung veranlasst werden, Parteien, die auf der Liste des Secretary of State stehen, keine Hilfe mehr zu leisten oder diese nicht mehr in die Verhandlungen einzubeziehen. Dies wäre ein starker Rückschlag für die Prinzipien der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität214 solcher Organisationen, welche unabdingbare Voraussetzung ihrer Tätigkeit vor Ort sind.215 Besonders schwer wiegt dabei die extraterritoriale Anwendung, sodass auch ausländische Nichtregierungsorganisationen und deren Mitarbeiter betroffen sind. Daneben können wirtschaftliche Sanktionen verhängt werden, da die agierenden Nichtregierungsorganisationen durch die „Executive Order“ auch vom Einfrieren der Konten betroffen sein können. Darüber hinaus kann sich die strikte Kontrolle und Informationsbeschaffung wie durch das „Partner Vetting System“ von USAID nachteilig auf die Nichtregierungsorganisationen auswirken und lokale Partner davon abhalten, mit den NGOs überhaupt zusammenzuarbeiten. Weiterhin müssen die Nichtregierungsorganisationen mit weniger Spenden auskommen. Unter der präsidialen Verfügung ist es nämlich auch verboten, dass US-Bürger an die bezeichneten Vereinigungen Geld spenden, auch wenn diese nur humanitäre Hilfe leisten. Zwar können Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, für US-Bürger ist es allerdings schwierig, dies nachzuvollziehen und öffentliche Informationen darüber zu erhalten, welche Organisation unter die Ausnahmeregel fällt.216 Dies kann bei den US-Bürgern generell zu einer größeren Zurückhaltung führen, die gerade im Bereich der nicht-staatlichen bewaffneten Konflikte zur Hilfeleistung dringend benötigten Mittel zu spenden.217 In der Praxis hat sich dies bereits besonders gegenüber islamischen Gruppierungen gezeigt und zu starken Einschränkungen lokaler Nichtregierungsorganisationen zum Beispiel in den Palästinensischen Autonomiegebieten oder Pakistan geführt.218 Insgesamt zeigte sich trotz steigender Bedürfnisse eine größere Zurückhaltung,

213

Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action, 6, 7. Humanitarian Policy Group, Counter-terrorism and Humanitarian Action, 6, 7. 215 Vgl. dazu S. 241 ff. 216 Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 635. 217 Charity and Security Network, Dilemma for US NGOs, 19 f. 218 Pantuliano/Mackintosh/Elhawary, Counter-terrorism and humanitarian action, 7, führt das Beispiel an, dass kleinere NGOs den Betrieb von Waisenhäusern mangels weiteren Finanzierungsmöglichkeiten einstellen mussten. 214

Kap. 5: Rechtliche Voraussetzungen für das Tätigwerden

219

gerade kleinere Vereinigungen finanziell zu unterstützen.219 Die finanziellen Schwierigkeiten vieler humanitärer NGOs werden zudem dadurch vergrößert, dass sie aufgrund der „material support“-Gesetzgebung die Finanzierungshilfen durch die größte staatliche Organisation USAID verlieren können, wenn sie bei Antragsstellung nicht nachweisen können, dass sie keinen „material support“ für eine als terroristische Vereinigungen gelistete Gruppe geleistet haben.220 Damit scheiden viele NGOs, die in einem neutralen Bereich mit den einzelnen Gruppen zusammengearbeitet haben, aus der Förderung aus. 2. Weitere Auswirkungen der weltweiten Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr

Auch die Regelungen anderer Jurisdiktionen können dazu führen, dass die humanitären NGOs zurückhaltender agieren. Gerade das Beispiel Australiens zeigt, dass nicht nur in den USA tatsächliche Hindernisse bestehen, die die humanitären NGOs bei ihren Tätigkeiten einschränken. Sie müssen sich fragen, mit wem sie zusammenarbeiten, ob sie Schulungen anbieten und in welchem Umfang sie in bestimmten Gegenden humanitäre Hilfe leisten können. Dies könnte langfristig dazu führen, dass jede Art des Dialoges zu bewaffneten nicht-staatlichen Akteuren unterbunden wird, unabhängig davon, ob es dabei um den Zugang zu Opfern nicht-staatlicher bewaffneter Konflikte, Informationsweitergabe über die Rechte und Pflichten nach dem humanitären Völkerrecht oder die Durchführung gezielter humanitärer Hilfe geht. Wie aber zuvor festgestellt, ist gerade dieser Dialog besonders wichtig, die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zur Rechtsbefolgung zu bewegen. Insgesamt unterliegen die NGOs durch die Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr, aber auch durch Gesetze zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche deutlich erhöhten administrativen Pflichten. Dies geht einher mit gestiegenen Nachweispflichten den Zuwendungsgebern, aber auch den Empfangsstaaten gegenüber. Schon die Vielzahl unterschiedlicher Terror-Listen, die die NGOs bei ihrer Arbeit berücksichtigen müssen, bedeutet einen erheblichen zeitlichen und administrativen Aufwand.221 Teilweise beschäftigen internationale NGOs mehrere Mitarbeiter nur dafür, dass diese die Einhaltung der zahlreichen Verpflichtungen sicherstellen.222 Besonders kleinere NGOs haben häufig weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen um die Einhaltung der diversen Verpflichtungen sicherzustellen.

219 Vgl. auch Pantuliano/Mackintosh/Elhawary, Counter-terrorism and humanitarian action, 7. 220 USAID, Guidelines, 2, Rn. 3. 221 Margon, Unintended Roadblocks, 15. 222 IRIN, NGOs in the Anti-Terror Trap; Margon, Unintended Roadblocks, 16.

220

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Die Vielzahl der Verpflichtungen kann dazu führen, dass NGOs nur von ausgewählten Zuwendungsgebern Finanzmittel beantragen, da sie nicht allen Vorschriften nachkommen können.223 Weitere Ressourcen der NGOs müssen dazu verwendet werden, in den betreffenden Ländern beispielsweise die notwendigen Lizenzen zu erlangen, um überhaupt in bestimmten Gegenden tätig zu werden. Durch wachsende Sicherheitsanforderungen und -überprüfungen werden auch die Antragsphasen länger. Dabei müssen aber gerade humanitäre NGOs bei der Erbringung humanitärer Hilfe schnell und auch innerhalb von Konfliktzonen möglichst effektiv handeln.224 Gleichzeitig können humanitäre Organisationen weltweit Probleme durch Finanzinstitute oder Banken bekommen, die ihre Konten nicht länger führen wollen. Diese Institute sind ebenfalls an die Maßnahmen zur Terrorismusabwehr gebunden und wollen daher nicht mit NGOs zusammenarbeiten, die in Gebieten wie Somalia tätig sind und dadurch in jedem Fall in Kontakt zu gelisteten Gruppen kommen. Die Analyse zeigt aber auch, dass es bisher in wenigen Fällen tatsächlich eine (strafrechtliche) Verfolgung von humanitären Organisationen gab. Vielmehr besteht eine Situation, in der ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten in der Praxis toleriert wird.225 Dieser Zustand bietet jedoch keine Rechtssicherheit für die humanitären NGOs und kann nicht verhindern, dass diese möglicherweise ihre Arbeit einschränken.

223

IRIN, NGOs in the Anti-Terror Trap. Burniske/Lewis/Modizareh, Suppressing Foreign Terrorist Fighters and Supporting Principled Humanitarian Action, 39; CHE-Project, An Analysis of Contemporary Anti-Diversion Policies and Practices of Humanitarian Organizations, 36. 225 IRIN, NGOs in the Anti-Terror Trap; CHE-Project, An Analysis of Contemporary Anti-Diversion Policies and Practices of Humanitarian Organizations, 23. 224

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

221

Kapitel 6

Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime für humanitäre Nichtregierungsorganisationen A. Humanitäre Prinzipien Neben den Vorgaben des nationalen und internationalen Rechts sind humanitäre NGOs bei ihrer Arbeit bestimmten humanitären, aber auch ethischen226 Prinzipien verpflichtet. Diese geben den Rahmen ihrer Tätigkeit und ihres Handelns vor. So wird beispielsweise die Arbeit des IKRK und der nationalen Rotkreuzund Rothalbmondgesellschaften von den sieben Prinzipien Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Universalität, Freiwilligkeit und Einheit geleitet.227 Dabei sind die sich gegenseitig bedingenden Prinzipien Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit die wesentlichen Prinzipien der humanitären Arbeit. Daher sind deren inhaltliche Ausgestaltung und rechtliche Grundlage für die Gewährleistung in der täglichen Arbeit der NGOs bei der Verbreitung des Rechts als auch bei der direkten humanitären Hilfe besonders relevant. I. Inhalt der Prinzipien Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 1. Neutralität

Neutralität bedeutet grundsätzlich, dass die humanitären Organisationen sich zu jeder Zeit der Teilnahme an Feindseligkeiten wie auch der politischen, rassischen, religiösen oder ideologischen Auseinandersetzungen enthalten. Teilweise wird gefordert, dass sich ein humanitärer Akteur nicht nur objektiv neutral verhalten müsse, sondern dies auch in dem Bewusstsein tun müsse, neutral zu sein.228 Dieses subjektive Kriterium liegt bei humanitären Organisationen regelmäßig vor, da diese den Grundsatz der Neutralität in ihren Satzungen oder Grundprinzipien manifestiert und öffentlich gemacht haben. Objektiv bedeutet Neutralität aber auch, dass humanitäre Organisationen von jedwedem Verhalten, das von einer Konfliktpartei als Angriff zu ihren Lasten gesehen werden kann, Abstand nehmen.229 Dies bedeutet, dass die Organisation 226 Schweizer, Moral dilemmas for humanitarism in the era of „humanitarian“ military intervention, 86 IRRC 2004, 547 ff. 227 Zur deutschen Formulierung der Prinzipien vgl. DRK, Die Grundsätze des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes, http://www.drk.de/ueber-uns/auftrag/grundsaetze. html (zuletzt besucht am 28.9.2020). 228 Swinarski, La notion d’un organisme neutre et le droit international, in: Swinarski, Etudes et essais sur le droit international humanitaire, 819, 829. 229 Plattner, ICRC neutrality and neutrality in humanitarian assistance, 36 IRRC 1996, 161 ff.; Slim, Relief Agencies and moral standing in war, 7 Development in practice 1997, 342, 347; Macak, A matter of principle(s), 97 IRRC 2016, 157, 161.

222

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

stets Zurückhaltung üben und sich der Einmischung in Auseinandersetzungen zu enthalten hat. Dadurch kann strikte Neutralität in der Konflikwirklichkeit dazu beitragen, den Dialog mit den Konfliktparteien zu vereinfachen und dadurch die Kooperation zu ermöglichen.230 Der Grundsatz beinhaltet die Verpflichtung zur militärischen und ideologischen Neutralität. Durch neutrales Verhalten erkennen die Konfliktparteien an, dass eine humanitäre Organisation keine der Parteien oder der verfolgten Ideologien bevorzugt.231 Daneben sollten die humanitären Akteure gewährleisten, dass Hilfe nicht durch die Konfliktparteien zu ihren Gunsten missbraucht wird.232 Unter den humanitären Organisationen gehen die Ansichten über Neutralität als Grundprinzip auseinander: Vom IKRK wird der Grundsatz der Neutralität dahingehend interpretiert, dass keine öffentliche Positionierung über den Konflikt oder die Konfliktparteien abgegeben wird.233 Dies wird auch operationale oder politische Neutralität genannt,234 was für das IKRK unabdingbare Voraussetzung des Tätigwerdens ist.235 Für andere humanitäre Organisationen hingegen ist dies zu weitgehend, auch aufgrund der zu unpolitischen Haltung im Hinblick auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen.236 Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) sehen keinen Widerspruch darin, sich bei einem Verstoß gegen Menschenrechte in einem Konflikt zu positionieren und dennoch unterschiedslos und damit unparteiisch zu wirken.237 Dieses abweichende Verständnis des Begriffes der Neutralität führte letztlich zur Gründung der Organisation MSF. Die Gruppe um den französischen Arzt Kouchner proklamierte im Hinblick auf schwerste Menschenrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten das „Recht auf Einmischung“ 238: Dies sollte humanitäre Hilfe ermöglichen, obwohl die humanitäre Gruppe nicht auf das Recht verzich230

Bernard, The Humanitarian Ethos in Action, 97 IRRC 2016, 7, 9. Labbé/Daudin, Applying the humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 183, 187 f. 232 Plattner, ICRC neutrality and neutrality in humanitarian assistance, 36 IRRC 1996, 161, 164. 233 Peterke, Der völkerrechtliche Sonderstatus der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, 19; Meurant, Principes fondamentaux de la Croix-Rouge, in: Swinarski, Etudes et essais sur le droit international humanitaire, 893, 899; Plattner, ICRC neutrality and neutrality in humanitarian assistance, 36 IRRC 1996, 161, 165. 234 Schade, Neutralität humanitärer NGOs in Kriegs- und Nachkriegssituationen, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 179, 183 f. 235 Peterke, Der völkerrechtliche Sonderstatus der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, 19; Slim, Relief Agencies and moral standing in war, 7 Development in practice 1997, 348. 236 Heintze/Lülf, Non-State Actors unter International Humanitarian Law, in: Noortmann/Reinisch/Ryngaert, Non-State Actors in Internationale Law, 97, 107. 237 Slim, Relief Agencies and moral standing in war, 7 Development in practice 1997, 342, 348. 231

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

223

ten wollte, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gleich durch welche Konfliktpartei anzuprangern.239 Später erklärte der ehemalige Präsident von MSF Philippe Biberson folgendes: „If we are not sure that words can save, we do know that silence kills.“ 240

Dem IKRK wird in diesem Zusammenhang teilweise vorgeworfen, stets schweigend und passiv zu agieren.241 Nichtsdestotrotz führt unter anderem die konsequente Einhaltung der Prinzipien und der Arbeitsweise der stillen oder diskreten Diplomatie242 durch das IKRK dazu, dass die Organisation häufig von allen Konfliktparteien akzeptiert wird und dadurch Zivilisten in Konfliktgebieten erreichen kann. 243 Aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses verzichten einige Organisationen ganz darauf, das Prinzip der Neutralität zu ihrer tragenden Grundlage zu machen. Wieder andere beziehen sich darauf, verstehen jedoch lediglich, dass sie unterschiedslos Hilfe leisten und keine Partei bevorzugen.244 2. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit

Unparteilichkeit im Verständnis des IKRK bedeutet auch Unterschiedslosigkeit. Die Hilfsorganisation unterscheidet nicht nach Nationalität, Rasse, Religion, sozialer Stellung oder politischer Überzeugung. Sie ist einzig darum bemüht, den Menschen nach dem Maß ihrer Not zu helfen und dabei den dringendsten Fällen Vorrang zu geben.245 Hilfe wird danach unterschiedslos an die Bedürfnisse angepasst geleistet.246 Voraussetzung für ein unparteiisches Handeln ist auch die Unabhängigkeit der humanitären Organisation von externen Akteuren. Nach dem Grundsatz der Unabhängigkeit muss die Organisation, auch wenn sie nationalem Recht unterwor238 Debiel/Sticht, (Ohn-)Mächtige Samariter, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 165, 169. 239 Slim, Relief Agencies and moral standing in war, 7 Development in practice 1997, 342, 348. 240 Fox, Conditioning the Right to Humanitarian Aid?, in: Chandler, Rethinking Human Rights, 19, 26. 241 Harroff-Tavel, Neutrality and Impartiality, 29 IRRC 1989, 536, 540. 242 Gordon/Donini, Romancing principles and human rights: 97 IRRC 2016, 77, 94, 97. 243 Swinarski, La notion d’un organisme neutre et le droit international, in: Christophe Swinarski, Etudes et essais sur le droit international humanitaire, 819, 823. 244 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack in Iraq, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 5. 245 Vgl. http://www.drk.de/ueber-uns/auftrag/grundsaetze.html (zuletzt besucht am 28.9.2020). 246 Vgl. UNICEF, Core Commitments for Children in Humanitarian Action, Humanitarian Principles, 6.

224

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

fen ist, eigenständig handeln können. Sie muss gerade selbstständig ohne äußere Einflüsse ihre Ziele formulieren und verfolgen können.247 Unabhängigkeit bedeutet auch, dass eine humanitäre Organisation ihre Entscheidungen ohne fremden Einfluss und an die Bedürfnisse der Konfliktwirklichkeit angepasst treffen kann.248 Insgesamt fällt auf, dass verschiedenen Prinzipien ähnliche Inhalte abdecken. Daher wird auch vertreten, dass sie sich alle gegenseitig bedingen und eine humanitäre Organisation nicht unparteiisch handeln kann, wenn sie nicht unabhängig und neutral ist und umgekehrt. II. Rechtliche Verwurzelung der Prinzipien 1. Innenrecht der Organisationen

Die humanitären Prinzipien haben zunächst einmal im Innenrecht der Organisationen Niederschlag gefunden. Die sieben Grundprinzipien des IKRK und der nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften wurden beispielsweise von der Internationalen Rotkreuzkonferenz 1965 in Wien proklamiert249 und sind in den Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung enthalten: Die Internationale Konferenz des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds verkündet, daß die Nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften zusammen eine weltweite humanitäre Bewegung bilden. Ihre Mission ist, menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern; Leben und Gesundheit zu schützen und der Menschenwürde Achtung zu verschaffen, vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte und sonstiger Notlagen; Krankheiten vorzubeugen und zur Förderung der Gesundheit und der sozialen Wohlfahrt zu wirken; die freiwillige Hilfe und die ständige Einsatzbereitschaft der Mitglieder der Bewegung zu stärken sowie ein universales Solidaritätsbewußtsein mit allen, die ihres Schutzes und ihrer Hilfe bedürfen, zu wecken und zu festigen; bestätigt erneut, daß sich die Bewegung bei der Erfüllung ihrer Mission von folgenden Grundsätzen leiten läßt: Menschlichkeit [. . .]; Unparteilichkeit [. . .]; Neutralität [. . .]; Unabhängigkeit [. . .]; Freiwilligkeit [. . .]; 247 Vgl. auch http://www.drk.de/ueber-uns/auftrag/grundsaetze.html (zuletzt besucht am 28.9.2020). 248 Labbé/Daudin, Applying the humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 183, 187 f. 249 Slim, Relief Agencies and moral standing in war, 7 Development in practice 1997, 342.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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Einheit [. . .]; Universalität [. . .].250

Bei MSF finden sich die Grundsätze in einer Charta wieder. Diese ist zum Beispiel in Deutschland gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung in diese mit einbezogen und lauten wie folgt: Ärzte ohne Grenzen hilft Menschen in Not, Opfern von natürlich verursachten oder von Menschen geschaffenen Katastrophen sowie von bewaffneten Konflikten, ohne Diskriminierung und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung. Im Namen der universellen medizinischen Ethik und des Rechts auf humanitäre Hilfe arbeitet Ärzte ohne Grenzen neutral und unparteiisch und fordert völlige und ungehinderte Freiheit bei der Ausübung seiner Tätigkeit. Die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen verpflichten sich, die ethischen Grundsätze ihres Berufsstandes zu respektieren und völlige Unabhängigkeit von jeglicher politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Macht zu bewahren.251

Auch Geneva Call folgt den Prinzipien der Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit. Sie bekennen sich öffentlich252 dazu, auch wenn sie in den Gründungsstatuten keinen Niederschlag gefunden haben. Verbindlich sind die Grundsätze auch in dem Code of Conduct für das Rote Kreuz und andere Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe253 niedergeschrieben, auf den sich verschiedene NGOs weltweit geeignigt haben, um einen gemeinsamen Verhaltensrahmen für ihr Handeln zu bestimmen. Aufgrund des beschriebenen unterschiedlichen Verständnisses des Grundsatzes der Neutralität ist dieser nicht darin enthalten.254 Diesen Verhaltensregeln hat sich mittlerweile eine Vielzahl humanitärer Organisationen unterworfen. Durch diese Selbstverpflichtung bemühen sich die unterzeichnenden Organisationen seit 1994 die Standards und Erwartungen in der humanitären Katastrophenhilfe aufrechtzuerhalten. Im Laufe der Zeit wurden die Prinzipien auch durch andere Projekte bestätigt: Das Sphere Project255, der European Consensus on Humanitarian Aid256 250

Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Präambel. Ärzte ohne Grenzen, Charta. 252 Vgl. bspw. Geneva Call, Perceptions of Armed Non-State Actors on Humanitarian Action, 4. 253 Vgl. dazu auch S. 270 ff. 254 Wynn-Pope/Zegenhagen/Kurnadi, Legislating against humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 235, 241. 255 Sphere Project ist eine Initiative zur Sicherung humanitärer Mindesstandards. Vgl. http://www.sphereproject.org/about/ (zuletzt besucht am 10.8.2020). Vgl. zur Entwicklung des Sphere Project seit 1997 Nadig, The Sphere Project: taking stock, 53 Humanitarian Practice Network 2012, 30 ff. 256 Vgl. dazu http://ec.europa.eu/echo/who/humanitarian-aid-and-civil-protection/ european-consensus_en (zuletzt besucht am 10.8.2020). 251

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

und die Prinzipien der Good Humanitarian Donorship257 wiederholen und anerkennen die Prinzipien. Zuletzt wurden die Prinzipien im Jahre 2014 erneut durch die Joint Standards Initiative bestätigt. Dieser Zusammenschluss von Sphere und sechs weiteren Initiativen hat es sich zum Ziel gesetzt, trotz der stetig wachsenden Zahl an Akteuren und Initiativen eine gemeinsame Basis für die humanitäre Arbeit zu formulieren.258 Darin wurde auch das Prinzip der Neutralität wieder als zentrales Prinzip anerkannt. Letztlich hat aber die Selbstverpflichtung im Außenverhältnis keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Auch bestehen gegenüber den NGOs, die sich den Prinzipien verpflichtet haben, keine Durchsetzungsmöglichkeiten. 2. Anerkennung der Prinzipien auf internationaler Ebene

Die eingangs genannten humanitären Prinzipien gelten grundsätzlich universal. Sie wurden 1965 auf der Rotkreuz-Konferenz verabschiedet und in diesem Rahmen eben nicht nur von den Rotkreuz-Organisationen, sondern auch von den Staaten anerkannt.259 Sie gehen jedoch im Wesentlichen auf westliche Traditionen zurück, da bisher auch ein Großteil der humanitären Hilfe durch westlich geprägte Organisationen wie das IKRK, Oxfam oder MSF geleistet wurde. In anderen Staaten sind teilweise andere Schwerpunkte wichtig, beispielsweise ist die Unabhängigkeit vom Staat in China kein relevantes Kriterium.260 Die EU hat in Art. 214 AEUV bestätigt, dass humanitäre Hilfe im Einklang mit den Prinzipien Unparteilichkeit, der Neutralität und der Nicht-Diskriminierung geleistet werden soll. Zunehmend wird in Frage gestellt, ob die Prinzipien heute noch der Konfliktwirklichkeit entsprechen und ob Neutralität und Unparteilichkeit auch in asymmetrischen Konflikten gewahrt werden können.261 Sie bilden aber (noch) die Handlungsmaxime der NGOs und auch auf der Ebene der Vereinten Nationen Grundlage für humanitäres Handeln. Dies zeigt bereits die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 46/182 (1991) vom 19. Dezember 1991 zur humanitären Hilfe.262 Darin heißt es im Annex:

257

Vgl. dazu auch S. 270 ff. https://spherestandards.org/humanitarian-standards/standards-partnership/ (zuletzt besucht am 10.8.2020). 259 Charity and Security Network, Dilemma for US NGOs, 4. 260 Gordon/Donini, Romancing principles and human rights: 97 IRRC 2016, 77, 101. 261 Nan, New Humanitarianism with Old Problems, Journal of Humanitarian Assistance 10/2010, 1 ff.; Fiori, The Discourse of Western Humanitarianism, Humanitarian Affairs Think Tank, 1 ff.; Gordon/Donini, Romancing principles and human rights, 97 IRRC 2016, 77, 88. 262 Slim, Relief Agencies and Moral Standing in War, 7 Development in Practice 1997, 342, 343 f. 258

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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„Humanitarian assistance must be provided in accordance with the principles of humanity, neutrality and impartiality“.263

Dies wurde in der Resolution der Generalversammlung 58/114 vom 17. Dezember 2003 bestätigt.264 Die Vereinten Nationen beziehen sich auch bei der Durchführung von humanitärer Hilfe auf die Prinzipien: So wurden die Prinzipien auch in die Ground Rules 1995 im Sudan aufgenommen und stellten die internen Standards für die NGOs und die Vereinten Nationen dar, die an der Operation Lifeline Sudan beteiligt waren. Sie verpflichteten die NGOs zu Neutralität, Koordination und Zusammenarbeit.265 Die Prinzipien finden sich auch bei Kooperationen von NGOs und den Vereinten Nationen im Rahmen der „Joint Policy for Operations“ in Liberia und dem „Strategic Framework“ in Afghanistan.266 Die Bedeutung der Prinzipien ist damit durch Wiederholung in zahlreichen internationalen bindenden und nicht bindenden Quellen deutlich gestiegen.267 Schon in seinem Nicaragua-Urteil 1986 bezieht sich auch der IGH auf die humanitären Prinzipien und stellt fest, dass die humanitäre Unterstützung grundsätzlich nicht gegen das internationale Recht verstoße, wenn sie im Einklang mit den Prinzipien der Menschlichkeit und Unparteilichkeit geleistet wird, wie sie auf der 20. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes erklärt wurden.268 3. Genfer Konventionen

Nicht nur im Innenrecht der Organisationen und Verhaltensmaßgaben der Vereinten Nationen haben die Prinzipien Niederschlag gefunden. In den Genfer Konventionen ist die Arbeit der humanitären Organisationen wesentlicher Bestandteil. Während bereits die erste Genfer Konvention von 1864 die Regelung enthielt, dass die Krankenversorgung sich neutral verhalten muss,269 wird in den Genfer Konventionen von 1949 und ihren Zusatzprotokollen an verschieden Stellen auf humanitäre Organisationen wie die Gesellschaften des Roten Kreuzes verwiesen. Der gemeinsame Art. 3 Abs. 3 Genfer Konventionen enthält in seinem Absatz 2 die Regelung, dass eine unparteiische humanitäre Organisation, 263

UN Doc. A/Res/46/182 vom 19. Dezember 1991. UN Doc. A/Res/58/114 vom 17. Dezember 2003. 265 Matthes, Was bringen ausgehandelte humanitäre Grundregeln mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen?, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 215, 236. 266 Gordon/Donini, Romancing principles and human rights, 97 IRRC 2016, 77, 79. 267 Macak, Principles of Neutrality and Impartiality, in: Zwitter/Lamont u. a., Humanitarian Action, 447, 449. 268 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, 124, 125, Rn. 242; Macak, A matter of principle(s), 97 IRRC 2016, 157, 163. 269 Swinarski, La notion d’un organisme neutre et le droit international, in: Swinarski, Etudes et essais sur le droit international humanitaire, 819, 821. 264

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, den am Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste anbieten kann. Gleiches ist auch in Art. 18 Absatz 2 Zweites Zusatzprotokoll geregelt: Erleidet die Zivilbevölkerung übermässige Entbehrungen infolge eines Mangels an lebensnotwendigen Versorgungsgütern wie Lebensmitteln und Sanitätsmaterial, so sind mit Zustimmung der betroffenen Hohen Vertragspartei Hilfsaktionen rein humanitärer unparteiischer Art zugunsten der Zivilbevölkerung ohne jede nachteilige Unterscheidung durchzuführen.

Nach Absatz 1 können die im Hoheitsgebiet der Vertragspartei gelegenen Hilfsgesellschaften wie die Organisationen des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) ihre Dienste anbieten. Dies bedeutet also, dass die Genfer Konventionen auch für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die Teilnahme von humanitären Organisationen wie dem IKRK und seinen nationalen Gesellschaften anerkennen. Die Hilfe muss unparteiisch geleistet werden. Gleiches gilt im internationalen bewaffneten Konflikt. Wiederum ist allerdings im Zusammenhang mit humanitären Organisationen nur von Unparteilichkeit die Rede.270 Anderweitige Voraussetzungen wie Neutralität und Unabhängigkeit werden nicht genannt.271 Ob darüber hinaus in den Genfer Konventionen ein Verweis auf die grundlegenden Prinzipien zu sehen ist, ist unklar: Grundsätzlich verweisen die Genfer Konventionen nämlich immer auf eine humanitäre Organisation wie das IKRK. Dies könnte so ausgelegt werden werden, dass alle im Bereich der Konventionen tätigen Organisationen die gleichen Ziele und Werte verfolgen müssen wie das IKRK und dieses als Idealtyp einer humanitären Organisation gilt. Dies geht jedoch bereits über den Wortlaut hinaus, der im Hinblick auf das IKRK nur von einer unparteiischen Organisation spricht und die anderen Grundsätze außen vor lässt. Die tatsächliche Ausgestaltung derselben ist erst durch die Arbeit des IKRK und der nationalen Gesellschaften geboren. Dafür spricht auch, dass die Prinzipien erst 1965 durch die Versammlung der Roten Kreuz und Roten Halbmondgesellschaften aufgenommen wurden. Der Verweis auf das IKRK begründet sich daher aus dessen besonderen Rolle als Völkerrechtssubjekt einerseits, und andererseits aus der Tatsache, dass bei Abschluss der Genfer Konventionen die Anzahl der humanitären Nichtregierungsorganisationen wesentlich geringer war als heute. Tätigkeitsvoraussetzung für die humanitären Organisationen aus den Genfer Konventionen ist damit allein das unparteiische Vorgehen. Letztlich bedingen sich die drei genannten Prinzipien, zumindest aber Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, gegenseitig, sodass auch diese verschiedenen Prinzipien im Folgenden als relevant angesehen werden.

270 271

Vgl. beispielsweise Art. 9 der Genfer Konventionen I–III. Vgl. dazu Art. 11 Genfer Konvention IV.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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B. (Nicht-)Gewährleistung der Prinzipien Trotz der Bedeutung der humanitären Prinzipien in der tatsächlichen Arbeit der humanitären Organisationen gibt es verschiedene Hindernisse, denen die humanitären NGOs bei ihrer täglichen Arbeit begegnen, und die die Wahrung der Prinzipien bisweilen unmöglich machen. In einigen Fällen missbrauchen NGOs selbst die humanitären Prinzipien, indem sie einseitig Partei ergreifen oder sich ausnutzen lassen. Beispielsweise wird der NGO Norwegian People’s Aid vorgeworfen, im Rahmen ihrer Tätigkeit unter dem Schirm von OLS eng mit der SPLM/A zusammengearbeitet und für diese einseitig Waffenlieferungen durchgeführt zu haben.272 In der Regel legen die NGOs aber besonderen Wert darauf, die genannten Prinzipien einzuhalten, da dies ihre Arbeit ingesamt erleichtert und für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter relevant ist. Die Instrumentalisierung der humanitären Hilfe durch das (westliche) Militär, die Vermischung von humanitären und Entwicklungszielen und eine generelle Aufweichung der Grenzen zwischen politischen, militärischen und humanitären Zielen273 können dazu führen, dass die NGOs nicht ausschließlich an den Prinzipien orientiert handeln können. Eine enge Zusammenarbeit der NGOs mit den Staaten kann die Einhaltung der Prinzipien durch die NGOs erschweren: Dies kann sich einerseits direkt aus der Zusammenarbeit ergeben, andererseits aus der finanziellen Abhängigkeit der NGOs von Staaten, welche finanziell die Hauptlast der humanitären Hilfe tragen. Besonders in Konflikten, in denen die Hauptgeberländer und Heimatstaaten der NGOs am Konflikt beteiligt sind, wie beispielsweise in Afghanistan oder Irak, kann es zu einer Vermischung der Akteure kommen,274 die sich nachteilig auf die Wahrnehmung der NGOs auswirkt. Für die Erbringung humanitärer Hilfe ist eine solche Wahrnehmung der NGOs als „Vertreter des Westens“ oft nachteilig und kann mit einer Gefährdung der Sicherheit der Mitarbeiter der NGOs einhergehen. I. Finanzielle Abhängigkeit Ein tatsächliches Hindernis zur Wahrung der Unabhängigkeit der humanitären NGOs kann sich aus finanzieller Abhängigkeit ergeben. Das Verhältnis der NGOs zu staatlichen Akteuren ist unter anderem dadurch geprägt, dass sie „als professionalisierte und auf Dauer gestellte Organisationen kontinuierliche Finanzmittel benötigen, die vielfach, insbesondere wenn es um umfangreiche 272 Reno, The Sudan Rebel Perspective, Complex Work in Weak and Failing States, PRISM 1 No. 2, 111, 117 m.w. N. 273 Macak, Principles of Neutrality and Impartiality, in: Zwitter/Lamont, Humanitarian Action, 447, 449; McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 967. 274 McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 973.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Projekte geht, nicht allein durch Spenden aufgebracht werden können.“ 275 Humanitäre Hilfe, aber auch Fortbildungsmaßnahmen hinsichtlich der Verbreitung humanitären Völkerrechts und folgende Überwachungsmechanismen sind sehr kostenintensiv. Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit von Staaten, internationalen Organisationen, und ggf. sogar von Interessenverbänden und privaten Unternehmen,276 die diese Finanzmittel zur Verfügung stellen. Dabei besteht immer die Gefahr, dass die Geberpolitik der einzelnen Staaten von politischem Kalkül und nicht von humanitären Motiven bestimmt wird. Ein solcher Eindruck wird verstärkt, wenn Staaten wie Kanada und Australien die Verteilung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit mit der Außenwirtschaftsabteilung zusammenlegen.277 Die politischen Interessen der Zuwendungsgeber können dabei einerseits die Entscheidung, welche Organisation unterstützt wird, andererseits die Frage im Falle welchen Konfliktes Geld bewilligt wird, beeinflussen. Wie unterschiedlich groß das Problem finanzieller Abhängigkeit in den einzelnen Ländern ist, aber auch wie unterschiedlich die Herangehensweisen der einzelnen NGOs sind, zeigt folgender Vergleich: NGOs, die ihren Sitz in Frankreich haben, beziehen beispielsweise lediglich 21 % ihrer öffentlich erworbenen Ressourcen von staatlicher Seite, während in den USA die staatliche Finanzierung eine viel zentralere Rolle spielt.278 MSF-Frankreich finanzierte ihre Arbeit im Jahre 2005 zu 94 % aus privaten Mitteln, während sich CARE-USA zu 70 % aus staatlichen Stellen finanzierte.279 Es besteht insgesamt ein wesentlicher Unterschied in der finanziellen Unterstützung der europäischen und der US-amerikanischen NGOs. Teilweise wird das damit begründet, dass die Spendenbereitschaft durch private Geber in den USA wesentlich geringer ausgeprägt ist als in Europa,280 und diese privaten Spender unter Umständen auch noch durch die Gesetze zur Terrorabwehr abgeschreckt werden.281 Andererseits wird die unterschiedliche finanzielle staatliche Beteiligung auch mit unterschiedlicher Entwicklung sowie Herkunft von Nichtregierungsorganisationen in den USA und in Europa begründet: Bei dem in den USA vorherrschenden „Wilsonian“-Ansatz würden sich Staat und NGOs traditionell auf identische Werte beziehen und 275

Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen (NGOS), 128 m.w. N. Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen (NGOS), 128. 277 CHE-Project, An Analysis of Contemporary Anti-Diversion Policies and Practices of Humanitarian Organizations, 18. 278 Ryfman, Non-governmental organizations: an indispensable player of humanitarian aid, 89 IRRC 2007, 21, 29. 279 Ryfman, Non-governmental organizations: an indispensable player of humanitarian aid, 89 IRRC 2007, 21, 30. 280 Stoddard, Humanitarian NGOs, in: Macrae, Humanitarian Action, HPG Report 14, 25, 28. 281 Vgl. S. 182 ff. 276

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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daher ähnliche Ziele verfolgen. Europäische Organisationen stellten hingegen Henry Dunant folgend ihre Neutralität und Unabhängigkeit in den Vordergrund.282 Der tatsächliche Einfluss des Staates innerhalb der USA ist abhängig von dem jeweiligen Finanzierungsmodel durch USAID: Wenn die Mittelvergabe als Subvention erfolgt, kann die jeweilige Organisation die Mittel unter Berücksichtigung der vereinbarten Ziele frei ohne weiteres Zutun von USAID verwenden. Soweit aber die Mittelvergabe im Rahmen eines Vertrags über die Zusammenarbeit erfolgt, ist USAID partiell an der Ausführungsplanung beteiligt und kann beispielweise bei der Erstellung der Arbeitspläne, der Festlegung der Arbeitsschwerpunkte oder bei der Durchführung von Überwachungsmechanismen Einfluss nehmen.283 USAID selber steht seit 1998 unter der direkten Aufsicht des Staatssekretärs, sodass eine politische Einflussnahme nicht ausgeschlossen ist.284 Finanzielle Abhängigkeit kann also auch zu einer programmatischen Abhängigkeit führen. Denn selbst wenn der staatliche Akteur nicht versucht, direkt Einfluss zu nehmen, kann eine indirekte Einflussnahme bestehen, wenn es darum geht, Programme und Anträge für eine zukünftige Finanzierung festzulegen. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, versuchen Nichtregierungsorganisationen, die auf die Staaten finanziell angewiesen sind, daher vermehrt, verschiedene staatliche Stellen zur finanziellen Unterstützung zu gewinnen. So bemühten sich US-Nichtregierungsorganisationen auch um finanzielle Unterstützung durch beispielsweise ECHO285 oder AusAid. Mittlerweile hat ECHO aber damit begonnen, rein US-basierte NGOs nicht mehr finanziell zu unterstützen, sodass diese wiederum weitestgehend von den USA abhängig sind.286 Wie das Beispiel der „material-support“-Gesetzgebung zeigt, unterliegen sie dabei inhaltlichen Einschränkungen und müssen sich auch im Rahmen der Förderungsvereinbarungen besonderen Regelungen unterwerfen.287 Insgesamt gelingt es nur wenigen NGOs, strikte finanzielle Unabhängigkeit von den Staaten zu bewahren. So gehören Ärzte ohne Grenzen zu den prominenten humanitären Vertretern, die besonderen Wert auf ihre finanzielle, aber auch programmatische Unabhängigkeit legen.288 Ihr Erfolg ist dabei sicherlich ihrer Größe, Bekanntheit und inhaltlichen Klarheit zu verdanken: Zur Gewährleistung 282 Stoddard, Humanitarian NGOs, in: Macrae, Humanitarian Action, HPG Report 14, 25, 31. 283 Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, Endnote 98. 284 Stoddard, Trend in US Humanitarian Policy, in: Macrae, The New Humanitarianisms, HPG Report 1, 46. 285 Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, 66. 286 Stoddard, Humanitarian NGOs, in: Macrae, Humanitarian Action, HPG Report 14, 25, 30. 287 Vgl. dazu S. 182 ff. 288 Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), 129.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

der Neutralität nimmt MSF beispielsweise für ihre Arbeit in Afghanistan kein Geld der am Konflikt beteiligten USA.289 II. Zivil-militärische Zusammenarbeit Weiterhin kann sich eine Abhängigkeit der NGOs von den Staaten aus zivilmilitärischer Zusammenarbeit ergeben. Dabei umfasst diese Form der Zusammenarbeit sämtliche „Planungen, Maßnahmen, Kräfte, Mittel und Verfahren, welche die Beziehungen [von militärischen Stellen] einerseits und zivilen Kräften und Behörden sowie der Zivilbevölkerung andererseits regeln, koordinieren, unterstützen, erleichtern oder fördern.“ 290 Diese besteht zunächst auf tatsächlicher Ebene, da die NGOs bei der Durchführung ihrer Arbeit auf die Unterstützung der Streitkräfte angewiesen sein können. Andererseits ist eine solche Zusammenarbeit auch von verschiedenen Staaten gewünscht. Ein praktisches Beispiel ist der Transport von Hilfsgütern: Die tatsächliche Nutzung beispielsweise von Militärfahrzeugen kann den NGOs ihre Arbeit wesentlich erleichtern und insbesondere den Transport von Hilfsgütern ermöglichen. Unabhängigkeit von solcher zivil-militärischen Zusammenarbeit kann für die humanitären NGOs hingegen sehr kostenintensiv sein, da sie sonst vollständig ihre eigene Logistik und Transportmöglichkeiten haben müssten. Dies können sich nur große internationale Organisationen leisten. Beispielsweise musste das IKRK teilweise eigene Flugzeuge chartern, um nicht mit den Vereinten Nationen in Verbindung gebracht zu werden.291 Die Wahrung der humanitären Prinzipien kann aber auch die Verhandlungen um finanzielle Mittel oder Sachspenden mit privaten Unternehmen erschweren, da beispielsweise die Darstellung von Firmenlogos, die solche Unternehmen als Gegenleistung wünschen, negative Auswirkungen auf die Neutralität und Unabhängigkeit haben könnten. So hat das IKRK teilweise Sachmittel neu verpacken müssen, um eine negative Wahrnehmung zu verhindern.292 Unter Umständen kann es auch notwendig sein, dass die humanitären Helfer durch die Truppen vor Ort oder durch Blauhelmsoldaten bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Eine Studie des IKRK hat dies in Hinblick auf die Begleitung von Truppen vor Ort untersucht und kam zu dem Schluss, dass dies nicht notwendigerweise die Neutralität seiner Tätigkeit in Frage stellt, zumindest solange die militärische Führung sich den humanitären Prinzipien verpflichtet fühlt. Gleichzeitig machte das IKRK aber auch klar, dass es sich dabei um eine Ausnahme 289 Stoddard, Humanitarian NGOs, in: Macrae, Humanitarian Action, HPG Report 14, 25, 29. 290 Lüder, Die Weiterentwicklung der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Rahmen der Neuausrichtung der Streitkräfte, in: Weingärtner/Krieger, Streitkräfte und nicht-staatliche Akteure, 199. 291 Labbé/Daudin, Applying the humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 183, 204. 292 Labbé/Daudin, Applying the humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 183, 204.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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handeln muss.293 Entscheidend ist in solchen Situationen auch, ob der Schutz durch die Vereinten Nationen oder durch ausländische Truppen geleistet wird und wie die Zivilbevölkerung dies wahrnimmt.294 Vermehrt wollen aber auch staatliche Akteure die zivilen Akteure in ein ganzheitliches Konzept zivil-militärischer Zusammenarbeit einbinden und ihre militärische Tätigkeit mit ihrem anderen Engagement verbinden. Insbesondere bemühen sie sich, die von ihnen unterstützten NGOs in die Umsetzung von ihren (außen-)politischen Zielen einzubinden.295 Für die NGOs aber wird es dadurch gerade in Konflikten, in denen die Geberländer auch vertreten sind, fast unmöglich, sich von allen Parteien des Konflikts zu distanzieren und abzugrenzen.296 Gerade im Kontext globaler ideologischer Konflikte wirkt sich die zivil-militärische Zusammenarbeit auf die Arbeitsmöglichkeiten der NGOs und die Sicherheit der Mitarbeiter negativ aus.297 Sie erschwert es den Hilfsorganisationen in den betroffenen Krisenregionen überzeugend neutral zu wirken und kann dazu führen, dass Hilfsorganisationen in bestimmten Kontexten als parteiisch erscheinen und damit zum Ziel von Angriffen werden.298 Humanitäre Hilfe war beispielsweise in den USA ein integraler Bestandteil der Kriegsstrategie für den Irak. So war sogar in dem relevanten Budget ein Teil für humanitäre Hilfe vorgesehen.299 Diese Inklusion in das Kriegsbudget ist dabei nur ein Indiz für die Rolle, die die USA den NGOs zugedacht haben. Diese Verbindung von Militär und NGOs spiegelt sich auch in der von den USA vertretenen „Hearts and minds“-Strategie300 wider301, die eben darauf ausgerichtet ist, 293 „Such were the conclusions reached by a joint working group of the ICRC and the Federation pursuant to Resolution 5 adopted by the Council of Delegates in 1993. The same working group also stressed that the use of armed escorts should be decided upon only in exceptional cases, as a last resort and after careful weighing of the advantages and disadvantages of such a measure“, vgl. Plattner, ICRC Neutrality and Neutrality in Humanitarian Assistance, 37 IRRC 1996, 161, 176. 294 Vgl. dazu auch Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21. 295 Williamson, Using Humanitarian aid to win hearts and minds: a costly failure?, 93 IRRC 2011, 1035, 1041. 296 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 3. 297 Schade, Neutralität humanitärer NGOs in Kriegs- und Nachkriegssituationen, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 179, 186; McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 974. 298 Schade, Neutralität humanitärer NGOs in Kriegs- und Nachkriegssituationen, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 179, 186. 299 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 8. 300 Dadurch sollte die Zivilbevölkerung von sich überzeugt werden, da bereits frühzeitig die Gefahr für die US-Truppen gesehen wurde, die besteht, wenn sich die Zivilbevölkerung gegen diesen Einsatz positioniert.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

die Zivilbevölkerung auch durch Unterstützung für sich zu gewinnen. In Afghanistan versuchten die USA humanitäre NGOs auf gemeinsame Ziele wie Konfliktvermeidung und die Schaffung von Stabilität zu verpflichten.302 Nach außen können solche gemeinsamen Ziele dazu führen kann, dass die Akteuer als verbunden angesehen werden. Auch die Bundesregierung verfolgte in Afghanistan das Konzept der vernetzten Sicherheit, im Rahmen der NATO den „Comprehensive Approach“. Verteidigung, Verhandlungen und Entwicklung sollen gleichzeitig vorangebracht und dadurch Sicherheit geschaffen werden.303 Durch das Militär wird die Hilfeleistung und Unterstützungsleistung eingesetzt, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen.304 Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass sicherheitspolitische Ziele mit militärischen Mitteln allein nicht erreicht werden und deshalb diese durch zivile Maßnahmen (ökonomische, entwicklungspolitische, gesellschaftliche, usw.) unterstützt oder mit diesen vernetzt werden.305 Institutionell wird dies unterstützt durch die Gründung der Provincial Reconstruction Teams (PRTs). Solche wurden im Jahre 2002 zum ersten Mal in Afghanistan zu folgendem Zweck gegründet: „An interim interagency organization designed to improve stability in a given area by helping build legitimacy and effectiveness of a host nation local or provincial government in providing security and delivering essential government services.“ 306

Die Durchführung oblag dabei sowohl zivilem als auch militärischem Personal. Diese Zusammenführung wurde von humanitärer Seite stark kritisiert, einerseits weil dadurch die Bedeutung von humanitärer Hilfe verändert und andererseits die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Aufgaben verwischt würden.307

301 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 9 302 Hofman, Afghanistan: A return to Humanitarian Action, MSF Special Report 2010. 303 Die sogenannte 3 D-Strategy: Defense, Diplomacy, Development. 304 Vgl. auch Hofman, Afghanistan: A Return to Humanitarian Action, MSF Special Report 2010. 305 Vgl. dazu bereits Weißbuch der Bundeswehr 2006, 20, Definition Vernetzte Sicherheit: „Nicht in erster Linie militärische, sondern gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen, die nur im multinationalen Zusammenwirken beeinflusst werden können, bestimmen die künftige sicherheitspolitische Entwicklung. Sicherheit kann daher weder rein national noch allein durch Streitkräfte gewährleistet werden. Erforderlich ist vielmehr ein umfassender Ansatz, der nur in vernetzten sicherheitspolitischen Strukturen sowie im Bewusstsein eines umfassenden gesamtstaatlichen und globalen Sicherheitsverständnisses zu entwickeln ist.“ 306 Gadler, Armed Forces as carrying both the Stick and the Carrot, 3 Goettingen Journal of International Law 2011, 217, 232. 307 Gadler, Armed Forces as Carrying both the Stick and the Carrot? 3 Goettingen Journal of International Law 2011, 217, 234; Cornish/Glad, Civil-military Relations, 12 ff.; Williamson, Using humanitarian aid to win hearts and minds, 93 IRRC 2011, 1035, 1045; Gordon, Winning Hearts and Minds?, 1 ff.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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Der ganzheitliche Ansatz vermischt die Konzepte Sicherheit, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Auch wenn sich diese gegenseitig bedingen, liegen ihnen unterschiedliche Prinzipien zugrunde. Problematisch ist zudem, dass die vor Ort tätigen NGOs als Teil einer Konfliktpartei oder einer Besatzungsmacht wahrgenommen werden. Daher sollte zumindest auf der Akteursebene eine Trennung bestehen. Aus der Sicht der Staaten ist dieser Ansatz nachvollziehbar: Wenn sie wesentliche Teile der humanitären Hilfe finanziell unterstützen, wollen sie auch deren möglicherweise positive Effekte für sich nutzbar machen. Diese Vermischung erhöht aber die Gefährdung der NGOs und gerade für humanitäre Organisationen wird der Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen erschwert oder gar unmöglich gemacht.308 Die Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt und damit auch das grundlegende Vertrauen, das eine wesentliche Grundlage für die Zusammenarbeit darstellt. III. Vermischung der Interessen und Wahrnehmung in der Bevölkerung Die Wahrnehmung in der Bevölkerung ist für die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen sehr wichtig. Eine Gleichsetzung der Ziele der Hilfsorganisationen und staatlichen Konfliktparteien kann sich für die humanitären NGOs nachteilig auswirken. Besondere Probleme entstehen, wenn wie beispielsweise in Afghanistan Staaten in bewaffneten Konflikten kämpfen, die gleichzeitig die wesentlichen Geldgeber der humanitären Organisationen sind.309 Eine Vermischung der Interessen oder zumindest der wahrgenommenen Interessen ist fast nicht zu vermeiden und kann durch politische Aussagen noch verstärkt werden. So ist auch folgende Aussage von Colin Powell zu werten: „As I speak, just as surely as our diplomats and military, American NGOs are out there serving and sacrificing on the front lines of freedom [. . .]. I am serious about making sure we have the best relationship with the NGOs who are such a force multiplier for us, such an important part of our combat team. [We are] all committed to the same, singular purpose to help every man and woman in the world who is in need, who is hungry, who is without hope, to help every one of them fill a belly, get a roof over their heads, educate their children, have hope.“ 310

308 Andererseits führt Levine an, dass Nichtregierungsorganisationen an Einfluss gewönnen, wenn sie im Schatten von mächtigen Staaten tätig seien. Bei der Durchsetzung humanitärer Ziele müssten wichtige und einflussreiche Geberländer die Ziele der NGOs unterstützen, vgl. Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 24. 309 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 2. 310 Powell, Remarks to the National Foreign Policy Conference for Leaders of Nongovernmental Organizations.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Teilweise wird die grundsätzlich positive Wahrnehmung humanitärer Hilfe in der Bevölkerung durch die Staaten ausgenutzt. Dies gilt umso mehr im Rahmen der Initiative „hearts and minds“ und dem Versuch, die Bevölkerung für sich zu gewinnen. So hat in Afghanistan die NATO selbst lange Zeit nur weiße Fahrzeuge genutzt in dem Wissen, dass diese Farbe als Zeichen für neutrale und humanitäre Hilfe steht.311 Teilweise kommt es auch dazu, dass Staaten humanitäre Hilfe politisieren und instrumentalisieren: Das IKRK hat im Süden Afghanistans Handzettel der internationalen Streitkräfte aufgefunden, die darauf hinwiesen, dass die Bevölkerung Informationen über die Taliban weitergeben müsse, um weiterhin Hilfsgüter zu erlangen.312 Für eine zunehmende Politisierung der Hilfe sprechen auch die Verteilungsprinzipien von USAID in Afghanistan, die nicht den Bedürfnissen, sondern der politischen und militärischen Lage angepasst waren.313 Ein Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit lässt sich auch in aktuellen Konflikten beobachten: Beispielsweise wurde aus Libyen berichtet, dass die Gebiete unter der Kontrolle der Rebellen wesentlich besser von außen mit Hilfe versorgt wurden als die Gebiete unter der Kontrolle der Regierung.314 Dies führt dazu, dass allein aus politischem Kalkül und Bereitschaft der Zuwendungsgeber, eine bestimmte politischen Richtung zu unterstützen, nicht allen betroffenen Zivilisten ausreichend geholfen werden kann. Diese Vermischung der Interessen und des Auftretens nach Außen kann sich nachteilig auf die NGOs auswirken: In Afghanistan, aber auch in anderen Ländern, passieren vermehrt Übergriffe auf Mitarbeiter der Hilfsorganisationen.315 Beispielhaft ist der Tod von fünf MSF-Mitarbeitern in Afghanistan im Jahre 2004. Diese wurden durch die Taliban umgebracht mit dem Hinweis, dass Organisationen wie MSF für amerikanische Interessen arbeiteten.316 Doch auch außerhalb der direkten Politisierung der humanitären Hilfe kann alleine die Finanzierung der NGOs durch staatliche Akteure die Wahrnehmung in der Bevölkerung beeinflussen. Selbst wenn die Staaten nicht die programmatische Unabhängigkeit der NGOs angreifen wollen, können diese in der Bevölkerung als verlängerter Arm der westlichen Staaten wahrgenommen werden. In diese Richtung geht ein Bericht von MSF, welcher darstellt, dass in Pakistan ver311 Hofman/Delaunay, Afghanistan: A Return to Humanitarian Action, MSF Special Report 2010. 312 Terry, The International Committee of the Red Cross in Afghanistan, 93 IRRC 2011, 173, 175; Macak, A matter of principle(s), 97 IRRC 2016, 157, 171. 313 Vgl. dazu Cornish/Glad, Civil-military Relations, Security Policy Library 52008, 10 f.; Williamson, Using humanitarian aid to win hearts and mind, 93 IRRC 2011, 1035, 1037. 314 Vgl. Security Council Report, UN Doc. (S/PV. 6595), 28. Juli 2011, 3. 315 Mackintosh, Beyond the Red Cross, 89 IRRC 2007, 113, 114. 316 Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, 70.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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mehrt Binnenflüchtlinge nach der Herkunft der finanziellen Mittel gefragt hätten.317 Durch die finanzielle Unterstützung wird eine Einflussnahme befürchtet. Bedenklich ist, dass diese Wahrnehmung aber auch auf politischer Ebene in den USA geteilt wird. So soll der Leiter von USAID318 im Mai 2003 gegenüber NGOs geäußert haben, dass diese durch die Annahme von Geldmitteln von der US-Regierung als verlängerter Arm der US-Regierung319 tätig seien. Umso wichtiger ist, dass die Organisationen ihre Unabhängigkeit und den größtmöglichen Abstand zu den Geberländern wahren.320 IV. Missbrauch der humanitären Hilfe durch die Konfliktparteien Auch die Konfliktparteien selber können die humanitäre Hilfe missbrauchen und somit die Unabhängigkeit der NGOs in Frage stellen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie humanitäre Hilfe nur dann zulassen wollen, wenn sie zu ihren eigenen Bedingungen erfolgt. Ein Beispiel ist das Verhalten der SPLM/A während der Operation Lifeline Sudan. Die SPLM/A verlangte dabei von den beteiligten Organisationen, sich in einem Memorandum of Understanding (MoU) den Zielen der SRRA zu verpflichten. Dies stellte nach Ansicht einiger NGOs einen Eingriff bzw. eine Gefahr für deren Neutralität und Unabhängigkeit dar.321 Diese Ziele waren in der Präambel enthalten, humanitäre Hilfe, Rehabilitation und Wiederaufbau sollten danach unterschiedslos geleistet werden.322 Auf Seiten der NGOs und einiger Geber herrschte Unsicherheit darüber, wie Regelungen über Transparenz, die Verpflichtung, sudanesische Mitarbeiter zu beschäftigen, die Leistung von sogenannten Service-Gebühren oder die notwendige Erlaubnis vor einer öffentlichen Versammlung auszulegen waren.323 Die entscheidende Frage für die NGOs war damit, ob sie bereit waren, ein solches Memorandum of Understanding zu zeichnen oder zum Nachteil der Zivilbevölkerung auf eine

317 Hofman/Delaunay, Afghanistan: A return to Humanitarian Action, MSF Special Report 2010. 318 Zu der Zeit Andrew Natsios. 319 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal 2004, 1, 19; vgl. auch Debiel/Sticht, (Ohn-)Mächtige Samariter, in Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 165, 172. 320 Hofman/Delaunay, Afghanistan: A return to Humanitarian Action, MSF Special Report 2010. 321 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 19; vgl. zu den humanitären Prinzipien Unabhängigkeit und Neutralität, S. 211 ff. 322 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 19. 323 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 19.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

weitere Tätigkeit in dem Gebiet zu verzichten.324 Im Februar 2000 hatten 75 Prozent der im Südsudan agierenden Nichtregierungsorganisationen entschieden, das MoU zu unterzeichnen, während wichtige Akteure unter ihnen wie Care International, Worldvision International, Oxfam und Save the Children Fund eine Zeichnung ablehnten.325 Nach weiteren Verhandlungen mit den NGOs, die das MoU unterzeichnet hatten326, verblieben 49 NGOs im Gebiet, welches unter der Kontrolle der SPLM stand. 12 Nichtregierungsorganisationen verließen als Folge den Sudan327 und ECHO beendete die Finanzierung aller Projekte in den SPLM kontrollierten Gegenden.328 Erst im Februar 2002 erklärte ECHO, dass es die Finanzierung der Projekte im Südsudan wieder aufnehme.329 Dies zeigt deutlich, in welchem Spannungsfeld sich die NGOs befinden. Einerseits müssen sie unter Wahrung ihrer Prinzipien handeln. Wenn sich dies jedoch zum Nachteil der Zivilbevölkerung auswirkt, stehen die NGOs vor der schwierigen Entscheidung, ob für sie Humanität oder Neutralität den Schwerpunkt ihrer Arbeit bildet. Zudem kommt es regelmäßig zu einer Politisierung der humanitären Hilfe und des Einsatzes humanitärer Organisationen durch die Konfliktparteien. So wurden beispielsweis im Jahr 2009 mehrere humanitäre Nichtregierungsorganisationen, unter anderem auch ein Nationalteam von MSF, aus Darfur ausgewiesen.330 Auch hat Al-Shabaab in Somalia sechszehn ausländische humanitäre Organisationen, unter ihnen verschiedene deutsche und französische Hilfsorganisationen, aber auch UNICEF, den UNHCR und die WHO ausgewiesen, da diesen Verfehlungen und verbotene Handlungen vorzuwerfen seien. In einer Erklärung vom 9. Dezember 2011331 begründetet Al-Shabaab dies und warf den humanitären Organisationen folgendes Fehlverhalten vor: Sammlung von Informationen über

324 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 19. 325 Sudan Focal Point, Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 2, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 18. 326 Sudan Focal Point, Monthly Briefing: March 2000, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 22; Briefing Paper: SRRA/NGO MoU # 3, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 21. 327 Sudan Focal Point, Monthly Briefing: March 2000, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 22. 328 Sudan Focal Point, Monthly Briefing: March 2000, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 22. 329 Sudan Focal Point, Monthly Briefing: February 2002, in: Five Years of Sudan Focal Point Briefings, 90. 330 Dies stellte wohl aber auch gleichzeitg eine Machtdemonstration des sudanesischen Präsidenten Omar Al Bashir dar, nachdem durch den Internationalen Strafgerichtshof Haftbefehl gegen ihn erhoben worden ist. 331 Jamestown Foundation, Somalia’s al-Shabaab Explains Its Ban On Foreign Aid Organizations, 9 Terrorism Monitor Volume 2011.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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von Al-Shabaab besetzte Gebiete unter dem Deckmantel von demographischen Studien, Impfberichten oder Volkszählungen; Weitergabe von Informationen; Beeinflussung der Bevölkerung unter anderem durch Finanzierung subversiver Gruppen, die das islamische Strafrecht bekämpfen, Ausnutzung der natürlichen Ressourcen des Landes, Unfähigkeit, langwährende Lösungen zu finden, um das Leiden der Binnenflüchtlinge zu verringern.332 Einige Organisationen wurden daneben noch beschuldigt, weltliche und unmoralischer Werte sowie die zerstörenden Ansichten der Demokratie zu verbreiten.333 In diesem Zusammenhang hat Al-Shabaab auch die verbliebenen humanitären Organisationen gewarnt, dass sie jedwede Organisation, die Aktivitäten durchführen oder fördern, die sich gegen die Gründung eines islamischen Staates richten, ohne weitere Warnung sofort aus dem Gebiet ausweisen.334 Dies wird teilweise auch als Reaktion auf westliche Gesetzgebungsverfahren wie die „material support“-Gesetzgebung und die Verfolgung muslimischer NGOs verstanden. Gegenüber Amnesty International haben Zeugen angegeben, das ein Prediger in der Abuhurada Moschee am Bakaara in Mogadishou geäußert habe, dass sie alle UN-Organisationen und westlichen NGOs sowie alle lokalen NGOs, die eine Verbindung zu westlichen NGOs hätten, zurückweisen müssten, da der Westen die Islamischen NGOs zurückweisen würde.335 So wurde teilweise in Somalia der Zugang trotz der humanitären Katastrophe und Hungersnot nicht gewährt.336 V. Veränderung der Konfliktart und Zunahme von Akteuren Eine neuere Entwicklung ist die Proliferation, die im humanitären Bereich auf mehreren Ebenen stattfindet. Auch dies kann dazu führen, dass die humanitären Prinzipien wenig Beachtung erfahren. Auf einer ersten Ebene steht die Zunahme von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten, die immer komplexer werden. In diesen in der Regel asymmetrischen Konflikten stehen sich häufig mehrer Konfliktparteien gegenüber. Die Unterschiede zwischen den Akteuren sind groß, sie unterscheiden sich in Größe, Struktur, den zugrundeliegenden Interessen aber vor allem auch im Rechtsbefolgungswillen, was keine einheitliche Herangehensweise erlaubt. Daneben wächst auf einer zweiten Ebene die Anzahl der humanitären Organisationen. Neben die gewachsenen humanitären Organisationen, die ihre Arbeit an 332 Jamestown Foundation, Somalia’s al-Shabaab Explains Its Ban On Foreign Aid Organizations, 9 Terrorism Monitor Volume 2011. 333 Jamestown Foundation, Somalia’s al-Shabaab Explains Its Ban On Foreign Aid Organizations, 9 Terrorism Monitor Volume 2011. 334 Jamestown Foundation, Somalia’s al-Shabaab Explains Its Ban On Foreign Aid Organizations, 9 Terrorism Monitor Volume 2011. 335 Amnesty International, Fatal Insecurity, 13. 336 Amnesty International, Fatal Insecurity, 2.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

den humanitären Prinzipien orientieren, treten andere Akteure wie (quasi-)kommerzielle Organisationen, private Firmen oder militärische Einheiten.337 Eine mögliche Folge dieser Zunahme humanitärer Organisationen ist, dass die herkömmlichen Akteure an Bedeutung verlieren, aber auch, dass die Achtung der humanitären Prinzipien als Handlungsmaßstab insgesamt sinkt.338 Gleichzeitig führt dies dazu, dass die humanitären Organisationen untereinander in einen Wettbewerb um die finanziellen Ressourcen treten müssen. Dabei kann es neben der Größe der NGOs selbst auch auf die Präsenz vor Ort und die Fähigkeit, Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Konflikt zu lenken, ankommen. Dies kann auch dazu führen, dass humanitäre Hilfe in langanhaltenden Konflikten, die nicht im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen, zu kurz kommt.339 Gleichzeitig führt diese Vielzahl von humanitären Akteuren auch dazu, dass die Hilfe nicht immer gut koordiniert geleistet werden kann und dadurch wertvolle Ressourcen zum Nachteil der Hilfsbedürftigen verloren gehen.340 Die große Diversität unter den humanitären Akteuren kann aber auch den Vorteil haben, dass Hilfe auf verschiedenen Grundlagen geleistet werden kann341: Organisationen wie das IKRK, die ihr gesamtes Handeln auf die Neutralität aufbauen, können dann noch handeln, wenn Organisationen wie MSF keinen Zugang zu den Parteien mehr haben, da sie von ihrem Recht auf Einmischung Gebrauch gemacht haben. Auf auf der Ebene der Geber vergrößert sich die Anzahl der Akteure: Neben die westlichen Staaten als klassische Zuwendungsgeber treten vermehrt auch Schwellenländer, die humanitäre Hilfe leisten können und wollen, sowie private Firmen oder Stiftungen, die ihrerseits die humanitären Organisationen unterstützen. Dies hat einerseits den Vorteil, dass mehr Finanzmittel zur Verfügung stehen. Diese Entwicklung birgt jedoch auch Probleme: So liegen den verschiedenen Förderkonzepten teilweise bereits unterschiedliche Konzepte von humanitärer Hilfe zugrunde,342 was sowohl bei den humanitären NGOs, die Fördermittel beantragen, als auch bei den Staaten untereinander zu Missverständnissen führen kann.343 Häufig unterstützen nicht westliche Zuwendungsgeber auch nicht humanitäre Organisationen in ihrer Arbeit, sondern vielmehr direkt die Staaten, die

337

McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 975. McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 976. 339 McGoldrick, The future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 965, 977; Ferris, Megatrends and the future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 915, 935 f. 340 Ferris, Megatrends and the future of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 915, 935 f. 341 Zu den möglichen Vorteilen vgl. Gordon/Donini, Romancing principles and human rights: 97 IRRC 2016, 77, 98. 342 Binder/Meier, Opportunity knocks: Why non-Western donors enter humanitarianism and how to make the best of it, 93 IRRC 2011 1135, 1138. 343 Terry, The International Committee of the Red Cross in Afghanistan: reasserting the neutrality of humanitarian action, 93 IRRC 2011, 173, 188. 338

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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von einer humanitären Katastrophe betroffen sind.344 Eine weltweite Koordinierung der Zuwendungsgeber gibt es bisher außerhalb des Bereichs von OCHA (Office of the Coordination of Humanitarian Affairs) noch nicht. VI. Zwischenergebnis Diese Beispiele zeigen, dass die Gewährleistung der humanitären Prinzipien und insbesondere die Wahrung der Unabhängigkeit für NGOs zunehmend schwierig sind. Dies gilt vor allem für diejenigen, die humanitäre Hilfe leisten, aber auch für diejenigen NGOs, die das humanitäre Völkerrecht verbreiten. Völlig unabhängiges Handeln ist dabei letztlich nur in finanzieller Unabhängigkeit möglich. Eine solche ist jedoch faktisch gerade bei der Erbringung humanitärer Hilfe nicht zu erreichen. NGOs werden auch weiterhin zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Genfer Konventionen sowie zu deren verbesserten Durchsetzung auf die finanzielle Unterstützung der Staaten angewiesen sein. Somit müssen Mittel und Wege gefunden werden, wie dennoch die Unabhängigkeit und auch die Wahrnehmung derselben in der betroffenen Bevölkerung gewährleistet werden kann: Das Interesse der Staaten, eine umfassende Sicherheitsstruktur zu gewährleisten und nicht nur militärische, sondern auch zivile Strukturen zu ändern, ist nachvollziehbar. In vielen Aspekten werden sich zudem die Werte und Ziele der agierenden staatlichen und nicht-staatlichen Akteure decken. Allerdings müssen dennoch die wesentlichen Unterschiede der Akteure beachtet werden. Humanitäre Hilfe darf stets nur unpolitisch geleistet werden, sodass humanitäre Organisationen nicht länger in militärische Interventionen eingebunden werden sollten und zumindest die programmatische Unabhängigkeit sollte gewährleistet werden. Unabdingbar ist die Wahrnehmung der Akteure als unabhängig, was nicht durch unklare politische Initiativen und Prozesse gefährdet werden darf. Aktionen müssen an ihrer humanitären Notwendigkeit und nicht an ihrer politischen Bedeutung bemessen werden.

C. Auswirkungen der Nichtgewährleistung der humanitären Prinzipien I. Tatsächliche Folgen der Nichtgewährleistung humanitärer Prinzipien Die humanitären Prinzipien, die sich unter anderem aus dem gemeinsamen Verhaltenskodex der humanitären Organisationen ergeben, sind wesentlich für die praktische Arbeit der Organisationen. Die Einhaltung der Prinzipien bedeutet für die humanitären Organisationen den Zugang zu den Opfern und die Möglich-

344 Binder/Meier, Opportunity knocks: Why non-Western donors enter humanitarianism and how to make the best of it, 93 IRRC 2011, 1135, 1146.

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keit des Dialogs mit den Konfliktparteien, aber auch Sicherheit für die Mitarbeiter und die Durchführung der Programme. Ihre Einhaltung ist Grundlage für das notwendige Vertrauen in ihre Arbeit durch Konfliktparteien und die Zivilgesellschaft, aber auch durch die Geber.345 Das IKRK betont regelmäßig, dass nur seine Neutralität es ihm ermöglicht in den Konflikten weltweit Hilfe zu leisten.346 Gerade im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt werden Staaten, die durch den Konflikt betroffen sind, den humanitären Helfern nur Zugang gewähren, wenn diese sich tatsächlich unabhängig verhalten. Auch die anderen Konfliktparteien werden nur mit den humanitären Organisationen verhandeln, wenn diese unabhängig agieren.347 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind damit bereits Voraussetzung für den Zugang an sich. Letztlich ist es aber eine Frage des Dialoges und des Vertrauens, welches zwischen den humanitären Helfern und den Konfliktparteien zugunsten der Zivilbevölkerung nur aufgebaut werden kann, wenn die Konfliktparteien von der Unabhängigkeit und Neutralität der humanitären Helfer ausgehen können.348 Daher befolgen nicht nur das IKRK, sondern auch die meisten anderen Akteure diese Prinzipien.349 Es gibt jedoch auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen wie AlQuaida und den Islamischen Staat, die auch humanitäre Organisationen, die sich in ihrer Arbeit strikt an den humanitären Prinzipien orientieren, keinen Zugang gewähren und humanitäre Hilfe nur erlauben, wenn diese zu ihren eigenen Bedingungen erfolgt.350 Besonders relevant ist die Achtung der Prinzipien aber für den Schutz der Mitarbeiter der im Konflikt tätigen Organisationen.351 Gerade die zivil-militärische Zusammenarbeit und die negative Wahrnehmung in der Bevölkerung gefährden die Sicherheit der Mitarbeiter der NGOs. So wurde beispielsweise im Irakkrieg 2003 in Bagdad das Hauptquartier des IKRK durch einen Selbstmordattentäter angegriffen. Die Zahl der Angriffe auf humanitäre Helfer ist von weltweit 143 Opfern in 2003 auf 430 im Jahre 2013 stark gestiegen.352 Nur wenn die Organi345 Das Thema Vertrauen in humanitäre Arbeit war ein wesentlicher Diskussionspunkt auf der 33. Rotkreuzkonferenz im Dezember 2019. Vgl. dazu auch insgesamt Slim, Trust me – I am a Humanitarian, ICRC Blogpost 2018. 346 Gnaedinger, Humanitarian principles. 347 Geneva Call, Perceptions of Armed Non-State Actors on Humanitarian Action, 5. 348 Gnaedinger, Humanitarian principles. 349 Epps, Introduction to the Symposium on Holder v. Humanitarian Law Project, 34 Suffolk Transnational Law Review 2001, 473, 474. 350 Gordon/Donini, Romancing principles and human rights, 97 IRRC 2016, 77, 82. 351 Egland/Harmer/Stoddard, To Stay and Deliver: Good Practice for Humanitarians in Complex Security Environments, 46 f.; Heintze/Lülf, Non-State Actors unter International Humanitarian Law, in: Noortmann/Reinisch/Ryngaert, Non-State Actors in Internationale Law, 97, 109. 352 Aid Worker Security Report, Unsafe Passage: Road Attacks and Their Impact on Humanitarian Operation. Auch die Zivilbevölkerung kann dadurch in Gefahr geraten.

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sationen selbst auch als wirklich neutral und unabhängig wahrgenommen werden, können solche Übergriffe verhindert werden. Auffällig ist jedoch, dass ein Großteil der Angriffe auf humanitäre Organisationen in folgenden Ländern stattfand: Syrien, Südsudan, Sudan, Afghanistan und Pakistan,353 in denen auch insgesamt eine schlechte Sicherheitssituation besteht. Humanitäre Hilfe wird regelmäßig in Konfliktsituationen geleistet, was es den humanitären Organisationen oftmals nicht ermöglicht, ohne eigene Gefährdung Hilfe zu leisten. Beispielsweise war es aus allgemeinen Sicherheitsgründen für MSF unmöglich, im Februar 2011 nach Tripolis und im März 2011 nach Misrata und Ras Lanuf zu gelangen und dort humanitäre Hilfe zu leisten.354 Auch nach den Beobachtungen des IKRK sind Sicherheitsbedenken ein wesentlicher Grund, warum humanitärer Zugang limitiert ist.355 Andererseits waren Angriffe gegen Hilfsorganisationen auch politisch motiviert: Ein wesentlicher Teil der Angriffe in Somalia wurden zielgerichtet gegen humanitäre Helfer durchgeführt. Dies führte dazu, dass verschiedene humanitäre Organisationen ihre Arbeit in den betroffenen Gebieten beendeten und ihre Mitarbeiter zurückzogen, was zu einer Verschlechterung der Versorgung für die Zivilbevölkerung führte.356 Das IKRK kann in der Regel wegen seiner langen Tradition und der strikten Befolgung der humanitären Werte auch in solch politisch motiviertem Umfeld weiter tätig bleiben,357 und hat auch beispielsweise in Afghanistan als einzige humanitäre Organisation Zugang zu einigen Gebieten.358 Auch ist die Zahl der weltweiten Angriffe auf das IKRK in den Jahren zwischen 2003 und 2013 nicht signifikant gestiegen.359

Bei einer engen zivil-militärischen Zusammenarbeit kann die Arbeit der humanitären Organisation als Teil der militärischen Arbeit und damit für bewaffnete nicht-staatliche Gruppen als Teil des Vorgehens einer gegnerischen Konfliktpartei angesehen werden. Die Bevölkerung, die die Hilfe annimmt, kann dann in ihrer Sicherheit bedroht sein, da sie mit der gegnerischen Konfliktpartei „zusammenarbeitet“, vgl. Terry, The International Committee of the Red Cross in Afghanistan, 93 IRRC 2011, 175. 353 Aid Worker Security Report, Unsafe Passage: Road Attacks and Their Impact on Humanitarian Operation. 354 MSF, Lybia, Aid Access to Violence-Affected Areas Blocked. 355 IKRK, International Humanitarian Law and the Challenges of Contemporary Armed Conflicts, Report 2015, 27. 356 Amnesty International, Fatal Insecurity, 1. 357 Gassmann, Rethinking Humanitarian Security, 30 Humanitarian Exchange 2005, 32, 33; Khambatta, Humanitarian Space and Stability Operations, Edges of Conflict Working Paper 2009, 1; Gordon/Donini, Romancing principles and human rights: 97 IRRC 2016, 77, 99. 358 Labbé/Daudin, Applying the humanitarian principles, 97 IRRC 2016, 183, 198. 359 Aid Worker Security Report, Unsafe Passage: Road Attacks and Their Impact on Humanitarian Operations.

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II. Rechtliche Folgen der Nichtgewährleistung humanitärer Prinzpien Die festgestellte fehlende Gewährleistung der humanitären Prinzipien, und insbesondere die fehlende Unabhängigkeit könnten neben Nachteilen für die Sicherheit der Mitarbeiter der NGOs auch rechtliche Folgen haben. 1. Rechtliche Folgen für die NGOs

Ein Verstoß gegen die humanitären Prinzipien und insbesondere gegen das Prinzip der Unabhängigkeit stellt für die NGOs zunächst einen Verstoß gegen ihr Innenrecht dar. Dies hat aber in der Regel keine rechtlichen Auswirkungen. Wie gesehen wird aber den humanitären NGOs durch die Genfer Konventionen360 das Recht zum Tätigwerden und zur Hilfeleistung zugeschrieben, wobei die NGOs unparteiisch agieren müssen. Ein Verstoß gegen die humanitären Prinzipien könnte dazu führen, dass die NGOs nicht mehr unparteiisch handeln. Insoweit könnte den NGOs dann das Recht auf Hilfeleistung im Sinne der Genfer Konventionen abgesprochen werden. Diese sehen jedoch keine Rechtsfolge dafür vor, wenn eine humanitäre NGO nicht unparteisch handelt. Vielmehr besteht eine rechtliche Verpflichtung nach den Genfer Konventionen nur auf Seiten der Staaten: Falls ein Staat einer unparteiischen humanitären Organisation wie dem IKRK und seinen nationalen Gesellschaften Zugang zur Hilfe verwehrt, verstößt er gegen die Vorgaben der Genfer Konventionen.361 Die weiteren internationalen Akte, die die Anerkennung und Wahrung der humanitären Prinzipien beinhalten, sind entweder nicht bindend oder enthalten zumindest für die NGOs direkt keine rechtlichen Verpflichtungen. Mithin verstoßen NGOs, die die humanitären Prinzipien nicht wahren, lediglich gegen ihr Innenrecht.362 2. Rechtliche Folgen für die Staaten

Die beschriebenen Risiken der fehlenden Unabhängigkeit könnten aber auch für die Staaten Konsequenzen haben: Ein zu großer Einfluss der Staaten könnte sich für diese rechtlich nachteilig auswirken und unter Umständen völkerrechtswidriges Verhalten darstellen. Das ist dann der Fall, wenn die Handlungen der NGOs dem Staat zugerechnet werden können, und das Verhalten der NGOs dann eine völkerrechtswidrige Handlung darstellt. Auf einer ersten Ebene stellt sich daher die Frage, ob die fehlende Unabhängigkeit insbesondere durch eine mögliche finanzielle Abhängigkeit dazu führen kann, dass die Handlungen der NGOs 360

Vgl. oben S. 224 f. O’Connell, Enhancing the Status of Non-State Actors Through a Global War on Terror?, 43 Columbia Journal of Transnational Law, 2005, 435, 440. 362 Zu der möglichen Einführung eines Überwachungs- und Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen das Innenrecht vgl. S. 279 ff. 361

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dem Staat im Sinne des Rechts der Staatenverantwortlichkeit zuzurechnen sind. Auf einer zweiten Ebene ist offen, ob in einem Fall der Zurechnung die Handlungen der NGOs, nämlich Erbringung humanitärer Hilfe sowie Verbreitung und Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, einen Verstoß gegen das Interventionsverbot darstellen könnten. a) Zurechnung im Recht der Staatenverantwortlichkeit Staaten unterstützen die Tätigkeiten der NGOs nicht nur finanziell, sie nutzen diese teilweise explizit, um eigene Ziele zu verwirklichen. So können Staaten ein eigenes Interesse daran haben, bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zu unterstützen. Sie wollen jedoch nicht direkt mit diesen interagieren, auch da sie befürchten, dass diese dadurch Anerkennung gewinnen könnten363 und das Handeln der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe nicht legitimieren wollen.364 Insoweit bedienen sich Staaten der NGOs, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. In anderen Fällen unterstützen die Staaten nur die Interessen und Ziele der NGOs durch staatliche Förderung. Diese Vermischung von Interessen wird im Falle der USA, die NGOs als verlängerten Arm des Staates bezeichnen, besonders deutlich. Ein solcher interessengesteuerter Einsatz der NGOs wäre aus völkerrechtlicher Sicht jedoch nur als Teil des staatlichen Handelns zu werten, wenn die Voraussetzungen einer Zurechnung nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit vorliegen würden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Handeln einer NGO einem Staat zuzurechnen ist. Grundsätzlich handeln die NGOs weiterhin selbstständig und im eigenen Interesse und üben gerade keine hoheitliche Tätigkeit für die Staaten aus. Ihnen werden keine hoheitlichen Befugnisse eingeräumt, sondern sie agieren selbstständig und im eigenen Namen. Allerdings sind sie aus den dargestellten Gründen teilweise von den einzelnen Staaten abhängig. Die Artikel der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zum Recht der Staatenverantwortlichkeit enthalten die wesentlichen Regelungen des bisher nicht weiter kodifizierten Völkergewohnheitsrechts.365 Das Recht der Staatenverantwortlichkeit sieht die Zurechnung des Handelns Privater vor, um bei staatlicher Einwirkung auf Private keinen haftungsfreien Raum im Völkerrecht entste363

Reno, The Sudan Rebel Perspective, PRISM 1, 111, 117. Hofmann, Engaging Non-State Armed Groups in Humanitarian Action, 13 International Peacekeeping 2006, 396, 399. 365 Die Artikel der International Law Commission wurden von der Generalversammlung berücksichtigt und den Staaten bereits durch die Resolution 56/83 vom 12. Dezember 2001 bestätigt. Sie sind weitgehend anerkannt und werden durch die Praxis, insbesondere den IGH angewandt, vgl. Crawford, Articles on State Responsibility for Internationally Wrongful Acts, Introductory Note. 364

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hen zu lassen.366 Zwar ist grundsätzlich das Handeln Privater dem Staat nicht zurechenbar, etwas anderes muss aber gelten, wenn zwischen nicht-staatlichem und staatlichem Akteur eine besondere Beziehung besteht. In diesen Fällen kann ein privates Verhalten ausnahmsweise dem Staat zugerechnet werden. Dies ist nach Art. 5 dann der Fall, wenn ein Privater bei der Ausübung staatlicher Aufgaben tätig wird und eine rechtliche Verbindung zu dem Staat besteht. Die Zurechnung der Artikel 8 ff. der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit geht weiter und umfasst Fälle der Zurechnung aufgrund einer tatsächlich bestehenden besonderen Beziehung. Diese Regelung soll dazu führen, dass Staaten sich nicht ihrer völkerrechtlichen Verantwortung entziehen können, wenn sie ein privates Verhalten auf der einen Seite verursacht haben, auf der anderen Seite jedoch hiermit nicht in Verbindung gebracht werden wollen.367 aa) Zurechnung nach Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit Artikel 8 zum Recht der Staatenverantwortlichkeit lautet: Conduct directed or controlled by a State The conduct of a person or group of persons shall be considered an act of a State under international law if the person or group of persons is in fact acting on the instructions of, or under the direction or control of, that State in carrying out the conduct.

Danach ist also das Verhalten einer Person oder Personengruppe dann als Handlung eines Staates im Sinne des Völkerrechts zu werten, wenn die Person oder Personengruppe dabei faktisch im Auftrag oder unter der Leitung oder Kontrolle dieses Staates handelt. Die Fälle, in denen die NGOs faktisch im Auftrag des Staates handeln, werden tatsächlich selten auftreten. Denn auch wenn die Staaten sich der NGOs bedienen, um mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu interagieren, liegt dies regelmäßig auch in deren eigenem Interesse. Die NGOs handeln nicht nur als verlängerter Arm oder im Auftrag der jeweiligen Staaten. Ein Auftrag bedeutet nämlich, dass vorrangig die Handlung im fremden Interesse vorgenommen wird. Dies wird nur sehr schwer nachweisbar sein. Relevant hinsichtlich der NGOs könnte daher vor allem sein, ob der Staat die Kontrolle innehat. Insbesondere in Fällen, in denen der Staat wesentliche Teile der Finanzierung trägt, wie beispielsweise bei CARE USA,368 oder in denen USAID an der Planung der Aktionen beteiligt ist, könnte eine solche Kontrolle tatsächlich gegeben sein. 366 Heck, Grenzen der Privatisierung mlitärischer Aufgaben, 77; Münch, Das völkerrechtliche Delikt in der modernen Entwicklung der Völkerrechtsgemeinschaft, 227 f. 367 Ryngaert, State Responsibility and Non-State Actors, in: Noortmann/Reinisch/ Ryngaert, Non-State Actors in International Law, 163, 165. 368 Vgl. oben S. 229 ff.

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Entscheidend ist damit, was unter Kontrolle zu verstehen ist. Dies war Gegenstand des Nicaragua-Urteils des IGH. In der Rechtssache Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua setzte sich das Gericht damit auseinander, welcher Grad der Kontrolle notwendig sei, um eine Zurechnung nach Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit zu begründen. Die zugrundeliegende Frage war, ob die nicaraguanischen Contras unter der Kontrolle der USA standen. Der IGH führte den Terminus der „effektiven Kontrolle“ ein und kam zu dem Schluss: „Besides the heavy subsidies and other support provided to them by the United States, there is no clear evidence of the US having actually exercised such a degree of control in all fields as to justify treating the contras as acting on behalf.“ 369

Der IGH legte mithin einen hohen Maßstab an und ließ eine umfassende Fremd-Finanzierung nicht ausreichen: Vielmehr bedarf es einer effektiven Kontrolle, die sich auf das konkrete Verhalten richtet. In dieser Auslegung bleibt Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit ein Ausnahmetatbestand. Insgesamt bestätigte das Gericht, dass eine Situation der Abhängigkeit und Unterstützung nicht ausreichend ist, um eine Zurechnung aufgrund von Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit zu begründen.370 Vielmehr sei die tatsächliche und effektive Kontrolle notwendig und damit ein konkretes Einwirken auf bzw. das Übernehmen von Entscheidungsprozessen. Das ICTY hingegen kam zu dem Schluss, dass nicht die effektive Kontrolle der Maßstab sei, sondern vielmehr die Frage nach der Gesamtkontrolle das wesentliche Kriterium sei. Eine umfassende Einwirkungsmöglichkeit müsse als ausreichend erachtet werden, es gebe keine Voraussetzungen im Völkerrecht, die eben diese hohe Hürde bei der Zurechnung des Handelns Privater voraussetzten371: „Authorities over these armed forces required by international law for considering the armed conflict to be international was overall control going beyond the mere financing and equipping of such forces and involving also participation in the planning and supervision of military operations.“ 372

Demnach ließ das ICTY zwar auch die bloße finanzielle Unterstützung als Grundlage einer Zurechnung nicht ausreichen, erachtete allerdings nur ein gene369 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, Rn. 64. 370 Vereinte Nationen, Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, Yearbook of International Law Commission 2001, 31, 47 f. 371 ICTY, Case No. IT-94-1-A, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeals Chamber Judgement, Urteil vom 15. Juli 1999, Rn. 117. 372 ICTY, Case No. IT-94-1-A, Prosecutor v. Dusko Tadic, Appeals Chamber Judgement, Urteil vom 15. Juli 1999, Rn. 145.

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relles Mitwirken an Planung und Überwachung und nicht ein konkretes Einwirken für notwendig. Der IGH hielt dieser Auslegung des ICTY in seinem Urteil zur Anwendbarkeit der Völkermordkonvention373 entgegen, dass der ICTY für Entscheidungen auf dem Gebiet der Staatenverantwortlichkeit nicht zuständig sei. Der IGH bestätigte darauffolgend das im Nicaragua-Urteil angewandte Kriterium der effektiven Kontrolle. Aus der Tadic-Rechtsprechung lässt sich tatsächlich keine allgemeinverbindliche Regel für die Zurechnung nach Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit herauslesen, da der relevante Anknüpfungspunkt für die Bewertung des ICTY eben nicht die Staatenverantwortlichkeit war. Denn grundsätzlich setzte sich das ICTY mit der individuellen strafrechtlichen Verantwortung auseinander und entschied in der konkreten Argumentation im Tadic-Urteil über die Frage der Internationalisierung eines bewaffneten Konflikts. Dem ICTY ist zwar zuzugeben, dass es keinen einheitlichen Bewertungsmaßstab für Fragen der Zurechnung im Völkerrecht gibt, dies darf aber dann auch nicht dazu führen, dass der Maßstab bei Fragen der Staatenverantwortlichkeit aufgeweicht wird. Vielmehr stellen die Art. 8 ff. der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit klar definierte Ausnahmetatbestände von dem Grundsatz dar, dass das Handeln Privater dem Staat grundsätzlich nicht zuzurechnen ist. Diese müssen aber mit dem IGH entsprechend ihrer Funktion als Ausnahmen zurückhaltend angewandt und eng ausgelegt werden. Im Hinblick auf die Zurechnung des Verhaltens von NGOs fehlt es regelmäßig an einer nach alledem erforderlichen direkten effektiven Kontrolle der Staaten. In Fällen, in denen die wesentliche Finanzierung durch einen Staat vorgenommen wird, ist die Situation am ehesten vergleichbar mit der einer privat organisierten Gesellschaft, die im Eigentum der öffentlichen Hand steht. Auch dann wurde aber das Verhalten prima facie nicht dem jeweiligen Staat zugerechnet.374 Eine Zurechnung wurde vielmehr nur in solchen Fällen bejaht, in denen der Staat seine wirtschaftliche Stellung ausgenutzt hat, um ein bestimmtes Handeln der Gesellschaft herbeizuführen.375 Entscheidend ist also auch bei wirtschaftlicher Einheit wiederum der tatsächliche Einfluss des Staates. Gleiches gilt auch bei vertraglicher Übernahme originär staatlicher Pflichten wie bei der Beauftragung privater Sicherheitsfirmen. Doch auch bei privaten Sicherheitsfirmen kommt es trotz vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem beauftragenden Staat auf die im konkreten Fall vereinbarten Tätigkeiten an. Oftmals reichen in den hier maßgeb373 IGH, Urteil vom 26. Februar 2007, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 2007, 43 ff., Rn. 399 ff. 374 Vereinte Nationen, Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, Yearbook of International Law Commission 2001, 31, 48. 375 Vgl. Iran-United States Claim Tribunal (IUSCT), SEDCO, Inc. v. National Iranian Oil Company, C.T.R., vol. 15, 1987, S. 23; IUSCT, Phillips Petroleum Company Iran v. The Islamic Republic of Iran, C.T.R., Vol. 21 (1989), S. 79.

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lichen Konstellationen, die vornehmlich den Personen- und Objektschutz betreffen, weder die staatlichen Vorgaben noch die von staatlicher Seite ausgeübte Kontrolle aus, um eine Zurechnung zu begründen.376 Entscheidend ist daher bei einer möglichen Zurechnung des Verhaltens von NGOs die tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Einflusses. Anders als private Sicherheitsfirmen arbeiten die internationalen humanitären NGOs nicht unter einem förmlichen Auftrag des jeweiligen Staates. Vielmehr werden sie auf gemeinsame Ziele, Werte und auch Programme verpflichtet, indem der Staat die NGOs finanziell unterstützt. In einigen Fällen wird dabei ein direkter Einfluss auf das Programm ausgeübt, in den meisten Fällen handelt es sich lediglich um einen indirekten Einfluss. Regelmäßig werden den NGOs durch den Staat keine eindeutigen Anweisungen gegeben, sondern lediglich der Rahmen vertraglich festgelegt. Insoweit findet bei den NGOs, die im Wesentlichen durch einen Staat finanziert werden, eine indirekte Steuerung über die Finanzierungszusagen (auch bzgl. bestimmter Projekte) sowie durch die Unterwerfung unter die Finanzierungsbedingungen statt. Da sich die NGOs aber selbst den Zielen verschreiben, ist der endgültige Einfluss des Staates als nicht ausreichend zu erachten, um eine Zurechnung nach Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit auszulösen. Gleiches muss auch bei der Verbindung außenpolitischer Ziele mit dem Handeln der NGOs gelten. Denn in diesen Fällen nutzt der Staat regelmäßig nur das Handeln der NGOs aus, kontrolliert dieses aber nicht im Einzelnen. Ausgeschlossen ist eine solche Kontrolle jedoch nicht, sodass die Zurechnung letztlich eine Frage des Einzelfalls ist. Im konkreten Fall dürfte es allerdings schwierig sein den Nachweis zu führen, dass ein bestimmtes Verhalten tatsächlich vom Staat gewollt oder kontrolliert wurde. bb) Zurechnung in weiteren Fällen Einen weiteren Zurechnungstatbestand enthält Artikel 9 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit. Danach kommt eine Zurechnung in Betracht, „wenn die Person oder Personengruppe im Falle der Abwesenheit oder des Ausfalls der staatlichen Stellen faktisch hoheitliche Befugnisse ausübt und die Umstände die Ausübung dieser Befugnisse erfordern“. Dies ist jedoch im Fall der NGOs und einer möglichen Einflussnahme insbesondere durch die Finanzierung nicht der Fall. Erfüllt ein Verhalten keinen der Zurechnungstatbestände, kann es nach Artikel 11 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit dennoch als Handlung des Staates im Sinne des Völkerrechts zu werten sein, wenn und soweit der Staat dieses Verhalten als sein eigenes anerkennt und annimmt. Fraglich ist also, ob der Staat das Verhalten der NGOs als eigenes anerkennt. Die bereits zi376

Heck, Grenzen der Privatisierung mlitärischer Aufgaben, 80.

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tierten Aussagen Colin Powells sowie des Leiters von USAID, wonach die NGOs ein wichtiger Teil der US-Außenpolitik und ein verlängerter Arm des Staates seien, gehen in diese Richtung. Mit der Frage, wann ein Staat ein Verhalten als sein eigenes anerkennt, setzt sich der IGH im Jahr 1980 in dem Fall zur Teheraner Geiselnahme auseinander: „The result of that policy was fundamentally to transform the legal nature of the situation created by the occupation of the Embassy and the detention of its diplomatic and consular staff as hostages. The approval given to these facts by the Ayatollah Khomeini and other organs of the Iranian State, and the decision to perpetuate them, translated continuing occupation of the Embassy and detention of the hostages into acts of that State. The militants, authors of the invasion and jailers of the hostages, had now become agents of the Iranian State for whose acts the State itself was internationally responsible.“ 377

Nicht ausreichend ist damit die bloße Unterstützung, vielmehr muss der Staat eindeutig äußern, das Verhalten als eigenes zu akzeptieren und übernehmen zu wollen. Art. 11 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit ist zudem so gefasst, dass es sich um eine konkrete Handlung handeln muss, die der Staat für sich akzeptiert. Der Wille, das spezifische Handeln als eigenes anzusehen und die Mitteilung dieses Willens müssen klar und eindeutig sein.378 Damit reichen Pauschalverweise wie die von US-amerikanischen Politikern, Organen oder Behörden getätigen Aussagen nicht aus, die wiederum engen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des Art. 11 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung käme zudem eine Haftung des Staates nach Art. 4 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit in Betracht, wenn ein nichtstaatlicher Akteur vollständig abhängig von einem Staat ist und daher als Organ des Staates angesehen werden kann.379 Dabei ist bereits fraglich, inwieweit eine Abgrenzung zu Art. 8 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit getroffen werden kann und soll.380 In der Regel besteht aber bei humanitären NGOs skeine solche vollständige Abhängigkeit im Sinne einer Instrumentalisierung oder kann zumindest nur sehr schwer nachgewiesen werden.

377 IGH, Urteil vom 24. Mai 1980, Case Concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Teheran (United States of America v. Iran), I.C.J. Reports 1980, 3 ff., Rn. 94. 378 Vgl. auch Vereinte Nationen, Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, Yearbook of International Law Commission 2001, 31, 53. 379 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14 ff., Rn. 109. 380 Vgl. dazu Ryngaert, State Responsibility and Non-State Actors, in: Noortmann/ Reinisch/Ryngaert, Non-State Actors in International Law, 163, 172.

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cc) Rechtswidriges Handeln als Voraussetzung einer möglichen Staatenverantwortlichkeit Wenn das Handeln einer humanitären NGO dem Staat ausnahmsweise zuzurechnen ist, müsste es zudem noch eine völkerrechtliche Pflicht verletzen. Art. 12 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit gibt vor, wann rechtswidriges Handeln gegeben ist. Eine völkerrechtliche Pflichtverletzung liegt danach dann vor, wenn eine Handlung nicht im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen steht, unabhängig von Ursprung oder Wesen der Verpflichtung. In Betracht käme ein Verstoß gegen das Interventionsverbot. Das Verbot der Nichteinmischung ist dabei völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.381 Die UN Charta enthält kein explizites Verbot der Nichteinmischung der Staaten. Art. 2 Abs. 7 UN Charta sieht vielmehr vor, dass aus der Charta keine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, abgeleitet werden kann. Einzige Ausnahme bleibt die Anwendung der Kapitel 7-Maßnahmen. Allerdings anerkennt das Völkergewohnheitsrecht, dass die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates nicht rechtmäßig ist,382 was sich auch in der Rechtsprechung des IGH widerspiegelt: So urteilte der IGH im Nicaragua-Fall, dass das Recht eines souveränen Staates, seine inneren Angelegenheiten selbst zu regeln, ein wesentlicher Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts sei.383 Und auch die Friendly Relations Declaration der Staaten aus dem Jahre 1979 enthält eine Regelung zur Nichteinmischung.384 Mittlerweile sehen auch verbindliche Regionalinstrumente Regelungen zur Nichteinmischung vor. So lautet Artikel 18 der Charta der Organisation amerikanischer Staaten wie folgt: No State or group of States have the right to intervene, directly or indirectly, for any reason whatever, in the internal or external affairs of any other State.

Auch in Art. 4 g des Gründungsakts der Afrikanischen Union spiegelt sich dies wider.

381 Vgl. beispielsweise Udombana, When Neutrality is a Sin, 27 Human Rights Quarterly 2005, 1149, 1158. 382 Udombana, When Neutrality is a Sin, 27 Human Rights Quarterly 2005, 1149, 1158. 383 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, 106. 384 „The duty not to intervene in matters within the domestic jurisdiction of any state“, vgl. Resolution der Generalversammlung 2625 (XXV), Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, UN Doc. A/Res/25/2625.

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b) Verstoß gegen das Interventionsverbot Durch die Handlungen der NGOs, nämlich das Leisten humanitärer Hilfe oder durch die Interaktion mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, könnten innere Angelegenheiten eines Staates betroffen sein, was einen Verstoß gegen das Interventionsverbot begründen könnte. Dies kann, soweit eine staatliche Zurechnung möglich ist, wie gesehen eine rechtswidrige Handlung nach Art. 12 der Artikel zum Recht der Staatenverantwortlichkeit darstellen. Zudem müssen die NGOs damit rechnen, von dem betroffenen Staat wegen Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes verwiesen zu werden.385 aa) Interventionsverbot umfasst grundsätzlich auch die Erbringung humanitärer Hilfe Nicht genau definiert ist, was unter Intervention überhaupt zu verstehen ist.386 Das Völkerrecht definiert weder den Begriff der Einmischung noch den der inneren Angelegenheiten. In einem klassischen Verständnis bedeutet Einmischung eines Staates in die Angelegenheiten eines anderen die Androhung oder Anwendung physischer Gewalt.387 Danach geht das Interventionsverbot mit dem Gewaltverbot einher. Die von den NGOs durchgeführten Handlungen der Leistung humanitärer Hilfe oder der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts unterfielen demnach nicht dem Tatbestand der Einmischung. Allerdings weitet sich der Begriff der Intervention stetig und es besteht gerade keine zwingende Verbindung zum Gewaltverbot.388 Auch nichtmiltärische gewaltlose Formen der Einflussnahme können den Tatbestand der Einmischung erfüllen. Dafür spricht bereits, dass auch diese den Staat in seiner Entscheidungsfreiheit beeinflussen können. Nach dem IGH verbietet das Prinzip der Nichteinmischung einem Staat folgendes:

385 Diese Argumentation bietet natürlich auch eine große Missbrauchsmöglichkeit auf Seiten der Staaten, die stets eine Einmischung in innere Angelegenheiten gerade durch westlich beeinflusste NGOs befürchten. Es steht zu befürchten, dass sich diese Sorgen und damit einhergehend die Bestrebungen der Staaten, dies zu verhindern, verstärken werden. Die bereits zitierten Anti-NGO Gesetze, die vermehrt weltweit erlassen werden und vor allem menschenrechtlich ausgerichetet NGOs treffen, verdeutlichen diesen Konflikt. 386 Vgl. dazu bereits Henkin, Force, Intervention and Neutrality in Contemporary International Law, 57 Proceedings of the American Society of International Law and Its Annual Meeting 1963: Law and Conflict: Changing Patterns and Contemporary Challenges, 147, 154. 387 Isensee, Intervention zwischen Menschenrechtsschutz und Großmachtpolitik, in: Jäckel, Ist das Prinzip der Nichteinmischung überholt?, 29, 31 f. 388 Vgl. Isensee, Intervention zwischen Menschenrechtsschutz und Großmachtpolitik, in: Jäckel, Ist das Prinzip der Nichteinmischung überholt?, 29, 32.

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„[T]o intervene, directly or indirectly, with or without armed force, in support of an internal opposition in another state.“ 389

Betroffen ist dabei jede Entscheidung, die zu den inneren Angelegenheiten eines Staates gehört, über die der Staat selbst und frei bestimmen kann.390 Dazu gehört nach dem Nicaragua-Urteil jede Art der Wahl der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ordnung, denn Schutzgut des Interventionsverbotes ist die staatliche Souveränität.391 Souveränität bedeutet dabei zunächst immer noch,392 dass die Staaten innerhalb ihres Territoriums nach eigener Vorstellung handeln und Regeln setzen dürfen, solange ihre Nachbarstaaten davon nicht betroffen werden.393 Kein Staat und keine Staatengruppe hat damit das Recht, sich unmittelbar oder mittelbar in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. Kein Staat darf dabei militärische, wirtschaftliche, politische oder irgendwelche anderen Maßnahmen anwenden oder zu deren Anwendung ermutigen, um einen anderen Staat zum Verzicht der Ausübung seiner souveränen Rechte zu bringen. Dazu gehört auch die Unterstützung oder Finanzierung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen oder das Eingreifen in bewaffnete Konflikte auf fremdem Territorium.394 Es liegt keine Intervention vor, wenn der betroffene Staat sein Einverständnis gegeben hat oder sogar die Akteure um die Handlungen gebeten hat.395 Intervention umfasst also alle Handlungen einer gewissen Tragweite, die ohne Einverständnis des Staates vollzogen werden, auf dessen Territorium sie stattfinden.396 Damit bedürfen auch die Erbringung humanitärer Hilfe 389 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), I.C.J. Reports 1986, 14 ff., Rn. 108, 109–110. 390 Shaw, International Law, 1148. 391 Vgl. dazu auch schon Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 242. 392 Vor allem in der Literatur, aber auch auf Seiten der Vereinten Nationen wird die Neukonzeptualisierung des Begriffes der Souveränität hin zu einer bloßen Schutzverantwortung dem Staatsvolk gegenüber diskutiert, vgl. Annan, The Question of Intervention, Statements by the Secretary-General, 1999. Dies führte zwar letztlich zur Anerkennung der Responsibility to Protect. Eine Aufhebung des klassischen Souveränitätsbegriff in Gänze spiegelt sich jedoch in der relevanten Staatenpraxis noch nicht wider und ist auch im Hinblick auf die Befriedungsfunktion des Konzepts nicht wünschenswert, vgl. dazu auch Oeter, Humanitäre Intervention und die Grenzen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes, in: Münkler/Malowitz, Humanitäre Intervention, Ein Instrument außenpolitischer Konfliktbearbeitung, 29 ff. 393 Sands, The Environment, Community and International Law, 30 Harvard International Law Journal 1989, 393, 404. 394 Heintze, Interventionsverbot, Interventionsrecht und Interventionspflicht im Völkerrecht, 1 ff. 395 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), The Responsibility to Protect, Research, 16. 396 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), The Responsibility to Protect, Research, 15.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

und die Verbreitung des humanitären Rechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen der Zustimmung des betroffenen Staates. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem humanitären Völkerrecht selbst: Der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen anerkennt keinen direkten Anspruch der Zivilbevölkerung auf Hilfe, vielmehr sind diese lediglich Schutzobjekt im Sinne der Konventionen. Zwar enthält der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen ebenso wie das Zweite Zusatzprotokoll das Initiativrecht für das IKRK und vergleichbare Organisationen, Hilfe anzubieten. Dennoch steht es ihnen nicht frei, diese Hilfe ohne die Zustimmung des betroffenen Staates zu erfüllen.397 Nicht erforderlich ist nach dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen aber die Zustimmung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe, die unter Umständen das Gebiet beherrscht, in dem Hife geleistet werden soll. Aus tatsächlichen Gründen wird allerdings auch deren Zustimmung notwendig sein.398 Auch Art. 70 Absatz 1 Satz 1, 1. Zusatzprotokoll sieht vor, dass humanitäre Hilfsaktionen der Zustimmung der betroffenen Parteien bedürfen. Gleichzeitig anerkennt Satz 2, dass Hilfsangebote, welche die genannten Bedingungen erfüllen, weder als Einmischung in den bewaffneten Konflikt noch als unfreundlicher Akt gelten. Dies wird wiederum bestätigt durch das Initiativrecht des IKRK, denn schon die Existenz desselben in Art. 3 Genfer Konventionen spricht dafür, dass zumindest das Anbieten von humanitärer Hilfe nach den Genfer Konventionen nicht als unrechtmäßige Einmischung gewertet werden kann.399 Insoweit ist alleine die Erbringung auf dem Staatsgebiet oder das Verbreiten von humanitärem Völkerrecht auf einem Staatsgebiet ohne vorherige Zustimmung des Staates eine unzulässige Einmischung. Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der vielzitierten Aussage des IGH in seinem Nicaragua-Urteil, dass die reine Erbringung humanitärer Hilfe keine unrechtmäßige Intervention darstellt: „[P]rovision of strictly humanitarian aid to persons or forces on another country whatever their political affiliations or objectives, cannot be regarded as unlawful intervention, or as in any other way contrary to international law.“ 400

Denn dabei ging es nicht um die selbstständige Vornahme humanitärer Hilfe auf dem Staatsgebiet durch humanitäre Organisationen, sondern vielmehr die Finanzierung der humanitären Arbeit der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe. Diese Form der Unterstützung ist aber im Hinblick auf die Intensität der Betrof397 Vgl. auch Babiker, Application of International Humanitarian and Human Rights Law to the Armed Conflicts of the Sudan, 175. 398 Wie beispielsweise bei OLS, vgl. S. 44 ff., 137 ff. 399 Vgl. auch Sassolì, Taking Armed Groups Seriously, International Humanitarian Legal Studies 2010, 5, 40. 400 IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), I.C.J. Reports 1986, 14 ff., Rn. 242.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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fenheit der staatlichen Souveränität nicht vergleichbar mit einem selbstständigen Auftreten einer Gruppe auf dem Staatsgebiet. bb) Verletzung des Interventionsverbots Tatsächlich werden die Hilfsleistungen auch nur mit dem Einverständnis der betroffenen Staaten möglich sein. Regelmäßig werden die internationalen Mitarbeiter der humanitären Organisationen im Land durch notwendige Visa und Arbeitserlaubnisse kontrolliert. Auch Geneva Call setzt das Einverständnis des Staates, auf dessen Territorium die nicht-staatliche bewaffnete Gruppe agiert, als Notwendigkeit voraus. Sie informieren stets vorab den Staat, wenn sie mit einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe zusammenarbeiten wollen.401 Jede Verletzung der staatlichen Souveränität wird damit durch Einwilligung gerechtfertigt, bei vorherigem Einverständnis liegt bereits kein tatbestandliches Handeln vor. Fraglich ist jedoch, ob ein eventueller Missbrauch humanitärer Hilfe bzw. eine Politisierung derselben den Tatbestand der Intervention erfüllt und nicht von der Einwilligung umfasst ist, bzw. nicht gerechtfertigt werden kann. NGOs äußern vermehrt Bedenken über eine solche Inanspruchnahme der humanitären Hilfe durch politische Akteure. Mittlerweile stimmen sich, wie bereits festgestellt, beispielsweise USAID und die US-amerikanische Regierung über ein gemeinsames strategisches Vorgehen ab. Aus den Weißbüchern von USAID geht hervor, dass die humanitäre Hilfe auch nationale US-amerikanische Sicherheitsinteressen unterstützen soll.402 Dies könnte dem in Art. 3 Abs. 1, 2. Zusatzprotokoll403 niedergelegten Grundsatz widersprechen, dass das humanitäre Völkerrecht nicht zur Beeinträchtigung der Souveränität eines Staates genutzt und dahingehend auch nicht missbräuchlich ausgenutzt werden darf. Allerdings ist auch in solchen Fällen das primäre Ziel weiterhin die Hilfeleistung, die unterschiedslos geleistet wird. Die Politisierung dient nur in einem zweiten Schritt auch den Sicherheitsinteressen der Geberländer wie den USA, denn insgesamt kann die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu einer erhöhten Sicherheit im Sinne der Abwesenheit von Gewalt führen. Bei der Leistung der humanitären Hilfe können diese Sicherheitsinteressen damit ein sozusagen außerplanmäßiges Ziel bedeuten, welches aber die tatsächliche Leistung der Hilfe nicht in ihrer Qualität ändert. Wenn diese Politisierung ein rechtswidriges Verhalten darstellen würde, wäre dieses jedoch ein Verhalten der Staaten selber und nicht der NGOs. Humanitäre Hilfe wird also grundsätzlich nur mit Zustimmung der betroffenen Konfliktparteien 401 Geneva Call, Geneva Call’s Experience Engaging Armed Non-State Actors on Improvised Explosive Devices and Explosive Remnants of War, 4. 402 Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Chance, 67; USAID, White Paper – U.S. Foreign Aid, Meeting the Challenges of the Twenty-first Century. 403 Vgl. dazu auch Bothe/Partsch/Solf, New Rules for Victims of Armed Conflicts, 633.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

geleistet werden und stellt damit keine Intervention dar. Möglich sind aber darüber hinausgehende Verletzungen der staatlichen Souveränität, wenn die Akteure sich außerhalb des genehmigten Rahmens bewegen. cc) Rechtfertigung einer möglichen Intervention In den wenigen Fällen, in denen eine Verletzung des Tatbestandes demnach zu bejahen sein könnte, beispielsweise weil keine Einwilligung vorliegt oder aber die humanitären Organisationen außerhalb des bewilligten Rahmens tätig werden, könnte der Eingriff jedoch gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigung der Verletzung des Interventionsverbots sind anerkannt das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta und kollektive Maßnahmen nach dem Kapitel 7 UNCharta. Daneben hat sich in den letzten Jahren mit der „Responsibility to Protect“ ein weiterer Ausnahmetatbestand etabliert: Wenn der Staat unter Verletzung elementarer Menschenrechte auf seinem Gebiet die individuelle Sicherheit und Souveränität seiner Bewohner gefährdet, können diese Rechte im Rahmen der sogenannten „Responsibility to Protect“ von außen wahrgenommen und gesichert werden.404 Denn ein Staat begibt sich danach dann seiner (Souveränitäts-)Rechte, wenn er schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.405 Unter diesen Voraussetzungen kann ein militärisches Eingreifen im Wege einer humanitären Intervention in die inneren Angelegenheiten völkerrechtlich gerechtfertigt sein. Eine sogenannte humanitäre Intervention406 ist dann gegeben, wenn gegen den Willen des betroffenen Staates mit Zwangsmitteln wie militärischer Gewalt schwere Menschenrechtsverletzungen in dem betroffenen Staat verhindert werden sollen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Verletzung der Menschenrechte von der betroffenen Regierung direkt durchgeführt, nur unzureichend bekämpft oder geduldet wird.407 Diese dargestellten Rechtfertigungsgründe sind in der Regel in Fällen, in denen NGOs ohne Einwilligung oder außerhalb des bewilligten Rahmens tätig werden, nicht gegeben. Denn auch wenn ein bewaffneter nicht-staatlicher Konflikt stattfindet, liegen die Voraussetzungen der „Responsibility to Protect“ nicht immer vor. Dabei muss es sich nämlich um Extremsituationen handeln, in denen der Staat in keinem Fall seinem Auftrag, das individuelle Leben zu schützen, nachkommt.408 404 405

Smith, Humanitarian Intervention, 12 Ethics & International Affairs 1998, 63, 77. Udombana, When Neutrality is a Sin, 27 Human Rights Quarterly 2005, 1149,

1170. 406 Vgl. dazu im Übrigen auch Tomuschat, Humanitäre Intervention, in: Münkler/ Malowitz, Humanitäre Interventionen, 65, 72 f. 407 Zwitter, Menschliche Sicherheit, Humanitäres Völkerrecht 2007, 231, 232; Pfannkuche, Humanitäres Interventionsrecht, in: Gosepath, Weltrepublik, 244. 408 Tomuschat, Humanitäre Intervention, in: Münkler/Malowitz, Humanitäre Interventionen, 65, 69.

Kap. 6: Humanitäre Prinzipien als Handlungsmaxime

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Möglicherweise könnte allerdings ein darüber hinausgehender Rechtfertigungsgrund bestehen. Die dargestellten Rechtsfertigungsgründe sind geeignet, Interventionen im Sinne des Einsatzes physischer Gewalt zu erlauben, also den stärksten möglichen Eingriff in die Souveränität eines Staates. Dessen Belange können aber, wie gesehen, durchaus auch von einem geringeren Eingriff betroffen sein. Dann könnte aber – auch unter Berücksichtigung des dafür auch im Völkerrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsmaßstabes – auch nur eine geringere Rechtfertigungsschwelle notwendig sein, um eben diese geringeren Eingriffe zu rechtfertigen. So argumentiert Zwitter, dass die Verhältnismäßigkeitsabwägung, die im Falle einer humanitären Intervention proklamiert wird, schon einen Schritt früher anzusetzen sei und dann auch die Schwere des Eingriffes in staatliche Souveränität zähle.409 Unbewaffnete Maßnahmen zur Bekämpfung humanitärer Missstände griffen weniger in die Souveränität ein als das Überschreiten der Staatsgrenzen mit feindlichen Truppen.410 In Betracht käme insoweit das Konzept der „Human Security“ als Rechtfertigung. Dessen Ziel ist es, den inhärenten Wert des menschlichen Lebens vor allen Bedrohungen zu bewahren: „The concept of ,[human] security‘ can be defined as the absence of threat to core human values, including the most basic human value, the physical safety of the individual. They identify other core human values as physical security, and the protection of basic liberties, economic needs and interests.“ 411

In bewaffneten Konflikten, aber regelmäßig auch in anderen humanitären Katastrophen, ist die menschliche Sicherheit stets in Gefahr. Sowohl durch die Leistung humanitärer Hilfe als auch durch die Verbreitung des Rechts als Beitrag zur Verhinderung von Gewalt kann diese Bedrohung für die Sicherheit verringert werden. Die Annahme einer solchen Rechtfertigungsmöglichkeit würde aber eine weitere Aufweichung der Grenzen der staatlichen Souveränität bedeuten. Dies muss umso mehr gelten, als dass das Prinzip der „human security“ sehr weit gefasst ist und sich nicht nur auf Sicherheit im Sinne von Abwesenheit von physischer Gewalt, sondern auch auf die Erfüllung wirtschaftlicher Bedürfnisse bezieht und damit nicht als klare Eingriffs- bzw. Rechtfertigungsgrundlage fungieren kann. Aufgrund der Weite des Konzeptes könnte dies insgesamt zu einer Aufhebung der staatlichen Souveränität führen, was aber schon im Hinblick auf die Ordnungsfunktion und Befriedungsfunktion412 dieses Prinzips abzulehnen ist.

409

Zwitter, Menschliche Sicherheit, Humanitäres Völkerrecht 2007, 231, 234. Zwitter, Menschliche Sicherheit, Humanitäres Völkerrecht 2007, 231, 234. 411 Alkire, A Conceptual framework of human security, Working Paper 2003, 15. 412 Vgl. dazu auch Oeter, Humanitäre Intervention und die Grenzen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes, in: Münkler/Malowitz, Humanitäre Interventionen, 29 ff. 410

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Eine Rechtfertigung könnte allerdings noch auf der Ebene einer Güterabwägung stattfinden.413 Dies würde zu einer Gegenüberstellung der staatlichen Souveränität einerseits und andererseits des Individualrechtsschutzes führen. Für ein Überwiegen des Individualrechtsschutzes könnte Resolution 43/131 (1988) der Generalversammlung sprechen, welche bereits das Bedürfnis erkannte, dass auch NGOs im Falle humanitärer Katastrophen grundlegende Unterstützung leisten müssen.414 Der rechtliche Rahmen zeigt jedoch deutlich, dass auch im Falle einer humanitären Katastrophe die staatliche Souveränität gerade nicht aufgehoben werden soll, sondern ein Tätigwerden die Einwilligung voraussetzt. Einem Eingreifen ohne die Zustimmung des betroffenen Staates widerspricht die Staatenpraxis, wonach humanitäre Hilfe nur geleistet werden darf, wenn der betroffene Staat sich einverstanden erklärt oder diese beantragt.415 Ob sich dies im Hinblick auf ein weiter entwickeltes Verständnis von Souveränität, wie es sich in dem Konzept der „Responsibility to Protect“ äußert,416 ändern wird, bleibt abzuwarten. Wenn und soweit also eine NGO ohne Einwilligung des betroffenen Staates oder außerhalb des bewilligten Rahmens, vorgehen würde, würde dies danach einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die staatliche Souveränität bedeuten. c) Zwischenergebnis Regelmäßig wird eine fehlende Unabhängigkeit der humanitären NGOs sowohl beim Erbringen der humanitären Hilfe als auch bei der Verbreitung des humanitären Rechts keine rechtlichen Auswirkungen für die Staaten im Hinblick auf deren völkerrechtliche Verantwortung haben. In den meisten Fällen wird bereits eine Zurechnung ausscheiden. Eine solche Zurechnung würde nur eine effektive Kontrolle des konkreten Handelns der NGOs durch den Staat begründen. Eine solche effektive Kontrolle wird ein Staat aber nur in den seltensten Fällen ausüben, selbst wenn er sich die Ziele und Maßnahmen der NGOs zu Eigen macht und/oder die Arbeit der NGOs in wesentlichen Teilen finanziert. Auf tatsächlicher Ebene ist die humanitäre Hilfe ebenfalls regelmäßig vom Einverständnis des betroffenen Staates gedeckt. Andernfalls ist es auch für die internationalen Mitarbeiter der humanitären Organisationen nur sehr begrenzt möglich, ihre Aufgaben in dem betroffenen Territorium auszuführen.

413 Tomuschat, Humanitäre Intervention, in: Münkler/Malowitz, Humanitäre Interventionen, 69, 78 ff. 414 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), The Responsibility to Protect, 19. 415 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), The Responsibility to Protect, 19. 416 Vgl. dazu Annan, The Question of Intervention, Statements by the SecretaryGeneral, 1999; Anison, International Law and Non-Intervention, 17 Fletcher Forum of World Affairs 1993, 199, 203.

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Über dieses Einverständnis hinausgehendes Verhalten kann jedoch ein Eingriff in die innersten Angelegenheiten des betroffenen Staates sein, wozu auch die Interaktion mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zu zählen ist. Ein solches Verhalten ist auch nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts als nicht gerechtfertigt anzusehen. Im Rahmen einer Güterabwägung spricht allerdings, gerade in Bezug auf die Leistung humanitärer Hilfe, viel für eine Veränderung desselben.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Kapitel 7

Mögliche Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden und rechtlichen Grenzen Humanitäre NGOs befinden sich in einem Spannungsfeld. Teil 1 dieser Arbeit hat gezeigt, dass gerade ihre Tätigkeiten bei der Verbreitung des humanitären Völkerrechts unerlässlich sind und ihre Zusammenarbeit mit bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen dazu führen kann, dass bewaffnete nicht-staatliche Gruppen das humanitäre Völkerrecht besser befolgen. Zugleich sind sie wesentlich dafür verantwortlich, dass humanitäre Hilfe in Krisengebieten und bewaffneten Konflikten geleistet und dadurch das Leiden der Zivilbevölkerung gelindert werden kann. Auf der anderen Seite unterliegen humanitäre NGOs bei diesen Tätigkeiten wesentlichen internationalen und nationalen Beschränkungen, die die Durchführung ihrer Arbeit erheblich erschweren. Daher werden im Folgenden Lösungsansätze untersucht, wie dieses Spannungsfeld aufgelöst werden könnte.

A. Möglichkeiten der NGOs im Rahmen der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung Wie festgestellt sind die NGOs durch die internationalen und nationalen Regelungen zur Terrorismusbekämpfung in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt. Tatsächlich bleiben den NGOs drei sich nicht gegenseitig ausschließende Möglichkeiten,417 mit diesen Beschränkungen umzugehen. Zunächst können die NGOs versuchen, sich den Gegebenheiten anzupassen und ihre Tätigkeit auch in diesem Rahmen so weit wie möglich durchzuführen. Dann müssen sie auch weiterhin allen aufgezeigten Nachteilen418 begegnen. Sie könnten daneben die Regelungen soweit wie möglich außer Acht lassen und darauf vertrauen, dass rein humanitär motiviertes Handeln weiterhin nicht oder selten verfolgt wird.419 Insoweit würden die NGOs aber dauerhaft in einem Umfeld der Rechtsunsicherheit und Illegitimität arbeiten und müssten auch befürchten, dass ihre Reputation Schaden erleidet.420 Sie könnten zudem nicht mit allen relevanten Zuwendungsgebern zusammenarbeiten, da diese unter anderem die Regelungen zur Terrorismusabwehr zum Gegenstand ihrer Verträge gemacht haben. Als dritte Möglichkeit können NGOs ihre Tätigkeiten räumlich oder programmatisch einschränken und sich aus der humanitären Arbeit in bestimmten Län417 Vgl. dazu auch Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 642 f.; Bloodgood/Tremblay-Boire, NGO Responses to Counterterrorism Regulations After September 11th, 12 International Journal of Not-for-Profit Law 2012, 1, 6 ff. 418 Vgl. dazu S. 217 ff. 419 Vgl. dazu S. 208 ff. zu den einzelnen Jurisdiktionen. 420 CHE Working Paper, Enterprise Risk Management, 3.

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dern und aus der Zusammenarbeit mit als terroristische Vereinigungen gelisteten Gruppen zurückziehen.421 Dies würde jedoch eine Verringerung des Schutzniveaus insgesamt bedeuten. Natürlich können NGOs neben diesen drei Handlungsoptionen auch versuchen, entweder durch Lobbying oder durch rechtliche Schritte, gegen die rechtlichen Rahmenbedingungen vorzugehen. Letztlich führt jedoch keine der drei aufgezeigten Möglichkeiten dazu, dass die NGOs zugunsten der Hilfsbedürftigen ihre Tätigkeit ohne große Einschränkungen durchführen und damit das Spannungsfeld zugunsten des Humanitären auflösen können. Gesetzliche Ausnahmegenehmigungen wie die in den US-amerikanische Gesetzesentwürfen HAFA und HAPPA vorgesehenen, wären durchaus eine gangbare Lösung, den Konflikt zugunsten der humanitären NGOs aufzulösen.422 Es fehlt jedoch der politische Wille, solche gesetzlichen Ausnahmen zu kodifizieren. Da auch im Hinblick auf verschiedene terroristische Anschläge weltweit nicht damit zu rechnen, dass sich die Sicherheitssituation aus der Sicht der Staaten verbessert, ist nicht davon auszugehen, dass die Staaten gesetzliche Ausnahmen für humanitäres Handeln in ihre Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr aufnehmen. Da aber so die Arbeit von humanitären Organisationen letztlich zum Nachteil Einzelner stark eingeschränkt wird, müssen Lösungen gefunden werden, diesen Konflikt auch rechtlich außerhalb solcher gesetzlichen Ausnahmen aufzulösen. Um den Gegebenheiten der einzelnen Gruppen und Konflikte gerecht zu werden, kann dabei eine pauschale Lösung nicht ausreichend sein, die jeweiligen Interessen auszugleichen. Zwar wäre im Hinblick auf die humanitäre Hilfe ein Zurücknehmen zahlreicher sicherheitspolitischer Entscheidungen wünschenswert, aber nicht realistisch. Es müssen also individuelle Lösungen gefunden werden, damit humanitäre NGOs auch weiterhin tätig bleiben können, aber auch die legitimen Sicherheitsinteressen der Staaten berücksichtigt werden können. I. Bestehende Vorschläge zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen nationalen Sicherheitsinteressen und humanitären Belangen In der Literatur werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen,423 die Varianz dieser Konzepte ist weit. In der US-amerikanischen Literatur wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Widerspruch nicht notwendigerweise aufzulösen sei, da faktisch eine Verfolgung durch die Behörden nach den „materialsupport“-Gesetzen zumindest bei westlichen NGOs nicht stattfinde.424 Bestätigt 421 Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 643. 422 Vgl. S. 191 f. 423 Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 638 f.; HPCR Working Paper, Humanitarian Action under Scrutiny: Criminalizing Humanitarian Engagement, 27 ff. 424 Vgl. dazu S. 191 ff.

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wird dies durch die Analyse der anderen Jurisdiktionen, in denen bisher keine rechtliche Verfolgung von humanitären Organisationen stattgefunden hat.425 Dies kann allerdings das erhebliche Abschreckungspotential, was gerade die strafrechtliche Verfolgbarkeit auslöst, nicht aufheben. Außerdem kann es kein Kriterium in einem Rechtsstaat sein, dass eine unter Strafe stehende Tätigkeit nur (willkürlich) nicht verfolgt wird. Um zukunftsgerichtet arbeiten zu können, bedürfen die humanitären Organisationen der Rechtssicherheit. Auch ein anderer Vorschlag, nämlich die tatsächliche Auflösung der humanitären Hilfe und Kooperation gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, kann nicht überzeugen.426 Dies steht im absoluten Gegensatz zu den wichtigen Entwicklungen seit Henry Dunant und würde einer selektiven Aufhebung ganzer Teile des humanitären Völkerrechts gleichkommen. Schon die Ausführungen im ersten Teil zeigen aber, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen ist und dass es auch Mittel und Wege gibt, zumindest einige von ihnen zur Rechtsbefolgung zu begleiten. Dies muss umso mehr gelten, als dass im Rahmen asymmetrischer Konflikte die Bedeutung der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen weiter steigt. Zudem stellt auch die Nicht-Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts eine erhöhte Bedrohung für die Sicherheit dar. Vorgeschlagen wird darüber hinaus eine Kooptierung der humanitären Hilfe in die nationalen Sicherheitsbehörden.427 Damit unterfiele die humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit der Aufsicht und Führung nationaler Sicherheitsbehörden. Das gewachsene System der Nichtregierungsorganisationen auch im Bereich des Humanitären wäre damit aber zerstört und die humanitären NGOs könnten ihre Tätigkeit ausgerichtet an den Prinzipien der Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht mehr ausführen. Dies stellt zugleich eine Missachtung der Anforderungen der Genfer Konventionen dar, da diese die Möglichkeit der Hilfe einer unparteiischen nicht-staatlichen Organisation vorsehen. Eine solche Lösung würde also bestehendes humanitäres Völkerrecht verletzen und insbesondere die tägliche Arbeit der Organisation fast unmöglich machen und die Mitarbeiter solcher Organisationen gefährden. Das Handeln der NGOs könnte jedoch zum Gegenstand von Selbstregulierung gemacht werden.428 Die humanitären NGOs könnten durch Selbstverpflichtungs425

S. 208 ff. zu den einzelnen Jurisdiktionen. Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 638; HPCR Working Paper, Humanitarian Action under Scrutiny: Criminalizing Humanitarian Engagement, S. 27 ff. 427 HPCR Working Paper, Humanitarian Action under Scrutiny: Criminalizing Humanitarian Engagement, 32. 428 Margulies, Accountable Altruism, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 539, 558; Modizareh/Lewis/Bruderlein, Humanitarian Engagement under Counter Terrorism, 93 IRRC 2011, 623, 644. 426

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erklärungen versichern, dass sie keine Handlungen vornehmen, um terroristische Aktivitäten willentlich zu unterstützen.429 In diesem Fall ist allerdings bereits fraglich, was unter Unterstützung überhaupt verstanden werden kann und soll.430 Im Falle einer Selbstverpflichtung obläge es auch den NGOs selbst, dies zu bestimmen, was nur schwer von außen zu überwachen ist. Dies kann bereits in Hinblick auf einen möglichen Missbrauch durch NGOs, aber vor allem die berechtigten Interessen nationaler Sicherheitspolitik problematisch sein. II. Weitere Möglichkeiten zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen nationalen Sicherheitsinteressen und humanitären Belangen Möglich erscheint jedoch ein formalisiertes Verfahren, in dem die Staaten und die NGOs gemeinsam präventiv versuchen, die gegenseitigen Interessen von Hilfe und Sicherheit in Einklang zu bringen. Selbstverpflichtungserklärungen der NGOs könnten beispielsweise mit einem Lizenzierungsverfahren verbunden werden, indem die jeweiligen Nichtregierungsorganisationen nach Überprüfung ihrer politischen und humanitären Ziele eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten. Damit könnten die Sicherheitsbehörden präventiv ihre Interessen wahren und im Rahmen einer Prognoseentscheidung die NGOs zertifizieren. Zwar müssten auch in diesem Verfahren die Organisationen ihre Ziele und Arbeitsweise sowie ihre potentiellen Partner offenlegen.431 Dadurch dass dies jedoch präventiv erfolgt und die konkrete Arbeit nicht unter der Aufsicht nationaler Sicherheitsbehörden steht, ist der Eingriff in die Unabhängigkeit der Organisationen mit all seinen negativen Folgen geringer. Solche Unbedenklichkeitsbescheinigung könnten sich entweder auf einzelne Regionen beziehen oder auf die Arbeit einer Nichtregierungsorganisation als Ganzes. Vorzugsweise würden sie sich jedoch auf die Organisation selbst beziehen, da dies den NGOs ermöglichen würde, nach Erhalt dieser Unbedenklichkeitsbescheinigungen schnell und effektiv auch in neuen Gebieten tätig zu werden. Solche Unbedenklichkeitsverfahren und -erklärungen sind den einzelnen Rechtsordnungen auch nicht fremd432 und werden konkret-individuell in einem Verwaltungsverfahren ausgestellt. Die Wahrung der wesentlichen Grundprinzipien der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen wäre dadurch gesichert und den Si-

429 Margulies, Accountable Altruism, 34 Suffolk Transnational Law Review 2011, 539, 558. 430 Vgl. dazu S. 182 ff., 196 ff. 431 Dies müssen sie in der Regel aber auch im Rahmen der Antragsstellung für Fördergelder tun. 432 In Deutschland kennt man solche Verfahren beispielsweis aus dem Baurecht, aber auch aus dem Medien- und Gewerberecht, in Kanada beispielsweise aus dem Steuerrecht.

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cherheitsbedenken eines Staates kann Rechnung getragen werden,433 indem er sicherheitskritische NGOs im Vorhinein nicht lizensiert. Bereits jetzt enthält § 2339B die Möglichkeit, einen „waiver“ zu beantragen, um Ausbildung oder Training an die als terroristische Vereinigungen gelisteten Gruppen zu leiten. Diese Ausnahme gilt aber, wie festgestellt, nicht für direkte humanitäre Hilfe wie die Lieferung von Nahrung und Wasser. In diesem Fall ist außerdem der Eingriff in die Unabhängigkeit der einzelnen humanitären Organisationen stärker, da die Erlaubnis stets nur für eine bestimmte Ausbildungsmaßnahme gegenüber einer bestimmten Gruppe gilt, was wiederum einer staatlichen Kontrolle der genauen Arbeit gleichkommt. Ähnlich ist dies bei den bereits existierenden OFAC-Lizenzen oder denen der englischen DFID.434 Diese werden nur als Ausnahme zu den finanziellen Sanktionen erteilt und stellen keinen Strafhinderungsgrund dar. Sie müssen sich zudem den Vorwurf der Selektivität gefallen lassen, da sie regelmäßig kurzfristig erteilt werden und mithin eher eine politische Entscheidung beinhalten können als eine grundsätzliche Unbedenklichkeitserklärung für die Arbeit einer NGO. Wichtig wäre es in diesem Rahmen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen unter klaren Voraussetzungen ausgestellt werden und das Verfahren rechtstaatlichen Grundsätzen genügt. So muss es klare Fristen zur Entscheidung geben und die Entscheidung muss gerichtlich überprüfbar sein. Ansonsten könnte auch diesem Verfahren der Vorwurf der Selektivität gemacht werden. Die Entscheidungen sollten veröffentlicht und eine Liste der NGOs erstellt werden, die auch in den Augen der Staaten unbedenklich erscheinen, sodass auch private Sponsoren insoweit keine Unsicherheiten haben müssen, welche Organisation sie finanziell unterstützen können. Die Staaten könnten die Sicherheitsüberprüfungen der humanitären Organisationen in angemessenen Abständen wiederholen und die Bescheinigung dann erneuern. Für die NGOs könnten solche Unbedenklichkeitsbescheinigungen wieder einen hohen administrativen Aufwand darstellen. Je nach Rechtslage und extraterritorialer Anwendung der Gesetze müssten die NGOs ein solches Verfahren in verschiedenen Ländern durchlaufen. Gleichzeitig sind die NGOs bei einem solchen Verfahren wiederum von den Staaten, ihrer Gesetzgebung und Einschätzung der Arbeit der NGOs abhängig. Vorzuziehen wäre daher ein internationalisiertes Verfahren, das internationale humanitäre NGOs nur einmal durchlaufen müssten. Es ist allerdings fraglich, ob die NGOs selber ein solches System unterstützen würden. Durch ein solches Lizenzierungsverfahren könnte ihnen leicht 433 De Torrente, Humanitarian Action Under Attack, 17 Harvard Human Rights Journal, 2004, 1, 4. 434 Adelsberg/Pitts/Shebaya, The Chilling Effects of the „Material Support“ Law on Humanitarian Aid, 4 Harvard National Security Journal 2013, 282, 303; vgl. auch S. 194 ff.

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der Stempel „staatlich geprüft“ auferlegt werden, was wiederum ihre Unabhängigkeit in Frage stellen und die Wahrnehmung in der Bevölkerung negativ beeinflussen könnte. Möglich erscheint jedoch, dass ein solches Lizensierungsverfahren unter klaren Voraussetzungen durch das IKRK oder einen internationalen Dachverband durchgeführt werden würde. Dadurch könnte auch dem Vorwurf begegnet werden, dass die Frage der Lizensierung letztlich eine politische und keine rechtliche Entscheidung ist. Insgesamt scheinen solche Bescheinigungen aber eine gangbare Lösung, die beteiligten Interessen auszugleichen. Ob das IKRK jedoch eine solche Aufgabe übernehmen würde, ist im Hinblick auf die administrativen Kapazitäten und die eigene Neutralität allerdings fraglich. Eine andere Lösung könnten Immunitätserklärungen sein. Diese könnten generell oder nur in Bezug auf die Regelungen zur Terrorismusabwehr qua Gesetz die einzelnen humanitären Organisationen von der Strafverfolgung ausschließen. In diese Richtung geht auch die Lösung, die die US-amerikanische Regierung für Internationale Organisationen gewählt hat. Diese werden durch Gesetz für immun erklärt und somit von der Strafverfolgung ausgeschlossen.435 Anders als bei einer gesetzlichen Ausnahme für humanitäre Tätigkeiten könnten Staaten sich dadurch vorbehalten, die einzelnen NGOs vor Aufnahme zu überprüfen. Der Nachteil dieser Lösung gegenüber den Unbedenklichkeitsbescheinigungen ist aber bereits das Verfahren. Da es sich um abstrakt-generelle Ausnahmeregelungen handelt, müssten diese im Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Dies könnte auch für eine große Zahl an kleineren Nichtregierungsorganisationen bedeuten, dass sie nicht berücksichtigt werden. Zudem ist ein Vorgehen gegen eine Negativentscheidung je nach Rechtsordnung gar nicht möglich oder nur schwer durchsetzbar. Ein pauschaler Ausschluss von humanitären Organisationen wird den Sicherheitsbedenken der Nationalstaaten, insbesondere der USA, wohl nicht Rechnung tragen. Mithin sollte durch die Einführung eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens konkret-individuell versucht werden, die in Frage stehenden Interessen abzuwägen und auszugleichen, sodass das humanitäre Arbeiten trotz Sicherheitsbedenken und Anti-Terror-Gesetzen weiterhin möglich bleibt. Unabhängig von dem gewählten Verfahren ist aber wichtig, dass die Rolle der Gerichte gestärkt wird bzw. diese ihre tatsächliche Funktion als Kontrolle der Exekutive und Legislative wieder einnehmen. Gerichte müssen auch in diesem Rahmen stärker in die Revision gehen und politische Entscheidungen auf Faktengrundlage überprüfen. Keine Lösung ist der beispielsweise von den US-Gerichten momentan gewählte Rückzug auf politische Entscheidungsräume, die keiner juristischen Überprüfung offen sind. Da vorliegend Verfassungsrechte betroffen sind, kann eine Einschränkung derselben nicht ohne eine genaue Auseinandersetzung im Einzelfall erfolgen. So ist auch Justice Breyer in der abweichenden Meinung in der Rechtssache Holder v. Humanitarian Law Project zuzustimmen: 435

22 U.S.C. 288a (b) (Internationale Organisationen).

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„In sum, these cases require us to consider how to apply the First Amendment where national security interest are at stake. When deciding such cases, courts are aware and must respect the fact that the Constitution entrusts to the Executive and Legislative Branches the power to provide for the national defense, and that it grants particular authority to the President in matters of foreign affairs. Nonetheless, this Court has also made clear that authority and expertise in these matters do not automatically trump the Court’s own obligation to secure the protection that the Constitution grants to individuals.“ (Hamdi v. Rumsfeld, 542 U.S. 507, 536 (2004) – „we have long since made clear that a state of war is not a blank check . . . when it comes to the rights of this Nation’s citizens“).436

B. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien Nicht nur die Gesetze zur Terrorismusabwehr erschweren die Tätigkeit der humanitären NGOs. Die Wahrung der humanitären Prinzipien ist die Grundlage der Tätigkeit der NGOs und wesentlich für die tägliche Arbeit und die Sicherheit der Mitarbeiter und sollte gleichfalls im Interesse der Staaten liegen. Dennoch ist, wie gesehen, die Einhaltung der humanitären Prinzipien, und insbesondere ein unabhängiges Auftreten für die NGOs in der Realität oftmals schwierig, da die NGOs einen Großteil der humanitären und entwicklungstechnischen Programme der Staaten ausführen und diese auch politischen Einfluss auf die NGOs ausüben (wollen). Die Staaten müssen zudem aus Transparenzgründen, aber auch wegen ihrer finanziellen und politischen Verantwortung, sicherstellen, dass die von ihnen verwendeten Finanzmittel sinnvoll und effektiv eingesetzt werden.437 Insgesamt versuchen in diesem Interessengeflecht nicht nur die NGOs selber, sondern auch die Staaten, durch verschiedene Initiativen die Achtung und Wahrung der Prinzipien zu fördern. I. Versuch der Gewährleistung auf staatlicher Ebene Auf staatlicher Ebene werden verschiedene Lösungsansätze verfolgt, um die Achtung der humanitären Prinzipien zu gewährleisten. Diese Lösungsansätze beziehen sich in der Regel ausschließlich auf die Erbringung humanitärer Hilfe, was auch durch den finanziellen Einsatz der Staaten zu begründen ist. 1. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf nationaler Ebene

Bereits auf nationaler Ebene gibt es verschiedene Initiativen, um die Wahrung der humanitären Prinzipien zu fördern. In Deutschland verständigten sich die im 436 Supreme Court of the United States, Holder et al. v. Humanitarian Law Project et al., Dissenting Opinion Justice Breyer, 561 U.S. 2010, Nos 08-1498 and 09-89, Conclusion part IV, 23. 437 Vgl. dazu S. 229 ff.

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe zusammengeschlossenen Hilfsorganisationen und das Auswärtige Amt für ihre Zusammenarbeit auf die „Zwölf Grundregeln der Humanitären Hilfe im Ausland“.438 Darin wird vor allem die Unterschiedslosigkeit als tragendes Prinzip betont: Nach der Regel 3 wird Hilfe und Schutz ohne Ansehen von Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischer Überzeugung oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen gewährt. Humanitäre Hilfe darf weder von politischen oder religiösen Einstellungen abhängig gemacht werden noch darf sie diese fördern. Einziges Kriterium bei der Abwägung von Prioritäten der Hilfeleistungen ist die Not der Menschen. Neutralität und Unabhängigkeit der NGOs sind nicht als tragende Prinzipien genannt. Zwar erwähnt die Regel 4, dass die bei der Hilfe mitwirkenden Organisationen entsprechend ihrer eigenen Richtlinien und Umsetzungsstrategien in eigener Verantwortung handeln, direkte Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss wird aber nicht erwähnt. Daneben steht das Konzept der Bundesregierung zur Förderung von Vorhaben der Humanitären Hilfe.439 Nach dessen Abschnitt 3.1 sind Gegenstand der Förderung Vorhaben der humanitären Hilfe, die im Einklang mit den international anerkannten humanitären Prinzipien stehen. Bei der humanitären Hilfe stimmt sich das Auswärtige Amt mit internationalen Gebern ab und beachtet die Koordinierungsrolle der Vereinten Nationen.440 Ziel der humanitären Hilfe ist danach, ein Überleben von Menschen in Würde und Sicherheit zu ermöglichen, die in eine akute Notlage geraten sind, die sie aus eigener Kraft nicht überwinden können.441 Humanitäre Hilfe soll die Grundbedürfnisse der Menschen sichern. Das Auswärtige Amt leistet diese Hilfe nicht selbst, sondern fördert finanziell die Arbeit deutscher humanitärer Nichtregierungsorganisationen, internationaler Hilfsorganisationen und insbesondere der Vereinten Nationen und der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.442 Mithin sieht die Bundesregierung die Erbringung humanitärer Hilfe nicht nur als politisches Mittel, sondern ist dem humanitären Imperativ verpflichtet. Abschnitt 4 beschreibt die Grundlagen der Finanzierung, und legt fest, dass humanitäre Nichtregierungsorganisationen bei der Erfüllung ihrer satzungsmäßi-

438 Auswärtiges Amt, Die zwölf Grundregeln der Humanitären Hilfe, abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/humanitaere-hilfe/-/205130 (zuletzt besucht am 10.8.2020). 439 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe. 440 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe, Rn. 3.1. 441 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe, Rn. 1.2. 442 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe, Rn. 2.1.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

gen gemeinnützigen Aufgaben unterstützt werden. Daher müssen die Nichtregierungsorganisationen grundsätzlich auch eigene Mittel für die Projekte einsetzen, dies soll kontextabhängig geprüft und einzelfallbezogen festgestellt werden.443 Dabei sollen sogenannte vergessene Krisen, die mangels medialer Aufmerksamkeit nicht genug gefördert werden und unterfinanzierte Sektoren berücksichtigt werden.444 Das bloße Bestehen dieser Grundprinzipien gibt den NGOs zunächst Rechtssicherheit, da sie positiv wissen, unter welchen Voraussetzungen die Bundesregierung ein Vorhaben fördert. Soweit eine Zusammenarbeit zu diesen Bedingungen stattfindet, können die humanitären Prinzipien befolgt werden und die NGOs unabhängig agieren. Fraglich ist jedoch, ob dies ausreicht. Denn gleichzeitig wird, zumindest in Bezug auf Afghanistan, durch die Bundesregierung, und insbesondere das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)445, das „Konzept der vernetzten Sicherheit“ weiterverfolgt.446 Um finanziell durch das BMZ in Hinblick auf den zivilen Aufbau in Afghanistan gefördert zu werden, müssen die NGOs im Einklang mit dem Afghanistan-Konzept der Bundesregierung von Januar 2010 und in Übereinstimmung mit dem Konzept der vernetzten Sicherheit arbeiten. Auch wird durch die Bundesregierung eine regionale Schwerpunktsetzung vorgenommen, die sich an dem deutschen militärischen Engagement orientiert. Dies kann wiederum Auswirkungen auf die programmatische Unabhängigkeit haben. Wesentlich bedeutender ist aber wohl die Wahrnehmung in der Zivilbevölkerung, wenn nach außen durch das Konzept der vernetzen Sicherheit keine klare Trennung deutlich gemacht werden kann.447 Dieses Konzept betrifft zwar weitestgehend Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit, aber aufgrund der Besonderheiten des Konfliktes eben auch humanitäre Organisationen. Dies stellt die grundsätzlich positive Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den humanitären Organisationen und die gemeinsame Achtung der humanitären Prinzipien zumindest für den Bereich Afghanistan in Frage. 443 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe, Rn. 4.1. Im Rahmen der Zusammenarbeit von NGOs und dem BMZ im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sind dies 25 %, vgl. http://www.bmz.de/de/ was_wir_machen/wege/bilaterale_ez/akteure_ez/nros/index.html (zuletzt besucht am 10.8.2020). 444 Auswärtiges Amt, Referat VN05, Konzept zur Förderung von Vorhaben der humanitären Hilfe, Rn. 4.1. 445 Dieses ist zwar regelmäßig nur für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig. Dennoch wirkt sich die Politik auf die humanitären Organisationen aus, gerade in Situationen in denen Entwicklungszusammenarbeit und die Erbringung humanitärer Hilfe schon rein tatsächlich nicht strikt voneinander zu trennen sind. 446 Vgl. oben S. 232 f. 447 Vgl. oben S. 235 ff.

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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2. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf europäischer Ebene

Die Gewährleistung humanitärer Prinzipien wird auch auf europäischer Ebene grundsätzlich beachtet. Dabei fällt die humanitäre Hilfe in den Bereich gemeinsamer Kompetenz zwischen den Mitgliedstaaten und der EU. In einer gemeinsamen Erklärung, dem Humanitären Konsens, haben sich die Akteure auf Grundprinzipien geeinigt, nach denen humanitäre Hilfe durch die EU und ihre Mitgliedstaaten vorgenommen werden soll. Dabei verpflichten sich die Akteure, die humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu achten und zu fördern.448 Gleichzeitig erklären sie, das Völkerrecht und insbesondere das humanitäre Völkerrecht ebenfalls zu achten und seine Verbreitung zu unterstützen.449 Damit ist zumindest in theoretischer Hinsicht gewährleistet, dass innerhalb des europäischen Rechtsraums die humanitären Grundregeln geachtet werden und auch die NGOs ihnen folgen können. In praktischer Hinsicht wird die humanitäre Hilfe innerhalb der EU durch ECHO, der Generaldirektion für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz verteilt. Im Rahmen der Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen und ECHO schließen die Akteure ein Rahmenabkommen (Framework Partnership Agreement, FPA).450 In diesem werden die jeweiligen Rechte und Pflichten der einzelnen Partner festgehalten, darunter auch die Achtung humanitärer Prinzipien wie Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Nicht-Diskriminierung.451 Das FPA wurde ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit zwischen Nichtregierungsorganisationen und der sie finanzierenden EU-Kommission transparenter und effizienter zu gestalten.452 In diesem Abkommen verpflichtet sich die EU, ihre finanzielle Unterstützung am Bedarf zu orientieren und sich lediglich von humanitären Gründen leiten zu lassen. Eine solche bedarfsorientierte Hilfe kann auf europäischer Ebene leichter von politischen Zielen losgelöst erfolgen als auf nationalstaatlicher Ebene. Ein klarer Vorteil ist dabei die Integration der humanitären Hilfe in die Arbeit der Kommission und der DG ECHO und damit in den Verwaltungsapparat der EU. Die Gefahr der Politisierung der humanitären Hilfe ist in diesem Rahmen geringer. Dafür spricht auch die Koordinierung auf europäischer Ebene, da nationalstaatliche Interessen eher außer Acht gelassen werden können. 448 Europäischer Konsens über die Humanitäre Hilfe, Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedsstaaten, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, 2008/C25/01, Rn. 10. 449 Europäischer Konsens über die Humanitäre Hilfe, Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedsstaaten, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, 2008/C25/01, Rn. 16. 450 Vgl. dazu https://www.dgecho-partners-helpdesk.eu/ngo/home-ngo-fpa (zuletzt besucht am 11.8.2020). 451 Ryfman, Non-governmental organizations, 89 IRRC 2007, 21, 39. 452 Ryfman, Non-governmental organizations, 89 IRRC 2007, 21, 39.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Letztlich bietet die finanzielle Förderung durch die EU, durchgeführt durch die Kommission, für die NGOs eine gute Basis für ein unabhängiges Tätigwerden. Wie bei jeder anderen Förderung aber wirkt sich für die NGOs nachteilig aus, dass die Durchführung des FPA deren administrativen Aufwand deutlich erhöht. So müssen sie unter anderem Zwischenberichte über ihre Tätigkeiten einreichen. Daneben besteht die Möglichkeit, dass ECHO nach einer Buchprüfung das Geld zurückfordern kann, wenn externe Prüfer feststellen, dass die vereinbarten bzw. erklärten Ziele nicht erreicht wurden.453 Auch wenn dadurch den legitimen Interessen der Geldgeber an einer antragsgemäßen Nutzung der Mittel Rechnung getragen wird, sind die NGOs in ihrer Finanzplanung eingeschränkt, da sie unter Umständen Rücklagen bilden müssen. 3. Bestehende Mechanismen zur Sicherung humanitärer Prinzipien auf internationaler Ebene

Auf internationaler Ebene gibt es verschiedene Initiativen und Zusammenschlüsse, um den Interessen der Staaten, aber auch der humanitären NGOs an einer zielgerichteten Arbeit gerecht zu werden. a) United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Auf der Ebene der Vereinten Nationen besteht ebenfalls, wie bereits festgestellt, ein Bekenntnis zu den humanitären Prinzipien Menschlichkeit, Unparteilichkeit und Neutralität, was sich in verschiedenen Resolutionen der Generalversammlung manifestiert hat.454 Auf dieser Grundlage ist OCHA, das United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs gegründet worden. Als Teil des Sekretariats der Vereinten Nationen soll OCHA humanitäre Akteure vernetzen und eine einheitliche Herangehensweise für humanitäre Hilfe in Notfällen schaffen. Dabei ist die zentrale Aufgabe von OCHA humanitäre Hilfe in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Akteuren effektiv zu koordinieren.455 Um dies zu erreichen, verfolgt OCHA den sogenannten „Cluster Approach“.456 In verschiedenen Themengruppen wie beispielsweise Gesundheit, Sicherheit, Logistik oder Notfallhilfe werden nationale und internationale, staatliche und nicht-

453

Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, 62. Beispielsweise UN Doc. A/Res/46/182 vom 19. Dezember 1991, Annex 1, Rn. 2; vgl. dazu bereits S. 224 ff. 455 Vgl. https://www.unocha.org/about-us/who-we-are (zuletzt besucht am 28.9. 2020). 456 Vgl. dazu auch Ryfman, Non-governmental organizations, 89 IRRC 2007, 21, 41 ff. 454

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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staatliche Akteure koordiniert. Die NGOs erbringen dabei regelmäßig die humanitäre Hilfe. Um eine schnelle, effektive, aber auch unabhängige Arbeit der Nichtregierungsorganisationen zu gewährleisten, arbeitet OCHA mit dem Consolidated Appeal Process (CAP): Hilfsorganisationen planen gemeinsam humanitäre Einsätze und die Umsetzung ihrer Verpflichtungen. Dabei konzentriert sich der CAP auf eine enge Zusammenarbeit der Geberländer und der NGOs sowie verschiedener UN-Unterorganisationen. Die Geberländer finanzieren die Aktivitäten, die in den gemeinsamen humanitären Aktionsplan mit aufgenommen worden sind. OCHA stellt den finanziellen Bedarf fest und ruft die Geberländer auf, für eine bestimmte humanitäre Krise Zuwendungen zu leisten. Für akute Krisensituationen hat OCHA einen zentralen Nothilfefonds gegründet.457 Durch diesen ebenfalls von den Geberländern bedienten Fonds können NGOs in Notfällen schnell auf finanzielle Mittel zur Hilfeleistung zurückgreifen. Die Koordinierung der verschiedenen Akteure, sei es auf Seite der Zuwendungsgeber, aber auch auf Seiten der NGOs, kann die tägliche Arbeit der humanitären NGOs verbessern. Die Organisation in den CAP führt dazu, dass die Zuwendungsgeber nicht direkt mit den NGOs zusammenarbeiten, sondern dies unter der Ägide und unter den Bedingungen von OCHA tun. Die Zuwendungsgeber können weiter – auch politisch motiviert – entscheiden, für welche humanitäre Krise sie Mittel aufwenden. Sie können jedoch nicht ohne weiteres entscheiden, welche Nichtregierungsorganisation sie direkt finanzieren. Zudem können die einzelnen Geberländer nur wenig Einfluss auf die Programme der NGOs nehmen, vielmehr sind diese an den Bedarf und die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen angepasst. Nichtsdestotrotz werden auch humanitäre Organisationen, die in diesem Rahmen Hilfe leisten, nicht immer als unabhängig angesehen. Vielmehr kann die Koordinierung der Hilfe durch OCHA dazu führen, dass die Hilfsleistungen nicht mit den einzelnen NGOs assoziiert werden, sondern mit den Vereinten Nationen. Diese wiederum werden partiell auch als Vertreter westlicher Staaten und damit als potentieller Konfliktgegner angesehen. Dies ist auch der Grund, warum das IKRK zwar an der Koordinierung der einzelnen humanitären Aktionspläne teilnimmt, allerdings vor Ort losgelöst von OCHA auftritt. Gleichzeitig wird OCHA zudem vorgeworfen, dass sie nicht umfassend mit lokalen NGOs agiert.458 Dies kann einerseits dadurch bedingt sein, dass OCHA selbst nur mit einer ausgewählten Anzahl an NGOs direkt zusammenarbeitet,459 andererseits aber auch daran, dass lokalen NGOs tatsächlich die Expertise fehlt, in komplexen Katastrophen nach den Standards von OCHA Hilfe zu leisten.

457 458 459

CERF – Central Emergency Response Fund. Ryfman, Non-governmental organizations, 89 IRRC 2007, 21, 42. Ryfman, Non-governmental organizations, 89 IRRC 2007, 21, 43.

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b) Good Humanitarian Donorship Initiative Von den großen staatlichen Zuwendungsgebern wurde außerhalb der Vereinten Nationen die Initiative „Good Humanitarian Donorship“ (GHD) ins Leben gerufen. GHD stellt ein informales Forum dar, in welchem sich die Geberländer der Einhaltung wesentlicher humanitärer Prinzipien verschrieben haben, um humanitäre Hilfe insgesamt effektiver und besser zu gestalten. 2003 haben siebzehn Geberländer diese Initiative gegründet, mittlerweile umfasst sie 42 Mitglieder.460 Die Gründe für den Aufbau des Good Humanitarian Donorship Programms waren vielfältig: Die Zuwendungsgeber waren sich einig, dass die Bereitstellung von Mitteln flexibler gestaltet werden müsse und vor allem an den Bedarf angepasst erfolgen sollte.461 Im Rahmen des GHD haben sich die Mitglieder auf die Einhaltung 23 wesentlicher Prinzipien und geeigneter Verfahrensweisen geeinigt. Diese enthalten auch Bekenntnisse zu den humanitären Prinzipien: „Humanitarian action should be guided by the humanitarian principles of humanity, meaning the centrality of saving human lives and alleviating suffering wherever it is found; impartiality, meaning the implementation of actions solely on the basis of need, without discrimination between or within affected populations; neutrality, meaning that humanitarian action must not favour any side in an armed conflict or other dispute where such action is carried out; and independence, meaning the autonomy of humanitarian objectives from the political, economic, military or other objectives that any actor may hold with regard to areas where humanitarian action is being implemented.“ 462

Gleichzeitig rufen die Mitglieder dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten, zu verbreiten und zu stärken sowie humanitäre Organisationen zu fördern.463 Sie verpflichten sich, humanitäre Hilfe einerseits langfristiger zuzusichern, andererseits flexibel einsetzbar zu gestalten, und die Mittel sollen gleichwertig OCHA und dem IKRK zugutekommen. NGOs sollen darin bestärkt werden, sich dem Verhaltenskodex des Roten Kreuzes und anderen humanitären Organisationen zu unterwerfen.464 Die Initiative wird auch durch das IKRK unterstützt.465 Die tatsächliche Ausgestaltung der Verträge der Zuwendungsgeber auch außerhalb von OCHA setzen jedoch nicht alle diese Ziele um.466 460 Stand September 2020, vgl. http://www.ghdinitiative.org/ghd/gns/about-us/aboutghd.html (zuletzt besucht am 28.9.2020). 461 Szporluk, A Framework for Understanding Accountability of International NGOs and Global Good Governance, Indiana Journal of Global Legal Studies, 2009, 339, 350. 462 Stockholm Principles, Principles and Good Practices of Humanitarian Donorship, § 2, abrufbar unter http://www.ghdinitiative.org/ghd/gns/principles-good-practice-ofghd/principles-good-practice-ghd.html (zuletzt besucht am 28.9.2020). 463 Stockholm Principles, Principles and Good Practices of Humanitarian Donorship, § 16. 464 Stockholm Principles, Principles and Good Practices of Humanitarian Donorship, § 16. 465 Gnaedinger, Humanitarian Principles. 466 Vgl. oben S. 214 ff.

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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II. Versuch der Gewährleistung der humanitären Prinzipien durch die Nichtregierungsorganisationen Viele der Staaten, die regelmäßig als Geberländer fungieren, sind ebenso den humanitären Prinzipien verpflichtet wie die NGOs. Durch die institutionalisierten Prozesse auf europäischer und internationaler Ebene scheint grundsätzlich eine staatliche Unterstützung der NGOs möglich, ohne dass ein zu großer Einfluss auf das Programm genommen wird. Eine Kanalisierung und Koordinierung der humanitären Hilfe auf europäischer und internationaler Ebene verringert den möglichen Einfluss der einzelnen Staaten auf die Programme der NGOs. Allerdings bestehen auch weiterhin Abhängigkeitsverhältnisse. In Kapitel 5 wurde bereits dargelegt, dass auch die Zuwendungsgeber je nach Ausgestaltung der Verträge sogar Einfluss auf das Programm der jeweiligen NGOs nehmen können.467 Ein zentrales Problem ist daneben – wie gesehen – auch die Wahrnehmung in der Zivilbevölkerung.468 Oftmals werden gerade große NGOs als „Vertreter des Westens“ und mithin als mögliche Gegner angesehen. Und auch die zuletzt in Afghanistan und Irak verfolgte zivil-militärische Zusammenarbeit beeinträchtigt die Wahrnehmung von NGOs als unabhängige und neutrale Akteure.469 Daher versuchen die NGOs eigene Maßnahmen zu finden, um die humanitären Prinzipien zu wahren und einerseits Missbrauch in eigenen Reihen, andererseits Missbrauch durch die Staaten zu verhindern. 1. Verhaltenskodex für die Internationale Rot Kreuz- und Roter Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe

Bereits 1993 haben sich verschiedene humanitäre Organisationen unter dem „Verhaltenskodex für die Internationale Rot Kreuz- und Roter Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe“ zusammengeschlossen. Mit diesem freiwilligen Verhaltenskodex wollten die beteiligten humanitären Organisationen den hohen Standard in Bezug auf Unabhängigkeit, Effektivität und Wirkungsgrad bewahren. Dieser Verhaltenskodex enthält die wesentlichen humanitären Prinzipien der Humanität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Nach § 4 des Verhaltenskodex stellen die Unterzeichner ihre Unabhängigkeit von der Außenpolitik der Staaten dar. Sie heben hervor, dass sie nicht in der Absicht handeln, Regierungspolitik umzusetzen. Um eine höhere Akzeptanz vor Ort zu erreichen, wollen sich die humanitären Organisationen bemühen, die lokal vorhandenen Kapazitäten zu nutzen, vgl. § 6 des Verhaltenskodex, und die

467

Vgl. oben S. 214 ff. Vgl. oben S. 235 ff. 469 Vgl. Zweck, Verhaltenskodex für die Internationale Rot Kreuz- und Roter Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe. 468

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Begünstigten bei der Durchführung der Hilfsmaßnahmen mit einzubeziehen, vgl. § 7 des Verhaltenskodex. In Verbindung mit dem Verhaltenskodex haben die humanitären Organisationen rechtlich nicht verbindliche Richtlinien veröffentlicht, die ihre Vorstellung von einer Kooperation mit den Gaststaaten, aber auch mit den Geberregierungen darstellen. Letztere sollen danach eine unabhängige unparteiliche Arbeit der humanitären Organisationen gewähren und die Organisationen nicht dazu nutzen, etwaige politische oder ideologische Ansprüche durchzusetzen. Insgesamt stellt dieser Verhaltenskodex eine weitere nicht verbindliche Kodifizierung der humanitären Prinzipien dar.470 Er spiegelt damit ein gemeinsames Verständnis derselben durch die unterzeichnenden Organisationen wider. Für die Außenwahrnehmung könnte relevant sein, dass die NGOs dieses Verständnis durch ihre Selbstverpflichtung nach außen kundtun und bekannt machen. Letztlich zeigen aber die tatsächlich bestehenden Probleme, dass auch der Verhaltenskodex nicht dazu führt, dass die NGOs vollständig unabhängig arbeiten können oder dies so wahrgenommen wird. 2. Internationale Zusammenschlüsse

Vermehrt schließen sich NGOs in Netzwerken oder Dachverbänden zusammen, um gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln und Grundstandards in ihrer Arbeit zu wahren und zu achten. Diese bisher bestehenden Zusammenschlüsse umfassen aber mehr als nur die humanitären NGOs und sind auch nicht ausreichend, eine bessere Achtung der humanitären Prinzpien zu gewährleisten. Ein Beispiel für einen solchen Zusammenschluss ist das Netzwerk ICVA (International Council of Voluntary Agencies). Dieses globale Netzwerk soll die Zusammenarbeit erleichtern, und gerade kleineren NGOs aus den Entwicklungsländern international eine Stimme geben.471 ICVA wurde bereits 1962 in der Überzeugung gegründet, dass es eine Vielzahl verschiedener humanitärer Organisationen geben müsse, um dem Bedarf gerecht zu werden und dass der Austausch zwischen den Organisationen und ein Lernen voneinander wichtig sei.472 Gerade kleinere NGOs, deren Strukturen und Kapazitäten sich erst entwickeln, können von einem solchen Netzwerk profitieren. Die Arbeit von ICVA wird geleitet von den Prinzipien der Partnerschaft, durch die sich die humanitären Organisationen zu Gleichheit, Transparenz, Verantwortung, Komplementarität und ergebnisorientiertem Arbeiten verpflichten.473 470 Debiel/Sticht, (Ohn-)Mächtige Samariter, in: Klein/Roth, NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 165, 172. 471 Vgl. https://www.icvanetwork.org/about-icva (zuletzt besucht am 12.8.2020). 472 Vgl. https://www.icvanetwork.org/about-icva (zuletzt besucht am 12.8.2020). 473 Diese Prinzipien wurden wiederum von der Global Humanitarian Platform entwickelt. Die Global Humanitarian Platform ist ein Zusammenschluss zum Informations-

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Damit stellt ICVA einen einzigartigen Zusammenschluss humanitärer NGOs auf internationaler Ebene dar. Allerdings geht es auf dieser Ebene lediglich um Informations- und Erfahrungsaustausch und nicht um die Wahrung humanitärer Werte. ICVA ist daher auch kein Dachverband, der für seine Mitglieder einheitlich auftreten kann, sondern ein Netzwerk. Damit kann ICVA zwar die Arbeit gerade von kleineren humanitären NGOs wesentlich erleichtern, fördert aber nicht die Achtung humanitärer Prinzipien. Ein Netzwerk, das eher als Dachverband fungiert, ist InterAction, der größte Zusammenschluss von international tätigen US-amerikanischen NGOs, die in verschiedenen Bereichen wie Umwelt, humanitäre Hilfe oder Entwicklungszusammenarbeit tätig sind. Die Mehrzahl der unter InterAction verbundenen NGOs sind religiöse NGOs. Dennoch zeichnen sich die unter dem Dach von InterAction vereinten Organisationen vor allem durch ihre Diversität aus, die inhaltlich von reiner Lobbyarbeit bis hin zu aktiver Tätigkeit vor Ort reicht.474 Ziel des Zusammenschlusses dieser verschiedenen Organisationen ist es, gegenüber der US-Regierung einheitlich aufzutreten und strategisch für die Finanzierung der vertretenen Programme zu werben. Dabei versuchen die Mitglieder der verschiedenen NGOs durch Schulungen und Workshops gemeinsame Grundlagen zu identifizieren und einheitliche Lösungsansätze für Probleme zu finden, und dabei Werte, Ziele, aber auch Arbeitsweisen der verschiedenen NGOs zu vereinen.475 Beispielsweise verpflichten sich alle InterAction-Mitglieder bestimmte Transparenzregelungen einzuhalten und müssen sich den „Private Voluntary Standards“ unterwerfen. Dies sind Richtlinien über Verwaltung und Programmgestaltung sowie über transparentes und verantwortungsvolles Arbeiten. Alleine die Vorgaben für größere Transparenz reduzieren deutlich den Missbrauch von Spendengeldern und erhöhen die Bereitschaft der Zivilbevölkerung, die Organisationen auch finanziell zu unterstützen. Die Einhaltung der Richtlinien wird allerdings nicht durch InterAction als Dachverband selber kontrolliert. Vielmehr berichten die Organisationen selbstständig darüber.476 Ein weiteres Netzwerk auf internationaler Ebene ist die „World Association of Non-Governmental Organizations“ (WANGO). Das Hauptziel dieser Organisation, in der nicht nur humanitäre NGOs vertreten sind, ist wiederum der Informationsaustausch. Das Innenrecht von WANGO wird bestimmt von einem eigenen austausch zwischen humanitären UN-Organisationen und nicht UN-basierten Organisationen. Auf der Ebene der staatlichen und nicht-staatlichen Zusammenarbeit gibt es zudem noch das Inter-Agency Standing Committee sowie UNHCR’s Executive and Standing Committee. 474 Vgl. dazu auch https://www.interaction.org/members/ (zuletzt besucht am 12.8. 2020). 475 Vgl. dazu https://www.interaction.org/members/ (zuletzt besucht am 12.8.2020). 476 Vgl. wiederum https://www.interaction.org/about-interaction/ (zuletzt besucht am 12.8.2020).

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Verhaltenskodex. In diesem stehen die Pflichten der NGOs und insbesondere finanzielle Rechenschaftspflichten im Vordergrund. Letztlich befasst sich aber keines dieser genannten Netzwerke bisher thematisch mit der Verbesserung der Achtung der humanitären Prinzipien. 3. Gewährleistung humanitärer Prinzipien durch Zertifizierungen

Um ihre Standards und die Qualität ihrer Arbeit zu sichern, bieten einige Verbände oder Organisationen Zertifizierungen an. Um eine Qualitätssicherung der Arbeit humanitärer Organisationen zu erreichen, haben sich beispielsweise Ende der 1990 Jahre verschiedene Initiativen zur sogenannten „Quality Initiative Group“ zusammengeschlossen und nach einiger Zeit einen „Quality Compass“ ins Leben gerufen.477 Anknüpfungspunkte für die Erteilung dieses Zertifikates sind dabei die Qualität der Hilfeleistung an sich, die Identifizierung als humanitäre Gruppe sowie die Einhaltung bestimmter Vorgaben zu verantwortlichem und transparentem Handeln.478 Diese Initiative hat sich aber nicht weiter durchgesetzt und wurde nur vereinzelt von den NGOs zur Messung der eigenen Qualität anhand der Kriterien genutzt. Eine weitere Initiative, die in dieselbe Richtung geht, ist die CHS Alliance.479 Diese hat Standards entwickelt, welche NGOs einhalten sollen, um qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Diese Standards beziehen sich auf Rechenschaftspflichten, Qualitätsmanagement und Qualität der Dienstleistungen an sich. Eine NGO kann, wenn sie die erforderlichen Kriterien erreicht und erfüllt, zertifiziert werden. Die CHS Alliace ist dabei ein Zusammenschluss verschiedener NGOs unter Einbezug von Geberstaaten. Insgesamt sind die dargestellten Initiativen zur Zertifizierung wiederum eine Antwort auf die legitime Sorge der Geber vor möglich mangelnder Transparenz und Missbrauch der Finanzmittel durch die NGOs. Die eigenen Interessen der NGOs wie deren notwendige Unabhängigkeit werden dadurch allerdings nicht gefördert, obwohl das System auch dazu durchaus geeignet scheint. 4. Keine ausreichende Gewährleistung durch die humanitären Nichtregierungsorganisationen

Diese Beispiele zeigen, dass NGOs für sich den Bedarf für einen Zusammenschluss auf internationaler Ebene erkannt haben. Dabei steht allerdings noch der 477 Vgl. http://www.compasqualite.org/fr/index/index.php (zuletzt besucht am 26.1. 2017). 478 Zu Inhalt und Funktion dieser Core Humanitarian Standards vgl. https://www. urd.org/en/project/the-quality-and-accountability-compass-method / (zuletzt besucht am 28.9.2020). 479 Vgl. http://www.chsalliance.org/verification (zuletzt besucht am 12.8.2020).

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Informationsaustausch wie bei ICVA deutlich im Vordergrund. Zentraler Punkt darüber hinaus ist weiterhin die Qualitätssicherung der Arbeit im Hinblick auf Erbringung der Leistung, Transparenz und Rechenschaft. Nicht verfolgt wird auf dieser Ebene hingegen das eigene Interesse der humanitären NGOs der Achtung der humanitären Prinzipien. Dies kann mehrere Gründe haben: Spätestens seit Ende der 1990er Jahre war für die Förderung von NGOs durch die Staaten besonders relevant, dass diese Rechenschaft über die verwendeten Mittel ablegen konnten und sowohl leistungsorientiert als auch transparent arbeiteten. Andererseits haben auch die NGOs selbst erkannt, dass dies wesentliche Faktoren einer stabilen und effektiven Arbeit auch im Bereich der humanitären Hilfe sind. Das Problem fehlender Unabhängigkeit hingegen wurde erst später als wesentliches Problem erkannt. Insbesondere die Vermischung militärischer und humanitärer Ziele durch die Staaten in Konflikten wie in Afghanistan und im Irak hat das Problem verschärft. Der „Verhaltenskodex für die Internationale Rot Kreuz- und Roter Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe“ war daher lange ausreichend, dem mittlerweile darüber hinausgehenden Bedarf einer weiteren Sicherung der humanitären Prinzipien durch die NGOs werden die vorgestellten Ansätze aber nicht gerecht.

C. Möglichkeiten der weitergehenden Sicherung humanitärer Prinzipien Vor allem auf staatlicher Ebene wurden verschiedene Initiativen ins Leben gerufen, um die Wahrung der humanitären Prinzipien zu fördern. Dieser positiven Entwicklung steht allerdings häufig das tatsächliche Verhalten der Staaten wie beispielsweise der USA entgegen. Das Verständnis, dass NGOs ein verlängerter Arm der Außenpolitik sind, hat besonders in Konflikten wie Afghanistan und Irak große Nachteile für die Tätigkeit der NGOs gebracht.480 Auf Seiten der Zivilbevölkerung besteht häufig ein Missverständnis und Unwissenheit über die Arbeit der NGOs und deren Verhältnis zu den Staaten. Dies wiederum wird in solchen Konflikten wie Afghanistan, Irak oder auch Syrien, in denen auch ideologische Konflikte ausgetragen werden und bewaffnete nicht-staatliche Gruppen „den Westen“ als erklärten Feind haben, auch durch diese ausgenutzt. Die NGOs werden damit letztlich zum Nachteil der Zivilbevölkerung vor Ort durch die Konfliktparteien instrumentalisiert, was die Arbeit der humanitären NGOs gefährdet. Insoweit bedarf es weitergehender Lösungen, um die Folgen der fehlenden Gewährleistung der humanitären Prinzipien abzuwehren.

480

Vgl. dazu bereits S. 232 ff.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

I. Wahrung der programmatischen Unabhängigkeit durch Anpassung der Finanzierung Die fehlende Unabhängigkeit und Angriffe auf die Neutralität der NGOs ergeben sich unter anderem aus der finanziellen Abhängigkeit der NGOs von den Zuwendungsgebern. An dieser Finanzierungsstruktur wird sich grundlegend wenig ändern lassen, da die Staaten weiterhin die wesentlichen Kosten der Programme tragen werden, auch wenn daneben noch weitere nicht-staatliche Geldgeber treten. Insoweit ist es besonders wichtig, die programmatische Unabhängigkeit der NGOs zu fördern bzw. zu schützen. Dazu könnte eine gemischte Finanzierung angestrebt werden, sodass der Einfluss eines Zuwendungsgebers nicht ausreicht, die Richtung der Handlungen einseitig vorzugeben. Als Beispiel könnte die Finanzierungsregel der Union of International Associations (UIA) dienen. Diese setzt voraus, dass wesentliche Teile der Finanzierung einer Organisation aus mindestens drei verschiedenen Staaten stammen müssen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die UIA sicherstellen will, dass die Organisationen international und grenzübergreifend tätig sind. Die UIA möchte dadurch solche Vereinigungen ausschließen, die z. B. in den Vereinigten Staaten arbeiten, dort Gelder erhalten und von dort aus grenzüberschreitende Hilfsaktionen organisieren, aber aus Sicht der UIA nicht tatsächlich international tätig sind.481 Trotz einer anderen Zielsetzung scheint dieser Ansatz ebenfalls geeignet, eine zu große Einflussnahme eines Staates auf das Programm einer NGO zu verhindern. Ein anderer Vorschlag zur Wahrung der programmatischen Unabhängigkeit ist, dass die NGOs nur einen geringen Teil ihrer Finanzmittel durch die Staaten beziehen.482 Dies ist jedoch wiederum häufig nicht umzusetzen, da insbesondere Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten, einen großen finanziellen Bedarf haben. II. Wahrung der humanitären Prinzipien durch Selbstregulierung Letztlich muss es noch andere Möglichkeiten geben, die (programmatische) Unabhängigkeit der NGOs sowohl gegenüber den Zuwendungsgebern, als auch gegenüber den Gastländern zu gewährleisten. Während sich die – insbesondere sozialwissenschaftliche – Literatur bereits intensiv damit auseinandergesetzt hat, wie die Verantwortlichkeit und Transparenz der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen zu verbessern ist, um somit den Geldgebern auch Sicherheit zu ver-

481 Blum, Die Anerkennung von NGOs (nichtstaatlichen Organisationen) im Internationalen Privatrecht, 30. 482 Turkmen, The Role of Non-Governmental Organizations within the United Nations system, 2 Transnational Associations 1978, 81 ff.: „A small proportion of their income.“

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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schaffen, dass mit ihren Mitteln verantwortungsvoll umgegangen wird,483 fehlt in der Literatur weitestgehend eine Analyse, wie darüber hinaus das unabhängige Arbeiten der Nichtregierungsorganisationen sichergestellt werden kann. Notwendig erscheint es auch auf dieser Ebene Durchsetzungsmechanismen zu schaffen und die Rechtsbefolgung sowohl auf Seiten der NGOs als auch auf Seiten der Staaten zu fördern. Zunächst können die humanitären Organisationen versuchen, das Problem durch weitere und verstärkte Formen der Selbstregulierung aufzulösen. Dabei kommen zwei Arten in Betracht, nämlich Verhaltenskodizes und internationale Zusammenschlüsse, was sich wiederum in der Anwendung komplementieren kann. 1. Verhaltenskodizes

Zur Wahrung der humanitären Prinzipien durch die NGOs selbst wurde, wie schon festgestellt, der „Verhaltenskodex für die Internationale Rotkreuz-und Roter-Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe“ geschaffen. Dieser reicht aber letztlich nicht aus. Wie auch bei Selbstverpflichtungen auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen können Verhaltenskodizes von humanitären Organisationen zwar Intentionen und Vorhaben nach außen dokumentieren, es fehlt aber regelmäßig an internen Durchsetzungsmöglichkeiten. So sieht auch der „Verhaltenskodex für die Internationale Rotkreuz-und Roter-Halbmond-Bewegung sowie Nichtregierungsorganisationen in der Katastrophenhilfe“ als Innenrecht weder eigene Überwachungsmechanismen noch mögliche Sanktionen vor.484 Daher birgt er die Gefahr, dass das unverbindliche Innenrecht missachtet wird: Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die NGOs das Recht aus den gleichen Gründen befolgen wie die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, nämlich Zwang, Eigeninteresse und Legitimität. Durch Überwachungsmechanismen könnten positive und negative Anreize zur Rechtsbefolgung kombiniert und damit die Rechtsbefolgung auch der NGOs verbessert werden. Dies würde zunächst die Wahrung der Prinzipien nach innen stärken und einen Missbrauch durch die NGOs aufdecken und eventuell beheben können. Die Ausgestaltung könnte, wie in anderen Initiativen, eine Verbindung einer Berichtsstruktur und Überprüfungsmechanismen sein. Die NGOs könnten zur Selbstberichterstattung über die Einhaltung der Prinzipien 483 Gugerty, Patterns and Structures of NGO Self-Regulation in Africa, 7 International Journal of Civil Society Law 2009, 7 ff.; Hammer/Rooney/Warren, Addressing Accountability in NGO Advocacy, 1; Smillie, NGOs and Development Assistance, in: Weiss, Beyond UN Subcontracting, 184 ff.; Szporluk, A Framework for Understanding Accountability of International NGOs and Global Good Governance, Indiana Journal of Global Legal Studies 2009, 339 ff. 484 Reinisch, The Changing International Legal Framework for Dealing with NonState Actors, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, 37, 53; Macrea, NGOs: Has the „N“ gone missing?, The Magazine of the Red Cross and Red Crescent Movement, 1.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

verpflichtet werden und bei Bedarf könnte dies verifiziert werden. Ein bestehender oder beibehaltener Missbrauch könnte sanktioniert werden. Möglich erscheint zum Beispiel ein Ausschluss von dem Verhaltenskodex verbunden mit negativer Berichterstattung. Positive Berichterstattung hingegen kann auch ein wichtiges Publizitätsmittel sein und unter Umständen zu einer positiven Wahrnehmung in der Bevölkerung führen. Das System eigener Durchsetzungsmechanismen ist dabei dem Institut des Verhaltenskodexes nicht fremd. So haben einige bereits existierende Codes of Conduct eigene Durchsetzungsmechanismen, beispielsweise der NGO Code of Conduct in Ethiopia, der Ugandan NGO Forum Code of Conduct und der Draft Code of Ethics and Conduct for African Civil Society.485 Diese wurden geschaffen, um einerseits nationaler Gesetzgebung vorzugreifen,486 andererseits um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine weitere Finanzierung zu gewährleisten. Um einen breiten Förderkreis anzusprechen, unterwerfen sich die NGOs einem sehr weiten Wertekanon.487 In Kenia erhalten zum Beispiel viele Nichtregierungsorganisationen ihre finanziellen Mittel zwar nicht vom kenianischen Staat selbst, aber von ausländischen Staaten und Internationalen Organisationen. Auch dies schafft ein hohes Niveau an Abhängigkeit.488 Die Verhaltenskodizes zeigen aber trotz ihrer Weite, dass eine Verbindung mit Durchsetzungsmechanismen grundsätzlich möglich ist. Bei einem Zusammenschluss mehrerer humanitärer Organisationen unter einem Verhaltenskodex erscheint es aber bereits problematisch, wer dafür zuständig ist, die Einhaltung der Standards zu überprüfen und ggf. zu sanktionieren. Dies könnte einerseits durch ein separates Organ erfolgen, das die Überprüfungsmechanismen steuern und anleiten kann. Dieses muss durchsetzungsfähig und ausreichend in der Lage sein, die Einhaltung der Standards auch zu überprüfen. Daran fehlt es beispielsweise in einigen Ländern, in denen die zuständigen Organe – wie in Äthiopien die Christian Relief and Development Agency (CRDA) – wohl faktisch nicht in der Lage sind, die Einhaltung der hohen Standards wie eine jährliche Rechnungsprüfung, zu überprüfen und durchzusetzen.489 Auf internationaler Ebene müsste ein solch separates Organ erst geschaffen werden, was mit hohen Kosten und hohem administrativem Aufwand verbunden 485 Siehe weitere Beispiele bei Lloyd, The Role of NGO Self-Regulation in Increasing Stakeholder Accountability, One World Trust, 8. 486 Gugerty, Patterns and Structures of NGO Self-Regulation in Africa, 7 International Journal of Civil Society Law 2009, 8. 487 Lloyd, The Role of NGO Self-Regulation in Increasing Stakeholder Accountability, One World Trust, 9 m.w. N. 488 Szporluk, A Framework for Understanding Accountability of International NGOs and Global Good Governance, Indiana Journal of Global Legal Studies 2009, 339, 347. 489 Gugerty, Patterns and Structures of NGO Self-Regulation in Africa, 7 International Journal of Civil Society Law 2009, 12.

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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ist. Möglich wäre auch, dass das IKRK die Funktion eines Kontrollorgans übernehmen könnte. Dies ließe sich schon mit seiner herausragenden Rolle und seiner Sonderstellung als Völkerrechtssubjekt begründen. Das IKRK und seine Arbeit wird auch grundsätzlich von den anderen Organisationen anerkannt, sodass auch damit zu rechnen ist, dass sie die Entscheidungen des IKRK annehmen würden. Wiederum ist aber unklar, ob das IKRK diese Rolle annehmen würde. Bedenken bestehen dabei besonders im Hinblick auf die eigene Unabhängigkeit und Neutralität. Gerade das IKRK betont in Wort und Tat, dass es grundsätzlich alleine, selbstständig und durch seine Nationalgesellschaften agiert. Weiterhin ist unklar, ob das IKRK überhaupt die Kapazitäten hätte, um neben seiner grundsätzlichen Arbeit eine solche Überprüfungskommission zu leiten und durchzuführen. Daneben käme eine Überprüfung der Einhaltung des Codes of Conduct durch einen neutralen dritten Akteur in Betracht. Möglicherweise könnten die UN oder OCHA dabei direkt eine Rolle spielen. Allerdings widerspricht dieser Ansatz wiederum der Unabhängigkeit, da die UN tatsächlich auch Vertreter staatlicher Interessen sind, teilweise selber in Konflikten auftreten und auch gerade in Hinblick auf die Finanzierung bereits Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Vereinten Nationen und NGOs bestehen.490 Insoweit wäre die Schaffung eines neutralen Dritten zu befürworten. Durch die Schaffung einer übergeordneten Organisation könnte ein quasi-hierarchisches Verhältnis geschaffen werden und der Überwachungsmechanismus mit der Möglichkeit der Sanktionierung umgesetzt werden. Eine mögliche Sanktion könnte dann beispielsweise der Ausschluss von gemeinsamen Programmen sein.491 Diese übergeordnete Organisation könnte als Dachverband organisiert sein, sodass die einzelnen humanitären Organisationen gleichberechtigte Mitglieder wären.492 Eine solche Koordinierung unter einem Verhaltenskodex mit Berichts- und Überwachungspflichten könnte nach außen das Selbstverständnis der humanitären Organisationen und deren Bereitschaft, die humanitären Prinzipien zu befolgen, verdeutlichen. Problematisch ist aber der erhöhte administrative Aufwand, der durch die Berichtspflichten entsteht. Auch entsteht ein hoher organisatorischer Aufwand durch langwierige Einigungsprozesse zwischen den verschiedenen NGOs. Solche Abstimmungserfordernisse würden einerseits Fragen der Durchführung betreffen, aber auch inhaltlich bestehen. Wie festgestellt, herrscht beispielsweise schon Uneinigkeit darüber, was die humanitären Prinzipien im Detail bedeuten.493 490

Glad, Partnership at Risk?, 3. Nowrot, Legal Consequences of Globalization: 6 Indiana Journal of Global Legal Studies, 1998–1999, 579, 640 f. 492 Zur Schaffung verschiedener Verhaltenskodizes durch NGO Dachverbände vgl. Lingán/Cavender/Lloyd/Gwynne, Responding to NGO Development Effectiveness Initiatives, One World Trust/World Vision Briefing Paper Number 122, 2. 493 Vgl. S. 221 ff. 491

282

Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen 2. Verstärkte internationale Kooperation

Ein Dachverband könnte zur Stärkung der Unabhängigkeit der humanitären NGOs geschaffen werden. Ähnlich wie OCHA könnte ein solcher Dachverband gegenüber den Zuwendungsgebern auftreten und intern dann die Mittel an die Organisationen nach Bedarf weiterleiten. Als Beispiel könnten nationale Institutionen dienen, in denen auch die Verteilung der Mittel bilateral über verschiedene übergeordnete Organisationen abgewickelt wird. In Schweden läuft die Zusammenarbeit beispielsweise über SIDA. Diese Behörde schließt Rahmenabkommen mit den größeren NGOs ab, und verteilt ihre Mittel an kleinere Organisationen wiederum über Dachverbände. Im Vereinten Königreich schließt die DFIF sogenannte „Partnership Programme Agreements“ (PPAs) ab, wonach mit den jeweiligen NGOs Zielvereinbarungen geschlossen werden, um eine Kontrollmöglichkeit über die Verwendung der Mittel zu haben.494 In einigen afrikanischen Staaten gibt es, wie am Beispiel von Sudan und Uganda gesehen, NGOs Boards, bei denen sich die NGOs vor ihrer Tätigkeit in den Ländern registrieren müssen. Diese könnten auch für die Verteilung der Mittel zuständig erklärt werden. Sie sind allerdings in der Regel staatliche Behörden und von den jeweiligen Regierungen kontrolliert, was den Versuch der Verbesserung der Unabhängigkeit konterkariert. Dies muss umso mehr gelten, als dass diverse Staaten immer weiter versuchen, den Handlungsspielraum der NGOs einzuschränken und durch eine Mittelkontrolle eine weitere Handlungsmöglichkeit dazu hätten. So gibt es beispielsweise in Kenia ein einheitliches NGO-Board, bei dem alle im Land tätigen Organisationen Mitglied sein müssen, das auch über eigene Durchsetzungsmechanismen verfügt und sogar finanzielle Sanktionen verhängen kann.495 Allerdings ist auch dieses NGO-Board von der Regierung kontrolliert und ihm wurde versagt, seine eigene Satzung und Verhaltensregeln aufzustellen.496 Wesentlich ist aber eine absolute Unabhängigkeit eines solchen Boards in der Entstehung und Entscheidung. Auf internationaler Ebene gibt es, wie gesehen, bereits verschiedene Netzwerke humanitärer, aber auch nicht-humanitärer Organisationen, bisher hat jedoch noch keine das Potenzial, als Dachverband zu agieren und die humanitären Prinzipien zu stärken. Neben den bereits genannten Netzwerken gibt es die Union of International Asscociations (UIA), die bereits im Jahre 1907 selbst als NGO mit Sitz in Brüssel gegründet wurde. Ihre Zielsetzung ist es, alle internationalen NGOs zu erfassen und zu dokumentieren, also im Wesentlichen Informations-

494

Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, 62. Gugerty, Patterns and Structures of NGO Self-Regulation in Africa, 7 International Journal of Civil Society Law 2009, 7, 10. 496 Gugerty, Patterns and Structures of NGO Self-Regulation in Africa, 7 International Journal of Civil Society Law 2009, 7, 10. 495

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

283

arbeit zu leisten.497 Darüber hinaus übt die UIA keine koordinierende Funktion aus und arbeitet auch nicht ausschließlich im humanitären Bereich. Es erscheint aber sinnvoll, unter einem möglichen Dachverband nur solche Organisationen zu bündeln, die sich auch durch ihre Arbeit den humanitären Prinzipien verpflichtet fühlen. Die Vorteile einer solchen Organisation liegen auf der Hand. Neben einer möglichen Sanktionierung bei mangelnder Rechtsbefolgung könnte dieser Verband auch Interessen bündeln. Als Gesamtvertreter der humanitären Organisationen könnte diese Organisation gegenüber den Staaten und auch gegenüber OCHA mit einer Stimme sprechen und hätte dadurch eine sehr starke Verhandlungsposition inne. Die Verteilung könnte damit unabhängig von staatlichen und politischen Einflüssen geschehen. Durch einen solchen Dachverband könnten die Finanzmittel der Staaten nach Bedarf in die Projekte und Organisationen kanalisiert werden. Insgesamt könnte ein Netz aufgebaut und gefördert werden, welches als Vertreter der NGOs den Staaten gegenüber tritt. Ähnlich wie OCHA auf der staatlichen Seite, könnten die NGOs unter einem Dachverband ihre Interessen und Programme koordinieren und mithin als gleichberechtigter Verhandlungspartner den Staaten und OCHA gegenüber treten. Dies könnte allerdings dazu führen, dass die kleinen NGOs auf einmal mehr, die größeren NGOs eventuell weniger staatliche Hilfe erhalten, da sie nicht direkt mit den Staaten zusammenarbeiten. Problematisch erscheint aber, dass vielen NGOs gerade ihre Individualität wichtig ist und sie kein gemeinsames Auftreten wünschen. Allerdings sollte eine solche Organisation auch nicht zur Uniformierung der bisher bestehenden humanitären Organisationen führen, sondern vielmehr die Vorteile der Diversität nutzen, um ein breiteres Verständnis in der globalen Zivilgesellschaft zu erlangen. Ein gemeinsamer Ausganspunkt könnte daher auch wieder die Rückbesinnung auf die humanitären Prinzipien sein, die es zu wahren gilt. Ein solcher Zusammenschluss könnte auch den eigenen wirtschaftlichen Interessen der NGOs zuwiderlaufen, da die humanitären NGOs letztlich auch zueinander im Wettbewerb stehen. Um dem entgegenzuwirken könnte jedoch, ähnlich wie bei Gesellschaftsanteilen, zunächst eine gestaffelte Beteiligung der verschieden starken Partner eingerichtet werden. Die großen und auch wirtschaftlich stärkeren NGOs haben bereits jetzt größere Kapazitäten und können daher einen Großteil der Aufgaben innerhalb eines Programms ausführen und sollten demnach auch nach diesem Kapazitätsanteil entsprechend finanziell durch das Netzwerk unterstützt werden. Ein weiterer Vorteil könnte ein einheitliches Auftreten unter einem einheitlichen Zeichen ähnlich wie das des IKRK sein, sodass eine Vermischung mit den staatlichen Akteuren ausgeschlossen ist. Dies könnte jedoch der gewünschten Individualisierung wieder zuwiderlaufen.

497

Frantz/Martens, Nichtregierungsorganisationen, 33 ff.

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Gleichzeitig würde die Schaffung eines solchen Dachverbandes für die NGOs auch Nachteile bringen. Es würde für sie erhöhten administrativen und damit auch erhöhten personalen Aufwand bedeuten und die Institutionalisierung, aber auch die Unterhaltung eines Dachverbandes könnte kostenintensiv sein. Alleine das Festlegen und Abstimmen der Grundlinien bedarf wesentlicher Ressourcen, die die NGOs teilweise nicht haben. Die NGOs müssten unter Umständen auch ihre Arbeitsweise und Herangehensweise koordinieren. Ein Einigungsprozess kann, auch abhängig von der Größe eines solchen Zusammenschlusses sehr langwierig sein und dadurch wiederum wichtige Ressourcen binden. III. Wahrung der humanitären Prinzipien durch verstärkte Interaktion mit der Bevölkerung und den Staaten Als wesentliches tatsächliches Problem stellt sich die Wahrnehmung in der Bevölkerung, die unter Umständen die Arbeit der Organisationen eben nicht als neutral und unabhängig anerkennt, auch wenn diese tatsächlich so erbracht wird. Insoweit könnte bereits eine breite Öffentlichkeitsarbeit diese Perzeption beeinflussen. Dies kann unter Umständen auch durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Gastland und auch mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen selbst erreicht werden. Viele der humanitären Organisationen folgen dem Beispiel des IKRK und verpflichten sich vertraglich dem Gastland gegenüber zur Einhaltung der Prinzipien und der Wahrung der Neutralität und Unparteilichkeit.498 Dies kann vor allem für die Außenwahrnehmung relevant sein. Das Beispiel des Südsudans, in dem die dort tätigen NGOs verpflichtet wurden, das Memorandum of Understanding der SPLM/A zu unterzeichnen,499 zeigt aber auch wiederum die Missbrauchsgefahr solcher Erklärungen. Denn dadurch unterwerfen sich die Organisationen eben oftmals nicht nur den humanitären Prinzipien, sondern zugleich der Kontrolle des Gastlandes, was je nach Ausgestaltung wiederum ihre Neutralität und Unabhängigkeit negativ beeinflussen kann. Möglicherweise könnte aber ein starkes einheitliches Auftreten der humanitären Organisationen dazu verhelfen, bei der Verhandlung solcher Erklärungen auch die Unabhängigkeit zu bewahren. Relevant für die Gastländer ist auch die Forderung nach erhöhter Transparenz, sodass auch für die Begünstigten und Gastländer die Herkunft der Mittel klar ist. Die Frage der Transparenz wurde in Hinblick auf die Rechenschaftspflichten lange thematisiert, aber nur einseitig zugunsten der Geberländer gelöst, die nunmehr regelmäßig Nachweis über die Verwendung der Mittel erhalten sollen. Es muss aber auch für die Gastländer möglich sein nachzuvollziehen, woher die fi498 Epps, Introduction to the Symposium on Holder v. Humanitarian Law Project, 34 Suffolk Transnational Law Review 2001, 474. 499 Vgl. dazu S. 44 ff., 140 ff.

Kap. 7: Auflösung des Spannungsfeldes von notwendigem Tätigwerden

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nanziellen Mittel kommen. Dafür spricht auch das bereits dargestellte Beispiel, dass Mitarbeiter von MSF von Binnenflüchtlingen nach der Herkunft der Mittel gefragt wurden.500 Die neueren Entwicklungen in zahlreichen Ländern zeigen, dass die Staaten eine zu große Einflussnahme auswärtiger Zuwendungsgeber auf die NGOs befürchten und wissen wollen, woher die NGOs ihre Mittel beziehen. Nur so lässt sich die Gesetzgebung in verschiedenen Ländern erklären, wonach die lokalen NGOs, die zu großen Teilen ihre Finanzmittel durch ausländische Staaten beziehen, als „Foreign Agent“ bezeichnet werden. Für die Wahrnehmung in der Bevölkerung ist die Aufklärungsarbeit über die Rolle und Aufgaben humanitärer NGOs besonders wichtig. Die Erfahrungen von UNICEF im Rahmen der OLS501 im Sudan haben gezeigt, dass häufig keine Kenntnis über die humanitären Prinzipien und die Arbeit der humanitären Organisationen bei der Bevölkerung und damit ein grundsätzliches Misstrauen besteht.502 Es erscheint sinnvoll, Verbindungen zu lokalen Traditionen und Werten zu ziehen, um Abwehrprozessen von vornherein zu begegnen.503 Wie schon im ersten Teil gesehen, besteht oftmals weder auf Seiten der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen noch auch auf Seiten der Zivilbevölkerung Wissen über das humanitäre Völkerrecht und die Arbeit humanitärer Organisationen. Eine klarere Definition des Aufgabenbereiches und des Inhalts humanitärer Hilfe kann die Anwendung derselben erleichtern.504 Gleichzeitig könnte ein erhöhter Einbezug lokaler NGOs sowie internationaler NGOs aus den verschiedenen Regionen das Verhältnis entspannen und auch gegenüber der Zivilbevölkerung verdeutlichen, dass gerade die humanitäre Arbeit universale und nicht nur westliche Werte verkörpert.

500

Vgl. S. 235. Vgl. dazu S. 137 ff. 502 Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 15 ff.; vgl. zur Wahrnehmung bei den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen selbst Geneva Call, Perceptions of Armed Non-State Actors on Humanitarian Action, 10. 503 Levine, Promoting Humanitarian Principles, Relief and Rehabilitation Network Paper 21, 15 f. 504 Feinstein International Famine Center, Ambiguity and Change, 55. 501

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Kapitel 8

Zusammenfassende Auswertung und Schlussbetrachtungen A. Zusammenfassende Auswertung Humanitäre Organisationen, die bei der Durchsetzung des Rechts tätig sind und humanitäre Hilfe leisten, arbeiten in einem Spannungsfeld. Einerseits ist ihre Arbeit dringend notwendig, um das Leiden der Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt zu lindern und die Konfliktparteien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu bewegen. Andererseits werden diesen Tätigkeiten vermehrt Hindernisse durch nationalstaatliche Gesetzgebung und dem Versuch der Einbettung der Tätigkeiten in einen staatlichen Rahmen bereitet. Teil 1 der Arbeit hat gezeigt, dass humanitäre NGOs, die bei der Durchsetzung des Völkerrechts gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen tätig werden, bestehende Defizite beispielsweise fehlender Partizipation der Gruppen bei der Rechtsentstehung durch eigene Instrumente ausgleichen können. Die Befolgung des humanitären Völkerrechts durch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen setzt einerseits die Fähigkeit, andererseits den Willen zur Rechtsbefolgung voraus. Die Fähigkeit einer Gruppe das Recht zu befolgen bedeutet zunächst, dass die Gruppe Kenntnis von ihren in einem bewaffneten nicht-staatlichen Konflikt bestehenden Verpflichtungen haben muss. Diese Kenntnis kann nicht vorausgesetzt werden, da bewaffnete nicht-staatliche Gruppen nicht an der Entstehung der Verpflichtungen beteiligt waren. Auch kommen die Staaten ihrer Verpflichtung, das Recht auch in Friedenszeiten zu verbreiten, nicht umfassend nach. Daher kann in der Regel innerhalb der Bevölkerung, aus der sich auch die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen rekrutieren, kein allgemeines Wissen über das humanitäre Völkerrecht vorausgesetzt werden. Das Beispiel der SPLM/A zeigt, dass regelmäßig keine grundlegende Kenntnis über das Recht der Genfer Konventionen besteht. Die Kenntnis einer bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe muss dabei auf zwei Ebenen bestehen. Eine Gruppe muss zunächst wissen oder zumindest feststellen können, wann die Anwendungsschwelle zu einem bewaffneten Konflikt überschritten ist, wann das humanitäre Völkerrecht also überhaupt Anwendung findet. Darüber hinaus muss die Gruppe die einzelnen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht kennen. Im Hinblick auf die Anwendungsschwelle bestand lange Zeit wenig Klarheit, wann ein bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts vorliegt. Der Wortlaut des gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen, der das Recht des nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes regelt, gibt diesbezüglich keine Definition vor. Das Zweite Zusatzprotokoll ist zwar etwas klarer, aber im Anwendungsbereich auch enger als der gemeinsame Artikel 3 Genfer Konventionen,

Kap. 8: Zusammenfassende Auswertung und Schlussbetrachtungen

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sodass letztlich auch ein bewaffneter Konflikt vorliegen kann, der nicht unter das Zweite Zusatzprotokoll, sondern nur unter den gemeinsamen Artikel 3 Genfer Konventionen fällt. Das IKRK hat verschiedene Kriterien zur Bestimmung eines bewaffneten Konfliktes zugrundegelegt. Diese sind jedoch weder verbindlich noch werden sie von allen Staaten geteilt, sodass ein Rückbezug auf diese Kriterien nicht zu Rechtssicherheit führt. Letztlich hat erst die Rechtsprechung des ICTY und des ICTR dazu geführt, dass klare und einheitliche Kriterien bestehen, bei deren Vorliegen von einem bewaffneten Konflikt im Sinne des gemeinsamen Art. 3 Genfer Konventionen ausgegangen werden kann, sodass die Anwendungsschwelle überschritten ist und das humanitäre Völkerrecht Anwendung findet. Diese Kriterien entstammen der Konfliktwirklichkeit und können daher auch bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen leicht näher gebracht werden. Die Kenntnis der Gruppe muss zudem die einzelnen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht umfassen. Wie in Kapitel 2 gesehen, bestehen auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt eine Vielzahl von Verpflichtungen, die sich aus dem Völkervertrags- und dem Völkergewohnheitsrecht ergeben. Diese basieren auf dem Prinzip der militärischen Notwendigkeit, der Unterscheidung, dem Verbot, unnötige Leiden zu verursachen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Ausgestaltung und Konkretisierung der einzelnen Prinzipien ist in den einzelnen Verpflichtungen unterschiedlich weit: Während beispielsweise der gemeinsame Art. 3 Genfer Konventionen wesentliche Grundwerte der Menschheit normiert, enthalten andere Vorschriften detaillierte und sehr technische Vorgaben beispielsweise zur Nutzung bestimmter Waffen oder zum Kulturgüterschutz. Mittel der Wahl zur Erhöhung der Kenntnis ist dabei die Verbreitung des Rechts. Auch wenn die Staaten dazu grundsätzlich verpflichtet sind, das Recht in Friedens- wie Konfliktzeiten zu verbreiten, wird diese Aufgabe vermehrt durch NGOs und das IKRK ausgeführt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Staat in der Regel in einem bewaffneten Konflikt in einem Raum begrenzter Staatlichkeit gegenüber der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe keine Möglichkeit der Verbreitung hat. Dabei sollten nicht nur die Führungsriege einer Gruppe Kenntnis erlangen können, sondern auch die einzelnen Kämpfer, die das Recht täglich beachten müssen. Dazu müssen die NGOs in der Regel das Recht möglichst vereinfachen und gegebenenfalls abstrakte Rechtsbegriffe konkretisieren. Dies kann in der Regel am besten durch Schulungen geschehen, in denen das Recht auch anhand von Beispielen vermittelt werden kann. Wichtig erscheint auch, die Kenntnis des humanitären Völkerrechts auch auf Seiten der Zivilbevölkerung, die unter Umständen in dem Gebiet lebt, das von der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe kontrolliert wird, zu erhöhen. Dazu bedarf es Mechanismen, die ohne viel Aufwand eine Vielzahl von Menschen erreichen können. Neben Broschüren und Flugblättern erscheinen vor allem die Maßnahmen, die Geneva Call im Rahmen ihrer Initiative „Fighter not Killer“ in

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Syrien verfolgt, erfolgsversprechend. Durch eine hohe Präsenz in den sozialen Medien, Videos und einer eigenen App können Grundlagen des humanitären Völkerrechts bekannt gemacht werden. Unter die Fähigkeit einer Gruppe, das Recht zu befolgen, fällt auch deren Möglichkeit, ihre Position nach außen zu verhandeln und das Recht nach innen durchzusetzen: Die Größe und vor allem die Struktur der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe ist dabei relevant für die Rechtsbefolgung. Das Beispiel der SPLM/A zeigt, dass eine starke und homogene Gruppe eher in der Lage ist, Recht zu befolgen und nach innen durchzusetzen als eine kleine und/oder stark fragmentierte Gruppe. Gerade interne Aufspaltungen haben in der SPLM/A vermehrt zu Kämpfen untereinander und zu vielen Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt. Wesentliche Abkommen, auch im Verhältnis zu der Zentralregierung im Sudan, konnte die SPLM/A erst eingehen, als sich die militärischen Auseinandersetzungen beruhigt und die Lage stabilisiert hatten. Das Ergebnis, dass eine stärkere und gut strukturierte Gruppe eher das humanitäre Völkerrecht befolgen kann, steht jedoch häufig im Widerspruch zu dem Ziel der staatlichen Konfliktparteien, die bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen so weit wie möglich zu schwächen und deren Fragmentierung zu fördern, da dies regelmäßig auch deren militärische Schlagkraft schwächt. Neben der Fähigkeit ist auch der Wille, dem Recht Geltung zu schaffen, für die Rechtsbefolgung entscheidend. Die Auseinandersetzung mit rationalen und normativen Theorien zur Rechtsbefolgung aus den verschiedenen Disziplinen in Kapitel 3 hat gezeigt, dass Recht aus verschiedenen Motiven und Kriterien heraus befolgt wird. Diese Kriterien können auch auf das humanitäre Völkerrecht und bewaffnete nicht-staatliche Gruppen übertragen werden. Dabei konnten Zwang, Eigeninteresse und Legitimität als wesentliche Kriterien identifiziert werden, wobei Legitimität sich einerseits auf die Rechtsentstehung, andererseits auf die Wertigkeit einer Norm beziehen kann. Teil der Rechtsentstehung ist im Völkerrecht die Partizipation, die in den verschiedenen Disziplinen als relevantes Kriterium gilt. Die Diskussion, die dabei in der Rechtswissenschaft zum Geltungsgrund des Völkerrechts geführt wird, deckt sich im Wesentlichen mit der zur Legitimität völkerrechtlicher Normen in den Politikwissenschaften. Dieser Befund beruht auf verschiedenen Gründen: Die Legitimität einer Norm ist ebenso zentral für die Frage der Rechtsbefolgung wie für die Frage der Rechtsentstehung selbst. Bei einer strikt juristischen Herangehensweise würde Legitimität zunächst mit der Rechtmäßigkeit ihrer Entstehung übersetzt werden und basiert auf objektiven Kriterien. Wenn und soweit die Voraussetzung zur Normentstehung erfüllt sind, ist die Norm rechtmäßig zustande gekommen und verpflichtet die Normadressaten. Auf Seiten der Rechtsbefolgung hingegen ist die subjektive Seite maßgeblich: Eine Norm kann zwar nicht rechtmäßig zustande gekommen sein, wird aber dennoch befolgt, wenn sie schon aufgrund ihres Inhalts als legitim wahrgenommen wird. Diese Differenzierung zwi-

Kap. 8: Zusammenfassende Auswertung und Schlussbetrachtungen

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schen objektiven und subjektiven Bewertungsmaßstäben spiegelt auch die verschiedenen Ebenen der theoretischen Auseinandersetzung wider. Die Frage der Rechtsentstehung ist ebenso objektiv wie die Frage nach der Rechtsbefolgung vom subjektiven Willen des Adressaten abhängt. Dennoch werden auf beiden Ebenen dieselben Kriterien zugrunde gelegt und vor allem die Bedeutung der Partizipation an der Normentstehung in den Vordergrund gestellt. Schon aus dieser Identität der Kriterien folgt, dass sie bei dem Versuch, Recht auch gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen durchzusetzen, unbedingt berücksichtigt werden sollten. Die dargestellten Methoden der Rechtsdurchsetzung durch die Nichtregierungsorganisationen knüpfen daher grundsätzlich alle daran an, die fehlende Partizipation auszugleichen und wirken damit sowohl auf Rechtsbindungs- als auch auf Rechtsbefolgungsebene. Das Beispiel der SPLM/A zeigt jedoch auch deutlich, dass die Partizipation der Akteure alleine nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen sich die Akteure auch mit dem Inhalt der Norm identifizieren. Wenn der Regelinhalt in Kontrast zu den vorrangigen Interessen der bewaffneten nicht-staatlichen Gruppe steht, ist ein erhöhter Regelbruch zu beobachten. Mithin müssen auch im nicht-hierarchischen Bereich bei Fragen der Durchsetzung die Eigeninteressen der Gruppen berücksichtigt werden. Dies wird unterstützt von den Erfahrungen von Geneva Call. Die Beseitigung von Landminen liegt im zentralen Interesse von solchen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wie der SPLM/A, die sehr strukturiert sind, starke territoriale Kontrolle ausüben und langfristige Herrschaft anstreben, da insoweit das Interesse an der Erhaltung des Landes und des Schutzes der Bevölkerung den kurzfristigen militärischen Nutzen von Landminen überwiegt. Bisher gibt es verschiedene Instrumente, mit denen bewaffnete nicht-staatliche Gruppen sich selbst verpflichten können, das humanitäre Völkerrecht zu befolgen. Durch vertragliche Abkommen oder einseitige Erklärungen oder die Aufnahmen in das Innenrecht kann eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe die Verpflichtungen nach außen und innen kundtun. Dies ist spiegelbildlich zu der staatlichen Vertragszeichnung oder zu innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen. Eine Umsetzung ist dabei Voraussetzung aber auch Indiz für die Befolgung des Rechts. Wie aber auch bei Staaten sagt weder die Selbstverpflichtung noch die Umsetzung etwas über die tatsächliche Einhaltung der Verpflichtungen durch eine bewaffnete nicht-staatliche Gruppe aus. Eine solche Rechtsbefolgung bedarf vielmehr der tatsächlichen Achtung des Regelungsziels auf allen Ebenen. Insoweit sollten negative und positive Anreize gesetzt werden, um die tatsächliche Rechtsbefolgung zu fördern. Dazu sind besonders Überwachungsmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten geeignet. Beispielhaft ist das von der NGO Geneva Call geschaffene Rechtsinstrument der Verpflichtungserklärungen zum Verbot von Landminen, zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zum Schutz vor sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten. Dieses Instrument verbindet alle auf theoretischer Seite identifizierten

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Teil 2: Rechte und Pflichten der Nichtregierungsorganisationen

Kriterien, warum ein Akteur Recht befolgt. Neben den partizipativen Elementen, welche hauptsächlich der Umsetzung dienen, enthalten die Verpflichtungserklärungen mit einem eigenen Berichts- und Überwachungsmechanismus die Möglichkeit, notwendige negative und positive Anreize zu setzen, die Regelungen zu befolgen. Das Beispiel Geneva Call zeigt, dass bei einer Verbindung von Eigeninteresse, Partizipation sowie den notwendigen strukturellen Voraussetzungen nicht-staatliche bewaffnete Gruppen besonders durch NGOs zur Rechtsbefolgung angehalten werden können. Auf dieser Grundlage beschäftigt sich Teil 2 dieser Arbeit mit den rechtlichen und tatsächlichen Hindernissen, denen die NGOs bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten begegnen. Kapitel 5 analysiert dabei die rechtlichen Grenzen, die NGOs sowohl in den Staaten ihrer Gründung, aber auch in Gaststaaten bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten achten müssen. Humanitäre NGOs werden als nationale Organisationen in Deutschland beispielsweise nach dem Vereinsrecht gegründet. Dann ist es Aufgabe der jeweiligen Staaten durch ihre nationalen Regelungen der Vereinigungsund Meinungsfreiheit Geltung zu verschaffen und die Tätigkeiten von NGOs zu ermöglichen. Organisationen wie Oxfam, MSF oder Save the Children sind aber auch in den verschiedenen Nationalstaaten institutionalisiert, um die Frage einer gegenseitigen Anerkennung zu umgehen. Humanitäre NGOs werden aber selten ausschließlich in ihren Gründungsstaaten tätig, sondern vor allem in Staaten, in denen humanitäre Katastrophen oder nicht-internationale bewaffnete Konflikte stattfinden. Dann unterliegen die humanitären Organisationen bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten dem Recht des jeweiligen Empfangsstaates. Regelmäßig haben diese eigene NGO-Gesetze, die vor allem auch die Tätigkeitsvoraussetzungen für ausländische NGOs regeln. Häufig müssen sich NGOs in den betroffenen Ländern registrieren und in diesem Rahmen den Umfang ihrer Tätigkeiten darlegen. Rechtsmittel gegen eine mögliche Versagung oder den Widerruf der Registrierung bestehen beispielsweise im Südsudan nicht. Beispiele wie das NGO-Gesetz aus Uganda zeigen zudem, dass Regelungen, die zu einer Versagung oder einem Widerruf einer solchen Registrierung führen können, sehr unbestimmt sein können und mithin den NGOs wenig Rechtssicherheit bieten. Letztlich können die Empfangsstaaten durch solche Maßnahmen eine strikte Kontrolle der Tätigkeiten humanitärer Organisationen ausüben. Einschränkungen der Visaerteilung und Einreisebeschränkungen können ebenfalls als kontrollierendes Mittel eingesetzt werden. Nicht zuletzt aus diesen tatsächlichen Schwierigkeiten heraus arbeiten auch internationale NGOs oftmals durch lokale Vertreter und unterstützen diese bei der Durchführung gemeinsamer Programme. In den letzten Jahren wurden daneben in verschiedenen Staaten Gesetze erlassen, die einen zu großen Einfluss internationaler NGOs auf ihre politische Aus-

Kap. 8: Zusammenfassende Auswertung und Schlussbetrachtungen

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richtung fürchten, wie das Beispiel der „Foreign-Agent“-Gesetzgebung in Russland zeigt. Dies kann sich letztlich auch negativ auf die Wahrnehmung humanitärer NGOs als neutrale und unabhängige Akteure auswirken. Besonders stark schränken die Staaten den Handlungsrahmen der NGOs aber aus eigenen Sicherheitsinteressen ein: Die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung hat in den letzten Jahren, insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001, stark zugenommen. Diese Regelungen verfolgen das legitime Ziel, Terroristengruppen Einhalt zu gebieten und den Sicherheitsbedenken der Staaten gerecht zu werden, schränken aber den Handlungsrahmen der NGOs erheblich ein. In diesem Rahmen haben einige Staaten sowie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Regelungen erlassen, die eine Zusammenarbeit mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, die als terroristische Vereinigungen oder Organisationen angesehen werden, erheblich erschweren und unter Strafe stellen. Auch sind wirtschaftliche Sanktionen gegenüber den Handelnden möglich. Diese Rechtsfolgen können teilweise bei bloßer Unterstützung der jeweiligen als terroristische Vereinigung gelisteten Gruppe ausgelöst werden. Beispielhaft ist die „material-support“ Gesetzgebung in den USA. Auffällig ist dabei der sehr weite Tatbestand und die extraterritoriale Anwendung, die Tatsache, dass es gerade für humanitäre Tätigkeiten keine hinreichenden Ausnahmen gibt und dass ein Verstoß gegen dieses Verbot schwerwiegende strafrechtliche Folgen haben kann. Nach der hier vertretenen Ansicht verstößt schon die strafrechtliche Ahndung jeder Unterstützungshandlung gegen US-amerikanischen Verfassungsrecht und gegen das Völkerrecht. Auch in anderen Ländern gibt es verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Regelungen über die verbotene Unterstützung von als terroristische Vereinigungen gelistete Gruppen. So steht in Australien auch das Training von solchen Gruppen unter Strafe. Die Darstellung der Bestimmungen der verschiedenen ausgewählten Jurisdiktionen zeigt die Bandbreite an Regelungen, mit denen sich NGOs im Rahmen der nationalen Gesetzgebung zur Terrorismusabwehr auseinandersetzen müssen. Insgesamt haben nur wenige Staaten Ausnahmetatbestände geschaffen. Auffällig ist zudem die Bandbreite gerichtlicher Auslegung des Begriffes „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Der US-Supreme Court hat den Tatbestand des „material support“ nicht eingegrenzt und geht davon aus, dass einer terroristischen Vereinigung letztlich jede Unterstützungsleistung in irgendeiner Weise zugutekommt, und sei es, weil dadurch andere Ressourcen frei werden. Er kommt seiner Kontrollfunktion damit nicht ausreichend nach und zieht sich letztlich darauf zurück, dass nationale Sicherheitsinteressen betroffen sind. Der EuGH hingegen geht davon aus, dass Mittel tatsächlich geeignet sein müssen und für die Unterstützung terroristischer Tätigkeiten genutzt werden können. Zudem sind Regelungen zur Terrorismusabwehr auch in den Verträgen der Zuwendungsgeber enthalten. Im Rahmen des Partner Vetting Programs von USAID

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werden die NGOs darüber hinaus verpflichtet, detaillierte Informationen über ihre Partnerorganisationen, deren Mitarbeiter und die Empfänger der humanitären Hilfe weiterzugeben. In Australien verpflichten sich die NGOs vertraglich, Informationen sofort weiterzugeben, sobald sie etwas über potentielle terroristische Vereinigungen erfahren. Dies verdeutlicht den Konflikt, in dem sich die NGOs befinden, eindrücklich: Ein vertrauensvoller Dialog mit solchen Gruppen wird nicht mehr möglich sein und die Arbeit der NGOs dadurch erheblich eingeschränkt. Die stetig wachsende Zahl der Regelungen zur Terrorismusabwehr und die fehlenden Ausnahmen sind bedenklich und können dazu führen, dass die NGOs ihre Arbeit mit einzelnen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen nicht mehr fortführen können oder wollen. Humanitäre NGOs arbeiten in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten (auch) mit bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen und können – auch vor dem Hintergrund des humanitären Völkerrechts – keinen Unterschied zwischen den Parteien eines Konflikts machen. Das Beispiel Somalias zeigt, dass die Erbringung humanitärer Hilfe nur sehr schwer möglich ist, wenn eine Gruppe, die ein Gebiet kontrolliert, als terroristische Vereinigung gelistet und jede Art der Unterstützung verboten ist. Insoweit betreffen die Einschränkungen und Verbote, die eigentlich die Terrorabwehr bezwecken, die humanitäre Arbeit einer Vielzahl von Organisationen. Die Regelungen der Staaten können dazu führen, dass die NGOs den humanitären Zugang zu der Bevölkerung nicht verhandeln, Hilfsgüter in besetzte Gebiete nicht leisten oder das Recht nicht verbreiten kann. Gesetzliche Ausnahmetatbestände für die Arbeit der humanitären Organisationen bestehen in der Regel nicht. In den USA lagen im Gesetzesentwurf unterschiedliche Ausgestaltungen vor, die geeignet gewesen wären, humanitäre Tätigkeiten aus der strafrechtlichen Verantwortung herauszunehmen. Es fehlt jedoch am politischen Willen der Umsetzung. Selbst wenn die Handlungen bisher faktisch nicht verfolgt wurden, befinden sich die NGOs in einem Status der absoluten Rechtsunsicherheit. Insoweit werden in Kapitel 7 andere Lösungsansätze aufgezeigt, wie dieser Interessenkonflikt zugunsten der humanitären Organisationen aufgelöst werden kann, ohne dabei die Interessen der Staaten außer Acht zu lassen. Als geeignet erscheint es, Selbstverpflichtungen der NGOs mit einem Lizenzierungsverfahren zu verknüpfen, welches die NGOs und ihre Handlungen legitimiert. Dabei wird den Staaten ermöglicht, Sicherheiterwägungen im Rahmen einer grundsätzlichen Überprüfung der NGOs zu berücksichtigen. Um sich nicht dem Vorwurf der Selektivität auszusetzen, müssten solche Lizenzierungen präventiv vergeben werden. Um divergierende Entscheidungen der verschiedenen Staaten, aber auch politisch willkürliche Entscheidungen zu vermeiden, wäre ein internationales Verfahren für international agierende NGOs wünschenswert. In der Regel ist es für NGOs gerade im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit nicht erstrebenswert, als staatlich zertifizierte Organisationen zu gelten. Dem könnte dadurch begeg-

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net werden, dass solche Zertifizierungen beispielsweise durch das IKRK erteilt würden, wobei unklar ist, ob das IKRK solch eine Rolle annehmen würde. Daneben sind humanitäre NGOs den humanitären Prinzipien der Humanität, Neutralität, Unabhängigkeit und Unterschiedslosigkeit verpflichtet, die in Kapitel 6 untersucht wurden. Diese sind, auch wenn sie teilweise als „westliche Werte“ angesehen werden, international anerkannt und finden sich insbesondere im Innenrecht der NGOs wieder. In den Genfer Konventionen wird lediglich vorausgesetzt, dass eine humanitäre Organisation unterschiedslos tätig wird. Letztlich bedingen sich die Prinzipien gegenseitig und sind vor allem für die tägliche Arbeit der Organisationen und die Sicherheit der Mitarbeiter besonders wichtig. Finanzielle Unabhängigkeit und die Förderung zivil-militärischer Zusammenarbeit durch die Staaten führen dazu, dass die Prinzipien durch die NGOs nicht immer gewahrt werden. Auch die ständig wachsende Anzahl der Akteure auf allen Ebenen kann dazu führen, dass die Prinzipien nicht (mehr) durch verschiedene Organisationen geachtet und damit letztlich insgesamt geschwächt werden. Letztlich entscheidend ist dabei auch die Wahrnehmung in der Bevölkerung und durch die Konfliktparteien. Insgesamt zeigen die Beispiele, dass die Wahrung der Unabhängigkeit für die NGOs zunehmend schwierig ist. In der Konfliktwirklichkeit führt dies dazu, dass humanitäre NGOs vermehrt nicht mehr als neutral und unabhängig angesehen werden, sondern als Vertreter des Westens und nicht zuletzt dadurch der Zugang oder die Zusammenarbeit verwehrt werden. Denn eine humanitäre NGO wird letztlich nur humanitäre Hilfe leisten, mit den Konfliktparteien über den Zugang verhandeln und das Recht verbreiten können, wenn sie als unabhängiger Akteur wahrgenommen wird. Dies wird besonders deutlich in Konflikten wie Afghanistan und Irak, in denen die Hauptzuwendungsgeber auch als Konfliktpartei beteiligt sind. In diesen Konflikten kommt es immer häufiger zu Angriffen auf Mitarbeiter der humanitären Organisationen. Rechtlich hat die fehlende Gewährleistung der humanitären Prinzipien regelmäßig keine Auswirkungen auf die NGOs. Denn diese sind zwar nach ihrem Innenrecht verpflichtet, doch gibt es in diesem Bereich regelmäßig keine Möglichkeit, einen Verstoß zu sanktionieren. Für die Staaten kann ein zu großer Einfluss auf humanitäre NGOs ausnahmsweise einen Verstoß gegen das Völkerrecht nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit bedeuten. In den meisten Fällen wird zwar bereits eine Zurechnung ausscheiden: Dazu bedarf es einer effektiven Kontrolle des konkreten Handelns der NGOs durch den Staat. Eine solche effektive Kontrolle wird ein Staat aber nur in den seltensten Fällen ausüben, selbst wenn er sich die Ziele und Maßnahmen der NGOs zu eigen macht. Ein Nachweis einer solchen effektiven Kontrolle ist zudem schwer zu führen. Neben der Zurechnung des Verhaltens müsste das Verhalten aber auch noch rechtswidrig sein und gegen das Interventionsverbot verstoßen. Auf tatsächlicher Ebene ist das Handeln der NGOs regelmäßig vom Einverständnis des betroffenen Staates gedeckt. Andern-

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falls ist es auch für die internationalen Mitarbeiter der humanitären Organisationen nur sehr begrenzt möglich, ihre Aufgaben in dem betroffenen Territorium auszuführen. Über dieses Einverständnis hinausgehendes Verhalten kann jedoch einen Eingriff in die innersten Angelegenheiten des betroffenen Staates darstellen, wozu auch die Interaktion mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen zählen kann. Ein solches Verhalten ist nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts als nicht gerechtfertigt anzusehen. Im Rahmen einer Güterabwägung spricht allerdings vieles dafür, dass gerade in Bezug auf die Erbringung humanitärer Hilfe eine Rechtfertigung der Handlung möglich ist. Letztlich führt aber die – zumindest die so wahrgenommene – fehlende Unabhängigkeit der humanitären Organisationen zu tatsächlichen Problemen bei der täglichen Arbeit der NGOs und insbesondere zu Sicherheitsrisiken für die Mitarbeiter der humanitären Organisationen. Diese werden nämlich vermehrt angegriffen. Die Unabhängigkeit der NGOs muss daher gestärkt werden, dass diese ihre Arbeit auch weiterhin ausüben können. Bestehende Mechanismen auf nationaler und internationaler Ebene zur Sicherung der humanitären Prinzipien sind, wie in Kapitel 7 gezeigt wird, nicht ausreichend. Finanzielle Abhängigkeit kann zu programmatischer Abhängigkeit führen und gerade staatliche Maßnahmen wie die Strategien zur zivil-militärischen Zusammenarbeit führen dazu, dass humanitäre NGOs auch vermehrt als Vertreter des Westens oder der internationalen Streitkräfte angesehen werden. Die humanitären Prinzipien können aber nach der hier vertretenen Ansicht durch eine verstärkte Zusammenarbeit der NGOs untereinander gestärkt werden. Beispiele zeigen, dass eine stärkere Vernetzung von humanitären NGOs zu einer Stärkung ihrer Positionen insgesamt führt. Dies gilt in der Zusammenarbeit mit den Geberstaaten genauso wie in der Zusammenarbeit mit den Konfliktparteien: Ein einheitliches Auftreten und eine gemeinsame Position könnte die Verhandlungsposition der NGOs insgesamt stärken. Dies fehlte beispielsweise bei der Zeichnung des Memorandum of Understanding gegenüber der SPLM/A. Während einige NGO die Zeichnung verweigerten, da sie Bedenken wegen ihrer Unabhängigkeit hatten, haben andere die Bedingungen der SPLM/A direkt akzeptiert. Insoweit bestand keine gemeinsame Verhandlungsposition auf Seiten der NGOs, was letztlich deren Stellung gegenüber der SPLM/A geschwächt hat. Unter einem Dachverband könnten NGOs ihre einzelnen Interessen bündeln und gemeinsam stärker auftreten. Das Beispiel der SPLM/A zeigt deutlich, dass die Zusammenarbeit verschiedener humanitärer NGOs unter einem Dach funktionieren kann. Für den Sudan hat sich das Modell der OLS bewährt, um eine im Umfang einzigartige Hilfsaktion zu bewältigen. Allerdings bestehen auch bei einem Zusammenschluss verschiedener NGOs unter dem Dach der Vereinten Nationen Bedenken, ob die notwendige Unabhängigkeit und Neutralität der NGOs gewährleistet werden kann. Dies hat auch das IKRK bewogen, außen vor und losgelöst von OLS zu agieren.

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In einen solchen Dachverband integriert könnte, wie bei OCHA, eine Verteilung der Mittel durch einen solchen Dachverband dazu führen, dass der Einfluss der einzelnen Staaten auf die programmatischen Entscheidungen der NGOs weiter eingeschränkt wird und humanitäre Hilfe weniger politisiert werden kann. Im Hinblick auf die Wahrnehmung in der Bevölkerung könnten Selbstverpflichtungen, die unter Umständen mit Berichts- und Überwachungspflichten verknüpft werden können, insgesamt zu einer besseren Akzeptanz der humanitären Organisationen führen. Allerdings könnte der Zusammenschluss unter einem solchen Dachverband den Interessen der NGOs im Hinblick auf ihr Alleinstellungsmerkmale zuwiderlaufen. Gerade humanitäre NGOs stehen nämlich auch bei der Allokation der Ressourcen zueinander im Wettbewerb und sind insoweit sehr auf ihrer Individualität bedacht. Besonders wichtig ist in jedem Fall aber die Verbreitung der humanitären Prinzipien und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, denn nur so kann letztlich auch die Wahrnehmung in der Bevölkerung positiv beeinflusst werden.

B. Schlussbetrachtungen Gegenwärtig stehen bewaffnete Konflikte wie der in Syrien im Fokus, die insbesondere dadurch gekennzeichnet sind, dass keine der Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht umfassend beachtet. Beteiligte bewaffnete Gruppen setzen vielmehr gezielt Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht als Mittel der Kriegsführung ein. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunehmend fraglich, ob und wieweit bewaffnete nicht-staatliche Gruppen zur Einhaltung der humanitären Völkerrechts angehalten können. Anders als dieses Beispiel aber glauben macht, befolgen auch bewaffnete nicht-staatliche Gruppen das humanitäre Völkerrecht: Die Gruppen unterscheiden sich nämlich nicht nur in Struktur und Auftreten, sondern verfolgen auch sehr unterschiedliche Ziele und Motive. Das Beispiel von Geneva Call zeigt, dass verschiedenste Gruppen bereit sind, mit NGOs (und auch der internationalen Gemeinschaft) in Dialog zu treten und Regeln einzuhalten. Sie können, wie auch das Beispiel der SPLM/A und weiterer Gruppen zeigt, durch externe Anreize zur Rechtsbefolgung beeinflusst werden. Diese Arbeit hat das Spannungsfeld aufgezeigt, in dem sich humanitäre Organisationen bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gegenüber diesen bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen bewegen: Ihre Arbeit ist unerlässlich, damit die Rechtsbefolgung auf Seiten der Gruppen verbessert werden kann. Auf der anderen Seite sind die NGOs bei der Ausführung ihrer Arbeit stark reglementiert. Restriktionen ergeben sich auf rechtlicher Ebene durch nationale Gesetzgebung sowie auf tatsächlicher Ebene durch einen, unter Umständen auch nur wahrgenommenen, Einfluss der Staaten auf ihre Tätigkeit. Die Einschränkungen steigen

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dabei nicht zuletzt wegen der steigenden Sicherheitsinteressen der Staaten im Hinblick auf den sogenannten Kampf gegen den Terror. Die Staaten versuchen damit dem Auftreten solcher Gruppen wie dem Islamischen Staat Einhalt zu gebieten und ihren Bestand und ihre Bürger zu schützen. Dies hat jedoch, wie gesehen, negative Auswirkungen auf die Arbeit der humanitären Organisationen. Eine Rückbesinnung auf rein staaatliche Lösungsansätze im humanitären Bereich und stärker kontrollierende und einschränkende Regelungen scheint die falsche Herangehensweise. Vielmehr kann und muss den staatlichen Interessen anders begegnet werden: Lösungsansätze wie die Erteilung präventiver Unbedenklichkeitsbescheinigungen, der Zusammenschluss humanitärer NGOs unter einen Dachverband sowie Zertifizierungen für eine unabhängigere Arbeit der NGOs erscheinen als Ergebnis einer Interessenabwägung umsetzbar. Diese Ansätze bieten tatsächliche und rechtliche Möglichkeiten, den Sicherheitsinteressen der Staaten auf der einen Seite und den humanitären Interessen der NGOs und der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite gerecht zu werden. Die Staaten müssen den rechtlichen Rahmen schaffen, dass die humanitären NGOs auch in Zukunft ihre Arbeit unabhängig und ohne Schwierigkeiten leisten können. Grundlegende Voraussetzung ist dafür, das auf allen Seiten bestehende Misstrauen zu verringern. Nur dann kann unter der Beteiligung der humanitären NGOs auch gegenüber bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts gestärkt und verbessert werden, was letztlich zu einer Verbesserung des Sicherheitsgefüges insgesamt führen kann.

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Stichwortverzeichnis Abyei 43 Addis Abeba 40 f., 46 Ad hoc-Abkommen 141, 143 Ad-hoc Tribunale 56 Afghanistan 105, 215, 227, 229, 232, 234 ff., 240, 243, 268, 273, 277, 293 Afrikanische Union 251 Ägypten 172, 180 f. Akayesu Urteil 52, 60, 70 f., 86, 119 Akol, Lam 44, 137 Alabama Hall 153, 163 Al-Quaida 182, 242 Al-Shabaab 193, 238 f. Anknüpfungspunkt, legitimierender 170, 204 ff., 248, 276 Anreizsteuerung 31, 33, 85, 91 ff., 95, 123, 127, 129 ff., 146, 149, 165, 171, 279, 289 f., 295 Anti-Terror Gesetzgebung 202, 206, 214, 219 f., 265 Antiterrorism and Effective Death Penalty Act 186, 189 Anti-Terrorism Certification 214 Anwendungsschwelle 49 f., 52 ff., 61, 68, 71, 83, 109, 286 f. Asymmetrie 21 Äthiopien 41, 280 AusAid (Australian Agency for International Development) 216, 231 Auslegung 34, 73, 96, 114, 155, 191, 197, 199, 203, 247 f., 291 Australien 208 f., 212 f., 216, 219, 230, 291 Befehlshierarchie 79 Befolgungsmechanismus 20

Berichtspflichten 20, 30, 72, 129, 140, 142, 146 ff., 155 f., 159. 167 ff., 178, 180 f., 236, 239, 270, 279 ff., 290, 295 Bindung 21, 25, 65, 78, 101 ff., 109 ff., 129, 131, 139, 175, 187, 206, 210, 216, 232 f., 246, 249, 252, 274, 279 f., 285, 289 f. Bindungswirkung 103 f., 109, 117, 129 BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) 268 Brandwaffen 67 f. CARE 36, 175, 230, 233, 238, 246 Catholic Relief Services 36 CEDAW siehe UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau Celebici-Fall 57 f., 70, 86 Charming Betsy Regel 203 CHS Alliance 276 CIDA (Canada’s International Development Agency) 216 Civilian Protection Monitoring Team 142 Code of Conduct 145, 160, 225, 280 siehe auch Verhaltenskodex Code of Conduct für das Rote Kreuz 225 Consolidated Appeal Process 271 Counter Terrorism Committee 183 Dachverband 36, 176, 265, 274 f., 281 ff., 294 ff. DC Circuit Court 188 ff., 198, 207 f. Deed of Commitment 114, 149 ff., 160 ff., 169, 171 siehe auch Verpflichtungserklärung Department for International Development 216

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Stichwortverzeichnis

Dialog 22, 125, 127, 147, 149 ff., 162, 167 ff., 194, 219, 222, 242, 292, 295 Dinka 46 Dunant, Henry 231, 262 Durchsetzungsinstrument 19 f. ECHO (Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe) 217, 225, 231, 238, 269 f. ECOSOC (United Nations Economic and Social Council) 34 Effektive Kontrolle 54, 83, 108, 247, 258, 293 Eigeninteresse 78, 92 ff., 119 f., 123 ff., 130, 134, 149, 162, 279, 288 ff. Einseitige Erklärung 132 f., 135, 168, 189 El Salvador 136 Empfängerstaat 36 EU 35, 38, 165, 209, 226, 269, 270 EuGH 210, 291 Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit 174 European Consensus on Humanitarian Aid 225 Executive Order 13224 186 Extraterritorialität 167, 192, 195, 200, 204 ff., 213, 218, 264, 291 Fähigkeit 7, 19, 29 ff., 49, 51, 53, 55, 57, 59 ff., 65, 67, 69, 71, 73, 75, 77, 79, 81 ff., 87, 95, 100, 149, 167, 174, 176 f., 186, 192, 239 f., 286, 288 Federal Register 188 Fighter not Killer 80, 149, 287 Finanzielle Abhängigkeit 229, 231, 244 Finanzierung 182 f., 193, 208, 210, 215 ff., 230 f., 236, 238 f., 246 ff., 253 f., 267, 275, 278, 280 f. Fördervereinbarungen 213 f. Foreign Agent 181, 285, 291 Framework Partnership Agreement (FPA) 269 f. Friedensgespräche 42

Garang, John 41, 44, 86, 137 Gaza 215 Geberländer 28, 36, 138, 183, 185, 189, 207 f., 212 ff., 219 f., 229, 235, 237, 240 ff., 255, 271 ff., 283, 294 Gegenseitigkeitserwartung 92 siehe auch Reziprozität Geldwäsche 172, 181, 211, 219 Gemeinsamer Art. 3 Genfer Konventionen 50, 52 ff., 68, 83, 106, 112, 114, 117, 125, 153, 155, 217, 227, 254 f., 287 Generalversammlung 70 f., 105, 115 f., 184, 226 f., 245, 251, 258, 270 Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights 27, 72, 75, 127, 129 Geneva Call 24, 26 f., 30, 37 f., 49, 80 f., 114, 118, 121, 145, 149 ff., 178, 183, 200, 213, 218, 225, 242, 255, 285, 287, 289, 290, 295, 298 ff., 306, 308 f., 316, 321, 326 Genfer Konvention von 1864 153, 227 Genfer Konventionen 49 ff., 60 ff., 68 ff., 78, 82 f., 103 f., 106 ff., 112, 116 ff., 125, 129, 131 ff., 141 f., 147 f., 153, 185, 190, 217, 227 f., 241, 244, 254, 262, 286 f. Gewaltmonopol 19, 27, 82 Gewohnheitsrecht 62, 68 ff., 77, 87, 103 f., 107 ff., 129, 143, 204, 207, 245, 251, 287 siehe auch Völkergewohnheitsrecht Good Humanitarian Donorship 226, 272 Ground Rules 41 f., 44, 137 ff., 227 Grundprinzipien des IKRK 45, 76, 143, 152, 221, 224, 263, 268 f. Grundregeln der Humanitären Hilfe im Ausland 267 Gründung 33, 36, 39, 92, 108, 120, 172, 174 ff., 199, 222, 225, 234, 239 Harvard Program on Humanitarian Policy 24, 193, 215, 217 Hearts and minds-Strategie 233 f., 236

Stichwortverzeichnis Hoheitsgebiet 53, 57, 61, 65, 107, 228 Holder v. Humanitarian Law Project Fall 191, 196 ff., 216, 242, 265 f., 280, 284 Human Rights Watch 129, 134, 181 Human Security Konzept 257 Humanitäre Arbeit 172, 181, 185 f., 193, 226, 242, 265, 285, 292 Humanitäre Hilfe 22, 36 f., 39, 46, 124, 138, 172, 184, 193, 217 ff., 222, 225 f., 230, 233, 235 ff., 240 ff., 255, 258, 260 ff., 267, 269 ff., 278, 286, 293 Humanitäre Organisationen 172, 180, 184 f., 193 f., 211 f., 216, 218 ff., 235, 238, 240 ff., 254, 268, 271 ff., 286, 295 Humanitäre Prinzipien 70, 89, 138, 221, 223, 225, 227, 229, 231, 233, 235, 237, 239, 241, 245, 247, 249, 251, 255, 257 Humanitarian Assistance and Peacebuilding Protection Act (HAPPA) 194, 261 Humanitarian Assistance Facilitation Act (HAFA) 193 f., 261 ICVA (International Council of Voluntary Agencies) 274 ff. Idealverein 175 f. IGAD (Intergovernmental Authority on Development) 42 f., 86, 154 IKRK 19 ff., 27, 29, 31, 39, 51 ff., 61, 68, 72 ff., 77 f., 80 f., 84, 86, 104 f., 107, 114, 119, 131 ff., 144 ff., 180, 190, 221 ff., 228, 232, 236, 242 ff., 254, 265, 271 f., 281, 284, 287, 293 f. Innenrecht 68, 72, 77, 116, 132, 144 f., 224, 227, 244, 275, 279, 289, 293 Institutionalisierung 144, 284 Internalisierung 97, 99 International Campaign to Ban Landmines 149 International Rescue Committee 36 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) 200 ff. Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) 61, 72, 86, 180, 238

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Internationales Komitee vom Roten Kreuz 19, 224, 228 siehe auch IKRK Interventionsverbot 245, 251 ff., 255 f., 293 siehe auch Nichteinmischungsprinzip Israel 54 f., 74, 77, 181 Ius Cogens 69, 76 f., 102, 115 ff., 128 JEM (The Justice and Equality Movement) 105, 136, 215 Jemen 136, 215 Joint Standard Initiative 226 Jugoslawientribunal (ICTY) 50, 56 ff., 59, 68 ff., 83, 86, 114, 247 f., 287 Kanada 209, 213, 216, 230, 263 Kenia 43, 214, 280, 282 Khartoum 40 ff., 45, 142 Kiir, Salva 46 f. Kindersoldaten 124, 140, 147, 158 Kolumbien 81, 127, 170 Kommandostruktur 83, 85 ff. Kommunikation 21, 192, 194 Konfliktparteien 26, 43, 45 ff., 55, 58, 61 ff., 71, 77, 82, 105, 116, 118, 121, 130, 135 ff., 141 f., 159, 217, 222 f., 237 ff., 242, 255, 277, 286, 288, 293 ff., 311 Konsensprinzip 92, 129 Konstruktivismus 97, 133 Kontensperrung 95, 124 Konvention zum Schutz von Kulturgut und Kultstätten 65 ff., 104 Koordinierungsausschuss 267 Korridore der Ruhe 45 Korruption 172, 181, 219 Kosten-Nutzen-Abwägung 91, 93, 146 siehe auch rational choice Landminen 30, 127, 134, 139, 143, 149 ff., 158, 162 ff., 167 ff., 289

330

Stichwortverzeichnis

Legitimität 51, 98 ff., 113 f., 117, 119 f., 128 ff., 133, 140, 161, 162, 169, 198 f., 260, 279, 288, 318, 321 – input 101 f., 117, 117, 119, 129, 131, 161 – output 101, 102, 119 – prozessuale 98, 100 f. – substantielle 98, 101 f., 115 Libanon 214 Libyen 134, 236 Limaj-Fall 57 f. List of Shame 148, 161 Lizenzierungsverfahren 263 f., 292 Machakos-Protokolle 43 Machar, Riek 44, 46 f., 137 Malakal 46 Management-Theorie 96 Martic-Fall 58 f. Material Support 24, 185 ff., 208, 214, 217, 219, 231, 239, 264, 291 Medécines sans frontières (MSF) 36, 175, 216, 222 f., 225 f., 230, 232, 234, 236 ff., 240, 243, 266, 285, 290 Memorandum of Understanding (MoU) 140 ff., 153, 155, 237 f., 284 Mengistu 41 Menschenrechte 22, 24, 38, 52 f., 96, 108, 117, 136 f., 143, 147, 152 f., 159, 169, 172, 180 f., 184, 202, 222, 252, 256 Methoden der Kriegsführung 21, 73 Money is fungible-Theorie 198 Naming und Shaming 123 f. National Democratic Front of the Philippines 132, 161 National Liberation Front of Vietnam 129 NATO 234, 236 Neutralität 38 f., 46, 51, 138, 193, 221 ff., 231 ff., 237 f., 240, 242, 262, 270, 278, 281, 284, 293, 294

NGO 22 ff., 33 ff., 42, 45 f., 50, 61, 65, 78, 80 f., 105, 119, 124 f., 128, 131 ff., 137, 139 ff., 149 f., 154, 163, 165, 170 ff., 200, 202, 208, 213 ff., 227, 229 ff. siehe auch Nichtregierungsorganisation NGO Act 179 Nicaragua Urteil 69, 109 f., 113, 116, 227, 247 f., 250 ff. Nichteinmischungsprinzip 204, 251, 252 f. Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt 19, 21, 26, 36, 39 f., 46 f., 49 ff., 62 ff., 67 f., 71 ff., 83, 103 ff., 111 ff., 115, 118, 125 f., 135 f., 148, 151, 228, 239, 242, 286, 290, 292 Nichtregierungsorganisation 21 ff., 26, 27, 33 ff., 45, 47 f., 74 f., 79, 81, 84, 114, 119, 127 ff., 144 f., 174 ff., 182, 184, 188, 190, 192, 194, 195, 200, 204 ff., 210, 214 ff., 220 ff., 240, 242, 250 ff., 262 ff. siehe auch NGO Niederlande 165, 209, 211, 217 Non-Profit Organisation 178 Normativismus 95 f., 98 Norwegian Poeple’s Aid 229 Nuer 44, 46 OCHA (Office of The Coordination of Humanitarian Affairs) 241, 270 ff., 281 ff., 295 OFAC (Office of Foreign Assets) 194 f., 264 OLS 44 ff., 53, 137 ff., 229, 254, 285, 294 siehe auch Operation Lifeline Sudan ONLF (Ogaden National Liberation Front) 180 ONUSAL 136 Operation Lifeline Sudan 44, 137, 227, 237 siehe auch OLS Ordre public 201 Organisationsstruktur 57 ff., 83 ff.

Stichwortverzeichnis Ottawa Konvention 104, 163 f. OXFAM 175, 194, 226, 238, 290 Pakistan 218, 236, 243 Partizipation 100 ff., 113 ff., 117 f., 129 ff., 140, 144, 149, 161 f., 286, 288 ff. Partner Vetting System 214, 218 Personalitätsprinzip 204 ff. Philippinen 214 PKK 166, 196, 200 Powell, Colin 235, 250 Proliferation 165, 239 Provincial Reconstruction Team 234 Quality Compass 276 Quango 36 Ration Choice 91 f., 94 ff. siehe auch Kosten-Nutzen-Abwägung Räume begrenzter Staatlichkeit 19 Recht auf Einmischung 222, 240 Rechtfertigung 197, 256 ff., 294 Rechtsbefolgung 19 ff., 40, 42, 44, 46 ff., 219, 239, 279, 283, 286, 288 ff., 295 Rechtsbefolgungswille 82, 131, 134, 145, 239 Rechtsdurchsetzung 19 ff., 26, 28 f., 31, 79, 85 f., 90, 122, 131, 202, 289 Rechtsinhaberschaft 118, 129 ff., 134, 137, 139, 144, 146, 161 f. Rechtssetzungsprozess 144 Rechtssicherheit 50, 55 f., 59, 61, 73, 180, 220, 262, 268 f., 290 Registrierung 174, 179 f., 290 Reisebeschränkung 32, 95, 124, 166, 182, 290 Reparation for Injuries-Fall 110 f. Reputation 92, 124 f., 140, 148, 161 f., 260 Responsibility to Protect 215, 245, 247 ff., 253, 256, 258

331

Reziprozität 107, 125 f., 163 siehe auch Gegenseitigkeitserwartung Römisches Statut 61 Rotkreuzkonferenz 23, 224, 242 Ruandatribunal 52, 56, 60 f., 68, 70 f., 86, 106, 119, 287 Russland 172, 181, 291 Sanktionen 31 ff., 86, 92 f., 95, 122 ff., 145 f., 158, 182 ff., 194 f., 218, 244, 264, 279, 280 ff., 289, 292, 293 Save the Children 175, 238, 290 Schulungen 76, 78 ff., 128, 133, 139, 149, 154, 168, 167, 199, 219, 275, 287 Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten 123, 147, 151, 157 f. Schweiz 24, 132, 134, 143, 149, 161 f., 174 f., 177 f., 208, 213, 221 Scrutiny Regel 197 f. Secretary of State 187 f., 192, 196, 218 Selbstregulierung 262, 278 f. Sexuelle Gewalt 46, 147, 151, 158 f., 169, 170, 180, 289 Sicherheitsrat 43, 58 f., 105, 124, 159, 182 ff., 206, 208, 210, 291 SLM/A 105 Somalia 163, 167, 184, 193, 195, 215, 220, 238 f., 243, 292, 297 Sonderabkommen 67, 131, 135 f., 141, 146 Sonderforschungsbereich 700 19, 23 Sondergerichtshof Sierra Leone 105, 110 South Sudan Independent Movement (SSIM) 44, 137 South Sudan Liberation Movement (SSLM) 40 Special Rapporteur on Protecting Human Rights While Countering Terrorism 183 f. Sphere Project 225 SPLA 37 f., 41, 44, 46, 86 f., 138, 145, 154, 165, 231, 271 SPLA Act 87 SPLA-Nasir 44

332

Stichwortverzeichnis

SPLM/A 40 ff., 49, 81, 84 ff., 121, 125, 127, 137 ff., 154 f., 162 ff., 167, 169 f., 237, 284, 286, 288 f., 294 f. SRRA (Sudan Relief and Rehabilitation Association) 46, 138 f., 141, 237 f. Staatengemeinschaft 22, 69, 95, 115 f., 123, 125, 206 Staatenverantwortlichkeit 245 ff., 293 States District Court 190, 200 Statut 50, 56 f., 61, 68, 72, 75, 86, 112, 114, 177, 185, 196, 201, 208, 222, 224 Statuten der Internationalen Rotkreuzund Roter Halbmond-Gesellschaften 224 f. Steuerung 32 ff., 95, 131, 139, 249 Stiftung 175 ff., 240 Strafgewaltserstreckung 207 Straftatbestand 186 f., 189 ff., 199 f., 204 Streitkräfte 53, 74 f., 78 f., 86, 107, 109, 111, 124, 147, 157 f., 232, 234, 236, 294 Struktur der Gruppe 82 ff., 122 SUDAN-SPLM-Abkommen 184 Südsudan 39 ff., 43 f., 46 f., 139, 142, 154 f., 159, 165, 167, 179 f., 238, 243, 284, 290 Supremacy Clause 202 Supreme Court 77, 187 f., 191, 196 ff., 210, 266, 291 Syrien 80, 149, 243, 277, 288, 295 Tadic-Fall 56 f., 59, 61, 69 ff., 114, 247 f. Taliban 108, 210, 236 Tamil Tigers 196 Teheraner Geiselnahme-Fall 250 Territorialitätsprinzip 204 f. Terrorismusabwehr 172, 182, 184 f., 208, 213 f., 219 f., 260 f., 265 f., 291 f. Terrorismusbekämpfung 24, 182, 208 f., 212, 260, 291

Terroristische Vereinigung 35, 180, 185 ff., 191, 193 f., 196, 198 ff., 208, 212, 213 f., 261, 264, 291 f. Überprüfungsmechanismus 20, 136, 148 Überwachung 92, 94, 124, 138, 145 ff., 154 f., 159 ff., 166, 168 f., 230 f., 244, 248, 279, 281, 289 f., 295 Uganda 180, 280, 282, 290 Ukraine 214 Umfassendes Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement) 43 Umsetzung 20 f., 25, 28 f., 31, 43, 73, 78, 80 f., 136, 138, 140, 144 ff., 151, 154 ff., 158, 160 ff., 167 f., 182 f., 203, 208 f., 214, 233, 267, 271, 289 f., 292 Umweltrecht 120, 121, 174 Unabhängigkeit 24 f., 36 ff., 43 f., 126, 157, 165, 179, 184, 193, 218, 221, 223 ff., 231 f., 236 f., 241 ff., 258, 262 f., 267 ff., 273, 276, 278, 281 ff., 292 Unbedenklichkeitsbescheinigung 263 ff., 296 UN-Charta 34, 251, 256 UN-Generalsekretär 21, 47 UNICEF 139, 223, 285 UN-Hochkommissar für Menschenrechte 159, 169 UN-Kinderrechtskonvention 104, 137, 157, 158 UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) 159 UNHCR 41, 44, 238, 275 United Nations Office for the Coordination siehe auch OCHA 270 UNMAS (United Nations Mine Action Service) 155, 165 UNMIS (United Nations Mission in Sudan) 43, 208 Unparteilichkeit 137 f., 179, 218, 221, 223, 224 ff., 236, 242, 262, 269 f., 273, 284

Stichwortverzeichnis USA 24, 27, 174, 178, 182, 185 ff., 212 ff., 230 ff., 245, 255, 265, 292 USAID 182, 195, 214 ff., 231, 236 f., 246, 250, 255, 291 U.S. Patriot Act 187 Verbreitung des Rechts 22 f., 37 f., 45, 49, 66 f., 73 ff., 138, 145, 149, 154, 167, 172 f., 221, 230, 245, 254, 260, 269, 287, 295 Vereinigtes Königreich 40, 211, 213 Vereinigungsfreiheit 24, 39, 199 Vereinsrecht 175 ff., 290 Vereinte Nationen 184, 247 f., 250 Verhaltenskodex 76, 78, 132, 144 f., 241, 272 ff., 276 f., 279 ff. siehe auch Code of Conduct Vernetzte Sicherheit Konzept 234, 268 Verpflichtungserklärung 24, 72, 132, 139, 149 ff., 263, 289, 290 Verpflichtungserklärung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten 151, 157 f. Verpflichtungserklärung zum Verbot sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten 151, 159, 169 Verpflichtungserklärung zum Verbot von Landminen 150 f., 163, 168, 289 Vertrag zu Lasten Dritter 109 Vertreibung 42, 47, 151 VN-Waffenabkommen 67 Völkergewohnheitsrecht 62, 68 ff., 103 f., 109 ff., 143, 207, 245, 251, 287 siehe auch Gewohnheitsrecht

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Völkerrechtssubjekt 109 ff., 115, 117, 228, 281 Völkervertragsrecht 62, 66, 76 Waffenstillstand 46, 58 WANGO (World Association of NonGovernmental Organizations) 275 Weltrechtsprinzip 204, 207 f. West Bank 215 Wiener Vertragsrechtsübereinkommen 103 Wille 23, 29 ff., 34, 80 ff., 89, 91, 93, 95, 97, 99, 101, 103, 105, 109, 11, 113, 117 ff., 129 ff., 145, 168 f., 172, 203, 208 f., 215, 239, 250, 256, 261, 263, 286, 288 f., 292 World Vision 37, 281 Zertifizierung 214, 276, 292, 296 Zivilisten 21, 28, 42, 47, 55, 57 f., 64 f., 70, 74, 76 f., 124, 127, 138 f., 142, 166, 194, 223, 236 Zivil-militärische Zusammenarbeit 323 f., 242, 273 Zurechnung 245 ff., 252, 258, 293 Zusatzprotokoll 53 f., 63 ff., 68, 70 f., 74 f., 81, 83, 86, 104, 109, 129, 132 f., 136 f., 142, 148, 157 f., 227 f., 254 f., 286 f. Zwang 32, 65, 92 ff., 11 f., 122 ff., 130, 143, 256, 279, 288 Zweite Genfer Konvention 74