Durch Kampf zum Sieg: Eine Predigtsammlung für das deutsche Haus über fortlaufende Texte aus der Apostelgeschichte. Dem evangelischen Volke dargeboten 9783111600901, 9783111225821


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German Pages 606 [608] Year 1905

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Table of contents :
Vorrede
Inhaltsverzeichnis
1. Kap. 1, 1–3: Die „Apostelgeschichte“ (gehalten am Sonntag Rogate 1888)
2. Kap. 1, 4–12: Das herrliche Ende (am Himmelfahrtstage 1888)
3. Kap. 1, 13–20: Wie haben wir uns bei schweren Verlusten zu verhalten? (am Sonntag Exaudi 1887)
4. Kap. 1, 15–26: Von der Wiederbesetzung einer erledigten Apostelstelle (am Sonntag Exaudi 1882)
5. Kap. 2, 1–13: Und der Tag der Pfingsten war erfüllet (am I. heiligen Pfingsttage 1888)
6. Kap. 2, 14–44: Der allmächtige Heilige Geist und die Entstehung der Gemeinde (am I. heiligen Pfingsttage 1887)
7. Kap. 3, 1–11: Die Heilung eines lahmgebornen Menschen (am I. Sonntage nach Trinitatis 1886)
8. Kap. 3, 22–26: Christus bietet uns ein neues Jahr der Gnaden an; was wollen wir thun? (am I. Sonntage des Advents 1888)
9. Kap. 4, 1–12: Leid' und schweig' still; leid' und schweig' nicht still! (am II. Sonntage nach Trinitatis 1886)
10. Kap. 4, 13–22: Wach' auf, du Geist der ersten Zeugen, die so getrost dem Feind entgegengehn (am III. Sonntage nach Trinitatis 1886)
11. Kap. 4, 31–37: Wie es in der ersten Gemeinde ausgesehen hat, oder: ein Stück Himmel auf der Erde (am IV. Sonntage nach Trinitatis 1886)
12. Kap. 5, 1–11: Das Gericht über die ersten Heuchler in der Gemeinde Christi (am V. Sonntage nach Trinitatis 1886)
13. Kap. 5, 25–29: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen oder: die Reformation (am Reformationsfeste 1887)
14. Kap. 6, 8–15: Der Almosenpfleger Stephanus (am VI. Sonntage nach Trinitatis 1886)
15. Kap. 7, 51–59: Der Prozeß des Stephanus (am VII. Sonntage nach Trinitatis 1882)
16. Kap. 8, 1–13: Was die Feindschaft gegen Christum ausrichtet (am VIII. Sonntage nach Trinitatis 1886)
17. Kap. 8, 5–13: Eine neue Pflanzung (am IX. Sonntage nach Trinitatis 1886)
18. Kap. 8, 14–25: Die erste Kirchenvisitation (am X. Sonntage nach Trinitatis 1886)
19. Kap. 9, 1–9: Wie er einen Stolzen gedemütigt hat (am XI. Sonntage nach Trinitatis 1886)
20. Kap. 9, 10–20: Denn siehe, er betet (am XII. Sonntage nach Trinitatis 1886)
21. Kap. 9, 21–31: O, wie hat sich’s geändert (am XIII. Sonntage nach Trinitatis 1886)
22. Kap. 9, 32–43: In Lydda und in Joppe (am XIV. Sonntage nach Trinitatis 1886)
23. Kap. 10, 1–9: Vom Abbrechen des Zaunes in der Menschheit (am XV. Sonntage nach Trinitatis 1886)
24. Kap. 10, 1–9: Wie Gott angefangen hat, den Zaun zwischen Israel und den Völkern hinwegzuthun (am XVI. Sonntage nach Trinitatis 1886)
25. Kap. 10, 9–23/2: Paulus empfängt von Gott einen Befehl in Beziehung auf die Heiden (am XVII. Sonntage nach Trinitatis 1886)
26. Kap. 10, 23/2–33: Die erste Missionsreise zu den Heiden (am XVIII. Sonntage nach Trinitatis 1886)
27. Kap. 10, 34–48: Der weltgeschichtliche Zaun fällt (am XX. Sonntage nach Trinitatis 1886)
28. Kap. 11, 19–25: Also fort läuft Gottes Wort (am Sonntage nach Trinitatis 1887)
29. Kap. 11, 25–30: Und nun komm' her, ich will dich senden! (am I. Sonntage nach Trinitatis 1887)
30. Kap. 12, 1–5: Etwas von dem Gewissen (am II. Sonntage nach Trinitatis 1887)
31. Kap. 12, 6–11: Eine Beweisung des lebendigen Gottes oder: eine großartige Gebetserhörung (am III. Sonntage nach Trinitatis 1887)
32. Kap. 12, 12–24: Wie Gott einmal sein Dasein und Leben bewiesen hat (am IV. Sonntage nach Trinitatis 1887)
33. Kap. 13, 1–12: Der erste Anfang der Heidenmission (am V. Sonntage nach Trinitatis)
34. Kap. 14, 8–18: Der Apostel in Lystra (am VI. Sonntage nach Trinitatis 1887)
35. Kap. 16, 1–12: Auf, nach Europa! (am VII. Sonntage nach Trinitatis 1887)
36. Kap. 16, 13–16: Der Sonnenaufgang über Europa (am VIII. Sonntage nach Trinitatis 1887)
37. Kap. 16, 16–24: Vom Kampfe des Lichtes mit der Finsternis (am IX. Sonntage nach Trinitatis 1887)
38. Kap. 16, 25–32: Der erste Gemeindegottesdienst in Europa (am X. Sonntage nach Trinitatis 1887)
39. Kap. 16, 33–40: Nur selig! (am XI. Sonntage nach Trinitatis 1887)
40. Kap. 16, 35–40: Aus Nacht in Tag (am XII. Sonntage nach Trinitatis 1887)
41. Kap. 17, 1–10: Die Entstehung der christlichen Gemeinde zu Thessalonich (am XXIV. Sonntage nach Trinitatis 1882)
42. Kap. 17, 17–34: Paulus in Athen (am XIV. Sonntage nach Trinitatis 1887)
43. Kap. 18, 1–16: Paulus und Korinth (am XV. Sonntage nach Trinitatis 1887)
44. Kap. 18, 5–16: Paulus in Korinth (am XVI. Sonntage nach Trinitatis 1887)
45. Kap. 18, 24–19, 7: Ephesus, die neue Muttergemeinde und Centralgemeinde der Christenheit (am XVII. Sonntage nach Trinitatis 1887)
46. Kap. 19, 8–12: Paulus in Ephesus (am XVIII. Sonntage nach Trinitatis 1887)
47. Kap. 19, 11–20: Von Licht und Finsternis, von Wahrheit und Irrtum, vermischt und vermengt (am XIX. Sonntage nach Trinitatis 1887)
48. Kap. 19, 23–34: Wie sich der Götzendienst gegen den Gottesdienst gewehrt hat, aber vergeblich (am XX. Sonntage nach Trinitatis 1887)
49. Kap. 20, 1–12: Paulus auf der Fluchtreise von Enropa nach Asien (am I. Sonntage nach Trinitatis 1888)
50. Kap. 20, 17–27: Wie der Apostel freiwillige Rechenschaft ablegt über seine Amtsführung (am II. Sonntage nach Trinitatis 1888)
51. Kap. 20, 28–31: Eine Dienstinstruktion für christliche Geistliche (am III. Sonntage nach Trinitatis 1888)
52. Kap. 20, 32–38: Von einem schmerzlichen Abschiede (am V. Sonntage nach Trinitatis 1888)
53. Kap. 21, 2–14: Auf der Seereise von Milet nach Cäsarea (am VI. Sonntage nach Trinitatis 1888)
54. Kap. 21, 14: Zum Gedächtnisse des hochseligen Kaisers von Deutschland, Friedrichs III. (Gedächtnispredigt auf den Tod des Kaisers Friedrich)
55. Kap. 21, 15–23: Paulus zum letztenmal als ein freier Mann in Jerusalem (am VII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
56. Kap. 21, 24–30: Die Bande und die Trübsale sind nun da (am VIII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
57. Kap. 21, 31–22, 2: Ein Zeuge Christi in dieser Welt (am IX. Sonntage nach Trinitatis 1888)
58. Kap. 22, 3–21: Des Paulus zweite Verantwortung oder seine Rede an seine Volksgenossen (am X. Sonntage nach Trinitatis 1888)
59. Kap. 22, 22–30: Wie ging's weiter? oder Von der tumultuarischen Mißhandlung bis zum Kriminalprozeß (am XI. Sonntage nach Trinitatis 1888)
60. Kap. 23, 1–11: Der „Prozeß Paulus“ vor der ersten Instanz (am XII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
61. Kap. 23, 12–16: Je inniger die Gemeinschaft mit dem Herrn Christo, desto größer der Haß der Welt (am XIII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
62. Kap. 23, 17–24: Beschließt einen Rat und es werde nichts daraus (am XIV. Sonntage nach Trinitatis 1888)
63. Kap. 23, 25–35: Mit einem Briefe zu dem Landpfleger gesandt (am XV. Sonntage nach Trinitatis 1888)
64. Kap. 24, 1–9: Der Prozeß des Paulus in der zweiten Instanz (am XVI. Sonntage nach Trinitatis 1888)
65. Kap. 24, 10–21: Des Paulus Verantwortung vor dem Gerichte zweiter Instanz (am XVIII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
66. Kap. 24, 22–27: Ein denkwürdiger Zwischenfall im Prozesse des gefangenen Paulus (am XIX. Sonntage nach Trinitatis 1888)
67. Kap. 25, 1–12: Etwas von dem neuen Landpfleger (am XX. Sonntage nach Trinitatis 1888)
68. Kap. 25, 13–27: Ein zweiter Zwischenfall im Prozesse des gefangenen Paulus (am XXI. Sonntage nach Trinitatis 1888)
69. Kap. 26, 1–11: Der Apostel Paulus vor dem Könige Agrippa und vor einer Versammlung eitler Weltleute (am XXII. Sonntage nach Trinitatis 1888)
70. Kap. 26, 12–19: Einiges Reue in der Bekehrungsgeschichte des Paulus (am XXV. Sonntage nach Trinitatis 1888)
71. Kap. 28, 14–31: Paulus in Rom (Ergänzungspredigt)
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Durch Kampf;um Sieg Eine Predigtsammlung für das deutsche Haus über fortlaufende Texte

auS der

Apostelgeschichte

Dem evangelischen Volke dargeboten von

Dr. C. I. Roemheld weil. Pfarrer -u Seeheim in der Bergstraße

Herausgegeben von

Albert Junker Oberpfarrer zu Beerfelden

Zweite wohlfeile Ausgabe

Alfred Göpelrnarrrr (Dorrn. I. Ricker'sche Verlagsbuchhandlung)

Gießen 1905

Alle Rechte Vorbehalten

Diese Ausgabe bietet den unveränderten Text der ersten Ausgabe von 1900

Vorrede. Durch Kampf zum Sieg!

Das ist der Lebensweg, der jedem Gotteskinde hienieden vorgezeichnet ist.

Durch Kamps zum Sieg — das ist auch der Weg, den das Evan­

gelium auf Erden bis jetzt genommen hat.

Besonders deutlich ersehen

wir das aus der Apostelgeschichte, die ein erhebendes Bild von der

allmählichen, an schweren Kämpfen reichen Ausbreitung des Evangeliums von Jerusalem bis nach Rom

vor unseren Augen

entrollt.

Dasselbe

Bild spiegeln auch die folgenden Predigten wider, denen fortlaufende

Texte aus der Apostelgeschichte zu Grunde liegen.

Ihr Verfasser

ist

vor

nunmehr

zehn

Jahren

eingegangen

zu

seines Herrn Freude; auch er ist durchs Kreuz zur Krone, durch vielen

Kampf zum Siege gelangt, wie man dies ausführlicher in dem von

seinem ältesten Sohne entworfenen Lebensbilde*) nachlesen kann.

Wenn

nun jetzt noch, geraume Zeit nach dem seligen Heimgänge Roemhelds, eine Sammlung von ihm gehaltener Predigten herausgegeben wird, so

könnte dies auf den ersten Blick als ein gewagtes Unternehmen erscheinen; denn das Interesse für die Toten erlischt mehr und mehr mit der Zeit,

und „nur die Lebenden haben recht"; zudem ist der Predigten und Predigt­ sammlungen, die alljährlich erscheinen, fast Legion.

Trotzdem war der

Herausgeber der Ansicht, diese Predigten dem evangelischen Volke nicht vor­ enthalten zu dürfen; ja er betrachtete cs, sobald er etwas von dem Vor­ handensein dieser Sammlung erfahren hatte, geradezu als seine Pflicht, diesen

Schatz unserem evangelischen Volke zugängig zu machen. Ist es doch eine *) Anmerkung: Dr. Friedrich Roemheld.

Carl Julius Roemheld. Eine Lebensbeschreibung. Bon Mit einem Bildnis des Entschlafenen und einigen Beigaben

aus dessen litterarischer Hinterlassenschaft.

Stuttgart 1894 (Greiner & Pfeiffer).

IV bekannte Thatsache, daß in unserem Balte das Verlangen, Ausführlicheres gerade über die apostolische Zeit zu hören, zwar vorhanden ist, seither

aber viel zu wenig Beachtung und Befriedigung gefunden hat.

Beweise

hierfür

sei

einmal

hingewiesen

Eisenacher Konferenz vom Jahre

auf

die

Verhandlungen

Zum der

1896, andererseits auf die ver­

schwindend geringe Anzahl von Predigten über fortlaufende Texte aus der

Apostelgeschichte. Bestärkt in seinem Entschlüsse wurde der Herausgeber durch die

daß Roemheld sich offenbar selbst mit der Absicht getragen

Thatsache,

hat, früher oder später eine solche Sammlung herauszugeben, wie sich

dies bei der Sichtung der einzelnen Predigten herausstellte.

In den

ersten Jahren nach des Verfassers Tode stellten sich dem Unternehmen

Schwierigkeiten entgegen; nachdem diese überwunden sind, scheint nunmehr

dem Herausgeber der rechte Zeitpunkt gekommen zu sein, mit dem Werke an die Öffentlichkeit zu treten. Das Urteil über die Predigten und die

Predigtweise des seligen Verfassers hat sich inzwischen geklärt,

und daß

viele Seelen auch in diesen Predigten finden werden, was sie suchen, ist wohl zweifellos.

Die einzelnen Predigten sind gehalten in einem Zeitraume von zehn Jahren.

Darin liegt allerdings ein Nachteil: sie sind nicht alle aus

einem Guß.

Aber gerade bei einem Prediger wie der Heimgegangene

tritt dieser Nachteil wenig zu Tage: jedenfalls leiden darunter nicht die

einzelnen Predigten, wenn auch hier und da die Rücksicht auf Herstellung

des Zusammenhanges den Verfasser zu einer gewissen Breite veranlaßt hat.

Im großen und ganzen jedoch muß gesagt werden,

daß diese

Predigten nicht nur auf der Höhe der bereits erschienenen Sanimlungen stehen, sondern sie vielfach übettreffen, was erklärlich wird, wenn man

bedenkt, daß der Verfasser sich eben jahrelang in seinen Predigten mit der Apostelgeschichte befaßt hat, daß die Predigten bis in die letzte Zeit vor seinem Tode reichen und daß sie, wie dies ja dem Verfasser eigentümlich

war, ein Bild seiner immer reicheren Amtserfahrung und stets ersprieß­ licheren seelsorgerlichen Thättgkeit darbieten.

Gehalten sind die Predigten zum kleineren Teile in Bingenheim in Oberhessen, zum überwiegend größeren Teile in dem lieblichen See­

heim in der hessischen Bergsttaße; auch sie sind, wie überhaupt alle Predigten Roemhelds, lediglich für seine Gemeinde gehalten, d. h. mit Berücksichtigung ihrer besonderen Verhältnisse und Bedürfnisse und nicht

selten im Anschlüsse an besondere Erfahrungen, die er in seiner Gemeinde

gemacht hatte; stets aber zeugen sie von dem außerordentlich feinen Ge­ fühle, das der von seinen Gemeinden hochgeschätzte und verehrte Seelsorger

nicht nur für ihre Sprache und Ausdrucksweise hatte, sondern auch für ihre Empfindungen, für ihre Seele!

Unter

den

vielen vortrefflichen

Predigten, die für die Vorzüge des seligen Verfassers charakteristisch sind,

sei ausdrücklich hingewiesen aus Nr. 3 oder Nr. 7 u. 8, aus den Anfang von Nr. 16 und besonders auf die in ihrer Schlichtheit so ergreifende Predigt

Nr. 54.

In ihrer Gesamtheit aber bilden sie, namentlich für unsere

Landbevölkerung, als Hausbuch einen kostbaren Schatz, in dem viele,

wie in den schon erschienenen Predigtbänden, auf dem Niveau ihres Ver­

ständnisses werden,

(im guten

Sinne gemeint)

das Wort des Lebens

das sie anderwärts vielleicht vergebens gesucht haben.

finden

Daher

auch die überaus günstige Aufnahme, welche die früher veröffentlichten

Predigtsammlungen Roemhelds gesunden haben.

Um von vielen anderen

günstigen Kritiken abzusehen, sei hier nur hingewiesen aus eine Besprechung,

die Geheimer Kirchenrat D. Diegel zu Friedberg vor nicht allzu langer Zeit veröffentlicht hat"), die in ganz vortrefflicher Weise, ohne

Tadelnswertes zu verschweigen, die Vorzüge der Roemheld'schen Predigten

und Predigtweise hervorhebt,

so wie es eben nur ein Meister in der

Predigtkunst versteht, aus dessen Munde darum auch ein Wort des Lobes doppelt schwer ins Gewicht fallen muß. Über die formale Seite der

Predigten ist wenig Neues zu sagen:

es sei hier neben der genannten

Rezension ausdrücklich auf die Vorrede zur Sammlung „Der Weg zum

Leben" hingewiesen und namentlich auf die Vorrede der ersten Auflage vom „Wandel in der Wahrheit".

Hier entwickelt der Verfasser ein­

gehend seine Auffassung über das, was von einer guten Predigt verlangt werden müsse.

Nach diesen Grundsätzen ist er auch in den nachfolgenden

Predigten verfahren.

Im großen und ganzen hat der Verfasser fortlaufende Texte seinen Predigten zu Grunde gelegt; hier und da allerdings hat er einzelne ihm

unwichtiger erscheinende (wiewohl er hier mit großer Vorsicht verfahren ist, da nach seiner Meinung ein Prediger nicht ohne weiteres das Recht

habe,

einen Text zu überschlagen, der ihm persönlich nicht gefalle) und

sich wiederholende Abschnitte weggelassen, und sicherlich nicht zum Schaden des Ganzen.

Wer die Predigten oder die Texte im Zusammenhänge liest,

wird die Berechtigung dieses Verfahrens einsehen.

Zuweilen sind auch

zwei Predigten über denselben Text ausgenommen worden, so Nr. 16 und 17, 23 und 24, 43 und 44;

bergt, auch Nr. 53 und 54.

Das

konnte aber um so unbedenklicher geschehen, als auch der Verfasser die *) Anmerkung: Theologische Litteraturzeitung (herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Lchürer im Verlag der I. C. Hinri chs'schen Buchhandlung in Leipzig) Nr. 13 vom 26. Juni 1897.

VI angeführten Doppelpredigten stets in demselben Jahre gehalten und in

ihnen den Text verschieden behandelt hat, so zwar, daß er jeweilig in der ersten Predigt sich mehr allgemein gefaßt und dann in der zweiten

erst einem besonderen Gegenstände sich zugewendet hat.

holung ist mithin ausgeschlossen.

auf das

Eine Wieder­

Dies lehrt schon ein flüchtiger Blick

von ihm gewählte Thema, z. B. in Nr. 43:

„Paulus und

Korinth" und in Nr. 44: „Paulus in Korinth"; oder in Nr. 23: „Vom

Abbrechen des Zaunes in der Menschheit" und in Nr. 24: „Wie Gott an­ gefangen hat, den Zaun zwischen Israel und den Völkern Hinwegzuthun" *). Leider hat der Verfasser — aus welchem Grunde? ist nicht mehr fest­

zustellen — das Werk nicht, wie er beabsichtigt hatte, vollendet. Darum hat der Herausgeber, um ihm den notwendigen Abschluß zu geben, eine Predigt

(Nr. 71) hinzugefügt; er hat sich bemüht, im Geiste des Heimgegangenen

und unter Anlehnung an seine Diktion zu reden, bittet aber um nach­ sichtige Beurteilung dieser Ergänzungspredigt.

Daß der Herausgeber im

übrigen bemüht war, in allen Predigten lediglich den Verfasser reden zu lassen, und zu dem Zwecke nur die notwendigen Korrekturen und redaktionellen Änderungen sich gestattet hat, bedarf kaum einer besonderen

Erwähnung.

Wenn er hierbei vielleicht mit mehr Pietät als Klugheit

verfahren ist, so bittet er auch hierfür um Nachsicht. Zum Schlüsse sei dem Herausgeber noch ein persönliches Wort gestattet.

Wie gerade er dazu kam, diese Sammlung herauszugeben, das

zu wissen, ist wohl von keinem besonderen Belange; wohl aber kann mit

Recht von ihm eine Antwort verlangt werden auf die Frage: „Wie stehst

du zu diesen Predigten, und wie stehst du zu der Theologie des Heim­ gegangenen überhaupt?" -

Diese Frage soll noch kurz eine Antwort

finden, wiewohl als solche eigentlich schon die Herausgabe des Predigt­ werkes selbst gelten könnte; wenigstens wäre diese für den Unterzeichneten nicht möglich gewesen, wenn er etwa einen dem Verfasser entgegengesetzten

Standpunkt einnähme.

Das ist nicht der Fall.

Eine achtjährige Be-

schäfttgung mit Roemhelds Predigten und seiner Theologie haben den

Herausgeber den treuen Zeugen Christi verstehen, schätzen und würdigen gelehtt, und wenn er demselben auch nicht in allen Fragen religiösen Lebens und Glaubens beistimmt, wenn er auch nicht in allen Puntten

seine Auffassung sich aneignen Sympathie entgegen.

kann,

so

bringt

er ihr

doch warme

Was speziell des Herausgebers Stellung zu des

seligen Verfassers Predigten und Predigtweise anlangt, so kann diese nicht

*) Auch Nr. 54 glaubte der Herausgeber den Lesern nicht vorenthalten zu sollen,

obwohl ja diese (Gedächtnisrede allerdings den Zusammenhang unterbricht.

besser und schärfer präzisiert werden als durch den Hinweis auf die be­ reits erwähnte Rezension des Geheimen Kirchenrats D. Diegel, der er sich voll und ganz anschließt. Auch von der neuen Predigtsammlung er­ hofft der Herausgeber, daß gelten möge, was dort am Schluffe gesagt

ist, daß nämlich viele „mit Freuden und kräftiger Förderung im ernsten Christentum auch diese bündigen, entschieden biblischen, an treffenden Gedanken reichen, überaus frisch, deutlich, an­

schaulich und persönlich warm geschriebenen Predigten lesen"

werden. So möge denn auch diese Sammlung hinausgehen in und unter das evangelische Volk, den alten Freunden des seligen Verfassers zur

Freude, allen aber, die sie lesen, unter Gottes Beistände zu reichem Segen; möchten

namentlich

viele trostbedürftige

Seelen

aus

ihr Erquickung

schöpfen und die Gewißheit:

Durch Kampf zum Sieg!

Beerfelden, im Mai 1900.

Z>er Kernrrsgeber.

Inhaltsverzeichnis. 1. Kap. I,

1-3:

2. Kap. 1,

4—12:

3. Kap. 1, 13—20:

4. .tiap. 1, 15—26: 5. Kap. 2,

1—13:

6. Kap. 2, 14—44:

7. Kap. 3,

1—11:

8. >,ap. 3, 22—26:

9. Kap. 4,

1—12:

10. Kap. 4, 13—22:

11. Kap. 4, 31—37:

12. Kap. 5,

1—11:

13. Kap. 5, 25—29:

14. Kap. 6,

8—15:

Leite Die „Apostelgeschichte"...................................................... 1 (gehalten am Sonntag Rogate 1888). Das herrliche Ende.......................................................... 9 (am Himmelfahrtstage 1888). Wie haben wir uns bet schweren Verlusten zu ver­ halten? ...................................................................................... 17 (am Sonntag Exaudi 1887). Von der Wtederbesktznng einer erledigten Apostelstelle 24 (am Sonntag Exaudi 1882). Und der Tag der Pfingsten war erfüllet .... 33 (am I. heiligen Pfingsttage 1888). Der allmächtige Heilige Geist und die Entstehung der Gemeinde...................................................................................... 41 (am I. heiligen Pfingsttage 1887). Die Heilung eines lahmgeborncn Menschen . 50 (am I. Sonntage nach Trinitatis 1886). Christus bietet uns ein neues Jahr der Gnaden an; was wolle» wir thu«?............................................................68 (am I. Sonntage des Advents 1888). Leid' und schweig' still; leid' und schweig' nicht still! 65 (am II. Sonntage nach Trinitatis 1886). Wach' auf, du Geist der ersten Zeugen, die so getrost dem Keind entgegengehn...................................................... 73 tarn III. Sonntage nach Trinitatis 1886). Wie es in der ersten Gemeinde ansgesrhen hat, oder: ein Stück Himmel auf der Erde............................................ 82 (am IV. Sonntage nach Trinitatis 1886). Das Gericht über die ersten Heuchler in der Gemeinde Christi............................................................................................90 (am V. Sonntage nach Trinitatis 1886). Man mutz Gott mehr gehorchen als den Menschen oder: die Reformatio« ...................................................... 98 (am ResormationSseste 1887). Der Slmosenpflegcr Stephanus.......................................... 106 (am VI. Sonntage nach Trinitatis 1886).

X Seite

15. Kap.

16. Kap. 17. Kap. 18. Kap. 19. Kap.

20. Kap. 21. Kap. 22. Kap.

23. Kap. 24. Kap.

25. Kap.

26. Kap.

27. Kap. 28. Kap.

29. Kap. 30. Kap. 31. Kap.

32. Kap.

33. Kap.

34. Kap. 85. Kap. 36. Kap.

Der Prozeß des Stephanus......................................... 114 (am VII. Sonntage nach Trinitatis 1862;. 8,1—13: Was die Keindschaft gegen Christum ausrichtet . . 123 (am VIII. Sonntage nach Trinitatis 1886). 8,5—13: Eine neue Pflanzung....................................................131 (am IX. Sonntage nach Trinitatis 1886;. 8,14—25: Die erste Kirchenvisttation...........................................139 (am X Sonntage nach Trinitatis 18669, 1—9: Wie er einen Stolzen gedemütigt hat........................ 147 (am XI. Sonntage nach Trinitatis 1886). 9, 10—20: Denn siehe, er betet!.................................................. 155 (am XII. Sonntag« nach Trinitatis 1866;. 9, 21—31: £, wie hat sichs geändert!......................................... 163 (am XIII. Sonntage nach Trinitatis 1886;. 9, 32-43: In Lydda und in Joppe.............................................. 172 (am XIV. Sonntage nach Trinitatis 1886;. 10, 1—9: Vom Abbrechen des Zaunes in der Menschheit . . 180 (am XV. Sonntage nach Trinitatis 1886). 10, 1—9: Wie Gott angefangen hat, dm Zaun zwischen Israel und den Böller« Hinwegzuthun................................ 188 (am XVI. Sonntage »ach Trinitatis 1886). 10, 9—23/2: Paulus empfängt von Gott einen Befehl in Beziehung auf dir Heiden............................................................196 (am XVII. Sonntage nach Trinitatis 1886). 10, 23/2—33: Die erste Missionsreise zu de» Heiden.......................205 (am XVIII. Sonntage nach Trinitatis 1886;. 10, 34-48: Der weltgeschichtliche Zaun fällt................................ 213 (am XX. Sonntage nach Trinitatis 1886). 11, 19—25: Also fort läuft GotteS «ort.................................... 221 (am Sonntage nach Trinitatis 1887;. 11, 25—30: Und nun komm' her, ich will dich senden! .... 229 (am I. Sonntage nach Trinitatis 1887). 12, 1—5: Etwas von dem Gewtffm..............................................237 (am II. Sonntage nach Trinitatis 1887). 12, 6—11: Eine Beweisung des lebendigen Gottes oder: eine großartige GebetSerhörung......................................... 245 (am III. Sonntage nach Trinitatis 1887). 12, 12—24: Wit Gott einmal sein Dasein und Leben 6twiesm hat.....................................................................253 (am IV. Sonntage nach Trinitatis 1887;. 13, 1—12: Der erste Anfang der Heidmmtsfio«........................... 261 (am V. Sonntage nach Trinitatis). 14, 8-18: Der Apostel in Lhftra.................................................. 270 (am VI. Sonntage nach Trinitatis 1887). 16, 1—12: Auf, nach Europa!....................................................... 279 (am VII. Sonntage nach Trinitatis 1887). 16, 13—16: Der Sonnenaufgang über Europa............................288 (am VIII. Sonntage nach Trinitatis 1887). 7, 51—59:

XI

Leite

Vom Kampfe des Lichtes mit der Finsternis . . . 296 (am IX. Sonntage nach Trinitatis 1887). 38. Kap. 16, 25—32: Der erste Gemeindegottesdienst in Europa.... 305 am X Sonntage nach Trinitatis 1887). 39. Kap. 16, 33—40: Nur selig 1....................................................................314 iam XI. Sonntage nach Trinitatis 1887). 40. Kap. 16, 35—40: Aus Nacht in Tag...................................................... 322 iam XII. Sonntage nach Trinitatis 1887). 41. Kap. 17, 1—10: Die Entstehung der christlichen Gemeinde zu Thessalonich.............................................................................331 (am XXIV. Sonntage nach Trinitatis 1882). 42. Kap. 17, 17—34: Paulus ilt Athen...................................................... 341 (am XIV. Sonntage nach Trinitatis 1887). 43. Kap. 18, 1—16: Paulus und Korinth..................................................351 (am XV. Sonntage nach Trinitatis 1887). 44. Kap. 18, 5—16: Paulus in Korinth...................................................... 360 (am XVI. Sonntage nach Trinitatis 1887). 45. Kap. 18, 24—19, 7: Ephesus, die neue Muttergemeinde und Ecntralgemeindc der Ehristrnheit.........................................369 mm XVII. Sonntage nach Trinitatis 1887). 46. Kap. 19, 8—12: Paulus in Ephesus...................................................... 377 iam XVIII. Sonntage nach Trinitatis 1887). 47. Kap. 19, 11—20: Pott Licht und Finsternis, von Wahrheit und Irr­ tum, vermischt und vermengt.................................... 384 ie Apostel ir» Tykra sei demnach der Gegenstand unserer weiteren Betrachtung; wir heben dabei

solgende Punkte hervor: 1. den schweren Anfang, 2. offene Thüren, 3. finsteren Aberglauben und 4. zwei Körnlein Wahrheit.

1. Der schwere Anfang.

Liebe Brüder — die Schwestern muß

ich diesmal außer Betracht lassen, — also liebe Brüder, wer von euch möchte wohl ein Apostel sein oder meinetwegen ein Missionar? Wer von euch

möchte Heimat und Vaterland, Geschwister und Bekannte, allen Besitz und eine gesicherte Existenz verlassen und möchte etwa noch in Gemeinschaft mit

einem Bruder hinausziehen in die Heidenwelt, nur mit einem Stabe und Bündclein der notwendigsten Sachen ausgerüstet, um dort die Leute für

die Verehrung des Herrn Jesu Christi zu gewinnen? möchte diesen Beruf mit seinem jetzigen vertauschen?

Wer von

euch

Und wenn er es

auch noch so schwer in seinem jetzigen Berufe hat und hart arbeiten muß

im Schweiße seines Angesichtes, wer von euch möchte ein solch armer,

geplagter, stets in Todesgefahr schwebender Apostel sein und Christum in die Heidenwelt hinaustragen? Ich vermute, daß ihr alle sagt: „Ich nicht!"

So schwer es auch die heutigen Missionare haben, so hatten es doch die damaligen

Apostel

noch

unendlich

viel schwerer.

Denn die heutigen

Missionare werben wenigstens von ihrer Heimat aus in der Heidenwelt

unterhalten und haben also doch noch von ihrem Berufe einen Lebens­ unterhalt; aber die Apostel verdienten mit ihrer Missionsarbeit gar nichts

und mußten sehen, wie sie sich sonst durchschlugen. Ja, jetzt sind die Apostel bei uns mit dem Glanze der höchsten

Ehrwürdigkeit umgeben, wir verehren sie als die Edelsten der Menschheit; aber was nützte ihnen das damals, als sie lebten? Dazu kam noch etwas: wie wollten

sie denn ihren Beruf ausrichten?

vorigen Sonntage ausdrückte:

bringen?

oder wie ich mich am

wie wollten sie ihre Ware an den Mann

Das war furchtbar schwer.

Wenn nun so ein Apostel in ein

fremdes Land, in eine fremde Stadt kam, dann sah man ihm doch nicht an, daß er ein großer Mann war, im Gegenteile: jeder sah ihn für einen armen Wanderer an.

Das möchte ich euch, meine Lieben, bei dieser Ge­

legenheit als sehr wichtig ans Herz legen: die wahrhaft großen Menschen, die groß sind vor Gott, sehen gar oft wie nichts vor der Welt aus, sie haben kein Ansehen, sind ohne weltlichen Schein und besitzen nichts, was ihnen bei der Welt Geltung verschaffen könnte.

Wenn nun so ein geringer Mann,

und wenn er an sich und vor Gott noch so bedeutend war, in eine Stadt

kam, wie wollte er da einen Anfang gewinnen? Er konnte doch nicht den

ersten besten, der ihm begegnete, anreden und zu ihm sagen: „Ich möchte Rocmheld, Predigten.

18

Ihnen gerne von Jesu Christo erzählen/'

oder

ihn

fragen:

,/haben

Sie denn schon einmal darüber nachgedacht, ob Sie selig werden oder ob Sie verloren gehen?"

Vornehme Leute dursten sie so gar nicht anreden,

höchstens Arme.

O, es war furchtbar schwer, an die Menschen heranzukommen, und wenn sie dann endlich eine Gelegenheit gefunden hatten, zu einer Anzahl

Leute von dem Wege zur Seligkeit zu sprechen, so war fast jedesmal und in jeder Stadt das Ende das, daß eine Meute, eine Hetze gegen sie los­ Auf einmal fing einer aus

brach, gewöhnlich auf Anstiften der Juden.

dem Pöbel an, mit Steinen auf die Apostel zu werfen, und wenn das einige nachgemacht hatten, dann wuchs die Menge, und es gab einen Tumult,

wie das häufig im Jahre 1870 bei den Deutschenhetzen in Paris geschah; die Steine flogen haufenweise auf sie ein, so daß sie suchen mußten, mit heiler Haut so schnell als möglich zur Stadt hinaus zu kommen, sonst

wären sie im Tumulte ermordet worden.

So auf der Flucht vor dem

Tode, vor der Verfolgung sind sie fast zu jeder Stadt hinausgekommen. Wer von euch möchte nun ein solcher Apostel sein? O, wie unendlich viel

verdanken wir doch diesen edlen Menschen! treuen Arbeit gehabt?

Und was haben sie von ihrer

Dem denkt einmal nach! — So war ihr Lebens­

lauf; die, ja die konnten von Unglück sagen, denn was haben sie alles er­

litten und erduldet!

Können wir auch sagen, daß so viel Not und so viele

Leiden je über uns ergangen sind? ruhig zu Bette gehen.

Die konnten wohl nicht einen Abend

Und doch haben sie später nicht geklagt, sondern sic

haben den Herrn Jesum gelobt und ihm gebanst für seine gnädige Hilfe und für seine herrliche, wunderbare Führung.

Denn ob auch Heiden und

Inden noch so sehr wüteten, sie fanden doch zuletzt fast überall

2. offene Thüren. In Lystra nun hatten die beiden Apostel mit der Zeit einen kleinen Anhang bekommen; da waren ein paar Leute, wahrschein­ lich arme, bei denen waren sie mit ihrer Ware angekommen, die hörten sie

an, wenn sie die Geschichte erzählten, die doch allein glücklich und auch selig macht, vorausgesetzt, daß sie in dem Menschen lebendig wird.

So weit

waren dort die Zeugen Christi, daß sie ein paar Menschenkindern die wunder­

volle Jesusgeschichte sagen konnten, aber von einer besonderen Wirkung, von

einem durchgreifenden Erfolge war auch dort bis jetzt keine Rede.

Ja, ihr

Lieben, wenn nicht Jesus mit ihnen gegangen und bei ihnen gewesen

wäre, wenn er ihnen nicht geholfen, wenn er ihnen keine Thüren auf­ gethan hätte, dann hätten sie überall nichts ausgerichtet.

Es ist das in

der That so: wenn nicht Jesus mit ihnen ausgezogen wäre, dann hätten

sie zu Hause bleiben können, und dann wären sie auch zu Hause geblieben. Aber wie lesen wir? Sie gingen aus und predigten an allen Orten, und

der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.

Und wenn und wo das geschah, da gab's andere Gedanken.

In Lystra nun war auch so ein Armer; er war von Mutterleibe

an lahm gewesen,

hatte nie gehen können, hatte immer sitzen müssen.

O, ein zweifach, ja ein zehnfach armer Mensch! er wird vielleicht auch

schon seine 40 Jahre alt gewesen sein.

Nun, ich will den Jammer dies­

mal nicht weiter schildern, sondern nur das sagen:

40 Jahre alt sein

und nie haben gehen können, immer haben sitzen müssen und arm dabei sein, — das ist Elend bergehoch.

Nun, den Elenden ist gut predigen,

wenigstens besser als den Glücklichen dieser Welt: den Hungrigen ist gut kochen,

besser als den verwöhnten Leckermäulern.

Dieser Lahme

hörte auch eines Tages, wie Paulus die wundervolle Geschichte von Jesu vortrug.

Und er erzählte, so denke ich mir, unter anderem folgendes:

Johannes der Täufer, durch Herodes ins Gefängnis gelegt, schickte vor seinem Henkertvde zwei seiner Anhänger zu Jesu

und ließ ihm sagen:

„Bist du der Herr, Jehovah, ins Fleisch, in die Menschheit gekommen?"

Als die zwei Boten des Johannes zu dem Herrn Jesu kamen, da war

dieser gerade damit beschäftigt, Kranken und Unglücklichen aller Art Hilfe Gesundheit und das Leben zu spenden.

Darum gab er den zwei Abge­

sandten des Johannes die Antwort und den Bescheid: „Gehet hin und saget deni Johannes wieder, was ihr eben sehet und höret, nämlich: die Blinden sehen, die Lahmen gehen," — als das der Lahme hörte, da

hüpfte sein Herz, und er sagte zu sich selbst: „wenn Jesus wollte, könnte

auch ich wohl noch gehen lernen!"

Paulus aber fuhr fort: Jesus sagte

den Abgesandten des Johannes noch weiter: „Die Tauben hören, die Aus­ sätzigen werden rein, die Toten stehen ans und den Armen wird das Evangelium gepredigt" Math. 11, 5). — „D Himmel," sagte da der Lahme,

„wenn doch dieser Jesus da wäre, da würde mir ganz gewiß noch ge­

holfen"; und er faßte ein rührendes, felsenfestes Vertrauen zu Jesu, und sein Herz

brannte lichterloh von Jesusglauben und Jesushoffnung.

Da sah diesen armen Menschen Paulus an, und durch die Er leuchtung des Heiligen Geistes merkte er, was in dem Inneren des Ärmsten

vorging, und dem Paulus lachte das Herz im Leibe.

Denn, ihr Lieben,

es giebt nichts Schöneres, es giebt nichts, was die Diener Christi glück­

licher machen kann, als wenn sie sehen, daß sich ein Herz dem Sohne Gottes zuwendet,

als wenn sie wahrnehmcn, daß ein Mensch sich an

Jesum als die lebendige Offenbarung des lebendigen Gottes anklammert. Da nun Paulus sah, daß der Lahme das that, da sprach er zu ihnr mit

lauter Stimme: „Stehe aufrecht auf deine Füße!" — Paulus, was hast du

gethan? Was hast du gewagt? Hast du auch die Folgen dieses Wagnisses 18'

bedacht? Wenn s nun der Lahme nicht thut, wenn er nun nicht aufstehen

kann, wie bist du dann beschämt, wie ist dann Christus beschimpft und dein ganzes Apostelwerk oder Missionswerk verdorben.

Hättest du doch

lieber erst einmal probiert, ob es auch gehe, und wenn du dich davon

überzeugt hättest, daß es angehe,

dann erst hättest du vor den Leuten

laut sagen sollen: „Stelle dich auf deine Füße!" Ja, das ist Weltllugheit, aber das ist kein Glaube, mit dem man dem Herrn Christo Herzen und die Welt erobern, mit dem man Berge

versetzen kann.

Paulus jedoch war ein Held des Glaubens und stand

dem Herzen des Herrn Jesu sehr nahe; er wußte, daß Jesus ein leben­

diger Heiland ist, und er wußte: „Mein Heiland steht mir bei."

In diesem

Glauben sprach er: „Stelle dich auf deine Füße!" — Und der arme Mensch „O Himmelswonne, ich kann ja stehen und

that's, wahrhaftig er that's.

gehen!" und er stand und er ging und er wandelte.

Nun

Und nun?

hatte Christus den Aposteln Lust gemacht, nun hatte er ihnen eine Thüre aufgethan, aufgestoßen hatte er sie, und nicht eine Thüre, nein hundert waren damit plötzlich

aufgethan;

da kamen die Apostel nun mit dem

Evangelium hinein, das sonst die Welt nicht mag.

Meint ihr nicht: jetzt

haben die hochmütigen Lystraner, Heiden und Juden, den Paulus und

Barnabas auf einmal ganz anders beurteilt, und haben ihr Evangelium von einem gekreuzigten und auserstandenen Manne anders angesehen und haben auch den Herrn Jesum anders angesehen.

Nun war auf einmal wie

mit einem Zauberschlage die Lage durchaus geändert, so geändert, daß sie gerade in ihr Gegenteil umschlug, ins andere Extrem, nämlich in

6. finsteren Aberglauben. Bis dahin hatten die Städter mit Hoch­ mut und Verachtung auf die zwei Fremdlinge herabgesehen, und was sie da für eine Lehre oder Geschichte vortrugen, das hielten sie für dummes Zeug.

Denn in der Welt konnte man damit nichts anfangen.

Aber als

nun plötzlich der Mensch, der 40 Jahre lang und zwar von Kindesbeinen an lahm gewesen war, den die ganze Stadt nie anders als hilflos dasitzend

gesehen hatte, als sie den

nun wie jeden anderen

herumgehen

sahen

mit gesunden Gliedern, als sie merkten, daß das durch die Fremdlinge mit einem Worte geschehen war, — Herr Gott, das war ein Erstaunen und ein Entsetzen!"

uns gekommen,"

Da sagte einer im Volke:

„Die Götter sind zu

und als das erst einmal einige ausgesprochen hatten,

da zündete diese Idee bei den anderen; es konnte ja auch nicht anders sein, und es griff um sich, weiter und weiter, und nach einigen Minuten

hieß es int ganzen Volke: „Die zwei Männer, das sind keine Menschen, das

sind verkleidete, verhüllte Götter, der Jupiter und der Merkur, die sind zu uns hernieder gekommen!"

Ja,

das glaubten alle;

sie hätten darauf geschworen, die zwei

Männer seien nur scheinbar Menschen, in Wirllichkeit seien sie Götter. Und weil sie dieselben vorher so gering angesehen hatten, so sahen sic jetzt sie um so höher an, ja sie finden es ganz selbstverständlich,

daß sie diesen verhüllten Gottheiten nun auch göttliche Verehrung er­ zeigen.

Und wahrhaftig, sie gehen von Worten zu Thaten über und

zwar sofort, ohne Zeit zu verlieren; denn die Götter konnten sie ja in einem Augenblick wieder verlassen, und der Mensch will sich doch Gott

gnädig und geneigt machen.

Also kam der Priester Jupiters und brachte Ochsen und Kränze, und das ganze Volk zog in feierlicher Prozession mit, und sie waren drauf und daran, den beiden vermeintlichen Göttern ein Opfer darzubringen. Das geschah nun allerdings nicht, denn dazu gehörten nicht bloß der Priester und das Volk und Opfer und Kränze, sondern dazu gehörte auch

jemand, der das Opfer annimmt: die zwei Apostel aber nahmen es

natürlich nicht an, ja sie waren tief betrübt über diese Blindheit und wehrten ihrem Vornehmen, so daß es nicht zur Ausführung kam. Denn sie sagten: „Wir sind auch sterbliche Menschen, aber wir predigen euch

das Evangelium Jesu Christi, daß ihr euch bekehren sollt von diesen falschen Göttern zu dem lebendigen Gott." Sagt, meine lieben Brüder, wollen wir uns das nicht merken und behalten?

Was denn? — Das

Evangelium von Christo wird gepredigt, daß sich die Menschen

von den falschen Göttern zu dem lebendigen Gott bekehren. Wo wird also der lebendige Gott zu suchen und zu finden sein? Der

Lahme, der jetzt nicht mehr lahm war, hatte es erfahren. Bei aller Blindheit der Lystraner finden wir indessen in ihrem Thun doch auch

4. zwei Körnlein Wahrheit. O, es ist tief betrübend zu sehen, wie weit sich die Menschen verirren können, so daß sie sterbliche Menschen für Götter halten und ihnen Opfer darbringen wollen. Und ttotzdem, ist es nicht auch heutzutage in der gebildeten Christenheit etwas ganz Ge­

wöhnliches, daß Menschen vergöttert werden und daß ihnen Geld und Gut, ja selbst Leib und Leben zum Opfer dargebracht wird? Indessen so groß auch die Blindheit der Lystraner war, so waren doch zwei Körnlein Wahrheit in ihrem Aberglauben, die man bei manchen, die

sich Christen nennen, vergeblich sucht. Welches waren wohl diese zwei Körnlein Wahrheit? Der Lahme war zu dem Gebrauche seiner Glieder

gekommen, seine Lahmheit war fort. Wer hatte das bewirkt? Paulus? Ja, seht, das ist das Elend, selbst inmitten der Christenheit, daß bei aller

Hilfe doch nicht der lebendige Gott als der Helfer erkannt wird, sondern da muß immer ein Mensch der Heiland sein: immer wird Gott die Ehre

geraubt und Menschen die Ehre gegeben.

Und wenn es noch so deutlich,

noch so klar ist, daß es einem geradezu in die Augen schlägt, daß hier die Hand Gottes eingegriffen hat, — die Hand Gottes wird nicht erkannt,

nein, das hat ein Mensch gethan! Nicht so dachten die Lystraner.

Als der

Lahme gesund geworden war, da sahen sie allerdings, daß das durch

Paulus geschehen war, aber ein Mensch konnte das nicht gethan haben, das mußte Gott gethan haben, sie erkannten das Eingreifen Gottes.

Das war die eine Wahrheit.

Und dann: „Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu

uns herniedergekommen," sagen sie. keine Schranken.

Sie setzen also der Macht ihrer Götter

Ist Gott wirklich Gott, so kann er sich auch in mensch­

liche Gestalt kleiden und zu uns Hemiederkommen.

Das

glaubten die

Lystraner. Hätten sie nur statt der vielen Götter den einen Gott erkannt,

hätten sie statt Paulus und Barnabas den Herrn Jesum Christum als den erkannt, in welchem sich Gott zu uns herabgelassen, dann hätten sie recht gehabt.

Denn das steht fest: wenn Gott nicht zu uns kommt, wenn

Gott nicht uns die Hand reicht, dann kommen wir ewig nicht zu ihm. Das aber hat er gethan in Jesu Christo.

Ewigkeit! Amen.

Ihm sei Dank dafür in

35. G Gottes Sohn, -atz tat gekommen bist in die Welt, die Sünder selig -n machen, da» ist nn» ein teuer werte» Wort, e» ist nn» der höchste Trost nnd der kostbarste Schatz unsere» Leben». Vu willst nn» selig machen; — o Herr, wie hast du doch die Leute so lieb! wenn mir*» nur auch in rechtem Ernste wollten, nn» selig machen zu lassen. Herr Jesu, latz e» doch so werden. Nein, wir wollen unser Teil an dir nicht ausgeben; ich bin dein, sprich du daraus dein Amen! Amen.

Tert: Äp.-Gesch. Ui, 1—12. Er kam aber gen Derbe und Lystra; und siehe, ein Jünger war daselbst mit Namen

Timotheus,

eines jüdischen Weibes Lohn,

die war gläubig, aber eines griechischen

Der hatte ein gut Gerücht bei den Brüdern unter den Lystranern und zu

Vaters. Jkonion.

Diesen wollte Paulus lassen mit sich ziehen; und nahm und beschnitt ihn

um der Juden willen,

die an denjelbigen Erteil waren;

sein Vater war ein Grieche gewesen.

denn sie wussten alle,

daß

Wie sie aber durch die Ltädte zogen, über­

antworteten sie ihnen zu Hallen den Lpruch, welcher von den Aposteln und den Ältesten zu Jerusalem beschlossen war. Da wurden die Gemeinen im Glauben be-

sestiget, und nahmen zu an der Zahl täglich. Land Galatien zogen, Wort in Asien.

Da sie aber durch Phrygien und das

ward ihnen gewehret von dem Heiligen Geiste, zu reden das

Als sie aber kamen an Mysien, versuchten sie durch Bithynien zu

reisen; und der Geist ließ es ihnen nicht zu.

und kamen hinab gen Droas.

3ie zogen aber an Mysien vorüber

Und Paulus erschien ein Gesicht bei der Nacht; das

war ein Mann aus Maccdouien, der stund und bat ihn und sprach: Komm herüber

nach Maeedonien und hilf uns!

Als er aber das Gesicht gesehen hatte, da trachteten

wir alsobald, zu reisen nach Maeedonien, gewiß, daß uns der Herr dahin berufen

hätte,

ihnen das Evangelium zu predigen.

Da fuhren wir aus von Droas; und

strackes Laufs kamen wir nach Lamothracien, des andern Tages gen Neapolis, und

von dannen gen Philippi, welche ist die Hauptstadt des Landes Maeedonien und eine Jreistadt.

Wir hatten aber in dieser Ltadt unser Wesen etliche Tage.

Geliebte in dem Herrn! Wir haben einen großen Sprung gemacht, nämlich aus dem 14. in das 16. Kapitel der Apostelgeschichte.

Der

Sprung ist aber nicht gewagt, wir konnten ihn wenigstens ohne Lebens­

gefahr ansführen.

Aber oft ist man in seinem Leben genötigt, einen Sprung

ins Dunkle zu thun, man muß den sicheren Grund und Boden, auf

welchem man steht, verlassen, man muß aus den sicheren und geordneten Verhältnissen, in welchen man seither lebte, scheiden und muß in neue,

unbekannte, unsichere Verhältnisse eintrcten, ohne daß man weiß, wie es

einem in denselben gehen wird. drängt vorwärts.

Aber man muß vorwärts,

denn alles

Und so kann man auch nicht immer bleiben, was man

ist, und kann nicht immer bleiben, wo anan ist, man muß gar oft die

alten, liebgewordenen Verhältnisse verlassen und muß — den Sprung ins

Dunkle thun; aber Heil dem, der solchen Sprung im festen Glauben, der ihn an Jesu Hand thut; denn dann ist auch die dunkelste Finsternis nicht

dunkel, sondern sie wird licht und hell.

Ja, an Jesu Hand kann

man's wagen.

So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende

und ewiglich; ich will allein nicht gehen, nicht einen Schritt, wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit. Herr Jesu, wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit! — wessen Konfirmationsrede hatte so ge­

schlossen, ivißt ihr's noch? Habt ihr s auch gehalten? Ich will allein nicht o Heiland, wirs! gehen, da nimm

gehen, nicht einen Schritt, wo du,

mich mit, da und nur da nimm mich mit!

Dann ist der Schritt und

Sprung kein Schritt und Sprung ins Dunkle, dann wird und ist das

Dunkel hell. Alle wahren Gotteskinder müssen in ihrem Leben manchen Sprung ins Dunkle thun.

Sie wissen z. B. in einem Falle: „ich kann hier nicht

bleiben, ich soll hier nicht bleiben, es kann so

muß es also wagen."

nicht weitergchen,

ich

Und sie wagen es mit der bangen Frage: wie

wird's werden? wie wird's gehen? Aber sie wagen es an Jesu Hand, — und uns ist bange, aber wir verzagen nicht (2. Kor. 4, 8), und siehe da,

es geht.

Welch ein Sprung ins Dunkle -war es doch, den Abraham,

der Vater der Gläubigen, that, als er Heimat und Vaterland verließ und dem göttlichen Befehle: „Ziehe in das Land, das ich dir zeigen will," Folge

leistete! Wie dunkel lag da die Zukunft vor ihm, er wußte nicht, wie in der unbekannten Ferne die Menschen gegen ihn sein würden, er wußte

nicht: geht's in das Leben, oder geht's in den Tod? alles war für ihn

dunkel.

Aber er wußte: „Ich gehe auf des lebendigen Gottes Befehl und

ich gehe an des lebendigen Gottes Hand, ich will allein nicht gehen, nicht einen Schritt, wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit!" — das

war im Dunkel sein Licht.

Und das war kein Irrlicht, sondern cs

war das Licht des Lebens.

Wo ist ein Mensch, der zum Himmel durchdringt, der nicht wieder

und wieder solchen Sprung ins Dunkle thun mußte und auch gethan hat?

Aber an Jesu Hand wurde es sein Glück, des Herrn Rat war

wunderbarlich, aber er führte es herrlich hinaus (Jes. 28, 29).

O, ihr

Lieben, ich habe in meinem Leben auch schon manchen Sprung ins Dunkle

hun müssen, aber nie habe ich ihn gethan nach eigner Wahl und eignen

Gedanken, sondern immer gefleht: so nimm denn meine Hände und führe

mich — und da hat cs mir nie an Licht und Gnade gefehlt.

Wenn wir nun heute einen Sprung aus dem 14. in das 16 Kapitel der Apostelgeschichte wagen, so ist das zugleich ein Sprung aus Asien nach

Europa über das Meer hinweg: doch, wie gesagt, wir können den Sprung

schon machen, er ist für uns ohne Gefahr. Aber der uns diesen Sprung vorgethan hat, der hatte es schwer, der beging damit ein kühnes Wagnis, der that fürwahr einen Sprung ins Dunkle.

Aber da er ein Mann

und Held des Glaubens war und der Herr Jesus Christus ihm zur Seite stand, so hat sich für ihn auch das Dunkel bald gelichtet, und er kam

bald wieder auf festen Grund und Boden.

Wir wollen in den Mittel­

punkt unserer heutigen Betrachtung stellen den Ruf:

Auf, nach Knropa! und wollen 1. etwas von der Menschen Gedanken und Gottes Willen lernen und dann die Gedanken ausführen: 2. der Weg ist dunkel, aber 3. das Dunkel wird hell.

1. Etwas von der Menschen Gedanken und Gottes Willen. Wo waren wir doch das vorige Mal stehen geblieben?

Paulus und

Barnabas hatten in Lystra in Klein-Asien das Lebenswort von dem Herrn Jesu Christo verkündigt.

Unter den Leuten nun, die dort zum

erstenmal diese einzige Geschichte vernahmen, wurde besonders ein armer Mensch auf das trostreiche Evangelium aufmerksam, der von Kindesbeinen an lahm gewesen war und noch nie hatte gehen können, sondern immer hatte sitzen müssen. Dieser Mensch faßte ein kindliches, felsenfestes Vertrauen zu

dem Herrn Jesu, daß er ihm noch helfen könne.

Als Paulus dies merkte,

sprach er zu ihm das mächtige Glaubenswort: „Stelle dich auf deine Füße!" und der Mensch that's, und siehe da, er stand und er ging und

er wandelte.

Darüber war die Bevölkerung in Lystra so außer sich vor

Staunen, daß sie zu dem Schlüsse kam, die zwei Fremdlinge seien ver­

hüllte Götter, und sich anschickte, ihnen zu opfern.

Nur mit Mühe

konnten die Apostel ihrem Vorhaben wehren, und mit tiefer Betrübnis über solche Thorheit thaten sie's. Aber nun dauerte es gar nicht lange, so schlug die Begeisterung in ihr Gegenteil um, auf das Hosianna folgte auch hier das Kreuzige! und die eben noch Götter hatten sein sollen, die sollten nach kurzer Zeit Übelthäter sein. Dieselbe Bevölkerung, welche die zwei Männer vorhin vergöttert hatte, steinigte nun den Paulus, so

daß er für tot vom Platze getragen wurde.

Aber in der Kraft des Herrn

stand er wieder auf und ging davon. So waren denn die Apostel weiter gezogen und endlich nach wechsel-

vollen Schicksalen, aber nicht ohne mancherlei Erfolg, von ihrer ersten Be­

kehrungsreise wieder nach Antiochien zurückgekehrt, von wo sie ausgesandt

waren.

Nach etlicher Zeit waren sie dann von Antiochien nach Jerusalem

gereist, um dort mit den Aposteln Rat zu halten über eine Frage, die damals

in der Christenheit viele Gemüter aufs höchste bewegte und beunruhigte, über die Frage nämlich, ob die, welche sich aus den Heiden zu dem Herrn Christo bekehrten, erst noch beschnitten werden und das ganze Gesetz Mosis halten

müßten, oder nicht.

Die Meinungen waren geteilt, aber schließlich wurde

doch von dem Apostelrat unter Beistand des Heiligen Geistes beschlossen, daß die Heidenchristen das nicht brauchten, sondern: wir glauben durch die Gnade des Herrn Jesu Christi selig zu werden, gleicherweise wie auch sie (Ap.-Gesch. 15, 11); so hatte der Beschluß der Apostel

gelautet. Also allein aus Gnade, allein durch Christi Bcrdienst! Dabei ist's geblieben bis heute, und dabei wird's bleiben in Ewigkeit. Wer

selig wird, der wird selig allein durch den Herrn Jesum Christum, selig allein durch das, was Christus für uns gethan und gelitten hat. Nach diesem für Zeit und Ewigkeit entscheidenden Apostelrat waren

Paulus und Barnabas wieder nach Antiochien zurückgekehrt.

Von dort

traten sie dann die zweite Bekehrungsreisc an und zwar zog Paulus diesmal nicht wieder mit Barnabas aus, sondern er nahm diesmal den Silas zu sich.

Also von nun an sind die beiden Apostel, denen wir

auf ihren Missionsreisen folgen, Paulus und Silas. Im ganzen ge­ nommen zogen sie den alten Weg und schlugen dieselbe Richtung ein, die sie auf der ersten Reise eingehalten hatten.

Asien ist groß, o ihr Lieben,

Asien ist sehr groß! Wenn zwei Männer ganz Asien mit dem Evangelium

Jesu Christi erfüllen sollten, dann war ihnen eine Aufgabe gestellt, die zu

lösen ihnen unmöglich gewesen wäre. Denkt einmal an unser Hessenland — wie klein ist das, und doch wie groß, wenn ein Apostelpaar die ganze Bevölkerung dieses Landes hätte zu dem Herrn Jesu führen sollen.

Und

nun denkt euch Deutschland und fürs ganze deutsche Volk ein Apostel­

paar; und nun denkt euch Europa und für ganz Europa zwei Männer, die es mit dem Evangelium von Christo erfüllen und die Bevölkerung Europas in die Gemeinde Christi, in die Kirche Christi eingliedern sollen. Und nun denkt euch erst Asien, gegen welches das ganze Europa nur ein

kleines Land ist. Ganz Asien — und zwei Männer sollten die Bevölkerung Asiens zu Jesu Jüngern machen und in die Kirche Christi einfügen! Das war natürlich nicht möglich, allein das sollten sie auch nicht,

sondern sie sollten--------- nun was denn? Sie sollten ihr Wirken noch über Asien hinaus ausdehncn. Aber das wußten sie vorerst noch nicht, und das war gut so.

Sie waren und wohnten in Asien, und das heilige

Land, wo Jesus Gott der Menschheit geoffenbart und die Versöhnung der

Welt vollbracht hatte, liegt in Asien. Auf Asien und die Bekehrung Asiens

hatten sie demnach auch lediglich ihr Augenmerk gerichtet.

Da gab's ihr

Leben lang genug zu thun. Wenn sie nun statt dessen das ungeheuere Asien hätten liegen gelassen und wären weiter gegangen, um außerhalb Asiens das

Evangelium zu verkündigen, so wären das nach dem Urteile von Menschen

unsinnige Gedanken gewesen. Auch heutzutage hört man oft Urteile wie die: „was brauchen die Missionare nach Afrika und überhaupt in andere Erdteile zu gehen? Was brauchen wir unser Geld an die Heiden fremder Länder

zu wenden, wo doch in der Heimat Not genug ist, wo es doch in der Heimat genug zu thun und genug Elend zu lindern giebt?!" Ja, ihr Lieben,

das sind so menschliche Gedanken, — aber „meine Gedanken sind nicht eure Gedanken," spricht der Herr.

Wie erfährt man

denn

nun aber

Gottes Gedanken? wie erfahren wir in allen Fällen Gottes Willen, so

daß wir dessen gewiß werden, was wir im einzelnen zu thun haben? Ja,

ihr Lieben, das ist eines der schwierigsten Probleme, eine der mißlichsten Aufgaben christlichen Lebens: wie erfahren wir in allen Füllen, was Gottes Wille ist? „Ich möchte ja gern den Willen Gottes thun, ich will

ja gern nicht meinen eigenen Willen thun, wenn ich nur klar und bestimmt wüßte, was in diesem Falle der Wille Gottes ist.

nicht."

Aber er sagt mir's

So haben, glaube ich, wohl alle lebendigen und geheiligten Gottes­

kinder schon gesagt, aber ich glaube dennoch, daß man in allen Lagen

deutlich erkennen nnd erfahren kann, was der Wille Gottes ist und was wir nach Gottes Willen thun sollen, wenn wir nur auf seinen Willen

aufmerksam sind und unseren Eigenwillen unterdrücken wollen.

von der Menschen Gedanken und Gottes Willen.

So viel

Wir gehen nun weiter

und führen den Gedanken aus:

2. der Weg ist dunkel. Also Paulus zog zum zweitenmal aus zum Werke der Heidenbekehrung, diesmal mit Silas. Sie konnten und wollten auch diesmal in Asien bleiben, da gab's für sie genug zu thun, da

hätten sie und noch viele andere ihr ganzes Leben lang wirken können: ist doch heute noch lange nicht ganz Asien mit dem Evangelium Christi erfüllt, sind doch auch heute noch lange nicht alle Völker Asiens zn Jesu

Jüngern gemacht.

So zogen denn die beiden Apostel weiter und weiter,

und überall bezeugten sie den Leuten den Herrn Jesum Christum als den

einzigen Weg zur Seligkeit.

So kamen sie auch nach dem großen Lande

Phrygien, — wahrhaftig allein schon groß genug, um zwei Aposteln, zwei Missionaren ein ganzes Leben lang Arbeit zu geben. — Aber was ist das? was war das?

Paulus und ebenso Silas wissen auf einmal gar

nicht mehr recht, was mit ihnen vor sich geht.

Bis dahin hatten sie

überall mit großer Freudigkeit, mit hohem Mute und hinreißender Be­

geisterung von dem Herrn Jesu Christo gezeugt: es war ihres Herzens größtes Bedürfnis, überall, wohin sie kamen, den Leuten die frohe Bot­ schaft von dem menschgewordenen Gottessöhne und seinem ganzen großen - aber in Phrygien wollte es auf einmal nicht mehr

Werke zu bringen,

recht gehen; sie wollten reden, aber sie waren wie geschlagen; es lag wie ein Alp auf ihnen, sie konnten hier nicht wie sonst zu dem Volke reden. Was war Schuld daran? Ja, woran lag's? Wurden sie hier in Phrygien gehaßt, verfolgt?

Ach, ihr Lieben, das hätte sie nie abgehalten, den Herrn

Christum laut als den einzigen Heiland der Welt zu preisen: an Haß

und Verfolgung der Welt waren sie ja gewöhnt, die haben auch nie auf­ gehört. Nein, es war etwas anderes, es war wie ein Druck, der auf ihnen

lag, sobald sie in Phrygien die Botschaft von dem Herrn Christo aus­ richten wollten.

Wohl versuchten sie cs immer wieder, aber es war, als

wäre ihnen das Herz zugeschnürt; kurz, es ging nicht,

und sie mußten

es aufgeben. So zogen sie denn weiter nach dem großen Lande Galatien, wo die Galater wohnten, an welche bekanntlich der Apostel Paulus einen Brief geschrieben hat, den wir noch heute besitzen.

Es sollte mich wundern, meine Lieben, wenn nicht eines oder das andere hier wäre, das schon Ähnliches an sich selbst erlebt hat, wie es

hier Paulus und Silas erfuhren.

Es kommt z. B. manchmal vor, daß

man sich vorgenommen hat, da oder dort etwas zu sagen; man geht auch

hin mit dem festen Vorsatze, es zu thun; aber wenn man da ist und steht vor den Leuten, zu denen man sprechen wollte, man kann es nicht, cs

geht nicht, das Herz ist einem wie zugeschnürt, der Hals wie zugepreßt, der Mund wie zugebunden.

Man nimmt sich's in der Stille wieder und

wieder vor; „sag's doch jetzt!" spricht man zu sich selbst.

Aber man bringt's

nicht fertig und man geht wieder nach Hause und hat nichts ausgerichtet von

dem, was man ausrichten wollte.

Man kann auch durchaus nicht immer

sagen, daß das an den Leuten lag, zu denen man sprechen wollte; es hat manchmal auch einen anderen Grund gehabt, den man sich nicht erklären kann.

So war es dem Paulus und Silas in Phrygien ergangen, und nicht anders erging es ihnen in Galatien.

Auch dort versuchten sie eS,

Christum den Leuten zu verkündigen, — es ging nicht.

Nun, Galatien ist

groß, sie versuchten es also in einer anderen Stadt, aber auch da erging

es ihnen nicht besser,

und wie weh that ihnen diese Erfahrung! es war,

als müßte sie ihnen das Herz abstoßen.

Jesus war doch ihre Freude,

ihr Leben, ihr Alles, aber sie konnten in Galatien nicht mehr von ihm reden.

Woher kam das nur?

wo cs ihnen so erging.

Das war nun schon das zweite Land,

Aber nun wurden sie sich auch schon klarer über

die Ursache: es wurde ihnen vom Heiligen Geiste gewehrt!

Seht,

meine lieben Brüder und Schwestern, ohne den Beistand des Heiligen Geistes ließ sich ja überhaupt ein solches Werk, wie Paulus und Silas cs trieben, nicht unternehmen; aber hier auf ihrer zweiten Reise half ihnen

der Heilige Geist nicht nur nicht, nein, er wehrte ihnen sogar, er machte ihnen Unrnhe und Angst. Da merkten sie nach und nach, daß das ein Zug, eine Stimme von Gott selbst war; sie sollten in den ihnen bekannten

Ländern Asiens das Evangeliuni von Christo nicht weiter verkünden.

Denn die Gnadenzeit, die diese Völker Asiens gehabt, war für sie nun nahezu vorüber; in Asien sollte die Sonne vorerst und für lange Zeit

untergehen, um dafür in einem anderen Erdteile aufzugehen. Liebe Brüder und Schwestern, könnt ihr euch wohl ein klein wenig in die Lage der zwei Männer versetzen? Sic war sehr schwer, sehr dunkel. — O ja, hintennach sehen wir hell auch in zweifelhafter Lage,

hintennach haben auch sie hell gesehen, aber solange sie noch darin waren, war es dunkel vor ihnen, sehr dunkel.

Ich habe gehört und gelesen, das;

es für Schiffer auf dem Meere nichts Schrecklicheres giebt, als wenn sie in eine vollständige Windstille geraten und wochenlang nicht vom Flecke kommen, wochenlang zur vollen Nnthütigkeit verurteilt sind.

Sturm und

Wetter sollen lange nicht so schlimm sein wie eine solch' unheimliche,

furchtbare Windstille auf dem. Meere.

JD6 das auch für die Dampfschiffe

dieselbe Bedeutung hat, weiß ich nicht, aber bei den Segelschiffen ist's so.

So war und so erging es hier Paulus und Silas.

ging nicht, sie mußten es lassen.

Sie mochten ver­

es lag wie ein Bann auf ihnen, es

suchen zu arbeiten, wo sic wollten,

Was sollten sie denn nun anfangen?

Sie waren doch Apostel, sie standen mitten int Apostelwerke und kamen doch nicht vorwärts; sie lagen in einer unheimlichen Ruhe, alle ihre

Thätigkeit war gelähmt,

weil der Wind von oben fehlte, weil der

Heilige Geist nicht half. Zwar zogen sie noch in ein anderes Land Asiens, nach Bithynien, und versuchten es auch hier, — es ging nicht!

Sie zogen auch noch in

ein viertes Land, nämlich nach Mysien, und versuchten es auch da, aber überall mit dem gleichen Mißerfolge.

Ach Gott, das ist ein trauriges

und ein schweres Arbeiten, wenn man keinen Erfolg sieht, und wenn einem

die rechte Freudigkeit fehlt.

Da war's doch da, wo sie verfolgt, gekreuzigt

und zur Stadt hinausgejagt wurden, immer noch besser, — denn da gab's wohl wütende Feindschaft wider Christum, aber es gab doch da überall

auch Jünger, und Christus wurde doch bei einzelnen mit Erfolg verkündigt, das Werk ging doch voran. Aber hier war überall, schon monatelang,

nichts von Erfolg zu spüren; es war, als wäre der Meltau in die so

hoffnungsvoll begonnene Arbeit gefallen.

Nun, was sollten sie anfangen?

Was meint ihr wohl? — Weiler ziehen? und wenn es auch da nicht gelingt, dann wieder weiter ziehen? Der Geist Gottes wird doch endlich ihnen wieder Freudigkeit geben, von Christo zu zeugen, und ihnen den Mund wieder

austhun.

Ihr könnt euch denken,

liebe

Brüder und Schwestern, daß

diese zwei Männer in jener dunklen Zeit viel gebetet und viel gefleht und

viel zum Herrn geschrieen haben, aber es war, als wäre der Himmel für

sie verschlossen, es war für sie eine Zeit trostloser Dürre.

Sonst hatte

der Heiland dem Paulus immer zur Seite gestanden und hatte ihm durch Gesicht oder Erscheinung oder Traum seinen Willen kundgethan, aber das

hatte jetzt gänzlich aufgehört.

Der Hellige Geist zeigte den beiden Aposteln

wohl, was sie nicht thun durften, er wehrte ihnen; aber was sie statt

dessen thun sollten, darüber bekamen sie noch immer keinen Aufschluß. 3. Das Dunkel wird hell.

So zogen sie denn immer weiter

was

hatten sie auch sonst für eine Wahl? — und kamen so endlich bis nach der Stadt Troas.

Hier waren sie am Meere, hier war anscheinend die Welt

am Ende, wenigstens für die beiden Apostel; sie waren nun am Ende des größten Erdteiles angekommen und hatten gewaltige Länder durchzogen, aber

gewirkt hatten sie in der letzten Zeit nichts oder doch so viel wie nichts. Wie

denn nun weiter? Ja, ihr Lieben, nun gab's kein Weiter mehr, wenigstens nach der Menschen Ermessen. Raffos und stumm standen sie da, aber desto

lauter schrieen sie in ihren Herzen zum Himmel hinauf: „O Herr Jesu, was hast du mit uns vor? Dein Weg geht durch große Deutlichkeit; so zeige doch

auch uns, was du willst; sage doch auch uns, was wir sollen?" Und was sollten sie? „Nach Seehcim sollten sie gehen!", hätte ich beinahe gesagt, aber ich sag's nicht wirklich, denn es ist nicht richtig.

Aber etwas Wahres

ist doch daran; denn das ist gewiß, daß der göttliche Heiland, der die Zügel

der Weltregierung in den Händen hat, damals seine Blicke schon hierher

auf unsere teure Gemeinde und in diese liebe Kirche richtete, und daß er auch auf euch sah, die ihr eben hier seid, obgleich dieses alles damals noch lange nicht war.

Aber seine Augen sahen uns, da wir noch unbereitet

waren, und es waren bereits alle in sein Buch geschrieben, die noch werden sollten, da noch keiner derselben da war.

DaS ist jedenfalls gewiß: als

die zwei herrlichen Apostel die Reise Tausende von Meilen weit durch die Länder Asiens machten und überall ihre selige Ware nicht einmal anbieten durften; als sie dann ratlos an der Küste Asiens an dem Meere standen

und flehend hinaufschauten nach dem Throne des Herrn, — da — nun wie war's da? — der Herr schaut vom Himmel und sieht aller Menschen

Kinder!

da waren seine Segensblicke, da waren die Heilandsblicke des

Sohnes Gottes auf Europa gerichtet. Denn nach Europa wollte Christus

nun den Schritt hinüberthun, den Völkern Europas wollte er nun die rettende Hand reichen, und in der Nacht der heidnischen Völker Europao sollte das Licht der Welt, sollte die Sonne aufgehen.

Aber freilich, wer

wußte das damals? Also stehen die beiden Apostel am Meere und blicken hinauf zum Himmel und fragen: ,Herr Jesu, was willst du von uns? was sollen wir

thun?" Ihre Nächte waren seither oft schlaflos gewesen, aber Gott weiß,

wie es kam, — in der nächsten Nacht beschleicht sie trotz ihres Kummers der Schlaf, und der Schlaf wird auch fest, weit besser als seit langer Zeit. Da gegen Morgen, als Paulus zum erstenmal wieder seit langer Zeit in einem erquickenden Schlafe lag, sah er an seinem Bette einen Mann

stehen, wie einen Wanderer gekleidet, aber in fremdländischer Tracht. Nun, ein wirklicher Mensch war cs nicht, der Apostel hatte vielmehr ein Gesicht, eine Erscheinung; doch das ändert an der Sache selbst nichts. Paulus betrachtet sich den Mann und sieht sofort, daß er nicht aus den Gegenden ist, die sic seither durchzogen hatten

Um so mehr wundert er sich des Gesichtes und fragt den Wanderer, was er wolle. Da bricht der

Fremde in die flehentliche Bitte aus: Maccdonien und hilf uns!"

„Ach,

komm' herüber

nach

Und noch einmal und zum drittenmal

bittet er flehentlich: „Komm' herüber nach Makedonien und hilf uns!" Als­ bald ist der Mann dann wieder verschwunden, und in demselben Augenblicke

erwacht Paulus.

Rasch steht er auf, sinkt auf die Kniee nieder und lobt

laut den herrlichen Heiland, daß er ihr Bitten und Beten erhört habe. Denn das war ihm sofort unzweifelhaft gewiß: „diese Erscheinung hat uns

Christus gesandt, er hat uns damit befohlen, daß wir übers Meer hinüber

nach Europa und zwar zuerst in das Land Macedonien ziehen sollen." Ungewißheit ist Pein, zumal in wichtigen Lebensfragen; diese Pein war nun vorüber. Gewißheit ist Friede; nun hatten sic Gewißheit, nun wußten sie, was Gottes Wille war, und der Friede Gottes erfüllte ihre Herzen. Auf,

nach Europa! gelichtet.

Damit war endlich das Dunkel, das sic seither umhüllte,

Und des anderen Tages sofort ging's aufs Meer, und hinüber

fuhren sie nach Europa. Unserem teueren Herrn Jesu sei ewig Dank dafür! Die Fahrt nach dem fremden Erdteile war nun freilich wieder ein Sprung ins Dunkle.

Wie dieser ausgefallen ist, das wollen wir, so

Gott will, das nächste Mal sehen.

Amen.

36.

Und wenn mein Herz sich tief betrübte, wem thät ich meine Sorge knnör* Wer hielte denn ohne den g-ttttchen Frieden, wer hielte ohne dich, o )efn, ans Erden ans? G dn allerliebreichster Heiland, wie nnglüeklich nnd elend wären wir, wenn wir dich nicht hätten. Was wir ohne dich gewesen wären, was wir ohne dich sein würden in Seit nnd Ewigkeit, Herr, last es nns erkennen, dankbar nnd demütig iafc uns das erkennen! Amen.

Tert: Äp.-Gesch. 16, 13

16.

Am Tage des Sabbats gingen wir hinaus vor die Stadt an das Wasser, pflegte zu beten, kamen.

da man

und setzten uns, und redeten zu den Beibern, die da zusammen

Und ein gottesfürchtig Weib mit Namen Lydia, eine Purpurkrämerin aus

der Stadt der Thyatirer, hörete zu; dieser that der Herr das Herz auf, daß sie drauf

acht hatte, was von Paulus geredet ward.

Als sie aber und ihr Haus getauft ward,

ermahnte sie uns und sprach: So ihr mich achtet, daß ich gläubig bin an den Herrn, so kommt in mein Hails und bleibet allda.

Geliebte in dein Herrn!

Und sie nötigte uns.

Auf, nach Europa! Wißt ihr's noch vom

vorigen Sonntage her? Da war endlich das lange tiefe Dunkel gelichtet,

das die zwei Apostel Paulus und Silas umgeben hatte, als ihnen Christus

nach langer schwerer ßeit die nächtliche Erscheinung gesandt hatte, einen Mann, einen Wanderer, der die flehentliche Bitte aussprach: „Ach, komm'

herüber, komm übers Meer herüber nach Europa und hilf uns!" Nun war ihnen der Wille Gottes knnd und klar geworben, nun wußten sie, was

sie zu thun hatten, und sie säumten nicht; sie verließen alsbald Asien, wo die Wiege des Himmelreiches auf Erden gestanden hatte, sie gingen aufs Meer und fuhren herüber nach Europa. O ewig gesegneter Augen­

blick, da die beiden Sendboten Gottes sich einschifften! Und in welcher Absicht thaten sie's? Komm' herüber und hilf uns! so hatte der Mann in der Nacht den Paulus gebeten.

für wen denn ?

Hilfe begehrte demnach der Mann —

Für sich selbst und ganz Macrdonien und ganz Europa.

Das muß ich sagen, das war ein erleuchteter Mann.

hundert, ja unter tausend kaum einer: „Hilf uns!"

So spricht unter nämlich wodurch?

— „dadurch, daß du uns Christum bringst." Ihr Lieben, wer war wohl der Mann, der in der Nacht an deS

Paulus Lager trat und ihn anflehte: „Komm' herüber nach Europa und hilf uns!?" Wer war's? Ich glaube, es war ein Engel, von dem Herrn ge-

sandt. Denn sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienste um derer willen, welche ererben sollen die Seligkeit? (Hebr. 1,14.)

Ich glaube, es war der Engel Europas, der gute Engel der europäischen

Völker.

Im Rate des dreieinigen Gottes war's beschlossen, jetzt sollte

in Europa die Sonne, das Licht der Welt aufgehen. Und so trat in der stillen Nacht auf Christi Befehl der Engel Europas zu dem Paulus und richtete den Befehl aus: „Komm' herüber und hilf uns!" Alsobald wußten die zwei Apostel, die monatelang in mehreren Ländern Asiens nichts mehr hatten ausrichten können, sie wußten nun auf einmal:

„in Europa ist jetzt unser Platz, dort ist nun unser Arbeitsfeld.

nach Europa!"

Auf,

Damit zogen sie des anderen Tages über das Meer.

Der Sonnenaufgang über Europa sei heute der Gegenstand unserer Betrachtung. Morgenrot,

2.

das

Wir

1. das

schauen

Arbeitsfeld zwischen Licht und Dunkel

und 3. den ersten Sonnenstrahl oder: Eine unter vielen.

1. Das Morgenrot schauen wir zuerst. Abgesehen von den Ländern am Mittelländischen Meere hatte bisher in Europa dichte Finsternis, heid­ nische Finsternis geherrscht, und mit dem Heidentume Barbarei und Un­ bildung. Von Kultur und Civilisation war in den europäischen Ländern, die vom Mittelmeere landeinwärts lagen, bis dahin keine Rede gewesen. Da­ rum hatte auch Europa bis dahin keine Geschichte gehabt; die Weltgeschichte

hatte sich bis dahin nur in Asien und in den Ländern Afrikas, die am

Mittelmcere lagen, abgespielt: außer Italien, Griechenland und allenfalls

noch Spanien war Europa damals ein dunkler Erdteil. Aber fortan sollte Europa eine Geschichte bekommen, jetzt sollte die Sonne über Europa

aufgehen.

Und was und wer war die Sonne?

leuchtet, ist mein Herr Jesus Christ.

Die Sonne, die mir

Als Christus nach Europa gebracht

wurde, da fing in Europa die Weltgeschichte an. Morgenrot, Morgen­ rot leuchtest mir zum frühen Tod; so heißt es im Volksliede, und es ist wahr, das Morgenrot hat schon manchem tapferen Krieger zum Tode ge­ leuchtet; ein paar Stunden, nachdem das Morgenrot aufgegangen war,

Aber hier

färbte sein Blut die Erde rot, und er starb an seinen Wunden.

war's mit dem Morgenrote anders, hier leuchtete es einem, seither zum

größten Teile fast ganz unbekannten Erdteile und seiner Bevölkerung nicht zum Tode, sondern zum Leben, und nicht bloß zum zeitlichen Leben, zu Clesittung, Kultur und Wohlstand, sondern auch zum ewigen Leben.

Ja, Morgenrot, du hast damals uns zum ewigen Leben geleuchtet. Das Ägäische Meer ist gewissermaßen ein Seitenarm des Mittel­

ländischen Meeres, es liegt zwischen Asien und Europa. Roemheld, Predigten.

Siehe, da näherte 13

sich der Küste Europas eines Tages ein großes Meerschiff, und als das

Fahrzeug Anker geworfen hatte, als die Zollbeamten und die Sanitäts­

beamten und die Polizei alles untersucht und ihre Schuldigkeit gethan, als sie alles in Ordnung befunden hatten, da hieß es: „Ausschiffen —

ans Land fahren!"

Und es entstiegen dem großen Schiffe allerlei Leute

aus allerlei Volk und Sprachen: Vornehme und Geringe,

Arme, Männer, Frauen und Kinder.

Reiche und

Manche unter ihnen hatten viel

Gepäck, manche wenig, ja manche nichts als was sie in der Hand trugen.

Unter den Passagieren befanden sich auch zwei Männer, sie mochten wohl

40 Jahre alt fein; die trugen jeder einen Stock in der Hand und noch ein kleines Reisebündelein.

Die beiden gehörten offenbar zusammen.

Sie

waren anständig, aber sehr einfach gekleidet; die Züge ihres Angesichts

vereinten Geist und Intelligenz;

Israeliten? Ja, es schien so. sie etwa Priester?

wer und was mochten die wohl sein?

Kaufleute? So sahen sie nicht aus.

So machten sie nicht den Eindruck;

Waren

kurz, es war

schwer zu erraten, was sie eigentlich waren, warum sie die Reise über das Meer gemacht hatten. Eine Vergnügungsreise schien es auch nicht zu

sein, denn das Geld schien sie nicht zu drücken.

Nun, wir werden es

noch erfahren, was für ein Geschäft die beiden hatten, die, sobald sie ans

Land gestiegen waren, auch sofort die Straße zur Stadt hinein gingen. O liebe Brüder und Schwestern, hier kann man auch sagen: „Ziehet die Schuhe aus, denn hier ist heiliges Land."

Als am 18. Oktober 1813,

da bei Leipzig die große Völkerschlacht geschlagen und Napoleon I. besiegt

wurde, die zwei Kaiser von Oesterreich und von Rußland und der König

von Preußen, der Vater unseres geliebten Kaisers, alle drei auf einem Hügel bei dem Schlachffelde, in dem Augenblicke, als Napoleons Heere

zu fliehen begannen, auf die Kniee niederfielen und dem Herrn Zebaoth

laut dankten, nach welcher Begebenheit der Hügel heute noch der „DreiMonarchenhügel" heißt, da war das ein großer weltgeschichtlicher Moment. Als Napoleon III. bei Sedan geschlagen und mit seinem ganzen Heere ge­

fangen genommen wurde,

da war das wieder ein großer weltgeschichtlicher

Moment; Europa hat davor gezittert, und die Völker der Erde sind vor diesem Gottesgerichte erschrocken.

Aber als die zwei Männer, von welchen

ich sprach, das stolze Meerschiff verließen und bei der Hafenstadt Neapolis

den Fuß an die Küste Europas setzten, da war das ein viel größerer weltgeschichtlicher Moment als die zwei Siege bei Leipzig und Sedan, aber wer hat ihn beachtet?

Niemand, und doch der Herr, der alle Gewalt

im Himmel und auf Erden hat, der hat diesen Augenblick beachtet, und

da, ja da hat Jesus Christus seinen Vaterblick den Völkern Europas zuge­ wendet und hat gesagt: „Jetzt will ich Europa segnen, jetzt soll in Europa

die Sonne aufgehen, jetzt soll die Weltgeschichte von -Asien nach Europa ver­ legt werden, jetzt will ich Europa helfen." Komm' herüber und hilf uns? Ja, es war ein großer, heiliger, weltgeschichtlicher Augenblick, einer der

größten, die es je gegeben hat, und es ging doch so still und verborgen dabei her.

Seitdem, meine Lieben, ist's in Europa hell geworden, seitdem

spielt die Weltgeschichte in Europa, während sie in Asien von da an immer

mehr aufgehört hat.

Ach, was wäre ich ohne dich gewesen, was würde

ich ohne dich, Herr, sein!

Ja, was wären wir, was wäre ganz Europa

geivesen und geworben, wenn nicht die zwei Männer damals zu

uns

herüber gekommen wären, wenn sie nicht Christum zu uns gebracht hätten! Wo aber Christus hinkommt, da blüht das Leben auf, wo Christus da­ gegen lveggeht, da sinken die Völker und Länder in den Tod, das lehrt

die Geschichte hundertfach und tausendfach: wird man diese geschichtliche Wahrheit und Lehre aber auch verstehen? ivird man sie beherzigen? wird man sic befolgen? Ich glaube nicht.

Also mit dem Landen des Schiffes

und mit dem Landen der zwei Männer leuchtete über Europa das erste

Morgenrot, und bald sehen wir der beiden neues Arbeitsfeld

2. zwischen Licht und Dunkel.

Die Geschichte, welche nun kommt,

liebe Brüder und Schwestern, ist ein Kleinod, ein ganz besonderes Kleinod. Denn sie ist 1.) klein, sehr klein, ihre Erzählung umfaßt nur drei Verse,

und doch

ist sie 2.) von unschätzbarem

Geschichtchen ist ein

Wert und Gehalt.

Ja, dieses

rechtes Juwel, und man muß sagen: der Anfang,

den Christi Reich und Sache in Europa genommen hat, ist einzig schön,

lieblich, herrlich.

Diese Geschichte ist ein Minaturbild, ein ganz kleines

Bildchen, aber ein goldiges Bild, so eine rechte Originalgeschichte.

Die

zwei Männer, von denen unsere Geschichte handelt, waren, wie ihr wißt, Paulus und Silas.

Nu» standen sie da in dem weiten Erdteile Europa,

und bald befanden sie sich in der großen Stadt Philippi und wollten daselbst

die Herzen für den Herrn Jesum Christum und durch ihn für das ewige Glück gewinnen: wie aber sollten sie, die wildfremden Männer, an die wild­

fremden Leute herankommen? unendlich schwierig das war.

Wir sprachen schon einmal davon, wie

Diese Schwierigkeiten haben die Boten Christi

an jedem neuen Orte aufs neue erfahren, darum versuchten sie es überall anders, je nachdem die Verhältnisse lagen. Überall aber beteten sie: „Ach,

Herr Jesu, zeige uns doch Mittel und Wege, wie wir an die Leute heran­ kommen, wie wir bei ihnen Eingang finden können." Wie machten sie es nun in Philippi? Die eigentliche Bevölkerung dieser Stadt bildeten Heiden, aber es waren dort auch, wie allenthalben Juden.

Und zu den Juden gingen sie überall zuerst.

Gewöhnlich suchten

sie dieselben am Sabbat in den Synagogen auf; hier schlugen sie einen 19*

andern Weg ein.

Ich weiß nicht, ob ihr schon bemerkt habt, daß auch

unsere heutigen Juden noch am Sabbat religiöse Waschungen vornehmen:

jetzt werden sie es zwar wohl nicht mehr alle thun, denn es nehmen es

nicht alle mehr gleich genau mit den gesetzlichen Vorschriften, damals aber war es anders.

Dort nun, in Philippi, floß vor der Stadt ein Bächlein

oder Flüßchen, da gingen gewöhnlich die jüdischen Frauen zu einer be­ stimmten Stunde hin und

beteten.

Wie nur solches Beten war, das

weiß man; es war kein wirkliches, lebendiges Beten zu dem lebendigen Gott, keine Anbetung im Geiste und in der Wahrheit, sondern die eng ge­ schriebenen Gebete wurden da meist einfach herunter gelesen oder geplappert,

und dann war's gut, dann war der religiösen Pflicht genügt.

Aufs

Herz hatte in der Regel solches Beten keinen Einfluß, das Herz behielt dabei nach wie vor seine heimlichen Abgötter, die es am meisten liebte.

Die zwei Apostel waren nun schon mehrere Tage in Philippi und

waren mit ihrem Evangeliuni

von Christo noch

nirgends angekommen.

Da gingen sie am Sabbat einmal hinaus an den Betplatz vor der Stadt,

wo das Wässerchen floß, das als fließendes Wasser die Sünde abspielcn

sollte.

Und zwar gingen sie etwa 1., Stunde eher hinaus, als die

eigentliche Betstunde begann.

Dort setzten sie sich nieder und warteten,

und schweigend blickten sie zu dem himmlischen Throne hinauf und flehten: „Ach, Herr Jesu, schenke uns doch heute wenigstens eine Seele; sende doch

heute jemand hierher, dem wir von dir sagen können, und der nach dem

lebendigen Gott ein Verlangen in sich trägt: ach, Herr Jesu, thue doch heute wenigstens einem Menschen das Herz auf, daß er dich als Tilger

der Sünden erkenne und annehmc!"

Wie sie nun da saßen und auf die

Beterinnen warteten und selbst im Herzen beteten, siehe, da kommen daher

drei Frauen, jede mit einem Buche in der Hand.

Als diese die zwei Männer

sitzen sehen, stutzen sie zuerst ein wenig, kümmern sich aber dann weiter nicht um sie: gewohnheitsmäßig treten sie an das Bächlein, tauchen die

halbe Hand ins Wasser und waschen die andere damit.

Darauf ist's gut,

und zerstreut umherblickend und gedankenlos schlagen sie das Buch auf, und die Lippen einer jeden bewegen sich.

Da kommen wieder zwei, dann

eine, dann vier, dann ivieder drei und so fort: alle starren sie erst die ftemden Männer an und thun dann, was die ersten auch gethan hatten. So kamen nach und nach etwa 20 bis 25 Frauen zusammen.

Alle hatten

das Buch aufgeschlagen und lasen, und aller Lippen bewegten sich; aber Andacht war keine dabei, sie schienen vielmehr alle recht zerstteut

gedankenlos zu sein.

Alle? Doch vielleicht nicht alle!

und

Hatten nicht die

beiden Apostel gebetet: Ach, Herr Jesu, schenke uns doch heute nur eine

Seele, erleuchte doch heute ein Herz, daß es dich, seinen Heiland, erkenne!?"

Als nun die Frauen vielleicht eine Stunde lang so gebetet hatten,

schickten sie sich an, wieder heimzugehen.

Da trat Paulus zu ihnen und

sragte, ob es erlaubt sei, einige Worte zu ihnen zu sprechen.

Nun, die

Neugierde trieb sie, doch einmal zu hören, was der ftemde Mann ihnen zu sagen habe,

Ta legte ihnen denn der

und sie antworteten: „Ja!"

liebe Apostel, der ja ihr Volks- uitb Glaubensgenosse, der auch ein Jude ivar, mit bewegtem Herzen die Geschichte vom guten, treuen Jesus vor,

von seinen großen Gottesthaten, von seinem Wohlthun gegen alle, von seinem blutigen Kreuzestod, von

seiner Auferstehung und Himmelfahrt,

und so ernst und feierlich, so liebreich und herzlich

daß es einen Stein hätte erweichen können.

sprach er zu ihnen,

Aber für diese Frauen war

das nichts, das hielten sie für ein Märchen, ja sie lächelten und lachten und verachteten es; sie meinten, das gehe sie nichts an, sie gafften hin und her, und es war nicht viel anders, als wenn der Apostel die er­

greifende Geschichte von der Liebe Gottes in Christo zu oder

zu

den

Erlen am Bache gesagt

hätte.

den Steinen

Es machte gar

keinen

Eindruck auf sie, es ging kaum in die Ohren, geschweige denn in ihre Herzen hinein; ja nach und nach wurde es ihnen

gingen fort.

langweilig, und sie

Und als erst einmal die erste angefangen hatte fortzugehen,

da meinten die andern, sie dürften nun auch nicht mehr bleiben, und sie gingen truppweise nach Hause.

Nur eine Frau, eine einzige, blieb stehen

und fragte die Apostel noch manches, ehe sie heimging.

Das war

3. der erste Sonnenstrahl oder: Eine unter vielen. eine Frau

Ja, diese o, ein liebes Menschenkind, ein gesegnetes Gnadenkind, d. h. sie

war's noch nicht, aber sie war auf dem Wege, es zu werden.

Diese eine

Frau war dem Silas und auch dem Paulus nicht entgangen, ja schon als die Frauen sich versammelten, da hatte diese eine den günstigsten Ein­

druck unter allen 25 auf sie gemacht.

Sie war augenscheinlich nicht so

flatterhaft wie die andern, war auch sittsamer und ernster gekleidet und hatte ein stilles, bescheidenes und züchtiges Wesen. Diese Fran hatte während der

Rede des Paulus dagestanden wie angenagelt, sie hatte keinen Blick von dem redenden Apostel verwandt, sie hatte seine Worte ordentlich verschlungen, und ihre Augen hatten dabei geleuchtet. Ja, es war den Aposteln nicht ent­ gangen, daß unter dem Reden und Zuhören in dem Herzen dieser Frau etwas

vorging, und daß sie das Wort innerlich annahm.

Ja, ihr Lieben, wer war diese Frau?

So

Wer war diese Frau? kurz die Erzählung

auch ist, so sagt sie uns doch, daß die Lebensgeschichte dieser Frau — sie

hieß Lydia — eine wunderbare Lebensführung des guten Hirten

war.

Denkt an, diese Frau stammte auch aus Asien, und zwar aus der Stadt

Thyatira.

Was das für eine Stadt ist und wo sie liegt, das wissen

wohl alle, welche die Bibel lesen, und ich hoffe, meine lieben Kinder, die

ich hier konffrmiert habe, wissen es auch, wo Thyatira liegt, und daß

diese Stadt zu den sieben Gemeinden gehört, an welche ursprünglich die Offenbarung Johannis geschrieben ist.

Also diese Frau war denselben

Weg aus Asien nach Europa über das Meer herübergekommen, wie die beiden Apostel: dorther hatte sie der Heiland geholt, hierher nach Philippi

hatte sie sich über das Meer hin verheiratet, ja, hierher hatte sie kommen müssen, um den Heiland zu finden.

Sie war eines von seinen Schafen,

die von Ewigkeit her erwählt sind, und damit sie zu ihrem guten Hirten

komme, mußte sie jenseits des Meeres eine andere Heimat finden. Als Paulus und Silas nach Phllippi kamen, hatte sie offenbar schon

mehrere Jahre hier gelebt und hatte ein eigenes Geschäft; sie war nämlich Purpurkrämerin.

Wie es scheint,

war sie

eine Witwe mit mehreren

Kindern und stand nun in der fremden Stadt, in dem fremden Lande,

in dem ftemden Erdteile ohne Mann, ohne Verwandte, ohne Stütze mit

ihren Kindern allein da und mußte sich schlecht und recht mit ihrer

Familie durchbringen.

Um dies zu können, hatte sie ein Geschäft, einen

Handel mit Purpurfarbe angefangen, und

Gott der Herr hatte,

wie

ich das schon bei mancher Witwe in ähnlicher Lage gesehen habe, ihr Bemühen und Unternehmen gesegnet; ihr Geschäft ging gut, und sie hatte

mit ihren Kindern zu leben.

Immerhin war's für eine Witwe, die nicht

aus dem Orte und dem Lande stammte, in dem sie nun lebte, schwer, so

allein unter Ortsfremden sich durchzuschlagen; das wißt ihr auch aus ähnlichen Verhältnissen.

Das war die Frau, die an dem Betplatze am Wasser den Worten

des Paulus von dem Herrn Jesu Christo lauschte und seine Worte in sich aufnahm, wie das dürre Erdreich die ersten Regentropfen aufsaugt. Ja, gerade diese Asiattn, diese Thyatirerin, diese Fremde, die mußte die­

jenige sein, welche sich die beiden Apostel erbeten hatten: „Ach, Herr Jesu,

schenke uns heute doch wenigstens eine Seele!"

Der Sohn Gottes gab

unter dem Hören in das Herz dieser Frau den Geist Gottes.

schön, ja wirklich,

Ach, wie

ein Lichtstrahl, ein hoffnungsvoller Lichtsttahl, mit

welchem die Sonne über Europa aufging, — das war diese Lydia.

So

oft ich diesen Namen höre oder lese oder ausspreche: „Lydia!" dann geht

mir's selbst wie Morgenrot durchs Herz.

Diese Lydia war der Erstling

in Europa, nicht ein Mann, sondern eine Frau, nicht ein Reicher, sondern eine Arme, nicht eine hohe, sondern eine niedere Witwe; mit dieser

Lydia hat Christus sein Werk in Europa angefangen, sie war die Vorgängerin

von vielen Millionen.

Ach, wie schön!

Während 24 das heilige Lebens­

wort, welches das Herz froh und glücklich und die Seele selig macht,

wenn's angenommen wird, während 24 jüdische Frauen dieses kostbare

Lebenswort und den Herrn Jesum Christum selbst belächelten und ver­

achteten und die Rede des Paulus an ihren verwöhnten, verweltlichten Ohren unbeachtet vorbeirauschen ließen, so daß auch nicht das Geringste davon ins Herz drang, — wie war's da gleichzeitig bei der Lydia?

that der Herr das Herz

Der

auf, daß sie darauf achthatte, was

von Paulus geredet wurde.

Ach wie schön, welch ein Sonnenschein! Der that der Herr das Herz

auf, daß sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde! hat recht darauf achtgehabt lassen.

Ja, sie

und hat kein Wort auf die Erde fallen

Was sie da durch den Mund des Apostels von dem Herrn Jesu

Christo hörte, das waren ihr lauter kostbare Sachen, kostbarer als ihr Purpur. Und diese Lydia war's auch, die nachher, als die eitlen Schwätze­ rinnen alle sich entfernt hatten, noch allein da blieb und die beiden Männer

über das, was ihre Seele mächtig bewegte, was sie so mächtig ergriffen hatte, befragte. Über diesen Jesus und wie sich alles verhalte mit dem Seligwerden, darüber mußte sie noch Genaueres erfahren und darüber

konnte sie nicht genug hören. So war

das Band geknüpft, und der Zug des Baters zu dem

Sohne durch den Heiligen Geist war bei der Frau spürbar. inußten Paulus

und Silas

Und nun

manchen Tag in ihr Haus kommen, oder

sie kamen wieder heraus ans Wasser, und sie ergriff den Heiland der Sün­ der mit ganzer Seele, ja nach einigen Wochen wurde sie mit ihrer ganzen

Familie getauft.

Lydia aber drängte nun Paulus und Silas, daß sie,

solange sie in der fremden Stadt sich aufhielten, in ihrem Hause wohnten, und

nun waren auch diese nicht mehr bei Fremden.

Das war der

Sprung ins Dunkle, von welchem wir am vorigen Sonntage redeten, aber

nun fing das Dunkel schon an, hell zu werden.

O, ihr Lieben! „Lydia"

heimelt euch der Name nicht auch an?

Fürwahr, ein schöner Mädchen- und Frauenname: so sollte manches Kind unter uns heißen: wenn aber Eltern ihr neugeborenes Töchterchen Lydia

taufen lassen, dann sind's gewöhnlich fromme Eltern, welche wünschen, daß das Kind ihrer Namenspatin ähnlich werde. Aber freilich mit dem Heißen

allein ist's nicht gethan, sondern mit dem Sein. Wer ist hier eine Lydia? Ich sehe mich um, ist keine Lydia hier ? Ist niemand hier, dem der Herr heute das Herz aufthut, daß es darauf achthat, was von dem Herrn Jesu Christo geredet wird?

Die Lydia bedeutete den ersten Sonnenschein in Europa, die

Asiatin ward zum Sonnenschein unter den Europäerinnen.

- Ach Herr

Jesu, laß doch die eine oder die andere Lydia hier unter uns sein! Amen.

37. M ^err, wie haft du die Leute so Heb? Über Israel» Unglauben ist uns Varwher-igkeit widerfahren, und die Varnrherzi-keit bift du, ^err Jesu. Sei ewig gelobt, datz du auch zu un» gekommen bift und auch un» deine Gnadenhand gereicht haft. Wir schauen die Güte und den Ernst Gotte». reiber erzählt.

Auf der Seereise von Milet auch Käsarea fanden sie, wie wir heute sehen wollen, 1. neue Bekannte und 2. alte

Bekannte.

1. Sie fanden neue Bekannte. Seht, meine Lieben, da haben wir schon einen Beweis, wie wahr das ist, was ich vorhin sagte. Fällt auch kein Haar von unserem Haupte ohne unseren himmlischen Vater, so

steht es wahrlich noch weit gewisser unter seiner Vorsehung, mit welchem Schiffe seine frommen Kinder reisen, vorausgesetzt, daß diese es ihm in kindlicher Hingebung überlassen.

Das Schiff nun, mit welchem Paulus

und seine Begleiter reisten, war ein Handelsschiff und fuhr nach der großen Welthandelsstadt Tyrus; denn dort sollte es die Ware nieder­

legen, mit welcher es befrachtet war.

Ob es damals auch 28*

schon die

großen Passagierschiffe gegeben hat wie heutzutage, das weiß ich nicht, aber das weiß ich, daß die Reisenden, von welchen hier die Rede ist, Silber und Gold nicht besaßen, sie hatten

nicht viel mehr als ihren

Wanderstab.

und

Plätze

auf

einem eleganten

bequem

eingerichteten

Passagierdampfer hätten sie darum nicht nehmen können, sie mußten darauf bedacht sein, so billig als möglich zu reisen.

göttlicher Vorsehung.

Aber auch das steht unter

So kam es, daß der Apostel und seine Gefährten

ein Frachffchiff benutzten; die Folge davon war, daß sie nach Tyrus

kamen, sonst wären sie wahrscheinlich nie dahin gekommen.

Die weitere

Folge hiervon aber war wieder die, daß sie dort Menschen kennen lernten, welche die gleiche Liebe hatten wie sic, nämlich den Herrn Christum,

und welche dem gleichen Ziele des Lebens zusttebten, nämlich dem Reiche Gottes.

Es ist merkwürdig,

wie damals die sogenannte Sette der Na­

zarener oder Jesusfreunde schon weit verbreitet war; fast in jeder Stadt

waren schon einzelne Menschen angezündet von dem Feuer der göttlichen Liebe in Christo Jesu, und in vielen Dörfern saßen schon einige, die

ein anderes Leben führten als die Welt, die unter sich zusammenhieltcn wie Brüder und Schwestern, die auch zusammen gingen und sich unter

einander erbauten in der Gemeinschaft des Sohnes Gottes. Als nun Paulus und seine Geführten in der großen Welthandelsstadt landeten, waren ihnen

die Leute daselbst völlig fremd, unseres Wissens waren sie vorher noch nie dort gewesen: aber wenigstens einer von ihnen tvar dort den Leuten nicht

unbekannt: den Namen Paulus kannten dort sicherlich manche. Wie es nun geschehen ist, daß das Evangelium von dem Herrn Christo in dieser heid­ nischen Weltstadt Wurzel geschlagen hatte, wissen wir nicht; nur von einer einzigen Seele weiß ich, daß sie vielleicht 20 Jahre vorher die Bekannt­

schaft des Herrn Jesu gemacht hatte, das war das sogenannte kananäische Weib.

Dieses hatte an sich und besonders an seiner Tochter die Gottes­

macht des Herrn Jesu selbst erfahren.

Nun ist es ja bekannt, daß, wenn

Gott seinen Geist dazu giebt, gerade oft durch die sogenannten „Stillen

im Lande" die Bekanntschaft mit dem Heilande und die Bekehrung zu ihm

in das neue göttliche Leben sich weiter verbreitet, daß sie durch dieselben ge­ wissermaßen ansteckend wirtt. Es wäre möglich, daß es damals ähnlich ge­

gangen wäre; dann wäre also der Umstand, daß Jesus, als er damals in die Grenzen von Tyrus und Sidon gegangen war, dem verzweiflungsvoll mit ihm ringenden Weibe seine Herrlichkeit durch eine Gottesthat geoffenbart

hatte, zum Sauerteige geworden, welcher sich dort weiter ausgebreitet und auch andere Herzen angesteckt und zur Liebe Christt entzündet hätte. Als nun nach etwa 20 Jahren der geistesmächtige Zeuge Christi

mit seinen Geführten in Tyrus ans Land stieg, da müssen die dortigen

Stillen davon gehört haben, daß der große Apostel in den Mauern der

Stadt sei,

und natürlich

haben sic ihn alsbald ausgesucht;

oder der

Apostel hat durch Brüder von der Existenz dieser kleinen Jüngerschar

Kenntnis erhalten und hat sie sofort nach seiner Ankunft besucht. So haben sich Menschen, die sich nie zuvor gesehen, von denen die Reisenden vielleicht

nie zuvor gehört

hatten, sie haben sich gefunden und kennen gelernt:

wahrscheinlich aber hätten sie sich in diesem Leben nie gesehen, wenn

Paulus nicht gerade mit diesem Schiffe gefahren wäre.

und

vertraut

Viertelstunde.

waren

sie

bald

miteinander!

Das

Und wie bekannt dauerte kaum eine

Denn als sie gegenseitig einander abgemerkt und abgefühlt

hatten, daß Christus ihr Leben war, da war die Schranke des Fremd­

seins gefallen, da gingen ihnen die Herzen gegenseitig auf, und sie fühlten sich als Kinder eines Vaters, als Brüder und Schwestern in Christo, sie

fühlten, daß sie zusammcngehörten auf ewig.

O ihr Lieben, so schwer

es auch damals die hatten, die an den Herrn Christum gläubig waren, es war doch auch andrerseits wieder eine große, herrliche Zeit; dieses Große aber

war die wirklich innige und herzliche Bruderliebe, eine Liebe die stärker war als der Tod, und zwar durch die gemeinsame Liebe zu dem Heilande. Die Christen in Tyrus, das kleine Häuflein, vielleicht ihrer 20 oder

noch einmal so viele, verlebten nun glückliche Tage.

Ohne geistliche Pflege

waren sic bisher auf sich selbst angewiesen; da war es ihnen ein Fest, daß

sie einen Mann wie Paulus unter sich hatten.

Wenn der ihnen von dem

Heilande sprach, da fühlten sie, daß das ganze Herz dieses Mannes in dem

Herrn Christo lebte; sie fühlten, daß dieser Jesus nicht ein Mann ist, der bloß der Geschichte und der Vergangenheit angehörte, sondern daß er lebte

und daß er mitten unter ihnen weilte.

Da wurden die paar Kohlen,

die schon etwas dunkel zu werden angefangen hatten, die Funken des

Glaubens und der Liebe — die wurden wieder angefacht, daß sie feurig

glühten in der gemeinsamen Liebe zu dem Sohne Gottes. Das aber hatte wieder der Herr gefügt; gerade zu diesen einsam

wohnenden und durch ihre Abhängigkeit

von den Heiden gefährdeten

Christen mußten Paulus und seine Gefährten kommen, damit diese wach

und

lebendig blieben im Glauben

Leben.

und im Trachten nach dem ewigen

Seht, ihr Lieben, so viel kommt unter Umständen darauf an,

mit was für einem Schiffe jemand reist.

Gerade mit diesem Schiffe

schickte der Herr seinen Kindern einen seiner Zeugen, der die Vereinsamten

im Glauben stärkte und zu geheiligtem Christenlaufe aufs neue begeisterte. So hatten

sie 7 Festtage, denn so lange mußte das Schiff in

Tyrus bleiben, um seine Ladung zu löschen und wieder neue Fracht und

neue Waren aufzunehmen: und auch das stand unter der besonderen Auf­ sicht und Vorsehung dessen, der die Welt ganz allein in Händen hält, ohne dessen Willen kein Haar von des Menschen Haupte fällt..

Endlich

aber war auch hier die Stunde des Scheidens gekommen für die, die ein­

ander in den wenigen Tagen so lieb gewonnen und den Bund auf ewig

geschlossen hatten, geschlossen in dem einen, den ihre Seele gemeinsam liebte. Die Gläubigen in Tyrus baten zwar den Paulus, er möchte doch nicht nach

Jerusalem gehen, denn es ahnte ihnen Schlimmes; ja es war mehr als Ahnungen, was ihnen diese Bitte in den Mund legte, denn sie sagten ihm

durch den Heiligen Geist, der in ihnen war, er möchte doch nur diesmal nicht seine Schritte nach Jerusalem lenken.

Aber Paulus handelte ja nicht

nach eignem Willen und nach eignen Gedanken, er wußte ja, daß ihm

diese Reise und auch sein ganzes Schicksal vorgeschriebcn und von Ewig­

keit her bestimmt war; also konnte er den Bitten und Ratschlägen der

lieben Brüder nicht folgen. So ging er denn nun wieder nach dem Hafen mit seinen Gefährten,

und die Lyrischen Christen geleiteten sie alle zur Stadt hinaus bis an das Schiff, auch die Frauen und Kinder gingen mit. O, wie hatten sie einander in der kurzen Zeit so lieb gewonnen! Sie wußten auch, daß ihnen dieses Zu­

sammensein zur Erquickung für ihre fernere Lebensreise von dem Herrn ge­

schenkt worden war und daß sie einander in diesem Leben nicht wieder sehen würden.

Als sie nun am Ufer des unendlichen Meeres standen, da knieten

sie noch einmal mit einander nieder und beteten mit einander;

dann

aber, indem sie einander segneten, indem die Brüder von Tyrus im Namen des Herrn Jesu Christt von Paulus gesegnet wurden und auch ihrerseits auf die teuren Reisenden Segen und Heil herabflehten, schieden

sie von einander für diese Welt.

Das Schiff lichtete die Anker und fuhr

mit der kostbarsten Fracht, die es wohl je getragen hatte, mit dem großen

Bölkerapostel und seinen Begleitern an Bord, davon nach Süden: die anderen aber gingen wieder zurück nach der Stadt, innig dankbar für das

Gute, das ihnen der Herr durch diesen unerwarteten Besuch geschenkt hatte.

2. Auf der Reise von Milet nach Cäsarea fanden die Reisenden indessen auch alte Bekannte. Nach einer Fahrt von mehreren Tagen stiegen unsere Reisenden wieder ans Land und zwar in Cäsarea. Nun waren sie schon in dem Lande, in welchem der Sohn Gottes gewandelt und seine Segens­

spuren zurückgelassen hatte, und hier waren sie wohl bekannt, hier wußten

sie auch schon mehr, wo in einer Stadt oder in einem Orte Jünger des Heilandes waren.

Ach, in diesem Cäsarea sollte Paulus demnächst Schreck­

liches erleben: zwei Jahre lang und darüber hat er in dieser Stadt später

im Gefängnisse geschmachtet, so unschuldig, daß es nur noch einen einzigen

gegeben hat, der unschuldiger gefangen gehalten wurde als er; — wer

wird dies wohl gewesen sein? Nun. ich brauche euch gewiß nicht erst zu

sagen, daß dies Jesus unser Heiland selber war. Paulus wurde auch hierin

der getreue Nachfolger seines Herrn und Meisters.

Hat er wohl, als er

diesmal mit dem lyrischen Schiffe in Cäsarea landete, gewußt oder wenigstens eine Ahnung davon gehabt, daß er in derselben Stadt bald danach zwei

Jahre lang eingekerkert werden würde, um von da dem Tode des Henkers

überliefert zu werden?

Nun, ganz verborgen war es ihm wohl nicht,

dennoch — „was über mich beschlossen, dem will ich unverdrossen, ja, dem ivill ich getrost entgegen gehn."

Die Verhältnisse

Jahren sehr geändert.

hatten sich im Heiligen Lande in den letzten Die erste blühende Jesusgemeinde in Jerusalem,

die durch des Petrus Predigt bald nach

des Herrn Himmelfahrt am

Pfingsffeste begründet worden war, hatte nach und nach unter des Herrn Beistände so zugenommen, daß neben dem ursprünglich geistlichen Amte

schon so etwas wie innere Mission oder Stadtmission nötig war.

Zu dem

Zwecke waren sieben Männer bestellt worden zur Pflege der Armen und

Kranken, der Witwen und Waisen, sie werden gewöhnlich die Almosen­ pfleger genannt.

Aber unter den Verfolgungen, welche später über die

Christen hereingebrochen waren, war die Gemeinde zu Jerusalem auscin-

andergestoben, und für die Almosenpfleger war nun dort keine Arbeit

mehr.

Nun, ihr Lieben, wenn man in einem Berufe keine Arbeit mehr

findet, dann sucht man sich einen anderen oder richtiger: man läßt sich

von Gott in einen anderen hineinführen.

So hatten auch die Almosen­

gethan, soweit sie damals noch

lebten, denn einer von ihnen

pfleger

war gleich der ersten Verfolgung zum Opfer gefallen: ihr kennt ja den

Namen dieses ersten christlichen Blutzeugen: Stephanus. Ein anderer von ihnen war der Almosenpfleger Philippus ge­

wesen.

Da in Jerusalem seines Bleibens nicht mehr war, hatte er die

Stadt verlassen und war Evangelist geworden, Apostel in der Verkündigung des Evangeliums.

also ein Gehilfe der Als solchen hatten wir

ihn schon früher in Samaria und anderswo angetroffen.

Nun wohnte er

in Cäsarea, dort hielt er das Häuflein der Jesusfreunde zusammen und war so etwas wie ihr Hirte.

Da kam Paulus nach Cäsarea, und er wußte,

daß dort Philippus wohnte.

Was war natürlicher, als daß er diesen

teuren und sehr bedeutenden Bruder besuchte?

Darum, als er mit seinen

Gefährten gelandet war, da war der erste Gang, den sie in dieser Stadt machten, der zu Philippus, ihn suchten sie zuerst auf.

Ach, ihr Lieben, wie

wunderbar und wunderlich sind doch des Heilandes Wege.

Nun mußte

Paulus auf dieser Reise gerade zu dem Manne ins Haus kommen, über den

er als Saulus einst die blutige Verfolgung erweckt hatte: denn damals, als Saulus mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn schnaubte,

damals war es, als Philippus aus Jerusalem geflohen und infolgedessen aus dem Almosenpfleger der Evangelist geworden war. Bei diesem Philippus kehrte also Paulus mit seinen Gefährten auf

mehrere Tage ein, sie hatte inzwischen längst die Liebe Christt herzinnig verbunden. Ach, ich sage abermals, es war ein herrliches, göttliches Leben, das diese Christen damals führten, und auch das Gebot des Herrn, das Paulus in die Worte kleidet: „Herberget gerne"! (Röm. 12, 13) haben sie treulich befolgt. Damals kam nun auch noch ein anderer Christ

Namens Agabus, dessen Name uns schon einmal in der Apostelgeschichte aufgestoßen ist «Ap.-Gesch. 11, 28), nach Cäsaren und kehrte ebenfalls in dem Hause des Philippus ein; der hatte durch den Heiligen Geist eine

prophetische Gabe.

Als dieser den Paulus dort antraf, da erfaßte ihn

der Geist des Herrn und er wurde betrübt.

Und er nahm den Gürtel

des Paulus und band seine Hände und Füße damit und sagte mit großem Schmerze: „So werden dich die Juden in Jerusalem binden und werden dich den Heiden, den Römern, zur Hinrichtung übergeben." Als das die

anderen hörten, die Gefährten des Paulus und auch die Brüder in Cäsarea, da drangen sie in den teuren Apostel und baten ihn, er möchte doch um Gotteswillen nicht nach Jerusalem reisen, mit Thränen baten

sie ihn darum. Freilich auch sie baten vergeblich, denn Paulus ging wahrlich nicht

zu seinem Vergnügen dahin, wo Gefängnis und Tod auf ihn warteten:

er mußte es vielmehr thun, es war des Heilandes Wille, und schon als er bei Damaskus bekehrt und zum Apostel berufen worden war, hatte ihm der Sohn Gottes geoffenbart, wie viel er leiden müsse in dieser Welt um

seines Namens willen.

Aber die Liebe der Brüder und ihre inständige

Bitte hätten ihm doch beinahe das Herz weich gemacht, und das durfte

nicht sein, er mußte fest bleiben, für ihn gab es nur einen Willen und ein Gebot, das war der Wille seines Herrn und Meisters.

Also ant­

wortete er den Bittenden: „Was macht ihr, daß ihr weinet und brechet mir mein Herz! Denn ich bin bereit, mich um des Herrn Jesu willen nicht bloß binden zu lassen, sondern auch zu sterben." Und das waren nicht etwa prahlerische, großsprecherische

Worte, sondern sie waren der getreue Ausdruck seiner Gesinnung, das hat er wahrhaftig später mit der That bewiesen. Er hat nicht aufgehört, der Welt die Herrlichkeit des Herrn Jesu Christi zu offenbaren und auch unter

Leiden zu bezeugen, daß es für alle Menschen zuletzt nur eine Rettung und nur einen Retter giebt: Christus!

Ja, dieses Zeugnis hat ihm

Gefängnis und zuletzt den Henkerstod eingetragen.

O Zeugenmut und

Leidenssinn, zu leiden um des Heilandes willen, zu sterben um Christi willen, wo sind sie hingekomnien?

Weil diese so selten geworden sind,

gerade darum verweltlicht die Christenheit immer mehr, und immer mehr Wie unendlich rührend und herzbewegend ist es und von welchem Leidensmute zeugt es,

wird der himmlische Sinn durch den Weltsinn verdrängt.

wenn man diesen Mann, diesen Zeugen Christi sagen hört: „Was macht ihr, daß ihr weinet und brechet mir mein Herz?

Denn ich bin bereit,

um Christi willen mich binden zu lassen und auch den Tod zu erleiden." Da die Brüder sahen, daß der Apostel so fest und todesfreudig

war, da schwiegen sie und sprachen: „Des Herrn Wille geschehe!"

Und

dabei ist's geblieben, und dabei soll es auch bleiben: des Herrn Wille geschehe!

Soll's dabei aber auch mit uns bleiben?

Jesu Wille geschehe!

Amen.

Ach ja, des Herrn

54. Herr, Herr Gott, ta Herr der Zett «nd tu Herr der CwiftcH, d« redest gemnttig, de«« d« redest d«r