Dokumentations- und Ordnungslehre: Theorie und Praxis des Information Retrieval (eXamen.press) (German Edition) 3540238182, 9783540238188

Dokumentation und Information Retrieval, also das gezielte Wiederauffinden von Informationen zu thematisch-inhaltlichen

131 99

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Dokumentations- und Ordnungslehre: Theorie und Praxis des Information Retrieval (eXamen.press) (German Edition)
 3540238182, 9783540238188

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eXamen.press ist eine Reihe, die Theorie und Praxis aus allen Bereichen der Informatik für die Hochschulausbildung vermittelt.

Wilhelm Gaus

Dokumentationsund Ordnungslehre Theorie und Praxis des Information Retrieval Fünfte, überarbeitete Auflage Mit 66 Abbildungen

123

Prof. Dr. Wilhelm Gaus Universität Ulm, Abteilung Biometrie und Medizinische Dokumentation Schwabstraße 13 89075 Um

Universitätsklinikum Ulm, Akademie für medizinische Berufe Schule für Medizinische Dokumentation 89070 Ulm

Die 4. Auflage erschien in der Reihe „Springer-Lehrbuch“

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISSN 1614-5216 ISBN-10 3-540-23818-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-23818-8 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Ver-vielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet.Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Satz: Druckfertige Daten des Autors Herstellung: LE-TeX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: KünkelLopka Werbeagentur, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 33/3142/YL - 5 4 3 2 1 0

Vorwort

Das Buch wendet sich an Studierende des Archiv-, Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesens, der Informatik und der medizinischen Dokumentation. Es wendet sich aber auch an Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure und Sachbearbeiter, die sozusagen nebenbei dokumentarisch tätig sind, indem sie z.B. über das World Wide Web Datenbanken abfragen oder Suchmaschinen für WWW-Seiten benutzen. Zentrales Thema ist das Information Retrieval, also das Wiederauffinden von Informationen zu thematisch-inhaltlichen Fragen. Das Buch ist insofern auf die Medizin ausgerichtet, als die Beispiele aus der Medizin überwiegen. Es ist jedoch für die Dokumentare aller Sachgebiete gedacht und setzt keine besonderen Medizinkenntnisse voraus. In dieser 5. Auflage wird verstärkt auf Online-Recherchen in Datenbanken, WWW-Suchmaschinen und das maschinelle inhaltliche Erschließen von Daten und Texten eingegangen. Als „Lehrbuch“ ist der Text nicht rein wissenschaftlich aufgebaut, sondern enthält auch didaktische und pragmatische Kompromisse. Die Themenfolge wurde nach sich entwickelnden inhaltlichen Gesichtspunkten, nicht nur nach sachlich thematischen Zusammenhängen festgelegt. Einige Themen dienen der Übersicht, Vertiefung und Wiederholung. Auch die Festlegung auf fünf Ordnungsprinzipien erfolgt mehr aus didaktischen, weniger aus wissenschaftlichen Argumenten. Wichtige, häufig benutzte Ordnungssysteme sind eingearbeitet, um Anschauungs- und Diskussionsmaterial zu gewinnen. Die im Anschluss an die einzelnen Themen gestellten Fragen sind bisherige Klausur- und Prüfungsfragen. Sie bieten der besonders engagierten Leserin und dem besonders engagierten Leser Gelegenheit zu Übungen, die im Anhang gegebenen Antworten ermöglichen eine Selbstkontrolle. Leser, die mit der elementaren Mengenlehre und Aussagenlogik nicht vertraut sind, sollten sich vorab mit den Seiten 354 – 356 über logische Ausdrücke beschäftigen. Das Glossar zur Informatik (S. 367 – 372) ist für Leser gedacht, denen noch jegliche Informatik-Grundlagen fehlen. Interessierte sollten sich von den insgesamt 479 Seiten des Buches nicht schrecken lassen: Die Titelei belegt 10 Seiten, die drei größeren Beispiele 38 Seiten, die Auszüge aus weit verbreiteten Ordnungssystemen und ihre Besprechung 16 Seiten, die insgesamt 210 Fragen 39 Seiten, die Antworten dazu 64 Seiten, die Historie der Dokumentation 10 Seiten, das Glossar zur Informatik 6 Seiten, das Sachwortregister 35 Seiten und der sonstige Anhang 16 Seiten, sodass der eigentliche Text nur 245 Seiten umfasst. Leserinnen und Leser, die das Buch sequenziell durchgehen, brauchen den Verweisen nicht nachzugehen. Die Verweise mögen für diejenigen nützlich sein, die ein einzelnes Thema nachschlagen. Die Wörter des Sachwortregisters sind im Text kursiv fett gesetzt, um den Zugang über das Sachwortregister zu erleichtern. Leider konnte ich nicht in einer gut lesbaren Formulierung gleichermaßen Damen und Herren gerecht werden. Deshalb bitte ich meine Leserinnen und Leser, „Dokumentar“ als Bezeichnung für das Berufsbild, nicht als persönliche Anrede aufzufassen.

6

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt den Studentinnen und Studenten der Schule für Medizinische Dokumentation in Ulm, an der seit über 35 Jahren Medizinische Dokumentare (MD) ausgebildet werden. Die Studentinnen und Studenten haben durch ihre Fragen und ihre Mitarbeit im Unterricht, ihre Unterrichtsmitschriften und durch die von ihnen erstellten Übungsarbeiten wesentlich an diesem Buch mitgewirkt. Herzlichen Dank an Dr. Florian Leiner, und Prof. Dr. Anke Häber, die einige Themen überarbeitet und mir viele Anregungen gegeben haben. Bruno Schweizer und Iris Lichtblau danke ich für die Beratung in DV-technischen Fragen. Maria Brandstätter hat mir beim Literaturverzeichnis und Online-Retrieval geholfen, danke! Marianne Meule und Johanna Ballasch danke ich sehr für die Erstellung des detaillierten Sachwortregisters. Henriette Gemballa hat wiederum mit viel Geschick und Geduld alle Fassungen des Manuskripts und des Schriftsatzes erstellt, herzlichen Dank!

Alle Leserinnen und Leser bitte ich ausdrücklich, Kritik und Anregungen mir vorzutragen.

Ulm, im Februar 2005

Wilhelm Gaus

Inhaltsverzeichnis

1 Zweck und Grundzüge der Dokumentation ................................

11

2 Informationsflut  Notwendigkeit der Dokumentation ..............

21

3 Begriff und Wesen der Information ............................................

29

4 Dateien und Datenbanken ...........................................................

36

5 Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen .........................

47

6 Begriff und Benennung ...............................................................

57

7 Ordnungsprinzip Klassifikation ..................................................

68

8 Hierarchische Begriffsstrukturen ................................................

76

9 Alphabetisches Sortieren und systematisches Anordnen ............

91

10 Die Klassifikationen ICD-10 und OPS .......................................

97

11 Ordnungsprinzip Register ...........................................................

106

12 Beispiel einer Dokumentation mit Registern ..............................

112

13 Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation ....................................

130

14 Ordnungsprinzip Begriffskombination .......................................

137

15 Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination ............

144

16 Struktur eines Ordnungssystems .................................................

152

17 Erstellung eines Ordnungssystems ..............................................

170

18 Beispielthesaurus Gebäude .........................................................

181

19 Ordnungssystem Medical Subject Headings (MeSH) .................

193

20 Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

200

21 Relevanz- und Vollzähligkeitsrate ..............................................

215

22 Recherchieren und Suchstrategien ..............................................

235

8

Inhaltsverzeichnis

23 Dokumentations- und Retrievalsysteme ......................................

245

24 Freitextsuche ...............................................................................

253

25 Online-Recherchen in Datenbanken ...........................................

266

26 WWW-Recherchen mit Suchmaschinen .....................................

275

27 Vom Data Warehouse zum Knowledge Management ................

280

28 Zusammenstellung: Terminologische Kontrolle .........................

295

29 Aktive Informationsdienste .........................................................

305

30 Besonderheiten der Datendokumentation ...................................

311

31 Berücksichtigung der Benutzerbedürfnisse .................................

321

32 Revision eines Ordnungssystems ................................................

327

33 Arbeitsgänge und Kosten ............................................................

339

Anhang 34 Der gute Dokumentar ..................................................................

349

35 Übersicht über die Ordnungsprinzipien ......................................

351

36 Formelzeichen und Symbole .......................................................

353

37 Mengen und logische Ausdrücke ................................................

354

38 Historie der Dokumentation ........................................................

357

39 Glossar zur Informatik ................................................................

367

Antworten zu den Fragen ....................................................................

373

Literaturhinweise und WWW-Adressen .............................................

437

Sachwortregister .................................................................................

445

Zweck und Grundzüge T1 Informationsflut T2 Informationsbegriff T3

T 5 T 27 T 29

Begriff und Benennung Computerlinguistik Terminologische Kontrolle

Hintergrund

Erschließen maschinell aktive Info.

formale Erfassung Beschaffung

T 5 T 33

Indexieren

Dokumentationseinheit

T = Thema

T 6 T 27 T 28

Aktive Info-Dienste Datendokumentation Arbeitsgänge, Kosten

Dateien und Datenbanken

Dokumentenspeicher

Dateien und Datenbanken Retrievalsysteme Online-Recherchen

Deskriptorenspeicher

Hierarchie alphabetisch - systematisch Struktur Erstellung ergänzende Deskriptoren Revision

Ordnungssysteme

Klassifikation Register Fassettenklassifikation Begriffskombination Freitextsuche

Ordnungsprinzipien

T 29 T 30 T 33

T 4

T 4 T 23 T 25

T 8 T 9 T 16 T 17 T 20 T 32

T 7 T 11 T 13 T 14 T 24

T 21 T 22 T 24 T 25 T 26

ICD-10, OPS Register Begriffskombination

T 10 Thesaurus Gebäude T 12 Medical Subject Headings (MeSH) T 15

Beispiele

T 19

T18

Data Warehouse T 27 Bedürfnisse T 31

Benutzer

Fluss der Dokumentationseinheit

Güte Suchstrategien Freitextsuche Online-Recherchen WWW-Suchmaschinen

Recherchieren

Die Themen als Beziehungsdisplay

Bei uns herrscht Ordnung. Ein Griff – und schon geht die Sucherei los.

Thema 1:

Zweck und Grundzüge der Dokumentation 1.1

Zweck der Dokumentation

Sinn und Zweck der Dokumentation im Sinne dieses Buches ist das gezielte Wiederfinden und Nutzbarmachen von Dokumenten und Informationen. Weder das Sammeln noch das Ordnen von Dokumenten oder Informationen ist für sich allein genommen schon Dokumentation; das sollten vor allem diejenigen unter den Dokumentaren bedenken, die gerne ihrer Sammelleidenschaft oder ihrer Ordnungswut erliegen. Das Sammeln und das Ordnen von Informationen bzw. Dokumenten ist nur ein Teil der Dokumentation, nicht Selbstzweck und nicht Dokumentation schlechthin. Im Englischen wird Dokumentation in diesem Sinne zutreffend als Information Retrieval, wörtlich übersetzt als Zurückgewinnen von Information bezeichnet. Die Güte einer Dokumentation hängt davon ab, ob die für eine Suchfrage relevanten  und nur die relevanten  Dokumente wieder gefunden werden. Allerdings gibt es noch andere Formen der Dokumentation als das Information Retrieval. Sie werden z.B. von Nationalbibliotheken, Sammlungen, Archiven, Firmen, Regierungsstellen, Parteien oder Verbänden erstellt und dienen mehr der Sammlung, Darstellung und sonstigen Nutzung von Informationen. Sie werden in diesem Buch nicht behandelt. Beim Information Retrieval arbeiten die Dokumentare nicht für sich selbst, sondern für ihre Benutzer. Benutzer einer Dokumentation können Wissenschaftler, Manager, Studenten, Techniker, Ärzte, Kaufleute, Politiker, Juristen usw. sein, kurz alle Personen, die Informationen benötigen. Letztlich ist es die Aufgabe der Dokumentation, die Suchfragen der Benutzer zu beantworten und jedem Benutzer die für ihn relevanten  und nur die relevanten  Dokumente und Informationen zu geben. Die „Benutzer“ – also die soeben erwähnten Wissenschaftler, Manager, Studenten, Techniker usw. – recherchieren zunehmend selbst ohne einen Dokumentar zu bemühen, weil (1.) die Informationsbeschaffung bei immer mehr Berufen zur Kernkompetenz zählt, (2.) spezielles Fachwissen aus dem thematisch bearbeiteten Gebiet erfordert und weil (3.) die Informationsquellen allgemein und bequem zugänglich geworden sind. Dieses Buch wendet sich deshalb nicht nur an Dokumentare und alle im Informationswesen Tätigen (Archivare, Bibliothekare, Informationswirte, Informatiker usw.), sondern auch an die Informationsbenutzer, die für sich selbst oder ihre Arbeitsgruppe recherchieren.

1.2

Dokumentationseinheiten

Bearbeitet werden Dokumente oder  allgemeiner formuliert  Dokumentationseinheiten. Eine Dokumentationseinheit kann z.B. sein x

ein Buch,

x

ein Zeitschriftenband,

x

ein Aufsatz in einer Zeitschrift,

12

Thema 1

x

eine einzelne Buchseite,

x

ein einzelner Satz (z.B. Bibelvers, Gesetzestext),

x

eine einzelne Angabe, ein einzelner Messwert, ein einzelnes Datum oder Faktum (Beispiele: Höhe des Ulmer Münsters = 161.6 m, Fläche der Bundesrepublik Deutschland = 357 050 km2),

x

das Datenblatt eines Werkstoffs,

x

ein Bild einer Gemäldesammlung,

x

eine Personalakte in einem Betrieb, Arbeitsamt oder im Militärwesen,

x

eine Krankenakte,

x

eine Arzneimittel-Spezialität, d.h. ein bestimmtes Arzneimittel eines bestimmten Herstellers, einer bestimmten Darreichungsform (z.B. Tablette, Dragee, Tropfen) in einer bestimmten Packungsgröße,

x

ein einzelner medizinischer Befund (Beispiele: vergrößerte Milz, häufiges Husten, Körpertemperatur = 37.2 Grad Celsius usw.).

Je nach der Art der Dokumentationseinheit spricht man von Literaturdokumentation, Datendokumentation, Werkstoffdokumentation, Bilderdokumentation, Personendokumentation, Dokumentation der Krankenakten, Arzneimitteldokumentation, medizinischer Dokumentation usw. Die Bezeichnung „Dokumentationseinheit“ ist zwar umständlicher als das Wort „Dokument“, trifft jedoch den Sachverhalt besser. Das Wort Dokument hat auch eine juristische Bedeutung. In der Umgangssprache schwingt in ihm mit, dass es sich um eine wertvolle Sache und nicht um einen Gebrauchsgegenstand handelt. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollten wir deshalb von Dokumentationseinheiten sprechen, allerdings wird auch der Kürze wegen gelegentlich das Wort Dokument mit der genau gleichen Bedeutung verwendet. Viele Dokumentare unterscheiden zwischen „Dokumentationseinheit“ und „dokumentarischer Bezugseinheit“. Dieser Unterscheidung liegt zugrunde, dass manche Dokumentationseinrichtungen die Bücher, Aufsätze, Krankenakten usw. gar nicht selbst besitzen, sondern nur deren genaue Beschreibung z.B. als EDV-gespeicherter Datensatz. Dann ist ein einzelnes Buch, ein Aufsatz, eine Krankenakte usw. die dokumentarische Bezugseinheit, während die Dokumentationseinheiten die zugehörigen Datensätze sind. Die Unterscheidung von dokumentarischer Bezugseinheit und Dokumentationseinheit ist besonders anschaulich, wenn z.B. die Fahrzeuge eines großen Fuhrparks oder die Maschinen und Geräte einer großen Fabrik die dokumentarischen Bezugseinheiten sind und die zugehörigen Betriebsbücher die Dokumente. Aber auch dann, wenn die dokumentarischen Bezugseinheiten in der Dokumentationsstelle vorhanden sind, kann es nützlich und bequem sein, von jeder dokumentarischen Bezugseinheit einen Datensatz oder entsprechendes, nämlich eine Dokumentationseinheit, anzulegen und damit anstelle der dokumentarischen Bezugseinheit zu arbeiten. Das Übertragen von Aussagen von Dokumentationseinheiten (in diesem spezielleren Sinne) auf die dokumentarischen Bezugseinheiten und umgekehrt macht keine Schwierigkeiten, da die Dokumentationseinheiten einfach die Stellvertreter für die dokumentarischen Bezugseinheiten sind. Deshalb wird im Folgenden meist nicht zwischen dokumentarischer Bezugseinheit und Dokumentationseinheit unterschieden, sondern das Wort „Dokumentationseinheit“ für beides verwendet.

Zweck und Grundzüge der Dokumentation

1.3

13

Dokumentationswürdigkeit

Vor der Aufnahme einer Dokumentationseinheit in eine Dokumentation ist zu prüfen, ob es sich überhaupt lohnt sie aufzunehmen, d.h. ob diese Dokumentationseinheit dokumentationswürdig ist. Dies ist von Fall zu Fall zu entscheiden und hängt insbesondere vom Sachgebiet und vom Benutzerkreis der Dokumentationsstelle ab. Die Entscheidung, ob eine Dokumentationseinheit dokumentationswürdig ist, sollte sich nicht danach richten, ob der Dokumentar das Dokument für gut oder schlecht hält, sondern ob es zum bearbeiteten Sachgebiet gehört, ob es einschlägig ist und ob es für den einen oder anderen Benutzer der Dokumentation interessant sein könnte. Die innerbetriebliche Dokumentation einer pharmazeutischen Firma wird z.B. alle Dokumentationseinheiten (Angaben) über die von ihr hergestellten Arzneimittel und deren Konkurrenzpräparate für wichtig und damit dokumentationswürdig ansehen. Die Prüfung auf Dokumentationswürdigkeit sollte nicht dazu führen, dass sich der Dokumentar selbst zum Zensor bestellt und entscheidet, was gut und was schlecht ist. Allerdings können Dokumente, die eindeutig über oder eindeutig unter dem Anspruchsniveau aller Dokumentationsbenutzer liegen, als nicht dokumentationswürdig (für diese Dokumentation) gelten.

1.4

Die vier Teilgebiete der Dokumentation

In der Dokumentation werden vier Teilgebiete unterschieden: a)

Beschaffen und Erfassen Zunächst müssen die für eine dokumentarisch bearbeitete Thematik zutreffenden Dokumentationseinheiten der Dokumentationsstelle bekannt werden, und die Dokumentationsstelle muss diese Dokumente beschaffen. Wichtig ist, keine für die Benutzer der Dokumentation wichtigen Dokumentationseinheiten zu übersehen, da sonst eine unvollständige Dokumentation entsteht. Umgekehrt ist zu prüfen, ob eine neu zugegangene Dokumentationseinheit schon früher eingespeichert worden ist. Von den beschafften Dokumentationseinheiten sind nun einige mehr äußere Dinge (z.B. Verfasser, Sachtitel, Erscheinungsjahr und dergleichen) zu erfassen und festzuhalten.

b)

Indexieren Das Erschließen der Dokumente nennt man indexieren. Man versteht darunter das Feststellen und Kennzeichnen des Inhalts einer Dokumentationseinheit mithilfe so genannter Deskriptoren (englisch: descriptors oder index terms). Im einfachsten Fall sind die Deskriptoren Schlagwörter. Bildlich gesprochen erhält jede Dokumentationseinheit ein Etikett, auf dem ein oder mehrere Deskriptoren stehen und das Auskunft über ihren Inhalt gibt. Indexieren ist also das inhaltliche Erschließen der Dokumentationseinheiten oder konkret gesagt, die Zuordnung von Deskriptoren zu Dokumentationseinheiten. Beispiel: Die Dokumentationseinheit Nr. 613 handelt von Knochenkrankheiten („Knochenkrankheiten“ ist hier Deskriptor). Anstatt indexieren müsste es im Deutschen eigentlich deskribieren oder indizieren heißen, jedoch hat sich in Anlehnung an den englischen Fachausdruck indexing die Bezeichnung indexieren (im Jargon indexen) durchgesetzt. Die Person, die indexiert, nennt man Indexierer oder im Jargon auch kurz Indexer.

14

Thema 1

c)

Speichern Das dritte Teilgebiet der Dokumentation ist das Speichern. Zu unterscheiden ist der Dokumentenspeicher und der Deskriptorenspeicher. Im Dokumentenspeicher sind die Dokumente in ihrem vollen Umfang enthalten, er wird auch als Ablage, Archiv, Magazin oder Lager bezeichnet. Zum Dokumentenspeicher kann auch eine Art Inhaltsverzeichnis gehören. Der Deskriptorenspeicher speichert, welcher Dokumentationseinheit welche Deskriptoren indexiert wurden. Dazu werden meist nicht die Dokumentationseinheiten selbst, sondern z.B. nur die Nummern der Dokumentationseinheiten gespeichert. Eingespeichert wird unter den Dokumentationseinheiten, abgefragt wird unter den Deskriptoren. Um Abfragen möglichst gut durchführen zu können, hat der Deskriptorenspeicher eine andere Struktur als der Dokumentenspeicher. Der Deskriptorenspeicher ist im einfachsten Fall ein Schlagwortkatalog, ansonsten eine Datenbank.

d)

Recherchieren Die Recherche, auch Retrieval oder Search genannt, ist das gezielte Suchen und Wiederfinden von Dokumentationseinheiten zu einem interessierenden Sachverhalt. Der interessierende Sachverhalt wird als allgemeine oder verbale Suchfrage bezeichnet. Für die Recherche muss dieser interessierende Sachverhalt durch Deskriptoren ausgedrückt werden und bildet dann die formale Suchfrage. Mit der formalen Suchfrage wird der Deskriptorenspeicher gezielt auf relevante Dokumente abgefragt. Das Ergebnis der Abfrage des Deskriptorenspeichers sind die Titel und Nummern der Dokumente, die für die Suchfrage relevant sind. Mit den Dokumentennummern kann dann auf die Dokumente selbst im Dokumentenspeicher zugegriffen werden. Die Person, die recherchiert, wird Rechercheur oder im Jargon auch Retriever oder Searcher genannt.

Wie bereits erwähnt, ist es die erste und wichtigste Aufgabe der Dokumentation, zu jeder an sie von einem Benutzer herangetragenen Suchfrage möglichst alle zutreffenden, jedoch nur die zutreffenden Dokumente zu finden. Deshalb ist das Indexieren und das Führen der Speicher formal nur eine Vorarbeit für das Retrieval. Allerdings ist der Arbeitsaufwand für das Indexieren und Speichern erheblich.

1.5

Ordnungssystem

Beim Indexieren kann man entweder die Deskriptoren in Anlehnung an die wissenschaftliche Fachsprache intuitiv und frei erfinden (freies Indexieren), oder man ist an eine vorgegebene Liste von Deskriptoren gebunden, aus welcher der zutreffende Deskriptor oder die zutreffenden Deskriptoren ausgewählt werden müssen (gebundenes Indexieren). Beim gebundenen Indexieren nennt man die Menge aller zur Verfügung stehenden (d.h. die Menge aller zugelassenen) Deskriptoren mit den dazugehörigen Erläuterungen und Hinweisen das Ordnungssystem. Ein solches Ordnungssystem gewährleistet, dass zum Indexieren und Recherchieren das gleiche Vokabular verwendet wird. Das Verwenden eines einheitlichen, kontrollierten Vokabulars, also einheitlicher Deskriptoren, ist innerhalb einer Dokumentation notwendig, damit alle zu einer Suchfrage gespeicherten Dokumentationseinheiten bei der Recherche auch tatsächlich wieder gefunden werden. Beim freien Indexieren ist es z.B. mög-

Zweck und Grundzüge der Dokumentation

15

lich, dass einer Dokumentationseinheit der Deskriptor „Auto“ indexiert wurde und dann bei einer Recherche nach „Personenkraftwagen“ oder nach „Pkw“ abgefragt wird, die Dokumentationseinheit also bei der Recherche nicht selektiert wird, obwohl sie für die Suchfrage relevant ist. Das Ordnungssystem muss, bevor in einer Dokumentationsstelle mit dem gebundenen Indexieren der Dokumentationseinheiten begonnen werden kann, vorhanden sein. Es wird entweder von anderen Dokumentationsstellen übernommen oder von der Dokumentationsstelle selbst entwickelt. Ein Ordnungssystem ist auf die Thematik, die dokumentarisch bearbeitet werden soll, zugeschnitten und begrenzt. Beispiele: ein Ordnungssystem für das Kfz-Wesen, ein Ordnungssystem für die Kunststoff-Chemie, ein Ordnungssystem für klinische Diagnosen. Die Größe eines Ordnungssystems bestimmt sich nach der Anzahl der in ihm enthaltenen Deskriptoren. Im einfachsten Fall ist ein Ordnungssystem eine Auflistung der zugelassenen Deskriptoren und wird dann als (verbindliche) Deskriptorenliste bezeichnet. Enthält ein Ordnungssystem neben den Deskriptoren zusätzliche ergänzende Wörter, sowie viele Erläuterungen und Hinweise, so spricht man von einem komfortablen oder gut ausgebauten Ordnungssystem. Jedes Ordnungssystem ist nach einem bestimmten dokumentarischen Grundgedanken, dem Ordnungsprinzip, aufgebaut. In diesem Buch werden fünf verschiedene Ordnungsprinzipien jeweils als ein eigenes Thema behandelt.

1.6

Freitextsuche

Anstatt ein Ordnungssystem zu entwickeln und es für das Indexieren und Recherchieren konsequent zu benutzen, werden kurze Texte zunehmend nicht mehr indexiert, sondern nur noch per Computerprogramm für das Retrieval aufbereitet. Zur Recherche wird ein der freien Intuition entsprungenes Suchwort eingegeben, und das Retrievalprogramm selektiert alle Dokumentationseinheiten, die dieses Suchwort enthalten. Die Freitextsuche liefert oft ein unbefriedigendes Rechercheergebnis, ist aber kostengünstig und stets aktuell. Deshalb setzt sie sich immer mehr durch.

1.7

Signatur und Notation

Um sich die Arbeit zu erleichtern, erhalten die einzelnen Dokumentationseinheiten eine Kennzeichnung, meist eine Nummer. Dieses kurze eindeutige Identifikations-Kennzeichen einer Dokumentationseinheit nennt man Signatur. Im Bibliotheks- und Dokumentationswesen gibt die Signatur den Standort der Dokumentationseinheit im Dokumentenspeicher an und hat mit dem englischen Wort „signature“ (= Unterschrift) nichts zu tun. Ebenso können Deskriptoren ein eindeutiges Kennzeichen oder eine eindeutige Abkürzung erhalten. Dieses kurze eindeutige Identifikations-Kennzeichen eines Deskriptors wird Notation genannt.

16

Thema 1

Eine Notation kennzeichnet also einen Sachverhalt und dessen (logische) Stelle im Deskriptorenspeicher. Signaturen und Notationen sollen folgende Anforderungen erfüllen: x

eindeutig, d.h. eine Signatur steht für eine einzige Dokumentationseinheit, und jede Dokumentationseinheit hat nur eine einzige Signatur. Ebenso hat jeder Deskriptor nur eine einzige Notation, und jede Notation steht nur für einen einzigen Deskriptor. Mathematisch gesprochen ist eine Signatur eine ein-eindeutige Abbildung einer Dokumentationseinheit, eine Notation eine ein-eindeutige Abbildung eines Deskriptors,

x

kurz und damit bequem handhabbar,

x

mnemotechnisch günstig, d.h. man sollte sie gut lesen, im Gespräch gut verstehen und leicht merken können (Mnemonik = Gedächtniskunst),

x

sortierfähig, d.h. alle Signaturen (oder alle Notationen) können in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden,

x

maschinengeeignet, d.h. sie sollten sich auf den üblichen EDV-Zeichenvorrat beschränken. Wenig maschinengeeignet sind z.B. Indizes als tief- oder hochgestellte Zeichen,

x

erweiterungsfähig, damit neue Dokumentationseinheiten und neue Deskriptoren aufgenommen werden können.

Eine Signatur ist also eine kurze eindeutige Identifikation einer Dokumentationseinheit; eine Notation eine kurze eindeutige Identifikation eines Deskriptors. In Verbindung mit einer Dokumentationseinheit bezeichnet eine Notation den Inhalt dieser Dokumentationseinheit, da sie ja stellvertretend für einen Deskriptor steht. Beispiele für Signaturen sind: Buch 613, A 23 für Ordner A, Heft 23, 64.3 für Heft 64, Abschnitt 3. Beispiele für Notationen sind: Deskriptor 613, A23 für Gebiet A, Deskriptor 23, 64.3 für Deskriptor 64, Unterdeskriptor 3. In einer Dokumentation sollten Signatur und Notation so gewählt werden, dass sie sich auch äußerlich unterscheiden. Dies kann erreicht werden, indem z.B. die Signatur rein numerisch ist (also nur aus Ziffern und vielleicht aus Sonderzeichen wie Punkt und Komma besteht), während die Notation stets mit einem Buchstaben beginnt. Häufig besteht die Signatur aus einer Jahreszahl und einer laufenden Nummer innerhalb des Jahres, z.B. 05-1, 05-2, 05-3 ....

1.8

Arbeitsgänge

Beim Aufnehmen einer neuen Dokumentationseinheit in eine Dokumentation laufen üblicherweise folgende Arbeitsgänge ab: x

Beschaffung der Dokumentationseinheit,

x

Prüfen auf Dokumentationswürdigkeit,

x

Prüfen, ob die gleiche Dokumentationseinheit nicht schon vorhanden ist (Duplizitätskontrolle),

x

Erfassen der Dokumentationseinheit und Zuteilen einer Signatur,

x

Indexieren,

Zweck und Grundzüge der Dokumentation x

Einspeichern der indexierten Deskriptoren samt Signatur in den Deskriptorenspeicher,

x

Ablage der Dokumentationseinheit im Dokumentenspeicher.

17

Für eine Recherche sind üblicherweise folgende Arbeitsgänge erforderlich: x

Verstehen der Benutzerfrage durch Gespräch, Rückfragen usw.,

x

Umsetzen der Benutzerfrage in eine formale Suchfrage,

x

Abfrage des Deskriptorenspeichers. Ergebnis dieser Abfrage sind die Signaturen der Dokumentationseinheiten, die für die Suchfrage relevant sind,

x

Zugriff auf die Dokumentationseinheiten im Dokumentenspeicher, deren Signatur bei der Abfrage des Deskriptorenspeichers selektiert wurde,

x

Sichtung des Rechercheergebnisses. Ist das Rechercheergebnis unbefriedigend, so werden die vorigen Arbeitsgänge mit veränderter formaler Suchfrage ganz oder teilweise wiederholt (Rücksprung),

x

Übergabe des Rechercheergebnisses an den Benutzer.

Diese Arbeitsgänge sind für die meisten Dokumentationsstellen typisch. Bietet eine Dokumentation nur Freitextsuche an, so werden die Arbeitsgänge Indexieren und Einspeichern der indexierten Deskriptoren ersetzt durch eine maschinelle Aufbereitung des Textes der Dokumentationseinheit. Je nach der Größe der Dokumentationsstelle, je nach dem verwendeten Ordnungssystem, je nach örtlichen Gegebenheiten usw. können jedoch die Arbeitsgänge beim Aufnehmen einer Dokumentationseinheit und beim Recherchieren von den oben beschriebenen Arbeitsgängen mehr oder weniger abweichen. Ausführlicher werden die Arbeitsgänge als Thema 33 (Arbeitsgänge und Kosten) behandelt.

1.9

Typische Struktur einer Dokumentation

Die meisten Dokumentationen haben ein Ordnungssystem. Dieses ist nach einem bestimmten Ordnungsprinzip aufgebaut. Weiterhin umfasst eine Dokumentation den Deskriptorenspeicher und den Dokumentenspeicher. Neu aufzunehmende Dokumentationseinheiten werden indexiert. Zum Indexieren wird das Ordnungssystem herangezogen. Die indexierten Deskriptoren werden im Deskriptorenspeicher abgelegt, die Dokumente im Dokumentenspeicher. Stellt ein Benutzer eine (allgemeine) Suchfrage, so muss diese in eine formale Suchfrage überführt werden. Dazu ist wiederum das Ordnungssystem notwendig. Die formale Suchfrage wird an den Deskriptorenspeicher gegeben, die dabei selektierten Signaturen an den Dokumentenspeicher. Die so selektierten Dokumentationseinheiten (oder Kopien davon) werden als Rechercheergebnis dem Benutzer übergeben (s. Abb. 1.1). Die Aufgabe der Dokumentation ist das Vermitteln von Informationen. Somit ist die Dokumentation das Bindeglied zwischen Autoren, Datenlieferanten und sonstigen Informationserzeugern einerseits und den zu informierenden Benutzern andererseits. Die Unterscheidung zwischen Informationserzeugern und Informationsbenutzern ist nur formal, häufig sind die gleichen Personen, Institutionen, Firmen usw. sowohl Benutzer als auch Erzeuger von Informationen.

18

Thema 1

Aufzunehmende Dok.-Einheit

Benutzerfrage

erfassen signieren

Ordnungsprinzip

indexieren

Ordnungssystem

indexierte Deskriptoren

Deskriptorenspeicher

formulieren der formalen Suchfrage formale Suchfrage selektierte Signaturen

Dokumentenspeicher

Abb. 1.1

selektierte Dok.-Einheiten

Vereinfachte Struktur einer Dokumentation mit gebundenem Indexieren. Die umrahmten Komponenten sind physisch (nicht nur logisch) vorhanden. Pfeile stellen Beziehungen zwischen den Komponenten dar.

1.10 Beispiel einer Dokumentation (A) Jemand hat eine Sammlung von etwa 100 Reiseprospekten und fährt einmal im Jahr in Urlaub. Er wählt sein Reiseziel anhand der Prospekte aus. Wie soll er die Dokumentation der Reiseprospekte hinsichtlich Ordnungssystem, Deskriptorenspeicher, Dokumentenspeicher, Signatur usw. gestalten? Antwort: Wegen des geringen Umfangs der Sammlung (100 Dokumentationseinheiten) und der geringen Anzahl von Recherchen (eine Recherche im Jahr) lohnt sich eine Dokumentation nicht. Vielmehr ist es zweckmäßig, vor jeder Reise alle Prospekte durchzublättern und sich unmittelbar anregen zu lassen.

1.11 Beispiel einer Dokumentation (B) Ein Student schreibt im Unterricht eines Faches detailliert und sorgfältig mit. Er fasst die einzelnen Seiten der Vorlesungsmitschrift als Dokumentationseinheiten auf und erstellt vor der Prüfung eine Dokumentation dazu. Seine Unterrichtsaufzeichnungen insgesamt sind der Dokumentenspeicher, die Seitenzahl verwendet er als Signatur. Er indexiert, indem er jeder Seite (Dokumentationseinheit) ein oder mehrere Schlagwörter (Deskriptoren) zuteilt. Die

Zweck und Grundzüge der Dokumentation

19

zugeteilten Schlagwörter stellt er in einer separaten alphabetischen Liste (Deskriptorenspeicher) zusammen und gibt zu jedem Schlagwort an, auf welcher Seite bzw. auf welchen Seiten es behandelt wird. Sind in der Abschlussprüfung das Unterrichtsskript und Hilfsmittel zugelassen, so müsste der Prüfling  falls die Dokumentation perfekt ist und der Prüfer nur Wissensfragen über die im Unterricht behandelten Dinge stellt  in der Prüfung die Note sehr gut erhalten.

1.12 Fragen F1.1

Geben Sie 3 Beispiele für dokumentarische Bezugseinheiten und die dazugehörigen Dokumentationseinheiten im engeren Sinne.

F1.2

a) Welche 4 grundlegenden Tätigkeiten gibt es in der Dokumentation? b) Erklären Sie anhand dieser Tätigkeiten den Unterschied (die Unterschiede) zwischen einer sorgfältig geordneten Sammlung und einer Dokumentation im Sinne von Information Retrieval. c) Welche der in a) genannten Tätigkeiten wird bei Freitextsuche per Programm und deshalb nur sehr rudimentär ausgeführt?

F1.3

Geben Sie a) die Gemeinsamkeiten, b) die Unterschiede

F1.4

von Signatur und Notation an. In manchen Ländern hat jeder Staatsbürger ein so genanntes „allgemeines Personenkennzeichen“. Dieses besteht z.B. aus Geburtsdatum, Geschlecht, Mehrlingseigenschaft, Geburtsort und einer laufenden Nummer innerhalb der genannten, personenbezogenen Eigenschaften. a) Ist ein derartiges Personenkennzeichen aus der Sicht der Staatsverwaltung eher eine Signatur oder eher eine Notation? b) In einem Krankenhaus werden die Krankenakten nach dem beschriebenen Personenkennzeichen abgelegt. Hat dann das Personenkennzeichen die Funktion einer Signatur oder die Funktion einer Notation?

F1.5

Was verstehen Sie unter einer „formalen Suchfrage“? Hinweis: Erläutern Sie den Unterschied zwischen einer verbalen und einer formalen Suchfrage.

F1.6

Vergleichen Sie die beiden Tätigkeiten „Indexieren einer Dokumentationseinheit“ und „Formulieren einer formalen Suchfrage“. Geben Sie dazu die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Tätigkeiten an.

F1.7

Welcher Arbeitsgang der Recherche entspricht dem Indexieren?

20

Thema 1

F1.8

Entscheiden Sie bei folgenden Angaben, ob es sich eher um eine Signatur oder eher um eine Notation handelt. a) Aufkleber der Bibliothek auf dem Buchrücken, aus dem der Standort des Buches im Magazin hervorgeht. Die Bibliothek stellt die Bücher im Magazin nach Buchformat und innerhalb des Buchformats nach laufendem Zugang ab. b) Geburtsdatum und Name der Patienten, wobei im Klinikarchiv die Krankenakten nach Klinik (Frauenklinik, Kinderklinik, Medizinische Klinik usw.), innerhalb der Klinik nach Geburtsdatum, innerhalb des Geburtsdatums nach Name abgestellt werden. c) Aktenzeichen in einem Büro, wobei das Büro nach Arbeitsgebieten ablegt und innerhalb der Arbeitsgebiete chronologisch. Beispiel für Aktenzeichen:

25 25.1 25.2

F1.9

Anträge auf Forschungsförderung Anträge an die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) Anträge an BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung)

In einer klinischen Dokumentation werden zur sachlichen Beschreibung medizinischer Behandlungsfälle folgende Abkürzungen verwendet (angegeben ist nur ein kleiner Ausschnitt der Liste). . . . KHK = koronare Herzkrankheit AP = Angina pectoris . . . HWS = Halswirbelsäule BWS = Brustwirbelsäule LWS = Lendenwirbelsäule . . . BAK = bakteriell VIR = viral . . . Sind diese Abkürzungen (KHK, AP, usw.) Signaturen oder Notationen? Könnten es sowohl Signaturen als auch Notationen sein, je nachdem, ob man die gesamte Krankenakte oder einzelne Befunde als Dokumentationseinheiten betrachtet? Sind diese Abkürzungen Signaturen, falls sie den Patienten bzw. Krankenakten zugeordnet werden, und Notationen, falls sie Deskriptoren zugeordnet werden? Oder sind diese Abkürzungen weder Signaturen noch Notationen?

Thema 2:

Informationsflut – Notwendigkeit der Dokumentation 2.1

Anzahl der Publikationen

In den vergangenen 150 Jahren hat sich die Anzahl der Wissenschaftler jeweils alle 50 Jahre etwa verzehnfacht. Außerdem publiziert der einzelne Wissenschaftler heute mehr denn je. Die große Anzahl an Wissenschaftlern und die hohe Publikationsaktivität hat zu einer kaum vorstellbaren Flut an wissenschaftlichen Publikationen (Literaturflut) geführt. Wie viele Bücher weltweit erscheinen, lässt sich nur grob und ungenau abschätzen. Für die Wissenschaft haben aber Bücher zunehmend nur noch die Funktion von Lehrbüchern und Zusammenstellungen, die wissenschaftliche Kommunikation erfolgt mehr und mehr über Zeitschriftenaufsätze, Berichte und elektronische Medien. Auch die Anzahl der laufend erscheinenden wissenschaftlichen Zeitschriften ist nicht genau bekannt und hängt stark davon ab, was als „wissenschaftlich“ betrachtet wird und wie oft und regelmäßig ein Heft erscheinen soll, damit es als Zeitschrift gewertet wird. Noch unsicherer sind die Angaben, wie viele wissenschaftliche Berichte erscheinen. Forschungsberichte, Projektberichte, Institutsberichte, Tagungsberichte, Arbeitsgruppenberichte, Jahresberichte, Rechenschaftsberichte, Firmenschriften, Sachberichte usw. werden als graue Literatur bezeichnet, weil es schwierig zu wissen ist, welche Berichte es gibt, was sie enthalten und wie man sie beschaffen kann. Zuverlässige Angaben zur Literaturflut erhält man von den Dokumentationsstellen, die gut angeben können, wie viele Dokumente (meist Zeitschriftenaufsätze) sie eingespeichert haben und wie viele laufend dazukommen. In einem einzigen, jedoch sehr wichtigen bibliografischen Nachschlagewerk, dem Science Citation Index, werden laufend etwa 5 900 Zeitschriften aus 150 Fachrichtungen ausgewertet, das sind etwa 650 000 Aufsätze pro Jahr. Als ein anderes Beispiel sei Chemical Abstracts, ein Informationsdienst für die Chemie, erwähnt, in dem seit 1907 etwa 24 Millionen Dokumente gespeichert sind und aus über 9 000 Quellen wöchentlich ca. 14 000 weitere hinzukommen. Als drittes Beispiel sei darauf hingewiesen, dass in der Datenbank Derwent World-Patent-Index etwa 13.5 Mio. Patente verzeichnet sind, die von 40 Patentämtern erteilt wurden und zu der jährlich 1.5 Mio. Patente neu hinzukommen. Bei jeder Patentanmeldung ist mithilfe dokumentarischer Verfahren zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine Neuheit handelt. Die Literaturflut gilt auch für die Medizin. Im Computer z.B. des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) sind 80 Datenbanken mit zusammen etwa 100 Millionen Dokumentationseinheiten gespeichert. Diese Datenbanken können von allen Computern mit Internet-Anschluss abgefragt werden.

22

Thema 2

2.2

Wie viel hat ein Wissenschaftler heute zu lesen?

Vor hundert Jahren konnte ein Arzt nach abgeschlossenem Staatsexamen praktisch alle neuen medizinischen Kenntnisse erwerben, wenn er täglich eine Stunde Fachliteratur las. Liest ein Arzt heute ebenfalls im Mittel eine Stunde pro Tag bei einer Leseleistung von 4 Arbeiten je Stunde, so schafft er gerade den Bruchteil eines Promilles der weltweit erscheinenden medizinischen Fachliteratur. Hätte ein Chemiker den Ehrgeiz, die von dem erwähnten Informationsdienst Chemical Abstracts angezeigten Publikationen zu überfliegen und würde er im Mittel 5 Minuten für eine Publikation benötigen, 40 Stunden pro Woche und 50 Wochen pro Jahr ununterbrochen lesen, so würde er knapp 3.5% der angezeigten Publikationen schaffen. Würde der gleiche Wissenschaftler nur die Titel lesen, für jeden Titel im Mittel 30 Sekunden benötigen, so würde er rein rechnerisch etwa ein Drittel der von diesem Informationsdienst angezeigten Publikationen erfassen können. Nun wird ein Arzt heute nicht mehr den Ehrgeiz haben, die gesamte medizinische Fachliteratur verfolgen zu wollen. Aber er ist nicht einmal mehr in der Lage, die Literatur eines medizinischen Teilgebietes z.B. der Pharmakologie (Lehre von den Arzneimitteln und ihren Wirkungen) und Toxikologie (Lehre von den schädlichen Stoffen und Vergiftungen) zu verfolgen. Möchte ein in der toxikologischen Forschung tätiger Wissenschaftler die 120 000 Aufsätze, die allein in der Datenbank TOXLINE jährlich neu hinzukommen, lesen oder zumindest die Titel sichten, so verblieben ihm, wenn er die Hälfte seiner nominellen Arbeitszeit – also 20 Stunden pro Woche – für Literaturlesen aufwenden würde, 30 Sekunden je Publikation. Schon diese „Milchmädchen-Rechnungen“ zeigen sehr deutlich, dass heute niemand mehr die gesamte Fachliteratur seines Fachgebietes auch nur vom Titel her kennen kann.

2.3

Datenflut in der Medizin

In der Medizin treten neben der Literaturflut, von der sie ebenso wie andere Fachgebiete betroffen ist, noch zusätzlich spezielle Informationsprobleme erheblichen Umfangs auf. Als Beispiel sei erwähnt, dass in dem Arzneimittelverzeichnis „Rote Liste 2005“ ca. 9 000 Präparate mit 11 600 Darreichungsformen und 34 000 Preisangaben (unterschiedliche Packungsgrößen) registriert sind (Lit. e1). Jeder Arzt ist verpflichtet, über die Behandlung eines Patienten eine Krankenakte zu führen und bei erneuter Behandlung eines Patienten dessen Krankenakte fortzuschreiben (Dokumentationspflicht der Ärzte). Wesentliche Teile der ärztlichen Erfahrung sind in den Krankenakten niedergelegt, und es ist eine eminent wichtige dokumentarische Aufgabe, diesen Erfahrungsschatz wenigstens teilweise zu heben. Zur Illustration sei erwähnt, dass bei stationärer Behandlung eine durchschnittliche internistische Krankenakte etwa 5 – 10 mm dick ist, dass ein Kreiskrankenhaus mit 500 Betten und bei 30 Jahren Aufbewahrungsdauer etwa 500 000 Krankenakten hat, die zusammengenommen mehrere Kilometer Regalboden beanspruchen. Der Bestand eines Universitätsklinikums an Krankenakten kann durchaus dem Bestand einer großen Bibliothek entsprechen und eine Gesamtdicke von 10 – 20 km mit einem jährlichen Zuwachs bis zu 1 km erreichen. Während die Anzahl der zugelassenen Arzneimittel nur noch geringfügig wächst, nimmt der Umfang der Krankenakten weiterhin dramatisch zu.

Informationsflut – Notwendigkeit der Dokumentation

2.4

23

Ursachen der Informationsflut

Gründe für die Informationsflut und die Notwendigkeit der Dokumentation sind vor allem: x

Es müssen nicht nur die heute geschaffenen Erkenntnisse, sondern es muss auch das wichtigste früher geschaffene Wissen verfügbar sein. Bildlich gesprochen fügt jeder Wissenschaftler den Erkenntnissen, welche die Menschheit besitzt, etwas hinzu. Dies führt zu einer gigantischen Anhäufung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

x

Andererseits nimmt die Geltungsdauer vieler Informationen ab. Auch das Wissen, welche Angaben schon veraltet, welche Angaben derzeit noch gültig und welche Änderungen wann zu erwarten sind, trägt zur Informationsflut bei. Die Schnelllebigkeit gilt nicht nur für Preise, Börsenkurse und Wetterdaten, sondern zunehmend auch für technische Leistungsdaten, Gesetze, Verordnungen, Statistiken usw.

x

Alle Arbeits- und Lebensbereiche – nicht nur die Wissenschaften – sind stark differenziert und spezialisiert geworden.

x

Die starke Differenzierung ergibt viele Kombinationsmöglichkeiten und Wechselwirkungen zwischen den Spezialgebieten. Dies kann – bei guter Informationsvermittlung – die Erkenntnisgewinnung außerordentlich fördern.

x

Aus der Differenzierung ergibt sich weiter, dass die Arbeit, Entwicklung und Forschung in viel stärkerem Maße kooperativ und nicht mehr Einzelarbeit ist. Kooperation setzt aber gegenseitige Information voraus.

x

Die enorme Verbesserung der Kommunikationsmittel ermöglicht einen intensiven, weltweiten Informationsaustausch.

x

Der Anteil der geistig Schaffenden nimmt in fast allen Lebensbereichen zu. Aber auch die „manuellen und einfachen Tätigkeiten“ erfordern zunehmend abstrakte geistig-theoretische Komponenten. Das zeigt sich auch an dem langfristig steigenden Aufwand für Ausbildung, Verwaltung, Entwicklung und Forschung. Geistig Arbeitende haben aber einen hohen Informationsbedarf und produzieren ihrerseits wieder neue Information.

x

In der Medizin hat unser heutiges Verständnis für die Ansprüche des Einzelnen und die Möglichkeiten der modernen Medizin zu einer ungeheuren Menge von Individualdaten geführt.

2.5

Literaturzitate

In wissenschaftlichen Publikationen werden die bei der Arbeit verwendeten oder diskutierten Publikationen in einem Literaturverzeichnis am Schluss der eigenen Publikation zitiert. Beispiel: Der Autor B sagt in seiner Publikation B1, dass er bei seiner eigenen Arbeit das vom Autor A entwickelte und in dessen Publikation A1 dargestellte Verfahren verwendet hat. A1 ist also die zuerst erschienene, B1 die später erschienene Publikation. Nun sagt man kurz: „Die Publikation B1 zitiert die Publikation A1“ oder „Die Publikation A1 wird in der Publikation B1 zitiert“. Sucht ein Wissenschaftler oder Dokumentar Literatur zu einem speziellen Thema und kennt bereits mindestens eine dazu einschlägige Publikation, so kann er dort die Zitate nachschlagen, da zumindest ein Teil der Zitate auch für sein Thema relevant sein dürfte. Auch in den

24

Thema 2

so aufgefundenen Publikationen kann er die Zitate sichten und auf Relevanz für sein Thema überprüfen. Da ein Autor (im obigen Beispiel war es B) nur Publikationen zitieren kann, die bereits vor seiner eigenen erschienen sind, kommt man bei dieser Art Literatursuche zu immer älteren Publikationen.

2.6

Science Citation Index (SCI)

Die Verwertung der Literaturverzeichnisse einschlägiger Publikationen hat den großen Nachteil, dass die aufgefundene Literatur immer älter und damit immer weniger aktuell ist. Um diesen Nachteil zu überwinden, gibt es ein Verzeichnis, das gerade umgekehrt wie ein Literaturverzeichnis aufgebaut ist. Dieses Verzeichnis, der bereits in Thema 2.1 erwähnte Science Citation Index (abgekürzt SCI), gibt zu einer gegebenen Publikation an, in welchen späteren Publikationen sie zitiert wird (siehe auch S. 268). In Fortführung des obigen Beispiels könnte dort stehen, dass die Publikation B1 in den späteren Publikationen B2 und C1 zitiert wird. Mithilfe des Science Citation Index kommt der suchende Wissenschaftler D also auf neuere Publikationen des gleichen Autors oder anderer Autoren. Durch wechselweises Auswerten der Literaturverzeichnisse und des Science Citation Index kann man, ausgehend von einer relevanten Arbeit, weitere einschlägige Publikationen finden. Der SCI gibt auch den Autoren die Möglichkeit, sich mit ihren Lesern auseinanderzusetzen. Der Autor B kann etwa 2 bis 3 Jahre nach Erscheinen seines Aufsatzes B1 im SCI nachschauen, wer seinen Aufsatz B1 zitiert hat, diese Aufsätze lesen und sehen, ob er lobend oder kritisch zitiert worden ist. Jeder Autor wünscht sich, dass sein Aufsatz viel gelesen und (positiv) zitiert wird. Zur Beurteilung eines Autors (z.B. bei einer Bewerbung) kann man nicht nur dessen Schriften, sondern zusätzlich berücksichtigen, wie oft und von wem die Aufsätze zitiert worden sind. Dadurch lässt sich unterscheiden, ob der eine zu beurteilende Autor vielleicht nur ein fleißiger Schreiber ist, während ein anderer zu beurteilender Autor zwar weniger geschrieben hat, aber wegen vieler Zitierungen offensichtlich intensiver debattiert wird. Allerdings hängt die Anzahl der Zitierungen auch vom Leserkreis ab: Zitierungen gibt es nur, wenn die Leser auch selbst publizieren, und zwar in einer der 5 900 Zeitschriften, die vom SCI ausgewertet werden. Außerdem sind etliche Zitierungen Eigen-Zitierungen. Im obigen Beispiel hat Autor B in seiner Publikation B2 seinen eigenen Aufsatz B1 zitiert. Schließlich werden auch gerne Aufsätze von befreundeten Autoren zitiert – und sei es nur deshalb, weil man die Aufsätze befreundeter Autoren gut kennt.

2.7

Impactfaktor

Die durchschnittliche Zitierungshäufigkeit aller Aufsätze einer Zeitschrift wird als „Impactfaktor“ bezeichnet. Hat eine Zeitschrift einen Impactfaktor von z.B. 1.49, so werden die in dieser Zeitschrift publizierten Aufsätze innerhalb der ersten beiden Jahre nach ihrem Erscheinen durchschnittlich 1.49-mal zitiert. Der Impactfaktor bezieht sich aber nicht nur auf eine bestimmte Zeitschrift, sondern auch auf ein bestimmtes Jahr.

Informationsflut – Notwendigkeit der Dokumentation

25

Der Impactfaktor einer Zeitschrift, z.B. „Liebesleben des Maikäfers“ für das Jahr 2004, wird in folgenden 3 Schritten bestimmt: (1.) Angenommen, in der Zeitschrift „Liebesleben des Maikäfers“ seien in den beiden Vorjahren, d.h. in 2003 und in 2002 insgesamt N = 63 Aufsätze erschienen. (2.) Mit dem SCI wird für jeden dieser 63 Aufsätze ermittelt, wie oft er im Jahre 2004 (in beliebigen Aufsätzen beliebiger Zeitschriften) zitiert worden ist. Zum Beispiel wurde der Aufsatz 1 gar nicht zitiert (z1 = 0), Aufsatz 2 in 3 Aufsätzen der Zeitschrift „Liebesleben des Maikäfers“ (z2 = 3), Aufsatz 3 in 4 Aufsätzen verschiedener Zeitschriften (z3 = 4) usw. bis zum Aufsatz 63, der in einem Aufsatz zitiert wurde (z63 = 1). Die Gesamtsumme der Zitierungen ist N

Z

¦z

i

i 1

Im Beispiel

Z

0  3  4  .....  1 94

(3.) Der Impactfaktor der Zeitschrift „Liebesleben des Maikäfers“ für das Jahr 2004 ist nun IF

Z N

94 63

1.49

Zeitschriften mit hohem Impactfaktor haben hohes wissenschaftliches Ansehen. Den höchsten Impactfaktor hatte 2003 die Zeitschrift „Annual Review of Immunology“ mit 52.28 Punkten, 38 Zeitschriften hatten einen Impactfaktor von (abgerundet) null. Für Zeitschriften, die im SCI nicht erfasst werden, kann der Impactfaktor nicht bestimmt werden. Der Impactfaktor einer Zeitschrift wird erhöht, (1.) wenn sie in der Wissenschaftssprache Englisch erscheint, (2.) von vielen Literaturdokumentationssystemen (siehe Thema 25) erfasst wird und (3.) ihre Leser selbst in einer der vom SCI erfassten Zeitschrift publizieren. Gute Autoren bieten ein zur Veröffentlichung vorgesehenes Manuskript einer Zeitschrift mit hohem Impactfaktor an, weil dann ihre Chance, zitiert zu werden, größer ist. Umgekehrt versuchen die Herausgeber von Zeitschriften Manuskripte zu akquirieren, die nach ihrer Publikation möglichst oft zitiert werden und damit den Impactfaktor der Zeitschrift heben. Auch sehen es die Herausgeber der Zeitschriften gerne, wenn ein zur Publikation eingereichtes Manuskript viele Aufsätze der eigenen Zeitschrift zitiert.

2.8

Gezielte Information ist notwendig

Wie gezeigt, ist es heute für einen Wissenschaftler unmöglich, die gesamte Literatur seines Fachgebietes zu verfolgen. Als Alternative kommt nur infrage, dass ein geistig Schaffender die für sein aktuell bearbeitetes Problem erforderliche Information – und nur diese – erhält und bearbeitet. Dazu ist es erforderlich, dass Dokumentationsstellen die Literatur (die Krankenakten, die Datenbestände usw.) inhaltlich erschließen, mit dokumentarischen Methoden aufbereiten, für die Benutzer auf spezielle Suchfragen hin recherchieren und ihnen die jeweils relevante – und nur die relevante – Information übergeben. Zur Literatursuche kann man heute mit einem Computer über das Internet einen der mehreren hundert „Dokumentationscomputer“ in der Welt anwählen (z.B. http://www.dimdi.de) und in dessen Speichern recherchieren. Oder man kauft oder abonniert eine solche Literatur-

26

Thema 2

dokumentation auf CD-ROM (dieser Datenträger sieht wie eine Musik-CD aus und wird in den Themen 3.4 und 4.8 kurz erwähnt) und recherchiert auf dem eigenen Computer. Damit steht einem Wissenschaftler durch die dokumentarische Aufbereitung jederzeit das gesamte weltweit publizierte Wissen so zur Verfügung, dass er die von ihm benötigte Information sehr gezielt auswählen kann und nicht in der Literaturflut „ertrinkt“.

2.9

Mehrstufiges Auswahlverfahren

Bei wissenschaftlichen Aufsätzen ist es üblich, dem eigentlichen Aufsatz eine Zusammenfassung (engl.: abstract oder summary) voranzustellen. Darin wird auf etwa 1/4 Seite beschrieben, worüber der Aufsatz handelt (indikatives Abstract) und zu welchen Ergebnissen er kommt (informatives Abstract). Für den Benutzer ist die Selektion der für ihn relevanten Dokumente ein mehrstufiger Vorgang. Zunächst wählt er die Deskriptoren oder Suchwörter aus, die seiner Fragestellung und seinen Bedürfnissen an besten entsprechen (1. Stufe). Von den damit selektierten Dokumenten liest er die Sachtitel und verwirft die ihm unrelevant erscheinenden Dokumente (2. Stufe). Von den verbliebenen Aufsätzen liest er das Abstract und entscheidet, ob er den ganzen Aufsatz lesen will (3. Stufe). Schließlich nimmt er sich die verbliebenen Originalarbeiten vor (4. Stufe). Hat ein Wissenschaftler zumindest einen für sein Thema relevanten Aufsatz gefunden, so kann er auch – wie in Thema 2.5 und 2.6 dargestellt – durch Auswerten der Literaturverzeichnisse und mit Hilfe des Science Citation Index hin- und hergehen und weitere einschlägige Literatur finden. Auch dabei wird er vom Sachtitel über das Abstract bis zum Volltext vorgehen und entscheiden.

2.10 Kosten und Nutzen der Dokumentation Die Dokumentation einschließlich des Erfassens, Erschließens, Speicherns und des gezielten Wiederfindens kostet viel Geld. Andererseits kostet es ebenfalls sehr viel Geld, wenn Wissenschaftler und andere geistig Schaffende „unnütze“ Literatur lesen, da Personalkosten und Personalnebenkosten sehr hoch sind. Ist die einschlägige Literatur zu einem in Arbeit befindlichen Projekt jedoch nicht bekannt, so entstehen meist noch größere Kosten durch unnötige Doppelforschung oder Doppelentwicklung. Im Thema 31.4 (Folgekosten des Nichtinformiertseins) werden wir darauf noch einmal zurückkommen. In Anbetracht der heute außerordentlich umfangreichen wissenschaftlichen Kenntnisse und der daraus folgenden stark spezialisierten und arbeitsteiligen Forschung und Entwicklung gibt es wohl prinzipiell keine Alternative zur Dokumentation. Es kann im Einzelfall, also für die einzelne Dokumentationsstelle, lediglich gefragt werden, welcher dokumentarische Aufwand erforderlich ist, oder es kann gefragt werden, welcher Anteil der für Forschung und Entwicklung bereitstehenden Finanzmittel für die Dokumentation aufgewendet werden muss.

Informationsflut – Notwendigkeit der Dokumentation

27

2.11 Nationale und internationale Organisationen Zur Bändigung der Informationsflut und zur Förderung des Informations- und Dokumentationswesens gibt es in den technisierten Ländern große Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Für jede wissenschaftliche Disziplin gibt es mindestens eine große Dokumentationsstelle, die ihre Dienste allgemein anbietet. Für den Bereich z.B. Technik bieten unter anderem STN International in Karlsruhe über 200 Literaturdatenbanken und das Fachinformationszentrum Technik in Frankfurt ca. 120 Datenbanken an. Für die medizinische Literaturdokumentation ist die National Library of Medicine der USA, die schon vor etwa 40 Jahren ihr Dokumentationssystem MEDLARS (Medical Literature Analysis and Retrieval System) geschaffen hat, besonders wichtig (siehe Thema 38.3). Dieses umfassende medizinische Literaturdokumentationssystem heißt heute MEDLINE: Der deutsche Partner von MEDLINE ist das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln. Neben den Einrichtungen in öffentlicher Hand gibt es auch zunehmend große und leistungsfähige private Literatur- und Informationsanbieter. Alle diese Einrichtungen stellen ihre Dokumentationsdienste über Netzwerke weltweit zur Verfügung. Neben den Dokumentationseinrichtungen gibt es als wissenschaftliche Gesellschaften die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI), die Gesellschaft für Klassifikation (GfKl) und die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) sowie die International Federation of Health Records Organizations (IFHRO). In diesem Zusammenhang sei auch noch der Deutsche Verband Medizinischer Dokumentare (DVMD) erwähnt. Im Arbeitskreis Dokumentation (AKDok) als Dachorganisation arbeiten zusammen die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB), der Berufsverband Medizinischer Informatiker (BVMI), die DGI, der DVMD, die Gesellschaft für Bibliothekswesen und Dokumentation des Landbaus (GBDL), die GfKl, die GMDS, der Hochschulverband für Informationswissenschaften (HI), die International Society for Knowledge Organisation (ISKO) Deutsche Sektion, der Pharma Arbeitskreis Information und Dokumentation (P.A.I.D.) und die Gesellschaft für technische Kommunikation (tekom). Wegen der engen Verbindung zwischen Dokumentation und Informatik seien auch noch die wichtigsten wissenschaftlichen Gesellschaften für Informatik und Medizinische Informatik genannt, die Gesellschaft für Informatik (GI), die Association for Computing Machinery (ACM), die IEEE-Computer Society und die International Federation for Information Processing (IFIP) sowie die European Federation for Medical Informatics (EFMI) und die International Medical Informatics Association (IMIA).

2.12 Fragen F2.1

Warum hat a) die Literaturdokumentation b) die klinische Dokumentation in den letzten Jahrzehnten so sehr an Bedeutung zugenommen?

28 F2.2

Thema 2 Schätzen Sie überschlägig ab a) wie viele laufende Meter Krankenakten, b) wie viele Einzelbefunde (z.B. bei Patient A ist die Leber zwei Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar, Patient B hat einen Blutdruck von 120:80, usw.) ein Krankenhaus mit 1 000 Betten täglich „erzeugt“. Berücksichtigen Sie dabei nur die stationären Patienten und legen Sie folgende grob überschlägige Angaben (die sehr stark von medizinischem Fachgebiet zu Fachgebiet und von Patient zu Patient schwanken) zugrunde: x

Die mittlere Verweildauer betrage 9 Tage.

x

Je Behandlung wachse die Dicke der Krankenakten um im Mittel 5 mm an. Dieser Zuwachs entspreche 40 Seiten einseitig beschrieben.

x

Jede Seite enthalte im Mittel 10 Befunde.

x

Alle Betten seien belegt.

F2.3

Ein Autor schaut zwei Jahre nach dem Erscheinen seines Aufsatzes im Science Citation Index nach und muss leider feststellen, dass er bisher nicht zitiert worden ist. Wie tröstet sich dieser Autor? Oder die gleiche Frage anders formuliert: Kann es sein, dass ein wissenschaftlich hochwertiger Aufsatz nicht (oder nur wenig) zitiert wird?

F2.4

Geben Sie für jeden der folgenden Sachverhalte an, ob er den Impactfaktor einer Zeitschrift erhöht, unverändert lässt oder erniedrigt: x

Zeitschrift erscheint häufig, z.B. 14-tägig

x

Zeitschrift hat viele Leser

x

Zeitschrift wird bevorzugt von niedergelassenen Ärzten gelesen

x

Zeitschrift erscheint in polnischer Sprache

x

Zeitschrift ist forschungsorientiert

x

Zeitschrift wird von Medline, der wichtigsten Literaturdokumentation der Medizin, erfasst

x

Zeitschrift wird vom SCI nicht erfasst

x

Zeitschrift behandelt ein sehr spezielles, mathematisches Spezialgebiet

F2.5

Kann es auch in Zeitschriften ohne (mit kleinem) Impactfaktor wissenschaftlich hochwertige und wichtige Aufsätze geben?

F2.6

Sie haben eine neue Arbeitsstelle in einem Forschungsinstitut angetreten und sollen sich in Ihr neues Arbeitsgebiet einarbeiten. Ihr neuer Chef gibt Ihnen zwei Aufsätze, an denen er Koautor ist und die Ihr neues Arbeitsgebiet betreffen. Nachdem Sie die zwei Aufsätze gelesen haben, suchen Sie weitere Literatur zu Ihrem neuen Arbeitsgebiet (von dem Sie allerdings noch nicht allzu viel verstehen). Welche Möglichkeiten nutzen Sie?

Thema 3:

Begriff und Wesen der Information 3.1

Das Wort „Information“

Das lateinische Substantiv „informatio“ leitet sich ab von dem Verb „informare“. Dieses Wort ist aus „in“ und „forma“ zusammengesetzt und bedeutet wörtlich so viel wie „einformen“, also etwas eine Form, eine Gestalt geben. Im klassischen Latein finden sich für „informare“ daher folgende Bedeutungen: formen, bilden, gestalten; ein Bild entwerfen, darstellen, schildern; durch Unterweisung bilden, unterrichten, mitteilen. Während „informatio“ wörtlich „etwas eine Form geben“ bedeutet, hat es im übertragenen Sinne die gleiche Bedeutung wie unser Wort „Bildung“, welches gleichfalls übertragen gebraucht wird (denn wörtlich heißt es ebenfalls „Formgebung“). Schließlich kann „informatio“ sowohl den Vorgang (formen, gestalten, bilden, informieren), als auch das Ergebnis des Vorgangs (die Form, die Gestalt, das Bild, die Bildung, das Informiertsein) bedeuten.

3.2

Definitionsansätze

Der Begriff „Information“ ist zwar allgemein verständlich, jedoch ist es schwierig, ihn zweckmäßig und allgemein gültig zu definieren. Jede der sieben folgenden Definitionen hat ihre Berechtigung und ist für jeweils unterschiedliche Aufgaben zweckmäßig. Da keine der Definitionen sich allgemein durchsetzen konnte, spricht man nicht von Definitionen, sondern von Definitionsansätzen (approaches): a)

Information als Struktur (structure approach) Die Welt (im weitesten Sinne) und die Dinge und Sachverhalte in der Welt sind nicht eine amorphe Anhäufung, sondern strukturiert. Die Struktur der Dinge stellt einen Informationsgehalt dar. Information ist also Strukturierung, und umgekehrt stellt jede Struktur eine Information dar. Der Informationsgehalt ist unabhängig davon, ob der Mensch die Struktur erkennt oder nicht, ja er ist sogar von der Existenz des Menschen unabhängig. Diese Definition von Information wird in der Philosophie verwendet.

b)

Information als Erkenntnis (knowledge approach) Jetzt gelten nur noch solche Strukturen als Informationen, die ein Mensch erkannt hat. Sachverhalte und Strukturen, die unerkannt sind, stellen keine Informationen dar. Die Informationsmenge ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, da die Menschen die Strukturen in einem unterschiedlichen Grade erkennen. Diese Definition wird u.a. in der Entscheidungstheorie benutzt.

c)

Information als Signal (signal approach) In der Nachrichten- und Computertechnik ist das Modell Sender



Übertragungskanal



Empfänger

detailliert entwickelt. Ein Signal wird vom Sender auf den Übertragungskanal gegeben, zum Empfänger geleitet und dort empfangen. Bei der Übertragung sollen die Sig-

30

Thema 3 nalverzerrungen (Fehler- oder Rauschanteil) möglichst klein sein. Beispiele für Informationsübertragungskanäle sind Telefonleitungen, Funkverbindungen usw. Dasselbe Modell kann anstelle der Informationsübertragung (von Ort zu Ort) auch für die Informationsspeicherung (Übertragung von einem Zeitpunkt auf einen späteren) verwendet werden: schreiben (Eingabe)



speichern



lesen (Ausgabe)

Außerdem können beschriebene (gefüllte) Speicher und Datenträger von einem Ort zum andern transportiert werden. Sagt man, Information sei das, was einen beschriebenen Datenträger von einem unbeschriebenen unterscheidet, so liegt dieser Aussage die Definition der Information als Signal zugrunde. d)

Information als Nachricht (message approach) Das, was beim Empfänger aus dem Übertragungskanal ankommt, nennt man Signal. Die Bedeutung des Signals, also das decodierte Signal, wird als Nachricht bezeichnet. Das Signal z.B. „rote Lampe“ kann sehr verschiedene Bedeutungen haben, also unterschiedliche Nachrichten liefern: Im Straßenverkehr „Halt“, bei der Schifffahrt „Backbordseite“, im Armaturenbrett „Warnung“ und an einem zweifelhaften Lokal kann die rote Lampe einen Hinweis auf ein Bordell geben. Die Nachrichtenübertragung benötigt also eine Codiervorschrift. Codierungen sind Vereinbarungen, welche technische Realisierung eines Signals welche Bedeutung hat.

e)

Information als verstandene Nachricht (meaning approach) Für Information als Nachricht reicht es aus, wenn physikalisch-technische Codierungsregeln vereinbart werden. Für ein wirklich inhaltliches Verstehen der Nachricht sind aber weitere Voraussetzungen notwendig, insbesondere eine gemeinsame Sprache und ein nicht zu unterschiedlicher Wissensstand. Zum Beispiel ist ein Vortrag, den ein Hörer zwar akustisch, aber nicht inhaltlich versteht (da er in einer unverständlichen Sprache gehalten wird, oder da der Hörer zu wenig Vorwissen hat) nach Definition (c) eine Information, nach Definition (e) jedoch nicht. Information ist jetzt also ein Signal und eine Nachricht, die der Empfänger verstehen und interpretieren kann. Im täglichen Leben und auch in der Dokumentation wird meist diese Definition von Information verwendet.

f)

Information als Wissensvermehrung (effect approach) Jetzt werden nur noch solche verstandenen Nachrichten als Information gewertet, die dem Empfänger nicht bereits schon bekannt waren, die für ihn neu sind. Nachrichten, die schon vorher bekannt waren, haben nach dieser Definition keinen Informationsgehalt mehr, bewirken keinen Wissensgewinn, tragen nicht zu einer Verringerung der Unwissenheit bei und haben somit keinen „Effekt“. Information ist also nur gegeben, wenn eine ankommende Nachricht den Informationsstand beim Empfänger verändert. Allerdings ist eine weitere Bestätigung eines (möglicherweise zweifelhaft) vorhandenen Wissens ebenfalls Information im Sinne dieser Definition. Verwendet wird diese Definition vorwiegend im Bildungswesen.

Begriff und Wesen der Information g)

31

Information als Vorgang (process approach) Dabei werden die Vorgänge der Informationsgewinnung, Informationsübertragung, Informationsverarbeitung und Präsentation von Information selbst als Information bezeichnet. Zweifellos bedürfen die genannten Vorgänge zu ihrer Durchführung wiederum Information. Am deutlichsten wird dies bei der Datenverarbeitung: Dort wird nicht nur die zu bearbeitende Information (Daten) benötigt, sondern auch Information darüber, was damit geschehen soll (Programm).

3.3

Maßeinheiten für den Informationsgehalt

Lediglich für Information in der Definition (c) als Signal liegen allgemeingültige Maßeinheiten für den Informationsgehalt (die Informationsmenge) vor. Für die Definitionen der Information als Struktur, als Erkenntnis, als verstandene Nachricht, als Wissensvermehrung und als Vorgang sind keine Maßeinheiten gebräuchlich, ja zum Teil kaum möglich. So ist z.B. bei der Definition der Information als Wissensvermehrung (f) die Informationsmenge abhängig vom Zustand des Empfängers, bevor er die Nachricht erhält, und damit verbunden, welche Wirkung die Nachricht bei ihm auslöst. Die bei Definition (f) möglichen Informationsgehalte der gleichen Nachricht je nach Empfänger zeigt folgende Aufstellung: Empfänger A:

keine Wirkung, da Nachricht nicht verstanden

Informationsgehalt ist gleich Null

Empfänger B:

keine Wirkung, da Nachricht bereits bekannt und das bisherige Wissen als sicher bewertet worden war

Informationsgehalt ist gleich Null

Empfänger C:

Wirkung gering, da lediglich Bestätigung einer bereits bekannten Information, die aber bisher als noch unsicher bewertet worden war

Informationsgehalt ist gering

Empfänger D:

Nachricht war erwartet worden, ist aber eine Neuigkeit

Informationsgehalt ist mäßig

Empfänger E:

Nachricht kommt unerwartet und ist eine große Überraschung

Informationsgehalt ist groß

Gängige Maßeinheiten für den Informationsgehalt in der digitalen Nachrichtentechnik und der Informatik sind unter Zugrundelegung der Definition (c): x

Bit: kleinstmögliche Informationsmenge, die angibt, welcher von zwei möglichen Zuständen gegeben ist, entspricht einer Binärziffer (binary digit),

x

Byte: Ein Byte ist ein Bündel von 8 Bits. In ein Byte kann man 1 Zeichen (Schriftzeichen, englisch: character) einspeichern. Der Zeichenvorrat ist dann 28 (sprich: 2 hoch 8) = 256 unterscheidbare Zeichen. 1 000 Bytes (genau 210 = 1 024 Bytes) nennt man ein Kilo-Byte, abgekürzt KB; 1 000 KB (genau 220 = 1 048 576 Bytes) nennt man ein Mega-Byte, abgekürzt MB; 1 000 MB (genau 230 = 1 073 741 824 Bytes) nennt man ein Giga-Byte, abgekürzt GB; 1 000 GB (genau 240 = 1 099 511 627 776 Bytes) nennt man Tera-Byte, abgekürzt TB.

32

Thema 3

3.4

Beispiele für Informationsmengen

Im Folgenden werden Beispiele für die Größenordnung gespeicherter oder zu verarbeitender Informationsmengen gegeben. x

Der Text einer Schreibmaschinenseite im Format A4: 50 Zeilen je 70 Zeichen (Anschläge) = 3 500 Zeichen, also 3.5 KB.

x

Der Arbeitsspeicher eines Personalcomputers hat z.B. 512 MB.

x

Der Magnetplattenspeicher (Festplatte) eines Personalcomputers hat eine Speicherkapazität von z.B. 160 GB.

x

Auch Musik und Schall werden heute digital gespeichert und übertragen. Dazu wird das Tonsignal (der aktuelle Schalldruck) für jeden der beiden Stereokanäle 44 100 mal in der Sekunde gemessen (Abtastfrequenz 44.1 kHz) und jeder Messwert in 16 Bits dargestellt. Somit sind für jede Sekunde Musik (bzw. Schall) 2 Stereokanäle × 44 100 Werte × 16 Bit = 1 411 200 Bit = 176.4 KB notwendig. Die üblichen Musik-CDs (CD = Compact Disc) haben eine Spieldauer von max. 74 Minuten und somit eine Speicherkapazität (ohne Inhaltsverzeichnis, Steuerinformation) von 747 MB, hinzu kommen noch Steuer- und Prüfdaten, Inhaltsverzeichnis und Zeitangaben, die zusammengenommen nochmals etwa 280 MB verbrauchen. Bei CDs für Computerdaten sind netto nur 650 MB verfügbar, weil zusätzliche Prüfungen mehr Prüfdaten benötigen. Bei der Audio DVD (DVD = Digital Versatile Disk) beträgt die Speicherkapazität 4.7 GB (single layer), 8.5 GB (dual layer) oder 17 GB (double sided dual layer). Die Abtastfrequenz beträgt 44.1 kHz (wie bei der CD), 48, 88.1, 96, 176.4 oder 192 kHz, jeder Messwert wird mit 12, 16 (wie bei der CD), 20 oder 24 Bits dargestellt und es werden zwischen 1 und 6 Kanäle aufgezeichnet. Dementsprechend variiert die Spieldauer zwischen 33 Minuten und 25 Stunden.

x

Ein digitales Bild besteht aus einzelnen Bildpunkten (pixels = picture elements), für jeden Bildpunkt wird die Helligkeit als Zahl ausgedrückt1. Beispiel: Ein Laserdrucker habe eine Auflösung von 1200 dpi (dots per inch, 1 inch = 25.4 mm). Eine Abbildung im Format A4 (297 × 210 mm) besteht somit aus

297 u 1200 210 u 1200 u | 139 u 10 6 Bildpunkten. 25.4 25.4 Für ein Schwarz-weiß-Bild ohne Halbtöne reicht für jeden Bildpunkt (jedes pixel) 1 Bit (0=weiß, 1=schwarz) aus. Für ein Schwarz-weiß-Bild mit Halbtönen wird je Bildpunkt meist 1 Byte verwendet, damit sind 256 Grauabstufungen möglich. Für Farbbilder sind für jeden Bildpunkt 3 Zahlen notwendig: die Intensität für rot, grün und blau. x

Anzahl der Bildimpulse je Sekunde beim konventionellen Fernsehgerät: 50 Halbbilder 625 Zeilen 833 Bildpunkte u u u 3 Farben Sekunde 2 Halbbilder Zeile

3.9 u 10 7

Bildpunkte Sekunde

Für jeden Bildpunkt ist ein analoger Impuls erforderlich, der einen Informationsgehalt von etwa einem Byte hat (28 = 256 Helligkeitsstufen).

1 Andere Darstellungstechniken wie z.B. Vektorgraphiken werden hier nicht erwähnt.

Begriff und Wesen der Information

33

x

Die Speicherkapazität einer Video DVD ist gleich wie bei der Audio DVD. Die Auflösung eines Bildes in Pixel ist etwa wie beim konventionellen Fernsehen. Die Bildfrequenz ist meist 25 Bilder je Sekunde. Für ein Pixel werden für alle 3 Farben zusammen 16, 20 oder 24 Bits verwendet. Das Besondere ist die Komprimierung der Bild- und Tonsignale auf etwa 2% bis 7% des ursprünglichen Speicherbedarfs. Dies ist möglich, weil nur einzelne Bilder vollständig gespeichert werden, für die folgenden Bilder werden nur die Veränderungen gegenüber dem vorigen Bild gespeichert. Bei ruhigen Szenen ist die Bildqualität unverändert gut, bei schnellen Bewegungen ist – je nach Komprimierungsverfahren – der Grad der Komprimierung gering oder die Bildqualität leidet. Beim Start liefert die Video DVD dem Abspielgerät das Inhaltsverzeichnis und sozusagen das Programm, mit dem sie abzuspielen ist. Die Spieldauer variiert zwischen 1 und 10 Stunden.

x

Informationsaufnahme eines Menschen beim Lesen im Laufe seines Lebens: Angenommen, jemand liest 20 Zeichen/Sekunde ununterbrochen über 80 Jahre, so ergibt das 5.0 x 1010 Zeichen. Das entspricht größenordnungsmäßig der Informationsmenge, die ein Fernsehgerät in 20 Minuten verarbeitet und darbietet.

Dies ist sowohl eine unsinnige Rechnung als auch ein unsinniger Vergleich. Zum einen ist die aufnehmbare Informationsmenge kleiner, da ein Mensch diese Aufnahmerate sicherlich nicht ununterbrochen durchhält. Zum anderen ist die in einem Menschenleben erworbene Information erheblich größer, da der Mensch nicht nur Information als eine Folge von Einzelzeichen, sondern auch Information im Sinne der anderen Definitionen und mit verschiedenen Sinnesorganen aufnimmt.

3.5

Eigenschaften der Information

Die Eigenschaften der Information sind wiederum davon abhängig, welche Definition verwendet wird und in welchem Zusammenhang die Information abgehandelt wird. Im Folgenden sollen nur einige wenige Eigenschaften kurz skizziert werden: x

Jede Information benötigt ein Trägermedium (Informationsträger, Datenträger), z.B. Papier und (schwarze) Farbe, Schallwellen, Filmmaterial, elektrische Spannung, magnetisierbare Schichten, elektromagnetische Wellen.

x

Information ist mit ihrem Trägermedium speicherbar und von Ort zu Ort übertragbar.

x

Die gleiche Information kann auf verschiedene Träger aufgebracht werden. Dabei können die verschiedenen Träger vom gleichen Typ (z.B. mehrere Exemplare des gleichen Zeitschriftenheftes) oder von unterschiedlichem Typ (z.B. der gleiche Aufsatz in einem Zeitschriftenheft, auf Mikrofilm und auf Computermagnetplatte) sein. Information lässt sich also vervielfältigen. Ist die gleiche Information mehrfach gespeichert, so nennt man diese Informationsmengen redundant. Nach der Definition (c) ist eine redundante Information sehr wohl Information; in der Definition (f) jedoch nicht. Redundante Informationen können durchaus erwünscht sein, da die Redundanz zusätzliche Sicherheit bietet und die Information an verschiedenen Orten gleichzeitig verfügbar macht. Hier zeigt sich auch ein wichtiger Unterschied zwischen Information und Geld: Erhält man z.B. zwei Hundert-Euro-Scheine, so ist das doppelt so viel Geld wie ein HundertEuro-Schein; erhält man aber z.B. zwei gleiche Zeitschriftenhefte, so hat man nicht mehr Information, als wenn man nur ein Heft erhalten hätte. (Trotzdem muss man für zwei Hefte den doppelten Preis bezahlen.)

34

Thema 3

x

Information ist veränderbar, insbesondere durch das Verknüpfen verschiedener Informationen kann neue Information entstehen. Sind beim Verknüpfen verschiedener Informationen zu einer neuen Information die Ausgangsinformationen und die Verknüpfungsvorschrift bekannt, so ist die neue Information gegenüber den Ausgangsinformationen und der Verknüpfungsvorschrift ebenfalls redundant. Redundant in diesem weiteren Sinne ist also jede Information, die aus den vorhandenen Informationen erzeugt werden kann.

x

Information kann durch Vernichten oder Löschen des Informationsträgers vernichtet werden.

x

Nach der Definition (c) gibt es im Gegensatz zu Masse und Energie prinzipiell keine maximale Informationsmenge, jedoch ist die maximale Informationsmenge prinzipiell und praktisch stets durch die Trägermedien limitiert. Darüber hinaus ist für die nicht redundante Information sowie für die anderen Informationsdefinitionen der maximale Informationsgehalt endlich.

3.6

Dokumentation

In der allgemeinen Bedeutung ist eine Dokumentation die Beschreibung eines Sachverhalts, der in sich abgeschlossen ist, ein gewisses Maß an Vollständigkeit erreicht hat und zur (dauernden) Aufbewahrung bestimmt ist. Beispiele für solche Dokumentationen können ein Arbeitszeitnachweis, eine Dokumentation der Umweltbelastungen in einem bestimmten Gebiet oder eine Dokumentation über Kriegsverbrechen sein. In diesem Sinne ist eine Dokumentation ein Speicher samt dem gesammelten Speicherinhalt. Wir stellen höhere Anforderungen an den Begriff der Dokumentation, für uns ist die mehr oder weniger vollständige Sammlung von Fakten und Sachverhalten eine Sammlung, ein Archiv oder eine Bibliothek, aber noch keine Dokumentation. Erst wenn diese Sammlung so erschlossen ist, dass unter inhaltlichen Suchfragen gezielt zugegriffen werden kann, sprechen wir von Dokumentation. Wir verstehen Dokumentation also nicht als bloße Sammlung, sondern als Möglichkeit zu gezieltem Information Retrieval.

3.7

Information als Ware

Kaufmännisch gesehen kann Information auch eine Ware sein. Diese Ware wird z.B. von Dokumentationsstellen gesammelt, aufbereitet, teilweise verarbeitet, neu zusammengestellt, neu verpackt und schließlich vermarktet. Somit kann eine Dokumentationsstelle betrachtet werden als x

ein Informationshändler, der zwischen Produzenten und Verbrauchern vermittelt. Aus der Sicht der Informationsproduzenten bringt er ihre Produkte an den Verbraucher; aus der Sicht der Verbraucher liefert er jedem Kunden (Benutzer) die gewünschte Information vollständig, aber nur die gewünschte Information,

x

ein Informationsverteiler (Clearing-Stelle),

x

eine Einrichtung zur Informationsverarbeitung.

Das Zusammenspiel von Informationsanbietern, Dokumentationsstellen und informationssuchenden Benutzern kann auch als Informationsmarkt bezeichnet werden. Bei der Arbeit,

Begriff und Wesen der Information

35

aber auch im privaten Leben, sind wir alle in schnell wechselnder Folge sowohl Informationsanbieter als auch Informationssuchende. Selbstverständlich gibt es außer der Dokumentation noch viele direkte und indirekte Informationsmöglichkeiten und Informationsmärkte, die Dokumentation ist nur eine Informationsmöglichkeit von vielen.

3.8

Kommunikation

In der Technik wird bereits der Austausch von Signalen und Nachrichten als Kommunikation bezeichnet. In einem allgemeineren und dokumentarisch orientierten Sprachgebrauch ist Kommunikation der Austausch von komplexen Informationen mit gegenseitiger Beeinflussung. Ein Beispiel für Kommunikation in diesem Sinne ist ein Gespräch oder eine Diskussion, bei dem die Gesprächspartner bzw. bei der die Diskussionsredner nicht nur vorgefertigte Statements abgeben, sondern einander zuhören und sich vom Gesprächs- und Diskussionsbeitrag der anderen anregen und stimulieren lassen. Bedenkt man, dass Wissenschaftler ihre Erkenntnisse in Tagungsbeiträgen, Berichten und Zeitschriftenaufsätzen darlegen, dass andere Wissenschaftler diese Beiträge aufgreifen, weiterführen oder ihnen entgegnen, so kann das heutige wissenschaftliche Publikationswesen als eine permanente weltweite Diskussion und Kommunikation aufgefasst werden. Die Dokumentation mit ihrem Information Retrieval trägt dazu bei, dass jeder Wissenschaftler die ihn betreffenden Beiträge seiner Kollegen erhält. In diesem Sinne ist Dokumentation ein wichtiger Teilaspekt der Kommunikation.

Thema 4:

Dateien und Datenbanken 4.1

Files und Dateien

Häufig werden strukturierte Informationsmengen in einer linearen Anordnung, einem so genannten File, angeordnet. Das bedeutet, dass die einzelnen Informationselemente nacheinander, also etwa wie Perlen auf einer Schnur, angeordnet sind. Ein File ist somit eine Menge von Informationselementen mit eindeutig definiertem Anfang, definierter Reihenfolge und definiertem Ende. Unabhängig von der Definition eines Files ist die technische Realisierung, seine Größe und die Art der Reihenfolge der Informationselemente. So kann z.B. auch ein Buch als File angesehen werden, da der Text  logisch betrachtet  von Anfang bis Ende eine lineare Reihenfolge darstellt. Die Einteilung des Textes in Zeilen und Seiten (die Schriftsetzer sagen dazu Zeilen- bzw. Seiten-„Umbruch“) ist nur technisch bedingt und ändert nichts an der logischen Struktur des Textfiles (logische Reihenfolge). In der Dokumentation sind die Elemente eines Files häufig Dokumentationseinheiten (Dokumentenfile) oder Deskriptoren (Deskriptorenfile). Allgemein verwendet macht das Wort File jedoch keinerlei Aussagen darüber, welche Informationselemente gespeichert sind. In der Informatik wird das Wort Datei verwendet. Eine Datei ist eine in sich abgeschlossene Menge von Daten, ein Text, ein Programm, ein Programmteil oder dergleichen. Dateien sind auf computerlesbaren Medien gespeicherte Files, da sie aus einer linearen Anordnung von Zeichen bestehen, deren Anfang, Reihenfolge und Ende eindeutig definiert sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zeichen auch auf dem Datenträger in der angegebenen Reihenfolge und zusammenhängend abgelegt sind. Eine Datei wird beim Anlegen oder Erweitern vom Betriebssystem auf die aktuell freien Speicherbereiche verteilt – ohne dass der Benutzer dies bemerkt. Auf der anderen Seite kann aber auch eine in sich geschlossene Datei auf der logischen Ebene komplexe Datenstrukturen enthalten, z.B. eine relationale Datenbank, die von außen betrachtet als Datei erscheint. Deshalb ist die logische Struktur der Datei und ihre physikalische Realisierung im Speicher zu unterscheiden (siehe Thema 4.9: Dateien, Verzeichnisse und Datenbanken).

4.2

Reihenfolge der Elemente im File

Häufige Reihenfolgen in einem File sind: a)

Alphabetisch Voraussetzung für eine alphabetische Reihenfolge ist, dass jedes Element durch ein oder mehrere Wörter gekennzeichnet ist, z.B. durch Patientennamen, Verfassernamen, Schlagwort oder dergleichen. Anstelle von Wörtern kann die Reihenfolge auch durch eine alphanumerische Signatur oder Notation festgelegt werden.

b)

Numerisch Numerische Elemente (z.B. Signaturen, Notationen oder Messwerte) werden der Größe nach sortiert (numerische Reihenfolge), entweder aufsteigend oder absteigend.

Dateien und Datenbanken c)

37

Systematisch Voraussetzung für eine systematische Reihenfolge ist, dass den Elementen eine Systematik oder Sachlogik innewohnt, die eine systematische Reihenfolge gestattet, wie z.B. die Ordnungszahl der chemischen Elemente im Periodensystem. Häufig sind systematische Anordnungen hierarchisch (s. Thema 8: Hierarchische Begriffsstrukturen).

d)

Chronologisch Eine chronologische Reihenfolge entsteht bereits dadurch, dass hinzukommende neue Elemente am Ende (oder am Anfang) des Files hinzugefügt werden.

4.3

Eigenschaften von Speichern und Datenträgern

Die wichtigsten Eigenschaften von Informationsspeichern sind: a)

Kapazität Die Kapazität setzt sich zusammen aus der Größe der einzelnen Speicherplätze sowie der Anzahl der Speicherplätze. Die Speicherkapazität ist prinzipiell begrenzt. Bei elektronischen Speichern wird sie in Bytes angegeben.

b)

Codierung Wie bei allen Informationsträgern muss auch im Speicher die Information codiert sein. Beispiele für Codes sind Sprache und Schrift, Symbole und insbesondere die bei technischen Speichern verwendeten auf dem Binärsystem basierenden Codes ASCII (American Standard Code of Information Interchange) nach ISO 646, Latin-1 nach ISO 8859-1 und Unicode nach ISO 10 646.

c)

Schreiben/Lesen Allgemein wird das Einspeichern von Informationen in einen Speicher „schreiben“ und das Herausholen von Informationen aus einem Speicher „lesen“ genannt. Manche Speicher (z.B. ausgefüllte Formulare) können von Menschen direkt, manche (z.B. Mikrofilme) nur mit Lesegerät gelesen werden; wieder andere (z.B. Magnetplatte, CD) sind erst nach einer Umcodierung vom Menschen lesbar. Nahezu alle Speicher können beliebig oft gelesen werden.

Manche Speicher können beliebig oft beschrieben werden, beim erneuten Beschreiben eines Speicherplatzes wird der bisherige Inhalt gelöscht. Andere Speicher können nur einmal beschrieben werden. Einen Speicher, der vom Hersteller mit Inhalt geliefert und nicht weiter beschrieben werden kann, nennt man „Read only memory“ abgekürzt ROM. Beispiele für ROMs sind beschriebenes Papier, Bücher, belichtete Mikrofilme und die fertig bespielt gekauften Musik-CDs. Für die dauerhafte Speicherung und Archivierung elektronisch gespeicherter Daten verwendet man so genannte WORMs, das sind „Write Once – Read Many“-Speicher – sie können nur einmal beschrieben, aber beliebig oft gelesen werden. Die am häufigsten verwendeten WORM-Speicher sind die vom Benutzer beschriebene („gebrannte“) CD-R (R = recordable) und DVD-R. Es gibt aber auch die CD-RW (RW = rewriteable) und die DVD-RW, die mehrfach beschrieben werden können.

Thema 4

38 d)

Zugriffsmöglichkeiten Die Zugriffsmöglichkeiten sind eine sehr wichtige Eigenschaft eines Speichers, sie werden weiter unten detailliert behandelt.

e)

Zugriffszeit Je nach Speicher schwankt die Zugriffszeit zwischen einer Stunde und 10–9 Sekunden (Extremwerte). Sie kann für Schreiben und Lesen unterschiedlich sein.

f)

Lagerfähigkeit Speicher aus Papier benötigen viel Platz und sind empfindlich gegen Licht, gute Papiere sind aber bei sachgerechter Lagerung Jahrhunderte haltbar. Computerspeicher benötigen viel weniger Platz, aber es gibt weniger Erfahrung zur Haltbarkeit. Bei magnetischen Datenträgern (wiederbeschreibbare Disketten, Platten, Bänder) kann die Magnetisierung im Lauf der Zeit schwächer werden. Um zu gewährleisten, dass alle Daten lesbar sind, sollten sie etwa alle 2 bis 5 Jahre neu geschrieben (umkopiert) werden. Die Haltbarkeit laser-optischer WORM-Speicher (CDs, DVDs) beträgt mindestens 10 Jahre. Einzelne Firmen gewährleisten für CD-R und DVD-R eine Datenlesbarkeit von 70 Jahren – vorausgesetzt es existiert nach so langer Zeit noch ein geeignetes Laufwerk und die erforderliche Software.

4.4 a)

b)

Zugriffsmöglichkeit bei Speichern ohne Adressen x

Sequenziell schreiben bzw. sequenziell lesen bedeutet, ein Element nach dem anderen zu speichern und nach dem Zurücksetzen in der gleichen Reihenfolge wieder zu lesen. Diesen Zugriff nennt man auch fifo = first in, first out. Ein Hilfsbefehl für sequenzielle Speicher ist das Rücksetzen (Rückspulen) an den Anfang. Diese Zugriffsform hat z.B. ein Videorecorder. Eine Erweiterung dieser Zugriffsmöglichkeit ist, wenn auch rückwärts gelesen und geschrieben werden kann.

x

Kellerspeicher (stacks) sind ebenfalls sequenzielle Speicher. Die Informationseinheiten werden in der Reihenfolge, in der sie ankommen, eingespeichert, werden jedoch in umgekehrter Reihenfolge wieder gelesen, d.h. das zuletzt Eingespeicherte wird zuerst gelesen. Dieses Prinzip nennt man auch lifo = last in, first out. Wird mehr eingespeichert als der Kellerspeicher Speicherplätze hat, so wird die älteste Information gelöscht. Nach dem lifo-Prinzip funktionieren z.B. schlecht organisierten Büros – was zuletzt oben auf den Aktenstapel gelegt wurde, wird zuerst bearbeitet. Sinnvoll eingesetzt wird diese Speicherform etwa beim Abarbeiten geschachtelter Programme oder in der automatischen Spracherkennung.

bei Speichern mit Adressen x

Der einfachste Fall eines Speichers mit Adressen ist ein sequenzieller Speicher mit Zählwerk, bei dem die einzelnen Speicherplätze angespult werden können (wie z.B. bei einer Musik-Kassette).

Dateien und Datenbanken x

39

Speicher mit direktem Zugriff (random access): Zu jeder Speicherstelle kann beliebig zugegriffen werden. Die Zugriffszeit ist für alle Speicherplätze gleich. Sie wird nicht davon beeinflusst, auf welchen Speicherplatz der vorherige Zugriff erfolgte. Dieses gilt sowohl für das Lesen als auch für das Schreiben. Random-access-Speicher sind insbesondere die Arbeitsspeicher in Computern. Die gängige Abkürzung für einen Speicher mit beliebigem Zugriff ist RAM (random access memory).

Wegen der sehr unterschiedlichen Eigenschaften der Informationsspeicher ist es wichtig, für die jeweilige Aufgabe den richtigen Speicher auszuwählen.

4.5

Beispiele für Informationsspeicher

In einem Informationsspeicher werden Informationen als einzelne Elemente oder als ganze Files gespeichert. Die für die Dokumentation wichtigsten Speicher waren früher Listen, Karteien und Handlochkarten, heute sind es zentrale Rechenanlagen (Server) und Einzelplatzcomputer (Personalcomputer, PC) mit den dazugehörigen Speichern und Datenträgern. Die Datenträger und Informationsspeicher der Computer (interne Arbeitsspeicher, Festplatten, Disketten, CD etc.) sind zwar für die Dokumentation sehr wichtig, werden hier aber nur kurz gestreift (s. Thema 4.8), da sie zur Informatik gehören und die Informatik ein eigenes Fachgebiet ist. Die Besonderheiten der Deskriptorenspeicher sind in Thema 23 (Dokumentations- und Retrievalsysteme) zusammengefasst. Beispiele für allgemein bekannte Informationsspeicher sind: x

Das menschliche Gedächtnis entspricht in etwa einem Assoziativspeicher, d.h. die Speicherung erfolgt nach verwandten oder verknüpften Inhalten. Die Speicherkapazität der Gedächtniskünstler ist erstaunlich groß. Während bei technischen Speichern nur sehr geringe Verlustquoten akzeptiert werden, kann die Verlustquote des menschlichen Gedächtnisses erheblich sein.

x

Beschriebene Papierblätter benutzen als Codierung eine Schrift. Sie sind (sieht man vom Radieren und Überweißen ab) WORMs. Ein aufeinander getürmter Papierstapel (aus dem seitlich nichts herausgezogen wird) ist ein Kellerspeicher.

x

Ein Buchband kann je nach Betrachtungsweise als sequenzieller Speicher oder als Speicher mit leidlich direktem Zugriff angesehen werden. Beschränkt man sich darauf, ein Buch von vorne bis hinten zu lesen, so ist es ein sequenzieller Speicher. Betrachtet man jedoch die Seitenzahlen eines Buches als Adressen, so können auch einzelne Seiten direkt aufgeschlagen werden. Die Speicherkapazität eines Buchbandes ist das Produkt aus Seitenzahl, Anzahl der Zeilen je Seite und der mittleren Anzahl der Zeichen je Zeile. Anmerkung: Das Wort „Band“ hat zwei Bedeutungen. Der Band (englisch: volume) ist bei den Bibliothekaren das Ergebnis der Arbeit des Buchbinders, nämlich die zu einem Bündel gebundenen Blätter. Im Bibliothekswesen wird auch zwischen Buch als einem in sich logisch abgeschlossenen Werk (logische Einheit) und einem Band (physikalische Einheit) unterschieden. Ein umfangreiches Buch kann in mehreren Bänden gebunden sein (z.B. ein 10 Bände umfassendes Lexikon). Die von einer Zeitschrift innerhalb eines Jahres erschienenen Hefte werden in der Buchbinderei einer Bibliothek zu einem Band gebunden (Zeitschriftenband).

40

Thema 4 Das Band (englisch: tape) ist im allgemeinen Sprachgebrauch ein langer, flacher, meist aufgewickelter Streifen, z.B. ein Klebeband. Diesen Sinn benützen auch die Informatiker, wenn sie im Jargon von einem Band sprechen und eine Magnetbandkassette meinen (englisch: magnetic tape).

x

4.6

Betrachtet man die einzelnen Bücher eines Bücherregales als Elemente, so ist das Bücherregal ein Informationsspeicher mit direktem Zugriff (random access).

Liste

Die einfachste Form eines Informationsspeichers ist die Liste. Es gibt sehr kurze, aber auch sehr lange Listen. Lange Listen auf Papier sind in Seiten umgebrochen und zu Bänden geheftet oder gebunden. Eine Liste im engeren Sinne ist ein auf Papier geschriebenes File, aber auch das als Datei gespeicherte File kann als (computergespeicherte) Liste bezeichnet werden. Das Wort Liste bezieht sich auf die Form, nicht auf den Inhalt, z.B. gibt es Mitgliederlisten, Ersatzteillisten, Artikellisten usw. Eine Liste besteht aus Elementen, eine Adressliste z.B. aus vollständigen Anschriften. Jedes Element der Liste (des Files) hat einen Eingang. Bei einer Adressliste ist dies meist der Nachname. Die Eingänge legen die Reihenfolge der Elemente in der Liste fest. Damit ist die Reihenfolge der Eingänge identisch mit der Reihenfolge der Elemente des Files. Die wichtigsten Reihenfolgen werden in Thema 9 (Alphabetisches Sortieren und systematisches Anordnen) behandelt. Die Eigenschaften einer ausgedruckten Liste im Vergleich zu anderen Informationsspeichern sind: x

maschinell (d.h. mit dem Computer) leicht, billig und schnell zu erstellen,

x

lässt sich in kleiner und großer Auflage gut vervielfältigen,

x

einfach und ohne technische Hilfsmittel handhabbar,

x

näherungsweise direkter Zugriff (random access), allerdings nur unter einem Gesichtspunkt.

x

Einfügen neuer Elemente ist nur schlecht möglich.

x

Lange ausgedruckte Listen benötigen viel Papier und sind schwer.

In der Dokumentation werden Listen teils auf Papier ausgedruckt, teils als Computerdatei verwendet, z.B. als x

Verfasserlisten, Patientenlisten, Titellisten, Diagnosenlisten, Bibliothekskataloge in Bandform, Liste aller zugelassenen oder registrierten Arzneimittel und viele andere Verzeichnisse,

x

Deskriptorenlisten und Ordnungssysteme (deren Aufbau wird im Thema 16 „Struktur eines Ordnungssystems“ behandelt).

Dateien und Datenbanken

4.7

41

Kartei

Bei einer konventionellen Kartei werden Karteikarten aufrecht stehend hintereinander gestellt. Dazu benötigt man einen Karteikasten oder einen Karteischrank mit Karteischubladen. Die Karteikarten selbst sollten aus dünnem Karton mit etwa 200 g/m2 bestehen. Karteikarten sollten entgratete Kanten haben, damit man sich nicht die Fingerkuppen an scharfen Kanten verletzt. In der Fachsprache der Bibliothekare heißt es anstatt Karteikarte meist Zettel; ein Zettelkatalog ist ein Katalog in Karteiform und „verzetteln“ heißt eine Kartei anlegen. Um ein Durcheinander, z.B. beim Hinunterfallen, oder um das Entfernen von Karteikarten durch Unbefugte zu verhindern, wurden Bibliothekskataloge in Karteiform mit Sicherungsstangen gesichert. Der entscheidende Vorteil der Kartei liegt darin, dass neue Karten ohne weiteres dazwischengestellt werden können und somit die Kartei mühelos erweitert werden kann. Außerdem können Karten mit falschem oder veraltetem Inhalt ohne weiteres entfernt oder ausgetauscht werden. Nachteile der Karteien sind, dass sie nur manuell benutzt werden können, mühsam zu vervielfältigen sind und nur schwer transportiert werden können. Diese Eigenschaften führen dazu, dass Karteien heute höchstens noch als kleine, persönliche Speicher dienen. Der bequeme und möglichst gezielte Zugriff auf einzelne Karten einer Kartei ist sehr wichtig. Es gibt folgende Zugriffshilfen: x

Leitkarten sind einzelne Karten in einer Kartei, die die anderen Karten um etwa 1 bis 2 cm überragen. Den Teil der Leitkarte, der über die anderen Karteikarten herausragt, nennt man Tab (Tabulator). Der Tab wird beschriftet.

x

Karteikarten können mit Reitern versehen werden. Dabei kann bereits das Vorhandensein eines Reiters eine bestimmte Information signalisieren. Durch unterschiedliche Farbe der Reiter, durch verschiedene Stellen der Reiter auf den Karteikarten (links, Mitte, rechts) oder durch unterschiedliche Beschriftung der Reiter kann die Information, die der Reiter vermittelt, sehr stark differenziert werden. Selbstverständlich kann eine Karteikarte auch mehrere Reiter tragen. Die Reiter können auf die Karteikarte aufgesteckt oder angeklebt werden. Geklebte Reiter halten besser und gehen nicht so leicht verloren, gesteckte Reiter haben den Vorteil, dass sie später, wenn die durch sie signalisierte Information nicht mehr zutrifft, wieder entfernt werden können.

x

Die Farbe einer Karteikarte kann ebenso wie ein Reiter gewisse Informationen signalisieren. Für verschiedene Karteien (z.B. Autorenkartei, Schlagwortkartei) können verschiedenfarbige Karteikarten verwendet werden. Bei Karteien, die jährlich neu angelegt werden, kann die Farbe den Jahrgang angeben.

x

In Karteien, bei denen jede Karteikarte eine Dokumentationseinheit repräsentiert, können Ereignisse, die nur einmal auftreten und nicht rückgängig gemacht werden können, durch das Abschneiden der linken oder rechten oberen Ecke der Karteikarte signalisiert werden. Zum Beispiel kann in einer Kartei stationärer Patienten bei der Entlassung des Patienten die linke obere Ecke der Karteikarte abgeschnitten werden. Stirbt der Patient, so kann zusätzlich die rechte obere Ecke der Karteikarte abgeschnitten werden. Dadurch werden sowohl die Karteikarten der derzeit noch im Krankenhaus befindlichen Patienten als auch die Karteikarten der Todesfälle leichter auffindbar.

42

Thema 4

Die Kartei eignet sich recht gut als Deskriptorenspeicher. Bei der einfacheren Realisierung eines Deskriptorenspeichers entspricht jeder Deskriptor einer Karteikarte, auf die oben in hervorgehobener Form der Deskriptor und gegebenenfalls die Notation eingetragen ist. Die Signatur der Dokumentationseinheiten, denen dieser Deskriptor indexiert wurde, wird dann auf die Karte geschrieben (s. Abb. 4.1). Erhält eine Dokumentationseinheit mehrere Deskriptoren, so wird ihre Signatur eben auf mehreren Karten eingetragen. In der aufwändigeren Realisierung wird für jede Dokumentationseinheit eine eigene Karteikarte eingestellt. Diese Karteikarte kann neben der Signatur auch den (die) Verfasser, den Sachtitel und das Abstract aufnehmen (s. Abb. 4.2). Die Karten, die zum gleichen Deskriptor gehören, werden hinter die zutreffende Leitkarte gestellt. Jede Leitkarte vertritt einen Deskriptor. Werden einer Dokumentationseinheit mehrere Deskriptoren indexiert, so muss hinter mehreren Leitkarten jeweils eine Karteikarte mit dem gleichen Inhalt eingestellt werden. Ein Vorteil der manuellen Speicher ist das so genannte Browsing. Browsing bedeutet wörtlich grasen, weiden, da und dort ein Häppchen nehmen. Im Jargon der Dokumentare ist Browsing ein Schmökern, Durchblättern, Überfliegen von Deskriptoren und Dokumenten auf der Suche nach etwas, das man für einen gezielten Zugriff noch nicht genau genug beschreiben kann. Auch manche Computerprogramme erlauben ein Browsing, aber bei manuellen Speichern ergibt es sich leichter und spontaner.

Datenschutz

418 1214 3528

Abb. 4.1

Kartei als Deskriptorenspeicher in einfacher Form. Eine Karteikarte entspricht einem Deskriptor. Der Deskriptor „Datenschutz“ wurde den Dokumentationseinheiten mit der Signatur 418, 1214 und 3528 indexiert.

Dateien und Datenbanken

43

The procedure of new drug application and the philosophy of critical rationalism or the limits of quality assurance with good clinical practice J. Högel, W. Gaus

Sign. 419

K.R. Popper’s philosophy of critical rationalism is a concept which is concerned with the detection and removal of error. Fundamental contradictions exist between Popper’s theory of knowledge and the present-day practice of the clinical investigation of new drugs. Currently, the public authorities concerned with the licensing of drugs pass judgment on trials which are closely linked by the one-sponsor problem; the assertions made by the sponsor are not independently confirmed. This lack leads to excessive documentation and to costly monitoring and auditing, which are intended to ensure the credibility of results. In Popper’s view, confirmatory trials, independent of the sponsor and supervized by the regulatory bodies, would be a better way to achieve reliable knowledge. The consequence would, among other things, be a reorganization of phase III of the clinical investigation of new drugs by dividing it into independent parts, one under the control of the sponsor and one under the control of the public authority. The implementation of this suggestion would lead to a more scientific manner of dealing with new drugs and to savings in terms of unproductive measures during the application process. Controlled Clinical Trials 20 (1999), 511-518 Abb. 4.2

4.8

Kartei als Deskriptorenspeicher in aufwändigerer Form. Eine Karteikarte entspricht einer Dokumentationseinheit. Der Deskriptor wird durch die vorhergehende Leitkarte angegeben.

Computer-Speicher und Datenträger

Bei Computern wird zwischen Primär- oder Arbeitsspeicher einerseits und Sekundär- oder Massenspeicher andererseits unterschieden. Die Daten sind binär kodiert, man spricht auch von digitalen Speichermedien. Primärspeicher sind technologisch „flüchtige“ Halbleiterspeicher, d.h. beim Ausschalten des Computers gehen die Inhalte verloren. Der typische Arbeitsspeicher eines PCs erlaubt den direkten Zugriff in etwa 10–8 Sekunden und hat eine Speicherkapazität von etwa 100 MB bis zu mehreren GB. Sekundärspeicher sind technologisch vorwiegend Magnetplattenspeicher; ihr Inhalt bleibt auch ohne Stromversorgung erhalten. Sie können beliebig oft beschrieben, gelesen und gelöscht werden. Die meisten Magnetplatten sind Festplatten, d.h. das Laufwerk ist fest in den Rechner eingebaut, während Wechselplatten (natürlich samt der gespeicherten Information) vom Benutzer ausgetauscht werden können. Zugegriffen wird über eine numerische Adresse auf ganze Datenblöcke, die dann sequenziell gelesen werden. Die Zugriffszeit liegt im Bereich von Millisekunden; es handelt sich also um einen Speicher mit quasi direkten Zugriff.

44

Thema 4

Die typische Plattenspeicherkapazität liegt beim PC zwischen 80 und 512 GB. Seit einiger Zeit werden auch „nichtflüchtige“ Halbleiterspeicher angeboten, die bis zu 100 000-mal beschrieben werden können, z.B. Smart Card und Memory Stick mit USB-Schnittsstelle. Der Transport von Daten zwischen Computern erfolgt über Leitungen und Funkverbindungen, aber auch durch den Austausch von Datenträgern. Die für den Datenaustausch gebräuchlichsten Datenträger sind die Diskette mit 1.44 MB Speicherkapazität, der Memory Stick mit z.B. 512 MB, die CD mit 650 MB und die DVD mit meistens 8.5 GB. Für die Archivierung von Daten gibt es eine ganze Palette unterschiedlicher Datenträger wie CD-R, DVD-R, Magnetbandkassetten oder magneto-optische Medien mit den unterschiedlichsten Kapazitäten und Zugriffszeiten.

4.9

Dateien, Verzeichnisse und Datenbanken

Eine Datei ist eine in sich abgeschlossene, auf dem Computer gespeicherte Informationsmenge. Allerdings sagt das Wort „Datei“ nichts über den Inhalt und die Funktion aus, eine Datei kann ein Deskriptorenspeicher, aber auch ein Programm, formatierte oder unformatierte Daten, Text, Ton, Bild oder ganz allgemein formuliert eine Bitfolge enthalten. Auf einem Computer befinden sich meist sehr viele Dateien. Sie werden in hierarchisch strukturierten Verzeichnissen (directories) oder Ordnern (folders) abgelegt. Dabei handelt es sich aber nur um eine logische Ordnung, die es dem Benutzer leichter macht, seine Dateien wiederzufinden. Physikalisch werden die Dateien in einem ausgeklügelten Speichermanagement so verteilt, dass Platzausnutzung und Zugriffszeit optimiert werden. Dies ist notwendig, weil sich die Dateien häufig verändern, wenn neue Elemente hinzugefügt oder alte Elemente gelöscht werden. Die Techniken und Algorithmen des Speichermanagements unterscheiden sich zwischen den Betriebssystemen, sind aber mittlerweile so ausgreift, dass man sich als Nutzer eines Computers nicht mehr darum kümmern muss. Ein großer, stark strukturierter Datenbestand, bei dem meist nicht komplett, sondern nur in kleinen Teilen gelesen oder bearbeitet wird, wird meist nicht als einfache Datei, sondern als Datenbank (data bank) angelegt. Zu jeder Datenbank gehört ein Datenbankverwaltungssystem (data base management system, DBMS), das dem Benutzer oder Programmierer ermöglicht, zunächst die logische Struktur seiner Daten (das Datenmodell) festzulegen. Anschließend können Daten in die Datenbank eingegeben, geändert und gelöscht werden. Weiterhin können die Daten auf vielfältige und flexible Weise ausgewertet werden – das ist der größte Vorteil einer Datenbank. Um die physikalische Ablage der Daten auf dem Speicher braucht sich der Benutzer nicht zu kümmern. Im Dateiverzeichnis des Computers erscheinen die Datenbankinhalte oft nur als eine einzige große Datei. Datenbanken können nach verschiedenen Prinzipien aufgebaut sein. Am gängigsten sind heute relationale Datenbanken, z.B. Access und Oracle. Dort werden die Daten in Tabellen abgelegt. Die Datenbank einer Arztpraxis kann z.B. eine Tabelle „Patienten“ enthalten. Dort sind z.B. Name, Geburtsdatum, Krankenversicherung und weitere Merkmale der Patienten abgespeichert. Jede Tabellenzeile (englisch: entity) enthält dann die Merkmale eines bestimmten Patienten, und jede Zeile bzw. jeder Patient wird eindeutig durch einen so genannten „Primärschlüssel“, meist eine Zahl, identifiziert. Nehmen wir weiter an, es gäbe in der

Dateien und Datenbanken

45

Datenbank noch die Tabelle „Kontakte“, in der die Besuche oder Anrufe der Patienten in der Praxis festgehalten werden. Typische Merkmale wären Zeitpunkt des Kontakts, Kontaktart (z.B. persönlich, telefonisch), Ergebnis etc. Die beiden Tabellen „Patienten“ und „Kontakte“ lassen sich nun miteinander verknüpfen, indem in der Tabelle „Kontakte“ der Primärschlüssel des Patienten mit eingetragen wird, auf den sich der jeweilige Kontakt bezieht. Beziehungen zwischen Tabellen nennt man Relationen (englisch: relationships). Durch die Aufteilung der Daten auf mehrere Tabellen, die dann über Schlüsselfelder verknüpft werden, müssen mehrfach verwendete Einzeldaten nur ein einziges Mal gespeichert werden. Anstatt z.B. die Angaben zum Patienten mit jedem Kontakt erneut abzuspeichern, werden diese Daten nur einmal aufgezeichnet und über den Personen-Schlüssel mit dem Kontakt verknüpft. Das spart auf der einen Seite Speicherplatz, führt aber vor allem dazu, dass Eingaben und Veränderungen nur an einer Stelle zu machen sind (wenn sich z.B. eine Adresse ändert) und widersprüchliche (inkonsistente) Angaben nicht auftreten können. Die meisten computergestützten Informations- und Dokumentationssysteme enthalten eine Datenbank, deren Tabellen bereits fertig aufgebaut und verknüpft sind. Auch die Bildschirmmasken zur Dateneingabe und die Funktionen zur Auswertung der Daten sind in diesen Systemen bereits enthalten, so dass man als Nutzer von der Datenbank kaum etwas sieht. Es kommt allerdings auch häufig vor, dass man für bestimmte Dokumentationsaufgaben eine eigene Datenbank aufbauen muss oder mit individuellen Fragestellungen auf eine vorhandene Datenbank zugreift. In diesen Fällen benötigt man eine so genannte Datenmanipulations- und Abfragesprache, mit der Tabellen definiert und Abfragen formuliert werden. Neben den unterschiedlichen grafischen Werkzeugen, welche die meisten DBMSe heute anbieten, gibt es für relationale Datenbanken auch eine weithin standardisierte Datenmanipulations- und Abfragesprache, die Structured Query Language (SQL; siehe Abb. 4.3).

1)

CREATE TABLE patienten pat-id INTEGER PRIMARY KEY, nachname CHAR (50), vorname CHAR (50), gebdat DATE, geschlecht CHAR(1);

(2)

SELECT nachname, vorname, gebdat FROM patienten WHERE geschlecht = "M";

Abb. 4.3 Zwei Beispiele für SQL-Statements. Im Beispiel (1) wird eine Tabelle mit dem Namen „patienten“ definiert. Sie besteht aus dem Primärschlüssel „pad-id“ als ganze Zahl (Integer), Nach- und Vorname mit jeweils maximal 50 Zeichen, Geburtsdatum im Datumsformat und Geschlecht (1 Zeichen). Das Beispiel (2) sucht aus allen Einträgen der Tabelle „patienten“ die Männer heraus und listet von ihnen Nachname, Vorname und Geburtsdatum auf.

46

Thema 4

4.10 Fragen F4.1

a) Nennen Sie die Eigenschaften von Files. b) Können die Aufzeichnungen eines Studenten in der Vorlesung, z.B. im Fach Dokumentations- und Ordnungslehre, als ein File bezeichnet werden? Entscheiden Sie diese Frage, indem Sie prüfen, ob dieses Skriptum die Eigenschaften eines Files erfüllt.

F4.2

F4.3

Welche der folgenden Voraussetzungen müssen bei einem Deskriptoren-File zwingend erfüllt sein? x

Endliche Anzahl von Elementen,

x

jedes Element benötigt eine Adresse,

x

die Elemente müssen alphabetisch sortiert sein,

x

die Realisation des Deskriptoren-Files erfolgt mit einem Random-access-Speicher.

Welche wichtigen Anforderungen sind an a) einen Dokumentenspeicher, b) einen Deskriptorenspeicher zu stellen? Geben Sie Beispiele für Dokumentenspeicher und Beispiele für Deskriptorenspeicher.

F4.4

a) Was versteht man unter einer Signatur? b) Welche Funktion hat die Signatur in der Dokumentation? c) Welche Anforderungen sind an eine Signatur zu stellen?

Thema 5:

Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen 5.1

Gegenüberstellung

Bei der Aufnahme von Dokumentationseinheiten in eine Dokumentation sind die formale Erfassung und die inhaltliche Erschließung zu unterscheiden. Die formale Erfassung ist das Festhalten der „äußeren“ Kennzeichen eines Dokumentes. In der Literaturdokumentation gehören dazu insbesondere Autor (Autoren), Sachtitel, Erscheinungsform (Buch, Zeitschrift, Bericht usw.); bei Büchern zusätzlich Erscheinungsort, Verlag und Erscheinungsjahr; bei Zeitschriftenaufsätzen zusätzlich die Zeitschrift, Band (Jahrgang), Erscheinungsjahr und Seitenangaben. Bei der Dokumentation der Krankenakten gehören dazu insbesondere Patientenname (Nachname, Geburtsname, Vornamen), Geburtsdatum, Behandlungsjahr und Klinikbereich (Chirurgie, Innere usw.). Die formale Erfassung dient der Identifikation der Dokumentationseinheiten. Zur formalen Erfassung gehört auch die Signaturvergabe. Während die Signatur eine Dokumentationseinheit nur innerhalb einer Dokumentationsstelle identifiziert, identifiziert die formale Erfassung die Dokumentationseinheit weltweit. Im Bibliothekswesen wird die formale Erfassung als Titelaufnahme bezeichnet. Die formale Erfassung nicht-literarischer Dokumentationseinheiten hängt sehr stark von der Art der Dokumentationseinheiten ab. Die inhaltliche Erschließung stellt fest, wovon ein Dokument handelt. Sie ist für eine Dokumentation zusätzlich zur formalen Erfassung notwendig, weil Dokumentation bedeutet, dass vom Sachverhalt her (vom Inhalt her) Zugriff auf die Dokumente möglich ist. Beispiel: Es sollen die Krankenakten aller Patienten entnommen werden, die einen Herzinfarkt erlitten haben und bei denen bekannt ist, ob sie rauchten oder nicht. Die wichtigsten Formen des inhaltlichen Erschließens sind das freie Zuteilen von Schlagwörtern und das Indexieren mit den Deskriptoren eines Ordnungssystems.

5.2

Bibliothek und Dokumentation

Die Hauptaufgabe der Bibliotheken ist (vereinfacht dargestellt) das Sammeln und Ausleihen. Deshalb legen sie ihren Schwerpunkt auf die formale Erfassung (d.h. auf die Titelaufnahme) ihrer meist sehr großen Bestände und führen diese sehr detailliert und sorgfältig durch. Der alphabetische Hauptkatalog gibt Auskunft darüber, ob ein dem Verfasser und/oder Sachtitel nach bekanntes Buch vorhanden ist und wo es steht. Gegenüber der sehr differenzierten Titelaufnahme erfolgt die inhaltliche Erschließung der Bibliotheksbestände durch den systematischen Katalog und/oder den Schlagwortkatalog weniger detailliert. Allerdings betreiben vor allem wissenschaftliche Bibliotheken und Fachbibliotheken zunehmend auch Dokumentation im Sinne von Information Retrieval, sind also gleichzeitig Bibliothek und Literaturdokumentationsstelle. Aufgabe der Dokumentation im Sinne von Information Retrieval ist es, die für eine Sachfrage (Suchfrage) relevante Literatur, Dokumentationseinheiten oder Informationen nachzuweisen. Deshalb legt die Dokumentation – im Gegensatz zum Bibliothekswesen  ihren Schwerpunkt auf die inhaltliche Erschließung. Allerdings muss auch eine Dokumentationsstelle ihre Dokumentationseinheiten vor der inhaltlichen Erschließung

48

Thema 5

erst formal erfassen. Wegen der kleineren Bestände an Dokumentationseinheiten (im Vergleich zum Bestand an „bibliothekarischen Einheiten“ einer Bibliothek) und weil sie ihren Schwerpunkt auf die inhaltliche Erschließung legt, wird die Titelaufnahme im Dokumentationswesen oft weniger streng gehandhabt als im Bibliothekswesen. Während ein Bibliothekar die Bücher, Zeitschriften usw. aller Fachgebiete formal erfassen kann, muss der inhaltlich erschließende Dokumentar auch das Fachgebiet, aus dem seine Dokumente stammen, recht gut beherrschen.

5.3

Kategorienschema für die Titelaufnahme

Im Bibliothekswesen wird die formale Erfassung und Verschlagwortung eines Buches (eines „Titels“) als Titelaufnahme bezeichnet. Die Titelaufnahme ist ein Arbeitsgebiet des Bibliothekswesens und wird deshalb hier nicht behandelt. Sie kann besonders schwierig sein bei Literaturformen, die in der Dokumentation große Bedeutung haben, wie z.B. Institutsberichte, Kongressberichte, Regierungsberichte, Patentschriften, Firmenschriften, unselbstständige Literatur, Sekundärliteratur usw. Als unselbstständige Literatur bezeichnet man Texte, die in anderen Werken enthalten sind, wie z.B. der Aufsatz von W. Gaus und K. Überla „Chronik der Schule für Medizinische Dokumentation in Ulm“, der in dem von W. Gaus und M. Kugelmann herausgegebenen Buch „Medizinische Dokumentation, Entwicklung, heutiger Stand, Perspektiven; 25 Jahre Schule für Medizinische Dokumentation“ enthalten ist, das 1994 im Universitätsverlag Ulm erschienen ist. Sekundärliteratur sind Publikationen über andere Publikationen wie Bibliografien (Bücherverzeichnisse), Titellisten, Buchhandlungskataloge, gedruckte Bibliothekskataloge, Referatezeitschriften, Buchbesprechungen usw. Die einzelnen Kategorien der Titelaufnahme werden mit Kurzzeichen gekennzeichnet, z.B. AU für Autor(en), TI für Sachtitel. Die Kategoriekennzeichen sagen dem Erfassungsprogramm, was der auf das Kategoriekennzeichen folgende Text, der durch das nächste Kategoriekennzeichen beendet wird, bedeutet. Beispiele für Kategorien einer Titelaufnahme von Büchern sind: Signatur, Persönliche Verfasser, Korporative Verfasser, Herausgeber, Reihenherausgeber, Sachtitel, Untertitel, Reihentitel, Erscheinungsort, Verlag, Auflage und Erscheinungsjahr, Schlagwörter. Beispiel für eine Titelaufnahme nach dem Kategorienschema: Signatur: Herausgeber: Sachtitel: Untertitel: Erscheinungsort: Verlag: Auflage und Erscheinungsjahr: ISBN: Schlagwörter:

12345 Gaus, Wilhelm Berufe im Informationswesen Ein Wegweiser zur Ausbildung Berlin, Heidelberg, New York Springer-Verlag 5. Auflage 2002 3-540-43619-7 Archivwesen, Ausbildung, Ausbildungsgänge, Berufe, Bibliothekswesen, Buchwissenschaft, Computerlinguistik, Dokumentationswesen, Medizinische Dokumentation, Medizinische Informatik, Informationswesen, Museologie

Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen

49

Ein anderes Beispiel für ein formales Erfassungsschema in der Literaturdokumentation gibt Abb. 5.1. Weitere Hinweise und Anleitungen zur formalen Erfassung sind in DIN 1505 und in DIN 31 631 (Lit. d1, d2) enthalten. Außerdem gibt es im Bibliothekswesen eine reiche Literatur zum Thema Titelaufnahme, z.B. Hacker (Lit. a6).

Firma Such & Finde, Abteilung Literaturdokumentation, D-03226 Fleißdorf Signatur Autoren Institution Sachtitel in Englisch

Sachtitel in Originalsprache – falls Originalsprache nicht englisch

Quelle (Zeitschrift, Band, Seitenzahl oder Verlagsort, Verlag)

ISSN / ISBN

Erscheinungsjahr Sprache Indexierer Deskriptoren Abb. 5.1

5.4

Bildschirmmaske für die formale Erfassung und die Erfassung der indexierten Deskriptoren in einer Literaturdokumentationsstelle ( ist der Cursor)

Dokumentenspeicher

Bewahrt eine Dokumentationsstelle die von ihr erfassten Dokumentationseinheiten selbst auf, so ist eine Ablage bzw. ein Archiv und die zugehörige Ausleihe einzurichten und zu führen. Die Dokumentationseinheiten werden dabei als ein nach Signaturen geordnetes File in Regalen, Regalanlagen mit fahrbaren Schränken, Umlaufschränken (das sind Schränke, bei denen jeder „Regalboden“ durch Knopfdruck in Griffhöhe gebracht werden kann) oder in Karteischränken (z.B. wenn die Dokumentationseinheiten als Mikrofiche vorliegen) gelagert. Die Einzelheiten der Realisierung des Dokumentenspeichers hängen sehr stark von der Anzahl, Art und Größe der Dokumentationseinheiten und von den räumlichen Gegebenheiten ab. Zu berücksichtigen ist dabei auch die zugelassene Bodenbelastbarkeit der Räume. Ist die Signatur eine laufende Zugangsnummer, so wächst das Dokumentenfile nur hinten, und es ergibt sich eine volle Ausnutzung der Speicherkapazität. Bei großen Beständen kann es zweckmäßig sein, getrennte Files für verschiedenformatige Dokumentationseinheiten,

50

Thema 5

z.B. für Krankenakten (Format A4) und für Röntgenbilder (meist Format 30 x 40 cm), anzulegen. Liegt ein Teil der Dokumentationseinheiten als Mikrofilm oder Mikrofiche vor und ein anderer Teil nicht, so ist es ebenfalls meist zweckmäßiger, getrennte Files anzulegen, als die Mikrofilme oder Mikrofiche in Mappen einzulegen und diese in das File der nicht mikroverfilmten Dokumentationseinheiten einzustellen. Umfasst der Dokumentenspeicher einer Dokumentationsstelle mehrere Files, so ist es zweckmäßig, wenn der erste Teil der Signatur das File und der Rest der Signatur das Element im File bezeichnet. Beispiele für derartig aufgebaute Signaturen sind R613 (Röntgenbildfile, Element 613), M4117 (Mikrofiche Nr. 4117), S3.181 (Schrank 3, Dokumentationseinheit 181). Es kann aber auch unter gewissen Bedingungen zweckmäßig sein, die zur Verfügung stehende Abstellfläche in gleich große Abschnitte einzuteilen und die Ablage so zu organisieren, dass sie in jedem Abschnitt gleichzeitig wächst. Eine derartige Ablage entsteht, wenn bei einer numerischen Signatur zuerst nach der letzten Ziffer, dann nach der vorletzten Ziffer usw. (also gerade umgekehrt) abgelegt wird (Ablage nach Endziffern, englisch: terminal digit order) oder wenn Krankenakten nach dem Geburtsdatum der Patienten abgelegt werden.

5.5

Ausleihkontrolle

Bei der Ausleihe von Dokumentationseinheiten ist die Signatur, der Entleiher und das Ausleihdatum festzuhalten (Ausleihkontrolle). Dies erfolgt durch Stellvertreter, Ausleihkartei oder EDV-Buchung. Ein Stellvertreter ist ein Kartonstreifen, der anstelle der Dokumentationseinheit in das Dokumentenfile eingestellt wird. In einer Ausleihkartei ist für jede ausgeliehene Dokumentationseinheit eine Karte vorhanden. Sie ist nach Signaturen, Entleiher oder Ausgabe- bzw. Rückgabedatum geordnet. Bei häufiger Ausleihe kann der Stellvertreter bzw. die Karte für die Ausleihkartei bereits bei der Aufnahme der Dokumentationseinheiten erstellt und in die Dokumentationseinheit eingelegt werden. Bei der Ausleihe wird dann der Stellvertreter bzw. die Karteikarte den Dokumentationseinheiten entnommen, Entleiher und Ausleihdatum eingetragen und dann eingestellt. Füllen die Benutzer Leihscheine aus, so können diese (oder ein Durchschlag) zur Ausleihkartei zusammengestellt oder in eine Sichthülle oder ein Plastikrähmchen geschoben als Stellvertreter verwendet werden. Heute erfolgt die Ausleihkontrolle meist mit einem Computer. Dazu erhält jede Dokumentationseinheit ein Etikett mit der Signatur als Strichcode. In einem Strichcode (engl. barcode) sind Ziffern und Buchstaben durch dicke und dünne Striche und unterschiedliche Abstände zwischen den Strichen verschlüsselt. Strichcodes sind weit verbreitet, z.B. hat im Einzelhandel jeder Artikel eine Artikelnummer als Strichcode, dieser wird an der Kasse mit dem Barcodeleser gelesen und der Kassencomputer kann den aktuellen Preis abfragen und den Artikelumsatz und die Lagerhaltung aktualisieren. In Bibliothek und Dokumentation wird bei der Ausleihe mit dem Lesestift das Etikett abgefahren und zusätzlich der Entleiher – z.B. durch das Lesen des Strichcodes auf seinem Benutzerausweis – eingegeben. Das Entleihdatum wird dem Datensatz automatisch hinzugefügt. Zur Buchung der Rückgabe reicht es, wenn die Funktion Rücklaufbuchung aufgerufen und dann bei allen zurückgegebenen Dokumentationseinheiten der Strichcode abgefahren wird. Werden die Dokumentationseinheiten nur in einen Lesesaal ausgeliehen oder werden die Dokumentationseinheiten zur Ausleihe kopiert und nur die Kopien ausgegeben, so entfällt die Ausleihkontrolle.

Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen

51

Die Ausleihkontrolle sollte auch die Anmahnung ausgeliehener Dokumentationseinheiten ermöglichen. Bei einer Ausleihkartei kann dies durch die Farbe der Karteikarten, durch Reiter oder durch die Reihenfolge nach Ausleih- bzw. Rückgabedatum geschehen. Bei Stellvertretern empfiehlt es sich, durch die Farbe des Stellvertreters oder des Plastikrähmchens den Ausleihmonat zu signalisieren. Bei EDV-Buchung können die Mahnschreiben mit dem Namen und der Anschrift des Entleihers sowie der Signatur und dem Entleihdatum der fälligen Dokumentationseinheiten automatisch ausgedruckt werden. Bei allen Ausleihungen sind Urheberschutz, ärztliche Schweigepflicht, betriebliche Schweigepflicht, Datenschutz und andere einschlägige Gesetze und Vorschriften korrekt einzuhalten. Zur Organisation der Ablage und Ausleihe von Dokumentationseinheiten kann auch das einschlägige Schrifttum des Bibliothekswesens, des Archivwesens und der medizinischklinischen Dokumentation herangezogen werden.

5.6

Verbindungen zwischen Dokumentation und Archiv

Sind Dokumentation und Archiv getrennt, so muss ein Benutzer, der Dokumentationseinheiten mit einem bestimmten Inhalt sucht, sich zuerst in der Dokumentationsstelle die für ihn relevanten Dokumentationseinheiten nachweisen lassen und dann im Archiv die nachgewiesenen Dokumentationseinheiten einsehen, ausleihen oder kopieren lassen. Dabei ist ein Verbundangebot beider Stellen möglich, z.B. in der Form, dass die Dokumentationsstelle die selektierten Dokumentationseinheiten auf den Leihscheinen des Archivs ausdruckt. Der Benutzer kann anhand der ihm übergebenen Leihscheine prüfen, welche Dokumentationseinheiten er tatsächlich haben will, kann diese Leihscheine unterschreiben und im Archiv abgeben (mehrstufiges Auswahlverfahren). Das Sichten der selektierten Titel durch den Benutzer vor der Ausleihe ist häufig auch dann zweckmäßig, wenn die Dokumentationsstelle selbst die Dokumentationseinheiten ausgibt, insbesondere wenn die Dokumentationseinheiten für den Benutzer kopiert werden und damit unnötige Kopierkosten eingespart werden können. In den Themen 2.9, 22.1e und 31.6c wird dargelegt, dass ein mehrstufiges Auswahlverfahren auch über die drei Schritte Titel, Abstract, volle Dokumentationseinheiten laufen kann. In der klinischen Dokumentation sind diese die drei Stufen Diagnosen im Klartext, Arztbriefe, Einsicht in volle Krankenakte.

5.7

Möglichkeiten des inhaltlichen Erschließens

Im Bibliothekswesen gilt die Regel, dass zur Titelaufnahme das Buch vorliegen muss (Autopsie). Diese Regel gilt für das inhaltliche Erschließen in noch viel stärkerem Maße. Inhaltliches Erschließen anhand von Prospekten, Verlagsankündigungen, Buchbesprechungen, Abstracts und dergleichen ist sehr problematisch. Die wichtigsten und gängigsten Möglichkeiten der inhaltlichen Erschließung sind: a)

Sachtitel In der wissenschaftlichen Literatur sollte der Sachtitel aussagekräftig sein, d.h. den Inhalt der Arbeit kennzeichnen. Dies gilt auch für Überschriften von Kapiteln und Unterkapiteln. Das Inhaltsverzeichnis ist eine Zusammenstellung dieser Überschriften und ist somit ein verkürztes Abbild eines Dokuments.

52 b)

Thema 5 Annotation Die Dokumentationsstelle kann den Sachtitel durch Bemerkungen, Erläuterungen, Hinweise und dergleichen ergänzen.

c)

Zusammenfassung, Abstract, Referat, Rezension, Kurzfassung Allen diesen Inhaltsangaben ist gemeinsam, dass sie den Inhalt des Dokumentes in ganzen Sätzen wiedergeben. Die Zusammenfassung (engl.: abstract) wird vom Autor geschrieben, dem eigentlichen Dokument vorangestellt und beschreibt, worüber das Dokument handelt (indikatives, d.h. anzeigendes Abstract), nennt meist aber auch die wichtigsten Ergebnisse (informatives Abstract). Beispiel: Es wird der Zusammenhang zwischen Rauchen und Bronchialkarzinom untersucht (indikativ). Die Untersuchung zeigt bei Rauchern ein 13.6-mal so großes Risiko für Bronchialkarzinome als bei Nichtrauchern (informativ). Abstracts müssen kurz sein, aber auch auf alles Wichtige der Publikation hinweisen und ausgewogen, d.h. ein maßstabsgetreues Abbild des Volltextes sein. Auch im Deutschen ist die Bezeichnung Abstract weit verbreitet. Manchmal wird zwischen Abstract und Zusammenfassung (engl.: summary) am Ende des Volltexts unterschieden. Die (abschließende) Zusammenfassung ist eine Würdigung des schon gelesenen Volltextes und gibt einen Ausblick. In Kliniken und bei Fachärzten werden am Ende der Krankheitsepisode eines Patienten die wichtigsten Angaben zur Anamnese, Diagnostik, Therapie, zum Krankheitsverlauf und zum Therapieerfolg rückblickend als Epikrise bewertet, im Arztbrief niedergeschrieben und dieser dem einweisenden (Haus-)Arzt übersandt. In der klinischen Dokumentation werden die Arztbriefe wie Abstracts benutzt: Von den mit Deskriptoren selektierten Behandlungsfällen wird zunächst nur der Arztbrief gelesen und dann entschieden, ob die Krankenakte in die Auswertung eingeht und exzerpiert wird oder nicht. Früher wurden Abstracts auch speziell für die Dokumentation erstellt und als Referate bezeichnet (siehe Thema 38.4). Wird ein (objektives) informatives Referat um eine persönliche (subjektive) Stellungnahme oder Beurteilung erweitert, so ist dies eine Rezension. Sie ist, da es sich um eine persönliche Meinung handelt, mit dem Namen des Rezensenten zu kennzeichnen. Abstracts, Referate und Rezensionen sollen dem Leser die Entscheidung ermöglichen, ob er die Originalarbeit lesen will oder nicht (mehrstufiges Auswahlverfahren). Stattdessen sollen Kurzfassungen das Lesen der umfangreichen Originalarbeit ersetzen. Sie sind in der Ausbildung nützlich, in der wissenschaftlichen Literaturerschließung haben sie wenig Bedeutung.

d)

Freies Indexieren Der Inhalt eines Dokumentes wird durch ein einzelnes oder durch mehrere unverbunden nebeneinander gestellte Wörter1 möglichst treffend gekennzeichnet. Entspringen

________________ 1

Die deutsche Sprache hat zwei Mehrzahlformen für Wort, nämlich Wörter und Worte. Die Mehrzahl „Wörter“ wird verwendet für Wortsammlungen und Wortmengen (z.B. Wörterbuch, Hauptwörter); die Mehrzahl „Worte“, wenn es sich um einen sprachlich zusammenhängenden Text handelt (z.B. Begrüßungsworte, Worte des Trostes). In der Dokumentation benötigen wir fast nur die Mehrzahlform Wörter.

Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen

53

die den Dokumentationseinheiten zugeteilten Wörter der freien Intuition des Indexierers, so sind es Schlagwörter oder Sachwörter; entstammen sie dem Titel der Dokumentationseinheit, so sind es Titel-Stichwörter; sind sie dem Text der Dokumentationseinheit entnommen, so sind es Text-Stichwörter. Während also Stichwörter der Dokumentationseinheit entnommen sein müssen, ist dies bei Schlag- und Sachwörtern nicht erforderlich: sie können, müssen aber nicht in der Dokumentationseinheit vorkommen. Im Englischen wird nicht zwischen Schlag- und Stichwörtern unterschieden. Die englische Bezeichnung „keyword“ wird auch wörtlich als „Schlüsselwort“ übersetzt. Das freie Indexieren von Schlagwörtern nennt man auch einfach Schlagwortzuteilung, Schlagwortvergabe oder im Jargon verschlagworten. Bei der Schlagwortvergabe unterscheidet man zwischen weiten (d.h. relativ allgemeinen) und engen (d.h. relativ speziellen) Schlagwörtern. Beispiele: weite Schlagwörter

enge Schlagwörter

unterteilte Schlagwörter

Entzündung Fahrzeug Krieg

Hirnhautentzündung Pkw Erster Weltkrieg

Entzündung, viral Fahrzeug, für Personen Krieg, Welt~, erster

Um bei weiten Schlagwörtern den gleichen Detailliertheitsgrad (die gleiche Indexierungsgenauigkeit) wie bei engen Schlagwörtern zu erreichen, werden weite Schlagwörter unterteilt. Bei unterteilten Schlagwörtern nennt man das weite Schlagwort das Hauptschlagwort (englisch: main heading), das ergänzende Schlagwort das Nebenschlagwort (englisch: subheading oder qualifier). Im ersten Beispiel ist somit „Entzündung“ das Hauptschlagwort und „viral“ das Nebenschlagwort. Unterteilte Schlagwörter sind aufwändiger, haben jedoch den Vorteil, dass sowohl ein größerer Themenbereich beieinander bleibt als auch detailliert zugegriffen werden kann. e)

Gebundenes Indexieren Im Gegensatz zur freien Schlagwortvergabe dürfen beim gebundenen Indexieren zur Beschreibung des Inhalts von Dokumentationseinheiten nur solche Wörter verwendet werden, die in einem Ordnungssystem als Deskriptoren ausdrücklich zugelassen sind. Somit ist das gebundene Indexieren einer Dokumentationseinheit gleichbedeutend mit dem Einordnen dieser Dokumentationseinheit in das gegebene Ordnungssystem. Wie bereits in Thema 1.5 erwähnt, ist ein Ordnungssystem in seiner einfachsten Form ein Verzeichnis der zugelassenen Deskriptoren. Im Englischen werden gebunden zugeteilte Schlagwörter (Deskriptoren) als subject headings, controlled terms, preferred terms oder als descriptors bezeichnet. Bei gebundenem Indexieren kann man – wie beim freien Indexieren – weite oder enge Deskriptoren wählen, falls das Ordnungssystem sowohl allgemeinere als auch speziellere Deskriptoren umfasst (siehe Thema 8.8 Hierarchische Indexierungsregel).

Thema 5

54

Der Nachteil des gebundenen Indexierens ist, dass ein Ordnungssystem benötigt wird, das x entwickelt und erprobt werden muss, x

Indexierern und Rechercheuren im Detail bekannt und vertraut sein muss,

x

beim Indexieren jeder Dokumentationseinheit und bei jeder Recherche zu benutzen ist,

x

zu pflegen, zu erweitern, zu modernisieren und zu verbessern ist,

x

den Indexierer beschränkt, etwa indem es für eine zu indexierende Dokumentationseinheit keinen geeigneten Deskriptor enthält.

Gebundenes Indexieren ist die anspruchsvollste Form der inhaltlichen Erschließung. Der Vorteil einer Dokumentation mit gebundenen Deskriptoren ist vor allem, dass zum Indexieren und Recherchieren ein einheitliches und kontrolliertes Vokabular verwendet wird (wir werden das später als terminologische Kontrolle bezeichnen). Ein kleinerer Vorteil ist, dass die Organisation des Deskriptorenspeichers (Datenbank) einfacher ist, weil die Gesamtzahl der in der Dokumentation verwendeten Deskriptoren konstant und vorab bekannt ist. Dieses Buch legt zunächst seinen Schwerpunkt auf Dokumentationen, die ein Ordnungssystem verwenden und gebunden indexieren, weil sich damit die Lösung der dokumentarischen Probleme einfacher darstellen lässt. Die Freitextsuche, bei der die Dokumente nicht inhaltlich erschlossen werden, wird erst anschließend behandelt, da sie – wenn mit professionellem Anspruch betrieben – deutlich höhere Anforderungen an den Rechercheur stellt und für das Verständnis viel von dem Wissen voraussetzt, das für eine Dokumentation mit gebundenem Indexieren gilt.

5.8

Indexierungsgenauigkeit

Der Inhalt der Dokumentationseinheiten kann beim Indexieren mehr oder weniger genau erfasst und mehr oder weniger detailliert durch die indexierten Deskriptoren ausgedrückt werden. Bei sehr detaillierter inhaltlicher Erschließung spricht man von hoher Indexierungsgenauigkeit, bei lediglich allgemeiner und kursorischer Beschreibung des Inhalts von geringer Indexierungsgenauigkeit. Je höher die Indexierungsgenauigkeit ist, desto präzisere Suchfragen sind möglich. Eine ausreichende Indexierungsgenauigkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass bei der Recherche alle relevanten und nur die relevanten Dokumentationseinheiten selektiert werden. Somit ist zunächst eine möglichst hohe Indexierungsgenauigkeit wünschenswert. Andererseits stellt eine hohe Indexierungsgenauigkeit auch hohe Anforderungen an Ordnungssystem, Deskriptorenspeicher und Indexierer und erfordert einen großen Arbeitsaufwand. Das notwendige Maß an Indexierungsgenauigkeit ist zwischen den Anforderungen, die die Benutzer stellen, und den personellen und finanziellen Möglichkeiten der Dokumentationsstelle abzustimmen. Die Qualifikation eines Dokumentars lässt sich letztlich daran erkennen, mit welchem Arbeitsaufwand er welche Indexierungsgenauigkeit und welche Güte der Dokumentation erreicht.

Formales Erfassen und inhaltliches Erschließen

5.9

55

Allgemeine Indexierungsregeln

Das Indexieren erfordert dokumentarische Kenntnisse, eine genaue Kenntnis des Ordnungssystems und nicht zuletzt gute Fachkenntnisse aus dem dokumentarisch bearbeiteten Sachgebiet. Zusammen mit dem Recherchieren gilt es als die schwierigste Tätigkeit des tagtäglichen Dokumentationsbetriebs (abgesehen von besonderen Tätigkeiten wie der Erstellung und Pflege des Ordnungssystems, Strukturierung der Datenbank und dergleichen). Hinzu kommt, dass Fehler beim Indexieren praktisch kaum erkannt und verbessert werden können. Der Indexierer kann bei jeder Dokumentationseinheit folgende Überlegungen anstellen: x

Was ist wichtig und was ist weniger wichtig an dieser Dokumentationseinheit? Wo liegen die Schwerpunkte? Deskriptoren, die das Wichtigste beschreiben, heißen Kerndeskriptoren der Dokumentationseinheit.

x

Was interessiert die verschiedenen Benutzer an diesem Dokument? Dazu sollte sich der Indexierer in Gedanken in verschiedene Benutzer versetzen.

x

Unter welchen Gesichtspunkten lässt sich die Dokumentationseinheit betrachten? Beispiele: Welche Idee steckt in der Arbeit? Welches Sachproblem wird behandelt? Welche Methodik wird verwendet? Welche Ergebnisse werden gewonnen? Welche Nebenprodukte entstehen? Beispiele aus klinischen Dokumentationen: Wie ist der Patient zu beschreiben (Geschlecht, Alter, Vorgeschichte, Risikofaktoren usw.)? Welche diagnostischen Verfahren wurden angewendet? Befunde? Diagnosen? Welche therapeutischen Maßnahmen wurden ergriffen? Welche Komplikationen traten auf? Welcher Therapieerfolg wurde erreicht? Deskriptoren, die nur für einzelne Benutzergruppen wichtig sind oder nur einzelne Aspekte erfassen, heißen Randdeskriptoren der Dokumentationseinheit.

x

Ist der Indexierer im Zweifel, ob er z.B. den Deskriptor X indexieren soll oder nicht, so kann er sich fragen: Wenn unter dem Deskriptor X abgefragt wird, leistet dann die vorliegende Dokumentationseinheit einen nennenswerten Beitrag? Lohnt es sich, einem Benutzer, der unter dem Deskriptor X fragt, diese Dokumentationseinheit zu liefern? Beispiel: Der Dokumentationseinheit mit dem Inhalt „Die Genauigkeit des Gerätes X wurde anhand des Merkmals Y untersucht“ wird der Deskriptor „Gerät X“ zugeteilt, während es bei einer Dokumentationseinheit mit dem Inhalt „Die Bedeutung des Merkmals Y, das routinemäßig mit dem Gerät X bestimmt wurde, wird dargestellt“ schon zweifelhaft ist. Es sind also nur solche Sachverhalte zu indexieren, die mit einiger Ausführlichkeit behandelt sind.

x

Der Indexierer darf nicht „überindexieren“ (englisch: overindexing). Sachverhalte, die erwähnt aber nicht untersucht sind, werden nicht indexiert. Beispiel: Beim Inhalt „Eine Belastungsprüfung wurde nicht durchgeführt“ ist der Deskriptor „Belastungsprüfung“ nicht zu indexieren. Ebenso werden Sachverhalte, die wenig Erkenntnisgewinn bieten oder selbstverständlich sind, nicht indexiert. Beispiel: Beim Inhalt „Zur statischen Berechnung wurde ein Computer eingesetzt“ ist der Deskriptor „Computer“ nicht zu indexieren, da die allermeisten statischen Berechnungen von EDV-Programmen ausgeführt werden.

Thema 5

56 x

Der Indexierer sollte jedoch prüfen, ob er wichtige, aber lediglich implizit enthaltene Informationen indexiert hat. Beispiel: Der Aussage „Die chemische Reaktion wurde durch die Anwesenheit von Platin erheblich beschleunigt“ sollten durchaus die Deskriptoren „Platin“ und „Katalysator“ indexiert werden.

x

Tendiert der Indexierer im Zweifelsfalle dazu, einen Deskriptor zuzuteilen, also auch Randdeskriptoren zu indexieren, so legt er mehr Wert darauf, dass die Dokumentationseinheit beim Recherchieren wieder aufgefunden wird. Tendiert er im Zweifelsfalle dazu, den Deskriptor nicht zuzuteilen, also nur Kerndeskriptoren zu indexieren, so legt er mehr Wert darauf, dass nur wirklich relevante Dokumentationseinheiten beim Recherchieren selektiert werden. Im Thema 21 (Relevanz- und Vollzähligkeitsrate) wird diese Problematik ausführlich behandelt.

x

Ist ein Schlagwort aus dem Text der Dokumentationseinheit oder der Intuition des Indexierers gefunden, so ist anhand des Ordnungssystems nicht nur zu prüfen, ob es als Deskriptor zugelassen ist, sondern auch, ob es stattdessen einen noch besser geeigneten Deskriptor gibt.

x

Weitere Indexierungsregeln werden in den Themen 8.8 (Hierarchische Indexierungsregel) und 20 (Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren) behandelt.

5.10 Fragen F5.1

Worin besteht Ihrer Meinung nach der wichtigste Unterschied zwischen Spezialbibliothek und Literaturdokumentationsstelle?

F5.2

Welche Möglichkeiten haben Sie bisher kennen gelernt, um den Inhalt von Dokumentationseinheiten (z.B. Zeitschriftenartikel) dokumentationsgerecht zu kennzeichnen? a) Zählen Sie diese Möglichkeiten auf. Sortieren Sie dabei die Möglichkeiten nach dem Umfang der Inhaltsangabe. b) Geben Sie zu jeder Möglichkeit ganz kurz die Vor- und Nachteile an.

F5.3

Welche Hilfsmittel bzw. Unterlagen werden für das gebundene Indexieren benötigt?

F5.4

Warum gibt man bei der Titelaufnahme von Büchern den Erscheinungsort an? (Zusatzfrage, Stoff nicht behandelt)

Thema 6:

Begriff und Benennung 6.1

Begriffe

Begriffe sind geistig-gedankliche Abbildungen von Gegenständen, Sachen, Vorgängen, Ideen usw. Ein Begriff enthält das Typische einer Gruppe gleichartiger Gegenstände, gleichartiger Sachen, gleichartiger Vorgänge, gleichartiger Ideen usw. Die Begriffe entstehen durch die Abstraktionsleistung menschlichen Denkens. Die meisten Begriffe bildet ein Mensch als Kind beim Erlernen der Muttersprache. In der Entwicklungspsychologie gibt es ein eigenes Arbeitsgebiet „Begriffsbildung“. Als etwas Innerpsychisches entzieht sich ein Begriff jedem direkten Zugang. Personen desselben Kulturkreises und derselben Sprache bilden zwar weitgehend die gleichen Begriffe, jedoch sind feine Unterschiede zwischen Personen unvermeidlich. Zum Beispiel werden Mitteleuropäer einen weitgehend ähnlichen Begriff für „Dreieck“ haben, während sich verschiedene Personen unter „Freiheit“ oder „Migräne“ sicherlich etwas unterschiedliche Sachverhalte vorstellen.

6.2

Benennungen, Bezeichnungen

Begriffe können nicht direkt zwischen Personen ausgetauscht werden, deshalb wird jedem Begriff eine Benennung zugeordnet. Eine Benennung ist also ein Name, eine Bezeichnung, eine Kennzeichnung eines Begriffs. Anstatt Benennungen oder Bezeichnungen sagt man in der Dokumentation oft auch einfach Wörter (englisch: terms). In der Linguistik (allgemeine Sprachwissenschaft) wird die Lehre von den Wortbedeutungen Semantik genannt. Im Gegensatz zur Semantik ist die Syntax die Lehre von der Anordnung der Wörter zu Sätzen. Für die Allgemeinsprache beschreibt und definiert die Semantik die Begriffe und legt die Zuordnung von Begriffen und Benennungen fest. In den einzelnen wissenschaftlichen Fachgebieten (Medizin, Chemie usw.) wird die Festlegung und Definition der Fachausdrücke und der ihnen zugrunde liegenden Begriffe oder Sachverhalte nicht als Semantik, sondern als Terminologie (term = Ausdruck, Wort) oder Nomenklatur bezeichnet. In der Dokumentation arbeiten wir meistens für ein Fachgebiet und mit dessen Fachsprache, deshalb sprechen wir mehr von Terminologie als von Semantik.

6.3

Homonyme

Wird für zwei oder mehrere verschiedene Begriffe die gleiche Benennung verwendet, so nennt man dies ein Homonym. Innerhalb der Homonyme werden Homofone und Homografe unterschieden. Homofone unterscheiden sich zwar in der Schreibweise, nicht jedoch in der Sprechweise. Beispiele für Homofone sind Lerche  Lärche; Mohr  Moor; ma-

58

Thema 6

len  mahlen; Schmid  Schmidt. Homofone machen in der Dokumentation  da üblicherweise die Sachverhalte schriftlich vorliegen  keine Schwierigkeiten. Lediglich wenn eine große Anzahl von Namen (Patientennamen) übermittelt werden, kann es zweckmäßig sein, alle Homofone wie einen Namen zu behandeln, also z.B. zwischen Meir, Meier, Meyr, Mair, Maier, Mayr und Mayer nicht zu unterscheiden. Während sich Homofone nicht in der Sprechweise unterscheiden, unterscheiden sich Homografe nicht in der Schreibweise. Beispiele für Homografe sind „Geschichte“ im Sinne der Historie und im Sinne einer Erzählung; „Ton“ als Material, in der Musik oder als Farbton; „Pass“ im Gebirge und als Reisepass. Homonyme, die sich weder in der Schreib- noch in der Sprechweise unterscheiden, nennt man auch Polyseme (vieldeutige Wörter). Homografe bringen in der Dokumentation Probleme mit sich; wenn im Folgenden von Homonymen gesprochen wird, so sind das praktisch immer Homografe. Die Anzahl der Homonyme ist erheblich größer als üblicherweise angenommen wird. Nach ihrer Entstehung und nach dem Zusammenhang zwischen den Begriffen, die die gleiche Benennung haben, werden verschiedene Varianten der Homonyme unterschieden: x

Bei echten Homonymen ist kein sachlicher Zusammenhang zwischen den homonymen Begriffen vorhanden, zumindest nicht mehr erkennbar. Beispiele: Tenor als Stimmlage und als Urteilsformel, als Sinn einer Sache. Der griechische Gott Titan und das nach ihm benannte Metall Titan. Stift als Bleistift, Nagel und dergleichen, als Lehrling und als fromme Stiftung, Altersheim. Kanton als eine Stadt in China und für die schweizerischen Bundesbezirke. Rentier als Tier in Lappland und Rentier mit französischer Betonung als Rentner. diskret im Sinne von verborgen, verschwiegen, verdeckt und im Sinne von diskontinuierlich, in Stufen, mit Sprungstellen.

x

Viele Homonyme gehen auf den gleichen Begriff zurück, jedoch haben sich die Bedeutungen inzwischen so weit auseinander entwickelt, dass es heute verschiedene Begriffe sind. Beispiele: Früher wohnten die Heiden (Nicht-Christen) in der Heide (Landschaft). Die Musikkapelle wirkte in der Kapelle (kleine Kirche). Das Schloss (Gebäude) war durch ein Türschloss verschlossen. Die Stadt Luxemburg ist die Hauptstadt des Großherzogtums Luxemburg.

x

Viele Begriffe lassen sich im wörtlichen und im übertragenen Sinne gebrauchen. Beispiele: Verzetteln im wörtlichen Sinne heißt, etwas auf Zettel schreiben, eine Kartei anlegen und im übertragenen Sinne sich in Kleinigkeiten verlieren. Auspacken z.B. eines Koffers und auspacken übertragen und umgangssprachlich für Geheimnisse verraten. Schmieren (technisch) und schmieren im Sinne von bestechen.

x

Eine weitere sehr große Anzahl von Wörtern hat in Fachsprachen eine andere oder speziellere Bedeutung als in der allgemeinen Sprache.

Begriff und Benennung

59

Beispiele: Masse allgemeinsprachlich, in der Physik, in der Elektrotechnik. Allgemeinsprachlich ist Term ein Wort, in der Mathematik ein Glied einer Summe. Ein Anker kann sein ein Schiffsanker, das von einem Elektromagneten angezogene Teil, der Rotor eines Elektromotors, in einer mechanischen Uhr ein Teil der Steigradhemmung, eine eiserne Zugstange zum Zusammenhalten von Bauteilen (Maueranker) oder der Einstiegspunkt in eine EDV-gespeicherte Datei. x

Schließlich gibt es Wörter mit einer so breiten unspezifischen Bedeutung, dass sie für sich alleine fast bedeutungslos sind und in Verbindung mit anderen Wörtern die unterschiedlichsten Bedeutungen haben können. Ein Beispiel ist das Wort Anlage mit den Verbindungen Erbanlage, Parkanlage, Geldanlage, Eisenbahnanlage usw. Ein anderes Beispiel ist das Wort System mit den Verbindungen Röhrensystem, Computersystem, Baukastensystem, Verteidigungssystem, Nervensystem, politisches System.

6.4

Synonyme

Existieren für denselben Begriff verschiedene Benennungen, so nennt man diese Synonyme. Man unterscheidet Vollsynonyme, Quasisynonyme und Teilsynonyme. a)

Vollsynonyme Bei Vollsynonymen liegt den verschiedenen Benennungen genau der gleiche Begriff zugrunde. Vollsynonyme entstehen insbesondere dadurch, dass es für dieselbe Sache volkstümliche und wissenschaftlich-fachliche Bezeichnungen gibt. Beispiele dafür sind Leberentzündung – Hepatitis; Kochsalz  Natriumchlorid; Gänseblümchen  Bellis perennis; Bücherei  Bibliothek. Auch führen regionale Sprachunterschiede zu Vollsynonymen. Beispiele sind Kaninchen  Karnickel; Topf  Pott; Vesperbrot  Jause. Vollsynonyme entstehen auch durch Übernahme von fremdsprachlichen (Fach-) Ausdrücken. Beispiele EDV-Anlage  Computer; Gehweg  Trottoir; Meer  Ozean; systematischer Fehler  Bias; Deutschland  Germany. Auch sind Kurzformen von Bezeichnungen Vollsynonyme der vollständigen Bezeichnung. Beispiele sind Bus  Omnibus; Rudi  Rudolf; Trafo  Transformator; Akku  Akkumulator. Weiterhin sind Abkürzungen und ihr Volltext praktisch Vollsynonyme. Beispiele: VW  Volkswagen®; kW  Kilowatt; EDV  Elektronische Datenverarbeitung. Auch ein Akronym1 und die ihm zugehörige volle Benennung sind Vollsynonyme. Schließlich entstehen Vollsynonyme noch durch unterschiedliche Schreibweisen des gleichen Wortes. Beispiele: Karzinom  Carcinom; Grafik  Graphik; Schi  Ski.

_______________ 1

Ein Akronym ist ein Kunstwort, das aus den Anfangsbuchstaben einer Wortfolge oder aus abgekürzten Wörtern gebildet wird. Beispiele: Aids = aquired immune deficiency syndrom Radar = radio detecting and ranging Quasar = quasi-stellare Radiowelle Eine Abkürzung ist als solche erkenntlich (z.B. DB, SPD, GMDS), während man einem Akronym seine Entstehung nicht mehr ansieht. Ein Akronym wird wie ein normales Wort verwendet und kann auch Vorzugsbenennung (siehe 6.8e) werden.

60 b)

Thema 6 Quasisynonyme Quasisynonyme sind Benennungen, die zwar zu dem gleichen Begriff führen, aber doch fein nuancierte Unterschiede zum Ausdruck bringen. In der Umgangssprache sind Quasisynonyme viel häufiger als Vollsynonyme. Sie entstehen in der Sprache vor allem bei Begriffen, zu denen starke gefühlsmäßige Bindungen bestehen. Beispiele für Quasisynonyme sind Pferd  Gaul; Personenkraftwagen (Pkw)  Auto; Frau Weib; Militär  Kommiss  Barras.

c)

Teilsynonyme Teilsynonyme (englisch: near synonyms) bezeichnen Begriffe, die in wesentlichen Bereichen übereinstimmen, aber nicht identisch sind. Sie entstehen häufig, indem der Name eines Teils für den Namen des Ganzen benützt wird. Beispiele für Teilsynonyme sind Holland  Niederlande; Rad  Fahrrad; Ei  Hühnerei. Oft ist der Übergang von Teilsynonymen zu Benennungen für Teile und Unterbegriffe fließend.

In der dokumentarischen Praxis ist es oft schwierig, zwischen Teilsynonymen und Quasisynonymen zu unterscheiden. Deshalb fasst man diese häufig zusammen und spricht von Teilund Quasisynonymen. Ein Begriff kann sowohl homonyme als auch synonyme Benennungen haben. Dies kommt sogar häufiger vor als üblicherweise angenommen wird (s. Abb. 6.1).

6.5

Problem der Homonyme

In der Umgangssprache ergibt die mehrfache Bedeutung der Homonyme nur selten Schwierigkeiten, da die aktuelle Bedeutung des Homonyms sich fast immer aus dem Kontext und dem Sinnzusammenhang ergibt. In der Dokumentation dagegen werden viele Wörter als Deskriptoren ohne jeden Textzusammenhang verwendet. Dabei ist die Gefahr eines Missverständnisses durch Homonyme groß. Insbesondere kann es vorkommen, dass beim Indexieren ein Homonym in der einen, beim Recherchieren in der anderen Bedeutung verwendet wird. Werden Homonyme als Schlagwörter oder Deskriptoren verwendet, so werden bei der Recherche Dokumentationseinheiten selektiert, die für die gestellte Suchfrage gar nicht relevant sind, es fällt also beim Retrieval Ballast an. Beispiel: Zu einer Suchfrage über Messen (Verkaufsausstellungen) werden auch Dokumente selektiert, die von den Speiseräumen in Kasernen und Schiffen (im Sinne von Offiziersmesse) oder von katholischen Gottesdiensten (Heilige Messe) handeln.

6.6

Problem der Synonyme

Synonyme machen die Umgangssprache vielseitiger, abwechslungsreicher und nuancierter. In der Dokumentation bereiten die Synonyme erhebliche Schwierigkeiten. Wird z.B. einer Dokumentationseinheit der Deskriptor „Karzinom“ indexiert und später wird unter „Krebs“ gesucht, so wird diese Dokumentationseinheit nicht selektiert, obwohl sie für die Suchfrage relevant ist. Homonyme und Synonyme sind also auch hier Antagonisten: Während das Problem der Homonyme dazu führt, zu viele und unrelevante Dokumentationseinheiten zu selektieren, führt das Problem der Synonyme dazu, zu wenige Dokumentationseinheiten zu selektieren und für die Suchfrage relevante Dokumente nicht mehr wieder zu finden.

Begriff und Benennung

Benennungen

61

Begriffe Riemen, technisch, im Sinne von Transmission, Flachriemen, Keilriemen, Keilrippenriemen.

Riemen

Ruder im Sinne von rudern, Ruderboot, Ruderclub. Riemen ist ein mit beiden Händen bedientes Ruder eines Ruderbootes. Ruder Ruder im Sinne von Steuerruder, Rudergänger. Leitwerk eines Schiffes. Topf im Sinne von Kochtopf. Kleiner, oben offener Behälter. Topf

Topf im übertragenen Sinne, eine Menge von Elementen, die untereinander nicht unterschieden werden, sich jedoch nach außen abgrenzen. Topf im Sinne von "in einen Topf werfen", "aus verschiedenen Töpfen finanzieren".

Pott geringschätzig für Schiff, altes Schiff.

Abb. 6.1

6.7

Beispiele für Begriffe, die sowohl Homonyme als auch synonyme Benennungen haben.

Überwindung des Problems der Homonyme

Das in der Dokumentation auftretende Problem der Homonyme kann auf folgende Weisen angegangen und gelöst werden, wobei auch mehrere Vorgehensweisen nebeneinander eingesetzt werden können. a)

Thematische Begrenzung Durch die thematische Begrenzung einer Dokumentation, z.B. auf medizinische Diagnosen oder z.B. auf anorganische chemische Verbindungen, fallen viele Bedeutungen eines Homonyms außerhalb des dokumentarisch bearbeiteten Fachgebiets und sind damit unrelevant. In einer Dokumentation zur Botanik fallen z.B. für das Wort „Mark“ die Bedeutungen Knochenmark, Mark als männlicher Vorname, Mark als frühere Währungseinheit, Mark als Grenze und Mark im übertragenen Sinne als der Kern einer abstrakten Sache weg. Damit ist allein durch die thematische Begrenzung der Dokumentation auf die Botanik das Homonym „Mark“ eindeutig geworden (falls es in einer Dokumentation zur Botanik nicht notwendig ist, zwischen Fruchtmark, Mark bei Stauden, Mark bei Bäumen zu unterscheiden).

62 b)

Thema 6 Zusätze Homonyme werden durch Zusätze eindeutig gemacht und dann als verschiedene Wörter behandelt. Zum Beispiel sind dann „Angström (Längenmaß, 10-10 m)“, „Angström (schwedischer Wissenschaftler)“, „gerade (geradlinig)“, „gerade (durch 2 teilbar)“ und „gerade (direkt)“ fünf verschiedene Deskriptoren. Das Eindeutigmachen von Homonymen durch Zusätze wird in der Dokumentation häufig angewandt.

c)

Sichtbarmachen hierarchischer Begriffsstrukturen Anstelle von Zusätzen können Homonyme auch durch Sichtbarmachen der hierarchischen Begriffsstrukturen eindeutig gemacht werden. Dazu sind zu jedem Begriff die übergeordneten, gleichgeordneten und untergeordneten Begriffe anzugeben (s. Thema 8: Hierarchische Begriffsstrukturen).

d)

Systematische Anordnung Stehen Wörter in einem Kontext oder in einer sachlichen Anordnung, so geht bei Homonymen die jeweilige Bedeutung aus dem Zusammenhang bzw. aus der sachlich-systematischen Anordnung hervor. Dies ist einer von mehreren Gründen, warum Deskriptoren oft systematisch geordnet werden. Die systematische Anordnung wird in den Themen 8 und 9 noch ausführlich behandelt.

e)

Logische Verknüpfungen Durch š-Verknüpfung verwandter Begriffe der erwünschten Bedeutung des Homonyms und der ™-Verknüpfungen mit verwandten Begriffen der unerwünschten Bedeutung kann das Selektieren von Dokumenten mit der unerwünschten Bedeutung des Homonyms eingeschränkt werden. Dieses Verfahren ist vor allem bei der Freitextsuche (siehe Thema 24) wichtig. Beispiel: Die formale Suchfrage Bank š (Geld › Konto › Sparen › Kredit › Darlehen) š ™ (Möbel › Sitzgelegenheit › Tisch) wird vorwiegend Dokumente zu Bank in der Bedeutung Geldinstitut selektieren. (Die Zeichen š, › und ™ werden in Thema 37 erläutert.)

6.8

Überwindung des Problems der Synonyme

Wie zur Überwindung des Problems der Homonyme gibt es auch verschiedene Möglichkeiten, das Problem der Synonyme zu überwinden. Dabei werden ebenfalls meist einige dieser Möglichkeiten nebeneinander angewandt. a)

Unter allen Synonymen suchen Beim Indexieren werden keine besonderen Maßnahmen ergriffen und dafür muss der Rechercheur unter allen Voll-, Teil- und Quasisynonymen suchen. Für den Rechercheur ist es jedoch ziemlich schwierig, bei jeder Recherche sich alle infrage kommenden Voll-, Teil- und Quasisynonyme einfallen zu lassen. Oft werden einige Synonyme vergessen und das Retrievalergebnis wird unvollständig.

Begriff und Benennung b)

63

Allgemeine Benennungsregeln Durch allgemeine Regeln kann eine gewisse Einheitlichkeit der Benennungen erreicht werden. So kann z.B. für die Dokumentation eines Krankenhauses oder für ein Ordnungssystem klinischer Diagnosen vereinbart werden, dass nur die wissenschaftlichen griechisch-lateinisch-englischen Fachausdrücke (Fremdwörter), nicht aber die volkstümlichen Bezeichnungen verwendet werden. Diese Entscheidung ist sinnvoll, wenn die Dokumentation nur von Ärzten benutzt wird. Ist die Dokumentation dagegen für medizinische Laien, so wird gerade umgekehrt entschieden und es werden nur die volkstümlichen Benennungen verwendet. Es ist also weniger wichtig, wie entschieden wird, sondern es kommt darauf an, dass einheitlich verfahren wird. Ein einheitliches Vorgehen innerhalb eines Ordnungssystems und innerhalb einer Dokumentation empfiehlt sich auch dringend bei verschiedenen Schreibweisen (K  C  Z), bei der Verwendung der Wörter in der Einzahl oder Mehrzahl, bei Kurzformen und Abkürzungen, bei Akronymen, bei amtlich verwendeten Bezeichnungen, bei regional bevorzugten Benennungen und bei fremdsprachlichen Wörtern.

c)

Gebundenes Indexieren Durch gebundenes Indexieren, also durch die Verwendung eines Ordnungssystems, wird vorab festgelegt, welche von mehreren synonymen Benennungen in einer Dokumentation ausschließlich verwendet wird. Diese Benennung bezeichnet man  da sie gegenüber den anderen Benennungen dieses Begriffs vorgezogen wird  als Vorzugsbenennung (englisch: preferred term, authorized term, accepted term oder controlled term). Vorzugsbenennungen sollten genau, unverwechselbar und allgemeinverständlich sein. Benennungen, die keine Vorzugsbenennungen sind, heißen Nicht-Vorzugsbenennungen (englisch: forbidden terms oder non keyword terms). Sie dürfen zum Indexieren und Recherchieren nicht benutzt werden. Einfache Ordnungssysteme enthalten nur Vorzugsbenennungen. Komfortable Ordnungssysteme enthalten neben den Vorzugsbenennungen auch Nicht-Vorzugsbenennungen. Bei jeder Benennung ist ersichtlich, ob es sich um eine Vorzugsbenennung oder um eine Nicht-Vorzugsbenennung handelt. Bei Nicht-Vorzugsbenennungen ist zusätzlich angegeben, welche Vorzugsbenennung zu verwenden ist. Eine Vorzugsbenennung ist dasselbe wie ein Deskriptor. Die Bezeichnung Vorzugsbenennung drückt aus, dass von mehreren Benennungen eine bevorzugt zu verwenden ist, während die Bezeichnung Deskriptor ausdrückt, dass der Inhalt von Dokumenten und Suchfragen deskribiert, beschrieben wird.

d)

Synonymbrücken Enthält ein Ordnungssystem synonyme Benennungen, ohne eine Vorzugsbenennung festzulegen, so muss gewährleistet sein, dass, unabhängig davon, welche der synonymen Benennungen benutzt wird, dasselbe Ergebnis erzielt wird. Dazu werden im Ordnungssystem so genannte Synonymbrücken geführt. Das ist ein Verzeichnis, welche Benennungen synonym sind. Im einfachsten Fall führen synonyme Eingänge eines Ordnungssystems, z.B. der Eingang Leberentzündung und der Eingang Hepatitis auf die gleiche Notation. Anstatt von Synonymbrücken spricht man auch von impliziten Äquivalenzklassen.

64

Thema 6 Die Synonymbrücken können auch der Retrievalsoftware zur Verfügung gestellt werden. Dann wird jede Suchfrage automatisch um ihre Synonyme erweitert, d.h. – um bei dem genannten Beispiel zu bleiben – die Suchfrage „Leberentzündung“ wird vor Abfrage der Datenbank in „Leberentzündung › Hepatitis“ umgewandelt. Ebenso wird mit der Suchfrage „Hepatitis“ verfahren.

e)

Äquivalenzklassen Wollte ein Dokumentar alle Nuancen, die in Teil- und Quasisynonymen enthalten sind, erfassen und verwerten, so müsste er  falls es ihm überhaupt einigermaßen gelänge  einen völlig ungerechtfertigten und unwirtschaftlichen Aufwand treiben. Für die Dokumentation ist es viel zweckmäßiger, zwar unterscheidbare, aber doch mehr oder weniger eng verwandte Begriffe zusammenzufassen. Begriffe, zwischen denen in einem Ordnungssystem nicht unterschieden wird, bilden eine Äquivalenzklasse. Bildlich gesprochen werden also verwandte Begriffe in einen Topf geworfen. Da das Bilden von Äquivalenzklassen nur das Problem der Teil- und Quasisynonyme löst, erhält jede Äquivalenzklasse eine Vorzugsbenennung, die alle in der Äquivalenzklasse zusammengefassten Begriffe repräsentiert. Deshalb wird das Bilden von Äquivalenzklassen und das Festlegen der Vorzugsbenennungen zusammen angewandt und auch in einem Atemzug genannt. Beispiel: Äquivalenzklasse:

Araberpferd, Berberpferd, Brauner, Falbe, Fohlen, Fuchs, Füllen, Gaul, Haflinger, Hannoveranerpferd, Hengst, Holsteinerpferd, Islandpony, Jährling, Kaltblut, Klepper, Lipizzaner, Mähre, Oldenburgerpferd, Pony, Pferd, Rappe, Remonte, Ross, Schecke, Schimmel, Shetlandpony, Stute, Trakehner, Vollblut, Wallach.

Vorzugsbenennung:

Pferd

Wie unterschiedlich die Begriffe sein dürfen, die zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst werden, muss in jedem Einzelfall überlegt werden. Es ist zweckmäßig, in den Hauptinteressensgebieten enge, in den Randgebieten weite Äquivalenzklassen zu definieren oder mit anderen Worten, für Kerndeskriptoren des Ordnungssystems enge, für Randdeskriptoren weite Äquivalenzklassen einzurichten. Einerseits sollen die Äquivalenzklassen eng sein, da beim Retrieval zwischen Begriffen, die in einer Äquivalenzklasse vereinigt sind, nicht mehr unterschieden werden kann. Andererseits sollten die Äquivalenzklassen breit sein, damit die Gesamtzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem nicht zu groß und das Indexieren nicht zu schwierig wird. Zum Beispiel kann es in einem Ordnungssystem zum Thema Kunststoff-Chemie durchaus zweckmäßig sein, alle asiatischen Länder zu einer einzigen Äquivalenzklasse mit der Vorzugsbenennung Asien zusammenzufassen. Eine so breite Äquivalenzklasse kann berechtigt sein, da die verschiedenen Länder Asiens nur wenig mit der Thematik dieses Ordnungssystems zu tun haben. Die gleiche Äquivalenzklasse wäre in einem Ordnungssystem für Geografie völlig unsinnig.

Begriff und Benennung f)

65

Äquivalenzverweise Enthält ein Ordnungssystem sowohl Vorzugsbenennungen als auch Nicht-Vorzugsbenennungen, so wird mit „siehe“ von der Nicht-Vorzugsbenennung auf die zugehörige Vorzugsbenennung verwiesen. Aber auch bei der Vorzugsbenennung werden mit „enthält“ die Nicht-Vorzugbenennung aufgeführt und damit die Äquivalenzklasse dargestellt. Das vorige Beispiel ergibt dann: Araberpferd Berberpferd Brauner . . . Pferd . . . Wallach

siehe siehe siehe

Pferd Pferd Pferd

enthält

Araberpferd, Berberpferd, Brauner ... Wallach

siehe

Pferd

Ein Siehe-Verweis und der zugehörige Enthält-Verweis – z.B. „Araberpferd siehe Pferd“ und „Pferd enthält Araberpferd“ – enthalten praktisch die gleiche Information in umgekehrter Blickrichtung und bilden somit ein Verweispaar. Die Prinzipien der Verweisungen werden noch mehrmals behandelt, z.B. werden in Thema 8.5f die hierarchischen Verweise und in Thema 16.6 die Verweistypen eines Ordnungssystems dargestellt. Die Äquivalenzverweise des Ordnungssystems können auch der Retrievalsoftware zur Verfügung gestellt werden. Kann die Retrievalsoftware die Äquivalenzverweise des Ordnungssystems benutzen, so kann sie die in der Suchfrage enthaltenen Nicht-Vorzugsbenennungen durch die jeweilige Vorzugsbenennung ersetzen und dann die Datenbank abfragen, also z.B. bei der vom Benutzer gestellten Suchfrage „Lipizzaner“ automatisch „Pferd“ abfragen. Eine analoge Prozedur ist beim Einspeichern möglich: Teilt der Indexierer (irrtümlich oder aus Bequemlichkeit) einer Dokumentationseinheit eine Nicht-Vorzugsbenennung zu (z.B. Wallach), so ersetzt das Aufbereitungsprogramm diese durch die zugehörige Vorzugsbenennung (im Beispiel Pferd) und speichert sie ein. g)

Systematische Anordnung Das systematische Anordnen der Wörter kann nicht nur das Problem der Homonyme, sondern auch das Problem der Teil- und Quasisynonyme überwinden. Durch die systematische Anordnung werden nicht die Benennungen, sondern die Inhalte der Benennungen, nämlich die Begriffe, geordnet. Damit stehen sachlich verwandte Begriffe beieinander, man kann zu jedem Begriff die ihm sachlich verwandten Begriffe des Ordnungssystems erkennen und daraus entnehmen, zwischen welchen Begriffen in diesem Ordnungssystem unterschieden wird und welche Begriffe zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst wurden. Die in der systematischen Anordnung verwendeten Wörter sind Vorzugsbenennungen. Somit löst eine systematische Anordnung das Problem der Homonyme, das der Vollsynonyme und das der Teil- und Quasisynonyme. Die systematische Anordnung wird in den Themen 8 und 9 noch ausführlich behandelt.

66

Thema 6

6.9

Terminologische Kontrolle

Alle Maßnahmen, die direkt oder indirekt der Definition und Abgrenzung der Begriffe und der Zuordnung von Benennungen und Begriffen dienen, werden als terminologische Kontrolle bezeichnet. Auf eine gute terminologische Kontrolle ist beim Indexieren und Recherchieren, ja bei fast allen dokumentarischen Tätigkeiten sorgfältig zu achten. Letztlich dient die terminologische Kontrolle dazu, dass alle an der Dokumentation Beteiligten, einschließlich des Benutzers der Dokumentation, unter den Deskriptoren die möglichst gleichen Begriffe bilden. Eine perfekte terminologische Kontrolle lässt sich nur anstreben; sie kann, da Begriffe innerpsychische Prozesse sind, prinzipiell nicht perfekt sein. Gedanken, Bausteine und Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle werden unter verschiedenen Themen angesprochen, sind aber als Thema 28 (Terminologische Kontrolle) noch einmal zusammengestellt.

6.10 Fragen F6.1

Geben Sie je 4 Beispiele für a) Vollsynonyme, b) Teil- und Quasisynonyme, c) Homonyme, die noch nicht erwähnt sind.

F6.2

Zählen Sie die Lösungsmöglichkeiten für a) das Problem der Vollsynonyme, b) das Problem der Teil- und Quasisynonyme, c) das Problem der Homonyme auf.

F6.3

Können in einem Ordnungssystem auch Benennungen auftreten, die keine zugelassenen Deskriptoren sind?

F6.4

Ist für a) das Indexieren, b) das Recherchieren eine Notation dringend notwendig?

F6.5

Ein Deskriptor und eine Vorzugsbenennung sind zwar praktisch das Gleiche, jedoch drücken beide Benennungen unterschiedliche Aspekte aus. Erläutern Sie diese Aspekte.

Begriff und Benennung F6.6

67

Gegeben sind folgende Wörter: Appendizitis Auto Bank Blinddarmentzündung Bruch Harn Kleiderschrank

Leistenhernie (Leistenbruch) Möbel Stuhl Pkw Tisch Urin Fraktur (Knochenbruch)

a) Welche der obigen Wörter sind Homonyme? b) Welche der obigen Wörter sind Synonyme? Stellen Sie die Synonyme zusammen. F6.7

Wie kann man Begriffe ohne sie zu benennen (!) in einem Ordnungssystem systematisch darstellen?

F6.8

Im Idealfalle gibt es für einen Begriff nur eine Benennung und jede Benennung ist nur einem Begriff zugeordnet. Diese ein-eindeutige Zuordnung von Begriff und Benennung lässt sich folgendermaßen darstellen: Benennung

Begriff

Stellen Sie in dieser Darstellungstechnik 2 Vollsynonyme, 1 Homonym und 2 Homonyme dar. Umranden Sie alle Benennungen mit einem Oval, alle Begriffe mit einem Kasten.

Thema 7:

Ordnungsprinzip Klassifikation 7.1

Ordnungssysteme und Ordnungsprinzipien

Wie bereits in Thema 1.5 (Ordnungssystem) dargestellt, braucht man für gebundenes Indexieren ein Ordnungssystem. Ordnungssysteme können nach verschiedenen Grundideen, den Ordnungsprinzipien, aufgebaut sein. Wir behandeln in diesem Buch die vier Ordnungsprinzipien x x x x x

Klassifikation, Register (Thema 11), Fassettenklassifikation (Thema 13), Begriffskombination (Thema 14), und die Freitextsuche (Thema 24).

Eine andere Einteilung der Ordnungslehre in weniger oder mehr als vier Ordnungsprinzipien ist sehr wohl denkbar. Außer im Ordnungsprinzip unterscheiden sich die Ordnungssysteme in der dokumentarisch bearbeiteten Thematik (z.B. Innere Medizin, Organische Chemie, Pflanzenbau), in der angestrebten Indexierungsgenauigkeit, in den im Ordnungssystem enthaltenen Indexierungshilfen (dem „Komfort“ des Ordnungssystems) usw. Es gibt sowohl Ordnungssysteme, die weltweit verwendet werden, als auch Ordnungssysteme, die individuell entwickelt wurden und nur in einer einzigen Dokumentationsstelle benutzt werden.

7.2

Grundsätzliches zum Ordnungsprinzip Klassifikation

Von allen Ordnungsprinzipien ist die Klassifikation das einfachste. Es beruht auf dem Grundsatz: „Jedes Ding (jeder Sachverhalt) an seinen Platz“. Das zu dokumentierende Sachgebiet wird in einzelne getrennte Sachverhalte eingeteilt, die man als Klassen bezeichnet. Bildlich gesprochen werden also die einzelnen Sachverhalte eines Sachgebiets in die Fächer oder Schubladen eines Schrankes eingeordnet. Die einzelnen Fächer oder Klassen sind disjunkt, d.h. sie schließen sich gegenseitig aus und überlappen sich nicht. Jede Klasse wird durch einen Deskriptor repräsentiert. Die Klassen einer Klassifikation sind gleichzeitig Äquivalenzklassen von Begriffen. Im strengen Fall ist die Zuordnung einer Dokumentationseinheit zu einer Klasse eindeutig, d.h. eine Dokumentationseinheit wird genau einer Klasse zugeteilt. Eine Klassifikation ist einfach und praktisch. Sie ist sozusagen das „natürliche Ordnungsprinzip“. Beispiele für Klassifikationen sind: x

Mutters Wäscheschrank,

x

die meisten Magazinordnungen und Ersatzteillager (falls sie nicht als reine Lager nach Signatur, Ersatzteilnummer oder dergleichen geordnet sind),

x

das Aufstellungsprinzip in einer Freihandbibliothek.

Ordnungsprinzip Klassifikation

7.3

69

Aufteilung des Sachgebiets

Ein Klassifikationssystem  ein Ordnungssystem, das nach dem Ordnungsprinzip Klassifikation aufgebaut ist  muss vollständig sein. Vollständig sein bedeutet, dass die Klassen alle Sachverhalte des dokumentarisch zu bearbeitenden Sachgebiets umfassen. Ein Klassifikationssystem kann auch mit einem Mosaik verglichen werden. Dabei entsprechen die Klassen den Mosaiksteinchen, das komplette Ordnungssystem dem vollständigen Mosaikbild und das Ordnungsprinzip Klassifikation der Kunsttechnik des Mosaiks. Wichtig ist, dass in dem Mosaikbild keine Steinchen fehlen bzw. dass alle Sachverhalte im Ordnungssystem vorhanden sind und es keine Dokumentationseinheiten und keine Suchfragen gibt, die nicht in die Klassifikation eingeordnet werden können. Durch Schaffung einer Klasse „sonstiges“ oder besser durch die Schaffung mehrerer Klassen mit dem Zusatz „sonstiges“ (z.B. sonstige Knochenerkrankungen, sonstige Blutkrankheiten, sonstige Krankheiten des Verdauungstraktes) wird die geforderte Vollständigkeit des Klassifikationssystems sozusagen durch ein Hintertürchen formal erreicht. Andererseits gehört es zum Prinzip der Mosaiktechnik, dass an jeder Stelle des Mosaiks nur ein Steinchen sein kann, d.h. dass die Klassen disjunkt sind. Die Klassen einer Klassifikation können unterschiedlich große Sachverhalte abdecken. Im Zentrum der bearbeiteten Thematik sind die Klassen meist sehr speziell und eng, am Rande der bearbeiteten Thematik dagegen allgemein und weit. Auch in dieser Hinsicht passt der Vergleich mit einem Mosaik: An wichtigen Stellen will der Künstler detailliert darstellen und verwendet kleine Steinchen, an anderen Stellen mit größeren Steinen nur grob skizzieren.

7.4

Anordnung der Deskriptoren

Um auf die einzelnen Klassen bequem und sicher zugreifen zu können, werden sie hierarchisch oder anderweitig systematisch angeordnet. Eine hierarchische oder anderweitig systematische Anordnung trägt, wie in den beiden folgenden Themen ausführlich behandelt wird, erheblich zur terminologischen Kontrolle bei. In der Klassifikation verbindet sich also das einfachste Ordnungsprinzip und die einfachste Form der terminologischen Kontrolle. Deshalb sind Klassifikationen weit verbreitet.

7.5

Direkte Ablage der Dokumentationseinheiten (Freihandaufstellung)

Dokumentationsstellen, die mit einem klassifikatorischen Ordnungssystem arbeiten, können im einfachsten Fall ihre Dokumentationseinheiten direkt in das Ordnungssystem ablegen. Stellt man sich ein Klassifikationssystem als einen Schrank oder ein Regal mit Fächern, als verschiedene Schubladen, Kisten, Häufchen usw. vor, so ist das Ordnungssystem die Beschriftung der einzelnen Fächer, Schubladen, Kisten, Häufchen usw. Die Dokumentationseinheiten können unmittelbar im zutreffenden Fachboden, in der zutreffenden Schublade oder Kiste oder auf das zutreffende Häufchen abgelegt werden (direkte Ablage).

70

Thema 7

Die direkte Ablage der Dokumentationseinheiten unter ihrem Inhalt gibt es schon seit alters her in den Bibliotheken; sie heißt dort Freihandaufstellung. Eine Freihandaufstellung ist sowohl Katalog als auch Magazin. Im Gegensatz zum geschlossenen Magazin sind bei der Freihandaufstellung die Bücher für den Benutzer frei zugänglich. Bei der direkten Ablage sollte aus praktischen Gesichtspunkten heraus die Anzahl der Deskriptoren (= Anzahl der Aufstellungsplätze) klein sein. Freihandaufstellungen, die nicht mehr in einem größeren Zimmer untergebracht werden können oder größenordnungsmäßig mehr als 104 Dokumente umfassen, sind erfahrungsgemäß zu groß. Freihandaufstellungen erlauben einen beliebigen, wenn auch nicht sehr schnellen Zugriff, lassen keine logischen Verknüpfungen zu und können natürlich nicht vervielfältigt werden. Dagegen sind sie einfach in der Handhabung und ermöglichen das Schmökern (browsing) in der Dokumentation. Die Klassifikation ist das einzige Ordnungsprinzip, bei dem Ordnungssystem, Deskriptorenspeicher und Dokumentenspeicher zusammengefasst werden können. Bei allen anderen Ordnungsprinzipien ist zumindest die Trennung zwischen Ordnungssystem und Deskriptorenspeicher einerseits und Dokumentenspeicher andererseits notwendig. In größeren und gut ausgebauten Dokumentationen wird man jedoch auch dann, wenn mit einem Klassifikationssystem gearbeitet wird, dazu tendieren, sowohl das Ordnungssystem als auch den Deskriptorenspeicher als auch den Dokumentenspeicher getrennt zu führen und z.B. das Ordnungssystem als ausgedruckte Liste, den Deskriptorenspeicher als Datenbank und den Dokumentenspeicher mit Regalen zu realisieren.

7.6

Signatur und Dokumentenspeicher

Obwohl bei einer Klassifikation eine Signatur nicht zwingend notwendig ist, kann es doch zweckmäßig sein, eine Signatur einzuführen und anstelle der Dokumentationseinheiten nur noch die Signaturen im Deskriptorenspeicher abzulegen. Die Dokumentationseinheiten selbst werden dann im Dokumentenspeicher, der praktisch immer als ein File ausgebildet ist, abgelegt. Ein Dokumentenfile bietet den organisatorischen Vorteil, dass die Dokumentationseinheiten z.B. nach laufender Zugangsnummer oder nach verschiedenen Formaten und Größen abgelegt werden können. Bei der direkten Ablage der Dokumentationseinheit muss in jeder Klasse genug Platz vorhanden sein, um neue Dokumentationseinheiten, die dieser Klasse indexiert werden, aufnehmen zu können. Demgegenüber enthält das Dokumentenfile nur eine oder höchstens wenige Lücken. Daraus folgt, dass die Ablage im Dokumentenfile wesentlich weniger Raum beansprucht als die direkte Ablage.

7.7

Deskriptorenspeicher

Die Realisierung einer Klassifikation mit Schrank, Regal, Schubladen, Kisten oder Häufchen wurde bereits erwähnt. Wird mit einem Dokumentenfile und Signatur gearbeitet, so wurde früher als Deskriptorenspeicher meistens eine Kartei verwendet (siehe Thema 4.7). Heute wird der Deskriptorenspeicher auch bei Klassifikationen als Datei oder Datenbank realisiert. Formal und allgemein betrachtet ist der Deskriptorenspeicher eine Tabelle oder Matrix, bei der in den Spalten die Deskriptoren (Notationen) und in den Zeilen die Signaturen aufgetragen sind. Die Elemente dieser Dokumenten-Deskriptoren-Matrix sind null (Deskriptor trifft nicht zu) oder eins (Deskriptor wurde zugeteilt).

Ordnungsprinzip Klassifikation

7.8

71

Klassifikation ohne und mit Überlagerungen

Der Hauptnachteil einer Klassifikation besteht darin, dass das dokumentarisch bearbeitete Sachgebiet in disjunkte Klassen eingeteilt werden muss. Dies ist für viele Sachgebiete nicht ohne Zwang möglich. Auch wenn die Klassen des Ordnungssystems disjunkt sind, kann eine Dokumentationseinheit mehreren Klassen zugeordnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Dokumentationseinheit unter verschiedenen Gesichtspunkten verschiedenen Klassen zugehört. In der Praxis kann es unumgänglich sein, eine Dokumentationseinheit in mehrere Klassen abzulegen. Muss jede Dokumentationseinheit in genau einer Klasse abgelegt werden, so spricht man von einer strengen Klassifikation oder einer Klassifikation ohne Überlagerung. Ist die Einordnung einer Dokumentationseinheit in mehrere Klassen zugelassen, so spricht man von einer Klassifikation mit Überlagerungen. Ist die Möglichkeit der Überlagerung nicht ausgeschlossen, so muss bei direkter Ablage jede Dokumentationseinheit, der mehr als ein Deskriptor indexiert wird, dupliziert werden und sowohl die Original-Dokumentationseinheit als auch eine oder mehrere Kopien eingestellt werden. Anstelle einer kompletten Kopie der Dokumentationseinheit kann auch ein so genannter Stellvertreter, das ist ein Zettel oder eine Karte mit dem Hinweis, wo die Dokumentationseinheit tatsächlich steht, verwendet werden. Ist Überlagerung zugelassen, so empfiehlt es sich unbedingt, einen separaten Dokumentenspeicher einzurichten, da es keine Schwierigkeiten bereitet, die Signatur der Dokumentationseinheit in mehreren Klassen zu führen und abzulegen. Ein wichtiger Vorteil eines Dokumentenfiles ist also, dass bei Dokumentationseinheiten, denen mehr als ein Deskriptor indexiert wurde, keine technischen Probleme auftreten. Die Entscheidung, ob überlagert werden darf oder nicht, wird von der Dokumentationsstelle gefällt und vom Ersteller des Ordnungssystems nur mittelbar durch die Gestaltung der Klassen vorweggenommen. Die Anzahl der Klassen, in die eine Dokumentationseinheit abgelegt werden darf, sollte im Regelfall auf zwei oder drei beschränkt werden. Andernfalls ist beim Recherchieren die Anzahl der Dokumentationseinheiten je Klasse sehr groß, oder es sind sehr viele kleine Klassen nötig.

7.9

Anzahl der Klassen

Die Anzahl der Klassen einer Klassifikation sollte einerseits möglichst groß sein, um eine hohe Indexierungsgenauigkeit zu erreichen und um damit genügend detaillierte Anfragen bearbeiten zu können. Andererseits sollte die Zahl der Klassen möglichst klein sein, damit das Ordnungssystem übersichtlich ist und mit ihm bequem und rationell gearbeitet werden kann. Die erforderliche Anzahl an Klassen im Ordnungssystem hängt sowohl von der gewünschten Indexierungsgenauigkeit als auch von der Größe der Dokumentation, d.h. von der Anzahl der aufzunehmenden Dokumentationseinheiten ab. Für große Dokumentationen mit vielen Dokumentationseinheiten und bei hoher Indexierungsgenauigkeit benötigt man viele Klassen, für kleine Dokumentationen mit nur wenigen Dokumentationseinheiten und bei geringer Indexierungsgenauigkeit nur wenige Klassen im Ordnungssystem.

72

Thema 7

Die mittlere Klassenbesetzung (mittlere Benutzungsfrequenz der Deskriptoren) eines Klassifikationssystems ist ein statistischer Erwartungswert und gibt an, wie viele Dokumentationseinheiten im Mittel einer Klasse zugeordnet werden. Sie ist definiert als: Mittlere Klassenbesetzung =

Anzahl der Dokumentationseinheiten u Überlagerungsfaktor Anzahl der Klassen

wobei der Überlagerungsfaktor angibt, wie vielen Klassen die Dokumentationseinheiten im Mittel zugeordnet werden. Für Dokumentationen ohne Überlagerung ist er 1. Die mittlere Klassenbesetzung ist in gewisser Weise ein Maß dafür, welche Indexierungsgenauigkeit erreicht wird und wie viele Dokumentationseinheiten im Mittel bei der Abfrage einer Klasse selektiert werden. Für kleine Dokumentationen und eine hohe Indexierungsgenauigkeit gilt eine mittlere Klassenbesetzung in der Größenordnung um 5, für große Dokumentationen und eine geringere Indexierungsgenauigkeit gilt eine mittlere Klassenbesetzung bis zu 30 Dokumentationseinheiten als brauchbar und vernünftig. Obige Formel umgeformt ergibt: Anzahl der Klassen =

Anzahl der Dokumentationseinheiten u Überlagerungsfaktor mittlere Klassenbesetzung

7.10 Minimale Varianz der Klassenbesetzungen Vom Ordnungsprinzip her gesehen können in einer Klasse beliebig viele Dokumentationseinheiten abgespeichert werden. Jedoch tragen Klassen, die sehr viele Dokumentationseinheiten enthalten (stark besetzte Klassen) und Klassen, die sehr wenige oder gar keine Dokumentationseinheiten enthalten (schwach oder unbesetzte Klassen), nur wenig zu einer guten Indexierungsgenauigkeit bei. Auch ist es bei Recherchen unangenehm, wenn eine Klasse sehr viel mehr Dokumentationseinheiten enthält, als der Benutzer bereit ist zu bearbeiten. Es ist anzustreben, dass die tatsächliche Besetzung jeder Klasse der mittleren Klassenbesetzung möglichst nahe kommt, d.h. dass alle Klassen etwa gleich stark besetzt sind bzw. dass die Anzahl der Dokumentationseinheiten, die einer Klasse z.B. im Laufe eines Jahres indexiert wurden, für alle Klassen etwa gleich groß ist. Wenig variierende Klassenbesetzungen bedeuten auch, dass jeder Deskriptor etwa gleich oft zum Indexieren verwendet wurde. Kann in einer Dokumentation eine kleine Varianz der Klassenbesetzungen erreicht werden, so ist das Ordnungssystem insofern optimal, als mit der gegebenen Anzahl von Klassen die größtmögliche Indexierungsgenauigkeit erreicht wird. Das Anstreben gleicher Klassenbesetzungen erfordert, dass die Klassen im Zentrum der Thematik, also die Kerndeskriptoren des Ordnungssystems, begriffsmäßig eng (im Sinne einer engen Äquivalenzklasse) gefasst werden müssen, da es viele Dokumentationseinheiten zum Zentrum der bearbeiteten Thematik gibt. Klassen, die am Rande der Thematik liegen, also Randdeskriptoren des Ordnungssystems, müssen dagegen viele oder weite Begriffe umfassen (im Sinne einer breiten Äquivalenzklasse), da für ein Randgebiet jeweils nur wenige Dokumentationseinheiten vorliegen.

Ordnungsprinzip Klassifikation

73

7.11 Notation und Schlüssel Die einzelnen Klassen bzw. die Deskriptoren können auch eine Notation erhalten. Häufig ist diese Notation numerisch. Klassifikationssysteme mit numerischer Notation nennt man auch Schlüssel. Das Indexieren mithilfe eines Klassifikationssystems nennt man klassifizieren oder klassieren, das Indexieren mithilfe eines Schlüssels verschlüsseln. Wird eine Notation eingeführt, so ist darauf zu achten, dass die Notation die Revision und Erweiterung des Klassifikationssystems nicht behindert. So zum Beispiel kann es zweckmäßig sein, zur Einführung neuer Klassen und ihrer Deskriptoren Stellen in der Notation frei zu halten.

7.12 Beispiele für Klassifikationssysteme Von allen Ordnungsprinzipien ist die Klassifikation am weitesten verbreitet und am häufigsten verwendet. Bei Nicht-Dokumentationsfachleuten gilt sie meist als Ordnungsprinzip schlechthin. In der Praxis gibt es sowohl sehr große Klassifikationssysteme mit sogar mehr als 104 Klassen (Beispiel: Internationale Klassifikation der Krankheiten ICD) als auch extrem kleine. Ein Beispiel für ein extrem kleines Klassifikationssystem kann die Frage nach dem Geschlecht auf einem Fragebogen sein mit den Klassen „männlich“, „weiblich“, „keine Angabe“ oder die Frage nach dem Familienstand mit den Klassen „ledig“, „verheiratet“, „verwitwet“, „geschieden“, „getrennt lebend“, „unbekannt“. Ein anderes Beispiel für eine Klassifikation mit direkter Ablage ist die im Sekretariat z.B. eines Firmenleiters, Politikers, Hochschullehrers oder Vorstandes übliche Schriftgutablage. Auch die Speicherung elektronischer Dokumente auf dem PC, z.B. mit Windows Explorer, ist eine Klassifikation mit direkter Ablage. Dokumentationseinheiten sind die eingegangenen Briefe, die Kopien der abgesandten Briefe, Sitzungs- und Tagungsunterlagen, Protokolle, Berichte, Manuskripte, Formulare, Datenlisten, Statistiken, Verzeichnisse usw. Die vorkommenden Themen und Aufgaben werden in Klassen eingeteilt, jede Klasse wird durch einen Ordner und dessen Beschriftung realisiert. Die Schriftstücke werden im jeweils zutreffenden Ordner abgeheftet, das neueste Schriftstück obenauf. Schwierigkeiten gibt es, wenn ein Schriftstück mehrere Klassen, z.B. eine Person, eine Institution und ein Sachthema, betrifft, d.h. wenn Überlagerungen erforderlich sind. Verzichtet man  was oft der Fall ist  auf einen vom Dokumentenspeicher abgetrennten und leistungsfähigen Deskriptorenspeicher, bleibt also im Wesentlichen bei der direkten Ablage, so können eine zusätzliche chronologische Ablage einer zweiten Kopie aller abgesandten Briefe, ein zusätzliches alphabetisches Namensverzeichnis von Personen mit Hinweisen auf die zugehörigen Schriftstücke und andere Ergänzungen hilfreich sein. Allerdings haben wir mit diesen „Ergänzungen“ das Ordnungsprinzip Klassifikation bereits verlassen.

7.13 Vor- und Nachteile der Klassifikation Die Vorteile der Klassifikation sind: x

Leicht verständliches und natürliches Ordnungsprinzip.

x

Bei der systematisch-hierarchischen Anordnung der Deskriptoren verbindet sich ein einfaches Ordnungsprinzip mit einer einfachen Form der terminologischen Kontrolle.

x

Ordnungssystem, Deskriptorenspeicher und Dokumentenspeicher können in der praktischen Realisierung zusammengefasst sein.

74

Thema 7

Nachteile der Klassifikation sind: x

Die Klassen müssen (sollten) sich gegenseitig ausschließen.

x

Für jeden Sachverhalt, für jede Dokumentationseinheit muss (sollte) eine  und möglichst nur eine  (genau) passende Klasse vorhanden sein.

x

Für eine detaillierte inhaltliche Erschließung (große Indexierungsgenauigkeit) werden viele Klassen benötigt.

x

Die systematische Anordnung der Deskriptoren macht in vielen Fachgebieten erhebliche Schwierigkeiten, die z.T. sachlich bedingt sind, z.T. aber auch Gegenstand der Diskussion verschiedener wissenschaftlicher Schulen sind.

Das Ordnungsprinzip Klassifikation ist hervorragend geeignet für kleine Dokumentationen. Bei großen Dokumentationen mit vielen Dokumentationseinheiten und guter Indexierungsgenauigkeit werden so viele Klassen benötigt, dass das Klassifikationssystem unübersichtlich, ja unbrauchbar wird und die Vorteile in die Nachteile umschlagen. Die Grenze der Klassifikation liegt bei etwa 103 bis allerhöchstens 104 Klassen. Klassifikationssysteme mit mehr als 104 Klassen sind unübersichtlich, ja meist unbrauchbar. Für so große Dokumentationen müssen aufwändigere, aber dafür leistungsfähigere Ordnungsprinzipien verwendet werden.

7.14 Fragen F7.1

Welche Grundidee steckt im Ordnungsprinzip Klassifikation?

F7.2

Können die Klassen einer Klassifikation linear angeordnet sein? Wenn ja, geben Sie ein Beispiel; wenn nein, warum nicht?

F7.3

Sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen dem Prinzip der Klassifikation und dem der Äquivalenzklassen? Wenn ja, welche?

F7.4

a) Was versteht man bei einer Klassifikation unter Überlagerung? b) Welche organisatorisch-technischen Voraussetzungen müssen in einer Dokumentationsstelle, die mit einem Klassifikationssystem arbeitet, gegeben sein, damit durch das Überlagern keine zusätzlichen Kosten und nur eine geringfügige Mehrarbeit entsteht?

F7.5

In einer Inneren Klinik soll der Bestand an Krankenakten durch eine Diagnosen-Dokumentation erschlossen werden. Dazu werden alle in der Klinik gestellten Diagnosen zu einem selbst entwickelten Klassifikationssystem zusammengestellt. Die meisten Patienten haben zwischen zwei und vier verschiedene Diagnosen. Ist die Einführung einer a) Signatur, b) Notation zwingend notwendig oder doch zumindest von nennenswertem Vorteil?

Ordnungsprinzip Klassifikation F7.6

75

Welchen Beitrag zur Indexierungsgenauigkeit leisten bei einer Klassifikation a) unbesetzte Klassen? b) schwach besetzte Klassen? c) durchschnittlich besetzte Klassen? d) sehr stark besetzte Klassen?

F7.7

Was verstehen Dokumentare unter einem Schlüssel?

Übungsaufgabe für eine Arbeitsgruppe: Erstellen Sie für eine vorhandene Sammlung von etwa 200 bis 1000 Dokumentationseinheiten eine Klassifikation. Diskutieren Sie während der Erstellung der Klassifikation die Anzahl der erforderlichen Klassen, die Abgrenzung des zu bearbeitenden Sachgebiets, wie vollständig das Ordnungssystem das Themengebiet der Sammlung abdeckt, die Disjunktheit der Klassen, enge versus weite Klassen und die Wahl der Vorzugsbenennungen. Indexieren Sie mit der von Ihnen entwickelten Klassifikation alle Dokumente der Sammlung. Stellen Sie probeweise mindestens 20 Suchfragen, recherchieren dazu und diskutieren Sie das Ergebnis. Bestimmen Sie die Benutzungshäufigkeit jedes Deskriptors, die mittlere Klassenbesetzung, den Überlagerungsfaktor, die Varianz der Klassenbesetzungen und erkennen Sie Klassen, die (zu) selten und Klassen, die (zu) häufig benutzt wurden. Beurteilen Sie das von Ihnen entwickelte Ordnungssystem und geben Sie Verbesserungsvorschläge.

Thema 8:

Hierarchische Begriffsstrukturen 8.1

Beispiel einer Begriffshierarchie

In der Dokumentation kann es zweckmäßig sein, die zwischen Begriffen bestehenden hierarchischen Strukturen (englisch: generic structure) aufzugreifen und sichtbar zu machen. Hierarchische Begriffsstrukturen sind bei vielen dokumentarischen Aufgaben, bei allen Ordnungsprinzipien und allen Ordnungssystemen mehr oder weniger zu berücksichtigen. Ein Beispiel für eine einfache Hierarchie ist in Abb. 8.1 gegeben.

Medizin

Innere Medizin

Gefäßchirurgie

Chirurgie

Knochenchirurgie

Frakturen Abb. 8.1

8.2 a)

Gynäkologie

Bauchchirurgie

Pädiatrie

Geburtshilfe

Gelenkersatz

Beispiel für eine hierarchische Begriffsstruktur in Wurzeldarstellung (Baumdarstellung).

Beziehung zwischen den Begriffen Übergeordnete Begriffe In der in Abb. 8.1 gegebenen Hierarchie ist der Begriff Gynäkologie gegenüber dem Begriff Geburtshilfe oder der Begriff Medizin gegenüber dem Begriff Chirurgie übergeordnet. Seinerseits ist Chirurgie ein übergeordneter Begriff (Oberbegriff, Hypernym, englisch: broader term) zu Gefäßchirurgie, Knochenchirurgie und Bauchchirurgie. In einer allgemeineren Bedeutung sind übergeordnete Begriffe nicht nur die, die unmittelbar übergeordnet sind, sondern auch wiederum deren Oberbegriffe. Beispiel: Übergeordnet im weiteren Sinne zu Frakturen sind Knochenchirurgie, Chirurgie und Medizin.

b)

Untergeordnete Begriffe Umgekehrt sind z.B. Gefäßchirurgie, Knochenchirurgie und Bauchchirurgie untergeordnete Begriffe (Unterbegriff, Hyponym, englisch: narrower term) zu Chirurgie. Im weiteren Sinne sind auch Frakturen und Gelenkersatz untergeordnete Begriffe zu Chirurgie.

Hierarchische Begriffsstrukturen c)

77

Gleichgeordnete Begriffe Im gegebenen Beispiel sind Gefäßchirurgie, Knochenchirurgie und Bauchchirurgie gleichgeordnet, ebenso sind Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Pädiatrie gleichgeordnete Begriffe. Häufig ist es zweckmäßig, zu einem Satz gleichgeordneter Begriffe jeweils einen Begriff mit der Bedeutung „sonstiges zum Oberbegriff“ aufzunehmen, z.B. zu den Begriffen Frakturen, Gelenkersatz den Begriff „sonstige Knochenchirurgie“ oder zu den Begriffen Gefäßchirurgie, Knochenchirurgie, Bauchchirurgie den Begriff „sonstige chirurgische Disziplinen“. Im Englischen gibt es keinen genauen Fachausdruck für einen gleichgeordneten Begriff, die Bezeichnung related term (abgekürzt RT) kann sowohl „gleichgeordneter Begriff“ als auch „verwandter Begriff“ bedeuten.

d)

Allbegriff Der Allbegriff ist der alles umfassende, allen anderen Begriffen übergeordnete Begriff. Im vorliegenden Beispiel ist Medizin der Allbegriff. Meist wird der Allbegriff nicht mehr in die Darstellung der hierarchischen Struktur aufgenommen, sondern erscheint im Titel des Ordnungssystems.

e)

Begriffskette Unter einer Begriffskette oder einer Begriffsleiter (englisch: hierarchical chain oder generic scale) versteht man die im obigen Beispiel durch Striche dargestellte Verbindung von einem übergeordneten Begriff (im weiteren Sinne) zu einem spezielleren Begriff (absteigende Begriffskette) oder umgekehrt, von einem untergeordneten Begriff zu einem weit übergeordneten Begriff (aufsteigende Begriffskette). Beispiele für Begriffsketten sind Medizin, Chirurgie, Knochenchirurgie, Gelenkersatz (viergliedrige absteigende Begriffskette) und Geburtshilfe, Gynäkologie, Medizin (dreigliedrige aufsteigende Begriffskette).

f)

Begriffsniveau Alle Begriffe, die eine gleiche Anzahl von Gliedern einer Begriffskette vom Allbegriff entfernt sind, liegen auf einem Begriffsniveau (englisch: generic level oder hierarchical level). Gleichgeordnete Begriffe liegen stets auf demselben Niveau. Umgekehrt sind jedoch nicht alle Begriffe eines Niveaus gleichgeordnet, da nur solche Begriffe gleichgeordnet sind, die auf dem unmittelbar darüberliegenden Niveau einen gemeinsamen Oberbegriff haben. So ist z.B. Geburtshilfe auf dem gleichen hierarchischen Niveau wie Gefäßchirurgie, jedoch sind die beiden keine gleichgeordneten Begriffe.

8.3

Logische und partitative Hierarchien

Eine hierarchische Struktur entsteht dadurch, dass ein Begriff durch Hinzunahme eines (weiteren) Einteilungsgesichtspunkts in mehrere untergeordnete Begriffe aufgeteilt wird, oder umgekehrt, wenn mehrere dann gleichgeordnete Begriffe einem gemeinsamen Oberbegriff zugeordnet werden (logische Hierarchie). Das in Abb. 8.1 gegebene Beispiel ist eine logische Hierarchie. Eine hierarchische Struktur kann auch dadurch entstehen, dass zu einer Sache deren Einzelteile angegeben werden (partitive Hierarchie). Beispiel für eine partitive Hierarchie: Ein Personalcomputer besteht äußerlich betrachtet aus Gehäuse (das den Com-

78

Thema 8

puter im engeren Sinne enthält), Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker und Verbindungsleitungen. Bei einer partitativen Hierarchie haben die untergeordneten Begriffe das „ist Teil des Oberbegriffs“ gemeinsam. Beispiel: Für den Begriff „Brot“ führt eine einfache logisch-hierarchische Einteilung zu Schwarzbrot, Weißbrot, Baguette und Brötchen (die in einem weiteren Niveau weiter differenziert werden könnten). Eine partitativ-hierarchische Einteilung von Brot führt dagegen zu Rinde am Boden, Brotinneres, Rinde auf der Oberseite, Belag (z.B. Salzkörner, Kümmel).

8.4

Mono- und Polyhierarchien

Hat in hierarchisch strukturierten Begriffen jeder Begriff auf dem unmittelbar darüber liegenden Niveau nur einen einzigen übergeordneten Begriff (wie im Beispiel der Abb. 8.1), so ist das eine Monohierarchie. Hat ein Begriff zwei oder mehr unmittelbare Oberbegriffe, so spricht man von Polyhierarchie. Zum Beispiel kann „Magenkarzinom“ sowohl unter anatomischem Gesichtspunkt dem Oberbegriff „Magen“ als auch unter pathologischem Gesichtspunkt dem Oberbegriff „Karzinom“ unterstellt werden. Meist sind Polyhierarchien unvollständig (siehe Thema 8.6), d.h. einige Begriffe haben auf dem unmittelbar darüber liegenden Niveau mehrere Oberbegriffe (polyhierarchische Beziehung), andere Begriffe haben nur einen Oberbegriff (monohierarchische Beziehung), wieder andere Begriffe haben vielleicht gar keinen Oberbegriff. Der Vorteil der Monohierarchie ist, dass sie einfach, anschaulich und gut darstellbar ist. Ihr Nachteil ist, dass sie häufig dem gegebenen Sachverhalt nicht adäquat ist. Demgegenüber kann die Polyhierarchie einen Sachverhalt gut wiedergeben, ist jedoch schwierig darzustellen und schlecht überschaubar. a)

Tumoren

gutartige Tumoren

Tumoren

bösartige Tumoren

b)

gutartige solide Tumoren

Abb. 8.2

solide Tumoren

systemische Tumoren

Tumoren

gutartige systemische Tumoren

bösartige solide Tumoren

bösartige systemische Tumoren

Der Begriff Tumor kann sowohl unter dem Gesichtspunkt gutartig-bösartig als auch unter dem Gesichtspunkt solide (an einer bestimmten Stelle) – systemisch (den ganzen Körper z.B. das Blut bildende System betreffend) eingeteilt werden (a). Will man disjunkte Klassen haben, so ist eine Einteilung wie in (b) dargestellt erforderlich. Beide Darstellungen sind monohierarchisch.

Hierarchische Begriffsstrukturen

79

Wird derselbe Begriff nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt (s. Abb. 8.2a), so ist das für sich genommen noch keine Polyhierarchie. In Verbindung mit dem Ordnungsprinzip einer strengen Klassifikation müsste die hierarchische Struktur wie in Abb. 8.2b festgelegt werden.

8.5 a)

Darstellungsmöglichkeiten Wurzeldarstellung Die in Abb. 8.1 verwendete Darstellungsform nennt man Wurzeldarstellung. Bei dem ebenfalls dafür verwendeten Ausdruck Baumdarstellung (englisch: tree structure) sind die Bezeichnungen „hierarchisch höher“ oder „hierarchisch tiefer“ irreführend. Die Wurzeldarstellung ist sehr übersichtlich, eignet sich jedoch nur für eine kleine Anzahl von Begriffen. Bei polyhierarchischen Beziehungen wird sie schon bei einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Deskriptoren unübersichtlich. Die Wurzeldarstellung kann auch die in Abb. 8.3 verwendete Form haben. Diese Darstellungsform ist fast genauso übersichtlich wie die Wurzeldarstellung nach Abb. 8.1, stellt aber geringere Anforderungen an die Grafiksoftware, da nur horizontale und vertikale Striche erforderlich sind.

b)

Beziehungsdisplay Geht man in der Wurzeldarstellung vom strengen Oben-Unten-Bezug ab, so kommt man zum Beziehungsdisplay. Die Darstellung in Abb. 8.4 erinnert noch recht deutlich an eine seitlich liegende Wurzel, während in der Abb. 8.5 die hierarchisch höher liegenden Begriffe mehr im Zentrum und die hierarchisch tiefer liegenden Begriffe mehr an der Peripherie der Darstellung liegen.

Medizin

Innere Medizin

Gefäßchirurgie

Frakturen Abb. 8.3

Chirurgie

Gynäkologie

Knochenchirurgie

Bauchchirurgie

Pädiatrie

Geburtshilfe

Gelenkersatz

Beispiel für eine hierarchische Begriffsstruktur in einer Wurzeldarstellung, die sich auf horizontale und vertikale Linien beschränkt.

80

Thema 8

Medizin

Innere Medizin Gefäßchirurgie Frakturen Chirurgie

Knochenchirurgie

Gelenkersatz

Bauchchirurgie Gynäkologie Geburtshilfe Pädiatrie

Abb. 8.4

Beispiel einer hierarchischen Begriffsstruktur dargestellt als eine seitlich liegende Wurzel.

Geburtshilfe Frakturen

Gelenkersatz

Gynäkologie Knochenchirurgie Innere Medizin

Medizin

Chirurgie Gefäßchirurgie

Pädiatrie

Abb. 8.5

Bauchchirurgie

Beispiel einer hierarchischen Begriffsstruktur dargestellt als Beziehungsdisplay.

Das Beziehungsdisplay eignet sich auch zur Darstellung polyhierarchischer Beziehungen und zur Darstellung allgemeiner, nicht-hierarchischer Beziehungen zwischen Begriffen. Bei einem Display ohne streng hierarchische Begriffsstruktur können Pfeile in der einen, in der anderen oder in beiden Richtungen (Doppelpfeile) auftreten oder die Assoziationslinien gar keine Pfeilspitzen haben wie z.B. auf S. 9 bei den Themen dieses Buches als Beziehungsdisplay. Voraussetzung für jede Form eines Beziehungsdisplays ist, dass die Anzahl der Begriffe so klein ist, dass sie übersichtlich auf einer Seite platziert werden können. Bei einer größeren Anzahl von Begriffen müssen diese in Gruppen eingeteilt werden, und dann kann für jede Gruppe auf einer eigenen Seite ihr Beziehungsdisplay erstellt werden. Jede Begriffsgruppe (Displayseite) erhält einen Namen (eine hierarchisch hoch liegende Vorzugsbenennung) der für Verweisungen von

Hierarchische Begriffsstrukturen

81

einer Begriffsgruppe auf einen Begriff einer anderen Begriffsgruppe, d.h. auf eine andere Displayseite verwendet wird. Der Versuchung, für eine größere Anzahl von Begriffen ein großes Papierformat zu verwenden, sollte man widerstehen, da große Papierformate unhandlich sind, nur mühsam vervielfältigt werden können und eine (tendenziell exponentiell) wachsende Anzahl von Beziehungspfeilen das Display unübersichtlich macht. Beziehungsdisplays erfordern ebenso wie Wurzeldarstellungen eine (einfache) Grafiksoftware. Weitere Anmerkungen zum Beziehungsdisplay siehe Thema 16.7 (Systematischer Teil eines Ordnungssystems), weitere Beispiele zu Beziehungsdisplays siehe Seite 9 und Abb.18.1. c)

Einrücken (mehrstufige Liste) Formalisiert man die in Abb. 8.4 verwendete Darstellungsform weiter, so kommt man zur Darstellungsform des Einrückens. Listen mit hierarchischen Einrückungen nennt man mehrstufige Listen. Ein Beispiel dafür ist in Abb. 8.6 gegeben. Die Darstellung hierarchischer Begriffsstrukturen in einer mehrstufigen Liste eignet sich auch für eine große Anzahl von Begriffen, ist Platz sparend, problemlos zu drucken und außerdem übersichtlich. Polyhierarchische Strukturen können jedoch nicht durch Einrückungen dargestellt werden. Medizin Innere Medizin Chirurgie  Gefäßchirurgie  Knochenchirurgie   Frakturen   Gelenkersatz  Bauchchirurgie Gynäkologie  Geburtshilfe Pädiatrie

          Abb. 8.6

d)

Beispiel einer hierarchischen Begriffsstruktur, dargestellt als mehrstufige Liste, d.h. durch Einrückungen.

Typografie Hierarchische Strukturen mit nur etwa 2 bis 5 Niveaus sind gut typografisch darzustellen. Unter Typografie versteht man große und kleine Schriften, gerade und kursive Schriften, magere und fette Schriften, Einrahmungen, doppeltes und einfaches Unterstreichen, Sperren, Leerzeilen usw. Die typografischen Möglichkeiten eignen sich zur Darstellung hierarchischer Strukturen nur, wenn die Anzahl der Deskriptoren und – wie erwähnt  die Anzahl der Niveaus klein ist.

e)

Notation Haben die einzelnen Begriffe eine Notation, so kann die hierarchische Struktur auch in der Notation ausgedrückt werden. Im einfachsten Fall ist es eine numerische Notation ohne Trennzeichen. Dabei haben alle Begriffe des ersten Niveaus eine einstellige Notation, alle Begriffe des zweiten Niveaus eine zweistellige Notation usw. In dem obigen Beispiel erhält Innere Medizin die Notation 1, Chirurgie 2, Gynäkologie 3, Pädiat-

82

Thema 8 rie 4; Gefäßchirurgie 21, Knochenchirurgie 22 usw. bis Gelenkersatz 222 und Geburtshilfe 31. Der Nachteil ist, dass maximal zehn gleichgeordnete Begriffe auftreten dürfen. Um diesen Nachteil zu überwinden, führt man Trennzeichen ein. Beispiel für eine numerische Notation mit Trennzeichen: Innere Medizin 1, Chirurgie 2, Gefäßchirurgie 2.1, Knochenchirurgie 2.2 bis Gelenkersatz 2.2.2, Gynäkologie 3, Geburtshilfe 3.1, Pädiatrie 4. Trennzeichen in diesem Beispiel ist der Punkt. Die in Mathematik und Programmierung üblichen Indizes können ebenfalls als rein numerische Notation mit Trennzeichen aufgefasst werden, wobei die einzelnen Elemente eine matrixförmige oder hierarchische Struktur haben können. Notationen, die hierarchische Strukturen zum Ausdruck bringen, müssen nicht rein numerisch sein. In einer Hierarchie mit 3 Niveaus kann z.B. das erste Niveau mit Großbuchstaben, das zweite mit Zahlen und das dritte Niveau mit Kleinbuchstaben bezeichnet werden. Im obigen Beispiel wäre dann A Medizin, A2c Bauchchirurgie, A3 Gynäkologie. Die Darstellung hierarchischer Strukturen mit Notationen ist maschinengeeignet und auch für eine große Anzahl von Begriffen brauchbar, wenn eine längere Notation in Kauf genommen wird. Die Notation zeigt zwar sehr gut, an welcher Stelle der Begriffsstruktur ein bestimmter Begriff steht, jedoch ist es schon recht mühsam, die zu einem gegebenen Begriff über-, gleichund untergeordneten Begriffe zu finden. Einen Überblick über die gesamte Hierarchie gibt die Notation kaum. Auch sind polyhierarchische Strukturen praktisch nicht durch Notationen darstellbar.

f)

Verweise Hierarchische Beziehungen können auch sehr gut mithilfe von Verweisungen dargestellt werden. Anstatt „Verweisung“ kann man auch das kürzere Wort „Verweis“ (englisch: reference) gebrauchen. Da es auch noch Verweise für andere Zwecke gibt, nennt man die Verweise, die zur Darstellung hierarchischer Strukturen verwendet werden, hierarchische Verweise. Bei den hierarchischen Verweisen wird jeweils nur auf den unmittelbar übergeordneten und auf die unmittelbar untergeordneten Begriffe sowie auf die gleichgeordneten Begriffe verwiesen. Die erforderlichen Verweise sind: x OB: = Oberbegriff lautet: = broader term: = BT: x UB: = Unterbegriff lautet: = narrower term: = NT: x GB: = gleichgeordneter Begriff lautet: = related term: = RT: Bei der Benennung hierarchischer Verweise und dem Festlegen von Abkürzungen ist darauf zu achten, dass die Richtung des Verweises gut und eindeutig erkennbar ist. Der Ausdruck „A Oberbegriff B“ kann als „A ist Oberbegriff von B“ und als „Der Oberbegriff zu A lautet B“ aufgefasst werden. Der Doppelpunkt im OB:-Verweis soll klarstellen, dass der Oberbegriff hinten steht. Diese Form ist für Deskriptorenlisten günstiger, da das Wort, das näher beschrieben werden soll, zum leichteren Auffinden in der Liste vorne steht. Dasselbe gilt für den UB:-Verweis. Die in Abb. 8.1 in Wurzeldarstellung gegebene hierarchische Struktur ist in Abb. 8.7 mit Verweisen dargestellt. Die Darstellung hierarchischer Beziehungen durch Verweise eignet sich insbesondere für sehr große Anzahlen von Deskriptoren in Listen und zur Darstellung polyhierarchischer Beziehungen. Sie ist außerdem leicht zu drucken. Die Verweise geben einen guten Einblick in die hierarchische Struktur in der unmittelbaren Umgebung eines Begriffes, einen Überblick über die gesamte Struktur geben sie nicht.

Hierarchische Begriffsstrukturen

83

Ein weiterer Vorteil der Darstellung hierarchischer Beziehungen mit Verweisen ist, dass es in komfortablen Ordnungssystemen noch zahlreiche andere (nicht-hierarchische) Verweise gibt. Die hierarchischen Verweise sind somit nur ein Verweistyp von mehreren.

Bauchchirurgie

Chirurgie

Frakturen Geburtshilfe Gefäßchirurgie

Gelenkersatz Gynäkologie

Innere Medizin

Knochenchirurgie

Medizin

Pädiatrie

Abb. 8.7

OB: Chirurgie GB: Gefäßchirurgie Knochenchirurgie OB: Medizin GB: Gynäkologie Innere Medizin Pädiatrie UB: Bauchchirurgie Gefäßchirurgie Knochenchirurgie OB: Knochenchirurgie GB: Gelenkersatz OB: Gynäkologie OB: Chirurgie GB: Bauchchirurgie Knochenchirurgie OB: Knochenchirurgie GB: Frakturen OB: Medizin GB: Chirurgie Innere Medizin Pädiatrie UB: Geburtshilfe OB: Medizin GB: Chirurgie Gynäkologie Pädiatrie OB: Chirurgie GB: Bauchchirurgie Gefäßchirurgie UB: Frakturen Gelenkersatz UB: Chirurgie Gynäkologie Innere Medizin Pädiatrie OB: Medizin GB: Chirurgie Gynäkologie Innere Medizin

Beispiel einer hierarchischen Begriffsstruktur dargestellt mit Verweisen.

84

Thema 8 Jeweils zwei Verweise eines Ordnungssystems bilden ein Verweispaar (englisch: cross-reference). Die zwei Verweise eines Verweispaares nennt man auch Vor- und Rückverweis, wobei es meist bedeutungslos ist, welcher der beiden Verweise eines Paares der Vorverweis und welcher der Rückverweis ist. Die beiden Verweise, die ein Verweispaar bilden, werden bei der Erstellung oder bei der Revision eines Ordnungssystems miteinander in einem Arbeitsgang eingeführt. Das Bilden von Verweispaaren entspricht der Idee der doppelten Buchführung, der Vorverweis entspricht einem Buchungsvorgang, der Rückverweis der zugehörigen Gegenbuchung. Der Grundsatz der Verweispaare bewirkt, dass das Ordnungssystem in allen Details genauso gut nachprüfbar ist wie eine doppelte Buchführung. Dies ist nicht nur zur Kontrolle der Konsistenz und Widerspruchsfreiheit des Ordnungssystems notwendig, sondern vor allem auch für Änderungen und Erweiterungen außerordentlich wichtig. Die Bildung von Verweispaaren gilt für alle Typen von Verweisen, nicht nur für hierarchische Verweise. Die beiden hierarchischen Verweispaare sind: OB: GB:

 

UB: GB:

bzw.

UB:



OB:

Die Umkehrung des OB:-Verweises ist der UB:-Verweis und die Umkehrung des UB:Verweises ein OB:-Verweis. Die Umkehrung des GB:-Verweises ist wiederum ein GB:-Verweis. g)

Weitere Darstellungsmöglichkeiten Weitere Darstellungsmöglichkeiten hierarchischer Beziehungen sind auch in DIN 2331 (Begriffssysteme und ihre Darstellung, 1980) enthalten.

Die wichtigsten Eigenschaften der Möglichkeiten, hierarchische Beziehungen darzustellen, sind in Abb. 8.8 zusammengefasst.

a) Wurzeldarstellung b) Beziehungsdisplay c) Einrückungen d) Typographie e) Notation f) Verweise

Abb. 8.8

Anzahl Deskriptoren

Polyhier- Aufberei- PlatzÜbertung zum bedarf sichtlich- archie möglich Drucken keit

Aufteilung in viele Seiten

wenige

sehr gut

schlecht

mühsam

gering

schwierig

wenige

sehr gut

ja

mühsam

gering

schwierig

viele

gut

nein

einfach

sehr gering

problemlos

viele viele viele

mäßig gut nur zu den Nachbarbegriffen

nein nein problemlos

mäßig einfach einfach

sehr gering gering groß

problemlos problemlos problemlos

Vor- und Nachteile der Darstellungstechniken für hierarchische Strukturen.

Hierarchische Begriffsstrukturen

8.6

85

Partielle Hierarchien

Die meisten Begriffs- und Deskriptorenmengen haben da und dort hierarchische Beziehungen, aber nur bei kleinen Begriffs- und Deskriptorenmengen lassen sich alle Begriffe in eine Hierarchie einbinden. In der dokumentarischen Praxis gibt es viele unvollständige, aber kaum wirklich vollständige Hierarchien, in die alle dargestellten Begriffe bzw. Deskriptoren einbezogen sind. Partielle oder unvollständige Hierarchien, d.h. zwischen einigen Begriffen bzw. Deskriptoren bestehen hierarchische Beziehungen, während andere Begriffe außerhalb der Hierarchie stehen, lassen sich gut mit Verweisen darstellen: Dort wo hierarchische Beziehungen bestehen, werden die Verweispaare angebracht, wo keine hierarchischen Beziehungen existieren (oder umstritten sind) unterbleiben die Verweise. Partielle Hierarchien lassen sich auch in Wurzeldarstellungen und Beziehungsdisplays ausdrücken, kaum jedoch durch Typografie und Notation. Bei mehrstufigen Listen ist die Reihenfolge der Einträge uneinheitlich, weil nicht hierarchisch eingeordnete Deskriptoren alphabetisch sortiert werden, während die eingerückten (untergeordneten) Deskriptoren systematisch, d.h. unter ihrem Oberbegriff angeordnet sind. Die in der Praxis am häufigsten auftretende Situation – da und dort partiell hierarchische Beziehungen, teils mono-, teils polyhierarchisch – lässt sich bei einer realistischen Anzahl von Begriffen bzw. Deskriptoren nur mit Verweisen bewältigen. Ein Beispiel für eine partielle Hierarchie wird in Thema 18.3 und Abb.18.1 gegeben.

8.7

Terminologische Kontrolle

Das Sichtbarmachen der hierarchischen Strukturen trägt wesentlich zur terminologischen Kontrolle (s. Thema 6.9) bei, insbesondere zur Erläuterung und Abgrenzung der Begriffe. Ein Begriff wird allein dadurch wesentlich schärfer definiert, dass seine über-, gleich- und untergeordneten Begriffe bekannt sind. Ebenso können Zusätze zu Homonymen weitgehend entfallen, da die Bedeutung eines Homonyms meist durch seine übergeordneten, gleichgeordneten und untergeordneten Begriffe klar wird. Beispiel: Schloss mit OB: Tür und Schloss mit OB: Gebäude.

8.8

Hierarchische Indexierungsregel

Beim Indexieren mit hierarchisch strukturierten Ordnungssystemen kommen für die meisten Dokumentationseinheiten mehrere Deskriptoren einer Begriffskette in Betracht. Behandelt eine Dokumentationseinheit z.B. die Knochenchirurgie, so wären formal betrachtet auch alle übergeordneten Deskriptoren, im Beispiel also Chirurgie und Medizin, ebenfalls zutreffend. Die hierarchische Indexierungsregel besagt, dass von allen zutreffenden Deskriptoren einer Begriffskette nur einer zu indexieren ist, nämlich der speziellste (der hierarchisch tiefste), der jedoch noch den gesamten, zu indexierenden Sachverhalt abdeckt. Sind die hierarchischen Strukturen im Ordnungssystem nicht dargestellt, so gilt die hierarchische Indexierungsregel sinngemäß. Es ist also stets so speziell wie möglich, aber umfassend zu indexieren. Das hierarchische Indexieren ermöglicht gezielte Recherchen. Wird ein spezieller, d.h. hierarchisch tief liegender Deskriptor abgefragt, so werden nur sehr spezielle Dokumentationseinheiten selektiert, wie sie z.B. für einen stark spezialisierten Wissenschaftler interessant

86

Thema 8

sind. Wird dagegen ein allgemeiner, d.h. hierarchisch hoch liegender Deskriptor abgefragt, so werden auch nur allgemeine Dokumentationseinheiten mit breitem Thema selektiert, wie z.B. Lehrbücher, Übersichtsarbeiten, Einführungen, die z.B. für Studenten und Manager geeignet sind.

8.9

Hierarchisches Recherchieren

Durch die Anwendung der hierarchischen Indexierungsregel tritt das am folgenden Beispiel aufgezeigte Problem auf: Jemand möchte alle Dokumente zum Thema Knochenchirurgie haben und führt die Recherche nur unter dem Deskriptor Knochenchirurgie durch. Er wird alle Dokumente, denen die Unterbegriffe zu Knochenchirurgie indexiert wurden  im Beispiel also Frakturen und Gelenkersatz  nicht finden, obwohl natürlich Dokumente über Frakturen und Gelenkersatz auch zur Knochenchirurgie gehören. Um eine vollständige Recherche zu erreichen, muss man deshalb bei hierarchisch strukturierten Deskriptoren nicht nur unter dem gewünschten Deskriptor, sondern auch unter seinen Unterbegriffen (mit › verbunden) suchen. Außerdem wird auch in einem Lehrbuch der Chirurgie einiges über Knochenchirurgie stehen, deshalb muss man ebenfalls unter den übergeordneten Begriffen suchen. Somit lautet die Suchfrage für den Benutzer aus dem Beispiel: Chirurgie › Knochenchirurgie › Frakturen › Gelenkersatz. Dies nennt man eine hierarchische oder generische Recherche. Ob eine hierarchische Recherche alle Begriffe einer Begriffskette umfasst oder ob es zweckmäßiger ist, sie auf ein oder wenige hierarchisch tiefer und höher liegende Niveaus zu beschränken, ist im Einzelfall zu entscheiden. Wegen der hierarchischen Indexierungsregel selektieren nach oben gerichtete hierarchische Recherchen sehr schnell sehr allgemeine Dokumentationseinheiten, sodass hierarchische Recherchen selten um mehr als ein Niveau nach oben ausgedehnt werden.

8.10 Klassen mit „sonstiges zum Oberbegriff“ Wie schon erwähnt, sind Klassen mit dem Zusatz „sonstiges“ oft nützlich. Bei hierarchisch strukturierten Klassifikationen ist es bei vielen gleichgeordneten Begriffen zweckmäßig, diesen eine Klasse „sonstiges zum Oberbegriff“ hinzuzufügen. Das eingangs verwendete Beispiel wird dann folgendermaßen erweitert: Medizin  Innere Medizin  Chirurgie   Gefäßchirurgie   Knochenchirurgie    Frakturen    Gelenkersatz    sonstige knochenchirurgische Sachverhalte   Bauchchirurgie   sonstige chirurgische Bereiche  Gynäkologie   Geburtshilfe   sonstige gynäkologische Bereiche  Pädiatrie  sonstige medizinische Fachgebiete

Hierarchische Begriffsstrukturen

87

Anstatt „sonstige“ kann auch der Zusatz „nicht näher bezeichnet“ verwendet werden, z.B. „nicht näher bezeichnete chronisch obstruktive Lungenerkrankungen“. Diese Klassen, die manchmal als „Resteklassen“ verspottet werden, haben folgende Funktionen: x

Sie machen eine Klassifikation auf differenzierte Art formal vollständig.

x

Sie werden verwendet, wenn der Sachverhalt im Detail bekannt ist, das Ordnungssystem aber dafür keine spezifische Klasse hat.

x

Sie werden aber auch umgekehrt verwendet, wenn der Sachverhalt weniger genau bekannt ist als die Klassifikation es verlangt. Beispiel: Bei manchen Patienten ist die Diagnose nur in groben Zügen bekannt, weil der Patient rasch gesundete, weil für die Therapie eine Differenzialdiagnose nicht notwendig war oder weil der Patient rasch verstarb und keine Obduktion veranlasst wurde.

Die reichliche Verwendung von Klassen mit dem Zusatz „sonstiges zum Oberbegriff“ erhöht die Indexierungsgenauigkeit, verbessert die Möglichkeiten des hierarchischen Indexierens und des hierarchischen Recherchierens und erleichtert generell den Gebrauch des Ordnungssystems.

8.11 Fragen F8.1

Trägt in einem Ordnungssystem die Darstellung der a) monohierarchischen, b) polyhierarchischen Beziehungen zur terminologischen Kontrolle bei und wenn ja, wodurch?

F8.2

Vergleichen Sie die Vorteile der Darstellung monohierarchischer Strukturen mit den Vorteilen der Darstellung polyhierarchischer Strukturen. Geben Sie anhand dieses Vergleiches Hinweise, wann hierarchische Strukturen als Monohierarchie und wann als Polyhierarchie dargestellt werden sollten. Hinweis: Die Vorteile der Darstellung hierarchischer Beziehungen im Allgemeinen sind nicht gefragt.

F8.3

Welche Möglichkeiten kennen sie, um bei etwa 500 Deskriptoren polyhierarchische Beziehungen darzustellen?

F8.4

Hierarchische Strukturen zwischen Deskriptoren können unter anderem durch Verweise und durch Zeichnen der Wurzelstruktur dargestellt werden. Zählen Sie die Vor- und Nachteile dieser beiden (nur dieser beiden) Darstellungstechniken auf. Geben Sie eine Entscheidungshilfe, unter welchen Umständen Verweise und unter welchen Umständen die Wurzeldarstellung zweckmäßiger ist.

88

Thema 8

F8.5

a) Zählen Sie die Verweise auf, die zur terminologischen Kontrolle beitragen. b) Zählen Sie die Verweise auf, die nicht zur terminologischen Kontrolle beitragen. c) Welches Verweispaar ist für die terminologische Kontrolle am wichtigsten?

F8.6

Gegeben ist folgender Auszug aus einem Ordnungssystem: Statistik

statistische Tests

Tests für qualitative Merkmale

Wsk-Rechnung

Schätzer

Versuchsplanung

Methoden Tests für Konfidenzbereich quantitative Merkmale Eigenschaften

verteilungsfreie Tests

deskriptive Statistik

Deskription Deskription qualitative quantitative Merkmale Merkmale

Tests für normalverteilte Daten

a) Sind „Tests für qualitative Merkmale“ und „Deskription qualitative Merkmale“ gleichgeordnet? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. b) In dem gezeigten Ordnungssystem gibt es qualitative Merkmale und quantitative Merkmale sowohl bei den statistischen Tests als auch bei der deskriptiven Statistik. Entsteht dadurch eine Polyhierarchie? Begründen Sie bitte Ihre Antwort. c) Formulieren Sie für eine hierarchische Recherche zum Thema „Tests für quantitative Merkmale“ die formale Suchfrage.

F8.7

a) In einem Beziehungsdisplay kann die Darstellung der Beziehung zwischen zwei Begriffen auf drei verschiedene Arten variiert werden. Welchen? b) Können in einem Beziehungsdisplay auch monohierarchische Beziehungen dargestellt werden? Wenn ja: Wie? Wenn nein: Warum nicht? c) Können in einem Beziehungsdisplay auch polyhierarchische Beziehungen dargestellt werden? Wenn ja: Wie? Wenn nein: Warum nicht? d) Wie viele Deskriptoren darf ein Ordnungssystem größenordnungsmäßig haben, damit sie in einem Beziehungsdisplay noch dargestellt werden können?

Hierarchische Begriffsstrukturen F8.8

89

Gegeben sei das folgende Mini-Ordnungssystem: Fahrrad – Vorderrad – Lenkung – Lenkstange – Gabel – Gabellager – Hinterrad – Antrieb – Pedale – Kurbeln – Tretlager – Lager – Welle – Fixierung – Kettenrad vorn – Kette – Beleuchtung – Bremsen – Sonstiges a) Entscheiden Sie, ob dies x

eine partitive oder eine logische Hierarchie,

x

eine Monohierarchie oder Polyhierarchie ist.

b) Nennen Sie die längste Begriffskette. c) Welche Begriffe sind gleichgeordnet? d) Trägt diese Darstellung der Hierarchie zur Abgrenzung der Begriffe bei? Wenn ja, geben Sie ein Beispiel. Wenn nein, warum nicht?

F8.9

a) Die Erweiterung einer Recherche auf hierarchisch unter- und/oder übergeordnete Deskriptoren hat einen bestimmten Namen, welchen? b) Welche Voraussetzung muss (außer der Darstellung der Hierarchie) gegeben sein, dass die Suche unter hierarchisch benachbarten Deskriptoren wirklich sinnvoll ist? c) Ein Forscher möchte möglichst alle Dokumente zu seinem neuen Arbeitsgebiet haben. Fragen Sie für ihn zusätzlich zum Hauptdeskriptor auch die x untergeordneten x gleichgeordneten x übergeordneten Deskriptoren ab? d) Gleiche Frage wie bei c), aber wenn für einen oberflächlich interessierten Benutzer recherchiert wird, der nur ein oder zwei relevante Dokumente wünscht.

F8.10 Insbesondere bei hierarchisch-strukturierten Deskriptoren gilt die Indexierungsregel: „Indexiere so spezifisch, so speziell wie möglich“. Welchen Zweck, welche Folgen hat diese Regel? Wie heißt diese Regel?

90

Thema 8

F8.11 Zählen Sie auf, welche Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle Sie schon kennen gelernt haben. F8.12 Stellen Sie die folgende hierarchische Begriffsstruktur durch Einrückungen dar. Ordnen Sie dabei – soweit sachlich sinnvoll möglich – die Wörter alphabetisch. Fahrzeuge

Landfahrzeuge

Schienenfahrzeuge

Fahr- Pkw räder

Wasserfahrzeuge

Luftfahrzeuge

Motorflugzeuge

Segelflugzeuge

Hubschrauber

Motor- ZugBusse räder maschinen

Hängegleiter

Sportsegelflugzeuge

Lastensegler

Kleinbusse

Reisebusse

Straßenfahrzeuge

Linienbusse

F8.13 Stellen Sie die folgenden Begriffe in einem Beziehungsdisplay dar: Anhänger, Fahrrad, Kfz, Kombinationskraftwagen, Lastzug, Lkw, Omnibus, Pferdewagen, Pkw, selbstfahrende Arbeitsmaschine, Straßenzugmaschine, Traktor. Erläuterungen: x Beispiele für selbst fahrende Arbeitsmaschinen sind Straßenkehrmaschine, Mähdrescher, Straßenwalze, sonstige Straßenbaumaschinen. x Eine Straßenzugmaschine ist ein schwerer, kurzer Lkw ohne nennenswerte Ladefähigkeit, jedoch mit hoher Zugkraft zum Ziehen von schweren Anhängern, wie z.B. Tieflader, Zirkuswagen und für Sondertransporte,

F8.14 Vergleichen Sie Wurzeldarstellung und Beziehungsdisplay, indem Sie a) die Vorteile der Wurzeldarstellung gegenüber dem Beziehungsdisplay, b) und umgekehrt die Vorteile des Beziehungsdisplays gegenüber der Wurzeldarstellung angeben. Hinweis: Die gemeinsamen Vorteile und die gemeinsamen Nachteile der Wurzeldarstellung und des Beziehungsdisplays sind nicht anzugeben.

Thema 9:

Alphabetisches Sortieren und systematisches Anordnen 9.1

Definierte Reihenfolge

Um Deskriptoren aufzulisten, in ein File zu speichern oder sonst wie in eine lineare Anordnung zu bringen, müssen sie in eine definierte Reihenfolge gebracht werden. Die beiden wichtigsten Möglichkeiten, Deskriptoren oder andere Elemente zu arrangieren, sind das Sortieren und das systematische Anordnen. Eine systematische Anordnung wird auch sachlogische, fachbezogene oder sachliche Anordnung genannt. Eine systematische Anordnung ergibt manchmal eine lineare Reihenfolge, manchmal auch nicht. Sortieren heißt, Elemente nach einem einfachen vorgegebenen Schema in eine definierte Reihenfolge zu bringen. (Selektieren  das gelegentlich mit sortieren verwechselt wird  heißt dagegen auswählen.) Sortiert werden Zahlen (numerisches Sortieren), Zeitpunkte (chronologisches Sortieren) oder Buchstaben und Wörter (alphabetisches Sortieren). Außerhalb der Dokumentation wird auch nach Gewicht, Größe usw. sortiert.

9.2

Sortierfolge

Das vorgegebene Schema, nach dem sortiert wird, heißt Sortierfolge. Beim numerischen Sortieren unterscheidet man aufsteigende Sortierung (Sortierfolge: 0, 1, 2, ..., 9) und absteigende Sortierung (Sortierfolge: 9, 8, 7, ..., 0). Beim chronologischen Sortieren wird meist vom ältesten zum jüngsten sortiert, wie z.B. ein Geschichtsbuch, das mit Adam und Eva beginnt und mit der Gegenwart endet (historische Sortierung). Manchmal ist es aber zweckmäßiger, umgekehrt vom jüngsten zum ältesten zu sortieren, weil dann das Aktuelle vorne steht. Dies gilt insbesondere für Büros und Sekretariate, wo der neueste Brief, die aktuellste Zeichnung, die neueste Vereinbarung in einem Ordner obenauf abgelegt wird (Amtsheftung). Bei der alphabetischen Sortierung sind unterschiedliche Sortierfolgen im Gebrauch, die sich vor allem bei den Umlauten und bei den Sonderzeichen unterscheiden. Bei allen Sortierfolgen wird heute der Wortzwischenraum (englisch: blank, lateinisch: spatium) auch als Zeichen betrachtet (für Informatiker ist das selbstverständlich). In der Sortierfolge liegt das Blank an erster Stelle vor A, vor 1 und vor allen Sonderzeichen. Dadurch werden Wörter separiert. Werden Zu- und Vornamen durch ein Komma getrennt, so ist es wichtig zu wissen, wo die Sonderzeichen (hier das Komma) in der Sortierfolge liegen. Es empfiehlt sich, in der Sortierfolge nicht zwischen Groß- und Kleinbuchstaben zu unterscheiden. Die Existenz verschiedener alphabetischer Sortierfolgen ist ärgerlich. Zwar wird in den meisten Verzeichnissen, Wörterbüchern, Bibliothekskatalogen usw. ä wie ae, ö wie oe und ü wie ue einsortiert, jedoch trifft dies zum Teil nicht für alte Bibliothekskataloge, und nicht für ausländische Verzeichnisse zu, z.B. gilt im Finnischen die Sortierfolge A – Z, Ä, Ö. Auch im Ausland erstellte EDV-Sortierprogramme können Probleme mit den Umlauten haben, selbst wenn die Peripheriegeräte der EDV-Anlage mit deutschem Zeichensatz (der das ä, ö und ü enthält) ausgestattet sind.

92

Thema 9

9.3

Regelwerke für das alphabetische Sortieren

Bei größeren Aufgaben kann das alphabetische Sortieren wesentlich schwieriger sein, als es sich zunächst darstellt. Allgemeine Regeln für das alphabetische Sortieren von Personennamen, Firmenbezeichnungen, Organisation, Ortsnamen usw. gibt DIN 5007 (Lit. d1). Zu unterscheiden sind zwei Arten von Sortierungen: x

Beim Sortieren Zeichen für Zeichen (englisch: character by character) werden alle Zeichen eines Textes als eine einzige Zeichenkette betrachtet und sortiert.

x

Beim Sortieren Kategorie für Kategorie wird der Text in Kategorien eingeteilt und jede Kategorie getrennt sortiert. Nur bei den Einträgen, bei denen die erste Kategorie (z.B. Nachnamen) keine Reihenfolge festlegen kann, wird die zweite Kategorie (z.B. Vornamen) und falls erforderlich eine dritte und weitere Kategorie herangezogen. Innerhalb jeder Kategorie wird Zeichen für Zeichen sortiert. Sind die Texte z.B. in der ersten Kategorie unterschiedlich lang, so ergibt sich eine andere Reihenfolge, als wenn ohne Kategorien sortiert wird. Zeichen für Zeichen

Müller, Cornelia Müller, Maier & Co. Müller, Wilhelm Müller-Sen, Agnes Abb. 9.1

Kategorie für Kategorie 1. Kategorie

2. Kategorie

Müller, Müller, Müller, Maier & Co. Müller-Sen,

Cornelia Wilhelm Agnes

Beispiel für die alphabetische Sortierung Zeichen für Zeichen und Kategorie für Kategorie (Kategorien sind Nachnamen, Vornamen). Die verwendete Sortierfolge ist Blank, Komma, Bindestrich, A, B, C usw.

Besondere Probleme treten beim alphabetischen Sortieren von Bibliothekskatalogen auf, da dabei darauf geachtet wird, dass gleichartige Titel, wie z.B. „Das deutsche Liedgut“ und „Deutsches Liedgut“ oder „Johann Wolfgang von Goethe“, „Goethe, Johann Wolfgang von“ und „J.W. Goethe“, zusammenkommen. Dazu werden gewisse Wörter oder Wortteile beim Sortieren nicht berücksichtigt oder umgestellt. Das wichtigste bibliothekarische Regelwerk sind die Regeln für die Alphabetische Katalogisierung (RAK). Weitere Angaben dazu können z.B. Hacker (Lit. a6) entnommen werden.

9.4

Manuelles und maschinelles Sortieren

Bei manuellem Sortieren wird „von vorn nach hinten“ sortiert. Das heißt, es wird zuerst nur nach dem Anfangsbuchstaben und ohne Rücksicht auf die anderen Buchstaben sortiert. Dabei kann ein Vorordner verwendet werden, das ist eine Mappe, die für jeden Buchstaben ein eigenes Fach hat. Anschließend werden die so vorsortierten Einheiten (das können Bücher, Aufsätze, Briefe usw. sein) nach dem zweiten, dann nach dem dritten Zeichen usw. sortiert, bis eine kleine überschaubare Menge von Einheiten entstanden ist, die rangiert werden kann.

Alphabetisches Sortieren und systematisches Anordnen

93

Beim Sortieren mit EDV-Programmen, wird „von hinten nach vorn“ sortiert. Beim numerischen Sortieren wird folglich zuerst nach der Einerstelle, dann nach der Zehnerstelle, dann nach der Hunderterstelle usw. sortiert. Beim Sortieren von Textfeldern wird mit der letzten Stelle des Feldes angefangen, auch dann, wenn diese letzte Stelle nur selten benutzt wurde. Anschließend an die letzte Stelle wird die vorletzte sortiert usw., bis schließlich zum Schluss die erste Stelle des Feldes sortiert wird. Das Sortieren nach einer Stelle eines Feldes nennt man einen Sortiergang. Folglich ist die Anzahl der erforderlichen Sortiergänge gleich der Länge des zu sortierenden Feldes. Beim Sortieren „von hinten nach vorn“ darf in einem Sortiergang die Reihenfolge der Elemente, die in diesem Sortiergang gleichwertig sind, nicht verändert werden. Die Informatiker bezeichnen das als einen stabilen Sortieralgorithmus. Ein besonderes Problem beim Sortieren mit EDV-Anlagen ist die Gleichbehandlung von Groß- und Kleinbuchstaben, da diese maschinenintern verschiedene Codes haben. Das gleiche Problem tritt bei der Auflösung der Umlaute in ae, oe und ue auf. Das Sortierprogramm ordnet deshalb zunächst jedem Zeichen einen Sortierwert zu, sortiert nach den Sortierwerten und nimmt dabei das Originalzeichen mit. Durch diese Technik können beliebige Sortierfolgen verwendet werden, auch solche, die der maschineninternen Zeichendarstellung nicht entsprechen. Das Sortieren mit EDV-Anlagen geht auch bei großen Datenmengen rasch und fehlerfrei. Mehr oder weniger komfortable Sortierprogramme sind bei praktisch allen Anlagen vorhanden.

9.5

Systematisches Anordnen

Im Gegensatz zum Sortieren kann das Erstellen einer systematischen Anordnung nicht maschinell erfolgen, es bedarf vielmehr stets einer intellektuellen Leistung. Meist geht man so vor, dass zuerst grob eingeteilt wird, dann wird jede Grobklasse schrittweise weiter unterteilt, bis die gewünschte Detailliertheit erreicht ist. Dieses Vorgehen führt zwangsläufig zu einer monohierarchischen Struktur. Neben hierarchischen Strukturen ergibt sich eine systematische Anordnung auch durch geografische Gliederung (z.B. von Nord nach Süd oder in Planquadrate), durch topografische Anordnung (z.B. in der makroskopischen Anatomie: Gesamtorganismus mit Kreislauf, Psyche, Haut und dann von Kopf bis Fuß) oder durch andere sachliche Argumente (z.B. Periodensystem der chemischen Elemente). Eine besondere Form der systematischen Anordnung sind die Beziehungsdisplays, die wir zur systematischen Darstellung bereits auf Seite 9 und im Thema 8.5b kennen gelernt haben. Dabei werden Deskriptoren in der Fläche angeordnet und die systematischen Beziehungen durch Pfeile dargestellt. Die dargestellten Beziehungen können, müssen aber nicht, hierarchisch sein. Zur praktischen Erstellung einer systematischen Anordnung werden eine oder höchstens wenige Personen autorisiert, einen Vorschlag auszuarbeiten. Jedes der einzuordnenden Elemente (fast immer sind es Deskriptoren) wird auf einen Zettel geschrieben (im Jargon sagt man, die Deskriptoren werden verzettelt), die Zettel werden schrittweise in Bündel und Häufchen gegliedert, um dann samt der erzeugten Struktur dargestellt zu werden. Der so erarbeitete Vorschlag kann dann, falls erforderlich, in einem größeren Kreise diskutiert werden. Systematische Anordnungen sind  bedingt durch die prinzipiell unvollständige terminologische Kontrolle und wegen der in dem System der Anordnung enthaltenen intellektuellen Arbeit  nur selten von allen Wissenschaftlern eines Fachgebiets akzeptiert.

94

Thema 9

9.6

Vergleich einer alphabetischen und einer systematischen Deskriptorenliste

Vergleicht man eine alphabetisch sortierte Deskriptorenliste mit einer systematischen Anordnung der Deskriptoren, so ergeben sich die folgenden wichtigen Unterschiede: x

Eine alphabetische Liste ordnet Benennungen, eine systematische Anordnung Begriffe. In einer alphabetischen Sortierung stehen ähnliche Benennungen (z.B. Brösel, Brosche, Broschüre, Brot), in einer systematischen Anordnung verwandte Begriffe (z.B. Ring, Armreif, Halskette, Brosche) beieinander. Das hat zur Folge, dass durch die systematische Anordnung das Problem der Voll-, Quasi- und Teilsynonyme gelöst und damit ein wichtiger Beitrag zur terminologischen Kontrolle geleistet wird.

x

In einer systematischen Anordnung ist für jeden Deskriptor sein sachlich-thematisches Umfeld gegeben. Das trägt erheblich zur Definition und Abgrenzung der Deskriptoren bei. Homonyme werden ohne Zusätze eindeutig. Demgegenüber tragen alphabetisch sortierte Listen nichts zur terminologischen Kontrolle bei.

x

Nicht alle Fachgebiete und Themenkreise lassen sich systematisch ordnen. Dies kann daran liegen, dass ein Themenkreis noch so neu und forschungsnah ist, dass eine Systematik (noch) nicht erkennbar ist, dass die dem Themenkreis innewohnenden Sachstrukturen sich nicht zur übersichtlichen Darstellung eignen (z.B. weil sie stark polyhierarchisch sind) oder dass mehrere Betrachtungsweisen (Schulen) zu unterschiedlichen systematischen Anordnungen führen, die miteinander im Streit liegen. Eine alphabetische Sortierung der Deskriptoren ist dagegen immer möglich.

x

Alphabetische Deskriptorenlisten sind in ihrer Reihenfolge eindeutig, während systematische Anordnungen, wie bereits erwähnt, nicht immer allgemeine Anerkennung finden. Personen, die eine etwas andere Vorstellung von den Beziehungen der Sachverhalte untereinander haben, finden sich nicht zurecht. Manche Benutzer  insbesondere die interessierten Benutzer  neigen dazu, über die von einer Dokumentationsstelle verwendete Systematik der Deskriptoren grundsätzlich zu diskutieren, nicht nur unter dem pragmatischen Gesichtspunkt, ob sie ein Wiederfinden der relevanten Dokumentationseinheiten zulässt oder nicht.

x

Die Erstellung, aber auch der Gebrauch systematisch angeordneter Deskriptoren erfordert einschlägigen Sachverstand. Demgegenüber ist die alphabetische Sortierung benutzerfreundlich und  wie die Techniker salopp sagen  „idiotensicher“.

x

Die Herstellung systematischer Anordnungen ist nicht nur schwierig, sondern auch arbeitszeitaufwendig und somit teuer. Alphabetisch sortierte Listen können schnell und billig maschinell erstellt werden.

x

Systematische Anordnungen veralten und müssen deshalb gepflegt werden, diese Pflege ist ebenso wie die Herstellung schwierig und arbeitsaufwändig.

x

Systematische Anordnungen sind nur für eine überschaubare Anzahl von Deskriptoren geeignet. Als eine für eine systematische Anordnung noch überschaubare Menge können bis zu 103 Deskriptoren gelten, in Extremfällen vielleicht sogar bis zu 104, mehr sicherlich nicht. Im Gegensatz dazu können (fast) beliebig große Deskriptorenmengen alphabetisch sortiert werden.

Alphabetisches Sortieren und systematisches Anordnen

9.7

95

Alphabetisch sortieren oder systematisch anordnen?

In der Praxis wird sowohl die (alphabetische) Sortierung als auch die systematische Anordnung benötigt und eingesetzt. Will man Benennungen zusammenführen, so ist zu sortieren, will man Begriffe zusammenführen, so muss man systematisch anordnen. Beim Erstellen eines Ordnungssystems ist jedes Mal neu zu prüfen, ob eine alphabetische Deskriptorenliste (ein alphabetischer Teil des Ordnungssystems) ausreicht, oder wo und wann sich der Aufwand für eine systematische Anordnung (einen systematischen Teil des Ordnungssystems) durch eine verbesserte terminologische Kontrolle lohnt. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gut sich das zu bearbeitende Sachgebiet für eine systematische Anordnung eignet und wie einig sich die Fachleute (die potenziellen Benutzer) sind. Besonders wichtig ist die Gesamtzahl der zu ordnenden Deskriptoren. Mit der Anzahl der Deskriptoren steigt die Anzahl der (möglichen) Beziehungen zwischen den Deskriptoren exponentiell an. Damit steigen auch die Schwierigkeiten beim Erstellen und beim Gebrauch einer systematischen Anordnung mit einer zunehmenden Anzahl von Deskriptoren immer steiler an. Bei Klassifikationen werden die Deskriptoren und damit die Klassen systematisch angeordnet. Dabei wird  vorausgesetzt die Anzahl der Klassen ist überschaubar  ein einfaches Ordnungsprinzip mit einer formal leicht verständlichen terminologischen Kontrolle kombiniert. Deshalb ist die Klassifikation so weit verbreitet. Umgekehrt ist für die dokumentarische Bearbeitung großer Wissensgebiete die Kombination der Nachteile des Ordnungsprinzips Klassifikation mit den Nachteilen der systematischen Anordnung besonders verhängnisvoll. Die Klassifikation braucht von allen Ordnungsprinzipien (wie wir später unter anderem bei Thema 14.2 noch sehen werden) die meisten Deskriptoren, und diese vielen Deskriptoren müssen systematisch angeordnet werden. Daraus folgt, dass für große Dokumentationen sich die Nachteile von Klassifikation und systematischer Anordnung gegenseitig verstärken. Kein ausgebildeter Dokumentar wird heute noch ernsthaft versuchen  wie dies in der kurzen Geschichte der Dokumentation mehrfach geschah  für große Wissensgebiete mit vielen Dokumentationseinheiten systematisch geordnete Klassifikationen mit mehr als 104 oder gar 105 Deskriptoren zu entwickeln.

9.8

Fragen

F9.1

Vergleichen Sie eine alphabetische mit einer systematischen Anordnung von Deskriptoren.

F9.2

Zählen Sie 5 Unterschiede auf, die in der Sortierfolge von Sortierprogrammen auftreten können.

F9.3

Löst eine systematische Anordnung von Deskriptoren lediglich das Problem der Vollsynonyme oder wird damit auch das Problem der Quasisynonyme und der Teilsynonyme gelöst?

96

Thema 9

F9.4

Eine alphabetisch sortierte Deskriptorenliste dient als Ordnungssystem. Welche Vorteile bietet das Sichtbarmachen hierarchischer Strukturen durch Verweise? Bitte geben Sie an, welcher der folgenden Vorteile tatsächlich erreicht wird. x

Die hierarchischen Verweise dienen der terminologischen Kontrolle.

x

Es werden bei zahlreichen Homonymen weitere Erläuterungen entbehrlich.

x

Es können auch polyhierarchische Strukturen dargestellt werden.

x

Man kann sofort erkennen, welche Benennungen zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind.

x

Es lässt sich erkennen, ob hierarchisch indexiert wird.

x

Man kann unmittelbar erkennen, welche Begriffe ein Niveau bilden.

x

Man kann unmittelbar erkennen, welche Begriffe eine Begriffskette bilden.

Thema 10:

Die Klassifikationen ICD-10 und OPS 10.1 Systematik der ICD-10-GM Die International Statistical Classification of Diseases (ICD) geht auf das Jahr 1855 zurück (siehe Thema 38.2) und wird heute von der World Health Organisation (WHO) betreut. Die 10. Revision trat am 01.01.1993 in Kraft unter der Bezeichnung „International Statistical Classifikation of Diseases and Health related Problems (ICD-10)“ (Lit. f1). Die deutschen Ausgaben werden vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) als dem WHO Kooperationszentrum erarbeitet. Die am 01.01.2005 in Kraft getretene Ausgabe heißt „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM 2005)“, wobei GM für German Modifikation steht (s. Abb. 10.1). Die ICD-10-GM 2005 ist ein Ordnungssystem für Krankheiten (Diagnosen), das nach dem Ordnungsprinzip Klassifikation aufgebaut ist und insgesamt ca. 64 000 Klassen hat. Die Notation ist vier- oder fünfstellig. Sie besteht aus einem Buchstaben, einer zweistelligen Zahl, einem Punkt (dient nur der Strukturierung, liefert keine Information und wird deshalb bei der Stellenzahl nicht mitgezählt) und dann noch eine (vierstellige Notation) oder zwei (fünfstellige Notation) einstellige Zahlen. Beispiele: J44.1 J44.11

Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation, nicht näher bezeichnet Gleiche Krankheit wie J44.1, jedoch mit der zusätzlichen Angabe, dass der Lungenfunktionswert FEV1 zwischen 35% und kleiner 50% des Sollwertes liegt (s. Abb. 10.2)

Die ICD-10-GM 2005 ist hierarchisch geordnet. Bei der Notation bezeichnen die 3 Stellen vor dem Punkt ein hierarchisches Niveau, das Raum für 2 500 gleichgeordnete Klassen bietet und nur durch Überschriften weiter gegliedert ist. Die Stellen nach dem Punkt geben weitere Niveaus an, d.h. die vierstellige Notation beschreibt 2, die fünfstellige Notation 3 hierarchische Niveaus. Außerdem können noch Angaben zur Seitenlokalisation (L = links, R = rechts, B = beidseitig) und zur Diagnosesicherheit (z.B. G = gesicherte Diagnose, A = ausgeschlossene Diagnose) hinzugefügt werden. Die ICD-10-GM 2005 behandelt in den Notationen A00 bis N99 Krankheiten im engeren Sinne. Die Notationen O00 bis Q99 betreffen Probleme bei Schwangerschaft, Geburt, Perinatalperiode und angeborene Fehlbildungen, R00 bis R99 betrifft Symptome und abnorme Laborbefunde, S00 bis T98 Verletzungen und Vergiftungen, V01 bis Y98 äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität wie Unfälle, Kontakte mit giftigen Pflanzen und Tieren, vorsätzliche Selbstbeschädigungen und Komplikationen bei medizinischer und chirurgischer Behandlung und Z00 bis Z99 betreffen Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen wie z.B. Kontrazeption, Fertilisation, Beratung zur Lebensführung. Der Bereich U00 bis U99 ist für besondere Zwecke frei-

98

Thema 10

gehalten, z.B. wird seit 01.01.2004 die Notation U04.9! für SARS (severe aquired respiratory syndrome) verwendet. Hinzu kommen Sonderverzeichnisse für Alltagsfunktionen, kognitiven Funktionen usw. und zur Morphologie gut- und bösartiger Neubildungen. Ein allgemeines Problem der systematischen Anordnung von Diagnosen ist, ob eine Diagnose unter dem Ort ihrer Manifestation oder unter dem ihr zugrunde liegenden Krankheitsprozess eingeordnet werden soll. Beispiel: Soll die Lungenentzündung unter der Lokalisation Lunge oder unter dem Krankheitsprozess Entzündung eingeordnet werden? Werden alle Krankheiten eines bestimmten Organs nebeneinander gestellt, so folgt die Systematik dem topologisch-organspezifischen Aspekt (Topologie = Lehre von der Lage und Anordnung der Dinge im Raum). In einer Systematik können jedoch auch alle Krankheiten mit dem gleichen Krankheitsprozess, z.B. alle Entzündungen, alle Autoimmunkrankheiten oder alle bösartigen

Kapitel X Krankheiten des Atmungssystems (J00 – J99) Hinw.: Wenn bei einem Krankheitszustand der Atemwege angegeben ist, dass er an mehreren Lokalisationen vorkommt, er jedoch nicht genau verschlüsselt werden kann, so sollte die weiter distale Lokalisation klassifiziert werden (z.B. nicht Tracheobronchitis, sondern Bronchitis J40). Exkl.:

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00–Q99) Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00–B99) Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00–P96) Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00–E90) Komplikationen der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes (O00–O99) Neubildungen (C00–D48) Symptome und abnorme klinische Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00–R99) Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00–T98)

Dieses Kapitel gliedert sich in folgende Gruppen: J00–J06 J10–J18 J20–J22 J30–J39 J40–J47 J60–J70 J80–J84 J85–J86 J90–J94 J95–J99

Akute Infektionen der oberen Atemwege Grippe und Pneumonie Sonstige akute Infektionen der unteren Atemwege Sonstige Krankheiten der oberen Atemwege Chronische Krankheiten der unteren Atemwege Lungenkrankheiten durch exogene Substanzen Sonstige Krankheiten der Atmungsorgane, die hauptsächlich das Interstitium betreffen Purulente und nekrotisierende Krankheitszustände der unteren Atemwege Sonstige Krankheiten der Pleura Sonstige Krankheiten des Atmungssystems

Dieses Kapitel enthält die folgenden Sternschlüsselnummern: J17* J91* J99*

Pneumonie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten Pleuraerguss bei anderenorts klassifizierten Krankheiten Krankheiten der Atemwege bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

Abb. 10.1

Anfang des Kapitels X der ICD-10-GM 2005

Die Klassifikationen ICD-10 und OPS

J44.–

J44.0-

99

Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit Hinw.: Inkl.:

Die fünften Stellen sind zu benutzen, um den Grad der Obstruktion anzugeben. Chronische: x Bronchitis: x asthmatisch (obstruktiv) x emphysematös x mit Emphysem x obstruktiv: x Bronchitis x Tracheobronchitis Die aufgeführten Krankheitszustände zusammen mit Asthma bronchiale

Exkl.:

Asthma bronchiale (J45.–) Asthmatische Bronchitis o.n.A. (J45.9) Bronchiektasen (J47) Chronische: x Bronchitis o.n.A. (J42) x einfache und schleimig-eitrige Bronchitis (J41.–) x Tracheitis (J42) x Tracheobronchitis (J42) Emphysem (J43.–) Lungenkrankheiten durch exogene Substanzen (J60–J70)

J44.00 J44.01 J44.02 J44.09

Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Infektion der unteren Atemwege Exkl.: Mit Grippe (J10–J11) FEV1 < 35 % des Sollwertes FEV1 >= 35 % und < 50 % des Sollwertes FEV1 >= 50 % des Sollwertes FEV1 nicht näher bezeichnet

J44.1J44.10 J44.11 J44.12 J44.19

Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation, nicht näher bezeichnet FEV1 < 35 % des Sollwertes FEV1 >= 35 % und < 50 % des Sollwertes FEV1 >= 50 % des Sollwertes FEV1 nicht näher bezeichnet

J44.8-

Sonstige näher bezeichnete chronische obstruktive Lungenkrankheit Chronische Bronchitis: x asthmatisch (obstruktiv) o.n.A. x emphysematös o.n.A. x obstruktiv o.n.A. FEV1 < 35 % des Sollwertes FEV1 >= 35 % und < 50 % des Sollwertes FEV1 >= 50 % des Sollwertes FEV1 nicht näher bezeichnet

J44.80 J44.81 J44.82 J44.89

Abb. 10.2

Ausschnitt aus dem systematischen Verzeichnis der ICD-10-GM 2005 Hinw.: = Hinweis, Erläuterung Inkl.: = inklusive, d.h. Einschlussvermerk, enthält-Verweis Exkl.. = exklusive, d.h. Ausschlussvermerk, FEV1 = Forced expiratory volume in 1 Sekunde, ein bei obstruktiven Atemwegserkrankungen wichtiger Lungenfunktionswert. o.n.A. = ohne nähere Angabe

100

Thema 10

Neubildungen, nebeneinander gestellt werden. Diese Einteilung nennt man ätiologisch, pathologisch oder nosologisch (Ätiologie = die Krankheit auslösende Ursache, Pathologie und Nosologie = Lehre von den Krankheiten). Dieses Problem ist mit dem Ordnungsprinzip Klassifikation nicht lösbar. Die ICD-10 (und auch die ICD-10-GM 2005) benutzt im Wesentlichen den ätiologischen Aspekt. Sie bietet jedoch auch die Möglichkeit, zusätzlich nach topologischem Aspekt zu indexieren. Bei Klassen nach topologischem Aspekt wird der Notation das Sonderzeichen * (Stern, englisch: asterisk) angehängt. Soll bei Verweisungen betont werden, dass auf eine übliche, d.h. ätiologische Klasse verwiesen wird, so wird der Notation ein † (Kreuz, englisch: dagger) angehängt. Weil die ICD-10 im Grundsatz ätiologisch aufgebaut ist, erscheint nur das *-Zeichen in der Notation, das †-Zeichen wird als selbstverständlich angenommen. Beispiel: Anämien haben in der üblichen ätiologischen Betrachtungsweise die Notationen D50 bis D64. Tritt jedoch auf Grund einer anderen Erkrankung eine Anämie auf, so ist die andere Erkrankung und zusätzlich D63* zu indexieren.

10.2 Maßnahmen der terminologischen Kontrolle in der ICD-10 Wie bei den meisten Klassifikationen liegt auch bei der ICD der Schwerpunkt der terminologischen Kontrolle in der systematischen Reihenfolge der Deskriptoren. Die ICD-10 und auch die ICD-10-GM 2005 enthält darüber hinaus noch Erläuterungen, Hinweise, Aufzählungen von synonymen Benennungen, Einschlussvermerke und Ausschlussvermerke. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen und bei Verhaltensstörungen sind die Krankheitsbegriffe verhältnismäßig unscharf. Deshalb erläutert die ICD-10 diese Krankheitsbegriffe ausführlich (s. Abb. 10.3).

F84.0 Frühkindlicher Autismus Diese Form der tief greifenden Entwicklungsstörung ist durch eine abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung definiert, die sich vor dem dritten Lebensjahr manifestiert. Sie ist außerdem gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster abnormer Funktionen in den folgenden Psychopathologischen Bereichen: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und im eingeschränkten stereotyp repetitiven Verhalten. Neben diesen spezifischen diagnostischen Merkmalen zeigt sich häufig eine Vielzahl unspezifischer Probleme, wie Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüche und (autodestruktive) Aggression. Autistische Störung Frühkindliche Psychose Infantiler Autismus Kanner-Syndrom Exkl.:

Abb. 10.3

Autistische Psychopathie (F84.5)

Beispiel für die ausführlichen Erläuterungen psychischer Krankheiten und Verhaltensstörungen in der ICD-10-GM 2005

Die Klassifikationen ICD-10 und OPS

101

Neben den Erläuterungen gibt die ICD-10 bei vielen Klassen Hinweise. Beispiel: Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens (D37-D48) Hinweis: In den Kategorien D37–D48 sind Neubildungen mit unsicherem oder unbekanntem Verhalten nach ihrem Ursprungsort klassifiziert, d.h. es bestehen Zweifel daran, ob die Neubildung bösartig oder gutartig ist. Solchen Neubildungen ist in der Klassifikation der Morphologie der Neubildungen der Malignitätsgrad /1 zugeordnet. Beispiel: D69.5

Sekundäre Thrombozytopenie Soll die äußere Ursache angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (Kapitel XX) zu benutzen.

Klassen in der ICD-10 können aus nur einer Vorzugsbenennung bestehen. Bei vielen Klassen sind jedoch zusätzlich zur Vorzugsbenennung eine Reihe synonymer Benennungen oder äquivalent gesetzter Krankheiten aufgezählt, die dann eine Äquivalenzklasse bilden. Ein Beispiel ist J44.8 in Abb. 10.2. Die ICD-10 enthält zusätzlich noch Einschluss- und Ausschlussvermerke, die mit „Inkl.“ und „Exkl.“ abgekürzt sind. Beispiele dafür sind bei J44 und J44.0 in Abbildung 10.2 ersichtlich. Der Unterschied zwischen der reinen Aufzählung wie bei J44.8 und dem Einschlussvermerk ist eher gering, Aufzählungen umfassen volle oder sehr nahe Synonyme, während unter den Einschlussvermerken geringfügig andere Krankheitsbilder dargestellt sind. Sowohl die Aufzählungen als auch die Einschlussvermerke entsprechen dem in Thema 6.8f eingeführten Enthält-Verweis. Allerdings ist in der ICD-10 der Grundsatz von Vor- und Rückverweis nicht eingehalten. Der Ausschlussvermerk ersetzt zum Teil die hierarchischen Verweise, zum Teil die assoziativen Verweise. Die ICD-10-GM 2005 umfasst zwei Bände: Das Systematische Verzeichnis (aus dem Abb. 10.1 bis 10.3 entstammen, Lit. f2) und das Alphabetische Verzeichnis (s. Abb. 10.4, Lit. f3). Der systematische und der alphabetische Teil des Ordnungssystems sind auch als Datei erhältlich.

10.3 Operationen- und Prozedurenschlüssel OPS 2005 In der Medizin werden nicht nur Krankheiten, sondern auch ärztliche Tätigkeiten dokumentarisch erfasst und – ebenso wie die Diagnosen für die Abrechnung und für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Die von der WHO erstmals 1978 herausgegebene International Classification of Procedures in Medicine (ICPM) wurde (ebenso wie die ICD-10) vom DIMDI ins Deutsche übertragen und an deutsche Verhältnisse angepasst. Die am 01.01.2005 in Kraft getretene Ausgabe heißt „Operationen- und Prozedurenschlüssel – Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS 2005)“. Der OPS 2005 ist – wie die Bezeichnung „Schlüssel“ ausdrückt – eine Klassifikation mit numerischer Notation. Allerdings haben in einigen Bereichen die 10 gleichgeordneten Klassen nicht ausgereicht, deshalb treten an der 5. und 6. Stelle der Notation gelegentlich Buchstaben auf. Von den insgesamt 14 000 Klassen betreffen etwa 70% Operationen, ca. 15% nichtoperative therapeutische Maßnahmen, 8% diagnostische Maßnahmen, 4% bildgebende Diagnostik und 2% ergänzende Maßnahmen.

102

Thema 10

Chronisch-degenerativ, Zervikalsyndrom M47.22 Chronisch-entzündlich, Prozess, Zentralnervensystem G04.9 Chronisch-hyperplastisch, Laryngitis J37.0 Chronisch-kongestiv, Splenomegalie D73.2 Chronisch-obstruktiv – Bronchialsyndrom J44.89 – Bronchitis J44.89 – – mit – – – Exazerbation, akut J44.19 – – – Infektion, akut, Atemwege, untere J44.09 – Emphysembronchitis J44.89 – Erkrankung, Lunge J44.99 – – mit Exazerbation, akut J44.19 – Krankheit, Atemwege J44.99 – Tracheobronchitis J44.89 – mit – – – Exazerbation J44.19 – – – Infektion, akut, Atemwege, untere J44.09 Chronisch-rezidivierend – Lumbalgie M54.5 – Lumbalsyndrom M54.16 – Urtikaria L50.8

Abb. 10.4

Ausschnitt aus dem Alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM 2005

Die Notation des OPS 2005 ist vier- bis sechsstellig. Die erste Stelle enthält eine 1, 3, 5, 8 oder 9 und bezeichnet einen der eben genannten Bereiche (z.B. 1 = diagnostische Maßnahmen). Es folgt ein Bindestrich und eine dreistellige Zahl. Je nach Detaillierungsgrad ist damit die Notation beendet oder es folgen noch ein Punkt und weitere 1 bis 2 Stellen. Beispiele: 1 – 652.1 Koloskopie 5 – 470.0 Appendektomie offen chirurgisch 5 – 482.12 Endoskopisch-mikrochirurgische submuköse Exzision am Rektum 5 – 482.1x Sonstige submuköse Exzision am Rektum 8 – 641 Temporäre externe elektrische Stimulation des Herzrhythmus In der fünften und sechsten Stelle der Notation (d.h. nach dem Punkt) können Ziffern durch die Buchstaben x oder y ersetzt werden, es bedeutet x = sonstige und y = nicht näher bezeichnet. Bei paarigen Organen (z.B. Augen, Nieren) ist der Notation des OPS 2005 eine der schon von der ICD-10-GM 2005 bekannten Seitenlokalisation R, L oder B anzuhängen. Der OPS ist monohierarchisch, die vierstellige Notation drückt 2 hierarchische Niveaus aus, die 5. und 6. Stelle – falls vorhanden – jeweils ein weiteres hierarchisches Niveau an.

Die Klassifikationen ICD-10 und OPS

103

Der OPS 2005 umfasst (wie die ICD-10-GM 2005) in einem Band das Systematische Verzeichnis (s. Abb. 10.5, Lit. f4) und in einem weiteren Band das Alphabetische Verzeichnis (Lit. f5), beide Verzeichnisse sind auch als Datei erhältlich.

5-08 …5-16 Operationen an den Augen Hinw.:

Folgende Verfahren oder Operationsumstände sind zusätzlich zu kodieren, sofern sie nicht als eigener Kode angegeben sind: x mikrochirurgische Technik (5-984) x Lasertechnik (5-985) x minimalinvasive Technik (5-986) x Operation im Rahmen der Versorgung einer Mehrfachverletzung (5-981) x Operation im Rahmen der Versorgung eines Polytraumas (5-982) x Durchführung einer Reoperation (5-983) x vorzeitiger Abbruch einer Operation (5-995)

5-08 Operationen an Tränendrüse und Tränenwegen Exkl.: Hinw.:

Therapeutische Spülung des Auges 8(-170) Eingriffe am Auge ohne näher bezeichnete Lokalisation sind unter (5-16) zu kodieren

5-080.– 5-080.0Ƈ 5-080.1Ƈ 5-080.2Ƈ 5.080.xƇ 5-080.y

Inzision der Tränendrüse Ohne weitere Maßnahmen Entfernung eines Fremdkörpers oder Steines Drainage Sonstige N.n.bez.

5-081.– 5-081.0Ƈ 5-081.1Ƈ 5-081.xƇ 5-081.y

Exzision von (erkranktem) Gewebe der Tränendrüse Partielle Exzision Komplette Exzision Sonstige N.n.bez.

Abb. 10.5

Ausschnitt aus dem Systematischen Verzeichnis des OPS 2005 N.n.bez. = Nicht näher bezeichnet Ƈ = Eine Seitenlokalisation (R = rechts, L = links, B = beidseits) ist zusätzlich anzugeben.

104

Thema 10

10.4 Kritische Bewertung der ICD-10 und des OPS Die Teilnahme von Delegierten aus 43 Mitgliedstaaten an der Internationalen Konferenz zur 10. Revision der ICD zeigt an, wie weit verbreitet die ICD ist und wie groß das Interesse an diesem Ordnungssystem ist. Es dürfte weltweit kein Ordnungssystem geben, das so intensiv genutzt wird wie die ICD-10. Durch diesen weltweiten Gebrauch der ICD-10 sind Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken (Krankheits- und Todesursachenstatistiken) international einigermaßen vergleichbar. Die ICD-10-GM 2005 und der OPS 2005 haben in Deutschland große Bedeutung erlangt, weil die Krankenhausbehandlung nach Kostenklassen, den so genannten Diagnosis Related Groups (DRGs) abgerechnet wird. Um für die stationäre Behandlung eines Patienten die DRG und damit die Höhe des Entgelts zu ermitteln, sind unter anderem die ICD-10-GM 2005 Notation der Krankheit, die zur Einweisung in das Krankenhaus geführt hat, und die OPS 2005 Notationen der durchgeführten Maßnahmen erforderlich. Auch bei allen ambulanten Behandlungen werden die Diagnosen nach ICD-10-GM 2005 verschlüsselt. Insgesamt gesehen bemüht sich die ICD-10, die ICD-10-GM 2005 und der OPS 2005 sehr um terminologische Kontrolle, d.h. die Definition und Abgrenzung der Begriffe. Sie benutzen dazu die systematische Anordnung, Erläuterungen, Hinweise, Äquivalenzklassen, Vorzugsbenennungen, Ein- und Ausschlussvermerke. Die damit erreichte terminologische Kontrolle ist für eine Klassifikation durchaus vorbildlich, zumal die medizinische Fachsprache und ihre Krankheitsbezeichnungen ohnehin gut definiert sind. Die beiden besprochenen Ordnungssysteme streben eine hohe Indexierungsgenauigkeit an, halten sich jedoch streng an das Ordnungsprinzip Klassifikation. Das führt zwangsläufig zu vielen Klassen und macht die Ordnungssysteme wenig übersichtlich. Dem können auch die hierarchische Strukturierung und die Zwischenüberschriften nur etwas entgegenwirken. Die Entscheidung, beim Ordnungsprinzip Klassifikation zu bleiben, mag auch bedingt sein durch die erforderliche internationale Abstimmung bei der Erstellung und Revision dieser Ordnungssysteme. Außerdem legen die medizinischen Krankheitsbezeichnungen (Diagnosen), die Fachausdrücke für diagnostische Untersuchungen und die Bezeichnung der Operationen eine Klassifikation nahe. Trotzdem wäre es aus der Sicht der Ordnungslehre wünschenswert, wenn so große Ordnungssysteme auf leistungsfähigeren Ordnungsprinzipien aufbauen würden und damit gleichermaßen überschaubar und leistungsfähiger würden.

10.5 Fragen F10.1 Stammt Abb. 10.1 aus dem systematischen oder dem alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM 2005?

F10.2 In der ICD-10-GM 2005 werden Einschluss- und Ausschlussvermerke verwendet. Was ist darunter zu verstehen? Geben Sie je 3 Beispiele dafür, die nicht dem Sachgebiet der medizinischen Diagnosen entstammen.

Die Klassifikationen ICD-10 und OPS

105

F10.3 Sie sollen eine Diagnose, deren medizinische Bedeutung Ihnen unbekannt ist, nach der vierstelligen ICD-10-GM 2005 verschlüsseln. Wie gehen Sie vor?

F10.4 Was gefällt Ihnen aus ordnungstheoretischer Sicht an der ICD-10-GM 2005?

F10.5 Erläutern Sie einem Dokumentationsfachmann, der jedoch nicht aus der Medizin kommt, kurz OPS 2005. Anleitung: Welches Ordnungsprinzip liegt dem OPS 2005 zugrunde? Welche terminologischen Kontrollen sind enthalten? Wie viele Deskriptoren enthält der OPS 2005 etwa, wie viele Nicht-Vorzugsbenennungen usw.?

F10.6 a) Erläutern Sie bei der Erschließung von Krankenakten den Unterschied zwischen indikativer und informativer Erschließung. b) Ergeben die in der ICD-10-GM 2005 enthaltenen Deskriptoren eine indikative oder eine informative Erschließung der Krankenakten?

F10.7 Zählen Sie die wichtigsten Gemeinsamkeiten und die wichtigsten Unterschiede zwischen ICD-10-GM 2005 und OPS 2005 auf.

Thema 11:

Ordnungsprinzip Register 11.1 Grundsätzliches zum Ordnungsprinzip Register Die Registertechnik ist nach der Klassifikation das zweite Ordnungsprinzip, das wir behandeln. Ein allgemein bekanntes Beispiel für ein Register ist das Sachwortregister eines Fachbuches. Ein gesuchter Sachverhalt wird durch ein Schlagwort oder Sachwort ausgedrückt, dieses wird im alphabetischen Register bequem gefunden. Das Ergebnis des Zugriffs im Register ist die Seitenzahl, die dann gezielt aufgeschlagen wird. In diesem Beispiel ist eine Buchseite eine Dokumentationseinheit, die Seitenzahl die zugehörige Signatur, die Schlagoder Sachwörter die Deskriptoren und das Sachwortregister der Deskriptorenspeicher. Eine Voraussetzung für eine Dokumentation mit Registern ist ein Dokumentenspeicher und damit auch eine Signatur. Wie üblich werden jeder Dokumentationseinheit durch das Indexieren Deskriptoren zugeordnet. Die den Dokumenten zugeteilten Deskriptoren werden umsortiert oder umgeordnet. Dieser Vorgang des Umordnens, Umkehrens oder Invertierens ist der Kernpunkt dieses Ordnungsprinzips. Die invertierten Deskriptoren bilden zusammengenommen das Register, das sehr präzise auch invertiertes File (englisch: inverted file) genannt wird. Das Wort Register bedeutet nämlich nicht nur invertiertes File; im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Register ganz allgemein ein Verzeichnis (z.B. Schiffsregister, Personenstandsregister) und in der Technik bedeutet Register die Zusammenfassung gleichartiger Elemente (z.B. Heizregister, Orgelregister). Die Benennungen „invertiertes File“ und „invertierte Deskriptorenliste“ bringen dagegen gut zum Ausdruck, dass sie gegenüber einem anderen File, dem Basisfile, umorganisiert sind. Die Reihenfolge im Register, im invertierten File, muss festgelegt sein, jedoch kann beim Einrichten einer Dokumentation entschieden werden, welche Reihenfolge verwendet werden soll. Die Reihenfolge soll so festgelegt sein, dass man jeden Deskriptor leicht und sicher findet. Übliche Reihenfolgen in Registern sind alphabetisch, systematisch und chronologisch. Bestehen zwischen den Elementen eines Registers (die meist Deskriptoren sind) hierarchische Beziehungen, so können diese z.B. durch Einrückungen dargestellt werden. Register mit mehreren hierarchischen Niveaus nennt man mehrstufige Register, z.B. ist in Abb. 8.6 ein vierstufiges Register dargestellt. Register, in denen keine hierarchische Struktur zwischen den Elementen dargestellt ist, nennt man im Gegensatz dazu einstufige Register. Um vom invertierten File auf das Basisfile zugreifen zu können, ist eine Signatur zwingend erforderlich. Dagegen kann die Einführung einer Notation zwar zweckmäßig sein, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Eine Dokumentation mit Register umfasst also mindestens Basisfile, Signatur und invertiertes File. Das Ordnungsprinzip Register kann bei freiem und bei gebundenem Indexieren verwendet werden. Das Register selbst, also das invertierte File, ist der Deskriptorenspeicher, der meist als Liste oder Datei realisiert wird. Beim Einspeichern einer neuen Dokumentationseinheit in den Deskriptorenspeicher wird beim indexierten Deskriptor die Signatur der neuen Doku-

Ordnungsprinzip Register

107

mentationseinheit eingetragen. Wird (bei freiem Indexieren wird dies häufiger geschehen) ein Deskriptor erstmals verwendet, so ist eben dieser neue Deskriptor in die Liste einzuschieben oder als neuer Eingang in die Datei einzufügen. Fragt man im Deskriptorenspeicher einen Deskriptor ab, so erhält man die Signaturen der Dokumentationseinheiten, denen dieser Deskriptor indexiert worden ist.

11.2 Basisfile und invertiertes File Dokumentenfile und Register sind in mancher Hinsicht Antagonisten, also zwei Dinge, die als Gegenspieler zusammenwirken. Dokumentenfile, Basisfile, basic file und direct file sind volle Synonyme, ebenso Register, Index, invertiertes File, invertierte Datei und inverted file. Die Benennungen Dokumentenfile und Register werden in der Dokumentation, die Benennungen basic und inverted file in einer etwas allgemeineren Bedeutung in der Informatik bevorzugt. Ein Dokumentenfile enthält Dokumentationseinheiten, ein Register Deskriptoren. Folglich ist ein Dokumentenfile nach Signaturen geordnet, während ein Register  falls eine Notation eingeführt ist  nach Notationen geordnet ist. Schließlich ist das Dokumentenfile (meist) zugleich Dokumentenspeicher und das Register (immer) Deskriptorenspeicher. Die Frage, ob ein gegebenes File ein Basisfile oder ein invertiertes File sei, muss nicht immer trivial sein. Enthält ein File Dokumentationseinheiten (also Bücher, Aufsätze, Krankenakten) oder ist es ein getreues Abbild eines Dokumentationsspeichers, so ist es ein Basisfile. „Ein getreues Abbild“ ist dabei so zu verstehen, dass jedes Element des Files einer Dokumentationseinheit entspricht und die Reihenfolge im File die gleiche ist wie im Dokumentenspeicher. Ein Krankenakten-Archiv oder das Magazin einer Bibliothek sind sicherlich (möglicherweise mehrere) Basisfiles und keine invertierten Files. Aber auch z.B. ein Teileverzeichnis als Liste, bei der jeder Eingang einem Teil entspricht und die Reihenfolge in der Liste genau der Reihenfolge der Teile in den Regalen entspricht, ist ein Basisfile. Ebenso ist der Standortkatalog einer Bibliothek, in dem die Bücher in der genau gleichen Reihenfolge wie im Magazinregal aufgeführt sind und der dazu dient, die Vollzähligkeit der Bücher zu überprüfen, ein Basisfile. Ein invertiertes File dagegen kann nicht für sich alleine bestehen, es muss gegenüber einem anderen File, seinem Basisfile, invertiert sein. Besteht die Frage, ob ein gegebenes File ein invertiertes File sei, so ist zunächst zu fragen, zu welchem Basisfile es invertiert ist und dann ist dieses Basisfile zu finden. Ist das zugehörige Basisfile nicht zu finden, so ist das gegebene File vermutlich kein invertiertes File. Sind zwei Files vorhanden und ist die Frage, welches File das Basisfile und welches das invertierte sei, so entscheidet man nach den folgenden Gesichtspunkten: x

das Register enthält Deskriptoren, das Basisfile die Dokumentationseinheiten oder deren Stellvertreter,

x

das Ergebnis eines Zugriffs im Register ist der Eingang in das Basisfile.

Am Beispiel eines Patientenverzeichnisses kann noch einmal überlegt werden, unter welchen Bedingungen ein File ein Basisfile oder ein invertiertes File ist. Angenommen, das Patientenverzeichnis sei eine Datei, die alle derzeitigen und früheren Patienten eines Krankenhau-

108

Thema 11

ses umfasst, die alphabetisch nach Nachnamen sortiert ist und in der jeder Datensatz einem Patienten entspricht. Sind die Krankenakten ebenfalls alphabetisch nach Patientennamen aufgestellt, so ist diese Patientendatei ein Basisfile, da es ein getreues Abbild des Archivs ist und keine neuen Zugangsmöglichkeiten ermöglicht. Sind dagegen die Krankenakten nach einer Zugangsnummer oder nach dem Geburtsdatum der Patienten abgelegt, so ist dieselbe Patienten-Datei ein invertiertes File. Bei Ablage der Krankenakten nach Zugangsnummer oder Geburtsdatum ist dieses Namensregister notwendig, um unter dem Patientennamen auf eine Krankenakte zugreifen zu können.

11.3 Mehrere Register Die den Dokumentationseinheiten indexierten Deskriptoren können (unter verschiedenen Gesichtspunkten) in verschiedener Weise invertiert werden. Somit können von einem Basisfile, um unterschiedlichen Typen von Suchfragen gerecht zu werden, mehrere Register erstellt werden. Jedes dieser Register kann anders geordnet sein. So kann z.B. ein Krankenaktenarchiv durch ein alphabetisches Namensregister, ein systematisch geordnetes Diagnosenregister und durch ein Operationsregister dokumentarisch erschlossen werden. Meist werden für die verschiedenen Register verschiedene Deskriptormengen verwendet. Jedoch ist es auch möglich, aus der gleichen Deskriptormenge mehrere verschieden sortierte Register zu erstellen. Diese Möglichkeit, Dokumentationseinheiten durch mehrere Register unter verschiedenen Gesichtspunkten zu erschließen, ist ein wichtiger Vorteil des Ordnungsprinzips Register. Die meisten Dokumentationen, die nach dem Ordnungsprinzip Register arbeiten, haben mehrere Register. Hat eine Dokumentation mehrere Register und sind diese als gedruckte Liste, als Kartei oder als getrennte Dateien realisiert, so kann für eine Suchfrage nur auf ein einzelnes Register oder auf verschiedene Register getrennt nacheinander zugegriffen werden. Das bedeutet, dass bei Abfragen diese getrennten Register, d.h. unverbundenen Register nur mit ›-verknüpften, nicht aber š-verknüpften Deskriptoren abgefragt werden können. Sind jedoch mehrere Register einer Dokumentation in einer Datenbank oder einer anderen geeigneten Speicherorganisation realisiert, so können bei einer Abfrage auch mehrere Register gleichzeitig abgefragt werden, d.h. es werden nur Dokumentationseinheiten selektiert, die z.B. im Diagnosenregister den Eintrag „Virushepatitis“ und im Therapieregister den Eintrag „Alkoholkarenz“ haben. Dies bedeutet, dass mehrere Register mit š-verknüpften Deskriptoren abgefragt werden können. Register, die mit š-Verknüpfung abgefragt werden können, werden zugeordnete Register oder verbundene Register genannt. Verbundene Register bieten wesentlich bessere Retrievalmöglichkeiten als unverbundene. Mit entsprechendem Arbeitsaufwand ist es zwar möglich, in mehreren unverbundenen Registern einzeln zu recherchieren und dann manuell zu prüfen, welche der Signaturen in allen „Teilrecherchen“ gefunden worden sind, jedoch wird man diesen Aufwand nur in Einzelfällen treiben können. Sind mehrere Register einer Dokumentation EDV-gespeichert, so ist es eine Frage der Software, ob mehrere Register gleichzeitig abgefragt werden können und nur

Ordnungsprinzip Register

109

die Schnittmenge der gefundenen Signaturen ausgegeben wird. Ist diese Möglichkeit gegeben, so sind aus unverbundenen Registern verbundene geworden. Auf die verbundenen Register und ihre Speicherorganisation wird in den Themen 13.4 (Verbundene Register) und 13.5 (Deskriptorenspeicher für Fassettenklassifikation und verbundene Register) eingegangen.

11.4 Zusammenhang zwischen Register und Klassifikation Bei einer Klassifikation kann man die Dokumentationseinheiten entweder direkt in die klassifikatorischen Fächer legen oder sie in einem Basisfile anordnen und stellvertretend für die Dokumentationseinheiten lediglich ihre Signaturen den Deskriptoren im Deskriptorenspeicher hinzufügen. Erschließt man ein Basisfile durch ein einziges Register und ordnet dieses Register systematisch, so entspricht dies  formal betrachtet  einer Klassifikation mit Dokumentenfile. Folglich kann die Klassifikation als ein Sonderfall der Register und umgekehrt die Register als eine Verallgemeinerung der Klassifikation aufgefasst werden. Das Ordnungsprinzip Register ist universeller und vielseitiger als eine Klassifikation, da ein Register auch anders als systematisch geordnet sein kann, und da zu einem Dokumentenfile auch mehrere und auch sehr unterschiedliche Register angelegt werden können. Man wird anstatt einer Klassifikation zu einer Dokumentation mit Registern tendieren, x

falls verschiedene, klar trennbare Kategorien von Fragestellungen auftreten können,

x

wenn an Stelle einer systematischen Anordnung alphabetische, chronologische oder andere nicht systematische Reihenfolgen treten sollen,

x

wenn man bei der dokumentarischen Arbeit in stärkerem Maße den Computer einsetzen möchte,

x

bei größeren Dokumentationen mit vielen Dokumentationseinheiten, da dann eine Klassifikation unübersichtlich werden würde und Register dann benutzerfreundlicher sind,

x

bei Sachverhalten, die sich nicht zwanglos monohierarchisch oder anders systematisch ordnen lassen, weil dann Register in der Regel zweckmäßiger sind.

11.5 Fragen F11.1 Welche Voraussetzungen müssen mindestens und zwingend gegeben sein, damit eine Dokumentation mit Registern funktioniert?

F11.2 Welche Grundidee steckt in einer Dokumentation mit Registern?

F11.3 Geben Sie Synonyme und Teilsynonyme zu folgenden Benennungen: a) basic file, b) inverted file.

110

Thema 11

F11.4 Untersuchen Sie die folgenden Einrichtungen hinsichtlich der Frage: Basisfile oder invertiertes File? a) Ein alphabetisch geordneter Schlagwortkatalog einer Bibliothek. b) Ein Krankenaktenarchiv, in dem die Krankenakten alphabetisch nach den Patientennamen geordnet sind. c) Wie b, jedoch geordnet nach dem jeweils letzten Entlassdatum der Patienten. d) Wie b, jedoch geordnet nach dem Geburtsdatum der Patienten. e) Eine Liste aller Krankenakten einer Frauenklinik mit einem perinatalen Todesfall im Jahre 2004. f) Das Verzeichnis der zugelassenen Kraftfahrzeuge der Kfz-Zulassungsstelle eines Landkreises, geordnet nach polizeilichen Kennzeichen. g) Das Inhaltsverzeichnis eines Lehrbuches h) Telefonbuch i) Ein Versandhauskatalog. Bei jedem Artikel ist eine Artikelnummer angegeben, die bei Bestellung angegeben werden muss. j) Eine Datei aller stationären Patienten eines Behandlungsjahres einer Medizinischen Klinik alphabetisch nach Hauptdiagnose. k) Der alphabetisch nach Autoren geordnete Katalog einer Bibliothek.

F11.5 In wieweit geht ein konventioneller Schlagwortkatalog einer Bibliothek über ein Register im Sinne der Dokumentation hinaus? Gibt es Zwischenformen zwischen einem konventionellen Schlagwortkatalog und einem einfachen Register? Wenn ja: Welche Vor- und Nachteile werden sich einstellen? Wenn nein: Warum nicht?

F11.6 Ein Krankenhaus möchte sein Krankenaktenarchiv durch ein Diagnosenregister erschließen. Kann dieses Diagnosenregister alphabetisch geordnet werden? Wenn ja: Welche Vor- und Nachteile werden sich einstellen? Wenn nein: Warum nicht?

F11.7 In einem Kreiskrankenhaus (ohne Spezialisierung, 200 Betten, mittlere Verweildauer ca. 10 Tage) werden die Krankenakten nach einer laufenden Zugangsnummer abgelegt. Es wird überlegt, ob dieses Archiv in Zukunft (nicht rückwirkend) durch ein oder mehrere Register besser erschlossen werden soll. Zählen Sie auf, welche Möglichkeiten und Vorteile eine Dokumentation mit Registern bietet, welche Register Sie vorschlagen (mit Angabe zu jedem Register, welche Reihenfolge und welche technische Realisierung des Deskriptorenspeichers zweckmäßig ist), welche Arbeitsgänge zusätzlich zum bisherigen Ablauf notwendig sind und welcher Aufwand an Personal und Geld zur Einrichtung und zur laufenden Führung dieser Register größenordnungsmäßig notwendig sein wird.

Ordnungsprinzip Register

111

F11.8 Operationsberichte werden in der Krankenakte des jeweiligen Patienten abgelegt, diese wiederum sind im Archiv nach Patienten-Identifikation abgelegt. In einer Chirurgischen Klinik wird eine Kopie der Operationsberichte zusätzlich in Ordnern abgelegt. Für die Ablage in den Ordnern werden folgende Varianten diskutiert: Variante (a):

Ablage nach Patientenidentifikation

Variante (b):

Ablage nach Operationsdatum, d.h. chronologisch

Variante (c):

Ablage nach Operateur, innerhalb jedes Operateurs chronologisch

Variante (d):

Ablage nach Art und Lokalisation der Operation.

Welche dieser Varianten ist ein Register?

Thema 12:

Beispiel einer Dokumentation mit Registern 12.1 Allgemeine Fragen zur Vorbereitung Bevor in einer Dokumentation mit dem Indexieren der ersten Dokumente begonnen werden kann, muss das Ordnungssystem in allen Einzelheiten sowie der technisch-organisatorische Betriebsablauf festgelegt sein. Bevor ein Ordnungsprinzip (ob Klassifikation, Register oder ein anderes) ausgewählt oder das Ordnungssystem im Einzelnen entwickelt wird (also z.B. bei einer Klassifikation die einzelnen klassifikatorischen Fächer definiert werden), sind einige grundsätzliche Fragen zu klären. Dieses Vorgehen ist erforderlich, um eine gute und den später gestellten Suchfragen angepasste und somit effiziente Dokumentation zu erreichen. a) Definition der Dokumentationseinheit Es kann z.B. eine ganze Zeitschrift oder ein Zeitschriftenheft oder ein einzelner Aufsatz als Dokumentationseinheit aufgefasst werden. b) Anzahl der Dokumentationseinheiten Falls es sich um eine abgeschlossene Sammlung handelt, ist die Gesamtzahl der Dokumentationseinheiten festzustellen. Handelt es sich um eine laufende Sammlung, so ist die Anzahl der Dokumentationseinheiten pro Jahr zu schätzen. Im letzteren Falle ist außerdem festzulegen, wann und wie Dokumentationseinheiten wieder aus der Dokumentation ausgegliedert werden sollen, weil keine Sammlung unbegrenzt wachsen kann. c) Benutzer und Suchfragen Es ist möglichst genau herauszufinden, wer die Benutzer der Dokumentation sein werden, welche und wie viele Suchfragen sie stellen werden, wie detailliert und wie vollständig diese beantwortet werden sollen und welche Anforderungen die Benutzer stellen hinsichtlich Beratung, Antwortzeit, Präsentation der Antwort (mündlich, schriftlich, Übertragung auf einen Computer) usw. d) Mittel für die Erstellung der Dokumentation Unter welchen Umständen muss die Dokumentation erstellt und betrieben werden? Wie viel Geld, wie viel Zeit, welches Personal und welche technischen Hilfsmittel stehen zur Erstellung und dann für den Betrieb zur Verfügung? Welche Vorarbeiten sind bereits geleistet oder können von anderen Stellen übernommen werden? e) Wahl des Ordnungsprinzips Nach Klärung der Punkte a) bis d) kann die Entscheidung gefällt werden, nach welchem Ordnungsprinzip das Ordnungssystem aufgebaut sein soll. Das gewählte Ordnungsprinzip beeinflusst aber nicht nur den Aufbau des Ordnungssystems, sondern die gesamte Dokumentation einschließlich Deskriptorenspeicher, Betriebsablauf beim Aufnehmen

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

113

der Dokumentationseinheiten und beim Recherchieren usw. Den folgenden Punkten f) bis i) liegt die Annahme zugrunde, dass das Ordnungsprinzip Register gewählt wurde. Andere Ordnungsprinzipien erfordern teilweise andere Folgeüberlegungen. f) Basisfile und Signatur Wie sollen das Basisfile und die Signatur aussehen? Weiterhin ist zu entscheiden, ob das Basisfile Dokumente (dokumentarische Bezugseinheiten) enthält (also ein Archiv ist), oder ob lediglich verkürzte Formen der Dokumente (Referate, vollständige Titelaufnahme oder Hinweise auf Bestände außerhalb der Dokumentationsstelle) enthalten sein sollen. g) Erforderliche Register Welche Register sind entsprechend der erwarteten Suchfragen erforderlich und wie sollen sie in sich geordnet werden? h) Ordnungssystem der systematisch geordneten Register Für jedes systematisch geordnete Register ist ein vollständiges Ordnungssystem (gegebenenfalls mit Notation) zu übernehmen oder zu entwickeln. i) Technische Realisierung Mit welchem Computer, mit welchem Betriebssystem, mit welchen Anwendungsprogrammen und Softwaretools wird die Dokumentation erstellt? Welches Dokumentationsund Retrievalsystem soll verwendet werden? Wird die Dokumentation nur auf einem Computer lokal benutzt oder soll die Dokumentation von mehreren Stellen abfragbar sein? Wie erfolgt der Zugriff von mehreren Stellen – Intranet oder Internet? Zugriffsberechtigung? Kostenabrechnung?

12.2 Die Dokumentationseinheiten der Beispieldokumentation Musikstücke Zur Übung werden die gestellten Fragen an Hand der in Abb. 12.1 gegebenen Beispiele aus dem zu dokumentierenden Material, das aus Compact Disks (CDs) mit vorwiegend klassischer Musik besteht, beantwortet. Die Dokumentation soll ausgedruckt werden, also auch ohne Computer benutzbar sein. Das Übungsbeispiel umfasst nur 6 CDs und eine CD-Kassette. In der Praxis lohnt sich die dokumentarische Bearbeitung einer so kleinen Sammlung natürlich überhaupt nicht.

12.3 Entscheidungen beim Aufbau der Dokumentation a) Definition der Dokumentationseinheit Offensichtlich kann hier entweder eine CD oder ein Musikstück eine Dokumentationseinheit sein. Da CDs häufig recht unterschiedliche Werke umfassen, ist es zweckmäßig, als Dokumentationseinheit ein in sich abgeschlossenes Musikstück zu wählen.

Thema 12

114

b) Anzahl der Dokumentationseinheiten In unserem Beispiel sollen zum Zeitpunkt des Dokumentationsbeginns etwa 1 000 Dokumentationseinheiten vorliegen. Die Sammlung nimmt jährlich um etwa 100 Dokumentationseinheiten zu. c) Benutzer und Suchfragen Die Sammlung von CDs ist für den Besitzer für private Zwecke zu ordnen. Übliche Suchfragen können sein, ein Werk von einem bestimmten Komponisten oder einen bestimmten Titel zu hören, aber auch eine bestimmte Art von Musik (z.B. ein Violinkonzert) auszuwählen oder ein bestimmtes Orchester, einen bestimmten Dirigenten oder einen bestimmten Solisten. d) Mittel für die Erstellung und den Betrieb der Dokumentation Für die Herstellung der Dokumentation kann ein PC mit der üblichen Office Software einschließlich und Sortier- und Listenprogrammen benützt werden. Der Betrieb der Dokumentation soll keine technischen Hilfsmittel erfordern. e) Wahl des Ordnungsprinzips Beim derzeitigen Kenntnisstand des Lesers kommen nur die Ordnungsprinzipien Klassifikation und Register in Frage. Die unter c) gegebenen Anforderungen lassen sich mit Registern erfüllen, mit einer Klassifikation jedoch nicht. Deshalb wird das Ordnungsprinzip Register verwendet.

Peter Iljitsch Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1 b-moll op.23 Piano Concerto No.1 in B flat minor 1

Allegro non troppo e molto maestoso-Allegro con spirito

2

Andante semplice – Prestissimo Tempo I

3

Allegro con fuoco

Magda Bergreich, Klavier/Piano Philharm. Festspielorchester, Dir./Cond.: Vladimir Petroschoff

Abb. 12.1a

CD mit der Signatur 1

Romeo und Julia Romeo and Juliet 4

Phantasie-Ouvertüre Fantasy Overture

Philharmonia Orchestra London, Dir./Cond.: Lawrence Siegel

Finale 5. Symphonie e-moll op.64 / Finale Symphony No.5 in E minor 5

Andante maestoso Allegro vivace

Radio-Symphonieorchester Ljubljana, Dir./Cond.: Anton Nanut

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

Abb. 12.1b

CD mit der Signatur 2

NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOV

Abb. 12.1c

CD mit der Signatur 3

115

116

Thema 12

Abb. 12.1d

CD mit der Signatur 4

Jean Sibelius 1

Finlandia op.26 Symphonische Dichtung Finlandia op.26 Symphonic poem

2

Valse triste aus der Musik zu "Kuolema" op.44 Valse triste from the music to "Kuolema" op. 44

Karelia-Suite op. 11 3

Intermezzo, Moderato

4

Ballade, Tempo di menuetto

5

Alla marcia, Moderato

6

Der Schwan von Tuonela aus der Lemminkäinen-Suite op. 22 nach der finnischen Sage "Kalevala" The Swan of Tuonela from the Lemminkäinen-Suite op. 22 after the Finnish "Kalevala" Saga

7

Pohjolas Tochter Sinfonische Fantasie op.49 Pohjola's Daughter Symphonic fantasy op. 49

London Symphony Orchestra Gennadi Rozhdestvensky Abb. 12.1e

CD mit der Signatur 5

Beispiel einer Dokumentation mit Registern SERGEY RACHMANINOV

Abb. 12.1f

CDs mit den Signaturen 6 und 7

 Antonín Dvor ák The Cleveland Orchestra George Szell, Conductor Symphony No. 9 in E minor / Mi Mineur / e-moll "From The New World" / "Du Nouveau Monde" / "Aus der neuen Welt" 1

I Adagio - Allegro molto (8:39)

2

II Largo (12:08)

3

III Scherzo (Molto Vivace) (7:51)

4

IV Allegro con fuoco (10:55)

Friedrich Smetana 5

"The Moldau" Symphonic Poem No.2

from the Cycle, "My Country" (12:50)

Abb. 12.1g

CD mit der Signatur 8

117

Thema 12

118 f)

Signatur Die CDs der Sammlung sind in der Reihenfolge des Erwerbs durchnumeriert (Zugangsnummer). Eine CD enthält meist mehrere in sich abgeschlossene Musikstücke. Diese einzelnen Musikstücke und ihre Sätze sind nummeriert. Diese CD-interne Nummer kann als Adresse verwendet werden: Tippt man sie in den CD-Spieler ein, so beginnt die Wiedergabe der CD an dieser Stelle. Als Dokumentationseinheit wurde das einzelne, abgeschlossene Musikstück festgesetzt, deshalb wird die Signatur zusammengesetzt aus einer laufenden Nummer der CD und der Nummer innerhalb der CD. Beide Nummern werden durch einen Punkt getrennt, z.B. bezeichnet die Signatur 8.1 das erste Musikstück auf der CD Nr. 8. Auf den CDs sind aber auch die Sätze eines Musikstücks in die CD-interne Nummerierung einbezogen. Beispiel: Auf der CD Nr. 3 sind vier Musikstücke, das erste Musikstück ist ein Quintett mit drei Sätzen. Diese drei Sätze haben auf der CD jeweils eine eigene Nummer, nämlich die Nummern 1, 2 und 3. Damit hat das Quintett die Signatur 3.1, die Signaturen 3.2 und 3.3 existieren nicht. In einer CD-Kassette sind mehrere CDs zusammengefasst, die innerhalb der Kassette nummeriert sind. Die in den CDs eingespeicherten internen Nummern der Musikstücke beziehen sich jedoch auf die einzelne CD, nicht auf die Kassette, d.h. die Nummerierung der Musikstücke der zweiten CD, der dritten CD usw. einer Kassette beginnt wieder bei 1. Deshalb werden die CDs einer Kassette wie Einzel-CDs behandelt. Im Beispiel ist eine Rachmaninov Kassette mit zwei CDs enthalten, diese beiden CDs werden separat als 6.x und 7.x gezählt.

g)

Basisfile Das Basisfile sind die nach laufender Zugangsnummer sortierten CDs. Es erscheint jedoch zweckmäßig, zusätzlich ein Verzeichnis aller CDs zu haben, das ebenfalls nach Zugangsnummer geordnet ist und somit ebenfalls ein Basisfile ist. Fehlt einmal eine CD, so kann man an der Lücke leicht die fehlende Signatur erkennen und im Basisfile nachschlagen, um welche CD es sich handelt.

h)

Erforderliche Register Folgende Register werden verlangt: x

Register nach den Komponisten (alphabetisch sortiert),

x

Register nach den Titeln (alphabetisch sortiert),

x

Register nach der Art der Musik (sachlogisch geordnet).

x

Bei den Interpreten ist zu unterscheiden zwischen Gruppen von Interpreten (Orchester, Chöre usw.), Solisten (Pianisten, Sänger usw.) und Dirigenten. Es ist zu prüfen, ob diese in einem gemeinsamen Register geführt werden sollen oder ob besser getrennte Register angelegt werden. Da für jeden Interpreten eindeutig und mühelos entschieden werden kann, ob es eine Gruppe, ein Solist oder ein Dirigent ist, erscheint die Lösung mit getrennten Registern für Orchester, für Solisten und für Dirigenten sinnvoller. Die drei Register der Interpreten werden alphabetisch geordnet.

Beispiel einer Dokumentation mit Registern i)

119

Ordnungssysteme für die systematisch geordneten Register Von den genannten Registern ist nur das Register für die Art der Musik systematisch zu ordnen. Wir entscheiden uns für eine Klassifikation mit monohierarchischer Struktur, die in einer dreistelligen Notation zum Ausdruck kommt. Für das Übungsbeispiel mag folgende Klassifikation genügen: Kammermusik.......................................................................... K00  ein Instrument allein ........................................................ K10   Klavier ....................................................................... K11   Streicher..................................................................... K12   Bläser ......................................................................... K13   sonstiges..................................................................... K14  mit Klavier ....................................................................... K20   Bläser ......................................................................... K21   Streicher..................................................................... K22  Streicher ........................................................................... K30  Bläser ............................................................................... K40  gemischt ........................................................................... K50 Sinfonische Musik ................................................................... S00  mit Soloinstrument(en) .................................................... S10   Klavier ....................................................................... S11   Violine ....................................................................... S12   sonstige Streicher....................................................... S13   Blasinstrumente ......................................................... S14   sonstige Soloinstrumente ........................................... S15   mehrere Soloinstrumente, Concerto grosso ............... S16  ohne Soloinstrumente....................................................... S20   Sinfonie...................................................................... S21   Programmusik, sinfonische Dichtung ........................ S22   Ballettmusik............................................................... S23   sonstiges..................................................................... S24 Vokal ohne Begleitung ............................................................ V00  für gleiche Stimmen ......................................................... V10  für gemischte Stimmen .................................................... V20 Vokal mit Begleitung............................................................... B00  mit Tasteninstrument (Klavier, Cembalo, Orgel)............. B10   für eine Singstimme ................................................... B11   für mehrere Singstimmen........................................... B12  mit Orchester.................................................................... B20   Oper ........................................................................... B21   Operette ..................................................................... B22   Musical ...................................................................... B23   Lieder......................................................................... B24   Messe ......................................................................... B25   Oratorium................................................................... B26   Kantate....................................................................... B27   geistliches Lied .......................................................... B28  mit sonstigem Ensemble .................................................. B30

Thema 12

120

Die Notationen K00, K10, K20, S00, S10, S20 usw. werden wohl kaum benötigt werden, da entsprechend der hierarchischen Indexierungsregel – so detailliert wie möglich zu indexieren – einer der Unterbegriffe verwendet werden soll. Für Klaviermusik ist K11, nicht K20 zu verwenden. j)

Technische Realisierung Es erscheint zweckmäßig, die Dokumentation mit einem PC zu erstellen und Basisfile und die Register jeweils als Liste auszudrucken, weil x

es der angenommenen Anzahl von 1 000 Dokumentationseinheiten angemessen erscheint,

x

die Register maschinell erstellt werden können und

x

die Listen maschinell geschrieben und bequem im Wohnzimmer benutzt werden können,

x

neue Dokumentationseinheiten problemlos im Computer nachgetragen werden können und Basisfile und die Registerlisten von Zeit zu Zeit ohne großen Aufwand erneuert werden können.

Um die gesamte erforderliche Informationsmenge für eine Dokumentationseinheit auf einer Zeile unterzubringen und dadurch die Arbeit zu vereinfachen, x

wird die Art der Musik lediglich durch die Notation angegeben,

x

werden maximal zwei Solisten je Dokumentationseinheit in die Dokumentation aufgenommen,

x

werden im Register der Orchester folgende Abkürzungen (Notationen) verwendet (der Ausschnitt entspricht den Dokumentationseinheiten des Beispiels): PHFO PHOL RSOL CPIP OMfV LPHO LNSO SASO CLLO ASMF

Philharmonisches Festspielorchester (Moskau) Philharmonia Orchestra London Radio-Symphonieorchester Ljubljana (Slowenien) Capella Istropolitana (Bratislava, Slowakei) Orchester des Ministeriums für Verteidigung (UdSSR) Leningrader Philharmonisches Orchester London Symphony Orchestra Staatl. Akademisches Sinfonieorchester (UdSSR) Cleveland Orchestra (USA) Academy of St. Martin in the fields

Für die Erstellung der Dokumentation ist noch eine Datenerfassungsmaske erforderlich, die in Abb. 12.2 angegeben ist.

12.4 Erstellung des Basisfiles und der Register Zunächst muss für jedes Musikstück einer CD die Art der Musik indexiert und die Abkürzung für das Orchester herausgesucht werden. Ein vollständiger Datenerfassungsbeleg, in dem alle für die Dokumentation erforderlichen Angaben, wie Signatur, Komponist, Titel usw., eingetragen werden, lohnt sich wohl nicht. Stattdessen reicht es, wenn die Signatur der

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

121

Art der Musik und die Abkürzung für das Orchester auf einen Haftzettel geschrieben werden, der auf die CD-Kunststoffschachtel aufgebracht wird. Zur Datenerfassung wird dann die CD mit an den Bildschirm genommen. Die Erfassungsmaske bezieht sich auf eine CD, nicht auf eine Dokumentationseinheit. Viele Angaben sind zu den Dokumentationseinheiten einer CD gleich: Der erste Teil der Signatur, oft der Komponist, oft auch die Art der Musik (z.B. erste und zweite Sinfonie des Komponisten) oder das Orchester, der Dirigent oder der Solist. Diese Angaben können dann vom vorigen Musikstück auf der gleichen CD übernommen werden und sind nicht mehr neu einzutippen. Jedes Musikstück entspricht einem Datensatz. Der Datensatz in sich ist gegliedert wie die Eingabemaske. Die einzelnen Teile des Datensatzes, also Signatur, Komponist, Titel usw., haben eine feste Länge, kürzere Einträge werden mit angehängten Blanks aufgefüllt. Damit hat auch der gesamte Datensatz eine einheitliche Länge. Die Datensätze werden in eine gewöhnliche Datei geschrieben. Diese Datei ist das Basisfile und kann problemlos als Liste ausgedruckt werden. Für das Erstellen eines Registers wird ein übliches Sortierprogramm verwendet. Soll z.B. das Komponistenregister erstellt werden, so ist dem Sortierprogramm mitzuteilen, an welchen Stellen der Datensätze sich die Komponisten befinden. Das Sortierprogramm sortiert dann die Datensätze nach dem angegebenen Datenfeld und schreibt das Ergebnis in eine neu angelegte Datei. Diese neu angelegte Datei ist dann das Register, das seinerseits wieder problemlos als Liste ausgedruckt werden kann. Bei der Erstellung des Solistenregisters tritt die Schwierigkeit auf, dass pro Dokumentationseinheit zwei Einträge existieren können. Dazu ist folgendermaßen zu verfahren: Alle Datensätze mit zwei Solisten sind zu duplizieren. Im Duplikat werden die beiden Solisten ausgetauscht, d.h. der zweite Solist kommt an die erste Stelle und der ursprünglich erste Solist an die zweite Stelle. Um diesen Tausch anzuzeigen, wird an den jetzt an zweiter Stelle stehenden Solisten ein Sonderzeichen, z.B. ein Stern angehängt. Dann wird das Feld Solisten wie gewöhnlich sortiert. Abbildung 12.3 zeigt das Basisfile, die Abbildungen 12.4 bis 12.9 die Register für die Dokumentationseinheiten, die in Abbildung 12.1 beschrieben worden sind. Signatur

Abb. 12.2

Komponist

Titel

Art der Musik

Orchester

Solist(en)

Dirigent

Datenerfassungsmaske für das Dokumentationsbeispiel von Musikstücken auf Compact-Disks

122

Thema 12

Signatur 1.1

Komponist Tschaikowsky

Titel

Art der Musik

Orchester

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Solist(en) Bergreich

Dirigent Petroschoff

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

PHOL

Siegel

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

Nanut

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

Jansons

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

Szell

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

Szell

Abb. 12.3

Vladar

Wordsworth

Vladar

Wordsworth

Nasedkine, Vzrev

Eresko Eresko

Basisfile der Beispieldokumentation Musikstücke

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

Signatur

Komponist

Titel

Art der Musik

Orchester

S 11

CPIP

Vladar Vladar

Solist(en)

123

Dirigent

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

Eresko

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

Eresko

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

Jansons

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

PHOL

Siegel

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

Nanut

Abb. 12.4

Wordsworth Wordsworth Szell

Nasedkine, Vrzev

Szell Bergreich

Komponistenregister der Beispieldokumentation Musikstücke

Petroschoff

124

Thema 12

Signatur

Komponist

Titel

Art der Musik

Orchester

Solist(en)

Dirigent

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

Szell

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Bergreich

Petroschoff

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

Abb. 12.5

Eresko

Eresko LNSO

Rozhdestvensky Nasedkine, Vrzev

PHOL

Siegel

S 21

RSOL

Nanut

S 21

LPHO

Jansons

S 21

CLLO

Szell

S 14

OMfV

Titelregister der Beispieldokumentation Musikstücke

Lakhoviezki

Pitirimov

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

Signatur

Komponist

Titel

Art der Musik

Orchester

Solist(en)

125

Dirigent

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

Eresko

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

Eresko

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

Nasedkine, Vrzev

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Bergreich

Petroschoff

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

Nanut

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

Jansons

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

Szell

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

Szell

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

PHOL

Siegel

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

Abb. 12.6

Register „Art der Musik“ der Beispieldokumentation Musikstücke

126

Thema 12

Signatur

Komponist

Titel

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

6.7

Rachmaninov

6.8

Rachmaninov

8.1 8.5 2.1

Art der Musik

Orchester

Solist(en)

Dirigent

K 21

Nasedkine, Vrzev

Der Flieder

K 11

Eresko

Margeriten

K 11

Eresko

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Bergreich

Petroschoff

Szell Szell

Jansons

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

PHOL

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

Abb. 12.7

Siegel Nanut

Orchesterregister der Beispieldokumentation Musikstücke

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

Signatur

Komponist

Titel

Art der Musik

Orchester PHOL

Siegel

Solist(en)

127

Dirigent

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

Nanut

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

Jansons

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

Szell

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Bergreich

Petroschoff

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Mikhailov

Douanev

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K21

Abb. 12.8

Szell Nazarov

Eresko Eresko

Nasedkine, Vrzev

Vrzev, Nasedkine*

Solistenregister der Beispieldokumentation Musikstücke

128

Thema 12

Signatur

Komponist

Titel

Art der Musik

3.1

Rimski-Korsakov

Quintett für Klavier und Blasinstrumente

K 21

Nasedkine, Vrzev

6.7

Rachmaninov

Der Flieder

K 11

Eresko

6.8

Rachmaninov

Margeriten

K 11

3.6

Rimski-Korsakov

Konzert für Klarinette und Blasorchester

S 14

OMfV

Orchester

Solist(en)

Dirigent

Eresko Mikhailov

Douanev

4.1

Schostakowich

Sinfonie Nr. 7

S 21

LPHO

1.5

Tschaikowsky

Sinfonie Nr. 5, Finale

S 21

RSOL

Jansons

3.4

Rimski-Korsakov

Konzert für Posaune und Blasorchester

S 14

OMfV

Batachev

Nazarov

1.1

Tschaikowsky

Klavierkonzert Nr. 1

S 11

PHFO

Bergreich

Petroschoff

3.5

Rimski-Korsakov

Variationen für Oboe und Blasorchester

S 14

OMfV

Lakhoviezki

Pitirimov

6.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

6.4

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.1

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

7.3

Rachmaninov

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4

S 11

SASO

Eresko

Provatorov

5.1

Sibelius

Finlandia

S 21

LNSO

Rozhdestvensky

5.2

Sibelius

Kuomela, Valse triste

S 24

LNSO

Rozhdestvensky

5.3

Sibelius

Karelia-Suite

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.6

Sibelius

Lemminkäinen-Suite, der Schwan von Tuonela

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

5.7

Sibelius

Pohjolas Tochter

S 22

LNSO

Rozhdestvensky

Nanut

1.4

Tschaikowsky

Romeo und Julia

S 24

PHOL

Siegel

8.1

Dvorak

Sinfonie Nr. 9

S 21

CLLO

Szell

8.5

Smetana

Die Moldau

S 22

CLLO

2.4

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 5

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

2.1

Beethoven

Klavierkonzert Nr. 2

S 11

CPIP

Vladar

Wordsworth

Abb. 12.9

Szell

Dirigentenregister der Beispieldokumentation Musikstücke

Beispiel einer Dokumentation mit Registern

129

12.5 Gebrauch der Register Mit dieser Dokumentation können Fragen folgenden Typs durch Nachschlagen im zutreffenden Register ohne weiteres beantwortet werden: x Ich möchte ein Musikstück von Dvorak hören. x Ich möchte die Karelia-Suite hören. x Ich möchte ein Klavierkonzert (S11) hören. x Ich möchte eine Aufnahme mit dem Leningrader Philharmonischen Orchester (LPHO) hören. x Ich möchte eine Darbietung des Pianisten Bergreich hören. x Ich möchte ein von Wordsworth dirigiertes Musikstück hören. Fragen des Typs „Ich möchte das 2. Klavierkonzert von Beethoven hören in einer Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern“ können mit den ausgedruckten Registern nicht direkt beantwortet werden. Zur Beantwortung ohne Computer ist es zweckmäßig, den vermutlich am seltesten indexierten Deskriptor aufzugreifen (in unserem Beispiel 2. Klavierkonzert), diesen in dem entsprechenden Register nachzuschlagen und von dort aus sequenziell weiterzusuchen. Um dies zu ermöglichen, ist in jedem Register die gesamte im Basisfile enthaltene Information angegeben, während üblicherweise in einem Register nur die sortierte Spalte und die Signatur angegeben ist. Ein Komponistenregister in der üblichen Form enthält nur die Spalte Komponist und die Spalte Signatur, ein Titelregister enthält üblicherweise nur die Spalten Titel und Signatur usw. Mit der hier verwendeten Form der Register, nämlich in jedes Register die gesamte Information des Basisfiles aufzunehmen, haben wir streng genommen schon die Register in Richtung Fassettenklassifikation (s. nächstes Thema) weiterentwickelt.

12.6 Aufnahme neuer Dokumentationseinheiten Wird die Sammlung um neue CDs erweitert, so sind die neuen Musikstücke zu indexieren, die Daten mit der Bildschirmmaske zu erfassen und das Basisfile zu erweitern. Vermutlich ist es zweckmäßig, das EDV-gespeicherte Basisfile laufend zu aktualisieren, d.h. jede neu hinzugekommene CD sofort zu erfassen. Vermutlich lohnt es sich jedoch nicht, mit jeder neu erfassten CD alle Register neu zu erstellen. Es kann zweckmäßig sein, die Register nur monatlich oder vierteljährlich oder jährlich auf den aktuellen Stand zu bringen. Dazu müssen die Sortierungen neu durchgeführt werden. Während also das Basisfile fortgeschrieben wird, werden die invertierten Files (Register) bei jedem Update gelöscht und dann vollständig neu erstellt. Die Problematik, wie oft die Register neu ausgedruckt werden, würde entfallen, wenn die Register nur als EDV-gespeicherte Dateien existieren würden, nicht aber als ausgedruckte Liste. Allerdings müssten dann mit jedem Update des Basisfiles auch alle Register aktualisiert werden. Dies wäre mit Sortierprogrammen verhältnismäßig mühsam. Stattdessen würde man die gesamte Dokumentation nicht mit Sortierprogrammen erstellen, sondern ein Datenbanksystem verwenden. Ein Datenbanksystem könnte dann auch kompliziertere Suchfragen beantworten wie z.B. die oben erwähnte „Ich möchte das 2. Klavierkonzert von Beethoven hören in einer Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern“ und erkennen, dass die gewünschte Aufnahme nicht in der Sammlung vorhanden ist. Dies wäre dann eine Dokumentation mit verbundenen Registern (Thema 13.4).

Thema 13:

Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation 13.1 Grenzen von Klassifikation und unverbundenen Registern Ein wesentlicher Nachteil einer Klassifikation ist, dass streng genommen jede Dokumentationseinheit genau einer Klasse zuzuordnen ist. Häufig können Dokumentationseinheiten unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden und würden unter jedem dieser Aspekte andere Deskriptoren bekommen. Beispiel: Das Mammakarzinom einer 45-jährigen Frau kann unter folgenden Aspekten betrachtet werden:

 Organ, Lokalisation:  pathologischer Prozess:  diagnostische Maßnahme:  therapeutische Maßnahme:  Komplikationen:  Patientenbeschreibung:

Mamma, rechts Karzinom Probeexcision operative Resektion keine 45 Jahre, weiblich

Eine Klassifikation kann streng genommen nur einen dieser Aspekte erfassen. Mit dem Ordnungsprinzip Register kommen wir bereits einen Schritt weiter, wenn für jeden Aspekt ein eigenes Register angelegt wird. In dem oben genannten Beispiel wäre also je ein Register für Lokalisationen, pathologische Prozesse, diagnostische Maßnahmen, therapeutische Maßnahmen, Komplikationen und für die allgemeine Patientenbeschreibung notwendig. Aber selbst wenn diese Register jeweils einzeln existieren, können nur Suchfragen, die einen einzigen Aspekt betreffen, beantwortet werden. Suchfragen, die zwei oder mehrere Aspekte umfassen, wie z.B. alle Karzinome, die therapeutisch bestrahlt wurden oder z.B. alle Magengeschwüre bei Patienten über 50 Jahren (Lokalisation = Magen; pathologischer Prozess = Geschwür; Patientenbeschreibung = Alter > 50 Jahre) erfordern verbundene Register.

13.2 Grundsätzliches zum Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation Das Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation greift die Idee, jede Dokumentation unter mehreren Gesichtspunkten zu betrachten, konsequent auf. Das Wort „Fassettenklassifikation“ bedeutet sowohl ein Ordnungsprinzip als auch ein Ordnungssystem, das nach dem Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation aufgebaut ist. Die Fassettenklassifikation stellt für jeden wichtigen und allgemein gültigen Aspekt jeweils eine eigene Klassifikation bereit. Jede Dokumentationseinheit wird nach jeder dieser Klassifikationen indexiert und die zugeteilten Deskriptoren bzw. deren (Teil-) Notationen mit einem Doppelpunkt (oder einem anderen Sonderzeichen) zu einer Gesamtbeschreibung bzw. zu einer Gesamtnotation verbunden. Durch das Verknüpfen der Teilnotationen zu einer Gesamtnotation entsteht ein neuer und speziellerer Begriff, der als solcher in den Teilklassifikationen nicht enthalten ist. Diese Erzeugung speziellerer Begriffe aus allgemeineren Begriffen ist ein sehr wichtiger Aspekt der modernen Ordnungslehre. Wegen der Verknüpfung der Teilnotationen durch Doppelpunkte zur Gesamtnotation heißt die Fassettenklassifikation auf Englisch Colon-Classification (Doppelpunkt-Klassifikation).

Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation

131

Jede Teilklassifikation trägt einen Aspekt, einen Gesichtspunkt zu einer Gesamtschau bei. Weil sozusagen ein Ganzes in mehreren Fassetten dargestellt wird, hat die Fassettenklassifikation diesen Namen erhalten. Die Anzahl der Fassetten, ihre Bedeutung und die Reihenfolge der Teilnotationen in der Gesamtnotation ist für eine Dokumentation festgelegt. Hat eine Fassettenklassifikation z.B. 6 Fassetten, so müssen alle Dokumentationseinheiten nach genau diesen 6 Fassetten indexiert werden. Innerhalb einer Teilklassifikation darf nicht überlagert werden. Zur Abgrenzung von der Fassettenklassifikation wird die Klassifikation, wie sie vor diesem Thema behandelt wurde, Einfachklassifikation genannt.

13.3 Eigenschaften der Fassettenklassifikation Die wichtigsten Vor- und Nachteile der Fassettenklassifikation sind: x

Die Fassettenklassifikation ermöglicht, verglichen mit einer Einfachklassifikation eine wesentlich detailliertere Erschließung. Dabei kann die Anzahl der Klassen in allen Teilklassifikationen zusammengenommen noch geringer sein als bei einer Einfachklassifikation.

x

Die Definition der Fassetten erläutert zusätzlich die Deskriptoren. Wird z.B. der Deskriptor Lunge in der Fassette Physiologie verwendet, so ist damit festgelegt, dass die Lungenphysiologie, nicht die Anatomie oder die Pathologie der Lunge gemeint ist.

x

Für jede Fassette einer Fassettenklassifikation gelten auch die Nachteile der Einfachklassifikation ohne Überlagerung, nämlich, dass eine Thematik (ein Aspekt) vollständig abgedeckt sein muss, dass die Klassen sich gegenseitig ausschließen und dass jeder Dokumentationseinheit genau ein Deskriptor zugeteilt wird.

x

Die Gesamtnotation ist verhältnismäßig lang, hat jedoch, wenn alle Teilnotationen eine feste Länge haben, ebenfalls eine konstante Länge. Da außerdem die Reihenfolge der Teilnotationen festgelegt ist, ist die Gesamtnotation für Programme einfach zu bearbeiten.

x

Die Fassettenklassifikation erscheint zwar zunächst durch ihre lange Gesamtnotation unübersichtlich, ist jedoch auf Grund ihrer starken Segmentierung im Detail gut überschaubar.

x

In der Regel haben die Notationen der einzelnen Fassetten (Teilklassifikationen) den gleichen äußeren Aufbau und eine einheitliche Länge. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig, und es können somit bereits bestehende Klassifikationen ohne weiteres in eine Fassettenklassifikation eingebaut werden.

x

Die Fassetten müssen so allgemein sein, dass normalerweise jede Dokumentationseinheit unter allen Fassetten sinnvoll betrachtet werden kann. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass für eine Dokumentationseinheit eine Fassette nicht zutrifft oder Angaben zu einer Fassette in der Dokumentationseinheit (z.B. Krankenakte) fehlen. Deshalb muss jede Teilklassifikation eine Klasse „unzutreffend“ haben, der meist eine besondere Teilnotation, z.B. 00, gegeben wird. Gelegentlich kann es sogar zweckmäßig sein, mehrere Klassen dieser Art einzurichten, z.B. „Fassette sachlich unzutreffend“; „fehlende Angabe in der Dokumentationseinheit“; „Fassette zutreffend, Deskriptor Sonstiges“.

x

Die Fassettenklassifikation ist für Fachgebiete mit klar abgegrenzten Teilgebieten wie die Medizin gut geeignet.

x

Die Fassettenklassifikation stellt höhere Anforderungen an den Deskriptorenspeicher als die Einfachklassifikation und als die unverbundenen Register.

132

Thema 13

13.4 Verbundene Register Die Idee, jede Dokumentationseinheit unter mehreren Aspekten zu indexieren und bei der Recherche formale Suchfragen mit š-verknüpften Deskriptoren zu verwenden, setzt nicht zwingend eine Notation voraus. Der Inhalt einer Dokumentationseinheit lässt sich auch mit Vorzugsbenennungen darstellen, wie in Thema 12 mit dem Dokumentationsbeispiel von Musikstücken dargestellt. Die systematische Anordnung der Deskriptoren in jeder Fassette stammt aus der Klassifikation. Die Idee der fassettierten Erschließung hat aber nichts damit zu tun, wie die Deskriptoren einer Fassette im Ordnungssystem oder wie die Deskriptoren im Deskriptorenspeicher angeordnet sind, sie könnten also auch z.B. alphabetisch sortiert sein. Allerdings bleibt die andere Beschränkung einer strengen Klassifikation, je Fassette genau einen Deskriptor zu indexieren, bestehen. Um Verwechslungen vorzubeugen, soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Anordnung der Deskriptoren im Ordnungssystem und Sortierung im Deskriptorenspeicher (also die Anordnung z.B. im Register) verschiedene Sachen sind. Das Basisfile der im vorigen Thema behandelten Beispieldokumentation Musikstücke mit seiner festen Einteilung der Datensätze in Felder entspricht der Idee der Fassetten. In der Beispieldokumentation Musikstücke gilt für jeden Datensatz die Reihenfolge Signatur, Komponist, Titel, Art der Musik, Orchester, Solist(en) und Dirigent. Diese Kategorien können auch als Fassetten betrachtet werden, z.B. die Komponistenfassette, die Titelfassette usw.. Allerdings enthalten die meisten Fassetten keine Notation, sondern Klartext, und diese Fassetten sind nicht systematisch, sondern alphabetisch geordnet. Bleibt das Basisfile EDVgespeichert und ermöglicht die Retrieval-Software die Abfrage mehrerer Felder und eine šVerknüpfung dieser Felder, so entsprechen die Abfragemöglichkeiten denen einer Fassettenklassifikation. Wenn der Benutzer z.B. von Mozart die Sinfonie Nr. 1 hören möchte, so wäre die formale Suchfrage Komponistenfeld = „Mozart“ š

Titelfeld = „Sinfonie Nr. 1“

Ordnet man die Deskriptoren einer (oder mehrerer) Fassette nicht systematisch-klassifikatorisch, so kann man eigentlich nicht mehr von einer Teil-“Klassifikation“ und folglich auch nicht mehr von einer Fassetten-“Klassifikation“ sprechen. Eine Fassettenklassifikation und eine Dokumentation mit mehreren verbundenen Registern, die alle systematisch geordnet sind, ist dasselbe.

13.5 Deskriptorenspeicher für Fassettenklassifikation und verbundene Register Die Anzahl der möglichen verschiedenen Gesamtnotationen ist bei der Fassettenklassifikation sehr groß, nämlich: Anzahl der möglichen Gesamtnotationen = D1 × D2 × D3 × ... × Df wobei f = Di =

Anzahl der Fassetten Anzahl der Klassen in der i-ten Teilklassifikation

Hat z.B. eine Fassettenklassifikation 4 Fassetten, wobei die erste Teilklassifikation 80, die zweite 120, die dritte 40 und die vierte Teilklassifikation 70 Klassen umfassen soll, so kön-

Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation

133

nen daraus durch Kombination 80 × 120 × 40 × 70 = 2.7 × 107 verschiedene Gesamtnotationen gebildet werden. In einer Dokumentation wird natürlich nur ein Bruchteil dieser Gesamtnotationen tatsächlich auftreten, nämlich höchstens so viele wie Dokumentationseinheiten aufgenommen sind (falls alle eingespeicherten Dokumentationseinheiten unterschiedlichen Inhalt haben). Bei einer Fassettenklassifikation kann nach den Dokumentationseinheiten mit einer bestimmten Gesamtnotation recherchiert werden. Dabei werden jedoch wegen der extrem großen Anzahl der möglichen Gesamtnotationen und der damit verbundenen starken Selektivität nur sehr wenige, häufig sogar gar keine Dokumente aufgefunden. Umgekehrt selektiert die Abfrage einer einzigen Teilnotation so viele Dokumentationseinheiten, dass das Rechercheergebnis wegen zu geringer Selektivität und zu vieler Dokumente oft unbrauchbar ist. Die meisten Suchfragen beziehen sich auf mehrere, jedoch nicht alle Fassetten. Das setzt aber ein Retrievalprogramm voraus, bei dem einzelne beliebige Teilnotationen š-verknüpft werden können. Eine Fassettenklassifikation und eine Dokumentation mit Registern eignen sich gut für eine relationale Datenbank. Aus Sicht der Informatik ist jede Dokumentationseinheit ein Datensatz bestehend aus Signatur und den einzelnen Teilnotationen. Wird in keiner Fassette bzw. in keinem Register überlagert, so besteht der Deskriptorenspeicher aus einer einzigen Datenbanktabelle. Wird in der einen oder anderen Fassette oder dem einen oder anderen Register doch überlagert, d.h. einer Dokumentationseinheit dürfen auch mehrere Deskriptoren aus dieser Fassette zugeteilt werden, so gibt es für das Datenbankdesign zwei Möglichkeiten. Folgt man (a) der Normalformenlehre der Datenbanken, so ist für jede Fassette bzw. jedes Register, in der Überlagerung zugelassen ist, eine eigene Datenbanktabelle auszulegen. Wird jedoch nur geringfügig überlagert und die Anzahl der Deskriptoren, die in einer Fassette bzw. in einem Register einer Dokumentationseinheit zugeteilt werden dürfen, auf eine Maximalzahl (z.B. 3) begrenzt, so können (b) für diese Fassette auch mehrere (im Beispiel 3) Felder im Datensatz vorgesehen und weiterhin nur eine Datenbanktabelle angelegt werden. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass verschiedene Fassetten š-verknüpft abgefragt werden können. Wird in keiner Fassette überlagert, so ist diese Abfrage in einer relationalen Datenbank einfach. Wird in Fassetten überlagert und wurde das Datenbankdesign (a) gewählt, so sind mehrere Tabellen zu verbinden. Das dazu erforderliche Kommando heißt in der Datenbankabfragesprache JOIN. Wird die Überlagerung mit dem Datenbankdesign (b) realisiert, so muss – notfalls durch ein selbst geschriebenes Programm – gewährleistet sein, dass bei der Abfrage einer Fassette mit Überlagerungen alle dieser Fassette im Datensatz zugeordneten Felder abgefragt werden.

13.6 Bedeutung der Fassettenklassifikation Unterschiede zwischen Register und Fassettenklassifikation sind: x

Register können, Teilklassifikationen müssen systematisch geordnet sein.

x

Eine Dokumentationseinheit erhält bei strikter Handhabung der Fassettenklassifikation aus jeder Teilklassifikation genau einen Deskriptor, bei Registern ist das weniger streng. Bei Dokumentationen mit Registern ist es meist zulässig, eine Dokumentationseinheit nur in die zutreffenden Register aufzunehmen und/oder in das gleiche Register mehrfach aufzunehmen (Überlagerung).

134

Thema 13

x

Bei der Fassettenklassifikation ist das Einführen einer Notation nützlicher als bei den Registern, da sonst die Gesamtbeschreibung einer Dokumentationseinheit sehr lang wird.

x

Bei der Fassettenklassifikation werden aus den Teilnotationen stammende Deskriptoren zu einer Gesamtaussage über den Inhalt einer Dokumentationseinheit verknüpft. Diese Gesamtaussage wird durch einen aufwändigeren Deskriptorenspeicher erschlossen. Demgegenüber sind mehrere Register einer Dokumentation meist unverbunden.

Die Fassettenklassifikation geht also durch die Verknüpfung der Fassetten über eine Dokumentation mit unverbundenen Registern hinaus. Die Fassettenklassifikation ist das erste Ordnungsprinzip, das wir behandelt haben, bei dem zwingend verlangt werden muss, dass die formale Suchfrage aus mehreren š-verknüpften Deskriptoren aufgebaut sein kann. Allerdings bieten auch verbundene Register diese Möglichkeit. Hat eine Dokumentation mehrere verbundene Register und sind alle Register systematisch geordnet, so ist dies gleichbedeutend mit einer Fassettenklassifikation. Das Zulassen mehrerer Deskriptoren in der Suchfrage ist ein wichtiger Fortschritt der verbundenen Register und der Fassettenklassifikation, der beim nächsten Ordnungsprinzip Begriffskombination konsequent ausgebaut wird. Eine Fassettenklassifikation erfordert eine Datenbank. Eine Datenbank ermöglicht aber ein noch besseres Ordnungsprinzip. In der Literaturdokumentation hat die Fassettenklassifikation, da sie zwischen den einfachen und den leistungsfähigen Ordnungsprinzipien steht, eine eher geringe Bedeutung. Große Bedeutung hat die Fassettenklassifikation aber in Daten- und Klinikdokumentation, da sie der dort häufig vorkommenden formatierten Datenstruktur gut entspricht.

13.7 Beispiele für Fassettenklassifikation Eine international sehr häufig benutzte Fassettenklassifikation ist das TNM-System der Union Internationale Contre le Cancer (Lit. f 9). Das TNM-System beschreibt eine Tumorerkrankung unter den drei Fassetten Art und Größe des Primärtumors (T), Befall der regionären Lymphknoten (N = nodes = Lymphknoten) und Vorhandensein von Fernmetastasen (M). Eigentlich handelt es sich jedoch um 4 Fassetten, weil zuerst die Art der Tumorerkrankung, z.B. Colonkarzinom, Magenkarzinom, Melanom anzugeben ist und dies eine eigene Fassette ist. Eine Besonderheit des TNM-Systems ist, dass die Teilklassifikationen für die T- und für die N-Fassette von Tumorerkrankung zu Tumorerkrankung verschieden sind, z.B. bedeutet T = 1 bei einem Magentumor, dass sich der Tumor auf die Lamina propria (subepitheliales Bindegewebe der Mukosa) und Submukosa beschränkt, beim Mammatumor bedeutet T = 1, dass die größte Ausdehnung des Tumors 2 cm nicht überschreitet. Meist hat die T-Fassette 4 bis 5 und die N-Fassette 3 bis 4 Klassen. Die M-Fassette hat 2 Klassen, nämlich 0 = keine Fernmetastasen, 1 = Fernmetastasen. Beispiel: Bei einem Mammatumor bedeutet T1, N1, M0, dass der Primärtumor kleiner als 2 cm ist (T=1), die ipsilateralen axillären Lymphknoten befallen aber beweglich sind (N=1) und keine Evidenz für Fernmetastasen vorliegt (M=0). Bei einem Colontumor bedeutet T1, N1, M0, dass der Tumor nur die Submukosa infiltriert hat (T=1), 1 bis 3 perikolische bzw. perirektale Lymphknoten befallen sind (N=1) und keine Evidenz für Fernmetastasen vorliegt (M=0).

Ordnungsprinzip Fassettenklassifikation

135

In der Datendokumentation und der klinischen Dokumentation ist auch eine einfache Variante der Fassettenklassifikation sehr verbreitet, ohne dass die Bezeichnung Fassettenklassifikation überhaupt bekannt ist. Dort spricht man von Merkmalen und Merkmalsausprägungen. Werden in einer klinischen Dokumentation von jedem Patienten z.B. die Merkmale Geschlecht, Altersklasse, behandelnde Klinik, Diagnose(n) und Entlassungsart erfasst, so ist das im Grunde eine Fassettenklassifikation. Jedes Merkmal entspricht einer Fassette. Die Fassetten haben oft sehr einfache Teilklassifikationen, z.B. hat die Fassette Geschlecht nur die 3 Klassen männlich, weiblich, unbekannt. Dagegen kann die Fassette Diagnosen ein recht umfangreiches Ordnungssystem wie z.B. die ICD haben.

13.8 Fragen F13.1 Vergleichen Sie eine Fassettenklassifikation mit einer Einfachklassifikation unter folgenden Gesichtspunkten: a) Ist eine Notation mit fester Länge möglich? b) Ist eine Signatur zwingend erforderlich? c) Ist ein Dokumentenfile zwingend notwendig? d) Sind hierarchische Strukturen zwischen den Deskriptoren möglich? e) Können hierarchische Strukturen in der Notation zum Ausdruck gebracht werden? f) Kann das Problem der Synonyme durch systematische Anordnung gelöst werden? g) Welche Deskriptorenspeicher können verwendet werden? h) Welches der beiden Ordnungsprinzipien leistet bei gleicher Gesamtanzahl der Deskriptoren eine detailliertere Erschließung? i) Welches Ordnungsprinzip ist für den ungeschulten Benutzer leichter verständlich?

F13.2 Die Dokumentationsstelle A hat zwei Klassifikationen als völlig getrennte Ordnungssysteme, indexiert aber jede Dokumentationseinheit sowohl nach dem einen als auch nach dem anderen Ordnungssystem. Die indexierten Deskriptoren werden in zwei getrennte Deskriptorenspeicher eingespeichert. Die Dokumentationsstelle B benützt ein Ordnungssystem nach dem Prinzip der Fassettenklassifikation mit zwei Fassetten. a) Worin bestehen die wichtigsten ordnungstheoretischen Unterschiede zwischen zwei Einfachklassifikationen (Dokumentationsstelle A) und einer Fassettenklassifikation mit zwei Fassetten (Dokumentationsstelle B)? b) In welcher der beiden Dokumentationsstellen ist eine Signatur zwingend notwendig?

136

Thema 13

c) In welcher der beiden Dokumentationsstellen ist eine Notation zwingend notwendig? d) Welche der beiden Dokumentationsstellen hat einen höheren Arbeitsaufwand? Bitte geben Sie an, worin der zusätzliche Arbeitsaufwand besteht. e) Welche der beiden Dokumentationsstellen kann detailliertere Suchfragen beantworten?

F13.3 Für eine Dokumentation zur inhaltlichen Erschließung von Krankenakten werden die beiden folgenden Varianten diskutiert: Variante 1:

Die Krankenakten werden mit den zwei systematisch geordneten Registern „Diagnosen“ und „Therapien“ erschlossen. Beide Register können miteinander abgefragt werden (zugeordnete Register).

Variante 2:

Die Krankenakten werden mit einer Fassettenklassifikation mit den zwei Fassetten „Diagnose“ und „Therapie“ erschlossen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen den beiden Varianten?

F13.4 Die Dokumentationsstelle des Krankenhauses A betrachtet jede abgeschlossene Krankenbehandlung unter den vier Gesichtspunkten: Anamnese, Diagnose, Therapie und Therapieerfolg. In verbindlichen Listen stehen für jeden Gesichtspunkt zwischen 100 und 450 Vorzugsbenennungen zur Verfügung. Jeder Krankenakte wird unter jedem Gesichtspunkt mindestens eine Vorzugsbenennung indexiert. Die zugeteilten Deskriptoren werden in eine Datenbank eingespeichert. Das Retrievalprogramm lässt die mit š-verknüpfte Abfrage mehrerer Gesichtspunkte zu. Somit können alle Patienten z.B. mit Blasenkarzinom und einer vorausgegangenen Makrohämaturie (sichtbare Blutmenge im Urin) selektiert werden. Handelt es sich bei dem vorgestellten Beispiel um eine Dokumentation nach dem Ordnungsprinzip Register, oder handelt es sich um eine Fassettenklassifikation?

Thema 14:

Ordnungsprinzip Begriffskombination 14.1 Grundsätzliches zum Ordnungsprinzip Begriffskombination Bei der Klassifikation wird der Inhalt einer Dokumentationseinheit durch ihr Einordnen an eine einzige Stelle des gegebenen Ordnungssystems gekennzeichnet. Das Beschreiben des (gesamten) Inhalts eines Dokuments mit einem einzigen Deskriptor setzt entweder überaus differenzierte Deskriptoren voraus oder ermöglicht nur eine grobe Erschließung. Die Idee der Begriffskombination besteht darin, den Inhalt einer Dokumentationseinheit nicht mit einem Deskriptor, sondern mit mehreren Deskriptoren zu beschreiben. Dadurch ist es nicht mehr wie bei der Klassifikation notwendig, dass die Klassen disjunkt sind. Die Deskriptoren müssen sich also gegenseitig nicht ausschließen, sondern sollen sogar vielseitig verwendbar sein. Die Anzahl der zugeteilten Deskriptoren ist von Dokumentationseinheit zu Dokumentationseinheit variabel und völlig ungebunden. Somit sind alle Deskriptoren, die das Ordnungssystem enthält und die auf die zu indexierende Dokumentationseinheit zutreffen, zu indexieren. Zur Idee der Begriffskombination gehört gleichermaßen, dass bei der Recherche normalerweise nicht nach einem einzelnen Deskriptor abgefragt, sondern eine formale Suchfrage, die aus mehreren logisch verknüpften Deskriptoren besteht, verwendet wird. Eine zwingend notwendige Voraussetzung für das Arbeiten mit einem nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination aufgebauten Ordnungssystem ist ein Deskriptorenspeicher, der mit mehreren š-verknüpften Deskriptoren abfragbar ist. Eine Dokumentation mit dem Ordnungsprinzip Begriffskombination und einer Datenbank als Deskriptorenspeicher leistet mit einer gut überschaubaren Deskriptorenmenge eine sehr detaillierte Erschließung und bietet wirklich überzeugende Recherchemöglichkeiten. Heute ist die Begriffskombination das wichtigste Ordnungsprinzip. Klassifikationen sind nur noch für kleine Dokumentationen zweckmäßig. Aus historisch-konservativen Gründen werden jedoch immer noch große Klassifikationen mit mehr als 103 oder sogar mehr als 104 Klassen verwendet, obwohl für so große Dokumentationen ein Ordnungssystem, das nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination aufgebaut ist, viel besser geeignet ist. Eine Vorstufe der Begriffskombination ist die Schlagwortvergabe. Auch dabei werden je Dokumentationseinheit eine variable Anzahl von Schlagwörtern zugeteilt. Dies ist jedoch nur dann eine Begriffskombination, wenn nach mehreren logisch verknüpften Deskriptoren (Schlagwörtern) abgefragt werden kann. Die Idee der Begriffskombination lässt sich auch gut durch eine Mengendarstellung erläutern. Dabei wird die Äquivalenzklasse, die ein Deskriptor repräsentiert, als Menge aufgefasst. Eine Äquivalenzklasse kann auch große Teile des Sachgebietes umfassen, z.B. wird die Äquivalenzklasse „weiblich“ in einer medizinischen Falldokumentation rund die Hälfte aller Fälle umfassen. Die Äquivalenzklassen überschneiden sich und der Inhalt einer Dokumentationseinheit entspricht der Schnittmenge der indexierten Äquivalenzklassen (s. Abb. 14.1).

138

Thema 14

Herzinfarkt

weiblich

40 bis 45 Jahre

Beispiel für die inhaltliche Erschließung nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination. Die durch die drei Deskriptoren „Herzinfarkt“, „weiblich“, „40 bis 45 Jahre“ vertretenen Äquivalenzklassen sind als Mengen dargestellt. Die Schnittmenge (schraffierte Fläche) entspricht dem Sachverhalt Herzinfarkt einer 40- bis 45-jährigen Frau oder der formalen Suchfrage

Abb. 14.1

Herzinfarkt š weiblich š 40 bis 45 Jahre.

14.2 Kombinationsmöglichkeiten Bei der Klassifikation wird ein Sachverhalt durch einen oder einige wenige Deskriptoren beschrieben, das Ordnungssystem umfasst jedoch viele Deskriptoren. Bei der Begriffskombination ist es gerade umgekehrt: Ein einzelner Sachverhalt wird mit (im Vergleich zur Klassifikation) vielen Deskriptoren beschrieben, zur Beschreibung sehr vieler verschiedener Sachverhalte sind aber insgesamt im Ordnungssystem nur (wiederum im Verhältnis zur Klassifikation) wenige Deskriptoren erforderlich. Dies kann durch die Kombinatorik belegt werden. Es sei D = Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem d = Anzahl der Deskriptoren, die einer Dokumentationseinheit indexiert wurden. Dann ist die Anzahl der möglichen Kombinationen = §¨ D ·¸ ©d¹ D § · Das mathematische Symbol ¨ ¸ wird „D über d“ gesprochen. Es ist ©d¹

§D· ¨ d¸ © ¹

=

D! und D! = 1 × 2 × 3 × ... × D, gesprochen „D Fakultät“, d! (D  d)! d! = 1 × 2 × 3 × ... × d (D – d)! = 1 × 2 × 3 × ... × (D – d)

und

Ordnungsprinzip Begriffskombination

139

somit 1 u 2 u 3 u ... u D § D· = ¨d¸ © ¹ 1 u 2 u 3 u ... u d u 1 u 2 u 3 u ... u ( D  d ) Beispiel: Angenommen ein Ordnungssystem habe D = 500 Deskriptoren und angenommen den Dokumentationseinheiten würden zwischen d = 1 und d = 10 Deskriptoren indexiert, dann ist die Anzahl der möglichen Kombinationen, also die Anzahl der im Prinzip beschreibbaren verschiedenen Sachverhalte

§ 500 · § 500 · § 500 · § 500 · ¨¨ ¸¸  ¨¨ ¸¸  ¨¨ ¸¸  ...  ¨¨ ¸¸ 1 2 3 © ¹ © ¹ © ¹ © 10 ¹

2.5 u 10 20

Allerdings werden sich für ein dokumentarisch zu bearbeitendes Sachgebiet kaum Deskriptoren finden lassen, bei denen alle oder doch die meisten Kombinationen sachlich sinnvoll sind. Für die Praxis ist nicht die Anzahl der prinzipiell möglichen Kombinationen (beschreibbaren Sachverhalte), sondern die Anzahl der tatsächlich indexierten Sachverhalte von Bedeutung. Tritt der gleiche Sachverhalt in mehreren Dokumentationseinheiten auf, so gilt dies als ein einziger Sachverhalt. Als tatsächlicher Kombinationsfaktor (KF) wird das Verhältnis KF

Anzahl der indexierten Sachverhalte Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem

definiert. Der Kombinationsfaktor gibt an, wie vielmal mehr Deskriptoren man nach dem Ordnungsprinzip Klassifikation ohne Überlagerung bei gleicher Erschließungsgenauigkeit brauchen würde, oder umgekehrt, um wie vielmal kleiner die Anzahl der erforderlichen Deskriptoren der Begriffskombination im Vergleich zu einer gleich leistungsfähigen Klassifikation ist. Bei der Begriffskombination sind in der Praxis Kombinationsfaktoren in der Größenordnung von 10 bis 100 üblich. Das bedeutet, dass die Begriffskombination mit 102 bis höchstens 103 Deskriptoren auskommt, wo die Klassifikation zwischen 103 und 105 Deskriptoren benötigt. Die Begriffskombination hat also im Gegensatz zu großen Klassifikationen eine überschaubare Menge von Deskriptoren. Bei der Erstellung eines Ordnungssystems nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination ist darauf zu achten, dass Deskriptoren gewählt werden, die möglichst vielseitig kombinierbar sind. Dadurch erreicht das Ordnungssystem einen großen Kombinationsfaktor. Vielseitig kombinierbare Deskriptoren sind ziemlich allgemein und erfassen nur einen Teilaspekt. Demgegenüber erfordert eine Klassifikation detaillierte Deskriptoren, die nicht nur einen Teilaspekt erfassen, sondern jeweils für sich alleine den gesamten Sachverhalt beschreiben. In einer Einfachklassifikation ohne Überlagerung (d.h. jeder Dokumentationseinheit wird genau ein Deskriptor indexiert) ist z.B. der Deskriptor „weiblich“ völlig unsinnig, da er nur einen Teilaspekt, aber keinesfalls den ganzen Sachverhalt (z.B. eines medizinischen Falles) beschreibt und viel zu wenig differenziert. In einem kombinatorischen Ordnungssystem dagegen kann der Deskriptor „weiblich“ sehr wohl sinnvoll sein.

140

Thema 14

14.3 Kombinatorische und nicht-kombinatorische Ordnungsprinzipien Das Kombinieren von Deskriptoren ist eine der wichtigsten Techniken der heutigen Ordnungslehre. Außer dem Ordnungsprinzip Begriffskombination nutzt auch die Freitextsuche (s. Thema 24) diese Technik intensiv aus. Dagegen nutzen die Ordnungsprinzipien Klassifikation und Register diese Technik nicht und werden folglich als nicht-kombinatorische Ordnungsprinzipien bezeichnet. Ordnungssysteme, die nach einem kombinatorischen Ordnungsprinzip aufgebaut sind, nennt man auch kombinatorische Ordnungssysteme. Die Fassettenklassifikation ist geringfügig kombinatorisch. Sie ist insofern kombinatorisch, als die Beschreibung des Sachverhalts aus mehreren Aspekten bzw. aus mehreren Teilklassifikationen zusammengesetzt wird. Die Kombinationsmöglichkeiten sind jedoch stark eingeschränkt, weil die Anzahl der Fassetten konstant ist und aus jeder Fassette genau ein Deskriptor zu indexieren ist. In Anbetracht der doch recht bescheidenen Kombinationsmöglichkeiten bezeichnet man die Fassettenklassifikation als „geringfügig“ kombinatorisch. An der Fassettenklassifikation sehen wir, dass es manchmal gar nicht einfach ist, bei einem gegebenen Ordnungssystem zu entscheiden, ob es nach einem kombinatorischen oder einem nicht-kombinatorischen Ordnungsprinzip aufgebaut ist. So gibt es in den meisten kombinatorischen Ordnungssystemen Deskriptoren, die sich gegenseitig ausschließen oder in denen einige Deskriptoren so etwas wie eine Fassette bilden. So bilden z.B. in dem Ordnungssystem „Thesaurus Tierische Produktion“ (Lit. f6) die drei Deskriptoren „Wachstumsstufe I = Jungtier“, „Wachstumsstufe II = heranwachsendes Tier“ und „Wachstumsstufe III = geschlechtsreifes Tier“ so etwas wie eine „Fassette Alter“, deren Deskriptoren sich gegenseitig ausschließen (das entspricht der Vorschrift der Fassettenklassifikation, dass aus einer Fassette nur ein einziger Deskriptor indexiert werden darf). Diese Deskriptoren können zwar nicht auf alle Dokumentationseinheiten, aber doch auf alle Nutztiere angewandt werden. Ein anderes Beispiel aus dem gleichen Ordnungssystem sind die drei Deskriptoren „männlich“, weiblich“ und „Kastrat“, die so etwas wie die „Fassette Geschlecht“ bilden. Schließlich können die Deskriptoren, die Tiergattungen wie Huhn, Rind, Schwein usw. bezeichnen, als eine Art „Fassette Tiergattung“ aufgefasst werden. Betrachtet man jedoch das Ordnungssystem „Thesaurus Tierische Produktion“ als Ganzes, sein Hauptteil ist eine alphabetische Liste mit etwa 24 000 Eingängen und 760 Deskriptoren, so ist ganz klar, dass es keine Fassettenklassifikation, sondern ein kombinatorisches Ordnungssystem ist. An diesem Beispiel können wir jedoch den Übergang von Fassettenklassifikation zur Begriffskombination erkennen: Variiert die Anzahl der Fassetten von Dokumentationseinheit zu Dokumentationseinheit und von Suchfrage zu Suchfrage und werden die Deskriptoren der Fassetten zu einer gemeinsamen Menge vereinigt, dann ist die Fassettenklassifikation in eine Begriffskombination übergegangen. Das Beispiel aus dem Thesaurus Tierische Produktion veranschaulicht auch den Effekt der Kombination von Deskriptoren. Zur Beschreibung der Nutztiere sind im Ordnungssystem 3 Deskriptoren für das Alter, 3 Deskriptoren für das Geschlecht und ca. 10 Deskriptoren für die Tiergattung notwendig. Zum Beispiel wird ein Stierkalb durch die Deskriptoren Wachstumsalterstufe I, männlich und Rind beschrieben. Die Gesamtzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem ergibt sich durch Addition, d.h. 3 + 3 + 10 = 16 Deskriptoren. Die Anzahl der beschreibbaren Sachverhalte ergibt sich dagegen durch Multiplikation, d.h. 3 × 3 × 10 = 90 verschiedene Sachverhalte (Nutztiere).

Ordnungsprinzip Begriffskombination

141

14.4 Indexieren und Recherchieren mit kombinatorischen Ordnungssystemen Die geringe Anzahl von Deskriptoren im Ordnungssystem erleichtert das Indexieren, da der Indexierer einen großen Teil der Deskriptoren „im Kopf hat“ und auch die Deskriptorenliste viel überschaubarer und besser handhabbar ist. Andererseits ist das Indexieren noch nicht abgeschlossen, wenn ein passender Deskriptor gefunden ist, wie dies bei der Klassifikation der Fall ist. Streng genommen bedeutet indexieren bei einem kombinatorischen Ordnungssystem, dass alle Deskriptoren des Ordnungssystems überprüft werden, ob sie auf die Dokumentationseinheit zutreffen oder nicht. Auch beim Formulieren der formalen Suchfrage muss  völlig analog zum Indexieren  jeder Deskriptor des Ordnungssystems geprüft werden, ob er dazu beitragen kann, die allgemeine verbale Suchfrage zu beschreiben. Zusätzlich sind dann noch die für die formale Suchfrage verwendeten Deskriptoren logisch zu verknüpfen, während die einer Dokumentationseinheit indexierten Deskriptoren nur aufgezählt werden. Während also bei einem Klassifikationssystem die formale Suchfrage nur aus einem Deskriptor besteht oder nur einige wenige Deskriptoren ›-verknüpft werden (d.h. es wird in zwei oder drei Klassen nachgeschaut), können bei kombinatorischen Ordnungssystemen auch komplizierte formale Suchfragen aufgebaut und bearbeitet werden.

14.5 Ein Ordnungssystem als vieldimensionaler Raum Ein Ordnungssystem für Begriffskombination mit D Deskriptoren kann als ein D-dimensionales Koordinatensystem aufgefasst werden. Beim Indexieren einer Dokumentationseinheit wird für jeden Deskriptor geprüft, ob er zutrifft oder nicht und die entsprechende Koordinate auf 1 oder 0 gesetzt. Jeder (mit diesem Ordnungssystem darstellbare) Sachverhalt ist also ein Punkt im D-dimensionalen Raum. Sind Deskriptoren voneinander unabhängig, tendieren sie also weder dazu sich gegenseitig auszuschließen noch sich gegenseitig zu bedingen, so sind ihre Koordinaten rechtwinklig zueinander. Bei der Recherche werden nicht alle, sondern nur ein Teil der Deskriptoren auf 1 und ein noch kleinerer Teil der Deskriptoren auf 0 (™-Verknüpfung) abgefragt. Das bedeutet, dass nicht ein Punkt im D-dimensionalen Raum, sondern eine Projektion in einen Raum mit weniger Dimensionen abgefragt wird.

14.6 Fragen F14.1

Gehört das TNM-System zur Beschreibung von Tumoren zu den kombinatorischen oder zu den nicht-kombinatorischen Ordnungssystemen?

F14.2

Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Indexierungsgenauigkeit, Kombinationsfaktor und der Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem.

F14.3

Könnten anstatt Begriffe auch Benennungen kombiniert werden?

142 F14.4

Thema 14 a) Welche Vorteile bietet ein kombinatorisches Ordnungssystem gegenüber einem nicht-kombinatorischen? b) Welche Vorteile bietet umgekehrt ein nicht-kombinatorisches Ordnungssystem gegenüber einem kombinatorischen?

F14.5

Benötigt bei gleicher Indexierungsgenauigkeit eine Fassettenklassifikation oder eine Begriffskombination mehr Deskriptoren?

F14.6

Können a) in einem nicht-kombinatorischen Ordnungssystem, b) in einem kombinatorischen Ordnungssystem polyhierarchische Strukturen zwischen den Deskriptoren bestehen und können diese Strukturen auch dargestellt werden?

F14.7

Ein Reisebüro hat etwa 5 000 Prospekte. Diese sollen dokumentarisch erschlossen werden. Dazu wird ein Ordnungssystem benötigt. Das Ordnungssystem soll den Zugriff nach folgenden Kategorien ermöglichen: x Orte und Regionen (z.B. Griechenland, Insel Kreta, Heraklion, Sizilien, Riviera, Malediven, ...), x Art der Ferien (z.B. Badeferien, Städtereisen, Wanderreisen, Kultur und Bildung, Abenteuer, Tennis-Ferien, Klub, ...), x Dauer (Wochenende, ca. 1 Woche, > 1... < 3 Wochen, t 3 Wochen), x Preiskategorie (billig, moderat, gehoben, Luxus), x Jahreszeit (Frühling, Ostern, Sommer, Herbst, Weihnachten, Winter). Nicht jeder Prospekt kann unter allen diesen 5 Kategorien betrachtet werden, ein Städteprospekt Ulm z.B. nur unter „Ort und Region“ und unter „Städtereisen“. Einzelne Prospekte betreffen mehrere Deskriptoren der gleichen Kategorie, z.B. Klub-Ferien mit Schwerpunkt Tennis oder z.B. eine Reise nach Kreta mit längerem Aufenthalt in Heraklion. a) Es wird überlegt, ob eine Fassettenklassifikation mit Überlagerungen in jeder Fassette oder ein Ordnungssystem nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination erstellt werden soll. Zählen Sie speziell für die gestellte Aufgabe die x Vorteile der Fassettenklassifikation, x Vorteile der Begriffskombination auf. Wägen Sie ab und entscheiden Sie, welches Ordnungsprinzip verwendet werden soll. b) Bei den Deskriptoren welcher Kategorien empfehlen Sie die Darstellung der hierarchischen Beziehungen zwischen den Deskriptoren? c) Wie viele Deskriptoren im Ordnungssystem für alle Kategorien zusammengenommen sind etwa notwendig? Stellen Sie dazu eine einfache Überschlagsrechnung auf, die die von Ihnen vorgeschlagene Anzahl von Deskriptoren unterstützt.

Ordnungsprinzip Begriffskombination

143

F14.8

Geben Sie Beispiele für weit verbreitete nicht-kombinatorische Ordnungssysteme an.

F14.9

Die Idee der Kombination finden wir sowohl in der Fassettenklassifikation als auch bei der Begriffskombination. Worin liegen die Unterschiede in der Idee und Anwendung der Kombination bei diesen beiden Ordnungsprinzipien?

F14.10

Entscheiden Sie bei jeder der im Folgenden beschriebenen Dokumentationen, ob es sich um eine fassettierte Erschließung handelt. Benennen Sie bei fassettierter Erschließung jede Fassette. a) Verschlüsseln der Hauptdiagnose der Patienten mit der ICD-10-GM 2005. b) Verschlüsseln aller Diagnosen, die ein Patient während der stationären Behandlung hatte, nach ICD-10-GM 2005. c) Wie b), zusätzlich werden jedoch noch Geschlecht, Alter und Verweildauer des Patienten erfasst und ob der Patient während des Klinikaufenthalts gestorben ist. d) Die Dokumentation hat völlig separate Ordnungssysteme für x diagnostische Untersuchungen (z.B. Oberbauchsonografie, Blutzuckerbestimmung, Röntgen des Thorax usw.), x

Diagnosen (ICD-10-GM 2005),

x

Komplikationen und Therapieerfolg.

Jeder stationärer Behandlungsfall wird nach allen drei Ordnungssystemen indexiert.

F14.11

Eine Dokumentation benützt ein Ordnungssystem, das in einem einzigen Deskriptorenpool 821 Deskriptoren enthält. Am 31.12.2004 hatte diese Dokumentation 23 512 Dokumentationseinheiten eingespeichert. Von den eingespeicherten Dokumentationseinheiten hatten 4 213 6 912 8 357 3 415 615

Dokumentationseinheiten Dokumentationseinheiten Dokumentationseinheiten Dokumentationseinheiten Dokumentationseinheiten

1 Deskriptor 2 Deskriptoren 3 Deskriptoren 4 Deskriptoren 5 Deskriptoren

zugeteilt bekommen. a) Welches Ordnungsprinzip liegt dieser Dokumentation zugrunde? b) Wie groß ist die mittlere Anzahl von Deskriptoren je Dokumentationseinheit? c) Wie viele verschiedene Sachverhalte wurden indexiert? d) Welchen Kombinationsfaktor erreichte diese Dokumentation? Falls eine Teilaufgabe nicht lösbar ist, geben Sie bitte an, welche Angabe(n) Sie für die Lösung zusätzlich benötigen würden.

Thema 15:

Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination 15.1 Aufgaben der vorgestellten Dokumentation Die im Folgenden vorgestellte Dokumentation wurde ausgewählt, weil sie mit Begriffskombination arbeitet. Das Ordnungsprinzip Begriffskombination wird außerhalb der großen Literaturdokumentationssysteme leider noch sehr selten angewandt, obwohl es gleichermaßen übersichtlich und leistungsfähig ist. Das Beispiel wurde auch ausgewählt, weil es zeigt, wie Dokumentation in den normalen Betriebsablauf eingebettet sein kann. Vorgestellt wird die Operationendokumentation einer Abteilung für Unfall-, Hand-, plastische und Wiederherstellungschirurgie einer Chirurgischen Universitätsklinik (Lit. i2, i3, i4). Die Dokumentation behandelt also Operationen am Skelett-, Bewegungs- und Haltungsapparat sowie Operationen von Verletzungen. Die Abteilung führt etwa 4 000 bis 5 000 Operationen pro Jahr durch. Die Benutzer der Dokumentation sind alle Ärzte dieser einen Abteilung, die ärztliche Schweigepflicht verbietet einen größeren Benutzerkreis. Die Ärzte dieser Abteilung sind aber nicht nur Benutzer, sie sind gleichermaßen Datenlieferanten und Dokumentare, weil sie die Dokumentation selbst betreiben. Die Dokumentation dient in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken, d.h. um unter inhaltlichen Fragestellungen gezielt auf die einzelnen Operationsberichte und Krankenakten zugreifen zu können. Die Dokumentation ist auch eine wichtige Grundlage für die Qualitätssicherung. Daneben liefert die Dokumentation Betriebsstatistiken, wie z.B. die Auslastung der Operationsräume, die Beschreibung der Patienten und Statistiken über die einzelnen Operationstechniken. Die Dokumentation kann auch zur Abrechnung herangezogen werden, wenn bei der erstmaligen Verwendung einer Deskriptorkombination vom Operateur zusätzlich die OPS 2005-Notation eingegeben wird, das System dies speichert und beim erneuten Auftreten dieser Deskriptorenkombination die OPS 2005-Notation automatisch hinzufügt. Für die Anerkennung als „Arzt für Chirurgie“ muss nachgewiesen werden, dass bestimmte Operationen mit einer vorgegebenen Mindestanzahl durchgeführt worden sind. Deshalb führen alle Ärzte, die die Facharztanerkennung anstreben, einen Operationenkatalog. Die vorgestellte Dokumentation kann diesen Operationenkatalog für jeden der Ärzte liefern.

15.2 Dokumentationseinheiten Dokumentationseinheit ist eine Operation, nicht ein Patient. Patienten der chirurgischen Klinik, die nicht operiert werden, gehen in diese Dokumentation nicht ein. Dagegen liefert ein Patient mit zwei Operationen zwei Dokumentationseinheiten, auch dann, wenn beide Operationen in einem Vorgehen, d.h. in einer Narkose durchgeführt wurden. Wird bei einem Patienten z.B. eine Arthroskopie beider Kniegelenke durchgeführt, etwa am rechten Kniegelenk mit Glättung und am linken Kniegelenk ohne Glättung der Gelenkflächen, so sind dies zwei Operationen und damit in dieser Dokumentation zwei Dokumentationseinheiten. Allerdings wird die Versorgung polytraumatisierter Patienten (Unfallpatienten mit vielerlei Verletzungen) als eine einzige Dokumentationseinheit betrachtet, weil die einzelnen Operationen eng miteinander zusammenhängen und sich nur schlecht separieren lassen.

Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination

145

Die Gründe, warum eine Operation und nicht ein Patient als Dokumentationseinheit gewählt wurde, sind folgende: x

Chirurgen sind primär an Operationen interessiert und ihre wissenschaftlichen Fragestellungen beziehen sich überwiegend auf Operationen.

x

Für jede Operation, auch dann, wenn mehrere Operationen am gleichen Patienten durchgeführt wurden, wird ein separater Operationsbericht bestellt. Streng formuliert sind die Operationen die dokumentarischen Bezugseinheiten und die Operationsberichte die Dokumentationseinheiten.

x

Würden Patienten als Dokumentationseinheiten betrachtet, so müssten bei Patienten, bei denen mehr als eine Operation durchgeführt wird, Verbindungsdeskriptoren (s. Thema 20) eingeführt werden. Ohne Verbindungsdeskriptoren bliebe unklar, welche Deskriptoren zu welcher Operation gehören.

x

Ein nachträgliches Zusammenfassen aller Operationen am gleichen Patienten ist in dieser Dokumentation trotzdem problemlos möglich, weil neben der Signatur für die einzelne Operation auch die volle Patientenidentifikation erfasst wird. Über die Patientenidentifikation können Operationen am gleichen Patienten zusammengeführt werden, außerdem ermöglicht sie den direkten Zugriff auf die gesamte Krankenakte.

x

Nachdem entschieden worden ist, dass eine Operation Dokumentationseinheit ist, muss für die einzelne Dokumentationseinheit eine Signatur festgesetzt werden. Als Signatur wurde das Operationsdatum plus eine laufende Nummer innerhalb des Tages gewählt. Die laufende Nummer wird eindeutig vergeben, auch bei gleichzeitigem Operieren in mehreren Operationsräumen und auch dann, wenn Notfälle eine Abweichung vom Operationsplan erfordern. Allerdings kann es vorkommen, dass einzelne Signaturen unbenutzt bleiben. Die Vergabe der Signatur erfolgt durch den für den Operationsplan des jeweiligen Tages zuständigen Oberarzt.

Wie bereits dargestellt, sind die Operationsberichte Dokumentationseinheiten. Die Op-Berichte dieser Abteilung sind teilstrukturiert und bestehen aus formalen Kategorien, dem Operationsbericht im engeren Sinne als Freitext und den inhaltlichen Deskriptoren. Die formalen Kategorien der Op-Berichte sind: x

Patientenidentifikation: bestehend in dieser Klinik aus Geburtsdatum und vollem Namen,

x

Medizin: Alter, Geschlecht, aktuelle Diagnosen, Voroperationen des Patienten,

x

OP-Team: Operateur, erster und zweiter Op-Assistent,

x

Anästhesie-Team: Anästhesist, Anästhesie-Assistent,

x

OP-Zeiten: Op-Raum, Zeitpunkt Hautschnitt, Zeitpunkt Hautnaht und daraus abgeleitet die Op-Dauer.

Dokumentenspeicher der Dokumentation ist die Ablage der Kopien der Op-Berichte nach Signatur. Diese Ablage wird im zentralen Sekretariat der Abteilung geführt. Der Originaldruck des Op-Berichts wird in der Krankenakte abgelegt, diese wiederum wird unter der Patientenidentifikation im Archiv der Chirurgischen Klinik abgelegt. Die Patientenidentifikation hat  wie bereits erwähnt  die Funktion einer „Nebensignatur“, einer „Zweit-Signatur“ und ermöglicht den direkten Zugriff auf die Krankenakte im Archiv.

146

Thema 15

15.3 Ordnungssystem Für die Knochen- und Unfallchirurgie gibt es kaum moderne Ordnungssysteme. Deshalb wurde für die Dokumentation ein eigenes Ordnungssystem nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination entwickelt. Das Ordnungssystem umfasst 123 Deskriptoren (s. Abb. 15.1), die sich in die drei Themenbereiche Lokalisationen, Verletzungen oder Erkrankungen und operative Maßnahmen gliedern. Diese drei Themenbereiche könnten zwar als thematische Fassetten angesehen werden, sind aber in Wirklichkeit nicht mehr als eine Gliederung der Deskriptoren, sind sozusagen nur Zwischenüberschriften innerhalb des Ordnungssystems. In dieser Dokumentation bestehen keinerlei Vorgaben, wie viele Deskriptoren aus jedem Themenbereich einer Dokumentationseinheit zu indexieren sind. Formal gesehen werden alle 123 Deskriptoren ohne Rücksicht auf ihren Themenbereich als gleichberechtigt behandelt. Verletzungen oder Erkrankungen

Lokalisation

operative Maßnahmen

Abdomen

ABD

Arthrose idiop.

DGRI

-ektomie

ENTF

Becken

BECK

Arthrose posttr.

DGRP

Ablatio = Amputation

AMP

Brust-Wirbelsäule

BWS

Band-Kapselverletzung BNDV

Abrasio

ABR

Calcaneus

CAL

Degeneration idiop.

DGRI

Arthrodese

ARTH

Ellbogengelenk

EGL

Degeneration posttr.

DGRP

Arthrolyse

ARLY

Finger

FIN

Dysplasie

DYSP

Arthroskopie

AKOP

Hals-Wirbelsäule

HWS

PLRE

Epiphysenverletzung

EPI

Bandplastik

Handgelenk, -wurzel HDG

Exostose

TU

Bandreinsertion

NAHT

Hüftgelenk

HFGL

Fehlstellg. nicht traum. FLSI

C-Faser-Plastik

CFAS

Kniegelenk

KGEL

Fehlstellung posttr.

FLSP

Cerclage

CER

Fraktur geschlossen

FRAG

Cortico-spong.Span autol. CDAU

Lenden-Wirbelsäule LWS Mittelfuß

MFUS

Fraktur offen

FRAO

Cortico-spong.Span homol. COHO

Mittelhand

MHD

Gefäßverletzung

GEFV

Drainage

DRAI

Oberarm dist.

OAD

Gelenkfraktur

GFRA

Dynam. Hüftschraube

DHS

Oberarm Mitte

OAM

Gelenkinfekt

GINF

Endernagel

ENA

Oberarm prox.

OAP

Hämatom

HAEM

Entfernung

ENTF

Oberes Sprunggelenk OSG

Hauterkrankung

HAUT

Fibrinklebung

FIBK

Oberschenkel dist.

Hautverletzung

HAUT

Fixateur externe

FIX

OSD

Oberschenkel Mitte OSM

Knochenerkrankung

KNE

Freilegung

FRLG

Oberschenkel prox.

OSP

Knocheninfekt

KINF

Isoel.Totalprothese

TEP4

Schenkelhals

SHL

Knorpelerkrankung

KNOV

Kirschner-Draht

KIDR

Schultergelenk

SGL

Knorpelverletzung

KNOV

Kopf / Hals

KOHA

Schultergürtel

SGUR

Kompartment-Syndrom MSKV

Marknagel

MNA

Talus

TAL

Luxation

LUX

Naht (-Band)

NAHT

Thorax

THOR

Meniskusverletzung

MENV

Neurolyse

FRLG

Unterarm dist.

UAD

Missbildung

MISS

Offene Mobilisation

ARLY

Unterarm Mitte

UAM

Muskelverletzung

MSKV

Osteotomie

OTOM

Unterarm prox. Unterschenkel dist.

UAP USD

Nervenverletzung Pseudarthrose

NERV PSEU

Plastische Rekonstrukt.

PLRE

Platte (DCP, Rundloch)

PL

Refraktur

RFRA

Prothesen-Wechsel

APRO

Unterschenkel Mitte USM

Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination

Lokalisation Unterschenkel prox. USP Vorfuß VFUS

Abb. 15.1

Verletzungen oder Erkrankungen Sehnenverletzung SEHV Traum. Amputation TAMP Tumor TU Verkalkung VERS Verknöcherung VERS Versteifung VERS Weichteilinfekt WINF Weichteilschaden WEI Zyste TU

147

operative Maßnahmen Reosteosynthese Replantation Reposition, offene Resektion Retinaculumplastik Revision Schraubenosteosynthese Sonstige Platte Sonstige Prothese Spondylodese dorsal Spondylodese ventral Spongiosaplastik homol. Spongiosaplastik autolog Spül-Saug-Drainage SWN Taurolin Tendolyse TEP, zemt.freier Schaft Totalprothese zementiert Totalproth., RM-Pfanne Transplantation Tumor-Prothese Verbund-Osteosynthese Verriegelungs-Marknagel Winkelplatte Zuggurtung

REOS REPL REPO ENTF PLRE REV SOS SPL APRO SPOND SPONV SPHO SPAU DRAI ENA TAUR FRLG TEP3 TEP1 TEP2 TRPL APRO VSYN VMN WPL ZGUR

Ordnungssystem für die Knochen-, Extremitäten- und Unfallchirurgie

Das Ordnungssystem arbeitet ohne numerische Notation. Um jedoch die Deskriptoren von freien Schlagwörtern zu unterscheiden und ihre Bedeutung zu unterstreichen, wurde für jeden Deskriptor eine Abkürzung eingeführt. Bei der Festlegung der Abkürzung wurde darauf geachtet, dass sich die Abkürzungen und der Deskriptor gut merken lassen (Mnemonics). Im Ordnungssystem selbst sind die Deskriptoren nach den drei Themenbereichen getrennt aufgeführt und innerhalb jedes Themenbereichs alphabetisch sortiert. Das Ordnungssystem ist eine reine Deskriptorenliste ohne Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle. Eine terminologische Kontrolle erschien hier ausnahmsweise aus folgenden Gründen entbehrlich: x

Das Ordnungssystem umfasst nur wenige Deskriptoren.

x

Eine hervorragende Übersichtlichkeit erschien besonders wichtig, und das gesamte Ordnungssystem sollte auf einer einzigen Seite im Format A3 dargestellt werden.

x

Die Indexierer sind alle chirurgisch tätige Ärzte, die in hohem Maße fachkundig sind und somit eine Erläuterung der einzelnen Deskriptoren entbehrlich erschien.

x

Alle Indexierer sind in der gleichen Abteilung tätig, haben tagtäglich förmliche und informelle Kommunikationsmöglichkeiten und bilden sozusagen eine Schule.

148

Thema 15

15.4 Einbettung der Dokumentation in den Klinikablauf Zwischen zwei aufeinander folgenden Operationen hat der Operateur etwa 10 bis 15 Minuten Zeit, weil folgende Arbeiten ohne ihn ablaufen: x

Ausleiten der Narkose durch den Anästhesisten,

x

Überführung des operierten Patienten in den Aufwachraum,

x

Sterilisation des Op’s und Bereitstellung der neuen Instrumentierung,

x

Einbringen des nächsten Patienten,

x

Einleiten der Narkose durch den Anästhesisten.

Während dieser Zeit können die Operateure den Op-Bereich nicht verlassen, weil die Zeit für das Umkleiden und eine erneute Desinfektion zu kurz ist. Deshalb verbringen die Chirurgen diese Zeit in einem Nebenraum des Op’s und diktieren den Op-Bericht für die eben durchgeführte Operation. Das Diktat des Op-Berichts orientiert sich an der Struktur der Op-Berichte dieser Abteilung: Zuerst werden die formalen Kategorien in definierter Reihenfolge anhand der Op-Unterlagen diktiert. Dann erfolgt das Diktat des Op-Berichts im engeren Sinne als Freitext, und schließlich werden für die Dokumentation die (inhaltlichen) Deskriptoren diktiert. Um das Diktat des Op-Berichts zu erleichtern, ist über dem Diktiergerät ein kleines Plakat befestigt, in dem das Schema der formalen Kategorien und das Ordnungssystem dargestellt sind. Gegen Ende des Diktats des Op-Berichts ist der Operateur mit dem Sachverhalt bestens vertraut, er teilt die zutreffenden Deskriptoren zu, indem er sie dem Plakat entnimmt und diktiert. Damit ist der Arbeitsaufwand für das Indexieren minimal. Die Diktierbänder werden im Abteilungssekretariat geschrieben. Ein spezielles Rahmenprogramm zieht zunächst eine Bildschirmmaske (ein Bildschirm-Formular) auf, das die formalen Kategorien erfragt. Danach wird in das Textsystem verzweigt und der im Freitext diktierte Op-Bericht im engeren Sinne geschrieben. Nachdem die Sekretärin angegeben hat, dass der Freitext abgeschlossen ist, erfragt das Rahmenprogramm die zugeteilten Deskriptoren. Danach wird der Gesamtbericht ausgedruckt und zur Unterschrift vorgelegt. Anstatt der Unterschrift können auch Korrekturen verlangt werden, nach der Ausführung der Korrekturen erfolgt ein erneutes Ausdrucken zur Unterschrift. Mit der Unterschrift des ausgedruckten Op-Berichts werden alle Angaben, d.h. die formalen Kategorien, der Text und die inhaltlichen Deskriptoren, als richtig erklärt und ohne weiteren Arbeitsgang förmlich in die Dokumentation übernommen. Der für die Dokumentation erforderliche Arbeitsaufwand beschränkt sich somit auf zwei Tätigkeiten: Der Operateur muss am Ende des Diktats des Op-Berichts die Deskriptoren anhand des Plakats über dem Diktiergerät auswählen und diktieren. Außerdem muss die Sekretärin diese Deskriptoren eintippen. Alle anderen Arbeiten, wie das Erfassen der Signatur, der Patientenidentifikation usw., wären auch ohne Dokumentation notwendig. Damit liegt der Arbeitsaufwand für die Dokumentation in der Größenordnung einer Minute je Dokumentationseinheit.

Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination

149

15.5 Dokumentations- und Retrievalsystem Das für die Dokumentation notwendige Speicher- und Retrievalsystem wurde selbst entwickelt. Der Programmieraufwand war verhältnismäßig gering, da sich das Programm sehr stark auf folgende Software-Systeme und die in ihnen verfügbaren Software-Werkzeuge (Tools) stützt: x Maskengenerator des Datenbanksystems, x Textverarbeitungssystem, x Datenbanksystem zur Speicherung und Sicherung der Daten, x Abfragemöglichkeiten des Datenbanksystems. Das selbst entwickelte Programm ist eigentlich nur eine Hülle, eine „Shell“, eine Art Kommandoprozedur über das gekaufte Datenbanksystem und das gekaufte Textsystem. Die Abfragen der Dokumentation erfolgen über eine Bildschirmmaske, die ähnlich aufgebaut ist wie die Bildschirmmaske bei der Erfassung der Daten. Wird in die Abfragemaske die Signatur der Operation oder die Patientenidentifikation eingegeben, so wird vom System der gesamte Op-Bericht präsentiert. Formal betrachtet ist dies die Abfrage des Dokumentenfiles. Bei den numerischen Angaben Op-Tag, Op-Beginn, Op-Ende, Op-Dauer (errechnete Größe), Geburtsdatum und Alter (errechnete Größe) können Zahlenbereiche angegeben werden. Wird ein solcher Zahlenbereich angegeben, dann erfolgt die Suche nur innerhalb dieses Bereichs. Wird bei einer formalen numerischen Kategorie kein Zahlenbereich angegeben, so wird diese formale Kategorie nicht in die formale Suchfrage aufgenommen, d.h. es wird über den gesamten Bereich dieser Kategorie recherchiert. Bei allen anderen formalen Kategorien können Einzelangaben oder eine Liste eingegeben werden. Bei mehreren Angaben zu einer Kategorie (Liste) werden diese ›-verknüpft. Beispiel: Wird zu der formalen Kategorie „Operateur“ bei der Abfrage „Dr. Handfertig, Dr. Fleißig“ angegeben, so werden nur die Operationen selektiert, bei denen einer der beiden Genannten Operateur war. Kategorien, die bei der Abfrage offen bleiben, d.h. in die nichts eingetragen wird, schränken die Selektion nicht ein. Die inhaltlichen Deskriptoren können beliebig logisch verknüpft werden. Eine Abfrage kann aus einem oder mehreren formalen Kategorien, aus Deskriptoren oder aus einer beliebigen Kombination von formalen Kategorien und Deskriptoren bestehen. Schließlich bietet das Retrieval-System die Möglichkeit, die bei verschiedenen Abfragen selektierten Dokumentationseinheiten in getrennten Dateien abzuspeichern. Mit einem eigenen Programmodul können die Dokumente der getrennten Dateien auf gleiche Patientenidentifikation verglichen werden. Damit können Patienten selektiert werden, bei denen zwei oder mehr bestimmte Operationen durchgeführt worden sind. Beispiele für Abfragen: a) Abfrage nur formaler Kategorien: Gesucht sind alle Operationen, bei denen Dr. Handfertig Operateur und Dr. Schlafgut Anästhesist war. Dazu wird bei der formalen Kategorie Operateur „Dr. Handfertig“ und bei der formalen Kategorie Anästhesist „Dr. Schlafgut“ eingegeben, alle anderen Kategorien werden nicht ausgefüllt, ebenso werden keine inhaltlichen Deskriptoren angegeben.

150

Thema 15

b) Abfrage nur nach inhaltlichen Deskriptoren: Gesucht sind alle Patienten, bei denen die implantierte Hüftgelenksendoprothese wegen Gelenksinfektion nachoperiert werden musste. Für diese Art Frage bleiben alle formalen Kategorien leer, bei den Deskriptoren wird als formale Suchfrage angegeben: HFKL š GINF š (TEP1 › TEP2 › TEP3 › TEP4) c) Abfrage bestehend aus formalen Kategorien und inhaltlichen Deskriptoren: Alle Patienten unter 30 Jahren, denen Dr. Handfertig einen autologen cortico-spongiösen Span am Schultergelenk einsetzte. Die Abfrage lautet: Alter: Operateur: inhaltliche Deskriptoren:

< 30 Dr. Handfertig SGL š CDAU

d) Abfrage nach Patienten, an denen zwei bestimmte Operationen durchgeführt wurden. Gesucht sind alle Patienten, bei denen sowohl eine Hüftgelenks- als auch eine Kniegelenksendoprothese eingesetzt wurden. Dazu wird zunächst mit den inhaltlichen Deskriptoren HFGL š (TEP1 › TEP2 › TEP3 › TEP4) abgefragt und die selektierten Dokumentationseinheiten in der Datei „Hüftgelenk“ abgelegt. Dann wird die Abfrage KGEL š (TEP1 › TEP3 › TEP4) durchgeführt und in die Datei „Kniegelenk“ abgespeichert. Anschließend wird mit einem eigenen Programmaufruf gefragt, welche Dokumentationseinheiten in diesen beiden Dateien die gleiche Patientenidentifikation haben. Die Datensätze dieser Patienten bilden dann die Zielmenge und werden ausgegeben. Alle Ergebnisse des Retrieval-Programms werden zuerst am Bildschirm angezeigt und können auf Befehl auch ausgedruckt werden. Wird bei einer Abfrage nur eine einzige Dokumentationseinheit selektiert, so wird diese vollständig am Bildschirm angezeigt. Diese Ausgabe des vollständigen Datensatzes ist besonders wichtig, wenn nach einer Signatur oder einer Patientenidentifikation abgefragt wird. Werden bei einer Abfrage bis zu 20 Dokumentationseinheiten selektiert, so wird die Signatur und die Patientenidentifikation der selektierten Dokumentationseinheiten angezeigt. Dabei entspricht jede Zeile einer Dokumentationseinheit. Daraufhin können beliebig viele Zeilen markiert werden, und anschließend wird von den markierten Zeilen die volle Dokumentationseinheit angezeigt oder ausgedruckt. Werden bei einer Abfrage mehr als 20 Dokumentationseinheiten selektiert, so wird zunächst nur die Anzahl der selektierten Dokumentationseinheiten angezeigt. Daraufhin kann die Suchfrage modifiziert werden. Auf ein Kommando hin werden jedoch auch mehr als 20 selektierte Dokumentationseinheiten, wie oben dargestellt, listenförmig angezeigt. In dieser Anzeige können wieder beliebige Zeilen markiert und damit die Anzeige oder das Ausdrucken der gesamten Dokumentationseinheit verlangt werden. Durch diese gestufte Ausgabe soll der Rechercheur nicht überschüttet werden, der Bedienungsaufwand gering sein und doch alle Ausgabemöglichkeiten bestehen.

Beispiel einer Dokumentation mit Begriffskombination

151

15.6 Betriebsergebnisse und Revision des Ordnungssystems Nach dem ersten Betriebsjahr der Dokumentation ergab eine Auswertung folgende dokumentarische Kenngrößen: x

Insgesamt waren 4 133 Operationen indexiert worden, d.h. 4 133 Dokumentationseinheiten eingespeichert worden.

x

Diesen 4 133 Dokumentationseinheiten wurden zusammengenommen 16 864 Deskriptoren zugeteilt.

x

Betrachtet man die den einzelnen Dokumentationseinheiten zugeteilten Deskriptor-Kombinationen, so ergeben sich 2 848 verschiedene Deskriptor-Kombinationen. Das bedeutet, dass im ersten Betriebsjahr 2 848 verschiedene Sachverhalte indexiert wurden.

x

Die Benutzungsfrequenz der Deskriptoren variierte von 1 für den am seltensten benutzten Deskriptor bis zu 1 004 für den am häufigsten benutzten Deskriptor.

Aus diesen Angaben des Deskriptorenspeichers über das erste Betriebsjahr der Dokumentation lässt sich berechnen: 16 864 Im Mittel wurden je Dokumentationseinheit 4.1 Deskriptoren zugeteilt. 4 133 Betrachtet man die Anzahl der eingespeicherten Dokumentationseinheiten und die Anzahl der indexierten verschiedenen Sachverhalte, so ergibt sich, dass im Mittel

4 133 2 848

1.5 Dokumentationseinheiten den gleichen Sachverhalt hatten.

Das bedeutet, dass trotz des sehr kleinen und überschaubaren Ordnungssystems eine außerordentlich hohe Indexierungsgenauigkeit erreicht wurde. In der ursprünglichen Fassung hatte das Ordnungssystem 106 Deskriptoren. Mit diesen 106 Deskriptoren wurden 2 848 verschiedene Sachverhalte beschrieben. Somit ist der Kom2 848 binationsfaktor = 26.9 106 Hätte man statt einer Begriffskombination eine Einfachklassifikation verwendet, so hätte diese bei gleicher Indexierungsgenauigkeit für die zu indexierenden 2 848 verschiedenen Sachverhalte ein Klassifikationssystem mit 2 848 Klassen (Deskriptoren) benötigt. Durch das Ordnungsprinzip Begriffskombination konnte die Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem auf rund 1/27, d.h. auf 106 Deskriptoren verringert werden. 16 864 Die mittlere Benutzungsfrequenz der Deskriptoren betrug 159.1 106 Das bedeutet, dass jeder Deskriptor im Mittel 159.1 mal einer Dokumentationseinheit zugeteilt wurde. Die Benutzungsfrequenz der Deskriptoren variierte sehr stark. Deshalb wurde nach dem ersten Betriebsjahr der Dokumentation das Ordnungssystem revidiert. Dabei wurden 8 sehr selten benutzte Deskriptoren gestrichen, d.h. mit anderen Deskriptoren zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst. Umgekehrt wurden 25 sehr häufig benutzte Deskriptoren aufgeteilt, z.B. wurde der 914 mal zugeteilte Deskriptor Fraktur (FRA) aufgeteilt in „Fraktur, geschlossen (FRAG)“ und „Fraktur, offen (FRAO)“. Durch die Revision erhöhte sich die Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem von 106 auf die in Abb. 15.1 genannten 123 Deskriptoren.

Thema 16:

Struktur eines Ordnungssystems 16.1 Bezeichnungen für Ordnungssysteme Ein Ordnungssystem (englisch: directory of terms) ist immer dann erforderlich, wenn gebunden indexiert wird. Es enthält alle für eine Dokumentation zugelassenen Deskriptoren, d.h. zum Indexieren und in der formalen Suchfrage dürfen nur die im Ordnungssystem enthaltenen Deskriptoren benutzt werden. In seiner einfachsten Form ist ein Ordnungssystem nur ein Verzeichnis der zugelassenen Deskriptoren und wird dann als Deskriptorenliste (englisch: authority list) oder Schlagwortliste (englisch: list of keywords) bezeichnet. Ordnungssysteme, die nach dem Ordnungsprinzip Klassifikation aufgebaut sind, werden auch Klassifikationssysteme oder kurz Klassifikationen (englisch: classification) genannt. Hat ein Klassifikationssystem eine (rein numerische) Notation, so nennt man es auch einen Schlüssel (englisch: code list). Ein gut ausgebautes „komfortables“ Ordnungssystem enthält nicht nur die zugelassenen Dekriptoren, sondern gibt vielerlei terminologische Hilfen für das Indexieren und Formulieren formaler Suchfragen. Es enthält dann auch einen großen Anteil von Wörtern, die Nicht-Deskriptoren sind und strebt eine möglichst umfassende terminologische Kontrolle an. Ein gut ausgebautes Ordnungssystem für Begriffskombination wird als Thesaurus bezeichnet. Thesaurus ist ein griechisch-lateinisches Wort und bedeutet Schatz, Wortschatz und wissenschaftliches Sammelwerk. Ein Thesaurus ist also ein Ordnungssystem für die Begriffskombination und mit weitgehenden Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle. In diesem Buch wird  soweit nichts anderes ausdrücklich vermerkt ist  Thesaurus in dieser engeren Bedeutung verwendet. Ein erheblicher Teil der Dokumentare benützt jedoch den Ausdruck Thesaurus auch im weiteren Sinne. Sie verstehen darunter jegliches komfortable Ordnungssystem, unabhängig davon, nach welchem Ordnungsprinzip es aufgebaut ist. Andere Dokumentare wiederum bezeichnen jedes Ordnungssystem, dem ein kombinatorisches Ordnungsprinzip zugrunde liegt, als Thesaurus, ohne Rücksicht darauf, welchen Komfort es bietet und welches Maß an terminologischer Kontrolle erreicht wird. Schließlich wird ein Ordnungssystem auch noch als ein „kontrolliertes Vokabular“ an Deskriptoren (englisch: controlled vocabulary) bezeichnet. Damit nähert man sich bereits der Dokumentationssprache, die gegen Ende dieses Themas besprochen wird.

Struktur eines Ordnungssystems

153

16.2 Anforderungen an ein Ordnungssystem Ein Ordnungssystem enthält alle zugelassenen Äquivalenzklassen und Deskriptoren und deren möglichst genaue Definition. Es legt für jede Äquivalenzklasse die Vorzugsbenennungen und  falls eine Notation eingeführt ist  für jeden Deskriptor die Notation fest. Selbstverständlich müssen die Äquivalenzklassen das dokumentarisch bearbeitete Sachgebiet vollständig abdecken und es an allen Stellen mit der erforderlichen Indexierungsgenauigkeit erschließen. Neben den Vorzugsbenennungen enthält ein Ordnungssystem möglichst viele weitere Benennungen (Nicht-Vorzugsbenennungen). Diese werden zum einen benötigt, um den Gebrauch des Ordnungssystems zu erleichtern und unter möglichst vielen dem Indexierer und Rechercheur spontan eingefallenen Benennungen in das Ordnungssystem einsteigen zu können. Zum andern werden die Nicht-Vorzugsbenennungen zur Definition der Begriffe benötigt, indem möglichst alle Benennungen, die zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind, aufgezählt werden können. Ein komfortables Ordnungssystem zeigt darüber hinaus die zwischen den Äquivalenzklassen bestehenden hierarchischen Strukturen auf und gibt dem Indexierer und Rechercheur Hinweise auf möglicherweise besser zutreffende Deskriptoren. Alle bisher genannten Punkte dienen der Vollständigkeit des Ordnungssystems und ermöglichen den Indexierern und Rechercheuren eine möglichst weitgehende terminologische Kontrolle. Neben der gewünschten Vollständigkeit und der angestrebten terminologischen Kontrolle müssen Ordnungssysteme in sich konsistent, d.h. nach einem einheitlichen Stil aufgebaut und in sich widerspruchsfrei sein. Weiter müssen Ordnungssysteme in sich kontrollierbar und nachprüfbar sein, etwa in der Form, wie dies für eine ordnungsgemäße kaufmännische Buchführung notwendig ist. Schließlich sollten Ordnungssysteme übersichtlich und gebrauchsfreundlich sein, da sie sowohl vom Personal der Dokumentationsstelle, als auch von nebenamtlichen Indexierern und von „Stammkunden“ der Dokumentationsstelle intensiv benutzt werden. Wegen der in allen Wissensgebieten vorhandenen Wandlungen muss ein Ordnungssystem gut erweiterbar und anpassungsfähig sein. Es muss möglich sein, neue Äquivalenzklassen und Deskriptoren aufzunehmen oder bereits vorhandene Äquivalenzklassen und Deskriptoren zu teilen. Umgekehrt muss es aber auch möglich sein, Äquivalenzklassen zusammenzufassen oder ganz zu streichen. Die Anpassungsfähigkeit und Erweiterbarkeit gilt aber auch für den Aufbau, die Struktur und die technische Realisierung des Ordnungssystems im Computer und in Buchform. Diese Anpassungsfähigkeit und Erweiterbarkeit ist am besten gewährleistet, wenn die oben geforderte Konsistenz und Nachprüfbarkeit voll erreicht worden ist. Unter welchen Umständen soll eine Notation eingeführt werden? Der Wunsch nach einer Notation ist dann besonders groß, wenn ein Ordnungssystem viele Deskriptoren hat. Außerdem kann eine Notation für die Realisierung des Deskriptorenspeichers hilfreich sein. Weiterhin kann eine Notation erwünscht sein, um die systematisch-hierarchische Struktur der Deskriptoren auszudrücken. Schließlich kann eine Notation im organisatorischen Ablauf einer Dokumentationsstelle gewisse Erleichterungen bringen. Treffen diese Gründe für eine Notation in einer Dokumentation nicht oder nur sehr schwach zu, so wird man sich nicht der Mühe unterziehen und eine Notation einführen und benützen. Die mehr äußeren Anforderungen an die Notation sind bereits im Thema 1.7 aufgezählt.

154

Thema 16

16.3 Teile eines Ordnungssystems Der systematische Teil eines Ordnungssystems enthält alle Vorzugsbenennungen in systematischer, oft monohierarchischer Anordnung. Der alphabetische Teil enthält alle Benennungen (Vorzugsbenennungen und Nicht-Vorzugsbenennungen) in einer gemeinsamen alphabetischen Sortierung. Im konkreten Einzelfall können Sonderverzeichnisse zweckmäßig sein, z.B. kann es für die Erstellung der Datenbank nützlich sein, wenn eine Datei aller Deskriptoren ohne weitere Angaben existiert. Schließlich benötigt jedes Ordnungssystem einen Textteil. In den meisten Ordnungssystemen wird der Schwerpunkt entweder auf den systematischen oder auf den alphabetischen Teil gelegt. Die Schwerpunktbildung kann sogar so weit gehen, dass bei Schwerpunkt auf dem systematischen Teil der alphabetische Teil wegfällt oder bei Schwerpunkt auf dem alphabetischen Teil der systematische Teil wegfällt. Hat ein Ordnungssystem keinen Schwerpunkt gebildet oder liegt der Schwerpunkt auf dem systematischen Teil, so sollte zum Indexieren und Recherchieren stets der systematische Teil verwendet werden. Der alphabetische Teil dient dabei nur  falls überhaupt erforderlich  als Einstieg und Hinführung an eine Stelle des systematischen Teils. Im systematischen Teil erfolgt dann die terminologische Kontrolle und die Entscheidung, welche Deskriptoren indexiert werden, welche Deskriptoren nicht indexiert werden und ob vielleicht eine ganz andere Stelle des Ordnungssystems ebenfalls zutreffend ist. Hat ein Ordnungssystem seinen Schwerpunkt im alphabetischen Teil, so muss dieser in ganz besonderem Maße detailliert und ausgebaut sein. Eine Schwerpunktbildung im alphabetischen Teil ist vorteilhaft bei großen Ordnungssystemen mit vielen Äquivalenzklassen, wenn die Herstellung einer allseits akzeptierten systematischen Anordnung zu aufwändig oder gar unmöglich ist oder wenn sachlich wenig geschulte Indexierer und Rechercheure mit dem Ordnungssystem arbeiten sollen.

16.4 Alphabetischer Teil Im Folgenden wird der alphabetische Teil eines Ordnungssystems in voller Ausbaustufe beschrieben, sodass das Indexieren anhand dieses alphabetischen Teils erfolgen kann. Ein sachlogischer Teil des Ordnungssystems ist dann weitgehend entbehrlich. Wie bereits erwähnt, enthält der alphabetische Teil sowohl die Vorzugsbenennungen der Deskriptoren als auch Nicht-Vorzugsbenennungen in einer Sortierung. Jedes der Sortierung unterworfene Wort (gleichgültig, ob es die verbindliche Benennung eines Deskriptors und damit die Vorzugsbenennung einer Äquivalenzklasse oder eine Nicht-Vorzugsbenennung ist) beginnt auf einer neuen Zeile und wird als ein Eingang (englisch: thesaurus entry) bezeichnet. Alle Angaben, die zu einem Eingang gehören, bilden eine Thesaurus-Einheit (englisch: word block). In gut ausgebauten Ordnungssystemen sind die meisten Eingänge im alphabetischen Teil Nicht-Vorzugsbenennungen. Ein Beispiel für einen voll ausgebauten alphabetischen Teil wird in Thema 18 (Beispielthesaurus Gebäude) gegeben.

Struktur eines Ordnungssystems

155

16.5 Worttypen im alphabetischen Teil Alle Ordnungssysteme haben mindestens einen Worttyp, die Deskriptoren. Der Name des Deskriptors ist zugleich die Vorzugsbenennung der Äquivalenzklasse. Der zweite Worttyp sind die Benennungen. Anstatt Benennungen werden auch die Bezeichnungen Wörter, Terms, Thesauruswörter, Thesauruseingänge oder kurz Eingänge (in das Ordnungssystem) verwendet. Benennungen, die Nicht-Vorzugsbenennungen sind, tragen zur terminologischen Kontrolle und zum Komfort des Ordnungssystems bei. Selbstverständlich sind die Vorzugsbenennungen auch Benennungen, deshalb sind die Vorzugsbenennungen eine Teilmenge der Benennungen. Die beiden in einem Ordnungssystem möglichen Worttypen sind in Abb. 16.1 dargestellt. Der Gebrauch eines Ordnungssystems lässt sich an dieser Abbildung gut veranschaulichen: Der Indexierer oder Rechercheur hat irgendeine Benennung im Kopf, benutzt sie als Eingang in das Ordnungssystem und kommt damit in die äußere Menge. Von dort wird er durch die „Wegweiser“ des Ordnungssystems weiter nach innen geleitet und kommt zu einer bestimmten Äquivalenzklasse. Hier muss der Indexierer oder Rechercheur sich umsehen und prüfen, ob er an die richtige Stelle gekommen ist oder ob er eine besser passende Äquivalenzklasse findet. Nach einigem Hin und Her wird er sich für eine Äquivalenzklasse entscheiden. Damit ist ein zutreffender Deskriptor gefunden. Bei kombinatorischen Ordnungssystemen muss nun der Indexierer oder Rechercheur solange neue Eingänge ausprobieren, bis er überzeugt ist, vollständig indexiert bzw. alle Deskriptoren für die formale Suchfrage gefunden zu haben.

Menge der Benennungen

Menge der Vorzugsbenennungen

Abb. 16.1

Die Worttypen eines Ordnungssystems in Mengendarstellung. Die Menge der Nicht-Vorzugsbenennungen ist schraffiert.

16.6 Verweistypen im alphabetischen Teil In einem komfortablen Ordnungssystem gibt es zahlreiche Verweise, die alle als Wegweiser oder Hinweise dienen. So wie bereits für die hierarchischen Verweise im Thema 8.5f dargestellt, gehört zu jedem Verweis seine Umkehrung, der Rück- oder Gegenverweis. Bei allen Verweistypen bilden die beiden zusammengehörigen Verweise ein Verweispaar. Die beiden

156

Thema 16

Verweise eines Verweispaares werden beim Erstellen des Ordnungssystems in einem Arbeitsgang nach dem Grundsatz der doppelten Buchführung eingeführt: Der Vorverweis eines Verweispaares entspricht der Buchung, der Rückverweis der Gegenbuchung. a)

Äquivalenzverweise

Bei Eingängen in den alphabetischen Teil, die keine Vorzugsbenennungen sind, wird durch einen Siehe-Verweis (abgekürzt meist s.) auf die zugehörige Vorzugsbenennung verwiesen. Bei Eingängen, die eine Vorzugsbenennung sind, fehlt der Siehe-Verweis, stattdessen ist der Enthält-Verweis als Umkehrung des Siehe-Verweises angebracht. Beispiel:

x

. . . Auto . . . Personenkraftwagen . . . Pkw

x

. . . Wagen

x x

siehe

Pkw

siehe

Pkw

enthält

Auto Personenkraftwagen Wagen

siehe

Pkw

Der Siehe- und der Enthält-Verweis bilden das Verweispaar: siehe



enthält

Das gegebene Beispiel hat also 3 Verweispaare. Die bei Pkw gegebenen Enthält-Verweise zählen als 3 Verweise. Bei mehrdeutigen Nicht-Vorzugsbenennungen (Homonymen) stehen mehrere Siehe-Verweise. Im Englischen heißt der Siehe-Verweis meist see oder use, der Enthält-Verweis used for, abgekürzt UF. Die Enthält-Verweise bei einer Vorzugsbenennung geben an, welche Benennungen zu dieser Äquivalenzklasse gehören und tragen damit erheblich zur Beschreibung und Abgrenzung der Äquivalenzklasse bei. Somit trägt die Aufnahme vieler Nicht-Vorzugsbenennungen in ein Ordnungssystem nicht nur durch die vielen Eingänge zum Komfort, sondern auch zur Definition der Äquivalenzklassen bei. Der bei der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM 2005) im Thema 10.2 beschriebene Einschlussvermerk ist das Gleiche wie ein Enthält-Verweis, nur dass in der ICD-10 der Grundsatz der doppelten Buchführung nicht eingehalten wird. Der Indexierer oder Rechercheur sollte sich nicht schon anhand des Siehe-Verweises für eine Äquivalenzklasse entscheiden. Vielmehr sollte er dem Siehe-Verweis folgen, die Vorzugsbenennung aufschlagen und dann die dort angebotenen Hilfen zur terminologischen Kontrolle benutzen.

Struktur eines Ordnungssystems b)

157

Hierarchische Verweise

Sollen im alphabetischen Teil eines Ordnungssystems die hierarchischen Beziehungen zwischen den Äquivalenzklassen – soweit vorhanden, siehe Thema 8.6 partielle Hierarchien – sichtbar gemacht werden, so eignen sich dazu am besten die hierarchischen Verweise. Die hierarchischen Verweise werden jedoch lediglich bei den Vorzugsbenennungen angebracht, um den Umfang und die Übersichtlichkeit nicht unnötig zu erschweren, zumal in einem komfortablen Ordnungssystem die meisten Benennungen Nicht-Vorzugsbenennungen sind und die hierarchischen Angaben dort redundant wären. Die hierarchischen Verweise umfassen die beiden (im Thema 8.5f) bereits besprochenen Verweispaare: bzw. UB:  OB: OB:  UB: GB:  GB: Wie ebenfalls schon erwähnt, trägt das Sichtbarmachen hierarchischer Strukturen, also auch die hierarchischen Verweise im alphabetischen Teil eines Ordnungssystems, erheblich zur Erläuterung und Abgrenzung der Äquivalenzklassen bei. c)

Assoziative Verweise

Um dem Benutzer den Gebrauch des Ordnungssystems weiter zu erleichtern, wird bei manchen Vorzugsbenennungen noch auf andere Vorzugsbenennungen verwiesen, die vielleicht auch für die Problemstellung des Benutzers interessant sein könnten. Dieser Hinweis wird durch „siehe auch“ (abgekürzt meist s.a., englisch: related term, abgekürzt RT oder auch see also) ausgedrückt. Die Umkehrung des Siehe-auch-Verweises ist wiederum ein Siehe-auch-Verweis. Das Verweispaar lautet also siehe auch  siehe auch. Auch bei diesem Verweistyp ist der Grundsatz der doppelten Buchführung einzuhalten. Siehe-auch-Verweise dienen vor allem dazu, den Indexierer und Rechercheur auf verwandte Äquivalenzklassen hinzuweisen und damit zu gewährleisten, dass er sich Gedanken macht, welche der Äquivalenzklassen den von ihm aktuell bearbeiteten Sachverhalt besser erfassen. Der Ausschlussvermerk, wie wir ihn in der ICD-10-GM 2005 im Thema 10.2 kennen gelernt haben, ist ebenfalls ein assoziativer Verweis, der auf eine andere Klasse verweist. Sind zwei Äquivalenzklassen durch hierarchische Verweise verbunden, so ist eine assoziative Verweisung unnötig. Assoziative Verweispaare sind nur dort zu setzen, wo eine Beziehung zwischen zwei Äquivalenzklassen hergestellt werden soll und andere spezifischere Verweistypen nicht bereitstehen. Verzichtet ein Ordnungssystem z.B. auf die Darstellung hierarchischer Beziehungen, so kann in wichtigen Einzelfällen mit assoziativen Verweisen indirekt auf hierarchische Beziehungen aufmerksam gemacht werden.

158

Thema 16 Wie bereits erwähnt, werden assoziative Verweise nur zwischen Vorzugsbenennungen gesetzt. Assoziative Verweise zwischen Nicht-Vorzugsbenennungen wären redundant, würden den Umfang des Ordnungssystems erhöhen und die Übersichtlichkeit beeinträchtigen. In manchen Ordnungssystemen gibt es das Verweispaar ist das Gegenteil von – ist das Gegenteil von. Meist lohnt sich die Einführung dieses Verweispaares jedoch nicht und stattdessen wird jeweils ein assoziativer Verweis angebracht.

d)

Erläuterungen

Zu einer Äquivalenzklasse können, falls erforderlich, bei ihren Vorzugsbenennungen Erläuterungen zur Verwendung (englisch: scope notes) und Beispiele angegeben werden (siehe Abb.10.3). Soweit diese Erläuterungen andere Äquivalenzklassen betreffen, gilt wiederum der Grundsatz der doppelten Buchführung, d.h. es sind die entsprechenden Umkehrungen zu setzen. Wird z.B. bei der Vorzugsbenennung der Äquivalenzklasse A angegeben, wie sich Deskriptor A von Deskriptor B abgrenzt und unterscheidet, so ist als Umkehrung bei Deskriptor B analog zu verfahren. Zur besseren Übersicht sind die in einem Thesaurus bei den einzelnen Worttypen vorkommenden Verweise zusammengestellt. In Klammern ist der Worttyp angegeben, auf den verwiesen wird. x siehe (Vorzugsbenennung) Nicht-Vorzugsbenennung: Vorzugsbenennung (Deskriptor): x enthält (Nicht-Vorzugsbenennung) x Oberbegriff: (Vorzugsbenennung) x gleichgeordneter Begriff: (Vorzugsbenennung) x Unterbegriff: (Vorzugsbenennung) x siehe auch (Vorzugsbenennung) x Erläuterungen (gegebenenfalls Vorzugsbenennung)

Alle besprochenen Verweistypen tragen zur terminologischen Kontrolle bei. Allerdings sind nicht in allen Ordnungssystemen alle Verweistypen realisiert, oft auch dann nicht, wenn der Schwerpunkt des Ordnungssystems im alphabetischen Teil liegt. Auch sind die in den Ordnungssystemen für die einzelnen Verweistypen verwendeten Bezeichnungen und Abkürzungen recht unterschiedlich. Bei den in DIN 1463 (Lit. d1) festgelegten Abkürzungen für die hier behandelten Verweistypen ist jeweils einer von zwei Buchstaben ein B. Dies ist mnemotechnisch ungünstig. Gelegentlich werden auch andere Verweistypen definiert. Wichtig ist, dass ein Verweistyp eindeutig und klar definiert ist und innerhalb eines Ordnungssystems einheitlich verwendet wird. Ab einer gewissen Größe eines Ordnungssystems ist es für dieses tödlich, wenn bei den Verweisen der Grundsatz der doppelten Buchführung, also der Grundsatz von Verweis und Rückverweis, nicht völlig konsequent eingehalten wird. Durch striktes Anwenden des Grundsatzes der doppelten Buchführung wird ein Ordnungssystem in sich widerspruchsfrei und nachprüfbar (Konsistenz eines Ordnungssystems).

Struktur eines Ordnungssystems

159

16.7 Systematischer Teil Der systematische Teil eines Ordnungssystems enthält nur Vorzugsbenennungen der Deskriptoren und gegebenenfalls Notationen. Er enthält keine Nicht-Vorzugsbenennungen oder höchstens einige wenige, falls sie bei der Vorzugsbenennung zu deren Erläuterung benötigt werden. Die Aufnahme der Nicht-Vorzugsbenennungen würde die ohnehin schon sehr schwierig erreichbare Übersichtlichkeit der Systematik praktisch unmöglich machen. Von den im alphabetischen Teil vorkommenden Verweistypen enthält der systematische Teil höchstens assoziative Verweise. Siehe- und Enthält-Verweise fallen weg, weil der systematische Teil keine Nicht-Vorzugsbenennungen enthält. Hierarchische Strukturen werden nicht mit Verweisen, sondern mit anderen Möglichkeiten dargestellt. Erläuterungen sind durch die systematische Darstellung weitgehend entbehrlich. In vielen Ordnungssystemen ist die systematische Anordnung eine monohierarchische, die durch Notation oder Einrückungen dargestellt ist. Weitere hierarchische Darstellungsmöglichkeiten wurden bereits bei Thema 8.5 angegeben. Das Problem der partiellen Hierarchien ist in Thema 8.6 behandelt. Eine weitere Möglichkeit der systematischen Anordnung von Deskriptoren ist das Beziehungsdisplay. Dabei werden die Deskriptoren in einem Schaubild entsprechend ihrem Verwandtschaftsgrad grafisch angeordnet und die Beziehungen zwischen den Deskriptoren durch Pfeile dargestellt. Ein vor- und rückwärts zeigender Pfeil entspricht dabei einem assoziativen Verweispaar, ein gewöhnlicher Pfeil meist einer hierarchischen Oberbegriff-Unterbegriff-Beziehung. Passen nicht alle Deskriptoren in ein Schaubild, so werden die Deskriptoren in Gruppen eingeteilt und jede Gruppe in einem eigenen Schaubild dargestellt. Dabei werden meist die Deskriptoren der dargestellten Gruppe umrandet. Beziehungen zu Deskriptoren anderer Gruppen werden so dargestellt, dass diese Deskriptoren außerhalb der Umrandung stehen und Pfeile von innerhalb der Umrandung zu diesen Deskriptoren außerhalb gehen. Ein Beispiel für ein Beziehungsdisplay von Deskriptoren gibt die Abb. 18.1, außerdem ist auf Seite 9 der Stoff dieses Buches in einem Übersichtsdisplay dargestellt. Andere systematische Darstellungsarten für Deskriptoren, die also weder hierarchisch sind noch ein Beziehungsdisplay darstellen, sind sehr selten und stets auf den konkreten Fall zugeschnitten. Wann soll ein Ordnungssystem seinen Schwerpunkt auf den alphabetischen Teil und wann auf den systematischen Teil legen? Der systematische Teile eines Ordnungssystems muss übersichtlich sein. Gibt es für das dokumentarisch zu bearbeitende Fachgebiet eine weithin anerkannte Systematik und kann diese übersichtlich auf wenigen Seiten dargestellt werden, so ist sie außerordentlich nützlich und erspart der Dokumentationsstelle viel Arbeitszeit und Arbeitskraft. Eine große Anzahl von Begriffen und eine übersichtliche systematische Anordnung sind aber fast ein Widerspruch in sich selbst. Systematische Anordnungen, die mehr als 100 Seiten oder mehr als 1 000 bis 10 000 Deskriptoren umfassen, können eigentlich nicht mehr übersichtlich sein. Dann sollte ein Ordnungssystem seinen Schwerpunkt auf den alphabetischen Teil legen.

160

Thema 16

16.8 Textteil Der Textteil eines Ordnungssystems sollte enthalten: x

Die Benennung, Erläuterung und insbesondere die Abgrenzung des Sachgebietes, das durch das Ordnungssystem bearbeitet und abgedeckt wird.

x

Angaben darüber, für welche Dokumentationsstelle(n), für welchen Verwendungszweck, für welchen Benutzerkreis, für welche Arten von Dokumentationseinheiten und für welche Typen von Suchfragen das Ordnungssystem entwickelt wurde.

x

Nach welchem Ordnungsprinzip das Ordnungssystem aufgebaut ist. Insbesondere sollte auch daraus hervorgehen, ob ein Ordnungsprinzip in seiner reinen Form oder ob Komponenten aus mehreren Ordnungsprinzipien übernommen wurden und gegebenenfalls welche Komponenten wofür.

x

Beschreibung und Erläuterung aller auftretenden Wort- und Verweistypen. Für die Erläuterung der Wort- und Verweistypen sind anschauliche Beispiele und eine tabellarische Übersicht nützlich.

x

Welche Anforderungen das Ordnungssystem an den Deskriptorenspeicher stellt bzw. auf welche Softwareprodukte es zugeschnitten ist.

x

Falls das Ordnungssystem eine Notation enthält, eine Erläuterung, wie die Notation aufgebaut ist und welche Funktion sie innerhalb des Ordnungssystems erfüllt.

x

Ein Verzeichnis der Abkürzungen mit genauer Erklärung der einzelnen Abkürzungen.

x

Eine allgemeine Anleitung für den Gebrauch des Ordnungssystems; insbesondere sollte angegeben sein, wie beim Indexieren und beim Formulieren der formalen Suchfrage vorgegangen werden soll. Dabei ist es besonders wichtig, dass diese Anweisungen gut verständlich und mit Beispielen ausgestattet sind.

x

Eine Aufstellung der zur Herstellung benutzten Wörterquellen.

x

Statistische Angaben über das Ordnungssystem selbst, z.B. wie viele Deskriptoren es enthält, wie viele Nicht-Vorzugsbenennungen, wie viele assoziative Verweispaare usw.

x

Angaben darüber, wie das Ordnungssystem erstellt worden ist und daraus abgeleitet, wie das Ordnungssystem revidiert werden soll und wer voraussichtlich wann die Revision durchführt.

x

Angaben, wer das Ordnungssystem erstellt hat, wann es erstellt wurde (Erstellungsdatum), die wie vielte Revision jetzt vorliegt sowie Angaben, wer wann welche Revision durchgeführt hat.

x

Schließlich sollte angegeben sein, wo das Ordnungssystem erhältlich ist, wer das Copyright besitzt und wie das Ordnungssystem in EDV-lesbarer Form vorliegt, z.B. als ASCII-Datei (ASCII = American Standard Code for Information Interchange), als Word-Dokument oder als fertige Datei für ein bestimmtes Retrievalsystem.

16.9 Beurteilung eines Ordnungssystems Der Wert, die Bedeutung und die Güte eines Ordnungssystems können nicht allein aus dem vorgelegten Ordnungssystem beurteilt, sondern müssen im Zusammenhang gesehen werden mit

Struktur eines Ordnungssystems x x x x x

161

den Dokumentationseinheiten, den Aufgaben der Dokumentation(en) und den Bedürfnissen ihrer Benutzer, dem zugrunde liegenden Ordnungsprinzip, der erforderlichen Datenbank und Retrievalsoftware, den der Dokumentationsstelle zur Verfügung stehenden Personal- und Sachmitteln.

Die Größe eines Ordnungssystems (ausgedrückt durch die Anzahl der Eingänge und die Anzahl der Deskriptoren), das verwendete Ordnungsprinzip, die Güte und der Komfort eines Ordnungssystems sind weitgehend unabhängig voneinander. Einfacher ausgedrückt: Es gibt gute und komfortable Klassifikationen, es gibt große und miserable Klassifikationen, es gibt gute und weniger gute Ordnungssysteme mit Begriffskombination und es gibt Ordnungssysteme, die von jedem Ordnungsprinzip etwas, aber keinen durchgehenden roten Faden haben. Für die Beurteilung eines Ordnungssystems werden nicht nur Dokumentationskenntnisse, sondern auch in erheblichem Umfang Fachkenntnisse des dokumentarisch bearbeiteten Sachgebiets benötigt. Damit ist klar, dass die Beurteilung eines Ordnungssystems nicht anhand eines vorgegebenen Schemas und nur in Verbindung mit Fachkenntnissen oder zusammen mit Fachleuten erfolgen kann. Letztlich entscheidend ist natürlich, was ein Ordnungssystem in der täglichen Dokumentationspraxis leistet und wie es sich dabei bewährt. Deshalb werden im Folgenden nur Fragen aufgezählt, die als Beurteilungskriterien für ein Ordnungssystem herangezogen werden können. Fragen zur Vollständigkeit und Leistungsfähigkeit: x

Anzahl der Äquivalenzklassen (Deskriptoren)?

x

Wie vollständig sind die Begriffe des bearbeiteten Fachgebiets erfasst?

x

Welche Indexierungsgenauigkeit wird mit der verwendeten Anzahl Deskriptoren erreicht (sozusagen der Wirkungsgrad bei der Ausnutzung der Deskriptoren)?

x

Bei kombinatorischen Ordnungsprinzipien: Welcher Kombinationsfaktor wird vermutlich erreicht?

x

Ist der Schwerpunkt zu Recht auf den alphabetischen/systematischen Teil gelegt worden oder ist zu Recht ein solcher Schwerpunkt nicht gebildet worden? Fehlt der alphabetische/systematische Teil vollständig, obwohl er wichtig oder nützlich wäre?

x

Wie vollständig ist die Wörtersammlung (Anzahl der Nicht-Vorzugsbenennungen + Anzahl der Vorzugsbenennungen) und damit verbunden die Genauigkeit der Definition der Äquivalenzklassen?

x

Wie vollständig und detailliert sind die Beziehungen zwischen den Äquivalenzklassen dargestellt?

x

Welches Maß an terminologischer Kontrolle wird mit den oben abgefragten Punkten insgesamt erreicht?

x

Ist die im systematischen Teil verwendete Einteilung und Systematik weitgehend fachlich anerkannt?

x

Ist der Textteil vollständig?

Fragen zur Konsistenz und zur Erweiterbarkeit: x

Ist das Ordnungssystem in sich widerspruchsfrei?

x

Sind die Wort- und Verweistypen sauber definiert und einheitlich angewandt?

162

Thema 16

x

Welche Kontrollmöglichkeiten bestehen? Ist der Grundsatz der doppelten Buchführung konsequent durchgehalten?

x

Ist das Ordnungssystem gut revidierbar?

x

Liegen EDV-lesbare Datenträger samt der zugehörigen DV-technischen Beschreibung vor?

Fragen zur Übersichtlichkeit: x Sind die Grundgedanken des Ordnungssystems leicht verständlich? x Ist die Darstellung und das Lay-out klar und übersichtlich? x Könnte das Ordnungssystem kürzer dargestellt werden? x Ist insbesondere der systematische Teil übersichtlich, klar und überschaubar? x Sind die benutzten Wort- und Verweistypen zweckmäßig? x Sind die Abkürzungen verständlich? x Sind alle Angaben zur terminologischen Kontrolle eines Begriffs an einer Stelle zusammengefasst und gut zugänglich? x Sind die gewählten Vorzugsbenennungen und die Notation aussagekräftig und im Gebrauch angenehm? x Wie lange braucht man, um den Textteil zu lesen und zu verstehen? x Wie lange braucht man dann noch zur Einarbeitung in den Gebrauch des Ordnungssystems? x Ist das Ordnungssystem auch für Fachwissenschaftler mit nur geringen dokumentarischen Kenntnissen verständlich?

16.10 Raster der inhaltlichen Erschließung Die Deskriptoren eines guten Ordnungssystems decken ein definiertes Sachgebiet vollständig und lückenlos ab, d.h. es gibt keinen Sachverhalt, der nicht durch Deskriptoren erfasst wird. Jedoch werden die Details innerhalb eines Deskriptors, also innerhalb einer Äquivalenzklasse, nicht unterschieden. Während die realen Sachverhalte stetig, stufenlos ineinander übergehen, sind Ordnungssysteme wegen ihrer endlichen Anzahl von Deskriptoren diskret, d.h. mit Stufen, mit Sprungstellen. Ordnungssysteme reduzieren somit die reale Vielfalt an Sachverhalten auf eine endliche Anzahl von Deskriptoren und damit auf diskrete Sachverhalte. Hinzu kommt, dass die moderne Ordnungslehre sich bemüht, schon mit einer bequem überschaubaren Anzahl von Deskriptoren eine möglichst hohe Indexierungsgenauigkeit zu erreichen. Beim Indexieren einer Dokumentationseinheit wird  streng formal betrachtet, nicht in der Praxis des Indexierens  für einen Deskriptor nach dem anderen geprüft, ob er für die Dokumentationseinheit zutrifft oder nicht. Im Jargon ausgedrückt lässt man alle Deskriptoren des Ordnungssystems gegen die zu indexierende Dokumentationseinheit laufen, geht also Deskriptor für Deskriptor durch und vergleicht jeweils den Deskriptor mit der zu indexierenden Dokumentationseinheit. Dieses Vorgehen bietet die Gewähr dafür, dass die Dokumentationseinheit unter allen Fragestellungen, die das Ordnungssystem beinhaltet, betrachtet wird. Beim intuitiven Indexieren besteht die Gefahr, dass der Indexierer, wenn er einen oder mehrere passende Deskriptoren gefunden hat, aufhört und weitere ebenfalls zutreffende De-

Struktur eines Ordnungssystems

163

skriptoren nicht indexiert werden. Beim Formulieren der formalen Suchfrage läuft derselbe Vorgang wie beim Indexieren ab, nur dass die Deskriptoren anstatt gegen die Dokumentationseinheit gegen die verbale Suchfrage laufen. In der Technik nennt man das Einteilen kontinuierlicher Maße in (gleich große) Abschnitte rastern, alle Abschnitte zusammengenommen den Raster. Auch ein Ordnungssystem kann man als einen Raster von Deskriptoren betrachten. Bildlich dargestellt ist dieser Raster wie ein Weg mit vielen Abfragestationen, wobei jede Abfragestation einem Deskriptor entspricht. Zum Indexieren geht eine Dokumentationseinheit bzw. die verbale Suchfrage diesen Weg der Abfragestationen entlang. Bei Abfragestationen (Deskriptoren), bei denen die Dokumentationseinheit auf die Frage der Station mit ja antwortet (also zutrifft), wird dies „aufgeschrieben“. Bei Abfragestationen, bei denen die Dokumentationseinheit mit nein antwortet, der Deskriptor also nicht zutrifft, wird eine Fehlanzeige geschrieben oder die Dokumentationseinheit gleich weitergeschickt. Ein feiner Raster (ein Ordnungssystem mit vielen detaillierten Deskriptoren) hat viele Abfragestationen, liefert ein genaues Bild der Dokumentationseinheit und ergibt somit eine hohe Indexierungsgenauigkeit. Ein grober Raster (ein Ordnungssystem mit wenigen weiten Deskriptoren) hat wenige Abfragestationen, liefert nur ein grobes Bild der Dokumentationseinheit und ermöglicht somit nur eine geringe Indexierungsgenauigkeit. Das Indexieren mit der Idee des Rasters wird bei Versuchen zum maschinellen Indexieren konsequent angewendet (siehe Thema 27.2). Ein intellektueller Indexierer dagegen hat große Teile des Ordnungssystems im Kopf, arbeitet assoziativ und geht lediglich bei der Feinarbeit durch direktes Nachschlagen und Blättern im Ordnungssystem im Sinne eines Rasters vor.

16.11 Ein Ordnungssystem als Dokumentationssprache Ein komfortables Ordnungssystem ist erheblich mehr als eine nackte Liste der zugelassenen Deskriptoren. Es hat in mancher Hinsicht Ähnlichkeit mit einem erklärenden Wörterbuch. Deshalb kann man die Auffassung vertreten, ein komfortables Ordnungssystem enthalte und definiere eine eigene Sprache, eine Dokumentationssprache (englisch: documentary language). Die Deskriptoren sind die semantischen Elemente (die Wörter) der Dokumentationssprache, die Verknüpfungsmöglichkeiten der Deskriptoren insbesondere in der Suchfrage (š, ›, ™, Klammern) sind die syntaktisch-grammatikalischen Elemente. Das Ordnungssystem erläutert und definiert die Wörter dieser Dokumentationssprache (die Deskriptoren) und die Beziehungen der Deskriptoren untereinander. Wörter, die in einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind, sind in der Dokumentationssprache Vollsynonyme. So wie ein zweisprachiges Wörterbuch die Verbindung zwischen zwei Sprachen herstellt, so stellt ein Ordnungssystem die Verbindung zwischen einer natürlichen Sprache und einer Dokumentationssprache her. Indexieren bedeutet dann, den in einer natürlichen Sprache in einer Dokumentationseinheit beschriebenen Sachverhalt in die Dokumentationssprache zu übersetzen. Dabei sollte möglichst wenig Information verloren gehen, und es sollten sich keine Übersetzungsfehler einschleichen. Ebenso wie das Indexieren ist auch das Formulieren der formalen Suchfrage ein Übersetzen in die Dokumentationssprache. Selbstverständlich muss der Übersetzer (der Indexierer und Rechercheur) sowohl die natürliche Sprache als auch die Dokumentationssprache beherrschen. Die Idee der Dokumentationssprache werden wir im Thema 20.8 (Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren) nochmals kurz aufgreifen.

164

Thema 16

So schön die Idee einer Dokumentationssprache ist, so erweckt sie große Erwartungen, die in der täglichen Dokumentationspraxis kaum rudimentär erfüllt werden können. Deshalb wollen wir bei der auch schon anspruchsvollen Bezeichnung Ordnungssystem bleiben und das Wort Dokumentationssprache nur für exzellent ausgebaute Ordnungssysteme oder bei theoretischen Betrachtungen benutzen.

16.12 Fragen F16.1

Erklären Sie jemandem, der nichts von Dokumentation versteht, was ein Ordnungssystem ist. Gehen Sie dabei von einem gut ausgebauten, komfortablen Ordnungssystem aus.

F16.2

Zählen Sie teilsynonyme Benennungen für das Wort „Ordnungssystem“ auf.

F16.3

Unterscheiden Sie indexieren, klassifizieren, verschlüsseln.

F16.4

Welche Funktionen hat ein Ordnungssystem beim Indexieren?

F16.5

Gibt es Mitteldinge zwischen Schlagwortliste und Thesaurus? Wenn ja, beschreiben Sie diese.

F16.6

Aus welchen Teilen sollte ein gut ausgebautes Ordnungssystem bestehen?

F16.7

Diskutieren Sie bei einem Ordnungssystem die Vor- und Nachteile einer systematischen Anordnung gegenüber einer alphabetischen Reihenfolge.

F16.8

Kann eine verbindliche Schlagwortliste anstatt alphabetisch auch systematisch angeordnet werden? Wenn ja, wie nennt man ein solches Verzeichnis üblicherweise?

F16.9

Kann eine Klassifikation zusätzlich zum systematischen Teil eine alphabetische Liste haben? Wenn ja, welche Vorteile bietet diese?

F16.10

Kann a) der alphabetische Teil, b) der systematische Teil eines Ordnungssystems ein File sein?

Struktur eines Ordnungssystems

165

Geben Sie bitte jeweils bei ja an, was als ein Element dieses Files zu betrachten ist und ob es sich um ein Basisfile oder ein invertiertes File handelt. Geben Sie jeweils bei nein an, was zusätzlich gegeben sein müsste, damit dieser Teil des Ordnungssystems in ein File überführt werden könnte.

F16.11

Können in einer verbindlichen Deskriptorenliste Benennungen auftreten, die gar keine Deskriptoren sind?

F16.12

Zählen Sie die Gründe auf, warum man Nicht-Deskriptoren in Ordnungssysteme aufnimmt.

F16.13

Warum wird bei Klassifikationen meist auf die Aufnahme von Nicht-Deskriptoren verzichtet?

F16.14

Woran erkennen Sie bei einem komfortablen Ordnungssystem, ob eine von Ihnen aufgeschlagene Benennung a) eine Nicht-Vorzugsbenennung, b) eine Vorzugsbenennung, c) ein Deskriptor ist?

F16.15

Warum werden manchmal nicht nur Voll- und Teilsynonyme, sondern auch verschiedene Begriffe zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst? Wann empfiehlt es sich, in eine Äquivalenzklasse nur einen Begriff aufzunehmen und wann verschiedene Begriffe?

F16.16

Welche Angaben sollten in der Definition eines Deskriptors und in der Erläuterung zu seinem Gebrauch gegeben sein?

F16.17

Ein zu erstellendes kombinatorisches Ordnungssystem soll sehr allgemein gültige und weit gefasste Äquivalenzklassen haben. Welche Begriffe sollten jedoch als spezielle Begriffe aufgenommen werden?

F16.18

Stellen Sie a) bei einer Einfachklassifikation, b) bei einem Ordnungssystem für Begriffskombination und guter terminologischer Kontrolle die Benennungen, Vorzugsbenennungen und Deskriptoren in Mengendarstellung dar.

166

Thema 16

F16.19

Kann auch ein Klassifikationssystem als Raster aufgefasst werden? Wenn ja, muss der Raster für alle Sachverhalte gleich fein sein? Wenn nein, welche Voraussetzungen für ein rasterförmiges Aufschließen fehlt bei der Klassifikation?

F16.20

Warum führt man bei einem Ordnungssystem nicht nur Verweise, sondern auch Rückverweise ein? Für welche Typen von Verweisen sind Rückverweise zwingend notwendig?

F16.21

Nennen Sie zu den folgenden Verweisen jeweils deren Umkehrung. a) siehe b) siehe auch c) Oberbegriff: d) gleichgeordneter Begriff: e) Gegenteil von

F16.22

Welche Angaben sollten in einem Ordnungssystem enthalten sein a) bei einer Benennung, die Nicht-Vorzugsbenennung ist, b) bei einer Vorzugsbenennung?

F16.23

Welche vier verschiedenen Arten von Beziehungen können in einem Ordnungssystem dargestellt werden? Geben Sie jeweils die dazugehörigen Verweispaare an.

F16.24

Die Wörter in einem Thesaurus nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination können in sich ausschließende Mengen eingeteilt werden. a) Geben Sie diese Mengen an. Zwischen welchen dieser Mengen werden b) assoziative Beziehungen, c) hierarchische Beziehungen dargestellt? d) In welchen dieser Mengen bzw. zwischen welchen Mengen wird das Problem der Synonyme gelöst?

F16.25

Welche der folgenden Aussagen sind richtig? Durch das Sichtbarmachen der hierarchischen Strukturen in einem Ordnungssystem ist x eine bessere terminologische Kontrolle möglich, x erkennbar, welche Benennungen vollsynonym sind, x erkennbar, welche Benennungen zur gleichen Äquivalenzklasse gehören, x sichtbar, welche der Bedeutungen eines Homonyms an dieser Stelle zutrifft, x erkennbar, ob in dieser Dokumentation hierarchisch recherchiert wird.

Struktur eines Ordnungssystems

167

F16.26

Sie wollen bei einem Ordnungssystem, das keinen systematischen Teil hat, prüfen, ob es polyhierarchische Beziehungen enthält. Wie gehen Sie vor?

F16.27

In einem Ordnungssystem sollen aus Gründen der Vereinfachung die hierarchischen Strukturen nur teilweise dargestellt werden. Wann ist es wichtig, die Beziehung „A ist Oberbegriff von B“ in das Ordnungssystem einzuführen?

F16.28

Zwischen welchen Äquivalenzklassen sollte man eine assoziative Beziehung einführen?

F16.29

Setzen Sie in den folgenden Teilaufgaben das richtige und speziellste mathematische Relationszeichen (=, , d, t) ein. Ist keine sichere Aussage möglich, dann lassen Sie das Fragezeichen stehen. Ihre Aussagen sollen für ein komfortables Ordnungssystem nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination gelten. a)

Anzahl der Vorzugsbenennungen

? Anzahl der Deskriptoren

b)

Anzahl der Vorzugsbenennungen

? Anzahl der Thesaurus-Wörter

c)

Anzahl der Benennungen

? Anzahl der Vorzugsbenennungen

d)

Anzahl der Deskriptoren

? Anzahl der Benennungen

e)

Anzahl der Siehe-Verweise

? Anzahl der Vorzugsbenennungen

f)

Anzahl der Thesaurus-Wörter

? Anzahl der Benennungen

g)

Anzahl der Notationen

? Anzahl der Vorzugsbenennungen

h)

Anzahl der Enthält-Verweise

? Anzahl der Benennungen

i)

Anzahl der Enthält-Verweise

? Anzahl der Nicht-Vorzugsbenennungen

j)

Anzahl der Oberbegriff-Verweise

? Anzahl der Vorzugsbenennungen

k)

Anzahl der Nicht-Vorzugsbenennungen

? Anzahl der Vorzugsbenennungen

l)

Anzahl der Eingänge

? Anzahl der Siehe-Verweise

F16.30

Ein Ordnungssystem hat 428 Deskriptoren und nur einen alphabetischen Teil. Zwischen etlichen Deskriptoren gibt es hierarchische Beziehungen, eine durchgehende Hierarchie ist aber nicht möglich. Lohnt es sich, die wenigen und vereinzelten hierarchischen Beziehungen darzustellen? Wenn ja, welche Darstellungstechnik verwenden Sie?

F16.31

a) Erläutern Sie, was eine fassettierte Erschließung ist? b) Erläutern Sie den Unterschied zwischen x fassettierter Erschließung und x Einteilung eines Fachgebiets in Teilgebiete.

168

Thema 16 c)

Ein Ordnungssystem hat x 30 Deskriptoren zu Biometrie und Statistik x 28 Deskriptoren zur Dokumentations- und Ordnungslehre x 15 Deskriptoren zur Ausbildung x 40 Deskriptoren zu Medizin und Biologie. Es gibt aber auch 12 Deskriptoren, die zu keinem dieser Gebiete gehören. Ist dieses Ordnungssystem eher ein Beispiel für fassettierte Erschließung oder eher ein Beispiel für die Einteilung eines Fachgebiets in Teilgebiete? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

F16.32

Gegeben ist folgender Auszug aus einem Ordnungssystem: Frauenzeitung Frauenzeitschrift Freihandaufstellung

o einschl. OB: einschl.

OB: UB:

Frauenzeitschrift Frauenzeitung Zeitschrift Freihandbibliothek open access Buchaufstellung Freihandbestand Freihandzone

a) Wie viele Eingänge in das Ordnungssystem sind in dem Auszug dargestellt? b) Wie viele verschiedene Deskriptoren sind in dem Ausschnitt insgesamt genannt (dabei nicht nur die Deskriptoren, die Eingänge sind, zählen)? c) Wie viele verschiedene Nicht-Vorzugsbenennungen sind in dem Ausschnitt insgesamt genannt (dabei nicht nur die Eingänge zählen)? Hinweis: Erleichtern Sie sich die Arbeit, indem Sie zuerst alle Deskriptoren rot und alle Nicht-Vorzugsbenennungen blau anstreichen. F16.33

Eine alphabetisch sortierte Deskriptorenliste mit hierarchischen Verweisen und mit Siehe- und Enthält-Verweisen wird als Ordnungssystem verwendet. Geben Sie bei den im Folgenden behaupteten Vorteilen an, ob dieser Vorteil tatsächlich zutrifft oder ob er nicht zutrifft. a) Die hierarchischen Verweise dienen der terminologischen Kontrolle. b) Es werden bei zahlreichen Homonymen weitere Erläuterungen entbehrlich. c) Es können auch polyhierarchische Strukturen dargestellt werden. d) Man kann an den Verweisen erkennen, welche Benennungen zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind. e) Es lässt sich erkennen, ob die allgemeine Indexierungsregel angewandt wird. f) Man kann mithilfe der Verweise hierarchisch recherchieren. g) Man kann unmittelbar erkennen, welche Begriffe ein Niveau bilden. h) Man kann unmittelbar erkennen, welche Begriffe eine Begriffskette bilden.

Struktur eines Ordnungssystems F16.34

169

Gegeben ist der folgende Auszug aus einem Ordnungssystem: . . . Vorschule – Kindergarten – Musikausbildung – – Einzelunterricht – – Gruppenunterricht – Sport und Tanz – sonstige Vorschulbildung Primärschule – staatliche Grundschule – freie Schulen der Primärstufe Sekundarstufe – Sonderschule – Hauptschule – Realschule – Gesamtschule – Gymnasium – freie Schulen der Sekundarstufe Tertiärstufe . . . a) Hat dieses Ordnungssystem Vorzugsbenennungen? Wenn ja, geben Sie zwei Beispiele für Vorzugsbenennungen. b) Sind z.B. „Vorschule“, „Primärschule“, „Sekundarstufe“ auch zum Indexieren zugelassene Deskriptoren? Bitte kurze Begründung. c) Kann dieser Auszug aus einem Ordnungssystem zu einer x Einfachklassifikation x Fassettenklassifikation x Begriffskombination gehören? d) Beurteilen Sie, wie gut die in diesem Ordnungssystem erreichte terminologische Kontrolle ist. (Es existieren keine weiteren Verzeichnisse oder Teile des Ordnungssystems.)

F16.35

Aus welchen Gründen kann es zweckmäßig sein, einzelne Äquivalenzklassen eines Ordnungssystems sehr weitumfassend festzulegen? Hinweis: Überlegen Sie, warum Äquivalenzklassen gebildet und warum manche eng, andere weit gefasst werden?

F16.36

Was versteht man unter einer „rasterförmigen Aufschließung von Dokumentationseinheiten“?

F16.37

Welche Funktion hat die Darstellung hierarchischer Beziehungen in einem Ordnungssystem?

Thema 17:

Erstellung eines Ordnungssystems 17.1 Vorarbeiten Bevor mit der Erstellung eines Ordnungssystems begonnen werden kann, sind einige Punkte zu klären und Entscheidungen zu treffen. Zunächst muss bekannt sein, für welches Sachgebiet das Ordnungssystem erstellt werden soll, welche Dokumentationsstelle es wofür gebrauchen will und wie der zukünftige Benutzerkreis dieser Dokumentation aussehen wird. Nach diesen Angaben ist das Sachgebiet des Ordnungssystems abzugrenzen. Weiter muss definiert werden, was als Dokumentationseinheit aufgefasst wird, die Art der Dokumentationseinheiten sollte bekannt sein und die Anzahl der insgesamt oder jährlich zu bearbeitenden Dokumentationseinheiten muss festgestellt werden; ebenso ist die Art und Anzahl der Suchfragen zu schätzen. Die Anzahl der Dokumentationseinheiten (insgesamt oder jährlicher Zuwachs), die Anzahl der Suchfragen pro Jahr und der Grad ihrer Detailliertheit müssen notfalls durch eine Vorstudie ermittelt werden. Sind diese grundsätzlichen Fragen geklärt, so ist der derzeitige Stand der dokumentarischen Erarbeitung des Sachgebietes festzustellen. Insbesondere ist zu klären, ob für dieses Sachgebiet bereits ein einschlägiges Ordnungssystem vorhanden ist und gegebenenfalls, welche Vorteile und Mängel es hat. Weiter ist zu prüfen, welche Ordnungssysteme von verwandten Sachgebieten herangezogen werden können und welche sonstigen für das Sachgebiet besonders wichtigen und ergiebigen Wörterquellen vorhanden sind. Anhand der zu erwartenden Suchfragen und der vermutlichen Ansprüche der zukünftigen Benutzer ist die erforderliche Indexierungsgenauigkeit abzuschätzen und festzulegen. Auch ist zu überlegen, wie viel terminologische Kontrolle zwingend notwendig und wie viel wünschenswert ist. Weiterhin muss für die Erarbeitung eines Ordnungssystems in etwa bekannt sein, wie die Dokumentation aussehen und arbeiten wird, welches Datenbank- und Retrievalsystem verwendet wird und welche Dokumentationsdienste (s. Thema 29: Aktive Informationsdienste) die Dokumentationsstelle anbieten will. Für die Erstellung eines Ordnungssystems ist aber auch wichtig, x

wann das Ordnungssystem fertig gestellt sein muss,

x

wie viel Personal für die Erstellung zur Verfügung steht und welche dokumentarischen Kenntnisse, fachwissenschaftlichen Kenntnisse und Informatik-Kenntnisse das Personal besitzt,

x

wie viel Sachmittel zur Verfügung stehen und wie gut das Personal damit vertraut ist,

x

welche geeigneten EDV-Programme vorliegen.

Zu den Vorarbeiten gehört außerdem die verbindliche und genaue Abgrenzung des vom Ordnungssystem bearbeiteten Sachgebiets. Bei Unklarheiten wird es zweckmäßig sein, die Abgrenzung des Fachgebiets mit Fachleuten und späteren Benutzern zu diskutieren oder vielleicht sogar eine Vorstudie zur „Marktbeurteilung“ der Teilaspekte des Sachgebiets durchzuführen.

Erstellung eines Ordnungssystems

171

Als Abschluss der Vorarbeiten sollte eine vorläufige Entscheidung darüber herbeigeführt werden, x

welches Ordnungsprinzip verwendet wird,

x

ob neben den bisher behandelten inhaltlichen Deskriptoren auch so genannte Verbindungs-, Funktions-, Zeit- und Sprachdeskriptoren in das Ordnungssystem aufgenommen werden und ob manche inhaltliche Deskriptoren gradiert (abgestuft als zutreffend) werden sollen (s. Thema 20: Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren),

x

wie viele Äquivalenzklassen etwa gebildet werden,

x

wie viele Nicht-Vorzugsbenennungen etwa in das Ordnungssystem eingebracht werden,

x

ob eine Notation eingeführt wird und gegebenenfalls, wie diese aufgebaut ist,

x

ob der Schwerpunkt des Ordnungssystems auf den systematischen oder den alphabetischen Teil gelegt wird,

x

ob und gegebenenfalls wie hierarchische Strukturen dargestellt werden,

x

welche sonstigen Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle eingebaut werden.

Diese Entscheidungen sind als Zielvorgabe aufzufassen. Ergeben sich bei der Erstellung und Erprobung des Ordnungssystems Probleme, die bei den Vorarbeiten nicht oder anders gesehen worden waren, so sind diese Entscheidungen gegebenenfalls zu revidieren. Änderungen in den Zielvorgaben sind arbeitsaufwändig und fehlerträchtig, andererseits gelingt ein ausgereiftes Ordnungssystem selten auf Anhieb. Die im Folgenden beschriebenen Arbeitsgänge sind erforderlich für ein voll ausgebautes, komfortables Ordnungssystem. Ist nur ein einfaches und weniger komfortables Ordnungssystem vorgesehen, so sind einzelne Arbeitsgänge zu verkürzen oder können ganz wegfallen. Die beschriebenen Arbeitsgänge und insbesondere ihre Reihenfolge gelten jedoch mit nur geringen Abweichungen für Ordnungssysteme aller Ordnungsprinzipien.

17.2 Wörtersammlung Nach Abschluss der Vorarbeiten kann mit einer der zeitraubendsten Arbeiten bei der Erstellung eines Ordnungssystems begonnen werden, nämlich mit dem Sammeln von Wörtern. Jeder Fachausdruck aus dem zu bearbeitenden Sachgebiet, der sich auf die eine oder andere Weise auffinden lässt, wird dabei erfasst. Dabei sind unter Fachausdruck nicht nur die speziellen Wörter des Sachgebietes gemeint, sondern mehr oder weniger alle sinntragenden und fachlich relevanten Wörter, die in einschlägigen Fachtexten vorkommen. Die Wörter werden so erfasst, wie sie gefunden werden, ohne Rücksicht darauf, dass das gleiche Wort vielleicht schon einmal oder schon mehrmals erfasst worden ist. Früher hat man die Wörter samt ihrem Auffindungsort (Quelle) auf einen einfachen Zettel geschrieben. Im Jargon sagte man, die Wörter werden verzettelt. (Nicht der Dokumentar soll sich verzetteln!) Heute wird man die Wörterquelle mit an den Computer nehmen und die aufgefundenen Wörter direkt eingeben. Dabei gibt man die Bezeichnung der Wörterquelle nur einmal ein und fügt sie dann per Programm allen im Folgenden eingegebenen Wörtern automatisch zu, solange bis die Bezeichnung einer neuen Wörterquelle eingegeben wird. Aus maschinenlesbaren Fachtexten können für ein Ordnungssystem geeignete Wörter auch mit Verfahren der Computerlinguistik gewonnen werden (s. Themen 27.5 bis 27.7).

172

Thema 17

Auch bei maschineller Erfassung der Wörter ist es zweckmäßig, Abkürzungen für die Wörterquellen einzuführen, d.h. die Wörterquellen zu signieren. Im Computer wird dann ausschließlich mit den Signaturen der Quellen gearbeitet. Die Signaturen der Wörterquellen bei der Erstellung eines Ordnungssystems sind nicht zu verwechseln mit den Signaturen der Dokumentationseinheiten der zukünftigen Dokumentation. Mögliche Wörterquellen sind: x x

x x x x x x

Fachwörterbücher, mehrsprachige Fachwörterbücher, Lexika, Begriffssammlungen, Sachwortverzeichnisse von Lehrbüchern, Jahresregister von Fachzeitschriften, Schlagwörter bei Zeitschriftenaufsätzen, Register von Bibliografien, Schlagwortkataloge von Spezialbibliotheken und dergleichen, vorhandene Ordnungssysteme, auch solche aus verwandten Sachgebieten, die Texte von Lehrbüchern, Zeitschriften, Aufsätzen, Normen und anderer Fachliteratur, Freitextsuche (s. Thema 24), Erfahrung und Intuition mehrerer Fachleute, die gefragt werden oder die ihren aktiven Fachwortschatz aufschreiben, freies (oder probeweises) Indexieren bei der Dokumentationsstelle über einen Monat oder bis zu einem Jahr, Suchfragen, Interessenprofile und Bedarfsanmeldungen zukünftiger Benutzer oder von Benutzern vergleichbarer Dokumentationen. Diese Wörterquellen sind zwar meist weniger ergiebig, aber für die Orientierung der Dokumentation an den Benutzerbedürfnissen besonders wichtig.

Treten beim Sammeln der Wörter klar erkennbare Homonyme auf, so sollte die Bedeutung, in der das Wort in der Quelle verwendet wird, durch einen Zusatz angegeben werden. Die Zusätze zu den Homonymen sollten an das Homonym angehängt (nicht vorangestellt) werden, damit beim späteren alphabetischen Sortieren die Homonyme beieinander bleiben. Die Frage, welche Wörter einschlägig sind und damit in die Wörtersammlung aufgenommen werden und bei welchen sich eine Aufnahme in die Wörtersammlung gar nicht lohnt, hängt auch davon ab, wie groß der angestrebte Anteil an Nicht-Vorzugsbenennungen im Ordnungssystem ist. Strebt man ein Ordnungssystem mit umfassender terminologischer Kontrolle und damit sehr vielen Nicht-Vorzugsbenennungen an, so sind auch die nur entfernt einschlägigen Wörter in die Wörtersammlung aufzunehmen. Soll jedoch das Ordnungssystem nur wenige oder gar keine Nicht-Vorzugsbenennungen enthalten, so lohnt es sich nicht, weniger einschlägige Wörter in die Sammlung aufzunehmen.

17.3 Zusammenfassen der Quellen Nach dem Wörtersammeln werden alle erfassten Wörter alphabetisch sortiert. Dann wird ausgezählt, wie häufig jedes Wort in jeder Quelle vorgekommen ist (auszählen der Worthäufigkeiten). Wörter, die nur ein- oder zweimal erfasst wurden, haben vielleicht einen Tippfehler und sind erforderlichenfalls zu korrigieren und neu einzusortieren. Anschließend sind die Quellen zusammenzuführen und die Datei so zu reduzieren, dass jedes Wort nur noch einmal vorkommt. Bei jedem Wort sind die Quellen und für jede Quelle die Worthäufigkeit anzugeben. Damit diese Angaben übersichtlich sind, wurden die Wörterquellen signiert.

Erstellung eines Ordnungssystems

173

Durch das Zusammenfassen der Quellen reduziert sich das Material auf etwa 1/100 bis 1/1000. Die Anzahl der jetzt vorhandenen Wörter sollte größenordnungsmäßig der für das Ordnungssystem angestrebten Anzahl von Benennungen entsprechen. Daraus folgt, dass der ursprüngliche Umfang der Wörtersammlung etwa 102 bis 103 mal so groß sein sollte wie die angestrebte Anzahl der Eingänge im alphabetischen Teil des Ordnungssystems.

17.4 Bildung von Äquivalenzklassen Mit den vorhandenen Wörtern können durch Zusammenführen synonymer, quasisynonymer oder teilsynonymer Benennungen nun Begriffe bzw. Äquivalenzklassen gebildet werden. Da die erforderliche Anzahl von Äquivalenzklassen sehr stark vom Ordnungsprinzip abhängt, muss spätestens bei diesem Arbeitsgang das Ordnungsprinzip endgültig festgelegt werden. Bei nicht-kombinatorischen Ordnungsprinzipien ist darauf zu achten, dass die Äquivalenzklassen genügend spezifisch sind; bei kombinatorischen Ordnungsprinzipien, dass sie sich vielseitig mit anderen Äquivalenzklassen kombinieren lassen, um so einen hohen Kombinationsfaktor zu erreichen. Für die praktische Arbeit bei der Bildung von Äquivalenzklassen kann es zweckmäßig sein, die Benennungen, d.h. die beschriebene Wörterdatei, mit 1 bis 2 Leerzeilen zwischen den Wörtern auszudrucken und so zu schneiden, dass jedes Wort auf einem separaten Zettel steht, d.h. die Wörter zu verzetteln. Zuerst bildet man grobe Äquivalenzklassen (wenige große Zettelhaufen), die dann nach und nach verfeinert werden (viele kleine Zettelhaufen). Das Bilden der Zettelhäufchen und damit der Äquivalenzklassen ist ein iterativer Prozess, bei dem Alleinarbeit und ein abgeschlossenes Zimmer mit vielen Ablagemöglichkeiten von großem Vorteil sind. Das Bilden der Äquivalenzklassen ist ein schöpferischer Vorgang, der sich kaum schematisieren oder durch EDV-Programme unterstützen lässt. Das Ergebnis dieses Arbeitsganges sind dann sozusagen die Zettelhäufchen. Als Entscheidungshilfe, wie weit die Feingliederung im Einzelfall getrieben werden soll, d.h. ob eine Äquivalenzklasse noch einmal aufgeteilt werden soll oder nicht, kann herangezogen werden, wie häufig diese Äquivalenzklasse voraussichtlich pro Jahr indexiert werden wird. Wird dieser Erwartungswert erheblich kleiner als die Erwartungswerte für die anderen Äquivalenzklassen, so ist der Detailliertheitsgrad wohl bereits zu weit gediehen. Während der Arbeit ist die Anzahl der aktuell vorhandenen Äquivalenzklassen auszuzählen bzw. fortzuschreiben. Im Vergleich mit der vorgegebenen Anzahl von Äquivalenzklassen ist ebenfalls zu erkennen, wieweit die Feingliederung bereits gediehen ist.

17.5 Festlegen der Vorzugsbenennungen Die Äquivalenzklassen eines Ordnungssystems werden durch ihre Vorzugsbenennungen vertreten. Für jede gebildete Äquivalenzklasse ist nun eine Vorzugsbenennung festzulegen. Vor Beginn der eigentlichen Arbeit sind, um eine Einheitlichkeit zu erreichen, einige grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, z.B. ob die wissenschaftlichen oder die volkstümlichen Ausdrücke benützt werden (z.B. Appendizitis oder Blinddarmentzündung), welche Schreib-

174

Thema 17

weisen gewählt werden (z.B. Fotografie oder Photographie), ob bevorzugt die Einzahl oder Mehrzahl verwendet wird usw. Wie entschieden wird, hängt vor allem von den Benutzern der Dokumentation ab (s. Thema 6.8b: Allgemeine Benennungsregeln). Eine Vorzugsbenennung sollte möglichst kurz und gut zu merken sein. Sofern die Verständlichkeit nicht leidet, können auch Abkürzungen, Akronyme, Symbolzeichen (auf den Zeichensatz der Software und der Druckertreiber achten) oder dergleichen verwendet werden. Umgekehrt kann eine Vorzugsbenennung notfalls auch aus zwei oder mehreren Wörtern bestehen. Die Auswahl der Vorzugsbenennungen aus den Benennungen erfolgt nach den Eigenschaften: x

eindeutig: Alle Benutzer des Ordnungssystems müssen unter der Vorzugsbenennung die gleiche Äquivalenzklasse verstehen. Verwechslungen sollten ausgeschlossen sein. Die Vorzugsbenennung soll in ihrer Aussagekraft und ihrem Informationsgehalt möglichst kontextfrei sein (kein Homonym).

x

gebräuchlich: Vorzugsbenennungen sollen dem überwiegenden Sprachgebrauch des jeweiligen Sachgebietes entsprechen, d.h. sie sollen in Fachtexten, insbesondere in wichtigen Quellen häufig vorkommen. Das Erfassen der Wörterquellen und das Auszählen der Worthäufigkeiten erfolgt als Entscheidungshilfe, welche Benennungen zur Vorzugsbenennung erhoben werden. Allerdings ist die Verbreitung einer Vorzugsbenennung im passiven Wortschatz wichtiger als ihre Verbreitung im aktiven Wortschatz.

x

genau und präzise: Die Vorzugsbenennung soll eine möglichst genaue Beschreibung der gesamten Äquivalenzklasse sein. Alle Benutzer des Ordnungssystems sollten unter einer Vorzugsbenennung einen in möglichst allen Einzelheiten gleichen Begriff bilden.

x

prägnant: Vorzugsbenennungen sollten kurz, leicht verständlich und gut merkbar sein.

In der Praxis werden sich diese Anforderungen häufig widersprechen. So ist z.B. die Benennung „Auto“ sehr viel häufiger als die Benennung „Pkw“, jedoch ist Pkw eine sehr viel präzisere Benennung. Da Pkw im passiven Wortschatz noch recht gut verbreitet ist und außerdem eindeutig und prägnant ist, scheint es zweckmäßig, die Benennung Pkw der Benennung Auto vorzuziehen. Das Festlegen von Vorzugsbenennungen ist eine intellektuelle Arbeit, die kaum durch EDV-Programme unterstützt werden kann, da die Beurteilung der Benennungen nach den genannten Kriterien und das Abwägen der Kriterien eine schwierige, wenig formalisierbare Tätigkeit ist. In der praktischen Arbeit der Herstellung eines Ordnungssystems bedeutet die Festlegung der Vorzugsbenennungen, dass jeder einzelne Zettelhaufen, der eine Äquivalenzklasse darstellt, durchgegangen werden muss und dann ein Zettel, nämlich die Vorzugsbenennung, obenauf zu legen ist. Dann wird – Äquivalenzklasse für Äquivalenzklasse – die Vorzugsbenennung und anschließend die ihr zugeordneten Nicht-Vorzugsbenennungen in den Computer eingegeben. Dabei werden vom Programm die Siehe- und Enthält-Verweispaare eingesetzt. Nach der Einführung der Siehe- und Enthält-Verweise können die Zettel aller Nicht-Vorzugsbenennungen beiseite gelegt werden, da bei den nächsten Arbeitsgängen nur noch mit den Vorzugsbenennungen gearbeitet wird. Dies bedeutet eine zweite hochwillkommene Verringerung des Wortmaterials.

Erstellung eines Ordnungssystems

175

17.6 Systematisches Anordnen Zum Darstellen monohierarchischer Strukturen werden am besten die Zettel der Vorzugsbenennungen nach und nach in Wurzeldarstellung gelegt. Dies ist auch dann zweckmäßig, wenn das Ordnungssystem keinen systematischen Teil erhalten soll und lediglich die hierarchischen Verweise für den alphabetischen Teil gefunden werden sollen. Wird die hierarchische Struktur der in Wurzeldarstellung liegenden Zettel akzeptiert, dann ist sie  falls der systematische Teil des fertigen Ordnungssystems keine Wurzeldarstellung haben wird  in die gewünschte andere Darstellungsform (z.B. in Einrückungen oder in hierarchische Verweise) zu übertragen. Wird die Hierarchie durch Verweise dargestellt, so ist wie bei allen Verweistypen der Grundsatz der doppelten Buchführung zu beachten, d.h. Vor- und Rückverweis sind stets miteinander in einem Arbeitsschritt anzubringen. Am besten geschieht dies dadurch, dass der Vorverweis eingegeben und der zugehörige Rückverweis vom Programm hinzugefügt wird. Ist die Anzahl der Äquivalenzklassen für eine Wurzeldarstellung zu groß, so ist in Etappen vorzugehen. Zunächst wird man nur die etwa drei bis vier obersten hierarchischen Niveaus mit den Zetteln auslegen, dann in den beiden obersten Niveaus die Einrückungen oder Verweise einführen, nun die Zettel des obersten Niveaus wegnehmen und dafür das nächst niedrigere Niveau anlegen. Diese Vorgehensweise ist solange zu wiederholen, bis alle Vorzugsbenennungen eingebaut sind. Haben die hierarchisch tiefer liegenden Niveaus sehr viele Begriffe, so muss nicht streng nach Niveaus vorgegangen werden, sondern es kann ein Teilgebiet nach dem anderen bearbeitet werden. Beim Einordnen eines Begriffs sollten aber die Nachbarbegriffe mit im Auge behalten werden. Bei stark polyhierarchischen Strukturen sollte man keine Wurzeldarstellung der Zettel versuchen, vielmehr muss dann Vorzugsbenennung für Vorzugsbenennung durchgegangen und die hierarchischen Verweise angebracht werden. Da diese Vorgehensweise kaum einen Überblick bietet, können schon kleine Nachlässigkeiten im Grundsatz der doppelten Buchführung die Konsistenz des Ordnungssystems zunichte machen. Werden die Deskriptoren eines Ordnungssystems nicht durchgehend hierarchisch strukturiert, sondern nur da und dort einzelne hierarchische Beziehungen dargestellt (partielle Hierarchie), so lohnt sich dafür das Verzetteln nicht. Vermutlich reicht es aus, die darzustellenden hierarchischen Beziehungen als Verweise einzugeben. Soll ein Ordnungssystem eine nicht-hierarchische systematische Anordnung, z.B. ein Beziehungsdisplay, erhalten, so ist sinngemäß wie bei der hierarchischen Anordnung zu verfahren. Das Auslegen der Zettel der Vorzugsbenennungen ist praktisch bei allen Arten des systematischen Anordnens nützlich, da systematische Ordnungen nie auf Anhieb perfekt sind. Bei vielen Zetteln wird man wie beim hierarchischen Anordnen zunächst Teilmengen bilden, dann jede Teilmenge für sich ordnen und die Beziehungen zwischen den Teilmengen zumindest vorläufig mit Verweispaaren festhalten. Das Hin- und Herschieben der Zettel und das vor Augen haben des derzeitigen Standes der Systematik stimuliert sowohl Fachwissenschaftler als auch Dokumentare. Liegt die fertige systematische Ordnung dann in Form der ausgelegten Zettel vor, so ist sie in die Form zu übertragen, die der systematische Teil im fertigen Ordnungssystem haben soll.

176

Thema 17

Das systematische Ordnen ist eine intellektuelle und schöpferische Arbeit, die fundierte und umfassende Sachkenntnisse und außerdem viel Geschick und auch Entscheidungsfreude erfordert. Da viele Punkte korreliert sind und miteinander abgestimmt werden müssen, sollte eine systematische Anordnung von nur einer oder höchstens wenigen Personen durchgeführt werden. Müssen aus „politischen“ oder anderen Gründen viele Personen und Institutionen an der Erstellung einer Systematik mitarbeiten, so ist es trotzdem zweckmäßig, wenn nur eine Person oder eine sehr kleine Arbeitsgruppe diese Ordnung erstellt, sie dann den anderen Personen und Institutionen zur Diskussion vorlegt, deren Anregungen und Vorschläge einarbeitet und schließlich die systematische Anordnung von allen oder mehrheitlich akzeptiert wird.

17.7 Einbringen von Erläuterungen und assoziativen Beziehungen Erst wenn die systematische Anordnung festliegt, ist mit dem Einarbeiten der assoziativen Verweise zu beginnen. Falls bei der hierarchischen Strukturierung schon Hinweise auf assoziative Beziehungen entstanden, sind diese vorläufig auf Nebenzetteln zu sammeln und nicht sofort einzubringen, da sich die hierarchische Struktur und damit verbunden auch die assoziativen Beziehungen noch im Verlauf des weiteren systematischen Ordnens verändern können. Auch Erläuterungen sind erst nach dem systematischen Anordnen und erst nach den assoziativen Verweisen einzuführen, da manche Erläuterungen durch die systematische Anordnung, die dargestellte hierarchische Struktur oder die assoziativen Verweise überflüssig werden. Beim Einführen assoziativer Verweise, von Gegensatzbeziehungen und bei Erläuterungen, die andere Äquivalenzklassen berühren, ist wiederum streng im Sinne der doppelten Buchführung vorzugehen.

17.8 Einführen der Notation Soll ein Ordnungssystem eine Notation erhalten, so ist die Notation baldmöglichst einzuführen, da eine Notation nicht nur die Arbeit in der Dokumentationsstelle, sondern auch schon die folgenden Arbeitsgänge beim Erstellen des Ordnungssystems erleichtern kann. Andererseits kann eine Notation, da sie ja eine Abkürzung für einen Deskriptor ist, erst eingeführt werden, wenn die Deskriptoren definiert sind. Folglich ist die Notation einzuführen, sobald alle Vorzugsbenennungen festliegen. Allerdings ist das nur möglich, wenn die Notation nicht auf die hierarchisch-systematische Position der Deskriptoren Rücksicht nimmt. Sollen die hierarchisch-systematischen Strukturen und die Position des einzelnen Deskriptors in der Systematik durch die Notation ausgedrückt werden, kann die Notation erst eingeführt werden, wenn die systematische Anordnung der Deskriptoren fertig gestellt ist. Ist die Notation nur enumerativ, d.h. die Deskriptoren werden einfach durchgezählt, so kann die Notation bei oder nach der Eingabe der Deskriptoren (also der Vorzugsbenennungen) vom Programm vergeben werden. Bei hierarchischer Notation ist es zweckmäßig, die hierarchische Struktur der Deskriptoren den EDV-Programmen durch Eingabe der Notation darzulegen. Enthält die Notation keine Hinweise zur Systematik und wird sie nicht als fortlaufende Nummerierung vom Programm vergeben, so kann sie bei der Eingabe der Vorzugsbenennungen der Äquivalenzklassen gleich mit eingegeben werden, um die Deskriptoren als solche zu kennzeichnen.

Erstellung eines Ordnungssystems

177

17.9 Erstellen des systematischen und alphabetischen Teils Der systematische Teil des Ordnungssystems kann, nachdem nun die Notation, die assoziativen Beziehungen und die Erläuterungen zu den Äquivalenzklassen eingeführt sind, erstellt werden. Wird die Systematik durch Einrückungen, Notation oder Verweise dargestellt, so kann auch der systematische Teil maschinell erstellt werden, andernfalls muss das Layout des systematischen Teils intellektuell gestaltet und mit Text- und/oder Grafiksystemen erstellt werden. Erhält das Ordnungssystem keinen systematischen Teil, wurde jedoch eine systematische Anordnung zur Vorbereitung der hierarchischen Verweise im alphabetischen Teil erstellt, so sollte diese systematische Anordnung zu Kontrollzwecken, zur Revision und zur Weiterentwicklung des Ordnungssystems erhalten bleiben. Auch der alphabetische Teil des Ordnungssystems kann nun, nachdem alle Zusammenhänge zwischen Benennungen, Äquivalenzklassen und Deskriptoren festgelegt und dargestellt sind, erstellt werden. Dazu werden Vorzugsbenennungen und Deskriptoren mit den NichtVorzugsbenennungen samt den jeweils hinzugefügten Verweisen vereinigt und alphabetisch sortiert. Bei der Sortierung werden die Verweise lediglich mitgenommen, sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Sortierung. Wegen der jetzt wieder großen Anzahl von Wörtern ist ein maschinelles Sortieren und Ausdrucken selbstverständlich. Ist das Ordnungssystem so weit fertig gestellt, so sollten die bei der Entstehung entstandenen Dateien nicht gelöscht, sondern aufbewahrt werden. Diese Vor- und Zwischenstufen des Ordnungssystems können für die Verbesserung, Revision und Weiterentwicklung sehr nützlich sein. Außerdem kann es nützlich sein, den systematischen Teil in Zettelform zu erhalten. Eine Revision und Weiterentwicklung des Ordnungssystems ist viel einfacher, wenn das eine Exemplar in Zettelform benützt werden kann.

17.10 Erprobung Mit der Erstellung des alphabetischen und systematischen Teils ist die Erstellung des Ordnungssystems keinesfalls abgeschlossen. Es ist außerordentlich wichtig, ein neu erstelltes Ordnungssystem sorgfältig und umfassend zu erproben, bevor es dem Einsatz in einer Dokumentation zugeführt wird. Die Erprobung erfolgt zunächst, indem Dokumentationseinheiten indexiert werden und der Ersteller des Ordnungssystems prüft, wie zwanglos sich die Dokumentationseinheiten mit dem Ordnungssystem indexieren lassen. Weiter ist zu erproben, ob sich die von Benutzern oder potenziellen Benutzern herangetragenen Suchfragen ebenfalls zwanglos in formale Suchfragen überführen lassen. Die Erprobung sollte jedoch nicht nur durch den Hersteller erfolgen, sondern es sollten in einer späteren Erprobungsphase auch Dokumentare, die an der Herstellung unbeteiligt waren, mit dem Ordnungssystem probeweise arbeiten. Entsprechend den Ergebnissen der Erprobung erfolgt ein mehr oder weniger weiter Rücksprung in die Arbeitsgänge der Erstellung. Im Extremfall kann es notwendig sein, noch einmal mit den Vorarbeiten zu beginnen, vielleicht deshalb, weil die Dokumentationseinheiten tatsächlich anders aussehen als zunächst erwartet worden war. Die Erprobung kann auch ergeben, dass die Wörtersammlung nicht umfangreich genug war, z.B. weil wichtige Wörterquellen nicht berücksichtigt wurden. Muss wieder bei der Wörtersammlung begonnen werden, so sind alle folgenden Arbeitsgänge erneut zu durchlaufen. Möglicherweise ergibt die Erprobung, dass lediglich die Bildung der Äquivalenzklassen unzweckmäßig war. Dann

178

Thema 17

müssen die Äquivalenzklassen neu definiert und die darauf folgenden Arbeitsgänge noch einmal durchlaufen werden. Die Erprobung kann auch ergeben, dass lediglich die Wahl der Vorzugsbenennungen oder die systematische Ordnung verbesserungsbedürftig sind. Wichtig ist, dass nach einem Rücksprung zu einem der genannten Arbeitsgänge alle folgenden Arbeitsgänge, einschließlich einer erneuten Erprobung, ebenfalls durchlaufen werden müssen. Die Erstellung eines Ordnungssystems ist also ein iterativer Prozess, der je nach der Güte der erbrachten Arbeit einerseits und den gesetzten Qualitätsanforderungen andererseits mehr oder weniger häufig durchlaufen wird. Letztendlich wird sich jedoch die Güte eines Ordnungssystems erst in langjährigem Routineeinsatz der praktischen Dokumentation zeigen und wenn die Güte der mit diesem Ordnungssystem erstellten Dokumentation ermittelt wird (s. Thema 21: Relevanz- und Vollzähligkeitsrate).

17.11 Formulieren des Textteils Ist die Erprobung des Ordnungssystems schließlich zufrieden stellend verlaufen, so ist noch der Textteil zu formulieren. Der Inhalt des Textteils ist bereits im Thema 16.8 beschrieben. Der Textteil ist ein wichtiger Bestandteil des Ordnungssystems. Er sollte, obwohl er der letzte Arbeitsgang bei der Erstellung des Ordnungssystems ist, auch dann, wenn bereits ein zeitlicher Verzug eingetreten sein sollte, sorgfältig, gewissenhaft, detailliert und vollständig ausgearbeitet werden.

17.12

Erforderlicher Arbeitsaufwand

Der für die Erstellung eines Ordnungssystems erforderliche Arbeitsaufwand ist schwer abschätzbar und vorherzusagen. Er hängt von außerordentlich vielen Einflussgrößen ab. Einige dieser Einflussgrößen sind: x das verwendete Ordnungsprinzip, x der Umfang des Ordnungssystems (Anzahl der Benennungen, Anzahl der Äquivalenzklassen), x die Schwierigkeit der Systematik des bearbeiteten Sachgebietes, x das angestrebte Maß an terminologischer Kontrolle, x die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (Computer, Software, Vertrautheit des Personals mit der Software), x die Sachkenntnisse des Erstellers, x die dokumentarisch-organisatorischen Erfahrungen des Erstellers, x das erforderliche Maß an Abstimmung mit anderen Fachleuten, Benutzern, Institutionen usw., x der dokumentarische Stand des Sachgebietes vor der Erstellung des Ordnungssystems. Die praktische Erfahrung zeigt, dass der erforderliche Arbeitsaufwand und damit der erforderliche Zeitaufwand für die Erstellung eines komfortablen Ordnungssystems meist unterschätzt wird. Die Neuerstellung eines komfortablen Ordnungssystems für eine mittelgroße Dokumentation kann ein bis mehrere Personenjahre erfordern. Jedoch sind sehr detaillierte und ausgefeilte Ordnungssysteme heute nicht mehr so wichtig, weil eine Dokumentation mit gebundenem Indexieren zunehmend nur noch zum Vorselektieren verwendet wird und die anschließende Feinrecherche mit Freitextsuche (s. Thema 24) erfolgt. Ein einfaches Ord-

Erstellung eines Ordnungssystems

179

nungssystem zur Vorselektion kann ein erfahrener Dokumentar in einem Monat oder in wenigen Monaten erstellen. Ein engagierter Dokumentar sollte nicht vor der Erstellung eines neuen Ordnungssystems zurückschrecken. Der Gebrauch eines ungeeigneten, veralteten, wenig komfortablen Ordnungssystems kann nicht nur unbefriedigend sein, sondern auch mehr Arbeitszeit kosten als die Erstellung und der Gebrauch eines neuen, maßgeschneiderten und leistungsfähigen Ordnungssystems.

17.13 Gebrauch, Fortschreibung und Verbesserung Es liegt nun ein voll ausgebautes und erprobtes Ordnungssystem vor, das sich noch im täglichen Gebrauch bewähren muss. Durch die wissenschaftlich-technische Entwicklung, durch das Entstehen neuer Interessenschwerpunkte und durch die Tatsache, dass sich ein ideales Ordnungssystem mit vollständiger terminologischer Kontrolle nur als Zielvorstellung anstreben, aber niemals vollständig erreichen lässt, wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass eine Revision des Ordnungssystems notwendig oder wünschenswert ist. Die Revision eines Ordnungssystems bedeutet bis zu einem gewissen Grade einen Rücksprung in den Vorgang der Erstellung, etwa so wie nach der Erprobungsphase. Die Besonderheiten der Revision eines Ordnungssystems werden als Thema 32 behandelt.

17.14 Fragen F17.1 Zählen Sie die wichtigsten Punkte auf, die bei der Planung für die Erstellung eines Ordnungssystems zu berücksichtigen sind.

F17.2 Sie haben die Aufgabe, ein Ordnungssystem zu erstellen, benutzen dazu einen Computer und sind beim Wörtersammeln. Dabei stoßen Sie auf einen Fachausdruck, von dem Sie sicher sind, ihn bereits einmal oder vielleicht sogar schon mehrmals erfasst zu haben. Zählen Sie die Gründe auf, die a) für eine erneute Aufnahme, b) gegen eine erneute Aufnahme sprechen, und berücksichtigen Sie dabei den erforderlichen Arbeitsaufwand. Wägen Sie ab und entscheiden Sie, ob der Fachausdruck erneut erfasst werden soll.

F17.3 Warum erfassen Sie beim Sammeln der Wörter für ein Ordnungssystem die Quellen der Wörter?

F17.4 Wozu wird bei der Erstellung eines komfortablen Ordnungssystems die Angabe der Worthäufigkeit (also wie oft eine Benennung in welcher Quelle gefunden wurde) verwendet?

F17.5 Nach welchen Kriterien fassen Sie Ausdrücke zu einer Äquivalenzklasse zusammen?

180

Thema 17

F17.6 a) Zählen Sie die Gesichtspunkte auf, die Sie beim Festlegen einer Vorzugsbenennung berücksichtigen. b) Beantworten Sie zusätzlich noch die folgenden Fragen: x

Welche Vorzugsbenennungen eines Ordnungssystems setzen Sie in die Einzahl, welche in die Mehrzahl?

x

Benutzen Sie die in Ihrem Sachgebiet gängigen Abkürzungen, z.B. in der Medizin ALT, AST, Hb, HK, ACTH als Vorzugsbenennungen?

x

Nehmen Sie auch fremdsprachige Fachausdrücke, die sich nur unbefriedigend ins Deutsche übersetzen lassen, als Vorzugsbenennungen?

x

Wo verwenden Sie die volkstümlich-deutschen Ausdrücke und wo die lateinisch-, griechisch-wissenschaftlichen Ausdrücke innerhalb eines Ordnungssystems als Vorzugsbenennung?

c) Welche der im Folgenden aufgezählten Nachteile treten auf, wenn Sie ungeeignete Benennungen zur Vorzugsbenennung erheben? x

Der Gebrauch des Ordnungssystems wird erschwert,

x

das Ordnungssystem enthält formale Fehler,

x

das Ordnungssystem wird nicht erweiterungsfähig,

x

das Ordnungssystem wird unbrauchbar.

F17.7 Ein Reisebüro hat etwa 5000 verschiedene Reiseprospekte, die alphabetisch nach dem Ferienort oder Feriengebiet abgelegt sind. Das Reisebüro möchte diese Sammlung dokumentarisch erschließen und benötigt dazu ein Klassifikationssystem, bei dem überlagert werden kann. a) Wie viele Klassen sollte es etwa umfassen? b) Welche Teile sollte dieses Ordnungssystem Ihrer Meinung nach haben? c) Zählen Sie die Arbeitsgänge auf, die für die Erstellung des Klassifikationssystems erforderlich sind. d) Das Ordnungssystem soll von einem Reisebüro-Kaufmann und einem Dokumentar gemeinsam erstellt werden. Wie viele Monate wird nach Ihrer Planung diese Arbeitsgruppe für die Erstellung des Ordnungssystems einschließlich Probelauf benötigen?

Thema 18:

Beispielthesaurus Gebäude 18.1 Aufgabe des Beispielthesaurus Zur Erläuterung des Stoffes über Ordnungssysteme wird nun ein Beispiel für einen voll ausgebauten Thesaurus, also für ein komfortables Ordnungssystem nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination, gegeben. Selbstverständlich sprengt ein tatsächlicher Thesaurus in Umfang, Arbeitsaufwand und Sachverständnis den Rahmen eines Lehrbuches völlig. Der vorgestellte Thesaurus könnte das Ergebnis einer studentischen Übungsarbeit sein. Er ist nicht als ein „Muster-Thesaurus“ ohne jeden Fehler und ohne jeden Tadel anzusehen, vielmehr soll er der Anschauung und Diskussion dienen. Eine Beurteilung der Güte dieses Thesaurus ist schon allein deshalb schwierig, da weder die zu indexierenden Dokumentationseinheiten, noch die Benutzer der Dokumentation, noch die Art der Suchfragen bekannt sind, die diese nicht beschriebenen Benutzer stellen würden. Ebenso existieren keine Vorgaben zur Indexierungsgenauigkeit. Der Umfang des Thesaurus wurde so gewählt, dass er einerseits einen im Buch noch zu vertretenden Platz einnimmt, andererseits ein Ordnungssystem für den tatsächlichen Gebrauch schon erkennen lässt. Das Thema Gebäude wurde gewählt, weil Gebäude anschaulich und in ausreichendem Maße allgemein bekannt sind. Der Schwerpunkt des Thesaurus liegt im alphabetischen Teil, ein systematischer Teil ist nicht vorhanden. Der alphabetische Teil ist jedoch so gut ausgebaut, dass ein Indexieren und Recherchieren mit dem alphabetischen Teil möglich sein müsste. Die Größe des Ordnungssystems rechtfertigt diese Entscheidung nicht, gerade bei einer so überschaubaren Anzahl von Deskriptoren ist meist ein Schwerpunkt im systematischen Teil zweckmäßiger. Die Entscheidung, auf den systematischen Teil ganz zu verzichten und dafür den alphabetischen Teil voll auszubauen, wurde getroffen, da der Thesaurus beispielhaft zeigen soll, wie ein eher großes, praktisch nicht mehr systematisch anzuordnendes Ordnungssystem aussehen kann. Der Thesaurus setzt einen Deskriptorenspeicher voraus, bei dem mehrere š-verknüpfte Deskriptoren abgefragt werden können. Als Textteil des Beispielthesaurus sind die Abschnitte 18.1 bis 18.6 anzusehen. Der Abschnitt 18.7 ist der alphabetische Teil des Thesaurus, gewissermaßen also das eigentliche Ordnungssystem.

18.2 Abgrenzung des bearbeiteten Sachgebietes Der Beispielthesaurus Gebäude behandelt Gebäude im Sinne des Hochbaus. Bauten des Tiefbaus, Brückenbaus, der Verkehrswege usw. sind nicht enthalten. Vorgesehen ist die Beschreibung ganzer Gebäude, Deskriptoren für Gebäudeteile stehen nicht zur Verfügung. Auch stehen keine Deskriptoren für die Baukonstruktion und das Baumaterial, also z.B. Ziegelbau, Stahlbetonbau, Stahlbau usw. zur Verfügung. Lediglich die Begriffe Holzhaus und Fertighaus wurden aus dem Grenzgebiet zwischen Baubeschreibung und Baukonstruktion aufgenommen. Weiterhin enthält der Thesaurus keine Deskriptoren zur Angabe des Bauzustandes wie z.B. Neubau, Altbau, sanierungsbedürftig, baufällig. Es steht jedoch ein Deskrip-

182

Thema 18

tor zur Kennzeichnung historischer Gebäude zur Verfügung. Das Ordnungssystem umfasst außerdem keine raumplanerischen Gesichtspunkte und enthält somit keine Deskriptoren wie Dorf, Vorstadt, Altstadtkern usw. Die Gebäude wurden im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt des Verwendungszweckes beschrieben, aber auch der Verwendungszweck ist nur grob gekennzeichnet und nur soweit äußerlich baulich relevant. Deshalb wurde z.B. das dörfliche, gemeindeeigene Backhaus als Vorzugsbenennung gewählt; die Äquivalenzklasse mit der Vorzugsbenennung Backhaus enthält auch die Bäckereien. Dies erscheint gerechtfertigt, da der Schwerpunkt des Ordnungssystems im Gebäudeaspekt und nicht im handwerklichen oder kommerziellen Aspekt liegt. Ebenso wurden alle Kraftwerke unterschiedlichster Technologie zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst, da einerseits Kraftwerke nicht so häufig sind und andererseits der Schwerpunkt des Ordnungssystems nicht im technischen Bereich, sondern bei den Gebäuden im Sinne des Hochbaus liegt. Dagegen enthält das Ordnungssystem Deskriptoren für Kräne, elektrische Freileitungen, Funk- und Fernmeldetürme usw. Der Beispielthesaurus Gebäude will somit alle künstlich errichteten und über die Erdoberfläche hinausragenden Bauwerke des Hochbaus erfassen. Dabei werden die Gebäude nach ihrem Verwendungszweck, soweit er äußerlich sichtbar ist, eingeteilt.

18.3 Darstellung hierarchischer Strukturen Hierarchische Beziehungen zwischen Äquivalenzklassen sind durch hierarchische Verweise angegeben. Die erfasste Hierarchie ist partiell, an vielen Stellen ist sie polyhierarchisch. Zur Erläuterung, was unter einer partiellen, einer unvollständigen Hierarchie zu verstehen ist, ist in Abb. 18.1 ein Ausschnitt aus dem Beispielthesaurus Gebäude als Beziehungsdisplay dargestellt. Aus der Abbildung geht hervor, dass die Begriffsketten an vielen Stellen unterbrochen sind. Auch haben gleichgeordnete Begriffe nicht immer einen gemeinsamen Oberbegriff, z.B. sind Bungalow und Hanghaus gleichgeordnet, haben jedoch keinen gemeinsamen Oberbegriff. Umgekehrt können zwischen zwei Begriffen, die einen gemeinsamen Oberbegriff haben, nur assoziative Beziehungen bestehen, im Beziehungsdisplay ist dazu jedoch kein Beispiel enthalten. Schließlich laufen manche GB-Relationen nur ein Stück weit. So z.B. bestehen GBBeziehungen zwischen Einzelhaus und Doppelhaus, Einzelhaus und Reihenhaus, Doppelhaus und Reihenhaus, Doppelhaus und Wohnblock und zwischen Reihenhaus und Wohnblock. Eine GB-Beziehung zwischen Einzelhaus und Wohnblock erschien jedoch nicht notwendig.

18.4 Verweistypen und ihre Abkürzungen Der Beispielthesaurus enthält alle Wort- und Verweistypen, wie sie in den Themen 16.5 und 16.6 beschrieben sind. Bei Eingängen im alphabetischen Teil sind Vorzugsbenennungen (Deskriptoren) fett, Nicht-Vorzugsbenennungen mager gesetzt. Für die Verweistypen werden folgende Abkürzungen verwendet:

Beispielthesaurus Gebäude

183

s.

bedeutet Siehe-Verweis und zeigt von einer Nicht-Vorzugsbenennung zur zugehörigen Vorzugsbenennung einer Äquivalenzklasse.

ehä

bedeutet Enthält-Verweis und zeigt von der Vorzugsbenennung einer Äquivalenzklasse zu einer Nicht-Vorzugsbenennung. Das Äquivalenz-Verweispaar lautet somit s.  ehä

sa:

OB:

bedeutet siehe auch, d.h. es wird ein assoziativer Hinweis auf einen thematisch verwandten Deskriptor gegeben. Die assoziativen Verweise verweisen nur zwischen Vorzugsbenennungen. Das assoziative Verweispaar lautet sa: sa:  bedeutet, nach dem Verweis folgt der zugehörige Oberbegriff.

GB:

bedeutet, nach dem Verweis folgt ein gleichgeordneter Begriff.

UB:

bedeutet, nach dem Verweis folgt ein Unterbegriff. Die hierarchischen Verweise verweisen nur zwischen Vorzugsbenennungen. Die hierarchischen Verweispaare sind: OB:  UB: GB:  GB:

Der Grundsatz der doppelten Buchführung ist bei den Verweisen konsequent eingehalten, auch dann, wenn der Beitrag des Rückverweises zur terminologischen Kontrolle eher gering erschien. Erläuterungen zu einzelnen Ausdrücken sind in Klammern angegeben. Beispiel: Verbindungshaus (Haus eines studentischen Korps).

18.5 Größe Der Beispielthesaurus Gebäude hat insgesamt 291 Eingänge, davon sind 138 Deskriptoren (Äquivalenzklassen) und 153 Eingänge sind Nicht-Vorzugsbenennungen. Die Anzahl der mit diesem Ordnungssystem beschreibbaren verschiedenen Sachverhalte ist nicht bekannt, da das Ordnungssystem nicht in der Praxis angewendet wird. Somit kann auch der Kombinationsfaktor nicht angegeben werden. Der Beispielthesaurus enthält 163 Siehe-enthält-Verweispaare, das sind etwas mehr als die Anzahl der Nicht-Vorzugsbenennungen, da homonyme Nicht-Vorzugsbenennungen mehrere Siehe-Verweise haben. Die Anzahl der OB:-UB:-Verweispaare beträgt 60, die Anzahl der GB:-GB:-Verweispaare 92, hinzu kommen 56 assoziative Verweispaare.

18.6 Erstellung und Weiterentwicklung Zur Wörtersammlung des Beispielthesaurus Gebäude wurden keine Wörterquellen herangezogen, sondern lediglich die dem Ersteller spontan eingefallenen Wörter. Dies schien gerechtfertigt, da ja nur ein Beispiel und kein vollständiges Ordnungssystem erstellt werden sollte. Bei der Erstellung wurde ein Textverarbeitungssystem verwendet. Erforderlich war etwa eine Arbeitswoche. Das Ordnungssystem wurde praktisch nicht erprobt, eine Weiterentwicklung ist nicht vorgesehen. Trotzdem sind Hinweise auf Fehler sowie Anregungen und Verbesserungsvorschläge dem Ersteller willkommen.

184

Thema 18 Wohnhaus

Molkerei

Einfamilienhaus

Bauernhof

Zweifamilienhaus

Mehrfamilienhaus

Lagerhaus Scheune

Tierstall

Bauernhaus

Einzelhaus

Doppelhaus

Reihenhaus

Wohnhochhaus

Kleintierstall Villa Schlachthof

Wohnblock

Bungalow

Hanghaus

Eckhaus

Kettenhaus

Feldscheune

Penthouse

Abb. 18.1

Schloß

Pavillon

Auszug aus den im Beispielthesaurus Gebäude dargestellten hierarchischen und assoziativen Beziehungen als Beziehungsdisplay. Ausgezogene, vorwiegend vertikale Linien sind OB-UB-Relationen; ausgezogene, vorwiegend horizontal verlaufende Linien sind GB-Relationen und gestrichelte Linien sind assoziative Beziehungen. Die Beziehungen der außerhalb des Kastens befindlichen Begriffe sind nur insoweit angegeben, als sie zu Begriffen innerhalb des Kastens führen.

18.7 Alphabetischer Teil Almhütte ehä Sennhütte OB: Hütte, Schuppen GB: Schutzhütte sa: Molkerei

Altenheim ehä Seniorenheim OB: Heim GB: Internat Studenten-, Lehrl.heim Anlage GB: Gebäude

Atomkraftwerk s. Kraftwerk

Aussichtsturm OB: Turm GB: Förderturm Funkturm Kirchturm Wachturm Wasserturm

Backhaus ehä Bäckerei Bäckerei s. Backhaus Bahnhof ehä Bahnhofshalle GB: Bergbahnstation sa. Lokschuppen Bahnhofshalle s. Bahnhof

Ausstellungshalle s. Messehalle Museum

Bank (Geldinstitut) ehä Sparkasse

Beispielthesaurus Gebäude

Baracke GB: Fertighaus Holzhaus Bauernhaus OB: Bauernhof Einfamilienhaus GB: Scheune Tierstall sa: Einzelhaus

Bücherei s. Bibliotheksgebäude Bürgerhaus OB: öffentliches Gebäude sa: Jugendhaus Bürogebäude s. Verwaltungsgebäude

Dom ehä OB:

185

Münster Kirche

Doppelhaus OB: Wohnhaus GB: Einzelhaus Reihenhaus Wohnblock

Bungalow OB: Einzelhaus GB: Hanghaus Villa sa: Pavillon Wohnhaus

Eckhaus OB: Reihenhaus GB: Kettenhaus

Baukran s. Kran

Bunker s. Lagerhaus Schutzbunker

Baustelle sa: Kran

Burg GB:

Einfamilienhaus ehä Eigenheim OB: Wohnhaus GB: Mehrfamilienhaus Zweifamilienhaus UB: Bauernhaus sa: Einzelhaus

Bergbahnstation ehä Seilbahnstation GB: Bahnhof

Caravan s. Wohnwagen

Bauernhof ehä Hof landwirtsch. Gebäude UB: Bauernhaus Scheune Tierstall sa: Molkerei

Bibliothek s. Bibliotheksgebäude Bibliotheksgebäude ehä Bibliothek Bücherei

Schloss

Clubheim s. Vereinsheim Corpshaus (Haus eines studentischen Corps) s. Vereinsheim

Bienenstand s. Kleintierstall

Dampfkraftwerk s. Kraftwerk

Bierzelt s. Zelt

Denkmal ehä Brunnen Obelisk Säule Siegessäule Siegestor Statue Triumpfbogen sa: Denkmalschutz Grabstätte Friedhof

Biwakschachtel s. Schutzhütte Bordell ehä Freudenhaus Puff Brandwache s. Feuerwehrhaus Brunnen s. Denkmal

Denkmalschutz (unter Denkmalschutz stehend) sa: Denkmal

Eigenheim s. Einfamilienhaus

Einzelhaus ehä frei stehendes Haus GB: Doppelhaus Reihenhaus UB: Bungalow Villa sa: Bauernhaus Einfamilienhaus Elektr. Freileitung ehä Freileitung Hochspannungsleitung Niederspannungsleitung GB: Kraftwerk Transform.station Umspannwerk Erziehungsheim s. Internat Fabrik ehä Werk Werksgelände GB: Werkstatt UB: Industrieanlage Schornstein sa: Fertigungshalle

186

Thema 18

Fachhochschule s. Hochschulgebäude

Feuerwehrgerätehaus s. Feuerwehrhaus

Feldscheuer s. Feldscheune

Feuerwehrhaus ehä Brandwache Feuerwehrgerätehaus

Feldscheune ehä Feldscheuer OB: Scheune Ferienhaus ehä Ferienwohnung Wochenendhaus sa: Freizeitanlage Gartenhaus Hotel Wohnwagen

Förderturm OB: Turm GB: Aussichtsturm Funkturm Kirchturm Wachturm Wasserturm Forschungsgebäude s. Hochschulgebäude Laborgebäude

Ferienwohnung s. Ferienhaus

Forschungslabor s. Laborgebäude

Fernsehturm s. Funkturm

Forsthütte s. Waldhütte

Fertighaus GB: Baracke Holzhaus Massivhaus

Frachthof sa: Garage

Fertigungshalle ehä Montagehalle OB: Werkstatt GB: Industrieanlage sa: Fabrik Maschinenhalle Festhalle OB: Halle GB: Hallenbad Lagerhaus Markthalle Mehrzweckhalle Messehalle Sporthalle Traglufthalle Festungsanlage sa: Stadtmauer Wachturm Festzelt s. Zelt

Freibad s. Freizeitanlage Freileitung s. Elektr. Freileitung frei stehendes Haus s. Einzelhaus Freizeitanlage ehä Freibad Schwimmbad Spielplatz GB: Hallenbad sa: Ferienhaus Sporthalle Freudenhaus s. Bordell Friedhof UB: Grabstätte Krematorium Leichenhaus sa: Denkmal

Funkturm ehä Fernsehturm Sendemast OB: Turm GB: Aussichtsturm Förderturm Kirchturm Wachturm Wasserturm Fußballstadion s. Sportstadion Gänsestall s. Kleintierstall Gärtnerhaus GB: Portiershaus Galerie s. Museum Garage sa: Frachthof Lokschuppen Tankstelle Gartenhaus ehä Gartenhütte sa: Ferienhaus Wohnwagen Gartenhütte s. Gartenhaus Gaskessel s. Lagertank Gasthaus s. Gaststätte Gaststätte ehä Gasthaus Kneipe Wirtschaft Wirtshaus UB: Rasthaus Gebäude (ohne Wohnhaus) ehä Haus GB: Anlage Hütte, Schuppen Turm Wohnhaus

Beispielthesaurus Gebäude

Gerätehaus s. Geräteschuppen Geräteschuppen ehä Gerätehaus Geschirrhütte OB: Lagerschuppen sa: Maschinenhalle Gerichtsgebäude s. Justizgebäude Gerichtshof s. Justizgebäude Geschäftshaus ehä Handelshaus GB: Verwaltungsgebäude Wohnhaus Geschirrhütte s. Geräteschuppen Gewächshaus ehä Glashaus

Hallenbad ehä Lehrschwimmbecken Schwimmbad Schwimmhalle OB: Halle GB: Festhalle Freizeitanlage Markthalle Messehalle Handelshaus s. Geschäftshaus Hanghaus (Haus am Hang) GB: Bungalow Haus s.

Heim UB:

sa:

Gebäude Wohnhaus

Altenheim Internat Studenten-, Lehrl.heim Kindergarten Vereinsheim

Glashaus s. Gewächshaus

Hinterhaus GB: Straßenhaus

Gotteshaus s. Kirche

Hochhaus UB: Penthouse Verwaltungshochhaus Wohnhochhaus sa: Turm

Grabstätte OB: Friedhof GB: Leichenhaus sa: Denkmal Grenzstation ehä Zollhaus Gymnastikhalle s. Sporthalle Halle UB:

Festhalle Hallenbad Lagerhaus Markthalle Mehrzweckhalle Messehalle Sporthalle Traglufthalle

Hochschulgebäude ehä Fachhochschule Forschungsgebäude Hörsaalgebäude schulische Gebäude Universität Universitätsgebäude GB: Schulhaus sa: Laborgebäude Hochspannungsleitung s. Elektr. Freileitung Hörsaalgebäude s. Hochschulgebäude Hof s. Bauernhof

187

Holzhaus GB: Baracke Fertighaus Massivhaus Holzhütte s. Lagerschuppen Hort s.

Kindergarten

Hospital s. Krankenhaus Hotel ehä sa:

Hotel garni Pension Ferienhaus

Hotel garni s. Hotel Hütte, Schuppen GB: Gebäude UB: Almhütte Schutzhütte Hundehütte s. Kleintierstall Industrieanlage ehä Werksanlage OB: Fabrik GB: Fertigungshalle sa: Kraftwerk Kran Kühlturm Laborgebäude Internat ehä Erziehungsheim Jugendheim OB: Heim Schulhaus GB: Altenheim Studenten-, Lehrl.heim sa: Jugendhaus Jugendhaus sa: Bürgerhaus Internat Studenten-, Lehrl.heim

188

Thema 18

Jugendheim s. Internat Justizgebäude ehä Gerichtsgebäude Gerichtshof OB: öffentliches Gebäude GB: Regierungsgebäude Kamin s. Schornstein Kaninchenstall s. Kleintierstall Kaserne ehä Truppenunterkunft Kernkraftwerk s. Kraftwerk Kettenhaus OB: Reihenhaus GB: Eckhaus Kindergarten ehä Hort Kinderheim Kinderhort sa: Heim Kinderheim s. Kindergarten Kinderhort s. Kindergarten Kirche ehä Gotteshaus Synagoge Tempel UB: Dom Kirchturm sa: Kloster Kirchturm OB: Kirche Turm GB: Aussichtsturm Förderturm Funkturm Wachturm Wasserturm

Kleintierstall ehä Bienenstand Gänsestall Hundehütte Kaninchenstall GB: Tierstall

Kran ehä

Klinik s. Krankenhaus

Krananlage s. Kran

Kloster sa: Kirche

Krankenhaus ehä Hospital Klinik

Kneipe s. Gaststätte

Krematorium OB: Friedhof sa: Leichenhaus

Kohlekraftwerk s. Kraftwerk

sa:

Baukran Krananlage Portalkran Baustelle Industrieanlage

Kühlhalle s. Kühlhaus

Kongressgebäude ehä Tagungsgebäude Versammlungshalle GB: Mehrzweckhalle Messehalle Theater

Kühlhaus ehä Kühlhalle OB: Lagerhaus

Konzerthalle s. Konzerthaus

Kuhstall s. Tierstall

Konzerthaus ehä Konzerthalle Konzertsaal Liederhalle GB: Museum Theater

Kunstausstellung s. Museum

Konzertsaal s. Konzerthaus Kraftwerk ehä Atomkraftwerk Dampfkraftwerk Kernkraftwerk Kohlekraftwerk Wasserkraftwerk GB: Elektr. Freileitung Umspannwerk Transform.station UB: Schornstein sa: Industrieanlage Wassermühle Windmühle

Kühlturm sa: Industrieanlage Turm

Laborgebäude ehä Forschungsgebäude Forschungslabor sa: Hochschulgebäude Industrieanlage Lagerhalle s. Lagerhaus Lagerhaus ehä Bunker Lagerhalle Silo OB: Halle GB: Festhalle Messehalle UB: Kühlhaus sa: Lagerschuppen Markthalle Mehrzweckhalle Scheune

Beispielthesaurus Gebäude

Lagerschuppen ehä Holzhütte UB: Geräteschuppen sa: Lagerhaus Lagertank (nur oberirdische und bauliche) ehä Gaskessel Tanklager landwirtsch. Gebäude s. Bauernhof Lehrlingsheim s. Studenten-, Lehrl.heim Lehrschwimmbecken s. Hallenbad Leichenhalle s. Leichenhaus Leichenhaus ehä Leichenhalle OB: Friedhof GB: Grabstätte sa: Krematorium Liederhalle s. Konzerthaus

Mehrfamilienhaus OB: Wohnhaus GB: Einfamilienhaus Zweifamilienhaus sa: Wohnblock

Musikheim s. Vereinsheim

Mehrzweckhalle ehä Stadthalle OB: Halle GB: Festhalle Kongressgebäude Markthalle Messehalle Sporthalle sa: Lagerhaus Traglufthalle Zelt

Obelisk s. Denkmal

Messehalle ehä Ausstellungshalle OB: Halle GB: Festhalle Hallenbad Kongressgebäude Lagerhaus Markthalle Mehrzweckhalle Traglufthalle

Lokschuppen sa: Bahnhof Garage

Mietskaserne s. Wohnblock

Luftschutzbunker s. Schutzbunker

Molkerei sa: Almhütte Bauernhof

Markthalle OB: Halle GB: Festhalle Hallenbad Mehrzweckhalle Messehalle sa: Lagerhaus Maschinenhalle ehä Maschinenschuppen sa: Fertigungshalle Geräteschuppen Maschinenschuppen s. Maschinenhalle Massivhaus GB: Fertighaus Holzhaus

Montagehalle s. Fertigungshalle Mühle s. Wassermühle Windmühle Münster s. Dom Museum ehä Ausstellungshalle Galerie Kunstausstellung Techn. Museum GB: Konzerthaus Theater

189

Niederspannungsleitung s. Elektr. Freileitung

öffentliches Gebäude UB: Bürgerhaus Justizgebäude Rathaus Regierungsgebäude Opernhaus OB: Theater Parlamentsgebäude s. Regierungsgebäude Pavillon sa: Bungalow Pension s. Hotel Penthouse OB: Hochhaus sa: Villa Wohnhaus Pferdestall s. Tierstall Pförtnerhaus s. Portiershaus Portalkran s. Kran Portiershaus ehä Pförtnerhaus Tor GB: Gärtnerhaus Puff s.

Bordell

Rasthaus OB: Gaststätte Rathaus OB: öffentliches Gebäude GB: Regierungsgebäude

190

Thema 18

Regierungsgebäude ehä Parlamentsgebäude Regierungssitz OB: öffentliches Gebäude GB: Justizgebäude Rathaus Regierungssitz s. Regierungsgebäude Reihenhaus OB: Wohnhaus GB: Doppelhaus Einzelhaus Wohnblock Wohnhochhaus UB: Eckhaus Kettenhaus Säule (frei stehend) s. Denkmal Schafstall s. Tierstall Schauspielhaus OB: Theater Scheuer s. Scheune Scheune ehä Scheuer Tenne OB: Bauernhof GB: Bauernhaus Tierstall UB: Feldscheune sa: Lagerhaus Schlachthaus s. Schlachthof Schlachthof ehä Schlachthaus Viehhof sa: Tierstall Schloss OB: Wohnhaus GB: Burg sa: Villa

Schornstein ehä Kamin OB: Fabrik Kraftwerk Schule s. Schulhaus Schulhaus ehä Schule schulische Gebäude GB: Hochschulgebäude UB: Internat schulische Gebäude s. Hochschulgebäude Schulhaus Schutzbunker ehä Bunker Luftschutzbunker Zivilschutzanlage Schutzhütte ehä Biwakschachtel Unterstand OB: Hütte, Schuppen GB: Almhütte Schweinestall s. Tierstall Schwimmbad s. Freizeitanlage Hallenbad Schwimmhalle s. Hallenbad Seilbahnstation s. Bergbahnstation Sendemast s. Funkturm Seniorenheim s. Altenheim

Siegestor s. Denkmal Silo s.

Lagerhaus

Sparkasse s. Bank Spielplatz s. Freizeitanlage Sporthalle ehä Gymnastikhalle Turnhalle OB: Halle GB: Festhalle Mehrzweckhalle Sportstadion sa. Freizeitanlage Sportheim s. Vereinsheim Sportstadion ehä Fußballstadion Stadion GB: Sporthalle Stadion s. Sportstadion Stadthalle s. Mehrzweckhalle Stadtmauer ehä Stadttor Tor sa: Festungsanlage Wachturm Stadttor s. Stadtmauer Wachturm

Sennhütte s. Almhütte

Stall s.

Tierstall

Siegessäule s. Denkmal

Statue s.

Denkmal

Beispielthesaurus Gebäude

Straßenhaus ehä Vorderhaus GB: Hinterhaus

Toilettenanlage ehä Toilettenhaus WC-Anlage

Studenten-, Lehrl.heim ehä Lehrlingsheim OB: Heim GB: Altenheim Internat sa: Jugendhaus

Toilettenhaus s. Toilettenanlage

Synagoge s. Kirche

Trafohaus s. Transform.station

Tagungsgebäude s. Kongressgebäude

Trafostation s. Transform.station

Tanklager s. Lagertank

Traglufthalle OB: Halle GB: Festhalle Messehalle sa: Mehrzweckhalle Zelt

Tankstelle sa: Garage Werkstatt Techn. Museum s. Museum Tempel s. Kirche Tenne s.

Scheune

Theater GB: Kongressgebäude Konzerthaus Museum UB: Opernhaus Schauspielhaus Tierstall ehä Kuhstall Pferdestall Schafstall Schweinestall Stall Viehstall OB: Bauernhof GB: Bauernhaus Kleintierstall Scheune sa: Schlachthof

Tor s.

Portiershaus Stadtmauer Wachturm

Transformatorenhaus s. Transform.station Transform.station ehä Trafohaus Trafostation Transformatorenhaus GB: Elektr. Freileitung Kraftwerk Umspannwerk Triumpfbogen s. Denkmal Truppenunterkunft s. Kaserne Turm GB: UB:

sa:

Gebäude Aussichtsturm Förderturm Funkturm Kirchturm Wachturm Wasserturm Hochhaus Kühlturm

Turnhalle s. Sporthalle

191

Umspannwerk GB: Elektr. Freileitung Kraftwerk Transform.station Universität s. Hochschulgebäude Universitätsgebäude s. Hochschulgebäude Unterstand s. Schutzhütte Verbindungshaus (Haus einer studentischen Verbindung) s. Vereinsheim Vereinsheim ehä Clubheim Corpshaus Musikheim Sportheim Verbindungshaus sa: Heim Versammlungshalle s. Kongressgebäude Versammlungszelt s. Zelt Verwaltungsgebäude ehä Bürogebäude GB: Geschäftshaus Wohnhaus UB: Verwaltungshochhaus Verwaltungshochhaus OB: Hochhaus Verwaltungsgebäude GB: Wohnhochhaus Viehhof s. Schlachthof Viehstall s. Tierstall Villa OB: GB: sa:

Einzelhaus Bungalow Penthouse Schloss Wohnhaus

192

Thema 18

Vorderhaus s. Straßenhaus Wachturm ehä Stadttor Tor OB: Turm GB: Aussichtsturm Förderturm Funkturm Kirchturm Wasserturm sa:

Festungsanlage Stadtmauer

Waldarbeiterhütte s. Waldhütte Waldhütte ehä Forsthütte Waldarbeiterhütte Wasserkraftwerk s. Kraftwerk Wassermühle ehä Mühle GB: Windmühle sa: Kraftwerk Wasserturm OB: Turm GB: Aussichtsturm Förderturm Funkturm Kirchturm Wachturm WC-Anlage s. Toilettenanlage Werk s.

Fabrik

Werksanlage s. Industrieanlage Werksgelände s. Fabrik

Werkstatt GB: Fabrik UB: Fertigungshalle sa: Tankstelle Windmühle ehä Mühle GB: Wassermühle sa: Kraftwerk Wirtschaft s. Gaststätte Wirtshaus s. Gaststätte Wochenendhaus s. Ferienhaus Wohnanlage ehä Wohnmaschine (zu sammengehörige Wohnhäuser mit insgesamt mind. 500 Bewohner) OB: Wohnhaus GB: Wohnblock Wohnhochhaus Wohnblock ehä Mietskaserne OB: Wohnhaus GB: Doppelhaus Reihenhaus Wohnanlage Wohnhochhaus sa: Mehrfamilienhaus Wohnhaus ehä Haus GB: Gebäude Geschäftshaus Verwaltungsgebäude UB: Doppelhaus Einfamilienhaus Mehrfamilienhaus Reihenhaus Schloss Wohnanlage Wohnblock Wohnhochhaus Zweifamilienhaus sa: Bungalow Penthouse Villa

Wohnhochhaus OB: Hochhaus Wohnhaus GB: Reihenhaus Verwaltungshochhaus Wohnanlage Wohnblock Wohnmaschine s. Wohnanlage Wohnmobil s. Wohnwagen Wohnwagen ehä Caravan Wohnmobil GB: Zelt sa: Ferienhaus Gartenhaus Zelt ehä

Bierzelt Festzelt Versammlungszelt GB: Wohnwagen sa: Mehrzweckhalle Traglufthalle

Zivilschutzanlage s. Schutzbunker Zollhaus s. Grenzstation Zweifamilienhaus OB: Wohnhaus GB: Einfamilienhaus Mehrfamilienhaus

Thema 19:

Ordnungssystem Medical Subject Headings (MeSH) 19.1 Aufgabe und Zweck dieses Themas Nicht zuletzt aus didaktischen Gründen wurde bisher eine idealisierte Struktur für Ordnungssysteme, also gewissermaßen das Ordnungssystem in „Reinkultur“, vorgestellt. Die in der Praxis verwendeten Ordnungssysteme unterscheiden sich davon und auch untereinander zum Teil erheblich. Oft entsprechen auch die in der Praxis verwendeten Ordnungssysteme nur in Teilbereichen den hier formulierten Ansprüchen. In die meisten Ordnungssysteme der Praxis sind im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Strukturgedanken eingegangen und dann vermischt worden, sie sind weniger klar und eindeutig. Ein Dokumentar muss sich jedoch auch in ungewohnte Ordnungssysteme rasch einarbeiten können. Diese Darstellung und Diskussion der Medical Subject Headings soll dazu Anleitung und Übungsmöglichkeit bieten.

19.2 Verwendung des MeSH Das Ordnungssystem MeSH (Lit. f7) wurde ausgewählt, um ein großes, weltweit zur OnlineLiteraturdokumentation benutztes Ordnungssystem vorzustellen. Die Medical Subject Headings wurden erstellt und werden fortlaufend gepflegt von der National Library of Medicine, Bethesda, Maryland, USA. Das Ordnungssystem MeSH wird verwendet für den Index Medicus, eine große, zunächst gedruckte, heute online verfügbare Bibliografie der weltweiten medizinischen Literatur. Die Hauptverwendung des MeSH ist jedoch MEDLINE, das online verfügbare Literaturdokumentationssystem der National Library of Medicine, das die Literatur der Medizin und ihrer Randgebiete weltweit erschließt. Das Ordnungssystem MeSH liegt online abfragbar vor: http://www.nlm.nih.gov/mesh. Eine gedruckte Ausgabe gab es bis 2003. Besonders engagierte Leser sollten zunächst das Ordnungssystem studieren und dann die selbst erarbeiteten Ergebnisse mit dem folgenden Text vergleichen. In diesem wird der Aufbau des MeSH kurz erläutert, die verwendeten Wort- und Verweistypen mit den hier vorgestellten Wort- und Verweistypen verglichen sowie das Ordnungssystem kritisch bewertet. Die kritische Beurteilung beschränkt sich selbstverständlich auf ordnungstheoretische Gesichtspunkte. Soll für ein Ordnungssystem beurteilt werden, x x x x

ob die Indexierungsgenauigkeit ausreicht, wie vollständig das angestrebte Sachgebiet erfasst wird, ob die Abgrenzung des Sachgebiets zweckmäßig ist und inwieweit die Deskriptoren zu den Dokumentationseinheiten und den Suchfragen passen,

so müssen dazu die zu indexierenden Dokumentationseinheiten und die Benutzer der Dokumentationsstelle mit ihren Wünschen und Suchfragen bekannt sein. Die Dokumentationseinheiten und die Ansprüche und Wünsche der Benutzer können sich jedoch von Dokumentation zu Dokumentation erheblich unterscheiden und sind erst nach längerer praktischer Ar-

194

Thema 19

beit bekannt. Die Dokumentationen, die mit den Medical Subject Headings indexieren, haben extrem viele und damit verschiedenartige Benutzer auf der ganzen Welt, die den Indexierern gar nicht bekannt sein können. Der erwünschte enge persönliche Kontakt zwischen Indexierern, Rechercheuren und Benutzern ist bei so großen Dokumentationen überhaupt nicht möglich. Um möglichst viele der unterschiedlichen Benutzer zufrieden zu stellen, umfasst das Ordnungssystem sowohl sehr allgemeine als auch sehr spezielle Deskriptoren, ist das bearbeitete Sachgebiet der Biomedizin sehr weit gefasst, und das Ordnungssystem stellt Deskriptoren für vielerlei Dokumentationseinheiten und für unterschiedlichste Suchfragen bereit.

19.3 Worttypen des MeSH Im MeSH werden Headings (heute als MeSH-Headings bezeichnet, früher als Main Headings), Qualifiers (auch als Subheadings bezeichnet) und Entry Terms unterschieden. Die eigentlichen Deskriptoren sind die MeSH-Headings. Es wird den Indexierern empfohlen, je Aufsatz größenordnungsmäßig 10 bis 12 MeSH-Headings zuzuteilen. Außerdem soll der Indexierer die wichtigsten Headings mit einem Stern kennzeichnen, der Aufsatz wird dann unter diesen Deskriptoren in den Index Medicus eingeordnet. Insgesamt enthält der MeSH etwa 23 000 Headings. Qualifiers haben die Aufgabe, die MeSH-Headings näher zu spezifizieren und bestimmte Eigenschaften der Dokumentationseinheit zu erfassen. Beispiele für Qualifiers sind Abnormalities, Administration & Dosage, Adverse Effects, Antagonists & Inhibitors, Education, Embryology. Ein Qualifier gilt nur für einen bestimmten Bereich der Systematik, z.B. gilt der Qualifier Abnormalities nur für 13 Bereiche wie z.B. Body Regions, Cardiovascular System, Nervous System, Vertebrates, während z.B. der Qualifier Education nur für die 3 Bereiche Operative Surgical Procedures, Biological Sciences und Health Occupations zugelassen ist. Für jeden Bereich der Systematik ist angegeben, welche Qualifier zugelassen sind. Für den Bereich z.B. Environment and Public Health sind die Qualifier Adverse Effects, Analysis, Classification, Economics, Ethics, History, Legislation & Jurisprudence, Methods, Prevention & Control, Statistics & Numerical Data sowie Standards zugelassen. Für jeden Qualifier gibt es eine Abkürzung, eine Notation, die aus zwei Großbuchstaben besteht. Beispiele: Abnormalities = AB Administration & Dosage = AD Adverse effects = AE Für viele MeSH-Headings und für viele Qualifiers gibt es eine als Scope Note bezeichnete Erläuterung, die etwa 2 bis 5 Zeilen umfasst. Dabei wird die Wortbedeutung und die Verwendung dieses Headings oder dieses Qualifiers erläutert. Der Qualifier Therapy kann z.B. nur in Verbindung mit Krankheiten und der Qualifier Therapeutic Use nur in Verbindung mit Substanzen, Arzneimitteln oder Zubereitungen verwendet werden.

Ordnungssystem Medical Subject Headings (MeSH)

195

Ein anderes Beispiel ist das MeSH-Heading Pharmacology und der gleich lautende Qualifier Pharmacology. Das MeSH-Heading ist zu verwenden, wenn Allgemeines oder Grundsätzliches zur Pharmakologie zu beschreiben ist. Soll die Pharmakologie einer bestimmten Substanz beschrieben werden, so ist mit dem MeSH-Heading die Substanz anzugeben und der Qualifier Pharmacology hinzuzufügen. Der MeSH hat neben den schon erwähnten ca. 23 000 MeSH-Headings noch sehr viele Entry Terms. Die Entry Terms sind Nicht-Vorzugsbenennungen, von ihnen wird auf die Vorzugsbenennungen verwiesen.

19.4 Systematk des MeSH Der systematische Teil des MeSH ist hierarchisch geordnet und wird als Tree Structures bezeichnet. Zunächst wird mit 15 Categories begonnen, die mit einem Buchstaben bezeichnet sind, z.B. A = Anatomy B = Organisms C = Diseases. Von diesen 15 Categories sind 10 in Subcategories unterteilt. Eine Category hat maximal 27 Subcategories. Beispiele für Subcategories: A01 A02 A03 A16 A17 C01 C02 C05 C08

= = = = = = = = =

Body Regions Musculoskeletal System Digestive System Embryonic Structures Integumentary System Bacterial Infections and Mycoses Virus Diseases Musculoskeletal Diseases Respiratory Tract Diseases.

Danach gibt es weitere hierarchische Unterteilungen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Niveaus, maximal werden die Subcategories noch 8 mal weiter hierarchisch unterteilt. Die Position innerhalb jedes hierarchischen Niveaus wird durch eine zwei- bis dreistellige Zahl angegeben. Die einzelnen hierarchischen Niveaus (ausgenommen zwischen Category und erster Subcategory) werden durch einen Punkt getrennt. Ein Beispiel für eine Tree Number ist: C05.550.114.154

Arthritis, Rheumatoid

Die meisten MeSH-Headings haben mehrere Oberbegriffe, d.h. der MeSH hat eine Polyhierarchie. Angegeben sind bis zu 8 Oberbegriffe. Am Beispiel Silicotuberculosis kann die Polyhierarchie gezeigt werden. Dieser Begriff lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Deshalb ist dieses Heading an den folgenden 5 Stellen der Hierarchie eingeordnet:

196

Thema 19

Aspekt der Infektionskrankheit: C01.252.410.040.552.846.899.669 C01.252.410.040.552.846.899 C01.252.410.040.552.846 C01.252.410.040.552 C01.252.410.040 C01.252.410 C01.252 C01 C

Silicotuberculosis Tuberculosis, Pulmonary Tuberculosis Mycobacterium Infections Actinomycetales Infections Gram-Positive Bacterial Infections Bacterial Infections Bacterial Infections and Mycoses Diseases

Aspekt der Silicose: C08.381.483.600.760.750 C08.381.483.600.760 C08.381.483.600 C08.381.483 C08.381 C08 C

Silicotuberculosis Silicosis Pneumoconiosis Lung Diseases, Interstitial Lung Diseases Respiratory Tract Diseases Diseases

Aspekt der Lungenkrankheit: C08.381.922.669 C08.381.922 C08.381 C08 C

Silicotuberculosis Tuberculosis, Pulmonary Lung Diseases Respiratory Tract Diseases Diseases

Aspekt der Tuberkulose: C08.730.939.669 C08.730.939 C08.730 C08 C

Silicotuberculosis Tuberculosis, Pulmonary Respiratory Tract Infections Respiratory Tract Diseases Diseases

Aspekt der Berufskrankheit: C21.447.800.834.752 C21.447.800.834 C21.447.800 C21.447 C21 C

Silicotuberculosis Silicosis Pneumoconiosis Occupational Diseases Disorders of Environmental Origin Diseases

Durch die polyhierarchische Struktur erscheint ein MeSH-Headings an verschiedenen Stellen der Systematik. Die etwa 23 000 MeSH-Headings haben zusammengenommen etwa 50 000 Positionen in den Hierarchical Trees, d.h. im Mittel ist jedes Heading an 2.2 Stellen der Hierarchical Trees eingeordnet. Deskriptoren sind die Vorzugsbenennungen, nicht die Positionen in den Hierarchical Trees. Unabhängig davon, an welcher Stelle eines Hierarchical Trees ein mehrfach eingeordnetes Heading abgefragt wird, werden stets die gleichen Dokumentationseinheiten selektiert.

Ordnungssystem Medical Subject Headings (MeSH)

197

Sind die Tree Numbers Notationen? Die Tree Numbers sind einer Notation ähnlich, weil sie einen Deskriptor bezeichnen und seine Position in der Begriffshierarchie angeben. Durch die mehrfache Einordnung eines Deskriptors in verschiedene Begriffsketten hat ein Deskriptor verschiedene Tree Numbers. Eine Tree Number ist insofern eindeutig, als sie genau einen Deskriptor bezeichnet, sie ist aber nicht ein-eindeutig, weil in der Polyhierarchie ein Deskriptor verschiedene Tree Numbers haben kann. Deshalb ist eine Tree Number keine Notation. Die Notation der MeSH-Headings heißt „Unique ID“ und sagt über den Inhalt des Deskriptors und seine hierarchische Einordnung nichts aus.

19.5 Gebrauch des MeSH Der MeSH akzeptiert nahezu jedes Wort, das auch nur entfernt mit Medizin zu tun hat, als Eingang (Entry Term). Beispiel: Bei der Suche nach „tube“ werden etwa 180 Wörter angezeigt, die irgendwo die Zeichenkette „tube“ enthalten (s. Thema 24.5 Abgeschnittene Suchwörter). Entscheidet man sich für „Cathode Ray Tube Display“, so wird der Benutzer zu dem zugehörigen MeSH-Heading „Data Display“ gebracht. Dadurch, dass der MeSH nur online verfügbar ist, entfällt die strenge Trennung in alphabetischen und systematischen Teil. Die Darstellung der Tree Structures (s. Seite 196) entspricht dem systematischen Teil, die Darstellung der MeSH-Headings (s. Seite 197, 198) dem alphabetischen Teil. Bei jedem MeSH-Heading (= descriptor) werden alle Hilfen zur terminologischen Kontrolle gegeben. Beispiel für die Darstellung eines Main Headings: MeSH Heading

CLINICAL TRIALS

Tree Number

E05.318.760.535 E05.337.250 G03.850.520.450.535 N05.715.360.775.235

Annotation

human & vet animals only; GEN or unspecified as to phase: index under specific phase (as CLINICAL TRIALS, PHASE I) instead if pertinent; IM for articles & books about clin trials as a method in med research; do not confuse with Publication Type CLINICAL TRIAL; do not index also under PLACEBOS unless placebos are particularly discussed; Manual 26.26+; CONTROLLED CLINICAL TRIALS & RANDOMIZED CONTROLLED TRIALS are also available; DF: CLIN TRIALS

Scope Note

Pre-planned studies of the safety, efficacy, or optimum dosage schedule (if appropriate) of one or more diagnostic, therapeutic, or prophylactic drugs, devices, or techniques selected according to predetermined criteria of eligibility and observed for predefined evidence of favorable and unfavorable effects. This concept includes clinical trials conducted both in the U.S. and in other countries.

See Also

CLINICAL TRIALS DATA MONITORING COMMITTEES DRUG APPROVAL META-ANALYSIS THERAPIES, INVESTIGATIONAL

198

Thema 19

Allowable Qualifiers

AE CL CT EC ES HI IS LJ MO MT NU PX SN ST TD UT VE

Entry Version

CLIN TRIALS

Previous Indexing

Drug Evaluation (1974-1979)

Online Note

use CLINICAL TRIALS to search CLINICAL RESEARCH 1966-79

History Note

80; for articles that were clinical trials 1980-90; CLINICAL RESEARCH was check tag 1965-79

Unique ID

D002986

Erläuterungen: x Betrachtet wird das MeSH-Heading CLINICAL TRIALS x CLINICAL TRIALS ist in 4 Hierarchical Trees eingeordnet, die durch die angegebenen 4 Tree Numbers angegeben sind. x Unter Annotation werden Hinweise gegeben, wie der Deskriptor CLINICAL TRIALS zu verwenden ist. Er soll nur im Bereich der Humanmedizin und der Veterinärmedizin verwendet werden. Ist in dem zu indexierenden Dokument die klinische Studie durch Angabe der Phase genauer beschrieben, so ist so spezifisch wie möglich zu indexieren, d.h. sowohl CLINICAL TRIALS als auch z.B. PHASE I zu indexieren. Im Index Medicus wird der Deskriptor CLINICAL TRIALS verwendet für Aufsätze und Bücher, die klinische Studien als Forschungsmethode beschreiben, nicht jedoch für Publikationen über klinische Studien. Der Deskriptor PLACEBO ist nur zu indexieren, wenn Placeboeffekte und Ähnliches speziell diskutiert werden. Weiter wird darauf hingewiesen, dass es auch noch die Deskriptoren CONTROLLED CLINICAL TRIALS und RANDOMIZED CONTROLLED CLINICAL TRIALS gibt. x In der Scope Note werden Erläuterungen und Abgrenzungen des Deskriptors CLINICAL TRIALS gegeben. x Es folgen 4 assoziative Verweise x Der Deskriptor CLINICAL TRIALS kann mit den 17 angegebenen Qualifiers kombiniert werden. Beispiele: AE = Adverse Effects; CL = Classification. Wird ein Qualifier angeklickt, so erscheint für dieses Subheading eine ähnliche, detaillierte Darstellung wie für ein MeSH-Heading. x Schließlich werden noch Hinweise gegeben, wie der Deskriptor abgekürzt werden kann, welche Deskriptoren früher für den Sachverhalt der Clinical Trials verwendet worden sind, und es wird Historisches angemerkt. x Die eindeutige Identifikation ist die (nicht sprechende) Notation. Wie oben ausführlich dargelegt, ist sie notwendig, weil ein Deskriptor mehrere Tree Numbers haben kann. Die Einarbeitung in den MeSH ist nicht einfach. Das liegt an der doch komplizierten, historisch so gewachsenen Struktur, aber auch an dem thematischen Umfang (gesamte Medizin), den polyhierarchischen Beziehungen zwischen den MeSH-headings und der angestrebten hohen Indexierungsgenauigkeit. Andererseits erleichtert die Beschränkung auf den OnlineZugang vieles. Gibt ein Benutzer ein Suchwort ein, so wird er – falls das Suchwort nicht

Ordnungssystem Medical Subject Headings (MeSH)

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eindeutig ist über eine Zwischenstufe – direkt zur Vorzugsbenennung (= Deskriptor = MeSH-Heading) geführt. Dort ist dann die gesamte Information zu diesem MeSH-Heading zusammengeführt. Wer will, kann zu einem der Trees, d.h. zu einer der hierarchischen Einordnungen des MeSH-Headings oder zu einem der für dieses Heading zugelassenen Qualifier verzweigen.

19.6 Kritische Bewertung des MeSH Die Medical Subject Headings sind ein großes Ordnungssystem für die gesamte medizinische Literatur einschließlich aller Randgebiete. Das Ordnungssystem wurde für alle Arten von Dokumentationseinheiten und Benutzer entwickelt und ist deshalb zwangsläufig unspezifisch und vielseitig. Das Ordnungssystem ist nicht nach einem klaren Ordnungsprinzip aufgebaut. Zweifellos wird in MEDLINE mit Begriffskombination gearbeitet. Andererseits hat MeSH so viele Deskriptoren und stark ausgeprägte Hierarchien, dass er eher eine Klassifikation ist. Die Hierarchie des MeSH ist polyhierarchisch, d.h. die gleiche Vorzugsbenennung wird an verschiedenen Stellen der Hierarchie verwendet. Das Konzept der Qualifiers entspricht in mancher Hinsicht einer fassettierten Erschließung. Die Qualifiers entsprechen Funktionsdeskriptoren. Diese Deskriptorentypen werden im folgenden Thema behandelt. Die Kombination aus MeSH-Heading und Qualifier ermöglicht eine hohe Indexierungsgenauigkeit. Wegen der Polyhierarchie kann ein MeSH-Heading mehrere Tree Numbers haben. Die Tree Numbers zeigen die Position des Headings in der Begriffskette an, haben viele Lücken und sind dadurch unbequem lang. Ein extremes Beispiel ist Mycobacterium chelonae B3.510.460.400.410.552.552.250.225 Dieser Code hat 26 Stellen zuzüglich der Punkte zur Gliederung. Ein so langer Code (1 Buchstabe, 25 Dezimalziffern) ermöglicht prinzipiell 2.5 x 1026 Möglichkeiten, davon sind etwa 4 x 104 besetzt. Daraus ist ersichtlich, dass eine Tree Number bei weitem mehr Lücken hat als besetzte Stellen. Der MeSH hat viele Scope Notes. Jede Scope Note erläutert mehr oder weniger ausführlich den jeweiligen Deskriptor oder Qualifier und gibt Hinweise für dessen Gebrauch. In dieser Hinsicht ist MeSH vorbildlich. Das Ordnungssystem MeSH hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Daraus erklären sich auch viele Eigenheiten. Andererseits erleichtert der Online-Zugang den Gebrauch erheblich.

19.7 Fragen F19.1 Warum hat der MeSH keinen alphabetischen Teil?

F19.2 Welche besondere Anforderung stellt der MeSH an den Deskriptorenspeicher?

Thema 20:

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren 20.1 Notwendigkeit für Verbindungsdeskriptoren Beim Recherchieren mit formalen Suchfragen, die mehrere Deskriptoren enthalten, kann es zum Selektieren unrelevanter Dokumentationseinheiten kommen, weil die gesuchten Deskriptoren zwar für die Dokumentationseinheiten zutreffen, aber in jeweils einem anderen Zusammenhang. Diese Problematik soll an zwei Beispielen erläutert werden. Angenommen, die Krankenakte des Patienten A beinhalte unter anderem: Der Patient hat anlässlich einer Frühjahrsgrippe Acetylsalicylsäure (enthalten z.B. in dem Medikament Aspirin“) eingenommen. Im Herbst desselben Jahres erleidet er einen Herzinfarkt. Während der Herzinfarktbehandlung erhält er keine Acetylsalicylsäure, sondern Phenprocoumon (enthalten z.B. in dem Medikament Marcumar“). Zwei Jahre später will Dr. B die Krankenakten aller Fälle studieren, bei denen Herzinfarktpatienten mit Acetylsalicylsäure (enthalten z.B. in dem Medikament Colfarit“) behandelt wurden. Der Dokumentar stellt die formale Suchfrage: Herzinfarkt š Acetylsalicylsäure. Die Akte des Patienten A wird selektiert, obwohl sie für die Behandlung des Herzinfarktes mit Acetylsalicylsäure unrelevant ist. Der Fehler entsteht dadurch, dass die Therapie einer ersten Erkrankung mit einer anderen (zweiten) Erkrankung in Beziehung gebracht wird. Das zweite Beispiel entstammt der Chemie. Angenommen, eine Dokumentationseinheit beinhalte die Beschreibung der beiden einfachen chemischen Reaktionen: x Stickoxid und Sauerstoff verbinden sich zu Stickstoffdioxid. x Stickstoffdioxid und Wasser verbinden sich zu salpetriger Säure und Salpetersäure. Der Dokumentationseinheit werden die Deskriptoren Stickoxid, Sauerstoff, Stickstoffdioxid, Wasser, salpetrige Säure und Salpetersäure indexiert. Jemand möchte wissen, wie sich Stickoxid und Wasser verbinden. Der Dokumentar stellt die formale Suchfrage: Stickoxid š Wasser. Die beschriebene Dokumentationseinheit wird selektiert, ist jedoch für die Suchfrage nicht relevant.

20.2 Verbindungsdeskriptoren Das oben beschriebene Problem entsteht dadurch, dass in einer Dokumentationseinheit mehrere Sachverhalte behandelt werden. Um ihm abzuhelfen, muss eine Angabe gemacht werden, welche Deskriptoren einer Dokumentationseinheit zum gleichen Sachverhalt gehören. Solche Verbindungsangaben nennt man Verbindungs- oder Verknüpfungsdeskriptoren oder auch Gruppierungsmerkmale (englisch: link indicators oder kurz links; wörtlich übersetzt sind links Bindeglieder). Praktisch sind Verbindungsdeskriptoren eine Durchnummerierung der in einer Dokumentationseinheit enthaltenen Sachverhalte oder eine Art Untersignatur. Will man die bisher behandelten Deskriptoren deutlich von den Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren sowie den formalen Deskriptoren (die bald behandelt werden) abgrenzen, so bezeichnet man sie als inhaltliche Deskriptoren.

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

201

Die Deskriptoren bzw. Suchfragen der Beispiele lauten nun mit Verbindungsdeskriptoren: Beispiel 1: indexierte Deskriptoren:

Formale Suchfrage:

grippaler Infekt Acetylsalicylsäure Herzinfarkt Phenprocoumon

1 1 2 2

Herzinfarkt š Acetylsalicylsäure š gleicher Verbindungsdeskriptor

Beispiel 2: indexierte Deskriptoren:

Formale Suchfrage:

Stickoxid Sauerstoff Stickstoffdioxid Wasser salpetrige Säure Salpetersäure

1 1 1, 2 2 2 2

Stickoxid š Wasser š gleicher Verbindungsdeskriptor

Ein Deskriptor besteht nun aus einem inhaltlichen Deskriptor und einem Verbindungsdeskriptor. In den Beispielen sind die inhaltlichen Deskriptoren durch Vorzugsbenennungen, die Verbindungsdeskriptoren durch Zahlen angegeben. In beiden Beispielen werden jetzt die Dokumentationseinheiten zu Recht nicht mehr selektiert, da die Bedingung „gleicher Verbindungsdeskriptor“ nicht zutrifft. In der Suchfrage wird also nicht gefragt, in welchem Zusammenhang die inhaltlichen Deskriptoren vorkommen, sondern nur verlangt, dass sie im gleichen Zusammenhang auftreten. Insofern ist die Bezeichnung Verbindungs- „Deskriptor“ nicht ganz korrekt. Da jedoch die Verbindungsdeskriptoren beim Indexieren wie die inhaltlichen Deskriptoren zugeteilt werden und wir noch weitere Arten von Deskriptoren kennen lernen werden, erscheint die Bezeichnung Verbindungsdeskriptoren insgesamt gesehen zweckmäßig. Das Arbeiten mit Verbindungsdeskriptoren erfordert ein sorgfältiges und zeitaufwändiges Indexieren. Als Deskriptorenspeicher muss eine Datenbank verwendet werden, die die Abfrage „gleicher Verbindungsdeskriptor“ zulässt. Das Einführen von Verbindungsdeskriptoren kann nur bei Begriffskombination diskutiert werden. Wird den Dokumentationseinheiten, wie bei der Einfachklassifikation ohne Überlagerung, nur ein einziger Deskriptor indexiert, so ist eine Angabe, welche Deskriptoren zusammengehören und welche nicht, hinfällig. In den USA werden in manchen Krankenhäusern die Krankenakten, um sie übersichtlicher zu gestalten, als so genannte problemorientierte Krankenakten (problem oriented medical records) geführt. Dabei werden die Beschwerden und Krankheiten eines Patienten (die „problems“) getrennt betrachtet und bei jeder diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme wird das zugehörige „problem“ angegeben.

202

Thema 20

Beispiel: Problem 1: Problem 2: Problem 3:

Unterschenkelfraktur : Streckverband Verstopfung : Abführmittel Hautausschlag : Salbe

Den problemorientierten Krankenakten liegt nicht eine (eher europäische) ganzheitliche, sondern eine (eher amerikanische) behavioristische Betrachtungsweise zugrunde. Die „problems“ einer problemorientierten Krankenakte sind nichts anderes als Verbindungsdeskriptoren. Die problemorientierten Krankenakten wurden erwähnt, da sie zeigen, dass man aus ganz anderen Überlegungen als dem Information Retrieval zu Verbindungsdeskriptoren kommen kann.

20.3 Ersatzmöglichkeiten für Verbindungsdeskriptoren Die formell einfachste Möglichkeit, ohne Verbindungsdeskriptoren auszukommen, sind kurze Dokumentationseinheiten. Je kürzer die Dokumentationseinheiten sind, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Dokumentationseinheit verschiedene Sachverhalte angesprochen werden. Das Festlegen kurzer Dokumentationseinheiten erhöht jedoch die Anzahl der Dokumentationseinheiten und verhindert eine umfassendere Recherche über verschiedene Sachverhalte in dann verschiedenen Dokumentationseinheiten. Wird dagegen mit Verbindungsdeskriptoren gearbeitet, so kann bei jeder Recherche die Bedingung „gleicher Verbindungsdeskriptor“ wahlweise verwendet werden oder nicht. In der klinischen Dokumentation können kürzere Dokumentationseinheiten erreicht werden, indem nicht die gesamte Krankenakte eines Patienten (die bei jeder erneuten Behandlung fortgeschrieben wird), sondern nur der Teil der Krankenakte, der während einer (stationären) Behandlung entsteht, als eine Dokumentationseinheit aufgefasst wird. Dokumentationseinheit ist dann nicht ein Patient (genauer: die gesamte Krankenakte eines Patienten), sondern eine Behandlung. Wird in der klinischen Dokumentation eine Krankenakte als Dokumentationseinheit verwendet, so können die einzelnen Behandlungen innerhalb der Krankenakte durchnummeriert werden. Die Angaben lauten dann z.B.: Bei der 3. stationären Behandlung dieses Patienten bestand die Diagnose X, es wurde die Therapie Y mit dem Therapieerfolg Z eingesetzt. Das Durchnummerieren der Behandlungen, im Beispiel die Angabe „3. stationäre Behandlung“, ist nichts anderes als ein Setzen von Verbindungsdeskriptoren. Enthält in der Literaturdokumentation eine Dokumentationseinheit Zwischenüberschriften oder Kapitel, so können diese Zwischenüberschriften, Kapitel und gegebenenfalls Unterkapitel durchnummeriert werden (falls sie nicht schon vom Autor nummeriert sind). Diese Kapitelnummern sind dann Verbindungsdeskriptoren. Verwendet ein Autor hierarchisch strukturierte Kapitelnummern, so können diese ebenfalls als Verbindungsdeskriptoren verwendet werden, ja sie ermöglichen sogar Abfragen mit verschieden starken Verbindungsbedingungen wie z.B. „genau gleicher Verbindungsdeskriptor“ oder „gleicher Verbindungsdeskriptor im obersten hierarchischen Niveau“. Anstelle der beschriebenen logischen Strukturierungen der Dokumentationseinheiten kann auch eine mehr äußerliche Strukturierung treten. Dazu gehört in der klinischen Dokumen-

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

203

tation das Behandlungsjahr (oder auch noch Behandlungsmonat, im Extremfall auch das volle Tagesdatum). Die formale Suchfrage des ersten Beispiels würde dann lauten: Herzinfarkt š Acetylsalicylsäure š gleiches Behandlungsjahr. Das Behandlungsjahr wird also als Verbindungsdeskriptor verwendet. Allerdings verhindert in diesem Beispiel das Behandlungsjahr als Verbindungsdeskriptor nicht das falsche Selektieren dieser Dokumentationseinheit, da die beiden abgefragten Deskriptoren (Acetylsalicylsäure und Herzinfarkt) im gleichen Kalenderjahr auftraten. Würde dagegen das Quartal oder der Kalendermonat als Verbindungsdeskriptor verwendet, so wäre die Verwendung dieses „Hilfs-Verbindungsdeskriptors“ wirksam gewesen. In der Literaturdokumentation kann eine äußerliche Strukturierung der Dokumentationseinheiten erfolgen, indem innerhalb jeder Dokumentationseinheit die Seiten durchnummeriert und dann die Seitenzahlen als Verbindungsdeskriptoren verwendet werden. Anstelle der Durchnummerierung der Seiten kann auch eine Durchnummerierung der Absätze, der Sätze, der Zeilen oder sogar eine Durchnummerierung der Wörter (Token) treten. Auf diese feinen Verbindungsdeskriptoren kommen wir im Thema 24.6 (Verbindungsdeskriptoren und Distanzmaße bei der Freitextsuche) zurück. Wird z.B. die Seitenzahl als Verbindungsdeskriptor verwendet, so muss jede Seite der Dokumentationseinheit separat indexiert werden. Die Bedingung š gleicher Verbindungsdeskriptor bedeutet praktisch, dass nicht die Deskriptoren der Dokumentationseinheit, sondern die Deskriptoren einer Seite der Dokumentationseinheit die formale Suchfrage erfüllen müssen. Wird ohne Verbindungsdeskriptoren gearbeitet, so sollte der Indexierer darauf achten, dass die von ihm für eine Dokumentationseinheit ausgewählten Deskriptoren keine unerwünschten und unzutreffenden Kombinationen ergeben und notfalls  soweit möglich  andere Deskriptoren wählen. Diese Indexierungsregel ist umso wichtiger, je mehr Deskriptoren einer Dokumentationseinheit indexiert werden.

20.4 Notwendigkeit für Funktionsdeskriptoren Ein und derselbe inhaltliche Deskriptor kann in verschiedenen Dokumentationseinheiten unterschiedliche Bedeutungen haben, sehr unterschiedliche Rollen spielen oder in sehr verschiedenartigen Funktionen auftreten. So kann z.B. der Deskriptor „Bestrahlung“ in der einen Dokumentationseinheit die Ursache für ein Karzinom bezeichnen und in einer anderen Dokumentationseinheit die Therapie eines Karzinoms beschreiben. Ebenso kann der Deskriptor Wundinfektion die Ursache eines Krankenhausaufenthaltes angeben oder die Folge eines Krankenhausaufenthaltes darstellen, wenn die Wunde des Patienten durch im Krankenhaus vorhandene Keime infiziert wurde (eine so genannte nosokomiale Infektion). Im zweiten eingangs gegebenen Beispiel bezeichnet der Deskriptor Stickstoffdioxid sowohl das Ergebnis einer chemischen Reaktion als auch einen Ausgangsstoff einer chemischen Reaktion. Enthält ein Ordnungssystem lediglich inhaltliche Deskriptoren, wie z.B. Bestrahlung, Wundinfektion oder Stickoxid, Sauerstoff, Stickstoffdioxid, Wasser, salpetrige Säure und Salpetersäure, so können beim Recherchieren die verschiedenen Funktionen, die die inhaltlichen Deskriptoren in den verschiedenen Dokumentationseinheiten haben, nicht unterschieden werden. Wird z.B. nach Bestrahlung abgefragt, so werden sowohl die Dokumentationseinheiten selektiert, bei denen eine Strahlenbelastung in der Anamnese vorkommt, als auch die Dokumentationseinheiten, die eine Strahlentherapie beinhalten. Will ein Benutzer einer che-

204

Thema 20

mischen Dokumentation wissen, wie z.B. Stickstoffdioxid hergestellt wird, so erhält er auf die formale Suchfrage Stickstoffdioxid auch alle die Dokumentationseinheiten, in denen Stickstoffdioxid zur Herstellung anderer chemischer Verbindungen verwendet wird und die mit der Herstellung des Stickstoffdioxids nichts zu tun haben.

20.5 Funktionsdeskriptoren Um die verschiedenen Bedeutungen, die ein inhaltlicher Deskriptor in verschiedenen Dokumentationseinheiten haben kann, näher zu beschreiben, werden Funktionsdeskriptoren oder Funktionsanzeiger (englisch: role-indicators oder kurz roles) eingeführt. Beispiele für Funktionsdeskriptoren sind: ist Ausgangsstoff (Rohmaterial), ist Zwischenprodukt, ist Endprodukt, ist Nebenprodukt; ist Subjekt, ist Objekt; ist (möglicherweise) Ursache, ist Therapie, ist unerwünschte Wirkung (einer Medikation), ist postoperative Komplikation. Sind Funktionsdeskriptoren eingeführt, so setzt sich ein Deskriptor zusammen aus einem inhaltlichen Deskriptor und einem Funktionsdeskriptor. In ihrer reinen Form können Funktionsdeskriptoren und inhaltliche Deskriptoren frei kombiniert werden. Dann erhält das Ordnungssystem eine Menge inhaltlicher Deskriptoren und eine meist viel kleinere Menge Funktionsdeskriptoren. Indexierer und Rechercheure entnehmen nun einen inhaltlichen und einen Funktionsdeskriptor und bilden aus diesen beiden einen einzigen zusammengesetzten Deskriptor. Selbstverständlich können einer Dokumentationseinheit mehrere zusammengesetzte Deskriptoren indexiert werden, oder es kann eine formale Suchfrage aus mehreren zusammengesetzten Deskriptoren bestehen. Beispiel für indexierte Deskriptoren, die sich aus einem inhaltlichen Deskriptor und einem Funktionsdeskriptor zusammensetzen, sind: x Stickoxid (als Ausgangsstoff), x Sauerstoff (als Ausgangsstoff), x Stickstoffdioxid (als Produkt), x Stickstoffdioxid (als Ausgangsstoff), x Wasser (als Ausgangsstoff), x salpetrige Säure (als Produkt), x Bestrahlung (in der Anamnese), x Bestrahlung (als Therapie), x Cytostatika (als Therapie). Dabei sind die Funktionsdeskriptoren in Klammern gesetzt. Beispiele für formale Suchfragen mit Deskriptoren, die aus inhaltlichen Deskriptoren und Funktionsdeskriptoren bestehen, sind: x Bestrahlung (als Ursache) š Karzinom (als Primärerkrankung), x Karzinom (als Primärerkrankung) š Bestrahlung (als Therapie), x offene Fraktur (als Primärerkrankung) š Wundinfektion (als krankenhausbedingte, nosokomiale Komplikation), x Stickoxid (als Ausgangsstoff) š Wasser (als Ausgangsstoff) š salpetrige Säure (als Produkt) š Salpetersäure (als Produkt). Durch die Funktionsdeskriptoren werden die vorher beschriebenen Probleme überwunden.

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

205

Formal betrachtet können Funktionsdeskriptoren sowohl bei der Klassifikation (als dem wichtigsten Vertreter der nicht-kombinatorischen Ordnungsprinzipien) als auch bei der Begriffskombination (als dem wichtigsten Vertreter der kombinatorischen Ordnungsprinzipien) verwendet werden. Allerdings lohnt sich der Aufwand der Funktionsdeskriptoren meist nur in größeren Dokumentationen, die dann ohnehin kombinatorisch arbeiten. Die Handhabung von Deskriptoren, die aus einer inhaltlichen und einer funktionalen Komponente bestehen, erfordert  wenn die inhaltlichen Deskriptoren und die Funktionsdeskriptoren frei kombinierbar sind  eine dafür entwickelte Software. Würde für jeden inhaltlichen Deskriptor und für jeden Funktionsdeskriptor des Ordnungssystems ein gewöhnlicher Speicherplatz im Deskriptorenspeicher angelegt und beim Einspeichern wie gewöhnlich verfahren, so ginge die Zuordnung, welcher Funktionsdeskriptor zu welchem inhaltlichen Deskriptor gehört, verloren. Lediglich in dem seltenen Sonderfall, dass jeder Dokumentationseinheit nur ein einziger inhaltlicher Deskriptor indexiert wird, kann mit den üblichen Programmen gearbeitet werden: Bei einer Recherche werden dann genau zwei Deskriptoren abgefragt, ein inhaltlicher Deskriptor und ein Funktionsdeskriptor.

20.6 Ersatzmöglichkeiten für Funktionsdeskriptoren In vielen Dokumentationen bedürfen nur einige wenige inhaltliche Deskriptoren der genaueren Bestimmung durch Funktionsdeskriptoren, während die meisten inhaltlichen Deskriptoren nur in einer einzigen und eindeutigen Funktion verwendet werden. In diesen Fällen ist es meist zweckmäßiger, Funktionsdeskriptoren und inhaltliche Deskriptoren nicht frei zu kombinieren, sondern einander schon im Ordnungssystem fest zuzuordnen. Bei dieser Präkombination von inhaltlichem Deskriptor und Funktionsdeskriptor (d.h. bestimmte inhaltliche Deskriptoren können nur mit bestimmten Funktionsdeskriptoren auftreten) kann auch mit den üblichen Dokumentations- und Retrievalprogrammen gearbeitet werden. Jede zugelassene Kombination eines inhaltlichen Deskriptors mit einem Funktionsdeskriptor wird wie ein eigener Deskriptor behandelt, z.B. ist „Bestrahlung (cancerogen)“ ein Deskriptor, „Bestrahlung (therapeutisch)“ ein anderer Deskriptor, und „Wundinfektion (primär)“, „Wundinfektion (nosokomial)“, „Stickstoffdioxid (als Ausgangsmaterial)“ und „Stickstoffdioxid (als Produkt)“ sind jeweils getrennte Deskriptoren. Im einfachsten Fall ist ein inhaltlicher Deskriptor, der zwei oder mehrere Funktionen haben kann, einfach als Homonym zu betrachten, das durch Zusätze (nämlich die Funktionsdeskriptoren) eindeutig gemacht wird. Die Präkombination der inhaltlichen Deskriptoren mit den Funktionsdeskriptoren hat nichts zu tun mit der Kombination der inhaltlichen Deskriptoren untereinander (Ordnungsprinzip Begriffskombination). Es können sehr wohl einige inhaltliche Deskriptoren mit ihren Funktionen fest verbunden sein, während ansonsten ein kombinatorisches Ordnungsprinzip verwendet wird. Eine zweite Möglichkeit, eingeschränkt mit Funktionsdeskriptoren zu arbeiten, ist die Fassettenklassifikation, da die Überschriften der Teilklassifikationen ähnliche Aufgaben wie Funktionsdeskriptoren erfüllen können. Die Fassetten lauten dann z.B. Ausgangsmaterial, Verfahren und Endprodukt oder Krankheitsursache, Diagnose, Therapie, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Komplikationen und Therapieerfolg.

206

Thema 20

Das Beschreiben von Funktionen durch die Fassetten der Fassettenklassifikation ist den bekannten Beschränkungen der Fassettenklassifikation unterworfen: x nur wenige, d.h. zwei bis etwa sechs, Funktionsdeskriptoren, da jeder Funktionsdeskriptor eine Fassette ist, x jede Dokumentationseinheit sollte unter allen Funktionsdeskriptoren indexiert werden können, x für jede Dokumentationseinheit und jeden Funktionsdeskriptor ist nur genau ein inhaltlicher Deskriptor möglich.

20.7 Gleichzeitige Verwendung von Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren Arbeitet eine Dokumentationsstelle sowohl mit Verbindungs- als auch mit Funktionsdeskriptoren, so kann dies zusätzliche Probleme schaffen. Dazu greifen wir das bei diesem Thema eingangs gegebene Beispiel aus der Chemie wieder auf. Die dort beschriebene Dokumentationseinheit erhält folgende sieben Deskriptoren, die jeweils aus einem inhaltlichen Deskriptor, einem Funktionsdeskriptor und einem Verbindungsdeskriptor bestehen: Stickoxid (als Ausgangsstoff) Sauerstoff (als Ausgangsstoff) Stickstoffdioxid (als Produkt) Stickstoffdioxid (als Ausgangsstoff) Wasser (als Ausgangsstoff) salpetrige Säure (als Produkt) Salpetersäure (als Produkt)

1 1 1 2 2 2 2

Angenommen, ein Benutzer möchte wissen, wie aus Stickoxid, Sauerstoff und Wasser Salpetersäure hergestellt wird. Der Dokumentar stellt die formale Suchfrage: Stickoxid (als Ausgangsstoff) š Sauerstoff (als Ausgangsstoff) š Wasser (als Ausgangsstoff) š Salpetersäure (als Produkt) š gleicher Verbindungsdeskriptor. Die beschriebene Dokumentationseinheit wird nicht selektiert, obwohl sie relevant ist. Die Dokumentationseinheit ist deshalb relevant, da sie zunächst beschreibt, wie aus Stickoxid und Sauerstoff Stickstoffdioxid entsteht und dann, wie aus Stickstoffdioxid und Wasser Salpetersäure entsteht. Sie wird nicht selektiert, weil die in der Suchfrage enthaltenen Deskriptoren nicht mit dem gleichen Verbindungsdeskriptor auftreten. Als Abhilfe muss eine Brücke geschlagen werden zwischen den beiden in der Dokumentationseinheit beschriebenen Sachverhalten. In unserem Beispiel entsteht diese Brücke dadurch, dass den Deskriptoren Stickoxid (als Ausgangsstoff) und Sauerstoff (als Ausgangsstoff) sowohl der Verbindungsdeskriptor 1 als auch der Verbindungsdeskriptor 2 zugeordnet wird. Damit wird berücksichtigt, dass das unter dem Verbindungsdeskriptor 1 hergestellte Stickstoffdioxid unter dem Verbindungsdeskriptor 2 weiterverarbeitet werden kann. Das gleiche Problem kann auch bei dem medizinischen Beispiel auftreten. Eine Strahlentherapie kann gleichzeitig die Ursache für eine spätere Erkrankung sein. Ein anderes medizinisches Beispiel ist die Therapie eines Knochenbruchs mit einer Platte, Schraube, einem Draht oder Nagel. Diese Therapie mit dem Verbindungsdeskriptor 1 ist gleichzeitig Ursache für eine spätere Operation zur Metallentfernung mit dem Verbindungsdeskriptor 2.

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

207

20.8 Die Bedeutung der Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren werden hier zwar in einem gemeinsamen Thema behandelt, sind aber getrennt zu betrachten. Die meisten Dokumentationen haben weder Verbindungs- noch Funktionsdeskriptoren eingeführt, einige Dokumentationen haben Verbindungsdeskriptoren, andere Dokumentationen haben Funktionsdeskriptoren, sehr wenige Dokumentationen haben sowohl Verbindungs- als auch Funktionsdeskriptoren. Selbstverständlich haben alle Dokumentationen im Sinne von Information Retrieval inhaltliche Deskriptoren. Sowohl Verbindungs- als auch Funktionsdeskriptoren erfordern ein ausgereiftes und komfortables Ordnungssystem, ein Mindestmaß an Indexierungsgenauigkeit allein durch die inhaltlichen Deskriptoren, erfahrene und sachkundige Indexierer und Rechercheure sowie eine leistungsfähige Datenbank und Retrieval-Software. Die Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren stützen die im Thema 16.11 angesprochene Idee der Dokumentationssprache. Eine Dokumentationssprache hat nun wie eine natürliche Sprache mehrere Wortarten (nämlich inhaltliche Deskriptoren, Verbindungsdeskriptoren, Funktionsdeskriptoren). Sie hat insofern eine kompliziertere Grammatik, als inhaltliche Deskriptoren, Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren enger verknüpft werden (etwa einem Satzteil entsprechend). Eine Indexierung oder Suchfrage besteht dann aus mehreren untereinander verknüpften „Satzteilen“. Das Indexieren mit inhaltlichen Deskriptoren, Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren nennt man auch syntaktisches Indexieren. Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren sind für anspruchsvolle Dokumentationen gedacht, nicht für kleinere und neu begonnene Dokumentationen, mit denen erst noch Erfahrung gesammelt werden muss. Ein Dokumentar muss jedoch  gleichgültig ob in einer Dokumentation mit Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren gearbeitet wird oder nicht  die Probleme kennen, die mit den Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren angegangen werden. Hier liegt der Hauptzweck dieses Themas und deshalb wurden auch den Ersatzmöglichkeiten für Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren Raum gegeben. Zumindest muss ein Dokumentar überlegen können, worauf ein unbefriedigendes Rechercheergebnis beruhen könnte und in diese Überlegungen auch die Probleme, die zu Verbindungs- und Funktionsdeskriptoren führen können, mit einbeziehen. Bei seiner Arbeit sollte der Dokumentar hinsichtlich der Verbindungsdeskriptoren x bei der Festlegung, was als Dokumentationseinheit aufgefasst wird, auf eine geeignete Größe der Dokumentationseinheiten achten, x die den Dokumentationseinheiten innewohnenden logischen Strukturen (z.B. Kapitelnummern, Behandlungen) als Ersatz für Verbindungsdeskriptoren einsetzen, x prüfen, ob er äußere Strukturen der Dokumentationseinheiten (z.B. Seiten, Abschnitte, Behandlungsjahre) als Ersatz für Verbindungsdeskriptoren verwenden kann, x gegebenenfalls beim Indexieren (und Recherchieren) Verbindungsdeskriptoren setzen und in seinen Deskriptorenspeicher einspeichern. Die Einführung von Verbindungsdeskriptoren ist nur zweckmäßig bei der detaillierten Erschließung komplexer Dokumentationseinheiten. Praktische Bedeutung haben Verbindungsdeskriptoren bisher bei der Dokumentation chemischer Literatur und chemischer Formeln, bei der Freitextsuche und vereinzelt in der klinischen Dokumentation erlangt.

208

Thema 20

Hinsichtlich der Funktionsdeskriptoren ist zu beachten: x

x

x x x

Während der Erstellung eines Ordnungssystems ist bei der Festlegung inhaltlicher Deskriptoren auf die vielleicht verschiedenen Funktionen dieser inhaltlichen Deskriptoren zu achten. Bei kombinatorischen Ordnungssystemen ist einerseits eine möglichst vielseitige Verwendbarkeit eines inhaltlichen Deskriptors zum Erreichen eines hohen Kombinationsfaktors erwünscht, andererseits sind die aus unterschiedlichen Funktionen eines inhaltlichen Deskriptors resultierenden und hier angesprochenen Probleme zu berücksichtigen. Falls erforderlich und zweckmäßig, sollte der Dokumentar den gleichen inhaltlichen Deskriptor unter verschiedenen Funktionen mehrfach in das Ordnungssystem aufnehmen (Präkombination von inhaltlichem Deskriptor und Funktionsdeskriptor). Deskriptoren, die sich in ihrem Funktionsteil, aber nicht in ihrem inhaltlichen Teil unterscheiden, sind trotzdem getrennte Deskriptoren, die z.B. mit assoziativen Verweisen zu verbinden sind. Beim Anlegen einer Fassettenklassifikation ist darauf zu achten, ob und in wieweit die Fassetten die Aufgabe von Funktionsdeskriptoren übernehmen können. Beim Indexieren und Recherchieren ist die Funktion, die ein inhaltlicher Deskriptor in einer Dokumentationseinheit bzw. Suchfrage hat, zu berücksichtigen, Falls erforderlich, sind frei kombinierbare Funktionsdeskriptoren einzuführen. Bevor mit dem Indexieren begonnen wird, ist ein Ordnungssystem mit inhaltlichen Deskriptoren und Funktionsdeskriptoren zu schaffen, und es müssen geeignete EDV-Programme verfügbar sein.

Das Einführen von frei kombinierbaren Funktionsdeskriptoren lohnt nur bei großen Dokumentationen mit vielen Dokumentationseinheiten bei gleichzeitig großer Indexierungsgenauigkeit. Dagegen ist bei einzelnen inhaltlichen Deskriptoren das feste Zuordnen einzelner Funktionsdeskriptoren bei praktisch allen Ordnungssystemen in Erwägung zu ziehen.

20.9 Formale Deskriptoren Für eine Dokumentation kann es außerordentlich nützlich sein, wenn neben den inhaltlichen Deskriptoren auch einige mehr formale Angaben über die Dokumentationseinheiten in die Suchfrage eingebaut werden können. Dies setzt voraus, dass logische Verknüpfungen in der Suchfrage zugelassen sind. Wichtige Angaben, die sich als formale Deskriptoren eignen, können sein: x

Publikationszeitpunkt, Erfassungszeitpunkt, Aufnahme- und Entlassdatum bei stationären Patienten, Messzeitpunkt in der Datendokumentation oder dergleichen. Wird eine Zeitangabe in den Deskriptorenspeicher mit eingespeichert, so nennt man sie einen Zeitdeskriptor. Zeitdeskriptoren werden benutzt, um den Zeitraum, auf den sich eine Recherche erstreckt, zu begrenzen. Im Thema 29.3 (Permanente Suchfragen) und Thema 33.7b (Abgrenzen alter Bestände) werden wir noch einmal auf die Zeitdeskriptoren zurückkommen. Sind Zeitdeskriptoren eingeführt, so sind sie (wie die Fassetten einer Fassettenklassifikation) obligatorisch, d.h. jeder Dokumentationseinheit muss genau ein Zeitdeskriptor indexiert werden. Der Vorteil der Zeitdeskriptoren liegt vor allem darin, dass der Zeitraum, über den sich eine Recherche erstrecken soll, gut variiert werden kann und auch extrem große Deskriptorenspeicher sinnvoll genutzt werden können. Werden ziemlich genaue Zeitdeskriptoren verwendet (z.B. genaues Kalenderdatum), so muss das Retrievalprogramm bei den Zeitdeskriptoren > und < Relationen zulassen, damit auch von ... bis ... abgefragt werden kann.

Verbindungs-, Funktions-, formale und gradierte Deskriptoren

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x

Viele Benutzer haben nur Interesse an Dokumentationseinheiten, die in einer oder in bestimmten Sprachen geschrieben sind. Dann ist die Suche auf Dokumentationseinheiten in bestimmten Sprachen einzuschränken. Um dies zu ermöglichen, muss für jede Dokumentationseinheit die Sprache, in der sie geschrieben ist, als Sprachdeskriptor mit in den Deskriptorenspeicher eingespeichert werden.

x

Gelegentlich werden auch Angaben zur Form der Dokumentationseinheiten (z.B. Aufsatz, Buch, Tabelle, EDV-Programm) mit in den Deskriptorenspeicher eingegeben. Weitere Angaben aus der formalen Erfassung werden nicht in den allgemeinen Deskriptorenspeicher, sondern besser in separate Speicher genommen (Autorenverzeichnis, Titelverzeichnis usw.).

Hat ein Ordnungssystem formale Deskriptoren, z.B. Zeit- und Sprachdeskriptoren, so entspricht es in gewisser Hinsicht einer Fassettenklassifikation mit den „Fassetten“ Inhalt, Zeit, Sprache. Allerdings dominiert die „Fassette“ Inhalt, und diese muss auch nicht klassifikatorisch aufgebaut sein. Meist werden die Zeit-, Sprach- und andere formale Deskriptoren jedoch außerhalb des Ordnungssystems der inhaltlichen Deskriptoren festgelegt.

20.10 Gradierte inhaltliche Deskriptoren Inhaltliche Deskriptoren beschreiben den „Inhalt“, den in der Dokumentationseinheit behandelten Sachverhalt. Die Bezeichnung „inhaltliche“ Deskriptoren wird nur benutzt, um sie von Verbindungsdeskriptoren, Funktionsdeskriptoren und formalen Deskriptoren zu unterscheiden. Bisher war ein inhaltlicher Deskriptor für eine Dokumentationseinheit entweder zutreffend und wurde indexiert oder er war nicht zutreffend und wurde nicht indexiert. Auch in einer formalen Suchfrage wurde ein bestimmter Deskriptor abgefragt oder eben nicht. Diese Allesoder-Nichts-Situation, diese Beschränkung auf ja oder nein ist für manche Sachverhalte unbefriedigend. Dazu gehören z.B. Schmerzen, Intensitäten, Einschränkungen, eben alle Sachverhalte, für die eine ja/nein Entscheidung zu grob ist. Damit entsteht der Wunsch, einzelne Deskriptoren nicht nur zuzuteilen (entspricht ja) oder nicht (entspricht nein), sondern abzustufen, in unterschiedlichem Grad als zutreffend zu verwenden. Für eine allgemeine Dokumentation wird z.B. der Deskriptor „Schmerz“ mit „ja, trifft zu, wird zugeteilt“ oder „nein, trifft nicht zu, wird nicht zugeteilt“ ausreichen. In einer klinischen Dokumentation ist an dieser Stelle eine höhere Indexierungsgenauigkeit erwünscht und deshalb wird der Deskriptor „Schmerz“ gradiert. Er kann z.B. folgende 5 Stärkegrade haben: „kein“ (Deskriptor wird nicht zugeteilt), „gering“, „mäßig“, „stark“ und „sehr stark“. Sind nur einzelne Deskriptoren abzustufen, so kann für jeden Grad ein eigener Deskriptor eingeführt werden. Um das Beispiel nochmals aufzugreifen werden aus dem einen Deskriptor „Schmerz“ die 4 Deskriptoren „geringer Schmerz“, „mäßiger Schmerz“, „starker Schmerz“ und „sehr starker Schmerz“. Diese Lösung hat die ICD-10-GM 2005 gewählt, dort gibt es für die Klasse J44.8- Sonstige näher bezeichnete chronische obstruktive Lungenkrankheit die Unterklassen J44.80 FEV1 105 Dokumentationseinheiten) geplant, so ist auf den Speicherbedarf je Dokumentationseinheit und auf die Antwortzeiten beim Recherchieren zu achten sowie darauf, ob mehrere Arbeitsplätze gleichzeitig und unabhängig voneinander benutzt werden können. Weiter ist zu prüfen, ob auch die formale Titelaufnahme und die Erfassung anderer formaler Deskriptoren (Erstautor, Koautoren, Institution, Sprache, Erscheinungsdatum usw.) ebenfalls gespeichert werden und in die Abfrage eingebunden werden können. Schließlich kann wichtig sein, ob auch Abstracts und Volltext gespeichert werden können und ob das System aktive Dokumentationsdienste (s. Thema 29) ebenfalls unterstützt. Wichtig ist auch, ob das Ordnungssystem in das Dokumentations- und Retrievalsystem eingebunden werden kann. Ist dies der Fall, so kann das Indexieren und das Aufsuchen geeigneter Deskriptoren für die Recherche unterstützt werden. Beim Indexieren oder Recherchieren wird ein Schlagwort eingegeben, und das System präsentiert die zugehörige Vorzugsbenennung samt allen Verweisen. Der Dokumentar kann dann einzelnen Verweisen nachgehen und schließlich beim Indexieren den Deskriptor zuordnen oder beim Recherchieren der formalen Suchfrage hinzufügen. Durch eine elegante Verknüpfung von Retrievalsystem und Ordnungssystem gewinnt eine Software erheblich an Komfort. Ebenso wichtig sind natürlich die Retrievalmöglichkeiten mit allen logischen Verknüpfungen und allen weiteren Hilfsmitteln wie eine Angabe der selektierten Dokumente je Deskriptor, die Anzeige der den selektierten Dokumenten zugeordneten Deskriptoren, die nicht in der Suchfrage enthalten sind usw. Für die Auswahl eines Dokumentations- und Retrievalsystems ist aber auch wichtig, wie gut sich die Software an die organisatorischen Gegebenheiten der Dokumentationsstelle anpassen lässt, welche Betriebsstatistiken und Statistiken für die Revision des Ordnungssystems sie liefert, wie gut die Rechercheergebnisse konfektioniert und ausgedruckt werden können und ob Downloading möglich ist. Schließlich ist aber auch noch wichtig, welche Sicherheit es hinsichtlich Lebensdauer, unbeabsichtigtem Löschen und dem Anlegen und Restaurieren von Sicherheitskopien bietet. Selbstverständlich sollte die Software stabil und ausgereift sein und nicht allzu viele Kinderkrankheiten haben. Die Wartung sollte nicht nur aktuell, sondern auf lange Sicht zufriedenstellend gewährleistet sein. Schließlich wird man auch die Anschaffungs- und laufenden Kosten berücksichtigen für die Entscheidung, welches Dokumentations- und Retrievalsystem angeschafft wird.

252

Thema 23

23.6 Inbetriebnahme und Pflege des Deskriptorenspeichers Nicht immer ist es zweckmäßig, auf unbegrenzte Zeit den gleichen Deskriptorenspeicher zu verwenden. Das Anlegen eines neuen Deskriptorenspeichers ist erforderlich oder zumindest zu erwägen x zu Beginn einer Dokumentation, x um alte und neue Bestände zu separieren, x falls keine Zeitdeskriptoren verwendet werden, in regelmäßigen Abständen, wie z.B. jährlich oder alle fünf Jahre, x beim Wechsel auf ein anderes Ordnungssystem oder beim Verwenden einer wesentlich geänderten Revision des Ordnungssystems, x wenn das bisherige Retrievalsystem den Anforderungen und Wünschen nicht mehr genügt und auf ein leistungsfähigeres umgestiegen werden soll. Der Deskriptorenspeicher gilt zu Recht als Herz einer Dokumentation. Korrekturen im Deskriptorenspeicher sollten nur wenige, besonders erfahrene und zuverlässige Personen mit besonderer Berechtigung ausführen können. Der Deskriptorenspeicher enthält das Ergebnis jahrelanger Arbeit der Dokumentationsstelle. Deshalb ist er gegen Brand, Wasserschaden, Diebstahl, mutwillige Zerstörung und die Folgen von Hardwarefehlern abzusichern (Datensicherung). Enthalten die Dokumentationseinheiten personenbezogene oder geheime Angaben (wie z.B. in der klinischen Dokumentation), so ist der Deskriptorenspeicher (und natürlich auch der Dokumentenspeicher) gegen unbefugten Zugriff zu schützen (Datenschutz).

23.7 Fragen F23.1 Eine Dokumentationsstelle hat ein Ordnungssystem mit etwa 500 Deskriptoren und speichert jährlich etwa 10 000 Dokumentationseinheiten ein. Berechnen Sie, wie hoch bei optimaler Packung der Speicherbedarf innerhalb von 5 Jahren ist.

F23.2 Eine Dokumentation arbeitet mit schlagwortähnlichen Deskriptoren, die in einem Thesaurus zusammengefasst sind. a) Welche Voraussetzungen im Ordnungssystem müssen gegeben sein, um hierarchisch recherchieren zu können? b) Welche Anforderungen muss das Retrievalprogramm erfüllen, damit hierarchisch recherchiert werden kann?

Thema 24:

Freitextsuche 24.1 Arbeitsweise und Bezeichnungen Die Freitextsuche knüpft sowohl an das freie Indexieren als auch an das Ordnungsprinzip Begriffskombination an. Sie setzt voraus, dass die Dokumentationseinheiten Text enthalten. Es wird kein Ordnungssystem, sondern eine Liste von Nicht-Stichwörtern verwendet. Alle Wörter einer Dokumentationseinheit, soweit sie nicht in der Liste der Nicht-Stichwörter enthalten sind, werden als Deskriptoren betrachtet. Damit erfordert das Zuteilen der Deskriptoren keine intellektuelle Leistung mehr und kann durch EDV-Programme erfolgen. Die so gewonnenen Deskriptoren werden wie im Ordnungsprinzip Begriffskombination verwendet. Als Deskriptorenspeicher ist ein Computer mit für Freitext geeigneten Aufbereitungs-, Speicher- und Retrievalprogrammen notwendig. Bei der Freitextsuche ist „Deskriptor“ in einem weiteren Sinne als sonst zu verstehen. Ein Deskriptor ist einfach ein Wort des Textes der Dokumentationseinheit (Stichwort), unter dem die Dokumentationseinheit wieder gefunden werden kann. Zum Beispiel enthält der Text „Der eine Mann stand, der andere Mann saß“, die vier Nicht-Stichwörter „der“, „eine“, „der“, „andere“ sowie die vier Stichwörter „Mann“, „stand“, „Mann“ und „saß“. Neben den Stichwörtern und Nicht-Stichwörtern unterscheidet man außerdem Tokens und Types. Ein Token ist jedes Wort des Textes, ein Type jedes verschiedene, jedes neu auftretende Wort des Textes. Das genannte Textbeispiel enthält also 8 Tokens (der, eine, Mann, stand, der, andere, Mann, saß) und 6 Types (der, eine, Mann, stand, andere, saß). Bei der Freitextsuche werden als Deskriptoren die Types der Stichwörter einer Dokumentationseinheit verwendet, in unserem Beispiel sind die 3 Deskriptoren „Mann“, „stand“ und „saß“. Die Anzahl der Deskriptoren je Dokumentationseinheit ist  insbesondere bei kurzen Dokumentationseinheiten  ein beachtlicher Anteil an der Gesamtzahl der Wörter (Tokens) der Dokumentationseinheit. Sie ist damit erheblich größer als beim Ordnungsprinzip Begriffskombination. Um bei der Recherche kurze Antwortzeiten zu erreichen, werden die Types der Stichwörter invertiert, d.h. es wird ein invertiertes File angelegt (s. Thema 11.2), in dem bei der Recherche zugegriffen wird. Das Anlegen einer invertierten Datei beschleunigt die Recherche, lohnt sich aber nur, wenn genügend häufig recherchiert wird. Die Bezeichnung Freitextsuche ist die wörtliche Übersetzung der englischen Bezeichnung free text search. Im Deutschen sind auch die Bezeichnungen Volltextsuche und Stichwortsuche üblich, allerdings wird bei der Bezeichnung Volltextsuche unterstellt, dass eine in sich abgeschlossene Dokumentationseinheit vollständig  nicht nur ihr Titel oder ein Abstract  der Freitextsuche zugänglich ist. Aus Sicht der Informatik sind Texte eine Folge von Zeichen (character string), wobei (Schrift-)Zeichen der Oberbegriff von Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen ist. Die Freitextsuche prüft, ob das gesuchte Wort (Suchwort) im Text der Dokumente vorkommt, d.h. es wird geprüft, ob die Zeichenkette des Suchworts in den Dokumenten vorkommt. Deshalb

254

Thema 24

heißt die Freitextsuche auch string search oder Suche nach Zeichenketten. Allerdings spricht man von string search nur dann, wenn EDV-intern im Basisfile des Textes und nicht in invertierten Dateien zugegriffen wird. Alle Bezeichnungen bringen klar zum Ausdruck, dass die Hauptarbeit die Suche, die Recherche ist.

24.2 Ordnungssystem versus Liste der Nicht-Stichwörter Die Liste der Nicht-Stichwörter ist in mancher Hinsicht das genaue Gegenstück eines Ordnungssystems. Während die Liste der Nicht-Stichwörter alle Benennungen enthält, die als Deskriptoren verboten sind (Negativliste), ist ein Ordnungssystem eine Liste der zugelassenen Deskriptoren (Positivliste). Die Liste der Nicht-Stichwörter enthält vor allem Wörter, die vorwiegend eine grammatikalische Funktion haben. Dazu gehören z.B. Artikel (der, die, das, ein, eine usw.), Konjunktionen (und, oder, sowie usw.), Präpositionen (über, unter, neben usw.) usw. Allerdings können viele Nicht-Stichwörter die Bedeutung eines Textes erheblich verändern, z.B. „Aufbereitung von Wasser“ (im Sinne der Trinkwasseraufbereitung) und „Aufbereitung mit Wasser“ (im Sinne der Aufbereitung von Lebensmitteln oder Materialien mithilfe von Wasser). Die Liste der Nicht-Stichwörter kann auch Wörter enthalten, die eine so allgemeine und vielseitige Bedeutung haben, dass sie ohne Zusammenhang ziemlich nichts sagend sind, z.B. System, gut, groß, Institut. Die Liste der Nicht-Stichwörter muss alle grammatikalischen Varianten der Wörter enthalten, also sowohl Ein- als auch Mehrzahl, Genitiv usw. Beispiel: System, Systeme, Systemen, Systems. Anstelle der Bezeichnung NichtStichwörter gibt es auch die Bezeichnungen Stoppwörter, stop words, Negativwörter oder throw-away words. Eine Liste der Nicht-Stichwörter ist weit weniger fachbezogen als ein Ordnungssystem. Es kann also die gleiche Liste mit nur geringfügigen Änderungen sowohl für eine z.B. medizinische Dokumentation als auch für eine z.B. elektrotechnische oder chemische Dokumentation verwendet werden. Man wird z.B. in einer medizinischen Dokumentation das Wort „Medizin“ zum Nicht-Stichwort erklären, während dieses Wort in einer nicht-medizinischen Dokumentation durchaus ein Stichwort ist. Die Liste der Nicht-Stichwörter ist jedoch sprachbezogen, d.h. eine Liste der Nicht-Stichwörter in Deutsch, eine Liste der Nicht-Stichwörter in Englisch usw. Eine Liste der Nicht-Stichwörter für Freitextsuche umfasst etwa 20 bis 500 Wörter. Wird eine Liste der Nicht-Stichwörter für die maschinelle Erstellung eines gedruckten Sachwortregisters verwendet, so hat sie wesentlich mehr Einträge. Die frühere Zentralstelle für maschinelle Dokumentation hat schon 1968 eine Liste der Nicht-Stichwörter im Deutschen (Lit. i8) herausgegeben, die etwa 2 500 Wörter enthält. Diese Liste wurde erzeugt, indem die 50 000 Sachtitel mit insgesamt 250 000 Wörtern der Deutschen Bibliografie der Jahre 1966 und 1967 zum Erstellen des gedruckten Sachwortregisters ausgewertet wurden. Die 250 000 Wörter (tokens) bestanden aus 50 000 verschiedenen Wörtern (types), von denen 2 500 (also 5%) zu Nicht-Stichwörtern erklärt wurden. Diese Nicht-Stichwörter stellen 40% des bearbeiteten Textes (also 40% der 250 000 Tokens = 100 000 Wörter) dar. Ebenfalls im Gegensatz zu einem Ordnungssystem muss die Liste der Nicht-Stichwörter nur sehr selten auf einen neueren Stand gebracht werden, da sich die Sprache vorwiegend in ihren sinntragenden Wörtern, jedoch kaum in ihrer Grammatik wandelt. Listen von NichtStichwörtern sind stets maschinenlesbar, da sie ausschließlich maschinell verwendet werden.

Freitextsuche

255

24.3 Intellektuelles Indexieren versus Freitextverarbeitung Das maschinelle Generieren der Deskriptoren aus dem Text der Dokumentationseinheiten mithilfe der Datei der Nicht-Stichwörter ist die extremste Form des freien Indexierens. Durch das Fehlen jeglichen intellektuellen Beitrags wird weder etwas hinzugefügt, noch geht  prinzipiell betrachtet  etwas verloren. Im Gegensatz zum gebundenen Indexieren sind die Deskriptoren stets auf dem allerneuesten Stand, da jede neu aufkommende Benennung automatisch zum Deskriptor wird. Die Anzahl der im Deskriptorenspeicher zu speichernden verschiedenen Deskriptoren ist extrem hoch, kontinuierlich wachsend und vorab nicht bekannt. Die Freitextverarbeitung stellt also sehr hohe Anforderungen an den Deskriptorenspeicher. Die entscheidende Eigenschaft der Freitextverarbeitung ist, dass das intellektuelle Indexieren, die teuerste und fehleranfälligste Arbeit der Dokumentation, völlig entfällt. Es entfällt aber auch jegliche terminologische Kontrolle. Jedoch werden die intellektuellen Leistungen, die persönlichen Mühen und nicht zuletzt die Kosten nicht aufgehoben, sondern lediglich vom Indexieren auf das Recherchieren verlagert. Freitextsuche und intellektuelles Indexieren schließen sich keinesfalls aus. Wie wir im Thema 24.14 (Mischformen aus intellektuellem Erschließen und Freitextsuche) sehen werden, haben gerade Kombinationen aus intellektuellem Erschließen und Freitextsuche große praktische Bedeutung erlangt.

24.4 Formale Suchfrage Der mit großem Abstand schwierigste und teuerste Arbeitsgang bei der Freitextverarbeitung ist das Recherchieren. Deshalb wird das gesamte Verfahren auch nicht Freitextverarbeitung, sondern Freitextsuche genannt. Die Recherche ist aber nicht nur innerhalb der Freitextverarbeitung der schwierigste Arbeitsgang, sie ist auch im Vergleich zu den Recherchen in Dokumentationsstellen, die mit einem Ordnungssystem arbeiten, erheblich schwieriger und aufwändiger. Insbesondere muss die terminologische Kontrolle in die Recherche eingearbeitet werden. Schließlich gilt das zum Thema 22 (Recherchieren und Suchstrategien) Gesagte bei der Freitextsuche in besonderem Maße. Auch die anderen bisher vermittelten Kenntnisse hat ein Freitextrechercheur nicht umsonst gelernt, muss er doch alle die Probleme, die sonst durch das Ordnungssystem und durch das Indexieren abgefangen werden, bei der Recherche bedenken. Die formale Suchfrage kann sich nur auf Wörter, die im Text der Dokumentationseinheiten vorkommen, also letztlich auf Textausschnitte (Stichwörter), beziehen. Andererseits muss die formale Suchfrage aber alle Textvarianten berücksichtigen, mit denen der gesuchte Sachverhalt vielleicht in der Dokumentationseinheit beschrieben sein könnte. Sie muss also alle die zu dem gesuchten Begriff vorhandenen Voll-, Teil- und Quasisynonyme ›-verknüpft enthalten. Beispiel: Auto › Automobil › Wagen › Kraftfahrzeug › Kfz › Personenwagen › Personenkraftwagen › Pkw › Limousine › Cabriolet › Kabriolett › Sportwagen. Es müssen alle Benennungen, die in einem Ordnungssystem zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind, in der formalen Suchfrage mit › verknüpft werden. Werden in einem Ordnungssystem nur wenige Benennungen einer Äquivalenzklasse aufgezählt, so leidet darunter lediglich die Bequemlichkeit der Benutzung. Bei der Freitextsuche führt jedoch eine

256

Thema 24

nicht vollständig erschöpfende Aneinanderreihung aller Benennungen unmittelbar zu einer geringeren Vollzähligkeitsrate. Zum Herausfinden, welche voll-, teil- oder quasisynonyme Benennungen zu einem Begriff existieren, können auch komfortable Ordnungssysteme für gebundenes Indexieren herangezogen werden. Es müssen jedoch in einer formalen Suchfrage für Freitextsuche nicht nur alle Voll-, Teilund Quasisynonyme, sondern auch alle grammatikalischen Abkömmlinge davon (Einzahl, Mehrzahl, Genitiv usw.) eingebracht und mit › verbunden werden. Das bedeutet, dass die formalen Suchfragen außerordentlich lang und unübersichtlich werden können. Beispiel: München › Münchens › (Hauptstadt › Metropole) š (Bayern › Bayerns) › Munich › Munich’s. Bei besonders komfortablen Retrievalprogrammen für Freitextsuche ist es denkbar, dass sich der Rechercheur auf Wunsch zu einer von ihm eingegebenen Benennung die voll-, teil- und quasisynonymen Benennungen anzeigen lassen kann. Dazu müssten im Computer die Äquivalenzklassen eines Ordnungssystems gespeichert sein. Um die formale Suchfrage übersichtlicher zu gestalten, ist es auch wünschenswert, dass der Rechercheur in der formalen Suchfrage eine Reihe mit ›-verknüpften Benennungen durch ein einziges Wort oder Symbol abkürzen kann. Das ist nichts anderes, als das nachträgliche Einführen von Äquivalenzklassen.

24.5 Abgeschnittene Suchwörter Bei Freitext-Suchprogrammen kann wahlweise nicht nur nach ganzen Wörtern gesucht werden, sondern auch nach allen Dokumentationseinheiten, welche die in der formalen Suchfrage enthaltene Zeichenfolge (das kann ein ganzes Wort oder auch nur ein Teil eines Wortes sein) enthalten. Damit ist eine Suche nach Wortstämmen möglich (Wortstamm-Suche). Beispiele für diese so genannten abgeschnittenen Suchwörter (auch maskierte, trunkierte Such- oder Stichwörter, englisch: truncated terms genannt) bzw. Wortstämme sind: Suchwort

zutreffende Wörter in den Dokumenten

Tisch-

Tisch, Tischbein, Tische, Tischfabrikation, Tischgebet, Tischler, tischlern, Tischplatte, Tischschublade, Tischtuch, Tischwein, Tischzeit usw.

Haus-

Haus, Hausbau, Haushalt, haushalten, Hauskauf, Haustür usw.

Der Trennstrich am Ende des Suchworts gibt an, dass auch alle längeren Wörter zutreffend sein sollen. Je nach Retrievalsystem werden anstatt des Trennstrichs auch andere Sonderzeichen verwendet. In abgeschnittenen Suchwörtern wird nicht zwischen Groß- und Kleinbuchstaben unterschieden. Es kann zweckmäßig sein, die Länge der abgeschnittenen Wortteile auf z.B. 5 Buchstaben zu begrenzen. Abgeschnittene Suchwörter sind sehr nützlich, entbinden aber den Rechercheur keinesfalls vom Nachdenken, da sie gleichzeitig zu viel und zu wenig selektieren können. So hat z.B. der „Haushalt“ nichts mit dem Haus zu tun und „Tischgebet“ oder „Tischzeit“ (im Sinne von

Freitextsuche

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Essenszeit) nur noch indirekt mit dem Tisch im Sinne eines Möbelstücks. Umgekehrt fehlen Dokumente mit Wörtern wie Häuserzeile. Das Trunkieren kann auch nach vorne oder nach beiden Seiten gesetzt werden. Beispiele: Suchwort

zutreffende Wörter in den Dokumenten

-Infektion

Darminfektion, Harnwegsinfektion, Infektion, Mageninfektion, Nosokomialinfektion usw.

-Feuer-

befeuern, Feuerung, Feuerversicherung, Feuerstelle, Feuerwehr, Funkenfeuer, Funkfeuer, verfeuern usw.

-Sport

Breitensport, Freizeitsport, Leistungssport, Sport, Tanzsport, Transport usw.

-Sport-

Breitensport, Freizeitsport, Kindersportwagen, Leistungssport, Sport, Sportfeld, Sportkegeln, Sportklub, Sportlehrer, Sportler, sportlich, Sportlichkeit, Sportwagen, Sportwissenschaft, Tanzsport, Transport, Transportunternehmen usw.

Die letzten beiden Beispiele zeigen auch den Nachteil der abgeschnittenen Suchwörter auf: Transport enthält zwar die Zeichenfolge „sport“, hat aber nichts mit Sport zu tun, dasselbe gilt für Kindersportwagen. In der Praxis ist dieses Phänomen gar nicht so selten wie auf den ersten Blick zu vermuten ist. Die Problematik abgeschnittener Suchwörter kann am Suchwort „Arzt“ gezeigt werden: Suchwort

zutreffende Wörter in den Dokumenten

-Arzt-

Arzt, Arztfrau, Arzthelferin, Arztpraxis, Arztrechnung, Chefarzt, Facharzt, Frauenarzt, Harztropfen, Hausarzt, Schwarztee usw.

Leider werden Wörter wie „Ärzte“, „Ärztin“, Ärztekammer“, „ärztlich“ nicht selektiert. Das verschlechtert die Vollzähligkeit. Um die Vollzähligkeitsrate zu verbessern, muss zusätzlich, d.h. ›-verknüpft, das Suchwort „-ärzt-“ abgefragt werden. Umgekehrt haben die Wörter „Harztropfen“ und „Schwarztee“ – obwohl formal korrekt selektiert – wirklich nichts mit dem Suchwort „-Arzt-“ zu tun. Diese sachlich falschen Treffer verschlechtern die Relevanzrate, lassen sich aber nur durch Nicht-Verknüpfungen vermeiden. Eine verbesserte Suchfrage lautet: (-Arzt- › -ärzt-) š™ (Harztropfen › Schwarztee) Durch š-Verknüpfen mehrerer (abgeschnittener) Suchwörter, z.B. (-Arzt- › -ärzt-) š Studium wird die Anzahl der zu Unrecht selektierten Dokumentationseinheiten wieder stark verringert, weil es wenig Dokumente geben wird, in denen z.B. Harztropfen mit Studium oder Schwarztee mit Studium verbunden vorkommt. Der Rechercheur muss sich beim Gebrauch abgeschnittener Suchwörter klar sein, dass es sich um ein rein äußerlich-formales Verfahren ohne jegliche linguistische Unterstützung handelt. Als wirklich sichere Abhilfe gegen unsinniges Selektieren muss sich der Rechercheur die angesprochenen Wörter am Bildschirm anzeigen lassen und für jedes Wort eine Ja/nein-Entscheidung treffen.

258

Thema 24

24.6 Verbindungsdeskriptoren und Distanzmaße Aufgrund der sehr großen Anzahl von Deskriptoren je Dokumentationseinheit hat die š-Verknüpfung in formalen Suchfragen der Freitextsuche meist eine andere Wirkung als in formalen Suchfragen bei Dokumentationen mit Ordnungssystem. Bei der Freitextsuche bedeutet die š-Verknüpfung lediglich, dass beide Wörter in der Dokumentationseinheit vorkommen müssen. Es kann also durchaus der Fall sein, dass die beiden mit š verbundenen Wörter an sehr verschiedenen Stellen des Textes in völlig verschiedenem Zusammenhang stehen. Dies wird als Missmatch bezeichnet. Zum Beispiel ist es durchaus möglich, dass in einer Recherche zu München eine Dokumentationseinheit selektiert wird, die sich mit speziellen Sicherheitsproblemen bei elektrischen Anlagen beschäftigt, weil der Deskriptor „Hauptstadt“ in dem Zusammenhang vorkommt, dass in vielen Groß- oder Hauptstädten technische Büros für die Sicherheit bei elektrischen Anlagen eingerichtet sind und der Deskriptor „Bayern“ in dem Zusammenhang vorkommt, dass in Bayern keine speziellen Vorschriften zur Sicherheit von elektrischen Anlagen erlassen wurden. Zur Überwindung dieses Problems gibt es drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist das Einführen von Verbindungskennzeichen. Allerdings müssen diese Verbindungskennzeichen ebenfalls maschinell gesetzt werden können. Sie haben deshalb nur eine formale Ähnlichkeit mit den im Thema 20.2 besprochenen Verbindungsdeskriptoren und sind eher Nachbarschaftsoperatoren oder Distanzmaße. Im einfachsten Fall bedeutet ein solcher Verbindungsdeskriptor x die Suchwörter stehen im gleichen Kapitel, auf der gleichen Seite oder im gleichen Absatz, x die Suchwörter stehen im gleichen Satz, x in der Dokumentationseinheit ist die Anzahl der Stichwörter (oder Zeilen oder Sätze), die zwischen den beiden abgefragten Suchwörtern stehen, kleiner als eine vorgegebene Schranke (z.B. kleiner als 5 Stichwörter), x die Suchwörter stehen unmittelbar nebeneinander (englisch: adjacency) wie z.B. bei „cell culture“. Bei manchen Suchprogrammen kann der Rechercheur zwischen diesen Typen von Verbindungsdeskriptoren auswählen und die maximale Anzahl der Stichwörter oder Sätze, die in der Dokumentationseinheit zwischen den beiden Suchwörtern der formalen Suchfrage stehen dürfen, variieren. Die zweite Möglichkeit ist, beim Einspeichern die Häufigkeiten der einzelnen Deskriptoren in einer Dokumentationseinheit auszuzählen und mit jedem Deskriptor seine Häufigkeit zu speichern. In der formalen Suchfrage kann dann angegeben werden, wie oft ein Deskriptor mindestens in einer Dokumentationseinheit vorkommen muss, damit diese selektiert wird. Beispiel:

2-München- › 3(Hauptstadt š Bayern-) › (1München š 1Hauptstadt š 1Bayern-) › 2Munich-

Diese formale Suchfrage selektiert alle Dokumentationseinheiten, die mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt:

Freitextsuche x

x x x

259

Die Zeichenfolge „-München-“ kommt mindestens zweimal vor. Der Bindestrich vor und nach München bedeutet, dass München hier als ein beidseitig abgeschnittenes Suchwort zu verstehen ist. Sowohl das Wort „Hauptstadt“ als auch „Bayern-“ kommt mindestens dreimal vor. Sowohl das Wort „München“ als auch das Wort „Hauptstadt“, als auch das Wort „Bayern-“ kommt vor. Das Wort „Munich-“ kommt mindestens zweimal vor.

Schließlich kann man als dritte Möglichkeit dieses Problem auch dadurch entschärfen, indem nur kurze Dokumentationseinheiten der Freitextsuche zugeführt werden, z.B. Abstracts, Sachtitel, Arztbriefe, Operationsberichte, einzelne Gesetzesparagrafen und dergleichen.

24.7 Freitextsuche – ein Ordnungsprinzip? Streng genommen ist Freitextsuche kein Prinzip des Ordnens, sondern eher das Gegenteil davon, da die eingespeicherten Dokumentationseinheiten in keiner Weise intellektuell erschlossen und eingeordnet werden. Eigentlich ist Freitextsuche der Oberbegriff zu a) einer speziellen Technik der Deskriptorengewinnung, b) der extremen Anwendung des Ordnungsprinzips Begriffskombination, c) speziellen Maßnahmen bei der Recherche, die eine nachträgliche terminologische Kontrolle ermöglichen sollen. So betrachtet ist die Freitextsuche kein Ordnungsprinzip im hier verwendeten Sinne. Andererseits hat die Freitextsuche große praktische Bedeutung und die drei genannten Schritte hängen so eng miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig so stark, dass es auch gerechtfertigt erscheint, von einem speziellen Ordnungsprinzip zu sprechen. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die Aussagen, die zum Ordnungsprinzip Begriffskombination gegeben wurden, bei der Freitextsuche erheblich geändert werden müssen. Die Freitextsuche ist neben der freien Schlagwortzuteilung das einzige „Ordnungsprinzip“, das kein Ordnungssystem benötigt und große praktische Bedeutung hat. Die Liste der Nicht-Stichwörter ist sicherlich kein Ordnungssystem, weder im engen noch in einem weiteren Sinne.

24.8 Auffinden von Tippfehlern Eine möglichst fehlerfreie Datenerfassung ist für die Freitextverarbeitung besonders wichtig, da Tippfehler als neue Deskriptoren behandelt werden. Weitgehend tippfehlerfreie Texte ermöglichen die Rechtschreibprogramme, die in die Textverarbeitungssysteme eingebunden werden können. Diese prüfen alle eingetippten Wörter, ob sie in einem als Datei gespeicherten Wörterbuch enthalten sind. Wörter, die nicht im Wörterbuch enthalten sind, werden am Bildschirm farbig dargestellt und der Benutzer kann entscheiden, ob es ein Eigenname, ein nicht im Wörterbuch enthaltener Fachausdruck oder ein Rechtschreib- oder Tippfehler ist. Unabhängig von einem Rechtschreibprogramm kann das Programm, das die Texte für die Freitextsuche aufbereitet, alle Deskriptoren, die in einem längeren Zeitraum nur ein- oder zweimal aufgetreten sind, ausdrucken. Diese Liste ist intellektuell auf Tippfehler zu überprüfen und dann sind die entsprechenden Korrekturen durchzuführen.

260

Thema 24

24.9 Aufgaben der EDV Für eine Dokumentation nach dem Prinzip der Freitextsuche ist eine leistungsfähige Software unentbehrlich. Dies ist nahe liegend, da der Wunsch, das schwierige, teure und auch fehleranfällige intellektuelle Indexieren durch EDV-Programme zu ersetzen, der Anstoß für die Entwicklung der Freitextsuche war. Bei der Freitextsuche haben Hard- und Software bei allen drei dokumentarischen Teilgebieten, dem Indexieren, Speichern und Recherchieren, eine Schlüsselfunktion. a) Wie bereits mehrfach erwähnt, erfolgt das „Indexieren“ der Dokumentationseinheiten durch EDV-Programme ohne direkten Einsatz von Personal. Wird eine Dokumentationseinheit eingelesen, so muss das EDV-Programm zunächst die einzelnen Wörter als Wörter erkennen; dann muss es für jedes Wort in der Liste der Nicht-Stichwörter nachschlagen und schließlich entweder die Stichwörter (Deskriptoren) oder die Nicht-Stichwörter kennzeichnen. b) Das Fassungsvermögen des Deskriptorenspeichers muss bei Dokumentationen mit Freitextsuche erheblich größer sein als bei Dokumentationen mit einem Ordnungssystem. Erschwerend kommt hinzu, dass das Vokabular und damit die Anzahl der Deskriptoren immer weiter wächst, bei großen Beständen allerdings nur noch langsam. Da die Dokumentationseinheiten vollständig in maschinenlesbarer Form vorliegen, werden häufig nicht nur die Deskriptoren, sondern auch die gesamten Dokumentationseinheiten (das Dokumentenfile) in der EDV-Anlage gespeichert. In manchen Fällen kann es sogar zweckmäßig sein, überhaupt nicht zwischen Deskriptoren- und Dokumentenspeicher zu unterscheiden, sondern im Basisfile zu recherchieren Wird im Basisfile recherchiert, so ist die Liste der Nicht-Stichwörter überflüssig und die Textaufbereitung nach a) entfällt ebenso wie das Erstellen der invertierten Files. Bei größeren Beständen ergeben sich dabei jedoch lange Antwortzeiten. Werden invertierte Files angelegt, so lohnt es sich, vor dem Invertieren den Text aufzubereiten, die NichtStichwörter zu entfernen und gleiche Wörter zusammenzuführen, d.h. jedes Type ist dann ein Deskriptor mit den Verweisen, wo überall im Text dieses Wort auftritt. c) Aufgrund der komplizierten formalen Suchfragen und aufgrund häufiger Fragemodifikationen sind komfortable Recherchemöglichkeiten noch wichtiger als sonst und unerlässlich. Komfortable Abfragemöglichkeiten im Dialogbetrieb sind eine Frage der Speicherorganisation und ein programmtechnisches Problem.

24.10 Kosten einer Dokumentation mit Freitextsuche Der arbeitsaufwändigste und damit teuerste Arbeitsgang einer Dokumentation mit Ordnungssystem ist das Indexieren. Diese Kosten entfallen bei einer Dokumentation mit Freitextsuche. Demgegenüber ist bei der Freitextsuche der Arbeitsaufwand bei der Recherche erheblich größer. Insgesamt gesehen wird also der Arbeitsaufwand vom Indexieren auf das Recherchieren verlagert. Die Verlagerung des Arbeitsaufwandes und damit der Kosten auf

Freitextsuche

261

die Recherche hat den Vorteil, dass die Kosten nicht beim Erstellen der Dokumentation, sondern bei der Nutzung entstehen. Sie lassen sich somit besser mit dem Benutzer abrechnen. Auch sind die Kosten einer Fehlinvestition, bei der eine Dokumentation in jahrelanger Arbeit aufgebaut und später kaum benutzt wird, erheblich geringer. Bei Dokumentationen mit mäßiger Nutzung und wenigen Suchfragen ist die Freitextsuche erheblich billiger, während bei Dokumentationen mit intensiver Nutzung und vielen Abfragen die Kostenersparnis gegenüber dem intellektuellen Indexieren eher gering ist.

24.11 Nachteile der Freitextsuche x

Die Dokumentationseinheiten müssen Text enthalten, EDV-lesbar vorliegen und dürfen keine Schreibfehler enthalten.

x

Das Recherchieren erfordert viel Fantasie, eine besonders hohe fachliche und dokumentarische Qualifikation sowie ein gutes Verständnis für sprachliche Probleme. Es stellt also hohe und vielseitige Anforderungen (dokumentarischer, sachlicher, sprachlicher und datenverarbeitungsmäßiger Art) an den Rechercheur.

x

Die Probleme der terminologischen Kontrolle sind schwierig zu lösen und können auch bei fachgerechter Suche zu unbefriedigenden Rechercheergebnissen führen. Dies gilt insbesondere für lange Texte.

x

Die Speicherorganisation muss effizient und die Retrievalprogramme leistungsfähig und komfortabel sein.

24.12 Vorteile der Freitextsuche x

Die erforderlichen EDV-Programme sind weitgehend unabhängig von dem zu bearbeitenden Sachgebiet. Die Erstellung einer Liste der Nicht-Stichwörter ist unvergleichlich weniger Arbeit als die Erstellung eines Ordnungssystems. Außerdem entfällt nicht nur die Erstellung des Ordnungssystems, sondern auch dessen Gebrauch und Pflege (Revision).

x

Eine Dokumentation kann sofort nach ihrer Gründung mit dem Einspeichern der Dokumentationseinheiten beginnen, da nicht erst ein Ordnungssystem zu erstellen ist. Da sich die Anzahl der einzuspeichernden Dokumentationseinheiten direkt nur auf die Rechenzeit und kaum auf den Arbeitsaufwand auswirkt, lassen sich in kurzer Zeit große Bestände (auch ältere Bestände, falls sie maschinenlesbar vorliegen) einspeichern. Somit kann eine Dokumentationsstelle schon kurz nach ihrer Gründung einen gut gefüllten Speicher haben und ergiebige Freitextrecherchen durchführen.

x

Der Personalbedarf ist geringer als bei Dokumentationen mit intellektuellem Indexieren. Die Kosten werden auf die Recherche verlagert, sind somit besser abrechenbar und das Risiko einer Fehlinvestition ist geringer. Meist sind die Gesamtkosten geringer als bei Dokumentationsstellen mit Ordnungssystem.

x

Im Prinzip geht nichts verloren, die Dokumentationsstelle ist stets auf dem allerneuesten Stand.

262

Thema 24

24.13 Praktischer Gebrauch Die Freitextsuche ist gut geeignet für Dokumentationseinheiten mit „spontan“ normierter Sprache und für kurze Dokumentationseinheiten, z.B. für x

WWW-Seiten des Internet

x

Bezeichnungen von chemischen Verbindungen,

x

Dokumentation von Arzneimitteln mit Handelsnamen und Wirksubstanz-Bezeichnungen (Internationale Freinamen, Generika) sowie Name des Herstellers usw.,

x

Sachtitel,

x

medizinische Berichte und Protokolle wie z.B. Arztbriefe, Operationsberichte, Konsiliarberichte, Sektionsprotokolle, verbale Befunde, Therapie-Beschreibungen, DiagnosenBeschreibungen,

x

Abstracts,

x

Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, Erlasse und dergleichen.

Wenig geeignet ist die Freitextsuche für umfangreiche Dokumentationseinheiten und für Dokumente mit wenig normierten, blumenreichen Nicht-Fachsprachen. Schließlich kann die Freitextsuche auch zum Sammeln von Wörtern verwendet werden, wenn (intellektuell) ein großes Ordnungssystem mit einem hohen Anteil an Nicht-Vorzugsbenennungen erstellt werden soll. Damit wird auch der erste und zeitraubende Arbeitsgang beim Erstellen eines Ordnungssystems erheblich durch EDV-Programme unterstützt. Die Freitextsuche ist weder der dokumentarischen Weisheit höchster Schluss, noch ist sie so „schmutzig“, dass ein „anständiger“ Dokumentar sie nicht anrührt. Vielmehr ist die Freitextsuche eine praktikable und finanzierbare Möglichkeit, Benutzerfragen zu beantworten. Recherchen im World Wide Web (WWW) des Internets erfolgen praktisch nur mit Freitextsuche, aber auch in der Literaturdokumentation ist Freitextsuche unverzichtbar geworden. Um das Problem des Missmatches in langen Texten ohne Distanzmaße zu umgehen, wird die Freitextsuche oft auf die Sachtitel oder auf Sachtitel und Abstract beschränkt.

24.14 Mischformen aus intellektuellem Erschließen und Freitextsuche Die heute wichtigste Form der Literaturdokumentation ist eine Mischform aus intellektuellem Erschließen der Dokumente und der Freitextsuche. Bei sehr großen Dokumentationen (etwa 105 Dokumentationseinheiten pro Jahr) müsste das Ordnungssystem extrem detailliert sein und wäre dann kaum noch überschaubar. Andererseits ist bei einer so großen Anzahl an Dokumentationseinheiten eine reine Freitextsuche schwierig und liefert viel Ballast. Deshalb arbeiten die wirklich großen Dokumentationen heute sowohl mit gebunden indexierten Deskriptoren als auch mit Freitextsuche. Der Zugriff unter den gebundenen Deskriptoren erfordert erheblich geringere Antwortzeiten als eine Freitextsuche. Deshalb wird zuerst mit gebundenen Deskriptoren recherchiert. Die selektierten Dokumentationseinheiten stellen nur eine Vorauswahl (Grobrecherche) dar. Deshalb reicht ein verhältnismäßig kleines, überschaubares Ordnungssystem mit geringer Indexierungsgenauigkeit völlig aus. Beispiel: Die BIOSIS Datenbank hat über 11 Mio Do-

Freitextsuche

263

kumentationseinheiten. Zusätzlich zu einem detaillierten Ordnungssystem gibt es ca. 100 allgemeine Deskriptoren, die als Previews bezeichnet werden. Die Previews eignen sich gut für die Vorauswahl. Die Feinrecherche erfolgt dann durch Freitextsuche in den Sachtiteln, Abstracts und erforderlichenfalls in den Volltexten der in der Vorauswahl selektierten Dokumentationseinheiten. Dieser zweistufige Ablauf der Recherche ist aber nicht zwingend notwendig. Der Rechercheur kann auch direkt eine formale Suchfrage formulieren, die zum Teil aus gebundenen Deskriptoren, zum Teil aus freien Suchwörtern besteht. Selbstverständlich muss dabei für jedes Wort der formalen Suchfrage festgelegt sein, ob es ein gebundener Deskriptor oder ein freies (möglicherweise abgeschnittenes) Suchwort ist. Eine andere Mischform zwischen intellektuellem Indexieren und Freitextsuche ist gegeben, wenn Personen („Indexierer“) den Text der Dokumentationseinheiten oder Abstracts durchgehen und alle ihnen wichtig erscheinenden Wörter anstreichen. Die so markierten Stichwörter kann man als einen Text ohne Nicht-Stichwörter auffassen und wie bei der Freitextsuche weiterverarbeiten. Die markierten Stichwörter kann man aber auch als Deskriptoren eines freien Indexierens auffassen und nach dem Ordnungsprinzip Begriffskombination behandeln. Eine weitere nützliche Mischform aus gebundenen Deskriptoren und Freitextsuche ist, grundsätzlich mit gebundenem Indexieren zu arbeiten, jedoch zusätzlich zu den Deskriptoren des Ordnungssystems alle Warenzeichen, Handelsbezeichnungen, Stoffbezeichnungen, Autorennamen usw. als Deskriptoren zuzulassen. In der klinischen Diagnosendokumentation werden dabei die Diagnosen soweit möglich gebunden indexiert und die Diagnosen, die sich nicht zwanglos in das Ordnungssystem einfügen, einer Freitextsuche zugeführt.

24.15 Fragen F24.1

Zählen Sie schlagwortartig a) die Vorteile, b) die Nachteile der Freitextsuche gegenüber einer konventionellen Dokumentation auf. Sortieren Sie dabei nach der Bedeutung, beginnend mit dem größten Vorteil (größten Nachteil).

F24.2

Welche Argumente gibt es für die Vermutung, dass in Zukunft die Freitextsuche eine sehr viel größere Bedeutung haben wird als heute?

F24.3

a) Welche Ordnungsprinzipien kennen Sie? b) Wodurch sind diese Ordnungsprinzipien charakterisiert?

F24.4

a) Unterscheiden Sie Vorzugsbenennung  Deskriptor. b) Welche Bedeutung haben Vorzugsbenennung und Deskriptor bei der Freitextsuche?

264 F24.5

Thema 24 Sie haben die Möglichkeit der Freitextsuche in 200 000 gespeicherten Zeitschriftenaufsätzen. Sie suchen Aufsätze zu „Ausbildungsgänge in Informatik mit dem Nebenfach Medizin“. Das Retrieval-System lässt abgeschnittene Suchwörter zu, abgeschnittene Wortteile werden durch * ersetzt. Als Distanzmaß wird die maximale Anzahl von Tokens (ohne Nicht-Stichwörter) verwendet, die zwischen zwei Suchwörtern stehen dürfen. Formulieren Sie die formale Suchfrage. Aufsätze zu „Informatik in der Medizin“ und zur „Medizin-Informatik“ sind nicht erwünscht. Auch Aufsätze, die z.B. eine spezielle Ausbildung in Medizin und Informatik fordern, ohne einen Ausbildungsgang zu beschreiben, sind nicht erwünscht und sollten nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.

F24.6

Gegeben ist der folgende Satz: „Biometrie ist die Anwendung der deskriptiven Statistik, der mathematischen Statistik und der mathematischen Modelle in Medizin, Biologie und anderen Biowissenschaften.“ a) Wie viele Tokens enthält dieser Satz? b) Wie viele Types enthält dieser Satz? c) Welche Nicht-Stichwörter enthält dieser Satz? d) Unter wie vielen Suchwörtern wird dieser Satz selektiert?

F24.7

Geben Sie bei jeder der folgenden Gegebenheiten an, ob dies gut, schlecht oder ziemlich bedeutungslos für eine Freitextsuche ist. a) Die Dokumentationseinheiten sind umfangreich (etwa 10 bis 30 Druckseiten). b) Die Dokumentationseinheiten enthalten viele Zahlenangaben, die für den Benutzer wichtig sind, z.B. Materialbeschreibungen, technische Merkblätter, Laborbefundberichte. c) Die Dokumentationseinheiten werden periodisch publiziert, wie z.B. Marktberichte, Wetterberichte, Börsenkurse. Die alten Fassungen der Dokumentationseinheiten bleiben aber noch längere Zeit gespeichert, weil sie für einen Teil der Benutzer auch weiterhin interessant sind. d) Die Dokumentationseinheiten sind in einer Fachsprache abgefasst, wie z.B. Ministerialerlasse, juristische Kommentare.

F24.8

Eine Dokumentationsstelle muss sowohl Dokumente einspeichern, die in deutscher Sprache geschrieben sind, als auch Dokumente, die in englischer Sprache geschrieben sind. Eine Übersetzung der Dokumentationseinheiten in eine einheitliche Sprache wird mit guten Gründen nicht durchgeführt. Auch ist aus der Signatur oder der Herkunft der Dokumentationseinheiten nicht ersichtlich, in welcher Sprache sie abgefasst sind. Es wird eine Dokumentation mit Freitextsuche erwogen, weil – abgesehen von der Verschiedensprachigkeit der Dokumentationseinheiten – alle Voraussetzungen für eine Freitextsuche erfüllt sind.

Freitextsuche

265

Es werden folgende Varianten der Liste der Nicht-Stichwörter diskutiert: a) Eine deutsche und eine englische Liste der Nicht-Stichwörter werden vereinigt und alle Dokumentationseinheiten werden mit der vereinigten Liste geprüft. b) Es wird eine formale Kategorie „Sprache“ mit den zwei Deskriptoren „dt“ = deutsch und „engl“ = englisch eingeführt und bei den Dokumentationseinheiten mit dem formalen Deskriptor „dt“ wird die deutsche Liste der Nicht-Stichwörter, bei Dokumentationseinheiten mit dem formalen Deskriptor „engl“ die englische Liste der Nicht-Stichwörter verwendet. c) Es wird jede Dokumentationseinheit sowohl nach der deutschen Liste der Nicht-Stichwörter, als auch nach der englischen Liste der Nicht-Stichwörter auf Nicht-Stichwörter geprüft. Dann wird festgestellt, bei welcher der beiden Listen mehr „Treffer“ (= Nicht-Stichwörter) gefunden werden und nur die Nicht-Stichwörter aus dieser Liste werden aus der Dokumentationseinheit entfernt. Diskutieren Sie bei jeder der drei Möglichkeiten die Vor- und Nachteile. Welche der drei Varianten empfehlen Sie? F24.9

Welche der folgenden Wörter werden bei einer Freitextsuche mit dem Suchwort „Kind*“ selektiert? Einzelkind Haus des Kindes Kinderbekleidung Kindergarten Kinderheilkunde Kinderkrankheiten kinderlos Kindersinfonie

Kinderspielplatz Kinderspielzeug Kinderwagen kindgerecht kindlich Kleinkind Schulkind Waisenkind

Hinweis 1:

* ist das Trunkierungszeichen.

Hinweis 2:

In der durchgeführten Freitextsuche wird nicht zwischen Groß- und Kleinbuchstaben unterschieden.

F24.10

Sucht die Freitextsuche nach Begriffen oder nach Benennungen?

F24.11

Die Arztbriefe einer Inneren Klinik werden auf einem Textsystem geschrieben und liegen deshalb in maschinenlesbarer Form vor. Bisher wurde jede Krankenakte intellektuell nach ICD-10 indexiert. Jetzt sollen stattdessen die Arztbriefe einer Freitextsuche zugeführt werden. Zählen Sie auf, a) welche Nachteile und Probleme, b) welche Vorteile die Freitextsuche gegenüber dem intellektuellen Indexieren bietet.

Thema 25:

Online-Recherchen in Datenbanken 25.1 Internet und World Wide Web (WWW) Viele Computer sind heute in ein lokales, z.B. firmeninternes Netzwerk eingebunden oder an einen externen Netzbetreiber (engl.: provider), z.B. AOL oder t-online, und damit ans Internet angeschlossen. Das Internet verbindet die lokalen Netze zu einem weltumspannenden Computernetz. Die am häufigsten benutzen Dienste des Internet sind electronic mail (email) und das World Wide Web (WWW). Das WWW besteht aus Webseiten – elektronischen Dokumenten –, die meist in der Hypertext-Markup-Language (HTML) erstellt worden sind. Sie werden über eine weltweit einmalige Adresse, den URL (Uniform Resource Locator), aufgerufen und am Bildschirm angezeigt. Der URL beginnt mit einer Bezeichnung des Übertragungsprotokolls (des Dienstes), häufig ist dies „http://“ für Hypertext Transfer Protocol. Die weitere WWW-Adresse wird durch Punkte und Schrägstriche gegliedert, z.B. liefert der Aufruf http://www.uni-ulm.de/klinik/akademie/medizinische_dokumentation.html die Einstiegsseite des Webauftritts der Schule für Medizinische Dokumentation des Universitätsklinikums Ulm. Aufruf und Darstellung von WWW-Seiten erfolgen über ein Programm, das als Browser bezeichnet wird. Auf praktisch jedem Computer mit Internetzugang ist ein (oder sogar mehrere) Browser installiert. Dieser Browser gewährleistet, dass WWW-Seiten, die in HTML verfasst sind, dargestellt werden können.

25.2 Konzentration in der Literaturdokumentation Der bequeme, schnelle und kostengünstige weltweite Zugriff über Internet und WWW bietet die Möglichkeit, eine Dokumentation weltweit anzubieten. Hinzu kommt – auch in der Dokumentation – die zunehmende Spezialisierung, Arbeitsteilung und Rationalisierung, um Kosten zu senken. Dies hat insbesondere in der Literaturdokumentation zu einer sehr starken Konzentration geführt. Die „klassische“ Dokumentationsstelle, die Dokumentationseinheiten beschafft, indexiert und speichert, die aktive Informationsdienste liefert, auf Anfrage recherchiert und außerdem noch ihr eigenes Ordnungssystem pflegt, gibt es nur noch bei Firmen und Verbänden für vertrauliche, firmen- oder verbandsinterne Informationen. Sie gibt es auch noch in Kliniken und epidemiologischen Forschungseinrichtungen, weil dort die ärztliche Schweigepflicht einen allgemeinen Zugriff zu Recht verbietet. In der Literaturdokumentation haben technische Entwicklung und wirtschaftliche Zwänge zu großen Betriebseinheiten geführt. Deshalb gibt es nur noch wenige, aber große Einrichtungen für Literaturdokumentation. Dies sind national geförderte Institute oder kommerzielle Firmen als Datenbasen-Hersteller oder Datenbank-Anbieter (siehe die beiden folgenden Seiten), die ihre Dienste über das Internet anbieten und zumindest national, meist aber weltweit genutzt werden.

Online-Recherchen in Datenbanken

267

Beim Recherchieren von Literatur ist jedoch die umgekehrte Entwicklung eingetreten. Von der „klassischen“ Dokumentationsstelle ist nur noch der Rechercheur, der Retriever übrig geblieben. Dieser hat mit seinem Computer über Internet einen bequemen und schnellen Zugang zu allen Datenbankanbietern. Er kann recht benutzernah und fachkundig arbeiten und es ist durchaus üblich, dass Forschungseinrichtungen, Firmen usw. einen dokumentarisch geschulten Mitarbeiter haben, der für sich und seine Kollegen die erforderlichen Literaturrecherchen sozusagen nebenbei durchführt. Zunehmend recherchieren die Wissenschaftler selbst, sodass Benutzer und Rechercheur identisch sind. Die Abfrage der Datenbanken führt meist zu wesentlich besseren Ergebnissen als die Abfrage der Suchmaschinen des WWW (siehe auch folgendes Thema). Dies gilt für Literaturdatenbanken, aber auch für Datenbanken, die Auskunft über Fahr- und Flugpläne, Theater-, Konzert- und Kinoprogramme, die derzeit lieferbaren Bücher, Bibliothekskataloge, Warenhauskataloge und manch anderes geben. Diese Datenbanken sind professionell-dokumentarisch aufbereitet und qualitätsgeprüft. Sie lassen sich mit einer menügesteuerten Benutzerführung, bei Bedarf auch mit Freitextsuche und manchmal auch mit gebunden indexierten Deskriptoren abfragen. Allerdings sind sie meist kostenpflichtig – es sei denn, der Anbieter möchte Fahrkarten, Eintrittskarten, Bücher oder Waren verkaufen. Die Kosten einer Online-Recherche in einer gebührenpflichtigen Datenbank setzen sich zusammen aus: x Gebühren für die Benutzung der Datenbasis, die als Royalities bezeichnet werden. Meist werden die Royalities je selektierte Dokumentationseinheit abgerechnet. x Kosten für die Benutzung des Host-Computers, meist abgerechnet über die Dauer der Anschaltzeit oder die verbrauchte CPU-Zeit. x Kosten für die Datenübertragung. x Die lokalen Kosten der recherchierenden Dokumentationsstelle sind demgegenüber meist gering. Soweit die Datenbanken gebührenpflichtig sind, werden die Kosten nach verschiedenen Modellen abgerechnet. Je nach Anbieter gibt es jährliche Abonnements der Datenbanken, Gebühren pro Datenzugriff, Recherchedauer oder Datenmenge des Downloads bzw. Ausdrucks, sowie Mischungen aus diesen Abrechnungsarten. Selbst wenn die Recherche in den Datenbanken kostenfrei ist, so ist doch der Zugriff auf vollständige Texte – also z.B. auf Zeitschriftenartikel, Online-Bücher oder Untersuchungsberichte – in aller Regel mit Kosten verbunden. Die Abrechnung erfolgt dann üblicherweise nach den Bedingungen des jeweiligen Anbieters der Volltexte, z.B. der Bibliothek, des Buchhandels oder von Subito (siehe Thema 25.8).

25.3 Datenbasen-Hersteller Die Datenbasen-Hersteller haben die auszuwertenden Zeitschriften abboniert, haben ihre Lieferung vertraglich geregelt oder erhalten die Dokumentationseinheiten ohnehin, wie z.B. Nationalbibliotheken. Sie erfassen die Dokumente, indexieren sie und verkaufen oder vermieten die gesammelten Informationen an die Datenbank-Anbieter. Wichtige Datenbasen und ihre Hersteller sind z.B.

268

Thema 25

x

SciSearch (Science Citation Index) vom Institute for Scientific Information (ISI) der Firma Thomson Scientific mit den Sachgebieten Wissenschaft und Technik (http://www.isinet.com/products/citation/sci).

x

INFODATA, hergestellt von der Fachhochschule Potsdam mit den Sachgebieten Information, Dokumentation, Informationssysteme und Informationsdienste. INFODATA ist bis zur Ebene der Sachtitel gebührenfrei (http://www.fh-potsdam.de/~BiB/neu/iz/8/ infodat.htm).

x

MEDLINE, hergestellt von der National Library of Medicine (NLM) der USA mit den Sachgebieten Humanmedizin, Sozialmedizin, Biomedizin und Gesundheitswesen. Medline ist bei mehreren Datenbankanbietern vorhanden, kann auch kostenfrei recherchiert werden im PubMed-Dienst der NLM (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/ query.fcgi) oder mit deutscher Benutzungsoberfläche beim DIMDI (http://www.dimdi.de /de/db/recherche.htm).

x

BIOSIS, hergestellt von BIOSciences Information Service (BIOSIS) mit den Sachgebieten Biologie und Medizin (http://www.biosis.com)

x

EMBASE, hergestellt von Elsevier Science B.V. mit den Sachgebieten Medizin, Pharmakologie und Randgebiete der Medizin. Zugang direkt beim Hersteller (http:// www.embase.com) oder bei Datenbank-Anbietern.

Daneben gibt es Institutionen, Firmen und Verbände, die ihre eigenen Daten aufbereiten und als Datenbank anbieten. Dazu gehören z.B. Die Deutsche Bibliothek, Statistische Ämter, Verlage, die Deutsche Bahn, Fluglinien und vielerlei andere Firmen. Wichtige Datenbanken mit Web-Zugang sind z.B. x

Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) im Portal des deutschen Buchhandels (http://www.vlb.de)

x

Deutsche Bibliographie der Deutschen Bibliothek (http://www.ddb.de)

x

Fahrplan der Deutschen Bahn AG (http://www.reiseauskunft.bahn.de)

x

Statistische Jahrbücher des Statistischen Bundesamts (http://www.destatis.de) und der Statistischen Landesämter, z.B. das Statistische Landesamt Baden-Württemberg (http:// www.statistik.baden-wuerttemberg.de)

x

Gesundheitsberichtserstattung des Bundes (http://www.gbe-bund.de)

x

Kataloge wissenschaftlicher Bibliotheken, z.B. der Universitätsbibliothek Ulm (http:// www.kiz.uni-ulm.de/services/bibliothek/kataloge/webpac.html) oder von regionalen Bibliotheksverbünden, z.B. des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (http://www.bszbw.de/CGI/cgi-bin/opacform.cgi) oder des Bibliotheksverbundes Bayern (http://wwwopac.bib-bvb.de).

Lit. g2 nennt etwa 130 Datenbasenhersteller, Lit. g6 gibt die wichtigsten aktuell verfügbaren Fachdatenbanken und ihre Anbieter an.

25.4 Datenbank-Anbieter und Host-Computer Die Datenbasis enthält die formal erfassten Dokumentationseinheiten und die ihnen zugeteilten Deskriptoren in Form einer einfachen Datei. Durch die Aufbereitung dieser Datei in eine Datenbank, insbesondere durch die Invertierung, wird aus einer Datenbasis eine retrievalfä-

Online-Recherchen in Datenbanken

269

hige Datenbank. Neben dem Design und der Organisation der Datenbank ist die Retrievalsprache von herausragender Bedeutung. Die Retrievalsprache wird meist nicht vom Datenbasis-Hersteller, sondern vom Datenbank-Anbieter entwickelt und zur Verfügung gestellt. Große Datenbank-Anbieter bieten mehrere hundert Datenbanken auf ihrem Computer an. Der Computer beherbergt sozusagen mehrere Datenbanken und wird deshalb auch als HostComputer oder kurz als Host bezeichnet. Im Jargon bezeichnet Host nicht nur den Datenbankcomputer, sondern den gesamten Datenbankanbieter. Der Zugang zu den Host-Computern erfolgt über das Internet. Wichtige, in Deutschland häufig benutzte Datenbankanbieter sind z.B. x

STN International (Scientific & Technical Information Network) in Karlsruhe (http:// www.stn-international.de)

x

DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) in Köln (http://www.dimdi.de)

x

Dialog Corporation in Frankfurt am Main (http://www.dialog.com)

Auf den Host-Computern sind in aller Regel nicht nur die Datenbanken, sondern auch die Ordnungssysteme verfügbar, mit denen die Datenbasen erstellt wurden. Dies erleichtert insbesondere dem gelegentlichen Rechercheur die Arbeit erheblich, da es zu teuer und zu mühsam wäre, viele gedruckte Ordnungssysteme auf dem laufenden Stand zu halten. Meist ist die Retrievalsprache so komfortabel, dass am Bildschirm im Ordnungssystem „geblättert“ werden kann und dann die ausgewählten Deskriptoren direkt in die formale Suchfrage übernommen werden können. Beim Aufbau einer Datenbasis muss für einen großen, unbekannten Benutzerkreis indexiert werden. Deshalb lassen nahezu alle Retrievalprogramme der Host-Computer Freitextsuche in den Sachtiteln und Abstracts zu. Recherchiert wird, wie im Thema 24.14 (Mischformen aus intellektuellem Erschließen und Freitextsuche) dargestellt, indem zuerst über verbindliche Deskriptoren eine Vorauswahl getroffen wird, aus der dann mit Freitextsuche die wirklich zutreffenden Dokumentationseinheiten selektiert werden. Bei großen Datenbanken selektiert die Vorauswahl – wenn die Deskriptoren nur eine Art Fachgebietseinteilung sind oder viele Deskriptoren ›-verknüpft sind – bis zu 104 oder gar 105 Dokumentationseinheiten.

25.5 Retrievalsprachen Vor allem die kommerziell angebotenen Datenbanken, z.B. Warenkataloge von Versandund Kaufhäusern, Theater-, Konzert- und Kinospielpläne, Bahn- und Busfahrpläne, OnlineBanking usw. enthalten neben den Daten ein leicht verständliches Benutzungssystem. Zum Gebrauch wird bei Fragen eine Auswahlantwort angeklickt, einfache Schemata werden angekreuzt oder kurze Zahlen- oder Textfelder ausgefüllt. Die Literaturdatenbanken haben für dokumentarisch nicht geschulte Benutzer Suchmasken, in denen Suchwörter getrennt für jedes Feld der Datenbank eingegeben werden können. Die Suchwörter können dann wahlweise mit š oder mit › verknüpft werden. Wenn einem Datenbankfeld ein Ordnungssystem zur Indexierung zugeordnet ist, kann man es meist von der Suchmaske aus nachschlagen. Abb.25.1 gibt ein Beispiel.

270

Thema 25

Für anspruchsvollere Recherchen wurden eigene Retrievalsprachen geschaffen. Eine Retrievalsprache ist die Gesamtheit der Abfragekommandos für formale Deskriptoren, inhaltliche Deskriptoren und für Freitextsuche. Die Retrievalsprachen werden meist vom Datenbankanbieter entwickelt und unterscheiden sich deshalb von Host-Computer zu Host-Computer. Vom DIMDI werden zwei verschiedene Retrievalsprachen verwendet, die menügesteuerte Sprache DIMDI Smart Search (s. Abb. 25.1) und die kommandogesteuerte Sprache DIMDI Classic Search (s. Abb. 25.2).

Abb. 25.1: Beispiel für eine Recherche in der Retrievalsprache DIMDI Smart Search. Gesucht wird der Autorenname „Wagner A“ und das Schlagwort „multiple scl“. Die Abfrage ist eingeschränkt auf die Erscheinungsjahre 2000 bis 2002 je einschließlich und auf Publikationen in englischer und deutscher Sprache. Das eingegebene Suchwort „multiple scl“ ist nicht eindeutig, deshalb bietet das System in einem separaten Fenster mögliche Suchwörter (samt der Anzahl der Treffer) an.

Online-Recherchen in Datenbanken

271

FIND AU=wagner a AND CT DOWN multiple sclerosis NOT (FT=female OR FT=weiblich?)

Abb. 25.2: Beispiel für eine Suchfrage in der Retrievalsprache DIMDI Classic Search. Gesucht wird nach Veröffentlichungen des Autors (AU) A. Wagner, denen der Deskriptor „multiple sclerosis“ (CT für controlled term) oder ein Unterbegriff davon (Operator DOWN) indexiert worden ist, und in dessen Beschreibung (FT = Free Term für Freitext) weder das Wort „female“ noch die Zeichenkette „weiblich–“ vorkommen. Das ? ist das Trunkierungszeichen.

Zwar bieten die heute verwendeten Sprachen in etwa die gleichen Möglichkeiten, benutzen jedoch für dokumentarische Sachverhalte unterschiedliche Benennungen und Abkürzungen, haben verschieden formulierte Kommandos und liefern beim Recherchieren Ergebnisse in unterschiedlichem Format und verschiedenem Layout. Diese Vielfalt bei den Retrievalsprachen ist für den dezentralen Online-Rechercheur außerordentlich lästig. Ein Online-Rechercheur muss aber nicht nur unterschiedliche Retrievalsprachen beherrschen, sondern sich auch in den sehr unterschiedlichen Ordnungssystemen der DatenbasenHersteller zurecht finden. Deshalb gibt es heute Bemühungen um Vereinheitlichung der Ordnungssysteme und der Abfragesprachen. So strebt das Unified Medical Language System (UMLS) ein einheitliches, als Meta-Thesaurus bezeichnetes Ordnungssystem und eine einheitliche Retrievalsprache an. Ob und wie schnell sich solche Einheits-Ordnungssysteme und Einheits-Retrievalsprachen durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Aus Sicht der Benutzer und Rechercheure wäre dies eine große Erleichterung.

25.6 Anforderungen an den Rechercheur Manche Dokumentare werfen den Herstellern der Datenbasen vor, sie würden nur mäßig genaue Ordnungssysteme verwenden, unpräzise indexieren und mehr Wert auf Quantität als auf Güte legen. Diese Vorwürfe mögen zum Teil berechtigt sein, sie sind jedoch aus folgenden Gründen weniger relevant: x Die Mängel beim Indexieren werden durch die Möglichkeit der Freitextsuche in Titeln und Abstracts zumindest teilweise ausgeglichen. x Für den Benutzer ist es gleichgültig, ob (bei einer gegebenen Relevanzrate) in einer kleinen Dokumentation mit z.B. 10 000 Dokumentationseinheiten pro Jahr eine Vollzähligkeitsrate von 0.8 erreicht wird oder in einer Datenbasis mit 100 000 Dokumenten pro Jahr, die aber doppelt so viele für seine Suchfrage relevante Dokumentationseinheiten enthält, nur eine Vollzähligkeit von 0.4 erreicht wird. Mit anderen Worten, eine geringere Güte lässt sich durch mehr eingespeicherte, einschlägige Dokumentationseinheiten kompensieren. Diese Überlegung ist jedoch nicht richtig, wenn eine kleine Dokumentation eine spezielle Thematik bearbeitet und die zu dieser Thematik erscheinende Literatur genauso vollständig erfasst, wie ein großer Datenbasis-Hersteller mit allgemeinerer Thematik.

272 x

Thema 25 Viele Wissenschaftler erliegen heute der Versuchung, den gleichen Sachverhalt mehr oder weniger modifiziert mehrmals zu publizieren (um ihr persönliches Publikationsverzeichnis zu verlängern, damit aber auch unnötig zur Literaturflut beitragen). Somit ist es auch weniger schlimm, wenn eine einzelne Publikation nicht wieder gefunden wird, solange nur mindestens eine Arbeit eines Autors zum gleichen oder ähnlichen Sachverhalt selektiert wird.

Die Güte einer Datenbasis ist abhängig von der Anzahl und der Vollzähligkeit der zu erfassenden Dokumentationseinheiten, dem verwendeten Ordnungssystem, der beim Indexieren aufgewendeten Sorgfalt, der Aussagekraft der Sachtitel und der Abstracts und der Häufigkeit von Datenerfassungsfehlern. Die Güte einer Dokumentation setzt sich zusammen aus der Güte der Datenbasis und der Leistungsfähigkeit der Retrievalprogramme. Die Güte einer Recherche hängt aber nicht zuletzt vom Rechercheur ab. Gerade das Recherchieren in allgemein angebotenen Beständen stellt hohe Anforderungen an den Rechercheur. Außer den üblichen Anforderungen an einen Dokumentar muss der Rechercheur x die Nachteile einer allgemeinen, nicht auf den Benutzer zugeschnittenen Indexierung kompensieren, x sich rasch in die Ordnungssysteme der benutzten Datenbasen einarbeiten, x die Nachteile einer groben inhaltlichen Erschließung durch eine geschickte Freitextsuche kompensieren, x die Abfragesprachen der verschiedenen Host-Computer kennen und effektiv benutzen, x alle Voll- und Teilsynonyme des bearbeiteten Sachgebiets und die Fachtermini verschiedener wissenschaftlicher Schulen kennen, x bei der Freitextsuche die sprachlich-linguistische Problematik beherrschen, x wissen, welche Datenbasis für eine gegebene Suchfrage am besten geeignet ist und auf welchen Host-Computern sie zur Verfügung steht, x auf geringe Kosten achten.

25.7 Downloading Die auf einem Host-Computer selektierten Dokumentationseinheiten kommen über das Internet auf den eigenen Computer. Damit ist es nahe liegend, aus den selektierten Dokumentationseinheiten eine eigene Datei aufzubauen und daraus ein Literaturverzeichnis zu erstellen. Dieses Herunterladen von Dokumentationseinheiten aus Datenbanken auf den eigenen Computer (downloading) lässt sich auch in größerem Stil durchführen. Bewusst weit gestellte Suchfragen, die mehr oder weniger das gesamte Arbeitsgebiet eines Wissenschaftlers oder einer Arbeitsgruppe umfassen, selektieren in den Datenbanken viele Dokumentationseinheiten. Diese werden nun auf dem eigenen Computer gespeichert und damit eine eigene Literaturdokumentation aufgebaut. Die Fein-Recherche auf dem eigenen Computer spart Rechenzeit auf dem Host-Computer und verkürzt die Anschaltdauer (Kosteneinsparung), dagegen erhöhen sich wegen der vielen selektierten Dokumentationseinheiten die Royalities und die über die Datenleitung zu übertragende Informationsmenge. Anstatt regelmäßiger Abfrage der Datenbanken auf dem Host-Computer kann auch ein Informationsdienst abonniert werden, der die Dokumentationseinheiten als E-Mail oder als recherchierbare Datenbank liefert. Auch mit den so selektierten Dokumentationseinheiten wird eine eigene lokale Datenbank, eine eigene maßgeschneiderte Literaturdokumentation

Online-Recherchen in Datenbanken

273

aufgebaut. Dafür gibt es mehrere Dokumentations- und Retrievalsysteme für PC (siehe Abb. 23.1). Eine solche lokale, „heruntergeladene“, maßgeschneiderte Datenbank kann eine Arbeitsgruppe, eine Abteilung, ein Institut oder eine Firma versorgen oder einem einzelnen Wissenschaftler dienen. Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen den großen, unspezifischen Literaturdokumentationen und den persönlichen, maßgeschneiderten Bedürfnissen einzelner Arbeitsgruppen und Wissenschaftler.

25.8 Volltextzugriff und elektronisches Publizieren Die Recherche in Literaturdatenbanken am eigenen Arbeitsplatz ist durch Internet und komfortable Retrieval-Mechanismen bereits zur Selbstverständlichkeit geworden. In Minutenschnelle kann man (wenn alles gut geht) die einschlägige Literatur zu einem Thema recherchieren. Dann erfolgt allerdings oft ein Bruch: Bevor man die vollständigen Artikel lesen kann, muss man entweder in die nächste Bibliothek gehen oder eine Kopie über Fernleihe bestellen. Innerhalb weniger Tage kann man eine elektronische Kopie per E-Mail erhalten, z.B. von Subito, dem Dokumentenlieferdienst der deutschen Bibliotheken (http://www. subito-doc.de). Zunehmend kooperieren allerdings die Anbieter der Literaturdatenbanken mit den wissenschaftlichen Verlagen, damit der Benutzer unmittelbaren Zugriff auf die OnlineVersion der selektierten Aufsätze bekommt. Im Idealfall klickt der Benutzer einen der selektierten Aufsätze, den er im Volltext haben möchte, an, erfährt dann vom Verlag oder Verteiler den Preis und die Lieferbedingungen, „kauft“ den Aufsatz, wird zum Download der Volltextdatei autorisiert, und natürlich werden die Kosten ihm belastet. Die meisten Verlage bieten ihre Publikationen neben der gedruckten Version auch im Web an. Mit dem Abonnement der gedruckten Version ist in der Regel auch ein Zugriff auf die Online-Ausgabe verbunden. Nicht gedruckte, nur im WWW stehende, qualitativ hochwertige, vor dem Erscheinen begutachtete Online-Publikationen sind noch selten, weil es kein zuverlässiges Geschäftsmodell dafür gibt. Es gibt aber eine Reihe von Initiativen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die ja das Gros der ehrenamtlichen Gutachter stellen, begutachtete Online-Publikationen aufzubauen und sie zitierfähig und langfristig im WWW bereitzustellen.

25.9 Ausblick Die Informationsflut schwillt weiter an. Aber auch die Möglichkeiten der selektiven Informationsgewinnung werden laufend verbessert. In Zukunft werden auch Volltexte mehr und mehr am Bildschirm verfügbar sein. Damit ist eine gedruckte Fassung einer Publikation nicht mehr zwingend notwendig, es reicht ein elektronisches Publizieren. Die bequemen und schnellen Zugriffsmöglichkeiten gelten nicht nur für Literatur- und Faktendatenbanken, sondern auch für vielerlei andere Informationen wie z.B. Theaterspielpläne, Fahrpläne, Börsenkurse, Marktübersichten, Branchenverzeichnisse, Telefonbücher usw. Damit ist Literaturdokumentation nur noch eine von vielen Informationsmöglichkeiten eines an das Internet angeschlossenen Computers. Für den Benutzer sind die unterschiedlichen Benutzungsoberflächen der verschiedenen Systeme lästig. Dies macht sich umso stärker bemerkbar, je mehr verschiedene Informationsquellen benutzt werden. Allerdings können Sie heute auf praktisch alle Informationsdienste mit einem Standard-Browser zugreifen, und auch die Benutzungsoberflächen werden sich

274

Thema 25

immer ähnlicher, da einzelne Bedienelemente, die sich als praktisch erweisen, zu einer Art De-facto-Standard werden. Besonders wichtig sind darüber hinaus aber auch Bestrebungen, alle relevanten Datenbanken und Informationsdienste eines Fachgebietes über einen einzigen Zugang verfügbar und gemeinsam recherchierbar zu machen. Solche Bestrebungen verfolgt z.B. im medizinischen Bereich seit vielen Jahren das Programm Integrated Advanced Information Management Systems der National Library of Medicine. Im Informationszeitalter wird der Benutzer seinen Computer routiniert handhaben. Einfache Abfragen werden immer bequemer und zum Allgemeinwissen so wie Telefonieren und Autofahren. Anspruchsvolle Recherchen werden dagegen zunehmend schwieriger, weil das intellektuelle Aufbereiten durch Ordnungssysteme, terminologische Kontrolle und Indexieren zunehmend fehlt. Alles was ein guter Dokumentar für die konventionelle Recherche gelernt hat, muss ein Rechercheur auch in Zukunft für eine effektive Recherche bedenken. Dies gilt umso mehr, als der Rechercheur die Beschränkungen der maschinellen Erschließung intellektuell überwinden muss.

25.10 Fragen F25.1 Welche zusätzlichen Anforderungen stellen Online-Recherchen an das Ordnungssystem?

F25.2 Für welche Zwecke recherchieren Sie kostenlos im WWW und für welche Zwecke in einer professionellen, meist kostenpflichtigen Literaturdokumentation?

Thema 26:

WWW-Recherchen mit Suchmaschinen 26.1 Das Angebot an Web-Seiten Jedermann kann auf seinem eigenen, ins Internet eingebundenen Computer Informationen öffentlich bereitstellen. Die angebotenen Informationen sind überaus vielfältig, umfangreich und umfassen Wichtiges, Nützliches und Belangloses. Die Zuverlässigkeit der angebotenen Informationen kann kaum beurteilt werden, insbesondere wenn die Herkunft der präsentierten Informationen aus den Web-Seiten nicht deutlich hervorgeht. Ist die von Herrn X aus Y bei der Krankheit Z erprobte und von ihm auf seiner Seite angepriesene Therapie tatsächlich wirksam? Außerdem werden zwar viele aktuelle Informationen ins Internet gestellt, aber kaum jemand denkt später daran, sie zu aktualisieren oder zu entfernen, wenn sie veraltet sind. Da Zeitangaben meist fehlen, ist es schwierig festzustellen, welche Informationen im WWW noch gültig sind. Heute gehört es zum Tagesgeschäft vieler Dokumentare, Wissenschaftler, Berufstätigen und Privatpersonen, nach wissenschaftlichen und anderen Informationen im WWW zu suchen. Das Informationsangebot ist schier unüberschaubar geworden, und es kann ziemlich schwierig sein, Web-Seiten mit einschlägigen und zuverlässigen Angaben zu finden, ohne die WWW-Adresse (den URL) zu kennen. Um mit Stichwörtern gezielt nach dem Inhalt von Web-Seiten zu suchen, verwendet man so genannte Suchmaschinen. Beispiele für Suchmaschinen sind Google, Yahoo und AltaVista. Im Gegensatz zu Literaturdatenbanken ist die Benutzung der Suchmaschinen meist kostenlos, da sie überwiegend aus Werbeeinblendungen finanziert werden.

26.2 Ernte per Roboter Ein Programm des Betreibers einer Suchmaschine durchforstet laufend das gesamte WWW nach angebotenen Seiten. Solche Programme heißen Robot, Crawler oder Spider. Dabei beginnt der Robot mit bereits früher besuchten oder von ihrem Autor beim Betreiber der Suchmaschine angemeldeten Webseiten und folgt den dort eingetragenen Verweisen (Links) auf andere Seiten, dann wiederum deren Links und immer so weiter. Irgendwann werden alle Seiten erreicht, auf die von irgendeiner anderen Seite her verwiesen wird. Bereits angesprochen ist die Möglichkeit der Webseiten-Autoren, ihre Seiten direkt bei der Suchmaschine anzumelden bzw. zur Aufnahme vorzuschlagen. Innerhalb eines einzelnen Webauftritts (einer „Site“) werden Links vom Robot nur bis zu einer bestimmten Tiefe (typischerweise 1-5 Ebenen) verfolgt. Während seiner Tour durch das WWW sammelt der Robot bei jeder besuchten Seite die Wörter, unter der die besuchte Seite vielleicht einmal gesucht wird, und speichert sie in eine Datenbank ein. Abgespeichert wird wegen der gigantischen Datenmengen in der Regel nicht

276

Thema 26

der gesamte Text einer Seite, sondern lediglich die Sinn tragenden Types (oder Deskriptoren, ermittelt durch die Aussonderungen definierter Nicht-Stichwörter, siehe Thema 24.1). Bei diesem Vorgang entsteht die für die Suchmaschine erforderliche Information, deshalb wird der Vorgang auch als harvesting (= ernten) bezeichnet. Ein Suchdurchlauf durch das ganze Web dauert bei dem riesigen weltweiten Angebot unter Umständen mehrere Wochen oder sogar Monate. Deshalb variieren manche Robots ihre Besuchsfrequenz mit der Änderungshäufigkeit einer Seite. Sie können dann bestimmte Seiten auch täglich „besuchen“. Insgesamt sind die von den Robots erstellten Verzeichnisse (Indizes) jedoch keinesfalls tagesaktuell. Wer die Aufnahme seiner Seiten in den Index beschleunigen und die Aktualisierungsfrequenz erhöhen will, kann dies beim Suchmaschinenbetreiber beantragen – gegen eine entsprechende Gebühr, versteht sich. Autoren von Webauftritten können ihren Seiten auch gezielt Informationen für die diversen Suchmaschinen-Robots mitgeben, die im Browser nicht dargestellt werden. Dazu dienen die so genannten Meta-Tags im HTML-Code. Durch Statements wie

kann man den Robots mitteilen, für welche Suchwörter („keywords“) die Seite besonders relevant ist (hier: „ordnungslehre, dokumentation, information retrieval“).

26.3 Der Index der Suchmaschine Zentrales Element jeder Suchmaschine ist der „Index“, eine invertierte Datei, ein Register, in dem für jedes Suchwort die URLs seiner Fundstellen angegeben sind (s. Thema 11.2). Für jedes Suchwort ist angegeben, auf welchen Seiten es vorkommt. Zusätzlich wird die für das Ranking (s. unten) erforderliche Bedeutung der Web-Seite für das Suchwort mitgespeichert. Für schnelle Suchergebnisse ist es wichtig, dass der gesamte Index im Arbeitsspeicher der Suchmaschine Platz findet und keine Festplattenzugriffe während der Suche notwendig werden. Diese Anforderung ist keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass in den großen Suchmaschinen mehrere Milliarden Webseiten eingetragen sind.

26.4 Ranking der selektierten Seiten Bei einem Auftrag an die Suchmaschine wird der Index nach dem gesuchten Stichwort abgefragt und die URLs der einschlägigen Seiten gewonnen. Für eine Suchfrage können unter Umständen sehr viele Seiten mehr oder weniger relevant sein (wie jeder weiß, der schon einmal im WWW recherchiert hat). Deshalb werden die selektieren Seiten von der Suchmaschine vor der Ausgabe in eine bestimmte Reihenfolge gebracht („gerankt“) – ein Vorgang, der nicht unproblematisch ist. Ziel des Ranking ist es, die für die Suchfrage relevantesten Seiten nach vorne zu stellen. Für die zuerst präsentierten Web-Seiten sollte die Relevanzrate nahe 100% sein, während die später präsentierten Web-Seiten der Verbesserung der Vollzähligkeitsrate dienen. Legt ein Benutzer Wert auf Relevanz, so wird er nur die zuerst präsentierten Web-Seiten betrachten. Will der Benutzer dagegen Vollzähligkeit haben, wird er sich mehr oder weniger bis zur letzten angezeigten Web-Seite durcharbeiten müssen.

WWW-Recherchen mit Suchmaschinen

277

Die meisten Benutzer betrachten jedoch nur die zuerst angezeigten Fundstellen, nur die zuerst angezeigten 10 bis 100 Web-Seiten sind tatsächliche Treffer – mehr Seiten werden bei einer normalen Recherche nicht berücksichtigt. Für den Anbieter einer Web-Seite ist also entscheidend, ob seine Web-Seite z.B. an der 4. oder z.B. an der 289. Stelle angezeigt wird. Für das Ranking gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die sich zum Teil ergänzen, zum Teil auch miteinander konkurrieren: x Wünschenswert wäre natürlich eine inhaltliche Bewertung: Welche Web-Seite ist am nützlichsten für den Zweck der Anfrage, gibt die kompetenteste und aktuellste Auskunft, genügt den höchsten inhaltlichen oder auch ethischen Ansprüchen etc. Eine solche Bewertung lässt sich jedoch (zumindest bis heute) nicht automatisch erstellen und hängt wohl auch zu sehr vom Blickwinkel des Betrachters ab. Wir müssen uns also leider auf formalere Methoden beschränken. x Kommt ein Robot auf eine Seite, so extrahiert er nicht nur die Stichwörter, sondern versucht auch die Bedeutung jedes Stichworts zu ermitteln. Kommt ein Stichwort in der Überschrift vor, ist es in großer Schrift, fett oder in Farbe gesetzt, ist es unterstrichen, kommt es mehrmals auf einer Seite vor, oder ist es im Mega-Tag oder gar im URL der Seite enthalten, so wird es als besonders wichtig betrachtet. Für jedes Stichwort einer Seite wird ein Maß berechnet und mit dem URL der Seite abgespeichert, das angibt, wie wichtig die Seite ist, falls das betrachtete Stichwort Suchwort ist. Die für ein Suchwort relevanten Seiten werden nach diesem Bedeutungsmaß sortiert (gerankt) und bei der Recherche in dieser Rangfolge angeboten. x Manche Suchmaschinen bewerten die Anzahl der Links, die auf eine Seite verweisen („link popularity“). Zusätzlich können die Links gewichtet sein mit der Bewertung der Seite, welche den Link gesetzt hat: Eine Art Impact-Factor (s. Thema 2.7) für Webseiten. Alternativ können auch die „direct hits“ als Bewertung herangezogen werden: die Häufigkeit, mit der die Suchmaschinenbenutzer einen URL anklicken. x Eine Firma, die Waren oder Dienstleistungen im Internet anbietet, kann ihren Umsatz durch ein gutes „Ranking“ ihrer Webseiten bei der Suche nach einschlägigen Suchbegriffen kräftig steigern. Bietet jemand im WWW z.B. Puppenküchen zum Verkauf an, so ist es ihm sehr wohl wichtig, dass bei einer Anfrage an eine Suchmaschine nach „Puppenküche“ seine Web-Seite ganz vorne angezeigt wird, weil die Käufer meist nur die ersten etwa 3 bis 10 Seiten ansehen. Die z.B. 423. Seite von insgesamt 504 von der Suchmaschine gefundenen Web-Seiten wird in der Regel nicht mehr aufgerufen. Entsprechend sind die Firmen auch bereit, Geld für dieses Marketing-Instrument auszugeben – und die Suchmaschinen-Betreiber sind bereit, es anzunehmen. Manche Suchmaschinen listen sogar ausschließlich zahlende „Werbepartner“ in ihren Ergebnissen auf. Andere betonen die kommerzielle Neutralität ihrer Suchergebnisse und zeigen „bezahlte“ Treffer getrennt davon oder mit einer speziellen Kennzeichnung an. Gerade bei den großen Suchmaschinen besteht aber immer ein gewisser Verdacht, dass das Ranking durch versteckte Werbeeinträge beeinflusst ist.

26.5 Möglichkeiten und Grenzen der Suchmaschinen Eines dürfte bereits klar geworden sein: Die Suchmaschinen suchen nach Zeichenfolgen (Strings), und es gibt praktisch keine terminologische Kontrolle – die Suche im Web ist also weitgehend eine Freitextsuche (s. Thema 24) mit der bekannten Synonym- und Homonym-

278

Thema 26

Problematik. Mit dem Ziel einer hohen Vollzähligkeitsrate (s. Thema 21) müssen Sie deshalb bei Suchanfragen alle Synonyme und denkbaren Schreibweisen eines Wortes berücksichtigen; dazu gehören in der Regel die entsprechenden englischen Bezeichnungen. Ferner müssen Sie damit rechnen, dass sich in den Suchergebnissen auch Seiten mit homonymen Begriffen befinden und die Relevanzrate verschlechtern. Wird besonders großer Wert auf Vollzähligkeit gelegt, so kann die Suchfrage an eine Meta-Suchmaschine gegeben werden. Die Meta-Suchmaschine leitet die Suchfrage an mehrere Suchmaschinen weiter und fasst dann die Ergebnisse zusammen. Zur Unterstützung der Recherche bieten die meisten Suchmaschinen die logische Verknüpfung von Suchwörtern mit š, ›, ™ und Klammersetzung an. Abgeschnittene Suchwörter (s. Thema 24.5) sind bei manchen Suchmaschinen zugelassen, bei anderen nicht, weil die Sorge besteht, dass der Benutzer die Konsequenzen der Trunkierung nicht abschätzen kann und zu viele unsinnige Treffer entstehen. Zunehmend kann der Benutzer einer Suchmaschine festlegen, ob Groß- und Kleinbuchstaben unterschieden werden sollen oder gleichwertig sind, ob Umlaute (z.B. München) und ihre Auflösung (z.B. Muenchen) als gleichwertig oder unterschiedlich zu werten sind und ob verschiedene Schreibweisen (z.B. Graphik und Grafik) zu unterscheiden sind oder nicht. Außerdem kann die Suche eingeschränkt werden auf bestimmte Sprachen und Länder.

26.6 Weiterentwicklung und Alternativen Trotz des betriebenen Aufwandes ist das Ergebnis vieler Anfragen an Suchmaschinen heute noch unbefriedigend. Meist ist die Relevanzrate miserabel, und es ist mühsam, die richtigen Treffer aus einer großen Ballastmenge herauszufiltern. Aber auch die Vollzähligkeitsrate ist problematisch, wenn man nicht sehr viel Mühe in eine ausgefeilte Suchanfrage steckt. Es gibt daher viele Versuche, die Suchmaschinen weiter zu verbessern; große Suchmaschinenbetreiber unterhalten ganze Forschungsabteilungen dafür. Die Suchmaschinen-Betreiber unternehmen große Anstrengungen, um durch geschickte Algorithmen unerwünschte Seiten (so genannten Spam) aus den Suchergebnissen herauszufiltern. Jedoch geben sich auch die Anbieter von Werbung, Pornografie, Fanatismus oder radikaler Politik große Mühe, um diese Algorithmen zu unterlaufen. Zunehmend werden unerwünschte Angebote deshalb auch manuell aus dem Index der Suchmaschinen entfernt; das gilt auch für Seiten mit extremistischen oder diskriminierenden Inhalten, die kaum automatisch ausgefiltert werden können. Um die Vielfalt der Ergebnisse überschaubarer zu machen, bieten einige Suchmaschinen neben der Ergebnisliste anfragespezifische „Themenbäume“ an, mit deren Hilfe man das Suchergebnis auf die gewünschte Kategorie begrenzen kann. Die Suchergebnisse zum Suchwort „Bruch“ können z.B. auf die Kategorien „Bruchrechnen“, „Versagen von Bauteilen“, „Leistenbruch“ oder „Knochenbrüche“ reduziert werden. Themenbäume bieten also eine Möglichkeit, zu breite Suchanfragen im Nachhinein zu verbessern. Um ungeübten oder eiligen Nutzern komplexe Suchanfragen zu ersparen, versucht man, natürlichsprachliche Fragen zu interpretieren und in formale Suchfragen zu übersetzen. Man kann das Problem unzulänglicher Suchfragen auch ganz umgehen, indem man eine Art „Vorratssuche“ betreibt: Durch teilweise manuelle Arbeit und intellektuelle Anstrengung

WWW-Recherchen mit Suchmaschinen

279

werden zu bestimmten Themen und für häufige Fragestellungen einschlägige Seiten von ausreichender Qualität (inhaltlich oder anderweitig, siehe oben) ausgewählt und in einem strukturierten „Katalog“ bereitgestellt. Manchmal werden diese Seiten sogar mit Hilfe eines Ordnungssystems indexiert. Solche dokumentarisch erschlossenen Kataloge gibt es von Versandhäusern und anderen Anbietern von Waren oder Dienstleistungen, aber auch für eine Vielzahl wissenschaftlicher Spezialgebiete. Man muss sich für den nicht-kommerziellen Bereich allerdings vor Augen halten, dass Qualität, Vollständigkeit und Aktualität der Kataloge häufig vom Idealismus einzelner Personen abhängen – und das ist auf Dauer keine verlässliche Grundlage für einen professionellen Informationsdienst. Es gibt jedoch in letzter Zeit im öffentlich-rechtlichen Bereich, vor allem bei wissenschaftlichen Bibliotheken und Fachgesellschaften, vermehrte Anstrengungen, um nachhaltige, von kommerziellen Interessen weitgehend unbeeinflusste Informationssammlungen bereitzustellen.

26.7 Fragen F26.1 Kann die Funktion des Robots einer Internet-Suchmaschine als maschinelles Indexieren angesehen werden? Nennen Sie Gründe, die dafür sprechen, und Gründe, die dagegen sprechen.

F26.2 Was sind „Meta-Tags“ und wozu dienen sie?

F26.3 Bei intellektueller Recherche wird berücksichtigt, ob Relevanz oder Vollzähligkeit wichtiger ist. Kann die Suchfrage an eine WWW-Suchmaschine auch auf hohe Relevanz oder auf hohe Vollzähligkeit getrimmt werden? Wenn ja, wie?

F26.4 Wie kann man bei einer Anfrage an eine Internet-Suchmaschine – zusätzlich zur Formulierung der Suchfrage – das Gewicht mehr auf eine gute Relevanzrate oder mehr auf eine hohe Vollzähligkeitsrate legen?

Thema 27:

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 27.1 Nutzung von Data Warehouses Ein Data Warehouse ist ein großer Datenbestand, der vielerlei verschiedene Datenarten umfasst, deshalb „Warenhaus“. Beispiele für solche Datenbestände sind Volkszählungsdaten, Daten aus großen Surveys (systematische Erhebungen), Daten von Umweltüberwachungssystemen, die regelmäßig (z.B. stündlich) an vielen räumlich verteilten Messstellen eine Reihe von Parametern (z.B. Rußanteil in der Luft, Ozongehalt, Radioaktivität) bestimmen, Kunden- und Geschäftsdaten und Artikelumsätze, wie sie z.B. automatisch in einem Kaufhaus mit Scannerkasse entstehen. Meist wird nicht mit der Primär-Datenbank – die bei der Datengewinnung entsteht – gearbeitet, sondern mit einer sekundären Datenbank. Dadurch wird Datengewinnung und Datenauswertung getrennt, es können bestimmte Daten nicht übertragen werden und damit verborgen bleiben und schließlich können Daten aus verschiedenen Primärdatenbanken in die gleiche Sekundärdatenbank, d.h. in das gleiche Data Warehouse überführt werden. Ein Data Warehouse kann numerische Daten, aber auch ordinal und nominal skalierte Merkmale1 enthalten. Wir wollen auch Texte hinzunehmen. Die Auswertung von Daten und Texten ist bei strategischer Betrachtung ähnlich, in der praktischen Arbeit allerdings stark unterschiedlich. Es gibt sehr verschiedene Formen der Auswertung, der Nutzung, der Informationsgewinnung aus Data Warehouses. Es gibt aber noch viel mehr verschiedene Bezeichnungen dafür: Data oder Information Extraction, Data oder Text Mining, Information Retrieval, Machine Learning, Natural Language Processing, Computational Linguistics, Knowledge Discovery from Databases or from Texts, Knowledge and Information Management und noch andere. Verschiedene Autoren benutzen diese Bezeichnungen durchaus unterschiedlich. Die folgenden Teilthemen behandeln die wichtigsten Formen der Informationsgewinnung aus großen, vielfältigen Datenbeständen. Letztlich behandelt dieses Thema das maschinelle inhaltliche Erschließen von Daten und Texten. Die Nutzung eines bestehenden Data Warehouses läuft – mehr oder weniger – in folgenden Schritten ab:

1

Bei ordinal skalierten Merkmalen haben die Merkmalsausprägungen eine definierte Reihenfolge (Ordnung) wie z.B. das Merkmal „Schulnote“ mit den Merkmalsausprägungen „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“, „ausreichend“, „mangelhaft“ und „ungenügend“. Bei nominal skalierten Merkmalen haben die Merkmalsausprägungen Namen wie z.B. das Merkmal „Steinobst“ mit den Merkmalsausprägungen „Pflaumen“, „Kirschen“, „Mirabellen“, „Renekloden“.

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 281 x

Präzisierung der Fragestellung

x

Bei der Datenauswahl werden die für die Bearbeitung der Fragestellung nützlichen Daten des Warehouses ausgewählt und festgelegt.

x

Die Datenaufbereitung umfasst z.B. das Entfernen von Datensätzen mit fehlenden Werten oder Imputation fehlender Werte, die Bearbeitung von Ausreißern (Extremwerten), die Re-Codierung von Variablen (Skalentransformationen, Zusammenfassung mehrerer Variablen zu einem Index) und die Codierung zeitlicher Abläufe.

x

Auswahl des Verfahrens und des Algorithmus. Sind Assoziationen und Korrelationen zu bestimmen und wenn ja, mit welchem mathematisch-statistischen Verfahren? Sind Fälle in Klassen zusammenzufassen? Wenn ja, wie? Wie unterscheiden sich die Klassen? Gibt es Cluster (Gruppen von Klassen ähnlicher Fälle)? Haben bestimmte Fälle bei bestimmten Merkmalen ein bestimmtes Muster, andere Fälle aber nicht? Soll etwas vorhergesagt werden? Wenn ja, welches Regressionsmodell soll verwendet werden? Welche Zielgröße(n) soll(en) mit welchen freien Variablen vorhergesagt werden? Ist für eine alternative Vorhersage (z.B. kreditwürdig oder nicht) eine Diskriminanzanalyse besser? Bei Auswertung von Texten stellen sich noch linguistische Fragen, die in den Teilthemen 27.5 bis 27.7 angesprochen werden.

x

Durchführung der Auswertung nach dem im vorigen Schritt ausgedachten Verfahren mit geeigneter Software. Dies kann programmtechnisch anspruchsvoll sein, vielleicht auch viel Rechenzeit benötigen.

x

Kritische Sichtung der Ergebnisse. Falls die gewonnenen Ergebnisse nicht voll befriedigen, sind die bisherigen Arbeitsschritte in überarbeiteter und verbesserter Form nochmals durchzuführen, d.h. Rücksprung.

x

Validierung der Ergebnisse. Die bei der Auswertung eines Data Warehouses gewonnenen Ergebnisse können viele Tücken haben. Deshalb ist es hilfreich, die Richtigkeit der gewonnenen Ergebnisse an einem anderen Datenbestand und in einem modifizierten Zusammenhang zu überprüfen (Validierung). Daran schließt sich eine erste versuchsweise Erprobung der Ergebnisse in der Praxis an.

x

Darstellung der Daten, Verfahren und Ergebnisse mit tabellarischer und grafischer Präsentation der Ergebnisse, Berichterstellung, Diskussion, Bewertung der erbrachten Arbeit.

Offensichtlich geht eine anspruchsvolle Nutzung eines Data Warehouses weit über rein dokumentarische Aufgaben hinaus. Neben anspruchsvollen dokumentarischen Kenntnissen können erforderlich sein: x

Statistik und Datenanalyse, zum Teil auch Computergrafik

x

Maschinelle Verfahren der Klassifizierung und des Clustering

x

Mustererkennung (Pattern Recognition)

x

Datenbanken

x

Computerlinguistik

x

Künstliche Intelligenz

Ein modernes Informationswesen baut auf diesen Disziplinen auf und kann als deren gemeinsames Dach verstanden werden.

282

Thema 27

27.2 Maschinelles Indexieren Die Idee des maschinellen Indexierens (Lit. h7) ist viel älter als der Begriff des Data Warehouses. Die Informationsgewinnung aus großen Datenbeständen baut auf den Verfahren des maschinellen Indexierens auf. Technisch einfach ist die Umsetzung eines Textwortes in eine Vorzugsbenennung oder Notation, sofern das Textwort zu einer vorab explizit definierten Äquivalenzklasse gehört. Im Grunde genommen handelt es sich aus der Sicht der Informatik um eine Umcodierung. Allerdings wird in diesem Zusammenhang nicht von einer Umcodierungstabelle, sondern von einem Wörterbuch gesprochen. Das Programm nimmt ein Wort aus dem zu indexierenden Text und sucht es im Wörterbuch auf. Dies nennt man einen Wörterbuchabgleich. Dort erhält es eine der vier folgenden Informationen und verzweigt wie angegeben: x

Das Textwort ist ein Nicht-Stichwort, deshalb gibt es keine Deskriptorzuteilung, und das Programm geht zum nächsten Textwort.

x

Das Textwort ist eine Vorzugsbenennung, wird als Deskriptor zugeteilt, und das Programm geht zum nächsten Textwort.

x

Das Textwort ist eine Nicht-Vorzugsbenennung, das Programm erfährt die zugehörige Vorzugsbenennung, teilt diese als Deskriptor zu und geht zum nächsten Textwort.

x

Das Textwort ist im Wörterbuch nicht enthalten. Das Programm versucht durch morphologische Analyse (siehe Thema 27.6) doch noch einen zum Textwort passenden Wörterbucheintrag zu finden. Gelingt dies nicht, so legt das Programm das Textwort in einer Datei der fehlenden Wörter zur intellektuellen Nachbearbeitung ab, veranlasst eine anderweitige Maßnahme oder Fehlermeldung und geht schließlich zum nächsten Textwort.

Wörterbücher für diese maschinelle Deskriptorenzuteilung entsprechen einem detaillierten Ordnungssystem aus Nicht-Vorzugsbenennungen, Siehe-Verweisen und Vorzugsbenennungen. Damit lässt sich eine Benennung in eine Notation umsetzen und das Problem der Synonyme lösen, soweit gleichwertige Benennungen vorab explizit festgesetzt wurden. Für eine echte inhaltliche Erschließung des Textes reicht dieses Verfahren jedoch nicht aus. Das statistische Indexieren baut auf der Freitextsuche auf, betrachtet aber nicht mehr alle Stichwörter einer Dokumentationseinheit als Deskriptoren, sondern nur noch solche, die in „ausreichender“ Häufigkeit im Text vorkommen. Die Häufigkeit, mit der ein Wort im Text einer Dokumentationseinheit vorkommen muss, um als Deskriptor gewertet zu werden, hängt auch von der Länge des Textes der Dokumentationseinheit (ohne Nicht-Stichwörter) ab. Dazu wird eine relative Häufigkeit gebildet. relative Häufigkeit =

Häufigkeit des betrachteten Wortes Anzahl der Tokens in der Dokumentationseinheit (ohne Nicht -Stichwörter )

Relevant für die Beurteilung, ob ein Wort als Deskriptor akzeptiert werden soll, ist auch, wie häufig dieses Wort in der allgemeinen Sprache oder in den Fachtexten insgesamt vorkommt. Dazu kann die relative Häufigkeit der einzelnen Wörter in der gesamten (Fach-)Sprache oder

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 283 in vielen (allen) in der Dokumentation eingespeicherten Dokumentationseinheiten ermittelt werden. Letztlich wird als Kenngröße für das Indexieren der Quotient der beiden relativen Häufigkeiten verwendet. Kenngröße =

relative Häufigkeit in der zu indexierenden Dokumentationseinheit relative Häufigkeit in vielen (allen) Dokumentationseinheiten

Diese Kenngröße wird für jedes Stichwort gebildet, wobei die relative Häufigkeit im Zähler und im Nenner sich jeweils auf das betrachtete Stichwort beziehen. Die Kenngröße wird umso größer, je häufiger das betrachtete Stichwort in der zu indexierenden Dokumentationseinheit vorkommt und je seltener es in den anderen Texten ist. Je höher diese Kenngröße, desto eher ist das betrachtete Stichwort ein bedeutsamer Deskriptor. Dies gilt natürlich nicht für Nicht-Stichwörter. Das statistische Indexieren stößt auf folgende Schwierigkeiten und Grenzen: Die für den Inhalt einer Dokumentationseinheit wichtigen Wörter kommen bevorzugt in der Überschrift, in der Zusammenfassung und vielleicht noch in der Einleitung vor. Dort wird das Thema klar herausgestellt, und dann ist einem fachkundigen Leser klar, wovon das Dokument handelt, ohne dass die entsprechenden Wörter im weiteren Text häufig wiederholt werden. Deshalb wird beim statistischen Indexieren den Titelstichwörtern und den Stichwörtern der Zusammenfassung ein höheres Gewicht gegeben als den Textstichwörtern. Trotzdem gibt es Dokumente, in denen die wichtigsten Wörter nur selten auftreten. Außerdem verwenden Autoren auch gerne Synonyme ihres Themas, damit der Text nicht so monoton wird. Beide Situationen führen dazu, dass für wichtige Stichwörter zur Beschreibung des Inhalts der zu indexierenden Dokumentationseinheit die Häufigkeit unterschätzt wird. Das linguistisch basierte Indexieren lässt sich durch Miteinbeziehen von Hintergrundwissen aus dem Sachgebiet des Dokuments verbessern. Dieses Wissen wird auch als Weltwissen bezeichnet und in wissensbasierten Systemen, die auch als Expertensysteme bezeichnet werden, aufbereitet und gespeichert. Mithilfe der Expertensystemtechnik wird es möglich, Wissen aus dem Fachgebiet, aus dem die Dokumentationseinheit stammt, im Computer darzustellen. Ein Beispiel für dieses Wissen ist die computerinterne Darstellung von Äquivalenzklassen, logischen und partitiven hierarchischen Beziehungen, von Ist-Gegenteil-vonBeziehungen usw. Die Darstellung dieser Beziehungen im Wörterbuch heißt auch semantisches Netzwerk. Die Verwendung einer Wissensbasis ermöglicht es, Mehrdeutigkeiten der semantischen und syntaktischen Analyse zu beseitigen. Ist ein Textwort ein Homonym wie z.B. Ton, so kann durch den Abgleich des bisher ermittelten Inhalts der Dokumentationseinheit mit der Wissensbasis entschieden werden, ob in dieser Dokumentationseinheit und in diesem Kontext Ton als erdiges Material, als Ton in der Musik oder als Farbton zu verstehen ist. Durch die Verbindung des bisher erkennbaren Inhalts des Dokuments mit dem Expertensystem können Homonyme und andere Mehrdeutigkeiten aufgelöst und zugeordnet werden.

27.3 Data Extraction Data Extraction ist die einfachste Form des maschinellen Erschließens von Daten und Texten. Meist sind Fälle mit bestimmten Eigenschaften zu selektieren. Beispiele für Datenextraktion: x

Bei einer internationalen epidemiologischen Erhebung zur Früherkennung von Brustkrebs wurde bei jeder Teilnehmerin eine Anamnese erhoben und unter vielem anderen

284

x

x

x

Thema 27 der Blutdruck im Sitzen gemessen. Es wird gefragt, wie groß der Anteil der Frauen ist, die Bluthochdruck haben ohne es zu wissen. Dazu wird von jeder Studienteilnehmerin benötigt: (1.) Blutdruck, (2.) wurde in der Anamnese ein Hochdruck angegeben und (3.) wurde in den letzten 7 Tagen ein Medikament eingenommen, das den Blutdruck senkt. Suche mir aus den ca. 100 000 Arztbriefen der letzten 5 Jahre unserer Klinik alle Patienten heraus, die gleichzeitig ein Aminoglycosid (Arzneimittelgruppe bei Herzinsuffizienz) und ein Diurethikum (harntreibendes, entwässerndes Arzneimittel) eingenommen haben. Diese Fragestellung ist wichtig, um herauszufinden, ob sich diese Arzneimittel in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder abschwächen (positive oder negative Arzneimittelwechselwirkung) oder ob diese Kombination das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen erhöht oder erniedrigt. Gegeben ist eine Datei von Personennamen (oder Firmennamen) sowie maschinenlesbar der Text einer bestimmten Tages- oder Wochenzeitung. Zu erstellen ist ein Register, welche Person (bzw. welche Firma) in welchen Zeitungsbeiträgen erwähnt wurde. Anstatt Zeitungstext können auch z.B. Kataloge oder Anzeigen ausgewertet werden und anstatt eines Personen- oder Firmenregisters können auch z.B. Register für Rechtsanwaltskanzleien, Waren, Warenzeichen, chemische Substanzen oder Orte erstellt werden. Ein wie eben beschriebenes Personenregister kann erweitert werden, sodass die Lebensläufe der betrachteten Personen entstehen – soweit sie aus den verfügbaren Quellen (z.B. die Texte einer Nachrichtenagentur) ersichtlich sind. Dafür muss natürlich aus den Daten mehr Information extrahiert werden: Name, Position (z.B. Staatssekretär im Verteidigungsministerium, z.B. Vorstandsvorsitzender der xyz-Bank), Änderung der Position (neu erworben, weiterhin gleiche Position, Position beendet) und das Kalenderdatum der Änderung der Position oder der Nachricht.

Die Verfahren der Datenextraktion bauen zum Teil auf der Datendokumentation (siehe Thema 30), zum Teil auf der Freitextsuche auf. Sie können aber sehr anspruchsvolle Suchfragen erfordern. Noch schwieriger kann es sein, maschinell und zuverlässig die gewünschten Zusatzinformationen zu gewinnen. Im letzten Beispiel waren dies Position und Änderung der Position. Während ein Teil der gesuchten Informationen (in den Beispielen: Name der Medikamente, Personen- und Firmennamen, Position und deren Veränderung) aus natürlichsprachlichen Texten kommt, kommt ein anderer Teil der Informationen aus strukturierten Daten, z.B. das Kalenderdatum des Zeitungstextes oder z.B. Signatur, Alter, Geschlecht und Aufenthaltsdauer des Patienten. Die aus den Texten gewonnen Angaben müssen großteils klassifiziert werden. Bei der Variablen „Position“ sind „nur“ Synonyme zusammenzuführen, während bei der Variablen „Veränderung der Position“ die extrahierten Texte einer der 3 zugelassenen Ausprägungen „neu erworben“, „weiterhin gleiche Position“ oder „Position beendet“ zugeordnet werden müssen.

27.4 Data Mining Mining bedeutet Bergbau, d.h. das Suchen und Gewinnen von z.B. Kohle, Metallerz oder Diamanten in einer Fülle von taubem, wertlosem Gestein. Bildlich gesprochen wird nach der Nadel im Heuhaufen gesucht. Data Mining sucht somit aus einer erdrückenden Datenfülle die gewünschte Information, die gesuchte „Perle“ heraus. Manchmal wird unterschieden, dass das klassische Information Retrieval nur etwas wieder findet, was vorher schon vorhanden war, während Data Mining eine neue, vorher noch nicht vorhandene Information er-

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 285 zeugt. Dieser Unterschied gilt aber nicht prinzipiell, auch beim Data Mining muss die gewünschte Information – im Prinzip – schon in den Daten enthalten sein, sonst kann sie nicht gewonnen werden. Ein wichtigerer Unterschied ist wohl, dass beim Information Retrieval eine einzelne Angabe gesucht, wieder gefunden und präsentiert wird, während beim Data Mining mehrere Variablen gleichzeitig abzufragen sind und Fälle mit einem bestimmten Muster selektiert werden. Data Mining ist explorative Datenanalyse in strukturierten Fakten-Datenbanken. „Explorativ“ (entdeckend) bedeutet, dass irgend etwas Interessantes in den Daten gesucht wird, dass intensiv und systematisch in den Daten herumgeschnüffelt wird, ob nicht doch noch etwas Neues, etwas Brauchbares drin ist. Schwerpunkte des Data Mining sind Assoziationsanalyse und Abweichungsanalyse. Bei der Assoziationsanalyse wird nach bisher unbekannten Zusammenhängen gesucht. Bei der Abweichungsanalyse wird gefragt, wer sich anders als andere verhält, es wird versucht, Ausreißer (Extremfälle) zu erkennen und zu interpretieren. Das wichtigste Anwendungsgebiet der Assoziationsanalyse ist die Untersuchung des Käuferverhaltens im Marketing. Man nehme z.B. die Daten der Scannerkassen eines Lebensmittelmarktes oder eines Warenhauses. Daraus lässt sich z.B. ermitteln: Von den Kunden, die Brötchen š (Butter › Margarine) kaufen, kaufen 40% auch Marmelade. Daraus kann der Leiter des Marktes überlegen, ob er diese Artikel in benachbarten Regalen platziert. Für eine Direktwerbung kann z.B. interessant sein: Wer Automodell x fährt, hat einen Kreditkartenumsatz von im Mittel y Euro pro Jahr und reist bevorzugt auf die Malediven und nach Thailand. Dies ließe sich aus den Daten z.B. der „Mercedes-Card“ ermitteln, einer Visa-Kreditkarte, die nur Halter von Mercedes-Fahrzeugen erhalten. Die Abweichungsanalyse des Data Mining ist ebenfalls wirtschaftlich interessant. Es gibt immer wieder Personen, die mit ihrer Euroscheckkarte oder mit ihrer Kreditkarte ihr Konto so stark überziehen, dass die Bank die Karte sperren muss, aber die vor der Sperrung ausgegebenen Beträge ganz oder teilweise als Verlust hinnehmen muss. Die Bank möchte Kunden, bei denen die Gefahr eines Not leidenden Kartenkredits besteht, möglichst vorab erkennen, um dann diese Kunden engmaschiger zu überwachen und den Kreditrahmen einzuschränken. Alle Kreditkarten-Transaktionen (Zahlungen) sind ohnehin in einem Bankcomputer gespeichert. Mit Verfahren des Data Mining wird nun versucht, Datenmuster zu finden, die einer (zu) ausgeprägten Kontoüberziehung vorhergehen. Zu dem gesuchten Datenmuster gehört ein deutlich zunehmender Gesamtumsatz einer Karte, ein zunehmender Anteil des Kartenumsatzes in hochpreisigen Geschäften und mit Geschäften, die nicht den Grundbedürfnissen dienen. Ziel ist es, betrügerisches Kaufverhalten vom üblichen Kaufverhalten zu unterscheiden. In der Kriminalistik gibt es den Begriff der Rasterfahndung. Wer kein Mitglied in einem bürgerlichen Verein ist, wer oft umzieht, immer wieder ein Auto zulässt, verschiedene Kreditkarten benutzt, keinen festen Arbeitgeber hat, keine Sozialbezüge erhält und trotzdem einen nennenswerten Kontoumsatz hat, in keinem Geschäft Stammkunde ist, viel mit dem Ausland telefoniert, oft für kurze Zeit ins Ausland reist – kurz, wer ein unstetes Leben führt, macht sich irgendwie verdächtig. Die deutschen Datenschutzgesetze verhindern eine Rasterfahndung, das Terrorism-Information-Awareness-Programm der USA versucht jedoch, mit Data Mining potentielle Terroristen frühzeitig zu erkennen.

286

Thema 27

27.5 Text Mining Text Mining ist die Gewinnung bisher unbekannter Informationen durch maschinelles Bearbeiten großer Textmengen. Während Data Mining Informationen aus strukturierten Datenbanken gewinnt, gewinnt das Text Mining neue Informationen aus natürlichsprachlichen Texten. Ausgewertet werden Zeitungstexte, die von Nachrichtendiensten herausgegebenen Texte, firmeninterne Berichte, wissenschaftliche Texte, die Texte von E-Mails und andere Texte mehr. Text Mining ist oft eine anspruchsvolle Freitextsuche (Thema 24) ähnlich der Data Extraction (Thema 27.3) und der Arbeit von WWW-Suchmaschinen (Thema 26). Die Auswertung selbst (siehe Thema 27.1) ist bereits ein mehrstufiger Prozess: Zuerst sind die Inhalte und die „concepts“ (vielleicht noch am ehesten als Begriffe zu übersetzen) zu erkennen, diese sind dann zu Clustern zusammenzuführen, und schließlich sollen die Ergebnisse den Zielvorstellungen entsprechen. Text Mining ist eine an Bedeutung gewinnende Anwendung der Computerlinguistik (s. folgendes Teilthema).

27.6 Natural Language Processing (Computerlinguistik) Zunächst ist zu erwähnen, dass Natural Language Processing, maschinelle Sprach- oder Textverarbeitung, Computational Linguistics, Computerlinguistik und linguistische Datenverarbeitung hier als Vollsynonyme betrachtet werden. Zu verstehen ist darunter die Beoder Verarbeitung gesprochener, meist aber geschriebener natürlicher Sprache mit programmierten Algorithmen. Die Computerlinguistik ist eine interessante Forschungsrichtung, an der Linguisten, Informatiker, aber auch Dokumentare mitarbeiten (Lit. h2, h3, h6). Ziele dieser Arbeitsrichtung sind: x x x x x

x

x x

Erforschung, inwieweit Spracherkennung, Sprachanalyse und Sprachsynthese algorithmisierbar und damit automatisierbar sind Entwicklung von Formalismen zum Erkennen grammatikalischer Formen, um dann die natürliche Sprache oder Teile davon formal beschreiben zu können Maschinelle Erstellung von Abstracts und anderen Formen der Inhaltsangabe in gebundener Sprache Maschinelle Unterstützung der intellektuellen Sprachübersetzung, sowohl für geschriebene, als auch für gesprochene Sprache Ein maschinelles Erkennen gesprochener Sprache (Spracherkennung) ist möglich für ein stark eingeschränktes Anwendungsgebiet mit bis zu etwa 100 verschiedenen Wörtern, z.B. die Fahrplanauskunft der Bahn unter Telefon 0800 1507090. Wird das Spracherkennungsprogramm auf einen bestimmten Sprecher trainiert, so kann es zwischen 1 000 und 10 000 verschiedene Wörter erkennen. Das reicht aus, um einen diktierten (Fach-) Text maschinell zu schreiben. Maschinelles Indexieren von Dokumentationseinheiten anhand von Ordnungssystemen, die speziell auf das automatische Indexieren zugeschnitten sind (automatische Klassifizierung) Gewinnung von Stich- und Schlagwörtern aus Texten zur automatischen Erstellung von Registern und damit zur Vorbereitung und Verbesserung der Freitextsuche. Verfahren des Text Mining

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 287 Die Computerlinguistik hat durchaus praktische Bedeutung erlangt, wie die Suchmaschinen im WWW und andere anspruchsvolle Freitextsuchen zeigen. Die computerlinguistischen Verfahren zum Text Mining bestehen typischerweise aus morphologischer Analyse, syntaktischer Analyse und schließlich der semantischen Zuordnung (Morphologie = Lehre von den Wortformen; Semantik = Wortbedeutungen; Syntax = Satzbau). Die morphologische Analyse eines Textworts beginnt mit der Wortstammsuche. Dabei wird zunächst versucht, das ganze Wort im Wörterbuch zu finden (Wörterbuchabgleich). Ist das Textwort im Wörterbuch nicht enthalten, so wird es morphologisch analysiert. Dabei versucht das Programm, Vorsilben (Präfixe), Nachsilben (Postfixe) und durch Plural, Genitiv usw. bedingte Flexionen zu erkennen. Besser ist es, in das Wörterbuch alle morphologisch möglichen Formen aufzunehmen und jede Form mit der zutreffenden Zusatzinformation auszustatten. Beispiel für ein computerlinguistisches Wörterbuch: Wörterbucheingang

Artikel (Geschlecht)

Numerus

Kasus

Haus

das das dem

Singular Singular Singular

Nominativ Akkusativ Dativ

Häuser

die die der

Plural Plural Plural

Nominativ Akkusativ Genitiv

Häusern

den

Plural

Dativ

Hauses

des

Singular

Genitiv

Ein Wörterbuch für linguistische Datenverarbeitung ist sehr detailliert und ist meistens eine Datenbanktabelle. Bei jedem Wort ist nicht nur Vorzugsbenennung und Notation angegeben, sondern auch um welche grammatikalische Wortart es sich handelt und welche syntaktischen Eigenschaften das Wort hat. Ein langes Wort kann ein Kompositum (zusammengesetztes Wort wie z.B. Apfelbaum, Brauereigaststätte, Donaudampfschifffahrtskapitän) sein, hier wird versucht, das Kompositum in Grund- und Ergänzungswort zu zerlegen. (In den Beispielen sind Baum, Gaststätte und Kapitän die Grundwörter; Apfel, Brauerei, Donau, Dampf und Schifffahrt die Ergänzungswörter.) Ziel der morphologischen Analyse eines Textwortes ist das Herausfinden des Wortstamms (bei Komposita das Herausfinden der Wortstämme) und der Morpheme. Morpheme sind die kleinsten Wortteile, die eine Bedeutung haben. Praktisch werden bei der morphologischen Analyse die erkannten Vor- und Nachsilben abgetrennt und erneut ein Wörterbuchabgleich versucht. Anstatt komplette Vor- und Nachsilben abzutrennen, kann zunächst auch nur der letzte Buchstabe abgetrennt und ein Wörterbuchabgleich versucht werden. Ist ein Wörterbuchabgleich nicht möglich, so wird erneut ein Buchstabe abgetrennt und ein Wörterbuchabgleich versucht. Dieses Vorgehen nennt man das

288

Thema 27

Prinzip des longest match. Je länger eine aus einem Textwort stammende Zeichenkette (Teilstring) mit einem Wörterbucheingang übereinstimmt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine sachlich richtige Zuordnung. Bei mutmaßlichen Komposita wird geprüft, ob für den vorderen Teil oder den hinteren Teil des Wortes ein Wörterbuchabgleich möglich ist. Ist ein Teilstring im Wörterbuch enthalten, so wird geprüft, ob für den Reststring ebenfalls ein Wörterbuchabgleich möglich ist. Ist die morphologische Analyse mehr oder weniger erfolgreich abgeschlossen, so beginnt die grammatikalische Analyse (Syntaxanalyse). Dabei wird, ausgehend von den Wörterbucheinträgen der Textwörter, versucht, die einzelnen Satzteile wie Subjekt, Prädikat, Objekt, Nebensätze usw. nacheinander zu erkennen. Das Ziel, einzelne Satzteile syntaktisch zu analysieren, heißt partielles Parsing, das Ziel, komplette Sätze syntaktisch zu erkennen, vollständiges Parsing. Sind die einzelnen Wörter des Satzes in ihrer Bedeutung erkannt und ist der grammatikalische Aufbau des Satzes bestimmt worden, so ist es verhältnismäßig einfach, aus den wichtigsten Wörtern des Satzes Deskriptoren abzuleiten und sie der Dokumentationseinheit zuzuordnen (semantische Zuordnung). Damit lassen sich dann Sätze inhaltlich erschließen wie z.B. folgender Satz aus einem Arztbrief: „Protein, Kreatinin, Harnsäure, Osmolariät, HbA1c und Gesamtcholesterin waren unauffällig, Triclyceride, HDL und LDL wurden nicht bestimmt. Dieser Satz führt zu den Deskriptoren: Gesamtcholesterin normal Harnsäure normal HbA1c normal HDL nicht bestimmt Kreatinin normal LDL nicht bestimmt Osmolarität normal Protein normal Triclyceride nicht bestimmt

27.7 Beispiel: Maschinelle inhaltliche Analyse von Arztbriefen Nach Abschluss einer stationären Behandlung informiert die Klinik mit einem Arztbrief den einweisenden und weiterbehandelnden Arzt (den Hausarzt) über das, was mit dem Patienten geschehen ist, und gibt Empfehlungen zur Weiterbehandlung. Der Arztbrief fasst epikritisch – also nachdem die Krankheit überwunden ist, im Rückblick – Anamnese (Vorgeschichte), Beschwerden und Symptome, die eingesetzten diagnostischen Verfahren, die gestellte(n) Diagnose(n), Therapie, Verlauf, Komplikationen und das erzielte Ergebnis zusammen. Eine Kopie des Arztbriefes wird in der Krankenakte obenauf abgelegt und hat dort eine ähnliche Aufgabe wie das einem wissenschaftlichen Aufsatz vorangestellte Abstract. Konventionell geführte Krankenakten werden im Archiv (siehe Thema 2.3) nach der Patientenidentifikation, meist besteht sie aus Geburtsdatum und dem Namen des Patienten, abgelegt. Damit wird gewährleistet, dass bei erneuter Behandlung eines Patienten dessen Krankenakte zuverlässig und schnell wieder verfügbar ist. Zumindest in Universitätskliniken möchten wissenschaftlich arbeitende Ärzte aber auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten auf

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 289 die Krankenakten zugreifen können, z.B. die Krankenakten aller Patienten mit einer bestimmten Diagnose einsehen, exzerpieren und die exzerpierten Daten auswerten. Um dies zu ermöglichen, werden die Diagnosen z.B. nach ICD-10 verschlüsselt und ein Diagnosenregister angelegt. Ein weitergehendes intellektuelles Indexieren der Krankenakten ist zwar wünschenswert, aber nur bei entsprechenden Forschungsprojekten finanzierbar. Der Arztbrief enthält die wichtigsten Angaben der Behandlung in intellektuell aufgearbeiteter und konzentrierter Form. Eine reine Freitextsuche ist bei Arztbriefen meist unbefriedigend, insbesondere wegen Aufzählungen und Verneinungen. Deshalb wurde in der Abteilung Biometrie und Medizinische Dokumentation der Universität Ulm versucht, Arztbriefe mit computerlinguistischen Verfahren für wissenschaftliche Zwecke inhaltlich zu erschließen. Verwendet wurden bekannte computerlinguistische Verfahren. Lediglich die Anwendung dieser Verfahren auf Arztbriefe, die Einführung der Abschnittsdeskriptoren (siehe unten) und die Erstellung der klinikspezifischen Wörterbücher wurden neu geleistet. Bisher wurden etwa 5 Personenjahre investiert. Das Ziel der computerlinguistischen Aufbereitung der Arztbriefe kann beispielhaft an der folgenden Suchfrage dargelegt werden. Wie häufig wurde bei gleichzeitiger Verabreichung des Arzneimittels x und des Arzneimittels y ein Anstieg der Transferasen (bestimmte Leberenzyme) beobachtet, der auf eine Leberschädigung durch diese Arzneimittelkombination hinweist? Daraus wird eine formale Suchfrage formuliert und die aus den Arztbriefen mit computerlinguistischen Verfahren erstellte Datenbank abgefragt. Der Arzt kann dann die selektierten Arztbriefe lesen und bei jedem Arztbrief entscheiden, ob er zusätzlich die Krankenakte studieren will (siehe auch Thema 2.9 Mehrstufiges Auswahlverfahren). Neben den natürlich-, aber fachsprachlichen Texten der Arztbriefe gibt es für jede Behandlung auch einen strukturierten Datensatz. Dieser umfasst meist die Patientenidentifikation (Aufnahme-Nummer), Name, Geburtsdatum und Geschlecht des Patienten, Aufnahme-, Verlegungs- und Entlassdatum, Station, Angaben zur Abrechnung und ICD-10-Notation der aktuellen Diagnosen. Diese strukturierten Daten lassen sich problemlos übernehmen und den aus dem Text des Arztbriefes gewonnenen Informationen zuordnen. Ein Arztbrief hat folgende typische Struktur: x

Anschriften der Empfänger, das sind einweisender Arzt, weiterbehandelnder Arzt und Hausarzt – soweit nicht identisch

x

Allgemeine Patientenidentifikation bestehend aus Name, Geburtsdatum, Anschrift des Patienten

x

Diagnosen als Schlagwörter oder ICD-Notation

x

Standardtext „Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege“

x

Einleitung: Behandlung in unserer Abteilung … von … bis … wegen … (Einweisungsdiagnose, z.B. Verdacht auf Herzinfarkt). Alter, Allgemeinzustand, Ernährungszustand des Patienten und schließlich die Art der Entlassung, z.B. gesund, zur Weiterbehandlung oder verstorben.

x

Anamnese, d.h. Vorgeschichte des Patienten und seiner Krankheit, z.B. frühere – vielleicht noch bestehende – Erkrankungen, frühere Operationen, Handicaps, erbliche Belastungen. Grund für die jetzige stationäre Behandlung.

x

Diagnostik: Beschwerden, Befunde und Symptome bei Aufnahme, die bei dem Patienten eingesetzten diagnostischen Verfahren und deren Befunde.

Diese Angaben entsprechen dem Betreff und Bezug in Geschäftsbriefen.

290

Thema 27

x

Diagnose(n): Ableitung der Diagnosen aus den erhobenen Befunden, Begründung der Diagnose(n), detaillierte Beschreibung der Krankheiten (Differentialdiagnose) und Angaben zur Diagnosesicherheit.

x

Therapie(n): Eingesetzte Therapien, z.B. verordnete Arzneimittel mit Dosis.

x

Operationen: Art, Umfang und Verlauf von durchgeführten Operationen, Operationsergebnisse einschließlich intra- und postoperativer Befunde und Histologien.

x

Komplikationen: Sind Komplikationen aufgetreten? Welche? Wie wurden sie behandelt? Welche Modifikationen der Therapie waren erforderlich? Wie endete(n) die Komplikation(en)?

x

Krankheitsverlauf: Wie schnell und wie weit haben sich Beschwerden und Befunde verbessert?

x

Zustand bei Entlassung, z.B. gesund, arbeitsfähig, behandlungsbedürftig, überwachungsbedürftig, verstorben.

x

Empfohlenes weiteres Vorgehen, z.B. wöchentliche Überwachung dieses oder jenes Befundes, empfohlene Medikation, eventuell Wiedervorstellung in der Klinik in … Monaten.

x

Schlussformel: „Mit kollegialen Grüßen, Name, Oberarzt“

Diese Struktur trifft für viele, aus dokumentarischer Sicht aber leider nicht für alle Arztbriefe zu. Arztbriefe haben einen Umfang von etwa ½ Seite (Beispiel: Komplikationslose Operation eines Leistenbruches) bis zu 5 oder mehr Seiten (Beispiel: Diagnose einer akuten Leukämie und etwa 6-wöchige Therapie zur Induktion einer Remission). Eine feste, für alle Ärzte verbindliche Struktur der Arztbriefe würde die computerlinguistische Analyse sehr erleichtern, aber der Vielfalt der medizinischen Behandlungen und Krankheitsverläufe nicht gerecht werden. Bewährt hat sich ein Verzeichnis fester Kategoriebezeichnungen, wie sie in der obigen Strukturbeschreibung durch Fettdruck hervorgehoben sind und die im Folgenden als Abschnittsdeskriptoren bezeichnet werden. Die Ärzte haben sich auf eine Liste von ca. 20 Abschnittsdeskriptoren (z.B. Diagnostik , z.B. Operation ) verständigt und zugestimmt, jedem Abschnitt eines Arztbriefes einen dieser Abschnittsdeskriptoren voranzustellen. Das computerlinguistische Analyseprogramm erkennt am Abschnittsdeskriptor den Anfang und die Bedeutung des Abschnitts. Die Diagnose, z.B. „Oberschenkelfraktur“ hat im Abschnitt Anamnese einen ganz anderen Stellenwert als im Abschnitt Diagnosen . Die Abschnittsdeskriptoren sind – wie die Facetten einer Facettenklassifikation – Funktionsdeskriptoren (siehe Thema 20.5), die die Wörter innerhalb des Abschnitts näher bestimmen. Ein großer Vorteil der Abschnittsdeskriptoren ist auch die Gliederung des Arztbriefes in Teildokumente, die zunächst separat analysiert werden. Kurze Texte sind sehr viel einfacher zu analysieren als längere Texte. Viele Probleme, die sonst mit Distanzmaßen bearbeitet werden müssten, entfallen. Die computerlinguistische morphologische Analyse der Textwörter beginnt mit dem Erkennen von Satzenden. Dann folgt das Entfernen der Nicht-Stichwörter und der Abgleich mit dem Wörterbuch nach dem longest match. Das Wörterbuch für die Medizinische Klinik mit Ergänzungen aus Chirurgie, Urologie und Gynäkologie umfasst ca. 186 000 Einträge. Es wurde aus ICD-10, OPS und SNOMED (Systematisierte Nomenklatur der Medizin, ein hier nicht behandeltes, umfangreiches Ordnungssystem), vor allem aber aus ca. 36 000 internistischen Arztbriefen selbst entwickelt.

Vom Data Warehouse zum Knowledge Management 291 Aufzählungen und Verneinungen sind schwierig aufzubereiten, für die Recherche ist es aber besonders wichtig, sie richtig zu erkennen. Für einen Algorithmus ist es oft nicht einfach zu erkennen, wie weit in einer Aufzählung die Aussage, auch eine verneinte Aussage gilt. Im Folgenden werden Beispiele von Texten aus Arztbriefen gegeben und die – wenn alles gut gegangen ist – maschinell daraus erzeugten Deskriptoren.

Arztbrieftext

Erzeugte Deskriptoren

70-jähriger Patient in gutem AZ, EZ, 80 kg konstant bei einer Körpergröße von 181 cm

AZ gut; EZ gut; Gewicht 80 kg; Größe 181 cm; Siehe Anmerkung 1

Die Befunde der Oberbauchsonographie, Schilddrüsensonographie, Hämatologie, klinischen Chemie, Immunologie, Endokrinologie, Coloskopie sind in Kopie beigefügt.

Oberbauchsonographie durchgeführt; Schilddrüsensonographie durchgeführt; Hämatologie durchgeführt; Klinische Chemie durchgeführt; Immunologie durchgeführt; Endokrinologie durchgeführt; Coloskopie durchgeführt;

Abdomen: Leber und Milz nicht vergrößert tastbar, kein Druckschmerz, keine Resistenzen,lebhafte Darmgeräusche

Leber nicht vergrößert; Milz nicht vergrößert; Abdomen kein Druckschmerz; Abdomen keine Resistenz; Darmgeräusche lebhaft;

Blutbild vom 31.01.2005: Zellzählung: Leukozyten 4.9 × 109/l; Erythrozyten 5.1 × 1012/l; Hämoglobin 14.8 g/dl; Hämatokrit 0.44 l/l

Leukozyten 4.9 × 109/l; Erythrozyten 5.1 × 1012/l; Hämoglobin 148 g/l; Hämatokrit 0.44;

Die durchgeführte Coloskopie ergab einen altersentsprechenden Normalbefund

Coloskopie o.B.; Siehe Anmerkung 2

Anmerkung 1: AZ = Allgemeinzustand. EZ = Ernährungszustand. Das angegebene Alter wird nicht übernommen, sondern aus den formalen Deskriptoren Geburts- und Aufnahmedatum errechnet. Aus dem Wort „Patient“ wird das Geschlecht männlich nicht erzeugt, da Geschlecht als formaler Deskriptor verfügbar ist. Anmerkung 2: o.B. = ohne (pathologischen) Befund, d.h. unauffällig, normal Als Ergebnis der maschinellen inhaltlichen Analyse erhält jedes erkannte Wort ein Kennzeichen (tag). Beispiele für solche Tags sind „ist ein Befund“, „ist eine Lokalisation (Körperteil)“, „ist ein diagnostisches Verfahren“, „ist eine Diagnose“, „ist eine Therapie“ usw., aber auch „unauffällig“, „erhöht“, „erniedrigt“, „pathologisch“, „nicht untersucht“ usw. sowie „Nicht-Stichwort“, „Eigenname“ oder dergleichen. Bei jedem Kennzeichen wurde auch die genaue Stelle im Wörterbuch angegeben. Danach wurden die Arztbrieftexte samt Tags und zusammen mit den strukturierten Daten in eine Datenbank eingespeichert.

292

Thema 27

Suchfragen sind in der allgemeinen Datenbankabfragesprache SQL (Structured Query Language) zu schreiben. Eine bequemere, benutzerfreundlichere, von den Ärzten benutzbare Abfragemöglichkeit erscheint wegen der kleinen Anzahl von Abfragen entbehrlich. Die ärztliche Schweigepflicht erlaubt nur den derzeitigen Klinikärzten eine Benutzung der Arztbriefdokumentation. Das System kann spezifische und detaillierte Suchfragen bearbeiten, z.B. selektiere alle Patienten (genauer: die interne Patientenidentifikation) x

mit einer bestimmten Diagnose, z.B. Osteomyelofibrose,

x

mit einer bestimmten Kombination von Diagnosen, z.B. Diabetiker mit Oberschenkelfraktur,

x

bei denen ein bestimmtes diagnostisches Verfahren – gleichgültig mit welchem Befund – angewandt worden ist, z.B. eine Coloskopie durchgeführt wurde,

x

mit einem bestimmten Befund, z.B. schwere Leukopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen) mit Leukozyten 10 ist, weil nur dann (b  e)2 ! 10 e

werden kann. Diese Rechnung ist aus statistisch-theoretischen Überlegungen nicht ganz korrekt, da wegen der „Nähe der Null“ für unbenutzte Deskriptoren ein anderes statistisches Verfahren anzuwenden ist. Dieses Verfahren ergibt, dass bei einer mittleren Benutzungsfrequenz von e > 6.9 unbenutzte Deskriptoren auffällig sind. Für statistisch Interessierte: Es wird das Elementarereignis betrachtet, dass ein bestimmter Deskriptor zugeteilt wird oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Deskriptor bei n Zuteilungen nullmal zugeteilt wird, lässt sich mit der Binomial- oder mit der PoissonVerteilung bestimmen. Die Elementarwahrscheinlichkeit beträgt 1/D, der Erwartungswert e = n/D. Nach der Poisson-Verteilung ist n/D = –ln(Alpha), wobei Alpha die einseitige Irrtumswahrscheinlichkeit ist. Für Alpha = 0.001 ist n/D = 6.908. Die Approximation durch die Poisson-Verteilung ist schon ab D = 20 leidlich brauchbar. Aus der Binomialverteilung ist n/D = ln(Alpha)/D(ln(D1) –ln(D)). Bei Alpha = 0.001 betragen die genauen Werte für n/D bei D = 2: 4.98; D = 3: 5.68; D = 4: 6.00; D = 5: 6.19; D = 10: 6.56; D = 20: 6.73; D = 50: 6.84; D = 100: 6.87 und bei D = 200: 6.89. Die Entscheidung, ob ein unbenutzter Deskriptor nur zufällig nicht benutzt wurde oder ob er tatsächlich seltener indexiert wird, kann also erst getroffen werden, wenn die mittlere Benutzungsfrequenz größer als 6.9 ist. Umgekehrt formuliert ist bei einer mittleren Benutzungsfrequenz e > 6.9 „bewiesen“, dass die unbenutzten Deskriptoren seltener benutzt werden als die anderen. Für eine Klassifikation ohne Überlagerung bedeutet das z.B., dass erst dann, wenn die mittlere Klassenbesetzung mindestens 6.9 ist, also wenn etwa siebenmal so viele Dokumentationseinheiten eingespeichert wurden als das Klassifikationssystem Klassen hat, entschieden werden kann, ob unbesetzte Klassen nur zufallsbedingt unbesetzt sind oder ob sie tatsächlich weniger häufig benutzt werden. In dem in Abb. 32.1 vorgestellten Beispiel sollten die 15 Deskriptoren, die überhaupt nicht benutzt wurden, in die Revision des Ordnungssystems einbezogen und zusammengelegt oder mit anderen Deskriptoren vereinigt werden.

32.9 Benutzungsfrequenz der Deskriptoren beim Recherchieren Wie oft jeder Deskriptor in formalen Suchfragen vorgekommen ist, ist schwieriger zu ermitteln als die Benutzungsfrequenz beim Indexieren. Wie bereits erwähnt, muss dazu das Retrievalprogramm die entsprechende Statistik führen. Bei den Benutzungsfrequenzen des Recherchierens br lohnt sich die Unterscheidung, ob die Deskriptoren in der formalen Suchfrage mit š, › oder ™ verknüpft waren, oft nicht. Nur in den Vergleich der Benutzungsfrequenzen des Indexierens und Recherchierens sollten die mit ™ verknüpften Deskriptoren nicht eingehen, da sie diesen Vergleich systematisch verfälschen (falls überhaupt eine nennenswerte Anzahl von ™ -Verknüpfungen verwendet wurde). Zur Auszählung der Benutzungsfrequenzen werden nur die Deskriptoren der endgültigen formalen Suchfragen heran-

336

Thema 32

gezogen. Formale Suchfragen, deren Rechercheergebnis nur bewirkte, die formale Suchfrage zu modifizieren, bleiben bei der Auszählung der Benutzungsfrequenzen unberücksichtigt. Die Verteilung der Benutzungsfrequenzen, die mittlere Benutzungsfrequenz und die Prüfung auf deutlich abweichende Benutzungsfrequenzen wird mit den Benutzungsfrequenzen des Recherchierens genauso ermittelt, wie mit denen des Indexierens. Das Auswerten der Benutzungsfrequenzen des Recherchierens ist eigentlich noch wichtiger als das Auswerten der Benutzungsfrequenzen des Indexierens, da sie die Benutzungsinteressen widerspiegeln. Trotzdem werden die Benutzungsfrequenzen des Recherchierens seltener ausgewertet, weil nur wenige Retrievalprogramme die Benutzungsfrequenzen der Deskriptoren in formalen Suchfragen ermitteln. Hinzu kommt, dass viele Dokumentationsstellen erheblich weniger Recherchen ausführen, als sie Dokumentationseinheiten einspeichern. Damit wird auch die mittlere Benutzungsfrequenz des Recherchierens kleiner als die des Indexierens und macht damit das Erkennen der zum Recherchieren deutlich seltener benutzten Deskriptoren schwierig.

32.10 Vergleich der Benutzungsfrequenzen des Indexierens und des Recherchierens Besonders interessant ist der Vergleich der Benutzungsfrequenz des Indexierens mit der Benutzungsfrequenz des Recherchierens für jeden Deskriptor. Das ist allerdings nicht direkt möglich, da die Anzahl der im Beobachtungszeitraum eingespeicherten Dokumentationseinheiten nicht gleich der Anzahl der durchgeführten Recherchen ist. Für den Vergleich ist die Benutzungsfrequenz b jedes Deskriptors durch die mittlere Benutzungsfrequenz e zu teilen, also die Quotienten bi/ei und br/er. Dann sind für einen Deskriptor nach dem anderen diese beiden Quotienten zu betrachten. Sind beide Quotienten eines Deskriptors gleichermaßen kleiner 1, so wird der Deskriptor sowohl zum Indexieren als auch zum Recherchieren seltener verwendet als der Durchschnitt der Deskriptoren. Sind beide Quotienten größer 1, so handelt es sich um einen sowohl beim Indexieren als auch beim Recherchieren häufig benutzten Deskriptor. Sind die beiden Quotienten eines Deskriptors etwa gleich groß, so stimmen „Angebot“ (in Form der eingespeicherten Dokumentationseinheiten) und „Nachfrage“ (in Form der Suchfragen) überein. Ist der Quotient des Indexierens erheblich größer als der Quotient des Recherchierens, so liegen zwar zu dem von diesem Deskriptor beschriebenen Sachverhalt viele Dokumentationseinheiten vor, aber die Benutzer interessieren sich für diesen Sachverhalt weniger. Ist umgekehrt der Quotient für das Indexieren erheblich kleiner als der Quotient des Recherchierens, so interessiert dieser Sachverhalt die Benutzer mehr, als zutreffende Dokumentationseinheiten eingespeichert sind. Durch den Vergleich der Benutzungsfrequenzen des Indexierens und Recherchierens erhält die Dokumentationsstelle außerordentlich wichtige Hinweise, ob die von ihr bereitgestellten Dokumentationseinheiten zu den Bedürfnissen ihrer Benutzer passen. Insbesondere erfährt die Dokumentationsstelle, bei welchen Sachverhalten sie Schwerpunkte beim Erwerb der Dokumentationseinheiten setzen muss und bei welchen Sachverhalten sie die Dokumentationswürdigkeit strenger beurteilen kann.

Revision eines Ordnungssystems

337

32.11 Arbeits- und Zeitaufwand für die Revision Zu unterscheiden ist der einmalige Arbeitsaufwand, der je Revision anfällt, und der Arbeitsaufwand, der mehr oder weniger laufend zur Vorbereitung der nächsten Revision notwendig ist. Die Hilfslisten und Zusatzprotokolle für die zukünftige Revision sollten sofort beim Auftreten eines Problems oder zumindest wöchentlich ergänzt werden, da sonst die Indexierer und Rechercheure die Probleme, die sie in den vergangenen Tagen mit dem Ordnungssystem hatten, schon wieder vergessen haben. Diese Ergänzungen wird man bei den Besprechungen zwischen den Indexierern zur Abstimmung unklarer Dokumentationseinheiten oder Suchfragen in die Hilfslisten oder den Prototyp der nächsten Revision eintragen. Größenordnungsmäßig wird 1% bis 5% der Zeit für das Indexieren und Recherchieren für die laufenden Vorbereitungsarbeiten erforderlich sein. Die laufend zusammengetragenen Ideen und Vorschläge zur Revision sollten monatlich, vierteljährlich oder jährlich kumuliert und handschriftlich in ein besonderes Exemplar des Ordnungssystems eingearbeitet werden. Dieses Einarbeiten bedeutet nicht die Inkraftsetzung einer neuen Fassung des Ordnungssystems, sondern ist lediglich der Vorläufer, der Prototyp einer zukünftigen Fassung. Die Vorbereitung einer Revision erfordert größenordnungsmäßig 0.1% bis 1% des Arbeitsaufwandes, der für die Erstellung des Ordnungssystems erforderlich war. Ist das Ordnungssystem im Computer gespeichert, so kann es bequem sein, extra für die zukünftige Revision ein Exemplar mit doppeltem Zeilenabstand auszudrucken und dort vorgesehene Änderungen einzutragen oder den Prototyp der kommenden Revision unter einer speziellen Bezeichnung im Rechner zu führen und die Korrekturvorschläge im Korrekturmodus einzutragen. Vor der Herausgabe und Inkraftsetzung einer neuen Revision sollten nochmals alle mittelfristig eingebrachten Änderungen sorgfältig überprüft und erprobt werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass alle eingetragenen Änderungen untereinander verträglich und konsistent sind. Der Arbeitsaufwand dafür dürfte zwischen 1% und 10% des Arbeitsaufwandes für die Erstellung des Ordnungssystems betragen. Zu einer Revision des Ordnungssystems gehören auch die zugehörigen Änderungen im Textteil. Zumindest ist anzugeben das Datum der Revision, um die wievielte Revision es sich handelt und wer für die Revision verantwortlich ist. Revisionen sollten zu einem glatten Datum in Kraft gesetzt werden, vor allem bietet sich dafür der Wechsel des Kalenderjahres an. Ihre Synchronisation mit der Neuanlage des Deskriptorenspeichers ist wichtig und wurde bereits erwähnt.

32.12 Fragen F32.1 Sie benutzen ein Klassifikationssystem unverändert seit ca. zwei Jahren und haben jetzt das Bedürfnis, es anhand der bisherigen Erfahrungen zu verbessern. Welche statistischen Angaben erarbeiten Sie sich als Entscheidungshilfe, bevor Sie mit der eigentlichen Revision beginnen?

338

Thema 32

F32.2 Nach einjährigem Gebrauch einer Klassifikation stellen Sie fest, dass mehrere Deskriptoren bisher nicht zum Indexieren verwendet wurden. Bei der Überarbeitung des Ordnungssystems möchten Sie die Anzahl der Klassen verringern, andererseits möchten Sie die unbenutzten Deskriptoren nicht ganz aus dem Ordnungssystem entfernen. Was tun Sie?

F32.3 Welchen Zweck hat die Aufnahme der Rückverweise in ein Ordnungssystem a) beim Erstellen des Ordnungssystems, b) beim Gebrauch eines Ordnungssystems, c) bei einer Revision eines Ordnungssystems?

F32.4 Eine Dokumentationsstelle hat innerhalb eines Jahres 6 818 Dokumentationseinheiten indexiert und eingespeichert. Sie benutzte dazu ein Ordnungssystem mit insgesamt 4 763 Deskriptoren. Davon wurden 63 Deskriptoren je 8 mal zugeteilt 142 " " 7 " " 139 " " 6 " " 293 " " 5 " " 269 " " 4 " " 255 " " 3 " " 220 " " 2 " " 750 " " 1 " " Die restlichen Deskriptoren des Ordnungssystems wurden nicht zum Indexieren verwendet. a) Wie viele Deskriptoren wurden in dieser Zeit nicht benutzt? Beurteilen Sie diese Anzahl. b) Wie viele Deskriptoren wurden im Mittel einer Dokumentationseinheit zugeteilt? c) Welches Ordnungsprinzip liegt dieser Dokumentation zugrunde? d) Was können Sie über die Indexierungsgenauigkeit dieser Dokumentation aussagen? Geben Sie dazu eine numerische Angabe.

F32.5 a) Zählen Sie die Gründe auf, warum ein Ordnungssystem von Zeit zu Zeit revidiert werden muss. b) Zählen Sie die Gründe auf, warum ein Ordnungssystem möglichst selten revidiert werden sollte.

Thema 33:

Arbeitsgänge und Kosten 33.1 Planung, Einrichtung und Aufbau einer Dokumentation Die Entscheidung, eine Dokumentation aufzubauen, sollte sich in erster Linie am derzeitigen tatsächlichen Bedarf und an den Bedürfnissen der zukünftigen Benutzer orientieren. Der Wunsch der Dokumentare, dass es schön wäre, dieses oder jenes Sachgebiet dokumentarisch zu erschließen, muss dabei zweitrangig sein. Allerdings besteht für manche Sachgebiete der gut begründete Eindruck, eine dokumentarische Erschließung würde volkswirtschaftlich billiger sein als der derzeitige Zustand. Dort gilt „Dokumentation tut Not“. Wer eine Dokumentation einrichtet, muss ausdauernd sein. Wird für die Dokumentation intellektuell indexiert, so wird sie erst nach längerer Vorlaufzeit produktiv und erst dann zeigt sich allmählich die Güte dieser Dokumentation. Die Früchte der Dokumentation reifen sehr langsam. Zur Einrichtung einer Dokumentation sind grob betrachtet folgende Überlegungen und Schritte auszuführen: x

Abgrenzung des Benutzerkreises und der zu bearbeitenden Thematik,

x

Ermittlung des Bedarfs und der Benutzerbedürfnisse,

x

Entscheidung, welche passiven und aktiven Informationsdienste angeboten werden,

x

Beschaffung der Dokumentationseinheiten: welche, woher, wie beschaffen, wie viele?

x

Festlegen, was als eine Dokumentationseinheit betrachtet wird,

x

Entscheidung, welches Ordnungsprinzip verwendet werden soll,

x

Suche nach geeigneten Ordnungssystemen, kennen lernen vorhandener Ordnungssysteme und Übernahme oder Erstellung eines eigenen Ordnungssystems. Dieser Schritt entfällt, wenn ohne intellektuelles Indexieren nur mit Freitextsuche recherchiert wird.

x

Entscheidung, welches Dokumentations- und Retrievalsystem verwendet werden soll und welches Betriebssystem und welche Hardware sich dafür gut eignet,

x

Festlegung der organisatorischen Struktur der Dokumentationsstelle und des Personaleinsatzes (Wer arbeitet wo, wann, was?),

x

Probelauf für ein oder mehrere Monate,

x

Beurteilung des Probelaufes hinsichtlich der eingespeicherten Dokumentationseinheiten, der Güte des Ordnungssystems und der Dokumentation insgesamt, der Zufriedenheit der Benutzer und der Kosten. Gegebenenfalls Rücksprung und Revision oben erwähnter Entscheidungen,

x

Bereitstellung der Dokumentationsdienste im Internet und Werbung dafür. Einrichtung einer Zugangskontrolle und eines Abrechnungsverfahrens.

x

Reguläres Arbeiten beim Erwerb, beim Aufnehmen von Dokumentationseinheiten und bei den aktiven Informationsdiensten (=Initialphase). Bei intellektuellem Indexieren ermöglicht der erfasste Bestand erst nach längerer Zeit ergiebige Recherchen.

340

Thema 33

Während der Planung, der Probephase, der Initialphase und des laufenden Betriebs muss ein Kompromiss zwischen der Menge der erfassten Dokumentationseinheiten, der Genauigkeit der inhaltlichen Erschließung und des Services für die Benutzer einerseits und dem zur Verfügung stehenden Personal, den Sachmitteln und der Zeit andererseits gefunden werden.

33.2 Aktive Dokumentationsdienste als Probelauf Eine aktive Dokumentation eignet sich sehr gut zur Erprobung einer neu eingerichteten Dokumentation. Ist das Ordnungssystem fertig gestellt und ist mit dem Indexieren und Einspeichern begonnen worden, so kann auch ein aktiver Dokumentationsdienst anlaufen. Wird für eine Dokumentation intellektuell indexiert, jedoch kein aktiver Dokumentationsdienst angeboten, so kann frühestens nach einem oder einigen Jahren, wenn der erfasste Bestand ergiebige Recherchen ermöglicht, entschieden werden, ob die Dokumentation brauchbar ist und gut funktioniert. Oft werden Fehler im Ordnungssystem und beim Indexieren erst beim Recherchieren erkannt. Aber gerade bei diesen Fehlern ist eine nachträgliche Korrektur kaum möglich oder zumindest sehr arbeitsintensiv. Bietet eine neu eingerichtete Dokumentation keine aktiven Informationsdienste an, so besteht zumindest die Gefahr, dass längere Zeit schlecht oder gar unnötig gearbeitet wird. Bietet jedoch eine neu eingerichtete Dokumentationsstelle aktive Informationsdienste an, und hält sie außerdem einen guten Kontakt zu ihren Benutzern, so werden Fehler im Ordnungssystem und beim Indexieren viel früher erkannt und können leichter korrigiert werden. Außerdem kommen alle Lernprozesse sowohl bei den Dokumentaren, als auch bei den Benutzern viel schneller in Gang.

33.3 Arbeitsgänge beim Aufnehmen einer Dokumentationseinheit Das Aufnehmen einer Dokumentationseinheit in eine laufende Dokumentation umfasst folgende Arbeitsgänge: a)

Beschaffung Literaturdokumentationsstellen gehen bei der Beschaffung meist wie die Bibliotheken vor, wobei das Interesse und auch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung so genannter „grauer Literatur“ liegen, z.B. allgemeine Berichte, Jahresberichte, Firmenberichte, Prospekte, Institutsberichte, Rechenschaftsberichte, Verwendungs- und Erfolgsberichte, Kongressberichte, Berichte und Stellungnahmen von Organisationen, Verbänden, Komitees und Gremien, Berichte von Studienreisen, EDV-Manuale, betriebliche Vorschriften. Die Wichtigkeit der Beschaffung ist daran zu erkennen, dass es für den Benutzer letztlich sowohl notwendig ist, dass die Dokumentationsstelle relevante Dokumentationseinheiten gespeichert hat (vollständige Dokumentation) als auch, dass sie diese wiederfindet. In der klinischen Dokumentation ist die Beschaffung meist eine Frage der Datengewinnung und der Klinikorganisation. Ähnliches kann in Firmen und Verbänden für die Datendokumentationen gelten.

Arbeitsgänge und Kosten b)

341

Prüfen auf Dokumentationswürdigkeit Wie schon im Thema 1.3 dargestellt, ist bei jeder erfassten Dokumentationseinheit zu überprüfen, ob sie zu der von der Dokumentationsstelle bearbeiteten Thematik gehört und ob es sich ihrer Bedeutung wegen lohnt, sie in die Dokumentation aufzunehmen. In der klinischen Dokumentation und in der Datendokumentation wird die Frage der Dokumentationswürdigkeit meist nicht für jede Dokumentationseinheit einzeln, sondern für ein Merkmal generell entschieden. So kann z.B. täglich nur der Höchstwert des Fiebers erfasst werden anstatt die Werte aller Fiebermessungen, oder es können z.B. nur die während eines Krankenhausaufenthaltes aktuellen Diagnosen dokumentiert werden ohne die anamnestischen Diagnosen (frühere Krankheiten).

c)

Duplikatskontrolle Durch Überprüfen, ob die aufzunehmende Dokumentationseinheit schon in der Dokumentation vorhanden ist, wird Doppelarbeit vermieden. In einer konventionellen Literaturdokumentation wird dazu meist ein Erstautoren-Verzeichnis geführt. Die Duplizitätskontrolle kann aber auch erst bei der formalen Erfassung (siehe folgender Punkt) erfolgen, indem das Erfassungsprogramm die Autoren, das Erscheinungsjahr, den Erscheinungsort oder andere geeignete formale Kategorien der jetzt eingegebenen Dokumentationseinheit mit den gespeicherten Dokumentationseinheiten vergleicht. Mögliche Dubletten werden am Bildschirm angezeigt und schließlich entscheidet der Dokumentar, ob es sich tatsächlich um eine Dublette handelt oder ob die aktuell erfasste Dokumentationseinheit eine Signatur erhält und eingespeichert wird. Bei einmaligen Dokumentationseinheiten (z.B. Krankenakten, Befundzettel, Röntgenbildern, EKG-Kurven) kann eine Doppelerfassung durch einen Stempelaufdruck (z.B. „dokumentarisch erfasst am 28.3.2005“) verhindert werden.

d)

Zuteilung der Signatur und formale Erfassung Dieser Arbeitsgang umfasst die Fortschreibung der vergebenen Signaturen und die in Thema 5.1 bis 5.3 erläuterte formale Erfassung. Es ist sicherzustellen, dass jede Signatur nur einmal vergeben wird und somit  etwa nach einer Recherche  mit den Signaturen gezielt auf die Dokumentationseinheiten zugegriffen werden kann. Meist wird die Signatur bei der DV-Erfassung der formalen Daten vom Programm vergeben.

e)

Indexieren Das Zuteilen der Deskriptoren ist der schwierigste Arbeitsgang beim Aufnehmen einer Dokumentationseinheit. Es wurde bereits in vielen Themen besprochen, z.B. sind die Maßnahmen, die zur terminologischen Kontrolle beitragen, in Thema 28 (Terminologische Kontrolle) zusammengefasst.

f)

Erfassen der zugeteilten Deskriptoren Anschließend an die formale Erfassung sind auch noch die der Dokumentationseinheit indexierten Deskriptoren zu erfassen. Danach ist die Dokumentationseinheit endgültig in den Deskriptorenspeicher eingespeichert. Aus DV-technischen Gründen kann es jedoch sein, dass die erfasste Dokumentationseinheit erst nach einem Invertierungslauf in Abfragen einbezogen wird.

342

Thema 33 Die Erfassung der formalen Angaben und der zugeteilten Deskriptoren kann auch in einem Arbeitsgang erfolgen. Dann sollte aber schon vorab auf Dubletten geprüft worden sein, damit nicht Dubletten arbeitsaufwändig aber umsonst indexiert werden. Wird nur Freitextsuche ohne intellektuelles Indexieren angeboten, so werden die Arbeitsgänge e) und f) ersetzt durch das maschinelle Aufbereiten der Dokumente für die Freitextsuche. Je nach Herkunft der Dokumente kann auch die formale Erfassung in Arbeitsgang d) vom Dokumentenlieferanten übernommen werden.

g)

Aktive Information Falls die Dokumentationsstelle auch aktive Dokumentation anbietet, sind die indexierten Dokumentationseinheiten den aktiven Informationsdiensten zuzuführen. Wie bereits in Thema 29.3 (Permanente Suchfragen) besprochen, werden dazu die indexierten Deskriptoren mit allen SDI-Profilen verglichen. Wird die aktive Dokumentation mit permanenten Suchfragen durchgeführt, so entfällt der Arbeitsgang hier beim Aufnehmen einer Dokumentationseinheit.

h)

Ablage der Dokumentationseinheit Falls die Dokumentationsstelle die Dokumentationseinheiten selbst aufbewahrt und später ausleiht oder vervielfältigt, wird die Dokumentationseinheit im Dokumentenfile abgelegt. Falls die Dokumentationsstelle die Dokumentationseinheiten nicht selbst ablegt, werden sie diese an eine Bibliothek, ein Archiv (z.B. bei Krankenakten) oder dergleichen weiterleiten. Bei nebenamtlichen Indexierern in der Literaturdokumentation kann die Dokumentationseinheit auch in das Eigentum des Indexierers übergehen.

In modern strukturierten Dokumentationen erfolgen die Arbeitsgänge c) bis g) in einem Zug am Bildschirm. Nach der formalen Erfassung (Arbeitsgang d)) kann der Dokumentar zum Indexieren auf dem Bildschirm ins Ordnungssystem verzweigen, beliebig im Ordnungssystem blättern und dabei die von ihm zugeteilten Deskriptoren kennzeichnen, die damit schon erfasst und der Dokumentationseinheit zugeordnet sind.

33.4 Arbeitsgänge bei der Recherche Die Arbeitsgänge einer Recherche sind in Thema 22.2 (Arbeitsgänge einer Recherche) ausführlich beschrieben. Auch die in regelmäßigen Zeitabständen durchzuführenden Abfragen mit permanenten Suchfragen für aktive Dokumentationsdienste wurden bereits ausführlich, teils ebenfalls in Thema 22.2, teils in Thema 29.3 (Permanente Suchfragen) behandelt.

33.5 Weitere Arbeiten in einer Dokumentationsstelle x

Abgrenzen oder Ausscheiden alter Bestände, auf das wir gleich zurückkommen werden

x

Überarbeiten des Ordnungssystems und der laufenden Vorbereitungen dazu, wie wir es im vorigen Thema besprochen haben,

Arbeitsgänge und Kosten

343

x

Bestimmung der Güte der Dokumentation, wie in Thema 21 (Relevanz- und Vollzähligkeitsrate) behandelt,

x

Ermitteln der Benutzerbedürfnisse, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit sowie Benutzerschulung (s. Thema 31: Berücksichtigung der Benutzerbedürfnisse),

x

Kostenermittlung und Abrechnung von Benutzungsgebühren,

x

Werbemaßnahmen, Verbesserung und Aktualisierung des Internetauftritts, Verbesserung und Pflege der Zugangsmöglichkeiten und Benutzungsoberfläche,

x

Überlegen von Verbesserungen und Weiterentwicklungen, Fortbildung der Mitarbeiter, Planungen und Umstellungsmaßnahmen,

x

Ausleihe, Anmahnung ausgeliehener Dokumentationseinheiten, Rücklauf von Dokumentationseinheiten nach der Ausleihe oder, falls Kopien ausgegeben werden, das Kopieren von Dokumentationseinheiten,

x

Kontrolle der Ablage, des Deskriptorenspeichers sowie das Bearbeiten verschiedenartiger Problemfälle,

x

Verwaltungsaufgaben.

Mancher der aufgezählten Arbeitsgänge ist in einem eigenen Thema behandelt. Die Mitarbeiterschulung und Verwaltungsaufgaben können nicht innerhalb der Dokumentations- und Ordnungslehre behandelt werden und sind hier nur der Vollständigkeit wegen genannt.

33.6 Aktualität einer Dokumentation Eine Dokumentation muss ihre Dokumentationseinheiten neu und druckfrisch beschaffen und einspeichern. Erbringt eine Recherche auch neueste Dokumente, so wird das den Benutzer nicht nur freuen und für ihn wichtig sein, es wird ihn auch ermuntern, nach einiger Zeit zur gleichen oder zu einer anderen Suchfrage erneut eine Recherche in Auftrag zu geben. Erhält dagegen der Benutzer auf seine Suchfrage hin nur ihm längst bekannte „alte Hüte“, so hat er keinen Grund, nach einiger Zeit zur gleichen Suchfrage erneut recherchieren zu lassen, um sein Wissen zu aktualisieren. Eine Dokumentation darf mit dem Einspeichern nur ganz wenig dem Erscheinen der Dokumentationseinheiten nachhinken. Die Zeit zwischen dem Erscheinen einer Dokumentationseinheit (in der klinischen Dokumentation: der Entlassung des Patienten; in der Datendokumentation: dem Erzeugen der Daten) und der abgeschlossenen Aufnahme in die Dokumentation darf üblicherweise ein oder zwei Wochen, manchmal nur einige Tage nicht überschreiten. Der Dokumentar muss bedenken, dass das Aufnehmen einer aktuellen und einer alten Dokumentationseinheit das Gleiche kostet, eine aktuelle Dokumentationseinheit jedoch einen größeren Nutzen (da sie für den Benutzer aktueller, wichtiger und noch unbekannt ist) und einen längeren Nutzungszeitraum (da länger verfügbar) erbringt. Reicht die Arbeitskapazität einer Dokumentationsstelle nicht aus, um auf dem Laufenden zu bleiben und besteht keine Möglichkeit, zu rationalisieren oder die Arbeitskapazität zu erhöhen, so ist x ein Teil des Informationsdienstes einzustellen, x die Anzahl der aufgenommenen Dokumentationseinheiten durch Einschränken der Thematik zu verringern,

344 x x

Thema 33 durch eine höhere Schwelle der Dokumentationswürdigkeit die Anzahl der aufgenommenen Dokumentationseinheiten zu reduzieren oder die Indexierungsgenauigkeit zu vermindern.

Keinesfalls aber darf eine Dokumentationsstelle bei einem nicht nur kurzfristigen Arbeitsengpass mit dem Einspeichern der aktuellen Dokumente in Verzug geraten.

33.7 Abgrenzen oder Ausscheiden alter Bestände Archive und Deskriptorenspeicher können (wie die allermeisten Dinge) nicht unbegrenzt wachsen. Sollen also neue Dokumentationseinheiten aufgenommen werden, so müssen alte Bestände verdrängt, ausgelagert oder vernichtet werden. Hinzu kommt  im Gegensatz zu historischen Archiven  dass dokumentarische Bestände mit zunehmendem Alter an Bedeutung verlieren. Hat eine Dokumentationsstelle große Altbestände an Dokumentationseinheiten ohne Abgrenzung in ihrem Deskriptorenspeicher, so wird das Recherchieren sehr mühsam, da vorwiegend alte, ziemlich uninteressant gewordene Dokumentationseinheiten selektiert werden. Sie erstickt sozusagen im eigenen Material. Auch müsste, da die Anzahl der erfassten Dokumentationseinheiten und die Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem in einem vernünftigen Verhältnis stehen müssen, ohne das Ausscheiden alter Dokumentationseinheiten wegen der dann monoton steigenden Anzahl von Dokumentationseinheiten auch die Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem immer weiter steigen. Folglich ist bereits bei der Einrichtung einer Dokumentation darauf zu achten, dass später in Etappen ältere Bestände abgegrenzt oder ausgelagert werden können. Den meisten Platz benötigen die Dokumente, deshalb werden ausgemusterte Bestände zunächst als „Altspeicher“ auf Hintergrundspeicher, bei papierenen Dokumenten in untergeordnete Räume (Keller, Dachboden) verdrängt und erst später dann endgültig vernichtet. Wichtig ist, dass auch das verwendete Ordnungssystem und der Deskriptorenspeicher erhalten und funktionsfähig bleiben. Möglichkeiten zum Ausscheiden alter Bestände sind: a)

Neuer Deskriptorenspeicher In regelmäßigen Zeitabständen (z.B. jährlich, alle 2 Jahre, alle 5 Jahre) wird ein neuer Deskriptorenspeicher, d.h. eine neue Datenbank angefangen. Bei Recherchen, die sich über mehr als einen Deskriptorenspeicher erstrecken (insbesondere kurz nach Beginn eines neuen Speichers), muss jedoch in mehreren Speichern recherchiert werden.

b)

Zeitdeskriptoren Ältere Dokumentationseinheiten werden mithilfe von Zeitdeskriptoren ausgeschieden, indem einmal im Jahr die Suchfrage z.B. „Erscheinungsjahr d 1997“ gestellt wird und alle selektierten Dokumentationseinheiten aus dem aktuellen Deskriptorenspeicher verdrängt und in eine „Altdatenbank“ überführt werden. Gleichzeitig sind auch die zugehörigen Elemente aus dem Dokumentenspeicher in einen Altbestand zu überführen. Ein Vorteil für Zeitdeskriptoren ist, dass nur ein Teil des Deskriptorenspeichers, z.B. der älteste von acht Jahrgängen, ausgelagert werden kann, der aktuelle Deskriptorenspeicher also zu keinem Zeitpunkt ziemlich leer ist.

Arbeitsgänge und Kosten

345

Haben Recherchen trotz der Altbestände im Deskriptorenspeicher kurze Antwortzeiten und sind die Benutzer daran gewöhnt, bei allen Recherchen den Zeitraum mit Zeitdeskriptoren (z.B. auf die letzten 3 Jahre) einzuschränken, so besteht natürlich keine Notwendigkeit, die Altbestände abzugrenzen oder auszulagern. c)

Signatur Meist lassen sich alte Dokumentationseinheiten auch anhand der Signatur erkennen. Häufig ist sogar die Signatur aus einer Jahreszahl und einer laufenden Nummer innerhalb des Jahres zusammengesetzt, z.B. kann 01-1234 die 1234. Dokumentationseinheit im Jahre 2001 bedeuten. Ein Ausscheiden alter Dokumentationseinheiten nach der Signatur setzt allerdings voraus, dass auch mit der Signatur im Deskriptorenspeicher zugegriffen werden kann und  wie bei den Zeitdeskriptoren  Datensätze aus dem Deskriptorenspeicher entfernt werden können. Dazu wird die Signatur wie ein Deskriptor abgefragt. Über die Signatur kann wie bei den Zeitdeskriptoren immer wieder ein kleiner Teil ausgelagert werden, sodass der Deskriptorenspeicher nie leer ist.

33.8 Kosten einer Dokumentation In Thema 31.2 wurde bereits erwähnt, dass die meisten Kosten in der Dokumentation unabhängig von der Anzahl der durchgeführten Recherchen sind. Etwas genauer betrachtet, ergeben sich drei Kostengruppen: a)

Eingabekosten sind abhängig von der Anzahl der einzuspeichernden Dokumentationseinheiten. Dazu gehören die Kosten für x die Beschaffung der Dokumentationseinheiten, x die Duplizitätskontrolle, x das formale Erfassen, x das Indexieren, x das Erfassen der indexierten Deskriptoren, x einen Teil des Deskriptorenspeichers und x einen Teil der Pflege des Ordnungssystems.

b)

Ausgabekosten sind abhängig von der Anzahl der Recherchen und Abonnements aktiver Dienste. Dazu gehören die Kosten für x x x x x x x

die gesamte Recherche einschließlich dem Konfektionieren des Rechercheergebnisses (Druckerpapier), das Kopieren oder Ausleihen der selektierten Titel, Referate oder Dokumentationseinheiten, den Versand (Verpackung – falls nicht per e-mail – und Porto), die Rückfragen beim Benutzer, die Abrechnung der Gebühren, einen Teil des Deskriptorenspeichers und einen Teil der Pflege des Ordnungssystems.

346

c)

Thema 33

Feste Kosten sind sowohl von der Anzahl der aufgenommenen Dokumentationseinheiten als auch von der Anzahl der Recherchen weitgehend unabhängig. Dazu gehören die Kosten für x x x x x

x x

Benutzeranalyse, Marketing, Mitarbeiterschulung, Verwaltung und Leitung, Kosten für Hardware (Anschaffung oder Abschreibung, Wartung), Softwarelizenzen und deren Aktualisierung, Zugang zum Internet, eventuell auch für DV-Beratung oder DV-Dienste, einen Teil des Deskriptorenspeichers und einen Teil der Pflege des Ordnungssystems.

Selbstverständlich lassen sich die Kosten einer Dokumentation auch in Personal-, Investitions- und laufende Sachkosten einteilen. Wie bei vielen Dienstleistungen sind auch in der Dokumentation die Personalkosten entscheidend. Personalkosten sind praktisch in allen unter a), b) und c) aufgezählten Einzelkosten enthalten. Die meisten Investitionskosten entstehen naturgemäß beim Aufbau einer Dokumentation, insbesondere für die Regale (Regalanlage) des Dokumentenspeichers, den Deskriptorenspeicher (Hardware, Software-Lizenzen, Handbücher, Ordnungssysteme und Schulung) und die Möblierung und Ausstattung der Räume (Telefon, Telefax, Datenübertragung). Laufende Sachkosten sind vor allem Beschaffungskosten der Dokumentationseinheiten, gegebenenfalls Honorare für nebenamtliche Indexierer, Gebühren für Internet-Zugang, Benutzungsgebühren für fremde EDV-Anlagen und Datenbanken, Abonnements für gekaufte Datenbanken, Wartungskosten für Hard- und Software, laufende Lizenzgebühren, Kosten für neue Software-Versionen, Miete und Raumnebenkosten, Kopier- und Druckkosten, Kosten für Verpackung und Porto sowie allgemeine Verbrauchsmaterialien (Büromaterial, Disketten, CD-ROMs, Toner usw.). Bei einer detaillierten Kostenrechnung sind für jede Tätigkeit, für jeden Arbeitsgang diese Kosten einzeln zu ermitteln. Eine entscheidend kostenrelevante Überlegung in der Dokumentation ist, welches Personal wird wo wie eingesetzt oder kurz: Die richtige Person an den richtigen Platz. Die höchsten Anforderungen an die Qualifikation des Personals stellen das Indexieren, das Recherchieren und die Pflege des Ordnungssystems. Auch für die Beschaffung der Dokumentationseinheiten kann viel Findigkeit, Raffinesse und Sachverstand notwendig sein. Die anderen Tätigkeiten in der Dokumentation erfordern in erster Linie Arbeitstugenden wie Zuverlässigkeit, Dauerbelastbarkeit, kontinuierlicher Einsatz und dergleichen. Nicht erwähnt wurde spezielles Informatik-Personal. Dieses kann eine Dokumentation  falls sie nicht besonders groß ist oder auch Forschung und Entwicklung der Dokumentation betreibt  weder finanzieren noch ist es notwendig. Die Dokumentare haben  wie viele andere Berufe  gelernt, die Datenverarbeitung als ein für sie besonders wichtiges und machtvolles Werkzeug sachgerecht einzusetzen und zu handhaben. Außerdem bieten SoftwareFirmen gute, nützliche und leistungsfähige Dokumentations- und Retrievalsysteme an.

Arbeitsgänge und Kosten

347

33.9 Kostenabrechnung a)

Mitgliedsbeiträge oder Abonnement Kooperativ betriebene Dokumentationen werden oft ganz oder teilweise durch Beiträge finanziert, wobei dann für Mitglieder kostenlos oder verbilligt recherchiert wird. Ebenso können den Abonnenten eines aktiven Informationsdienstes Vorzugspreise für zusätzliche Recherchen eingeräumt werden. Eine volle oder überwiegende Finanzierung aus Beiträgen lässt sich mit dem hohen Anteil an Eingabekosten und festen Kosten gut begründen. Für die Dokumentationsstelle selbst ist diese Finanzierungsform bequem. Bei aktiven Dokumentationsdiensten kann ein fester monatlicher, vierteljährlicher oder jährlicher Abonnementpreis vereinbart werden. Zu erwägen ist, ob die Dokumentation für unterschiedliche Abonnementpreise wahlweise Titellisten, Abstracts oder vollständige Dokumentationseinheiten als Electronic Mail, auf CD-ROM oder auf Papier anbietet.

b)

Pauschalpreis je Recherche

c)

Einzelpreis je selektierter Dokumentationseinheit Anstelle eines fixen Abonnementpreises oder eines Pauschalpreises je Recherche kann auch ein Preis je nachgewiesener Dokumentationseinheit treten. Das gibt dem Benutzer das Gefühl, dass er nur das bezahlt, was er tatsächlich erhält. Außerdem hat er die Möglichkeit, bei zu vielen unrelevanten Dokumentationseinheiten zu reklamieren und die Zahlung für die unrelevanten Dokumentationseinheiten zu verweigern. Die Dokumentationsstelle erhält aus den Reklamationen wichtige Hinweise auf die Aktualität des Interessenprofils und/oder auf ihre Relevanzrate. Auch bei der Abrechnung nach „Stückkosten“ können unterschiedliche Preise für einen Titelnachweis, ein Abstract oder eine volle Dokumentationseinheit vereinbart werden.

d)

Grundgebühr und Einzelpreis Schließlich lassen sich die beschriebenen Abrechnungsmodi kombinieren: Zuzüglich zu einer fixen Grundgebühr wird für jede nachgewiesene Dokumentationseinheit ein Einzelpreis erhoben. Diese Abrechnungsform ist zwar aufwändiger als ein fester Preis, wird aber wohl den tatsächlichen Kosten der Dokumentationsstellen am besten gerecht. Die Grundgebühr deckt die Eingabekosten und Fixkosten ab, der Einzelpreis die Ausgabekosten. Bei dieser Regelung kann sich die Grundgebühr sowohl auf einen jährlichen Mitgliedsbeitrag als auch auf einen Grund-Pauschalpreis je Recherche beziehen. Eine Grundgebühr als jährlichen Mitgliedsbeitrag kann das Gewinnen neuer Benutzer erschweren. Der Einzelpreis kann sich auf eine Recherche oder auf jede selektierte Dokumentationseinheit beziehen.

e)

Sonderfälle Bei innerbetrieblichen Dokumentationsstellen wird meist auf eine Kostenabrechnung verzichtet und die Dokumentation als eine (von vielen) Kostenstellen geführt. Weniger aufwändige Dokumentationen können kostenlos als Werbemaßnahme angeboten oder über Werbeeinblendungen finanziert werden.

348

Thema 33

33.10 Fragen F33.1 Welcher der in einer Dokumentation auszuführenden Arbeitsgänge a) ist der schwierigste? b) erfordert die meiste Arbeitszeit? c) ist der teuerste?

F33.2 In einer klinischen Dokumentation werden die Krankenakten stationär behandelter Patienten inhaltlich erschlossen. Lohnt es sich, das Behandlungsjahr als Deskriptor aufzunehmen?

F33.3 Eine Dokumentation erschließt Krankenakten und arbeitet mit einer komfortablen Deskriptorenliste nach dem Prinzip der Begriffskombination. Die Dokumentation hat einen jährlichen Zuwachs von ca. 5 000 Dokumentationseinheiten. Es ist Ihnen bekannt, dass es unzweckmäßig ist, eine Dokumentation „ad infinitum“ (ins Unendliche) wachsen zu lassen. Welche Maßnahme(n) schlagen Sie vor, um diesem permanenten Wachstum zu begegnen? Bringt (bringen) diese Maßnahme(n) auch Nachteile mit sich? Wenn ja, zählen Sie sie auf und bewerten Sie deren Gewicht.

F33.4 Ein Wissenschaftler möchte die von ihm gesammelten etwa 1 000 Zeitschriftenaufsätze dokumentarisch erschließen und fragt Sie als Dokumentar um Rat. Nach dem Sichten der Dokumentationseinheiten und einem längeren Gespräch entscheiden Sie sich, eine Klassifikation und ein Autorenverzeichnis anzulegen und einen ohnehin vorhandenen Computer zu verwenden. Welche Arbeitsgänge sind auszuführen und welche Entscheidungen sind zu treffen, bevor mit dem Aufnehmen und Einspeichern der Dokumentationseinheiten begonnen werden kann?

F33.5 Eine Dokumentation hat zwei hauptamtliche Indexierer. Einer davon erkrankt für voraussichtlich drei Monate. Es besteht die Gefahr, dass die Dokumentation mit dem Indexieren und Einspeichern der laufend anfallenden Dokumentationseinheiten in Verzug gerät. Welche Maßnahmen ziehen Sie in Erwägung?

F33.6 Eine Dokumentation nimmt aufgrund einer Benutzerumfrage an, dass sich die Anzahl der Recherchen auf das Dreifache erhöhen würde, wenn sie den Preis für eine Recherche auf die Hälfte senken würde. Kalkulieren Sie, unter welchen Gegebenheiten sich die Preissenkung auch wirtschaftlich lohnt.

Thema 34:

Der gute Dokumentar

Fehler

Gebote

Ein guter Dokumentar ist sein eigener Herr und geht seiner Sammelleidenschaft und Ordnungswut nach!

Beantworte die Benutzerfragen.

Ein guter Dokumentar bearbeitet alle Themen und auch noch die Randgebiete dazu!

Orientiere dein Sachgebiet an den Benutzerbedürfnissen und grenze es genau ab.

Ein guter Dokumentar ist wetterfühlig und liebt die Abwechslung!

Fehler im Einzelfall sind halb so schlimm, vorausgesetzt alle Beteiligten machen stets unter vergleichbaren Umständen den genau gleichen Fehler. Sammle viele Änderungsvorschläge, aber führe nach sorgfältiger Prüfung und Absprache nur einen kleinen Teil zu einem glatten Datum ein.

Ein guter Dokumentar ist ein Non-Konformist, er arbeitet immer ein bisschen anders als seine Arbeitskollegen!

Schaffe Maßstäbe und arbeite nicht neben, sondern mit deinen Arbeitskollegen.

Ein guter Dokumentar ist ein Antiquitätenhändler!

Führe Zeitdeskriptoren ein und lege noch vor dem Einspeichern der ersten Dokumentationseinheit fest, wie veraltete Dokumentationseinheiten wieder ausgeschieden werden.

Ein guter Dokumentar merkt sich alles, denkt an alles und teilt alles seinen Kollegen mit!

Wende den Grundsatz der doppelten Buchführung konsequent an.

Ein guter Dokumentar bezweifelt niemals die Vollkommenheit seiner Dokumentation!

Bestimme Relevanz- und Vollzähligkeitsrate, um die Schwächen deiner Arbeit zu erkennen.

350

Thema 34

Fehler

Gebote

Ein guter Dokumentar bietet mehr und das noch völlig umsonst!

Prüfe das Verhältnis von gewünschter und gelieferter Informationsmenge.

Ein guter Dokumentar ist selbstlos, Geben ist für ihn seliger denn Nehmen!

Führe eine Ausleihkontrolle und mahne ausgeliehene Dokumente konsequent an.

Ein guter Dokumentar kann das gesamte menschliche Wissen perfekt ordnen!

Entwickle niemals eine Klassifikation mit mehr als 103 oder gar 104 Klassen.

Die Formulierungen dieser Zusammenstellung stammen weitgehend von meinen Studenten, denen ich dafür herzlich danke.

Der Kombinationsfaktor ist

Anzahl der einer Dokumentationseinheit indexierten Deskriptoren d

Kombinatorisches Ordnungsprinzip?

Notation zwingend notwendig?

Dokumentenfile und Signatur zwingend notwendig?

Klassifikation mit Überlagerung

1 bis wenige

1

1

nein

nein

genau 1

nein

nein

Dokumentenfile nein, direkte und Signatur Ablage möglich empfehlenswert

Klassifikation ohne Überlagerung

1

größenordnungsmäßig 101

für alle Dokumentationseinheiten gleich der Anzahl der Fassetten f

etwa gleich der Anzahl der Register

größenordnungsmäßig 102

1 bis etwa 10

ja

nein

Notation vorteilhaft eingeschränkt kombinatorisch

ja

Begriffskombination

ja

Fassettenklassifikation

nein

nein

ja

Register

im gebundenen Teil größenordnungsmäßig 101 bis 102

1 bis etwa 5, zusätzlich die Stichwörter des Referats etwa 20% der Wörter (Tokens) der Dokumentationseinheit Angabe nicht sinnvoll, da Anzahl der Stichwörter sehr groß

ja

nein

ja

Begriffskombination mit Freitextsuche in Abstracts

ja

Notation nur als interne Adresse möglich

Dokumentenfile notwendig, Signatur kann durch interne Adresse ersetzt werden

Freitextsuche

Thema 35:

Übersicht über die Ordnungsprinzipien

Geeignet für Dokumentation mit einer jährlichen Anzahl von Dokumentationseinheiten bis etwa

Indexierungsgenauigkeit im Verhältnis zur Klassifikation mit gleicher Deskriptorenzahl größenordnungsmäßig

D = Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem

5 x 103

1

etwa 102 bis 104

Klassifikation ohne Überlagerung

5 x 103

1

etwa 102 bis 104

Klassifikation mit Überlagerung

5 x 103

5

etwa 102 bis 104

Register

5 x 103

101

je Facette 101 bis etwa 103

Fassettenklassifikation

5 x 104

102

etwa 102 bis 103

Begriffskombination

etwa 102 bis 103, zusätzlich Stichwörter

Begriffskombination mit Freitextsuche in Abstracts

105

106 und mehr

Angabe nicht Angabe nicht möglich, da möglich, da Anzahl der Anzahl der Deskriptoren im Deskriptoren im OrdnungsOrdnungssystem nicht system nicht vergleichbar vergleichbar

kann wegen der Vorsilben und Endungen den Wortschatz einer Sprache übersteigen, etwa 104 bis 106

Freitextsuche

352 Thema 35

Übersicht über die Ordnungsprinzipien (Fortsetzung)

Thema 36:

Formelzeichen und Symbole Soweit bei den einzelnen Themen nichts anderes angegeben ist, haben die wichtigsten Formelzeichen folgende Bedeutung: E

=

Anzahl der eingespeicherten Dokumentationseinheiten (insgesamt, pro Jahr oder je Deskriptorenspeicher)

D

=

Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem

d

=

Anzahl der einer Dokumentationseinheit (im Mittel) indexierten Deskriptoren

b

=

(beobachtete) Benutzungsfrequenz eines Deskriptors

e

=

mittlere (erwartete) Benutzungsfrequenz der Deskriptoren eines Ordnungssystems

m

=

mittlere Anzahl der den Dokumentationseinheiten indexierten Deskriptoren e u D m = E

f

=

Anzahl der Fassetten einer Fassettenklassifikation

GB:

=

der zugehörige gleichgeordnete Begriff lautet ...

OB:

=

der zugehörige Oberbegriff lautet ...

UB:

=

der zugehörige Unterbegriff lautet ...

s.

=

siehe-Verweis

ehä.

=

enthält-Verweis

s.a.

=

siehe auch-Verweis

š, ›, ™

siehe nächste Seiten

‰, ˆ

siehe Thema 21

Thema 37:

Mengen und logische Ausdrücke Vom Leser wird erwartet, dass er die Mengenlehre in dem Umfang, in dem sie heute in den allgemein bildenden Schulen gelehrt wird, sowie die elementare Aussagenlogik beherrscht. Soweit dies nicht der Fall ist, werden hier einige extrem kurze Hinweise zu logischen Ausdrücken gegeben. In den Beispielen sind A, B, C usw. Deskriptoren, A, B, C usw. die zugehörigen Mengen. Die Menge A umfasst alle Dokumentationseinheiten, denen der Deskriptor A (und vielleicht weitere Deskriptoren) indexiert worden ist. Die Menge B umfasst alle Dokumentationseinheiten, denen der Deskriptor B (und vielleicht weitere Deskriptoren) zugeteilt worden ist, usw. (siehe auch Thema 21). a)

Logischer Ausdruck Werden logische Ausdrücke als Frage gestellt, so sind nur die Antworten „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“ zugelassen. Dies gilt auch für einen einzelnen Deskriptor. Antworten wie „der Deskriptor A trifft teilweise zu“ oder „trifft eingeschränkt zu“ sind nicht zugelassen.

b)

Logisches Und Das Zeichen š wird „logisch und“ gesprochen, was bedeutet, sowohl das eine als auch das andere trifft zu (š-Verknüpfung). Beispiel:

A š B bedeutet: sowohl Deskriptor A als auch Deskriptor B trifft zu (s. Abb. 37.1).

Beispiel:

A š B š C bedeutet: sowohl A, als auch B, als auch C trifft zu.

Menge A

Menge B

Abb. 37.1 š-Verknüpfung als Schnittmenge. Ist z.B. A die Menge der Dokumentationseinheiten, für die der Deskriptor A und B die Menge der Dokumentationseinheiten, für die der Deskriptor B zutrifft, so entspricht die schraffierte Fläche (A ˆ B) der Menge der Dokumentationseinheiten, für die A š B zutrifft.

Mengen und logische Ausdrücke c)

355

Logisches Oder Das Zeichen › wird „logisch oder“ gesprochen, was bedeutet, dass eines von beiden oder beide zutreffen (›-Verknüpfung). Beispiel:

A › B bedeutet: entweder trifft A zu, oder B trifft zu, oder A und B treffen zu (s. Abb. 37.2).

Beispiel:

A › B › C bedeutet: mindestens einer der 3 Deskriptoren A, B oder C trifft zu.

Menge A

Menge B

Abb. 37.2 ›-Verknüpfung als Vereinigungsmenge. Hat die Menge A und die Menge B die gleiche Bedeutung wie in Abb. 37.1, so entspricht die schraffierte Fläche (A ‰ B) den Dokumentationseinheiten, für die A › B zutrifft.

d)

Logische Verneinung Das Zeichen ™ bedeutet „logisch nicht“ (™-Verknüpfung, Verneinung). Beispiel:

A š™ B bedeutet: A trifft zu und B trifft nicht zu (s. Abb. 37.3).

Beispiel:

A š B š™ C bedeutet: A trifft zu, B trifft zu und C trifft nicht zu.

Menge A

Menge B

Abb. 37.3 š™-Verknüpfung in Mengendarstellung. Hat die Menge A und die Menge B die gleiche Bedeutung wie in Abb. 37.1, so entspricht die schraffierte Fläche den Dokumentationseinheiten, für die A š™ B zutrifft.

356 e)

Thema 37 Klammern Analog zu der arithmetischen Rechenregel „Punktrechnung vor Strichrechnung“ gilt bei logischen Ausdrücken „ ™ vor š“ und „š vor › “. Andere Reihenfolgen werden durch Klammern festgelegt. Beispiel:

Der Ausdruck A š B › C š (D › E) „trifft zu“ für Dokumentationseinheiten, die eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllen: x sowohl Deskriptor A als auch Deskriptor B trifft zu, x sowohl Deskriptor C als auch Deskriptor D trifft zu, x sowohl Deskriptor C als auch Deskriptor E trifft zu. Siehe auch Abb. 37.4. Menge A

Menge B

Menge D

Menge C

Menge E

Abb. 37.4 Die schraffierten Flächen entsprechen dem logischen Ausdruck A š B › C š (D › E).

Thema 38:

Historie der Dokumentation 38.1 Sammeln und Ordnen als Grundbedürfnisse des Menschen Es liegt im natürlichen Verlangen des Menschen, durch Vollständigkeit und Systematik Vollkommenheit zu erreichen, d.h. alle Sachverhalte zusammenzuführen und jeder Sache einen bestimmten Platz in einem Werte- oder Ordnungssystem zuzuweisen. Assurbanipal (etwa 668 bis 627 vor Christus) war der letzte große Herrscher des assyrischen Weltreichs, erfolgreicher Kriegsherr, universell gebildet und er hatte das ehrgeizige Ziel, alles verfügbare Wissen in einer Bibliothek zusammenzutragen und systematisch zu ordnen. Die Bibliotheken der Antike und der mittelalterlichen Klöster hatten ihre Bestände in einer Freihandaufstellung überschaubar klassifikatorisch geordnet. Auch die Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken des 19. Jahrhunderts, die zur Entwicklung der ICD führten, orientierten sich an diesem natürlichen Bedürfnis und wurden erst später dazu verwendet, im heutigen Sinne einer evidenzbasierten Medizin wirksame und weniger wirksame Therapien zu erkennen. Die Arbeiten von Dewey, Otlet und LaFontaine mit dem Ziel, das gesamte Weltwissen (monohierarchisch) ordnen zu wollen, waren aus heutiger Sicht völlig naiv. Andererseits hat sich die moderne Ordnungslehre, die durch Rangar Nathan mit seiner Colon Classification begründet und dann als coordinate indexing fortgeführt wurde, – obwohl sehr leistungsfähig – nur eingeschränkt durchsetzen können. Anscheinend ist das natürlich-monohierarchisch-klassifikatorische Ordnen doch sehr stark im Denken des Menschen verankert und lässt sich nicht ohne weiteres verdrängen. Heute ist Information, das gewusst wo und wie, das Know-how ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Erstmals wurde dies 1963 in voller Klarheit dargelegt in dem vom US-„President’s Science Advisory Committee“ in Auftrag gegebenen Bericht „Science, Government and Information“, dem nach dem Vorsitzenden benannten „Weinberg Report“. Während zunächst fruchtbares Land und später Bodenschätze für den Wohlstand entscheidend waren, ist dies heute ein ausgebautes, leistungsfähiges Informations- und Kommunikationswesen und eine ausgebildete Bevölkerung, die damit souverän umgehen kann. Damit kommt der Ausbildung eine überragende Bedeutung zu (Lit.b3).

38.2 Geschichte der statistischen Klassifikation von Krankheiten und Todesursachen (ICD) In der geschichtlichen Neuzeit gingen die ersten Anforderungen an die Dokumentation von dem Wunsch nach Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken (Krankheiten- und Todesursachenstatistiken) aus. Solche Statistiken setzen eine Nomenklatur und „statistische Klassifikation“ voraus, um Krankheits- bzw. Todesfälle eindeutig zuzuordnen und Häufigkeiten auszählen zu können. Die 1785 von William Cullen in Edinburgh herausgegebene Synopsis nosologiae methodicae war die erste weit verbreitete klassifikatorische Grundlage für diese Statistiken.

358

Thema 38

Im Jahre 1853 fand in Brüssel der erste internationale statistische Kongress statt. Dabei war man von der Notwendigkeit einer allgemein anwendbaren Einteilung der Krankheitsbegriffe und Todesursachen überzeugt und beauftragte William Farr (Leiter des Statistischen Amts von England und Wales) und Marc d’Espine (Genf), ein geeignetes Verzeichnis zu erarbeiten. Auf dem nächsten Kongress 1855 in Paris legten Farr und d’Espine ihre voneinander unabhängigen Ausarbeitungen vor. Es wurde als Kompromiss ein Verzeichnis mit 139 Krankheitsbegriffen und Todesursachen verabschiedet. Bei den internationalen statistischen Kongressen 1864, 1874, 1880 und 1886 wurde diese Klassifikation verbessert. Das Internationale Statistische Institut, die Nachfolgeeinrichtung der internationalen statistischen Kongresse, beauftragte 1891 in Wien einen Ausschuss unter dem Vorsitz von Jacques Bertillon, dem Leiter des Statistischen Amtes von Paris, ein systematisches Todesursachenverzeichnis zu erstellen. Dieser Ausschuss legte 1893 auf der Tagung des Internationalen Statistischen Instituts in Chicago sein Verzeichnis vor. Es umfasste 3 Klassifikationen mit 44, 99 und 161 Klassen und wurde angenommen. Bertillon präsentierte 1899 in Oslo einen Bericht über die Fortschreibung seiner Klassifikation, und es wurde beschlossen, diese alle 10 Jahre zu überarbeiten. Demzufolge wurde 1900 die erste internationale Konferenz des Todesursachenverzeichnisses nach Paris eingeladen. Von den Delegierten der 26 Länder wurde ein ausführliches Verzeichnis mit 179 und ein kurzes Verzeichnis mit 35 Klassen erarbeitet und für die teilnehmenden Länder für verbindlich erklärt. In den Jahren 1909, 1920, 1929 und 1938 wurde dieses revidiert. Die 1929 und 1938 beschlossenen Revisionen des Internationalen Todesursachenverzeichnisses waren gemeinsam vom Internationalen Statistischen Institut und von der Gesundheitsorganisation des Völkerbundes erarbeitet worden. Im Jahre 1946 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO, World Health Organization) mit der Revision des Internationalen Todesursachenverzeichnisses und der Schaffung eines Internationalen Verzeichnisses der Krankheiten beauftragt. Die internationale Konferenz für die 6. Revision des Internationalen Verzeichnisses der Krankheiten und Todesursachen fand 1948 in Paris, die 7. Revisionskonferenz 1955 in Paris und die 8. Revisionskonferenz 1965 in Genf statt. An der internationalen Konferenz für die 9. Revision 1975 in Genf nahmen schon 46 Mitgliedstaaten der WHO teil. Die 9. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen (engl.: International Classification of Diseases, Injuries, and Causes of Death), international abgekürzt ICD-9, wurde nicht nur für die amtliche Todesursachenstatistik verwendet, sondern vor allem als Ordnungssystem für Diagnosen zum Erschließen von Krankenakten. Die Arbeit an der 10. Revision begann 1983. Entwurfsfassungen wurden 1984 und 1986 vorgelegt. In der 10. Revision wurde die traditionelle Struktur einer Klassifikation beibehalten, der Umfang der Klassifikation aber erweitert und eine neue Notation eingeführt. Außerdem erhielt das Ordnungssystem den Namen International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, wird aber meist nur kurz als „ICD-10“ bezeichnet. Sie trat am 1.1.1993 in Kraft. Die deutsche Ausgabe wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) 1994 herausgegeben in maschinenlesbarer und in gedruckter Form. Die deutsche Ausgabe hat die Bezeichnung Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (Lit. f1). Die medizinische Statistik war noch lange durch Krankheits- und Todesursachenstatistiken geprägt. Die Nützlichkeit solcher Statistiken zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel der Gesamttodesrate in schulmedizinischen und homöopathischen Krankenhäusern, das ich

Historie der Dokumentation

359

Robert Jütte, Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart verdanke. Nach Buchner 1843 (Lit.i1) verstarben in 17 allopathischen Krankenhäusern von 26 527 Cholerapatienten 13 039, die Letalität war damit 49.2%. In 19 homöopathischen Krankenhäusern verstarben von 1 557 Cholerapatienten 93, das ist eine Letalität von 6%. Damals hatte die Schulmedizin bei Cholera die (richtige) Vorstellung, dass sich im Körper ein schlechtes Agens befand, das auszuleiten war und hat deshalb die (falsche) Behandlung des Aderlasses angewandt. Heute wird bei Cholera der durch starken Durchfall bedingte Flüssigkeitsverlust durch Infusionen ersetzt und die Azidose (Übersäuerung des Blutes) ausgeglichen. Außerdem können geeignete Antiobiotika dazu beitragen, die Cholera-Erreger rascher zu eliminieren. Ein anderes Beispiel zu Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken ist das 1906 in erster und 1931 in zweiter Auflage erschienene „Handbuch der medizinischen Statistik“ des Ulmer Sanitätsrats Friedrich Prinzing (Lit.i6). Erwähnt werden soll auch der von Herbert Immich 1966 herausgegebene „Klinische Diagnosenschlüssel“ (Lit.i5). Das kurz als „Immich-Schlüssel“ bezeichnete Buch war aus ordnungstheoretischer Sicht der ICD-10 weit voraus, weil die 5-stellige, rein numerische Notation konsequent aus Lokalisation (2 Stellen), Krankheitsprozess (2 Stellen) und einer weiteren Stelle zur Unterscheidung aufgebaut war. Damit hat Immich die Idee eines kombinatorischen Ordnungsprinzips konsequenter aufgegriffen als die ICD mit Asterisk (Lokalisation) und Dagger (Krankheitsprozess).

38.3 Index Medicus (IM), Medical Literature Analysis and Retrieval System (MEDLARS) und MEDLINE Im Jahre 1818 begann Joseph Lovel, Surgeon General der USA, Bücher und Zeitschriften zu kaufen. Aus dieser Sammlung entstand die US-Army Medical Library, die erstmals 1840 ihren Katalog veröffentlichte. Der Katalog von 1864 umfasste 2 100 Titel. Ab 1871 hatte die Bibliothek den Anspruch „... to contain every medical book published in this country and every work relating to public health and state medicine.“ Der Index Medicus ist ein periodisch erscheinendes Verzeichnis der neu erschienenen medizinischen Aufsätze, Bücher, Berichte und sonstiger medizinischer Literatur. Er erschien erstmals 1879 und ab 1927 als Quaterly Cumulative Index Medicus. Die Armed Forces Medical Library wurde 1956 in die National Library of Medicine (NLM) umgewandelt. Die NLM versuchte schon bald die Herstellung des Index Medicus zu automatisieren. Ab 1964 wurde der Index Medicus mit MEDLARS (Medical Literature Analysis and Retrieval System) hergestellt. Später konnte MEDLARS auch Anfragen bearbeiten. Bis 1970 wurden Literaturanfragen deutscher Mediziner gesammelt, auf Magnetband geschrieben, die Bänder nach USA zur NLM geflogen, dort bearbeitet und die Ausdrucke zurückgeflogen. Ab 1970 war ein Zugriff über Fernschreiber möglich, seit 1971 gibt es MEDLINE = MEDLARS online. Auf Grund des Freedom of Information Act ist der Zugriff seit 1997 unter PubMed kostenlos.

38.4 Referatezeitschriften Ein Referat ist eine kurze Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Aufsatzes etwa vom Umfang einer Seite im Format A6 (etwa einer Bildschirmseite). Die Referate wurden von einschlägigen Fachleuten, meist als nebenamtliche Referenten, oder von Fachdokumentaren, meist als hauptamtliche Referenten, erstellt. Die Kosten für die Referaterstellung sind heute

360

Thema 38

zu hoch geworden, deshalb wird die vom Autor selbst erstellte Zusammenfassung, das Abstract, verwendet. Der Sinn der Referate (und heute der Abstracts) liegt darin, dass ein Wissenschaftler zuerst das Referat oder Abstract liest und dann entscheidet, ob er die Originalarbeit lesen will oder nicht (mehrstufiges Auswahlverfahren). Die erste große Maßnahme gegen die Literaturflut waren die Referatezeitschriften, die keine Originalarbeiten publizierten, sondern lediglich Referate über wissenschaftliche Zeitschriftenaufsätze, Bücher und Berichte, die anderswo erschienen. Die älteste Referatezeitschrift ist das Chemische Zentralblatt, das von 1830 bis 1969 erschien und vom Chemical Abstract Service (CAS) abgelöst worden ist. Viele Jahrzehnte waren die für jedes Fachgebiet erscheinenden Referatezeitschriften die wichtigste Informationsmöglichkeit. Die meisten Refereratezeitschriften erschienen als die vom Springer-Verlag herausgegebenen Zentralblätter, weil damals Deutschland wissenschaftlich führend war. Später konnte man die Referatezeitschriften auch als Karteidienst abonnieren. Ein Abonnent konnte die Karten der ihn nicht interessierenden Publikationen wegwerfen und mit den interessierenden Karten eine eigene, auf ihn persönlich oder auf seine Firma zugeschnittene Kartei aufbauen. Wird ein objektives informatives Referat um eine persönliche, subjektive Stellungnahme und Beurteilung erweitert, so spricht man von einem kritischen Referat oder einer Rezension. Der Name des Rezensenten ist anzugeben, da es sich um seine persönliche Meinung handelt. In der klinischen Dokumentation haben die Arztbriefe eine ähnliche Funktion wie die Autorenreferate (Abstracts) von Zeitschriftenaufsätzen. Abstracts, Referate und Rezensionen sollen die Entscheidung, ob der gesamte Aufsatz oder das gesamte Buch gelesen wird, vorbereiten. Im Gegensatz dazu haben Kurzfassungen die Aufgabe, das Lesen der umfangreichen Originalarbeit zu ersetzen. Sie sind als Exzerpte in der Ausbildung nützlich, in der wissenschaftlichen Literaturerschließung haben sie wenig Bedeutung.

38.5 Geschichte der Dezimalklassifikation (DK) Der Bibliothekar Melvil Dewey veröffentlichte 1876 ein Ordnungssystem mit 932 Klassen, um die amerikanischen Volksbibliotheken leicht und allgemein verständlich zu ordnen. Dieses Ordnungssystem hatte eine monohierarchische Systematik mit numerischer Notation. Jeder der Ziffern von 0 bis 9 wurde ein größerer Themenkomplex zugeordnet: 0 für Allgemeines; 1 für Philosophie und Psychologie; 2 für Religion und Theologie; 3 für Sozialwissenschaften, Recht, Verwaltung usw. bis 9 für Heimatkunde, Biografien, Geschichte. Jede einzelne Ziffer wurde wiederum in 10 Bereiche eingeteilt und so fort, sodass sich ein theoretisch beliebig fortsetzbares System ergab. Beispiele: 6 Angewandte Wissenschaften. Medizin. Technik 61 Medizin 611 Anatomie 611.1 Gefäßsystem 611.11 Herzbeutel 613.24 Unterernährung, Fasten, Diät, Gewichtsreduktion 392.82 Fasten als Brauchtum Das als „Dewey-Decimal-Classification“ bezeichnete Ordnungssystem ist also eine streng monohierarchische Klassifikation.

Historie der Dokumentation

361

Etwa 1890 wollten die beiden belgischen Rechtsanwälte Paul Otlet und Henry LaFontaine die gesamte Weltliteratur erfassen, klassifizieren und katalogisieren, um die geistige Arbeit des Einzelnen und die internationale Verständigung unter den geistig Schaffenden zu fördern. Sie hatten bereits 400 000 Titel gesammelt und klassifizierten diese mit einem aus Amerika beschafften Exemplar der Dewey-Classification innerhalb von nur 6 Wochen. Diese Arbeit legten sie einer internationalen Konferenz für Bibliografie vor, die daraufhin 1895 das Institut International de Bibliographie (IIB) gründete und die Dewey-Classification als Ordnungsmittel bestimmte. 1907 erschien die erste und 1927 bis 1933 die zweite französische Ausgabe der Klassifikation, die bereits 70 000 Begriffe enthielt. Außerdem waren Verbindungsmöglichkeiten von Hauptbegriffen durch den Doppelpunkt und Hilfstafeln mit allgemeinen Anhängezahlen eingebaut worden, sodass sie das Ordnungssystem nun Classification décimale universelle (CDU) nannten. Otlet opferte sein bedeutendes Vermögen und LaFontaine steuerte das Geld des ihm verliehenen Friedensnobelpreis bei, trotzdem wuchs die Literaturflut schneller als es das IIB erfassen und klassifizieren konnte. Deshalb wurde das IIB umbenannt in Institut international pour documentation (IID) und 1937 in die Fédération internationale de documentation (FID). Die FID hatte die Aufgabe, die Universal Decimal Classification (UDC) zu pflegen und zu erweitern. Sie hatte ihren Sitz in Den Haag, ihr langjähriger Vorsitzender war Frits Donker Duyvis. Sie gab ab 1949 halbjährlich die „Extensions and Corrections to the UDC“ heraus. Seit 1992 wird die internationale (englischsprachige) Dezimalklassifikation vom UDC-Consortium betreut, es gibt nun die Extensions and Corrections to the UDC jährlich heraus. In Deutschland gründete der Deutsche Normenausschuss im Rahmen seines Fachnormenausschusses für Bibliotheks-, Buch- und Zeitschriftenwesen einen Ausschuss für Klassifikation, um eine deutsche Ausgabe der Dezimalklassifikation (DK) herauszugeben. Bibliotheksrat Carl Walther übernahm die Leitung dieses Ausschusses, 1932 erschien die erste deutsche Kurzausgabe und von 1934 bis 1953 die erste deutsche Gesamtausgabe der DK. Im Jahre 1959 wurde unter dem Vorsitz von Karl Fill der Unterausschuss Klassifikation ein selbstständiger Ausschuss des deutschen Normenausschusses. Eine dreisprachige Kurzausgabe in Deutsch, Englisch, Französisch erschien 1958, eine zweibändige deutsche Handausgabe 1967. Die erste Lieferung der zweiten deutschen Gesamtausgabe begann 1958, später wurde sie als Loseblattsammlung herausgegeben und bis 1965 erschienen insgesamt 4 Lieferungen, ohne dass jedoch die Ausgabe vollständig wurde. Die DK hat im Lauf ihrer Geschichte viele Gedanken aus der Ordnungslehre übernommen, ohne sie wirklich konsequent umzusetzen. Zusätzlich zu den Hauptzahlen der Haupttafel (die z.B. den MeSH-Headings entsprechen) hatte sie spezielle Anhängezahlen, die nur für bestimmte Bereiche der Haupttafel galten (und die den Qualifiern des MeSH entsprechen). Weiter hatte die DK allgemeine Anhängezahlen für Sprache, Form, Ort, Völker, Zeit, Gesichtspunkt und Personen, die für die gesamte DK galten. Die Verknüpfungszeichen + und / (von … bis) entsprechen der Überlagerung, während die Verknüpfungszeichen : und :: neue Begriffe im Sinne der Begriffskombination erzeugten. Schließlich konnten noch Eigennamen in die DK-Notation eingesetzt werden. Damit war die Vergabe einer DK-Zahl (Indexieren) und die Analyse einer DK-Zahl zu einer eigenen „Wissenschaft“ geworden. Trotzdem konnte das Weltwissen in der DK eher schlecht als recht abgebildet werden. Heute wird – hoffentlich! – kein vernünftiger Dokumentar mehr das gesamte Weltwissen in einem einzigen Ordnungssystem unterbringen wollen, und schon gar nicht in einer monohierarchischen Klassifikation.

362

Thema 38

38.6 Paginierstempel Ein Paginierstempel ist ein Nummernstempel, der sich nach dem Stempeln automatisch um eins erhöht. Braucht man von jeder Zahl mehrere aber gleich viele Abdrucke (z.B. einen für die Dokumentationseinheit und einen für die Zugangsliste), so kann der Paginierstempel auch so eingestellt werden, dass er nur nach jedem zweiten Stempeln oder nach jedem dritten Stempeln die Zahl um eins erhöht. Paginierstempel konnten auch mit einem gewöhnlichen Stempel und/oder mit einem Datumstempel kombiniert werden, sodass z.B. folgender Abdruck entstand: Signatur: 05/01234 wobei „01234“ den Paginierteil des Stempels, „05“ das einstellbare Jahr des Stempels und der Rest des Abdrucks den unveränderlichen Teil des Stempels darstellt. Heute kann man sich kaum noch vorstellen, wie wichtig und nützlich dieses kleine mechanische Hilfsmittel war. Allgemein wurde der Paginierstempel verwendet, um bei Manuskripten und zusammengestellten Papieren durchlaufende Seitenzahlen (Paginierung = Seitenzählung) aufzustempeln. Die Dokumentare haben ihn vor allem für die Signaturvergabe verwendet. Entscheidend war, dass eine aufgestempelte Zahl nicht irrtümlich ein zweites Mal vergeben werden konnte.

38.7 Handlochkarten Bevor es leistungsfähige und preisgünstige Computer gab, waren Karteien (siehe Thema 4.7) und Handlochkarten die wichtigsten Deskriptorenspeicher des Dokumentars. Die Handlochkarten sind nicht zu verwechseln mit gleichzeitig verwendeten (Maschinen-) Lochkarten der Datenverarbeitung, die aus den Hollerith-Karten (Hermann Hollerith 1860 – 1929) entstanden waren. Noch in der 1983 erschienen ersten Auflage dieses Buchs umfassten die Handlochkarten und die darauf zugeschnittenen, zum Teil raffinierten Codiervorschriften (Handlochkartenschlüssel) 50 Druckseiten. Handlochkarten gab es nach zwei verschiedenen Prinzipien: Nadellochkarten und Sichtlochkarten. Bei Nadellochkarten repräsentierte jede Lochkarte eine Dokumentationseinheit und jede Stelle auf der Lochkarte einen Deskriptor, d.h. einen Sachverhalt. Bei den Deskriptoren, die der Dokumentationseinheit zugeteilt worden waren, wurde das vorgestanzte Loch zum Rand hin geöffnet (Rand- oder Kerblochkarten, Abb. 38.1) oder der Steg zwischen zwei vorgestanzten Löchern ausgestanzt, sodass ein Schlitz entstand (Schlitzlochkarten, Abb. 38.2). Ein Stapel Nadellochkarten, also sinngemäß etwa 100 bis 1 000 Dokumentationseinheiten, wurde auf bestimmte Deskriptoren abgefragt, indem Nadeln (wie Stricknadeln) an den zu den Deskriptoren gehörigen Stellen in die vorgestanzten Löcher gesteckt und auf Kerbe (Abb. 38.3) bzw. Schlitz (Abb. 38.4) abgefragt wurden. Für das Ausstanzen und Selektieren waren einfache mechanische Geräte notwendig. Für das Abspeichern großer Deskriptorenmengen gab es raffinierte Codierregeln, so genannte Nadellochkarten-Schlüssel. Beispiel: Für das Abspeichern einer 3-stelligen numerischen Notation ohne Überlagerungen waren 3 Felder mit je 5 Lochstellen (0, 1, 2, 4, 7-Schlüssel) notwendig. Beispiel: Für das Abspeichern einer 5-stelligen damals noch rein numerischen ICD-Notation mit Überlagerungen (d.h. ein Patient konnte auch mehrere Diagnosen haben) war mindestens 1 Lochfeld mit 100 Lochstellen (Polydezimalschlüssel mit Lochfeldbelastung 4) notwendig.

Historie der Dokumentation

363

Eine Schlitzlochkarte im Format A5 hatte etwa 350 Lochstellen und ungelochten Platz für eine Beschriftung von 5 bis 8 Zeilen. Sichtlochkarten hatten das gerade umgekehrte Prinzip wie Nadellochkarten: Bei Sichtlochkarten repräsentierte jede Karte einen Deskriptor, jede Lochstelle eine Signatur und damit eine Dokumentationseinheit. Die einer Dokumentationseinheit zugeteilten Deskriptoren wurden eingespeichert, indem die den zugeteilten Deskriptoren entsprechenden Sichtlochkarten dem Karteikasten entnommen und an der Stelle, die der Signatur der Dokumentationseinheit entsprach, ein kleines Loch gebohrt wurde. Zur Abfrage wurde eine Sichtlochkarte auf den Leuchttisch gelegt und festgestellt, an welcher Stelle (Signatur) ein Loch war. Wurden mehrere Sichtlochkarten übereinander gelegt, so konnte das Licht nur an den Stellen (Signaturen) durchdringen, an denen alle aufeinander liegenden Sichtlochkarten gelocht waren, d.h. wenn alle diese Deskriptoren der gleichen Dokumentationseinheit indexiert worden waren. Die größten Sichtlochkarten waren etwas größer als das Format A4 und hatten in Verbindung mit einer kleinen Koordinaten-Bohrmaschine bis zu 10 000 Lochstellen. Es konnten also bis zu 10 000 Dokumentationseinheiten in eine Sichtlochkartei eingespeichert werden. Handlochkarten waren bis zur Verwendung des Computers die einzigen Deskriptorenspeicher, die nach mehreren š-verknüpften Deskriptoren abgefragt werden konnten. Für Recherchen sind š-Verknüpfungen besonders wichtig. Demgegenüber können ›-Verknüpfungen von Deskriptoren leicht erreicht werden, indem die Deskriptoren einzeln abgefragt und die jeweils selektierten Dokumentationseinheiten vereinigt werden.

Abb. 38.1 Zweireihige Randlochkarte und Kerbzange, mit der die vorgestanzten Löcher zum Rand hin geöffnet werden konnten. Eine Lochstelle konnte 3 Zustände haben: ungekerbt, flach gekerbt, tief gekerbt.

364

Thema 38

Abb. 38.2 Schlitzlochkarte und Stanzgerät. Durch Herausstanzen eines Steges zwischen den vorgestanzten Löchern entstand ein Schlitz. Ein Steg bedeutete „Deskriptor nicht zugeteilt“, ein Schlitz „Deskriptor zugeteilt“.

Abb. 38.3

Abfrage von Randlochkarten. Die vordere Karte fällt heraus, weil die abgefragte Lochstelle gekerbt worden war, die hintere Karte nicht. In der Abbildung sind nur 2 Karten dargestellt, tatsächlich wurden in einem Arbeitsgang bis 500 eng aneinander liegende Karten abgefragt. Durch gleichzeitiges Abfragen verschiedener Stellen wurde eine š-Verknüpfung erreicht.

Historie der Dokumentation

365

Abb. 38.4 Abfrage von Schlitzlochkarten. In das Selektiergerät wurden 5 Nadeln gesteckt, d.h. es rutschten nur die Karten um eine Schlitzlänge heraus, die an allen diesen 5 Stellen geschlitzt worden waren (š-Verknüpfung). In einem Arbeitsgang konnten bis zu 2 000 Karten abgefragt werden.

38.8 Permutierte Verzeichnisse Der klassische Katalog einer Bibliothek ist ein Zettelkatalog, d.h. ein Katalog in Karteiform. Bandkatologe, d.h. eine zu einem Buchband gebundene Liste, gab es nur für abgeschlossene Bestände ohne Neuzugänge. Erst die Technik ab etwa 1970, zuerst die lochstreifengesteuerten Schreibmaschinen und dann der im Stapelbetrieb laufende und mit (Maschinen-) Lochkartenleser und Drucker ausgestattete Computer, erlaubte es, die Neuzugänge laufend offline zu erfassen und etwa jährlich eine aktualisierte Liste auszudrucken und zum Bandkatalog zu binden. Diese Technik ermöglichte auch eine erste, ansatzweise inhaltliche Erschließung der Sachtitel. Wie später bei der Freitextsuche, wurden anhand einer Liste von Nichtstichwörtern die Stichwörter erkannt und jeder Sachtitel unter jedem Stichwort eingeordnet. Beispiel: Das Buch mit dem Sachtitel „Einführung in das Wesen der Dezimalklassifikation“ wurde folgendermaßen an 3 Stellen in das alphabetische Verzeichnis eingestellt:

366

Thema 38 . . . Dezimalklassifikation. Einführung in das Wesen der . . . Einführung in das Wesen der Dezimalklassifikation. . . . Wesen der Dezimalklassifikation. Einführung in das . . .

(Signatur)

(Signatur)

(Signatur)

Es gab mehrere Layout-Varianten, die als KWIC-Index (Keyword in Context) oder als KWOC-Index (Keyword out of Context) bezeichnet wurden. In der klinischen Dokumentation gab es permutierte Diagnosenverzeichnisse, in denen jeder Patient so oft aufgeführt wurde, wie er Diagnosen hatte.

38.9 Dokumentation heute und morgen Die Dokumentation ist heute und mutmaßlich auch in der näheren Zukunft von folgenden 4 Sachverhalten geprägt: Der Siegeszug des Computers und des Internets, die teure Arbeitszeit, die kurze Gültigkeitsdauer der Information und schließlich das Verharren auf dem elementaren Ordnungsprinzip der Klassifikation. Daraus resultiert der Niedergang der auf eine Benutzergruppe maßgeschneiderten Dokumentation mit intellektuellem Indexieren. Stattdessen ist die maschinelle inhaltliche Erschließung – soweit möglich – und die Freitextsuche im Vordergrund. Die ICD ist zwar altehrwürdig, aber weit entfernt von moderner Ordnungslehre. Außerdem wird sie trotz vieler und rascher Fortschritte der Medizin immer seltener aktualisiert: Die ICD-9 war 18 Jahre gültig, die ICD-10 ist seit 1993 in Kraft und eine 11. Revision ist noch nicht in Sicht, während zwischen 1900 und 1975 insgesamt 9 Revisionen erschienen. Für mich kaum verständlich ist, dass sich die moderne, auf Begriffskombination aufbauende Ordnungslehre, die etwa 1960 als coordinate indexing entwickelt worden ist, kaum durchgesetzt hat. Die Verwendung des doch komplizierten Computers und seiner Software einerseits und des primitivsten aller Ordnungsprinzipien andererseits passt nicht zusammen. Auch in Zukunft wird Information als Ware an Bedeutung zunehmen. Außerdem wird das dokumentarische Erschließen noch weiter von intellektuell nach maschinell verlagert werden. Das elementare Information Retrieval wird Allgemeinbildung werden, das anspruchsvolle Retrieval dagegen immer schwieriger werden und noch lange eine ausgebildete Fachkraft erfordern, die dann vielleicht aber nicht mehr als Dokumentar bezeichnet werden wird.

Thema 39:

Glossar zur Informatik Zweck Ein Dokumentar braucht Informatik-Kenntnisse. Eine mögliche Einführung in die Informatik ist jedoch so umfangreich, dass sie hier nicht geboten werden kann. Im Folgenden werden jedoch Informatik-Ausdrücke, die im Buch erwähnt werden oder die für ein bescheidenes Grundverständnis der Informatik notwendig sind, in Form eines kurzen Glossars erklärt.

G1: „Rechen“-Automat Ein Computer ist ein Automat, eine selbstständig ablaufende Maschine, der vorgeschrieben werden muss, was (Daten) sie wie (Programm) zu bearbeiten hat. Der Automat kann nur verhältnismäßig einfache Einzeloperationen ausführen. Ein gegebenes Problem muss somit in viele kleine Einzeloperationen zerlegt werden, die dann aber vom Computer sehr schnell ausgeführt werden (siehe Maschinenbefehl). Der Computer kann nur zwei verschiedene Zustände unterscheiden, deshalb müssen alle Informationen im Computer binär, d.h. als eine Folge von ja (=1) und nein (=0) Entscheidungen dargestellt werden (siehe auch Bit und Byte im Thema 3.3).

G2: Algorithmus Eine vollständige und eindeutige Beschreibung eines Arbeitsvorgangs nennt man in der Mathematik einen Algorithmus. Er beschreibt in einer endlichen Anzahl von Schritten eindeutig und erschöpfend, wie die gestellte Aufgabe bearbeitet und gelöst wird.

G3: Zentraleinheit und Peripheriegeräte Ein Computer besteht aus der Zentraleinheit (CPU = central processor unit oder kurz Prozessor), Arbeitsspeicher, Ein-/Ausgabewerk und einem oder mehreren internen Informationsverteilern (Bus). Peripheriegeräte werden über Steuereinheiten (Controller, Interface) an das Ein-/Ausgabewerk (Input-/Output-Processor) angeschlossen. Die bekanntesten Peripheriegeräte sind Bildschirm, Tastatur, Maus und Drucker. Aber auch Magnetplattenlaufwerk, Diskettenlaufwerk, CD-ROM-Laufwerk und Laufwerk für Magnetbandkassetten gehören zu den Peripheriegeräten.

G4: Maschinenbefehl Soll ein Algorithmus maschinell ausgeführt werden, so muss er in eine endliche Anzahl von Einzelschritten so zerlegt werden, dass jeder Einzelschritt vom Computer ausgeführt werden kann. Ein definierter Einzelschritt, der von einem Computer ausgeführt werden kann, heißt Maschinenbefehl (instruction).

368

Thema 39

Die wichtigsten Typen von Maschinenbefehlen sind x arithmetische Befehle (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division), x Vergleiche auf gleich, ungleich, größer, kleiner, kleiner gleich usw., x Transportbefehle (Informationen abspeichern, Informationen aus dem Speicher zurückholen), x logische Verknüpfungen (š, ›, ™), Abfragen und Verzweigungen im Programm, z.B. wenn .... eintritt, dann gehe nach …., x Ein-/Ausgabebefehle. Der Maschinenbefehlssatz ist vom jeweiligen CPU-Typ abhängig.

G5: Anweisung, Kommando Die Programmierung mit Maschinenbefehlen ist sehr mühsam, weil der einzelne Maschinenbefehl wenig bewirkt, wenig mächtig ist. Anweisungen, Kommandos sind viel mächtiger als Maschinenbefehle. Z.B. ist die Anweisung „suche in einem Text das Wort ‘Indexierungsgenauigkeit’“ sehr viel mächtiger als der Befehl „addiere zwei ganze Zahlen“.

G6: Programm Alle Anweisungen oder Befehle, die zusammen einen Algorithmus ausführen und damit einen Verarbeitungsvorgang durchführen, bilden das Programm. Die Reihenfolge, in der die Befehle eines Programms abgearbeitet werden, können von den Daten, die das Programm bearbeitet, beeinflusst werden. Ein Programm enthält neben den ausführbaren Anweisungen auch Vereinbarungen. Beispiele für Vereinbarungen sind „Anfang des Programms“, Vereinbarung eines Variablennamens und Datentyps, Kennzeichnung einer Stelle im Programm, um an der gekennzeichneten Stelle unter bestimmten Bedingungen fortfahren zu können, Vereinbarung eines Unterprogramms usw.

G7: Programmiersprachen Die meisten Programme werden heute in so genannten problemorientierten Programmiersprachen (engl.: high level languages) geschrieben, wie z.B. PASCAL oder C. Wie der Name schon sagt, sind diese am Problem orientiert und weitgehend unabhängig von dem jeweiligen Prozessortyp. Der Gebrauch großer, fertiger Programmsysteme, wie z.B. Dokumentations- und Retrievalsysteme, hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem Programmieren. Dabei besteht z.B. eine Literaturrecherche aus einer Folge mächtiger Kommandos. Programme in problemorientierten Programmiersprachen und Anweisungen an Programmsysteme können von der Maschine nicht direkt ausgeführt werden, sie müssen vielmehr erst von speziellen Programmen in die passende Maschinensprache übersetzt werden. Aus einer Anweisung werden dabei mehrere Maschinenbefehle. Wird ein Programm in problemorien-

Glossar zur Informatik

369

tierter Sprache nach seiner Fertigstellung einmalig in die Maschinensprache übersetzt, so heißt das Übersetzungsprogramm ein Compiler. Wird immer nur eine einzige Anweisung übersetzt und dann sofort ausgeführt, so heißt das Übersetzungsprogramm Interpreter. Programmiersprachen, die vorwiegend von Interpretern bearbeitet werden, heißen Skript-Sprachen. Ein typischer Vertreter ist „perl“.

G8: Daten Strukturierte Informationen, die verarbeitet werden oder das Ergebnis einer Verarbeitung sind, werden als Daten bezeichnet. Mehrere logisch zusammengehörige Daten bilden einen Datensatz, z.B. „Moritz, Mustermann, geboren 23.04.05, Geburtsgewicht 2 850 g“. Aber auch Texte, Grafiken, aufgezeichnete gesprochene Sprache, stehende und bewegte Bilder sind Daten.

G9: Datentypen Häufig verwendete Datentypen sind ganze Zahl (Integer), reelle Zahl (Real, Float), logischer Ausdruck (Boolean, Logical; siehe Thema 37) und Schriftzeichen (Character) wie z.B. Buchstabe, Ziffer, Sonderzeichen. Ein Feld (Array) ist eine Folge gleichartiger Datentypen mit fester oder variabler Länge, z.B. umfasst ein Integer-Array der Länge 100 hundert ganze Zahlen. Ein Text wird als eine Folge von Zeichen (Zeichenkette) betrachtet. Ein beliebig langer Text wird im Datentyp String oder in einem Character-Array gespeichert. Die Speicherung von Programmen und Datensätzen in Dateien wird in Thema 4 (Dateien und Datenbanken) behandelt.

G10: Dezimalpunkt In der Datenverarbeitung und auch häufig in der gesamten Wissenschaft werden Dezimalzahlen in der anglo-amerikanischen Schreibweise mit Dezimalpunkt dargestellt, das Komma trennt zwei Zahlen. Diese Schreibweise wird auch in diesem Buch durchgehend verwendet.

G11: Hardware  Firmware  Software Hardware sind alle Teile einer EDV-Anlage, die materiell vorhanden sind. Software ist der Oberbegriff für alle Varianten von Programmen. An manchen Stellen ist die Grenze zwischen Hardware und Software fließend, z.B. kann es gelegentlich schwierig zu erkennen sein, ob ein Hardware-Fehler oder ein Software-Fehler vorliegt. Die vom Computer-Hersteller mehr oder weniger fest eingesetzten extrem hardwarenahen Programme heißen Firmware. Will man z.B. sehr viel rechnen, so wird man einen Computer kaufen, der arithmetische Befehle für reelle Zahlen per Hardware ausführt (meist als Co-Prozessor bezeichnet), in einem Computer ohne diese Hardware-Option werden diese Befehle dann etwas langsamer per Firmware ausgeführt.

370

Thema 39

G12: Betriebssystem Für den Betrieb eines Computers sind vielerlei Programme notwendig, ohne die sein Gebrauch äußerst mühsam wäre. Wichtige Betriebsprogramme sind x

Ladeprogramme (das sind Programme, die Benutzerprogramme in den Arbeitsspeicher laden und starten),

x

Ein-/Ausgabe-Programme für den Verkehr zwischen Zentraleinheit und Peripheriegeräten (Treiber),

x

Übersetzungsprogramme für problemorientierte Programmiersprachen (Compiler, Interpreter),

x

Programme zur Dateiverwaltung (siehe Thema 4),

x

Programme zur Systemverwaltung: Zugangskontrollen, Vergabe der Betriebsmittel usw.,

x

Editoren, das sind Programme, mit denen Texte, Programme und Daten eingegeben, überarbeitet, geändert und ausgegeben werden können.

Alle diese Programme müssen sehr gut zusammenarbeiten und aufeinander abgestimmt sein. In ihrer Gesamtheit bilden sie das Betriebssystem. Ein derzeit wichtiges Betriebssystem für PC ist Windows der Firma Microsoft in verschiedenen Varianten (z.B. Windows 2000, Windows XP). Linux ist ein kostenfreies Betriebssystem, von dem der Quellcode veröffentlicht ist (open Source) und das auf praktisch jeder Rechnerplattform eingesetzt werden kann, vom kleinsten bis zum größten Computer.

G13: Wichtige Dienstprogramme Während in den Anfangsjahren der Informatik die Benutzer ihre Programme überwiegend selbst geschrieben haben, wird heute vorwiegend mit gekauften Programmen gearbeitet. Die gekauften Programme erleichtern zum Teil als Software-Tools die Programmierung, zum Teil sind es Anwendungsprogramme. Beispiele für häufig eingesetzte Anwendungsprogramme sind x

Textverarbeitungsprogramme, Programme für Schriftsatz,

x

Dateiverwaltungsprogramme zum Anlegen, Umbenennen, Löschen von Dateien, zum Anzeigen der gespeicherten Dateien, der hierarchischen Gliederung von Dateien usw.

x

Web-Browser zum Anzeigen von WWW-Seiten,

x

Tabellenkalkulation, d.h. Programme, die Berechnungen durchführen und die Ergebnisse tabellarisch darstellen,

x

Grafikprogramme zum Erstellen, Bearbeiten und Gestalten von Grafiken und Bildern, Zeichenprogramme für technische Zeichnungen, Schemaskizzen usw.,

x

Datenbanksysteme, siehe Thema 4.9, einschließlich Masken- und Listengeneratoren, das sind Hilfsprogramme zur bequemeren Programmierung des Layouts (Text- und Bildgestaltung) auf dem Bildschirm und von ausgedruckten Listen,

x

Programmsysteme für statistische Auswertungen,

x

Dokumentations- und Retrievalsysteme, siehe Thema 23.

Glossar zur Informatik

371

G14: Netze In einem Computernetz sind mehrere, oft auch tausende PCs und Peripheriegeräte zusammengeschlossen. Übernimmt einer dieser Computer bestimmte Aufgaben, z.B. die zentrale Datenhaltung, so heißt er Server, die anderen Computer Clients. Netze können sich auf das Gelände eines Betriebes oder Krankenhauses erstrecken und heißen dann lokale Netze (LAN = Local Area Network). Ein Netz, das nach außen abgeschlossen ist oder bei dem jeder Zugriff von außen sorgfältig auf seine Berechtigung überprüft wird, heißt Intranet. Computernetze können aber auch große Entfernungen überwinden.

G15: Internet Das Internet (Zwischennetz) verbindet Computernetze weltweit. Direkten Zugang zum Internet haben z.B. Universitäten und große Firmen. Für kleine Firmen und Einzelpersonen bieten spezielle Firmen (Provider, z.B. T-online, AOL) den Zugang zum Internet an. Das Internet ist dezentral organisiert, wenig reguliert und überprüft von sich aus nicht die angebotene und übertragene Information. Die am meisten benutzten Dienste des Internets sind: x Electronic Mail: Einzelpersonen und Organisationen haben eine weltweit eindeutige Adresse (z.B. [email protected]) und können damit Nachrichten empfangen oder an jede beliebige e-mail-Adresse senden. Einer e-mail lassen sich auch beliebig strukturierte Dateien beifügen (e-mail attachment). x

News: Das News-Net besteht aus vielen Benutzergruppen (User-Groups). Jede Gruppe wird durch ein Thema gebildet und hat eine Art Anschlagtafel. Jeder Teilnehmer kann alle angeschlagenen Nachrichten lesen, kommentieren und auch selbst Nachrichten beitragen. In einer offenen Benutzergruppe darf jeder seine eigene Botschaft direkt aushängen, in einer moderierten Benutzergruppe sind die zu veröffentlichenden Beiträge an den Gruppenleiter zu senden, der dann entscheidet, ob ein Beitrag ausgehängt wird oder nicht.

x

World Wide Web (WWW): Jedermann kann auf seinem eigenen, ins Internet eingebundenen Computer und einem speziellen Programm (Web-Server) Informationen öffentlich bereitstellen. Zur bequemeren Lesbarkeit müssen die bereitgestellten Informationen bestimmte Normen erfüllen und in der dafür entwickelten Programmiersprache HTML (= Hyper-Text Markup Language) geschrieben sein. Der Interessent, der auf Informationen im WWW zugreifen will, benötigt einen Internetanschluss und ein Programm (Browser), das den übermittelten HTML-Code auf seinem Computer verarbeitet und am Bildschirm anzeigt. Verlangt ein Interessent Hyper-Text Transport Protocol (http) und gibt den Standort der gewünschten Information als URLAdresse (Uniform Resource Locator) an – insgesamt z.B. http://www.uni-ulm.de – so erhält er zunächst die Übersichtsseite (Home page) dieser Institution. Dann kann er entscheiden, welches der dort dargestellten Angebote er sehen will. Durch Anklicken eines der im dargestellten Dokument besonders hervorgehobenen Hyperlinks wählt er eine neue Seite aus, die auf dem selben oder auf einem anderen ans Internet angeschlossenen

372

Thema 39 Computer gespeichert sein kann. Der Benutzer muss nicht überlegen, wo welche Seite gespeichert ist, er navigiert einfach durch Anklicken der Hyperlinks von Seite zu Seite durch das WWW. Derzeit halten schon Hunderttausende von Web-Servern (Computern) Milliarden von Dokumenten abrufbereit. Spezielle Suchmaschinen (z.B. Google oder Altavista) erleichtern das gezielte Auffinden von Information durch Stichwörter, indem sie alle angebotenen Seiten nach dem vom Benutzer eingegebenen Suchwort durchsuchen (s. Thema 26). Das WWW bietet eine unübersehbare Fülle teils wichtiger, teils belangloser Informationen. Beispiele: Selbstdarstellung von Institutionen und Personen, Bibliothekskataloge, Fahr- und Flugpläne, Warenangebote.

G16: Grenzen der maschinellen Informationsverarbeitung Menschliche Tätigkeiten und menschliche Denkweisen lassen sich nicht immer eindeutig beschreiben. Prinzipiell gesehen lassen sich alle Tätigkeiten, die in Algorithmen vollständig und eindeutig beschrieben werden können, auch automatisieren. Die Grenzen der Automatisierbarkeit und der maschinellen Informationsverarbeitung liegen heute nicht mehr so sehr in der Leistungsfähigkeit der Computer, sondern in der eindeutigen und formalen Beschreibung dessen, was ist (Daten) und dessen, was geschehen soll (Programm). Innerhalb der Informatik versucht das Arbeitsgebiet künstliche Intelligenz die Grenzen, inwieweit menschliches Wissen und menschliche Denkfähigkeit auf Computersystemen nachgebildet werden kann, zu erkennen und weiter hinauszuschieben.

A1.1 Dokumentarische Bezugseinheit a)

A1.2

Zeitschriftenaufsatz

Dokumentationseinheit im engeren Sinne Karteikarte, auf welcher der (die) Verfasser, der Titel und Untertitel des Aufsatzes, der Name der Zeitschrift, das Erscheinungsjahr und die Seitenzahl steht

b) Ersatzteil, das in mehreren Exemplaren im Wartungsstützpunkt einer Computerfirma lagert

Datenblatt dieses Ersatzteils mit x genauer Typenbezeichnung x eingebaut in welche Anlagentypen und Komponenten von ... bis ... x derzeitiger Lagerort

c)

Jede Arzneimittelspezialität, die eine Arzneimittelgroßhandlung in ihrem Sortiment hat

Datensatz in der EDV-Anlage dieser Arzneimittelgroßhandlung bestehend aus x Handelsbezeichnung x wissenschaftlicher Bezeichnung der Wirksubstanz(en) x Hersteller x Darreichungsform x Dosierung x Packungsgröße x Indikationen x Kontraindikationen x bekannte Nebenwirkungen

a)

x

Erfassen:

„Entdecken“, Beschaffen und Erfassen der für die Dokumentation einschlägigen Dokumentationseinheiten.

x

Erschließen:

Inhaltliches Erschließen der Dokumentationseinheiten (Indexieren).

x

Speichern:

Speichern der Dokumentationseinheiten und der indexierten Deskriptoren.

x

Recherchieren: Formulieren der formalen Suchfragen und Abfragen der Speicher.

b) Eine (sorgfältig) geordnete Sammlung besteht aus den Objekten (den dokumentarischen Bezugseinheiten) und einem Verzeichnis dieser Objekte, das auch als Katalog bezeichnet wird. Die Einträge im Verzeichnis sind die Dokumentationseinheiten im engeren Sinne. Zum Aufbau der Sammlung sind die Tätigkeiten x Erfassen, d.h. „Entdecken“, Beschaffen und Erfassen der für die Sammlung einschlägigen Objekte (dokumentarische Bezugseinheiten) und

Antworten

Antworten zu den Fragen

374

Antworten zu den Fragen x

Speichern der Dokumentationseinheiten (im engeren Sinne) und der dokumentarischen Bezugseinheiten erforderlich.

Antworten

Bei einer Dokumentation im Sinne von Information Retrieval werden zusätzlich die Eigenschaften (die Inhalte) der Dokumentationseinheiten detailliert beschrieben (indexiert). Schwerpunkt der Bemühungen beim Information Retrieval ist nicht das Sammeln, als vielmehr der gezielte Zugriff unter inhaltlichen Fragen.

A1.3

c)

Bei Dokumentationen, die nur Freitextsuche anbieten, entfällt das intellektuelle inhaltliche Erschließen der Dokumentationseinheiten (Indexieren). Stattdessen werden die Texte der Dokumentationseinheiten per Programm für das Retrieval aufbereitet.

a)

Gemeinsamkeiten von Signatur und Notation sind x kurze ein-eindeutige Identifikation, x sortierfähig, x maschinengeeignet, x gut zu merken, x erweiterungsfähig.

b) Eine Signatur identifiziert eine Dokumentationseinheit, eine Notation identifiziert einen Deskriptor.

A1.4

a)

Das Personenkennzeichen ist vorwiegend eine Signatur, da aus der Sicht der Staatsverwaltung die Staatsbürger bzw. die von den Staatsbürgern vorhandenen Akten und Datensätze Dokumentationseinheiten sind und nicht Deskriptoren. Das beschriebene Personenkennzeichen ist keine reine Signatur, da es in bescheidenem Umfang Aussagen über die Art (den „Inhalt“) der Dokumentationseinheiten macht, z.B. über Alter, Geschlecht, Geburtsort des Bürgers.

b) In der klinischen Dokumentation sind die Krankenakten Dokumentationseinheiten, keine Deskriptoren. Demzufolge ist das Personenkennzeichen, nach dem die Krankenakten im Archiv abgelegt sind, eine Signatur.

A1.5

Die verbale Suchfrage ist in natürlicher Sprache formuliert, kann mündlich vorgetragen oder schriftlich formuliert sein. Demgegenüber enthält die formale Suchfrage nur zugelassene Deskriptoren und die zwischen diesen Deskriptoren verlangten logischen Verknüpfungen. Die formale Suchfrage ist nur in Verbindung mit einem Ordnungssystem verständlich. Man kann auch sagen, dass die verbale Suchfrage in natürlicher Sprache, die formale Suchfrage in einer Dokumentationssprache formuliert sei. Das Formulieren einer formalen Suchfrage entspricht in gewissem Sinn dem Indexieren.

Antworten zu den Fragen

Beim Indexieren einer Dokumentationseinheit wird der Inhalt der Dokumentationseinheit mit den Deskriptoren eines Ordnungssystems beschrieben. Beim Formulieren einer formalen Suchfrage wird eine verbale Suchfrage mit den Deskriptoren des Ordnungssystems beschrieben. Gemeinsamkeiten: x x x x

„Übersetzen“ eines Sachverhalts aus natürlicher Sprache in eine Beschreibung, die aus Deskriptoren eines Ordnungssystems (Dokumentationssprache) besteht. Die Information wird komprimiert, der dabei entstehende Informationsverlust soll möglichst klein sein. Es handelt sich um eine intellektuelle Leistung. Es sollen möglichst keine („Übersetzungs“-) Fehler auftreten.

Unterschiede: x

Beim Indexieren wird der Inhalt einer Dokumentationseinheit, beim Formulieren der formalen Suchfrage der Inhalt einer verbalen Suchfrage mit Deskriptoren ausgedrückt. x Beim Indexieren werden die zugeteilten Deskriptoren nur aufgezählt, in einer formalen Suchfrage wird zusätzlich angegeben, wie die Deskriptoren logisch verbunden werden sollen. Siehe auch A22.1.

A1.7

Dem Indexieren entspricht das Formulieren der formalen Suchfrage.

A1.8

a)

Die Angaben auf dem Buchrücken sind eine Signatur, weil ein Buchband eine Dokumentationseinheit und kein Deskriptor ist und sich die Magazinordnung nicht am Inhalt orientiert.

b) Geburtsdatum und Name des Patienten haben die Funktion einer Signatur, weil ein Patient bzw. seine Krankenakte eine Dokumentationseinheit ist und kein Deskriptor und die Krankenakten im Krankenhausarchiv nach der Patientenidentifikation, nicht nach Diagnosen oder Therapien abgestellt sind. c)

A1.9

Das beschriebene Aktenzeichen ist eine Notation. Es kennzeichnet einen Sachverhalt, nicht ein einzelnes Schriftstück. Es kann viele, in sich chronologisch abgelegte Schriftstücke zu einem Aktenzeichen geben.

Die gegebenen Abkürzungen beschreiben medizinische Sachverhalte. Wenn sie innerhalb eines Ordnungssystems verwendet werden oder, wie im Aufgabentext dargelegt, zur sachlichen Beschreibung medizinischer Behandlungsfälle verwendet werden, beschreiben sie deren Inhalt, sind somit Deskriptoren oder Notationen. Dies ist unabhängig davon, ob als Dokumentationseinheit die gesamte Krankenakte oder ein einzelner Befund betrachtet wird. Wird z.B. die Abkürzung KHK dem Patienten Habeangst bzw. seiner Krankenakte zugeordnet, so ist dies ein zugeteilter Deskriptor, keinesfalls eine Signatur.

Antworten

A.1.6

375

376

Antworten

A2.1

Antworten zu den Fragen a)

Die Anzahl der Wissenschaftler hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht, außerdem publiziert heute ein Wissenschaftler mehr Arbeiten als früher. Dadurch ist eine Literaturflut entstanden, die so groß ist, dass ein Wissenschaftler nicht mehr in der Lage ist, die Literatur seines Fachgebiets zu verfolgen. Deshalb muss ihm die Dokumentation die für seine aktuelle Arbeit relevante Literatur – und nur die relevante – bereitstellen.

b) Mehr Menschen unterziehen sich häufiger einer ärztlichen Behandlung. Je Behandlung entstehen heute sehr viel mehr Daten als früher. Außerdem entstehen die Informationen über einen Patienten an verschiedenen Stellen, beim Hausarzt, bei verschiedenen Fachärzten, vielleicht in mehreren Krankenhäusern. Selbst innerhalb eines Krankenhauses entstehen die Informationen über einen Patienten an verschiedenen Stellen (Station, verschiedene Labors, Röntgendiagnostik, Pathologie usw.) und müssen zusammengeführt werden. Schließlich ist die Medizin als Wissenschaft sehr viel umfassender und komplizierter geworden und benötigt dadurch mehr Information und gezieltere Information.

A2.2

a)

Wenn in einer neuntägigen Behandlung im Mittel 5 mm Krankenakten entstehen, so entsteht je Tag und je Patient 5/9 = 0.56 mm Krankenakte. Für 1 000 belegte Betten entstehen dann zusammen täglich 560 mm oder rund 0.6 m Krankenakten.

b) Je Tag und je Patient entstehen 40/9 = 4.4 Seiten Krankenakte. Enthält jede Seite im Mittel 10 Befunde und sind 1 000 Betten belegt, so entstehen zusammen täglich 4.4 × 10 × 1 000 = 44 000 Befunde. Die Anzahl von 44 Befunden je Tag und je Patient erscheint plausibel. Setzt man mittlere Kosten von 5 Euro/Befund an (was sicher nicht unproblematisch ist), so ergibt sich daraus eine Belastung von im Mittel 44 × 5 = 220 Euro je Patient und Behandlungstag.

A2.3

Es kann durchaus sein, dass ein wissenschaftlich hochwertiger Aufsatz nicht oder nur sehr wenig zitiert wird. Gründe dafür können sein: x Der Aufsatz ist wissenschaftlich so anspruchsvoll oder so speziell, dass nur noch wenige Menschen in der Welt mitdiskutieren und den Sachverhalt weiterentwickeln können. Das kommt z.B. in der Mathematik vor. x Der Aufsatz bearbeitet ein Thema, das derzeit nicht aktuell ist. x Der Autor hat den Aufsatz nicht in englisch, sondern in einer Sprache geschrieben, die nur wenige Wissenschaftler lesen können. x Die Zeitschrift, in der der Aufsatz erschienen ist, wird zwar vom Science Citation Index erfasst (sonst hätte unser Autor nicht nachschlagen können, ob er zitiert wird), aber nur von wenigen Literaturdokumentations-Systemen. Deshalb ist der Aufsatz vielen interessierten Lesern nicht bekannt geworden. x Der Aufsatz wendet sich nicht an Forscher, sondern z.B. an niedergelassene Ärzte, praktisch tätige Bibliothekare oder Dokumentare. Weil diese Leser nicht selbst publizieren, wird der Aufsatz nicht zitiert, auch wenn er eine große Leserschaft hat und von den Lesern als sehr wichtig angesehen wird.

A2.4

x

x

x x

x x

x

x

377

Eine Zeitschrift, die häufig erscheint, z.B. 14-tägig, publiziert im Laufe eines Jahres viele Aufsätze. Auf den Impactfaktor hat das keinen Einfluss, weil bei der Berechnung des Impactfaktors die Gesamtzahl der Zitierungen durch die Gesamtzahl der publizierten Aufsätze geteilt wird, d.h. der Impactfaktor entspricht dem Anteil (nicht die Anzahl) der Zitierungen. Hat eine Zeitschrift viele Leser, so werden ihre Aufsätze auch häufiger zitiert. Zumindest die Umkehrung ist leicht einzusehen: Eine Zeitschrift, die kaum (fast nicht) gelesen wird, deren Aufsätze werde auch kaum zitiert. Niedergelassene Ärzte publizieren eher selten. Deshalb hat eine Zeitschrift, die sich an niedergelassen Ärzte wendet, vermutlich einen kleinen Impactfaktor. Nur wenige Wissenschaftler können Aufsätze in polnischer Sprache lesen. Alle anderen Sprachen als die Wissenschaftssprache Englisch sind ungünstig für den Impactfaktor. Eine forschungsorientierte Zeitschrift hat vorwiegend Leser, die selbst publizieren. Das hebt den Impactfaktor. Viele Forscher suchen ihre Fachliteratur sehr gezielt mit den Literaturdokumentationssystemen, z.B. mit Medline. Findet ein Forscher einen für ihn wichtigen Aufsatz, so wird er ihn wohl in seiner nächsten eigenen Publikation zitieren. Aufsätze, die von den Literaturdokumentationssystemen nicht erfasst werden, werden oft übersehen und können dann auch nicht zitiert werden. Aufsätze einer Zeitschrift, die nicht vom SCI erfasst und ausgewertet wird, können natürlich auch zitiert werden. Nur lässt sich für Zeitschriften, die vom SCI nicht erfasst werden, der Impactfaktor gar nicht bestimmen. Eine Zeitschrift, die ein sehr spezielles mathematisches Spezialgebiet pflegt, wird nur wenige Leser haben. Allerdings, diese Leser werden wohl auch selbst publizieren. Erfahrungsgemäß ist der Impactfaktor solcher Zeitschriften gering.

A2.5

Auch Zeitschriften, die nicht vom Science Citation Index (SCI) erfasst werden und Zeitschriften mit geringem Impactfaktor können durchaus einzelne wissenschaftlich hochwertige und wichtige Aufsätze enthalten. Gründe dafür sind: x Nicht alle Autoren sind scharf auf Impact-Punkte und bieten ein hervorragendes Manuskript ihrer „Hauszeitschrift“ an oder einer Zeitschrift, die sie fördern wollen. x Ein Aufsatz behandelt eine wichtige, aber örtlich begrenzte Fragestellung, z.B. ein Ausbildungswegweiser im Informationswesen in Deutschland oder z.B. ein Verzeichnis von Möglichkeiten der Speläotherapie in Baden-Württemberg (Speläotherapie = Heilung von Atemwegserkrankungen durch Aufenthalt in Höhlen und Bergwerksstollen) oder z.B. Rehabilitationsmaßnahmen im deutschen Sozialversicherungswesen. Derartige Aufsätze wenden sich nur an deutschsprachige Leser und sind deshalb in deutscher Sprache geschrieben. x Die Zeitschrift, in der der Aufsatz erscheint, wurde neu gegründet und deshalb vom SCI (noch) nicht erfasst. x Die Zeitschrift ist sehr speziell und hat nur wenige Leser.

A.2.6

Zunächst schauen Sie sich in den beiden Aufsätzen, die Sie haben, das Literaturverzeichnis an und beurteilen anhand der Sachtitel, welche Aufsätze Sie sich beschaffen und lesen. Dann schauen Sie im SCI nach, ob die beiden Aufsätze, die Sie

Antworten

Antworten zu den Fragen

Antworten

378

Antworten zu den Fragen haben, und weitere einschlägige Aufsätze, die Sie vielleicht gefunden haben, zitiert werden und wenn ja, prüfen Sie, ob diese aktuelleren Aufsätze für Sie interessant sind. Weiter schauen Sie nach, welche Schlagwörter den beiden und eventuell weiteren einschlägigen Aufsätzen zugeordnet wurden, wählen die für Sie relevanten aus und fragen damit ein Literaturdokumentationssystem ab. Schließlich können Sie auch in eine Literaturdokumentationsstelle gehen und Ihre (verbale) Suchfrage vortragen.

A4.1

a)

x x x x

Die gesamte Informationsmenge muss in genau abgegrenzte Elemente gegliedert sein, lineare Anordnung dieser Elemente, definierte Reihenfolge der Elemente, d.h. die Elemente müssen (irgendwie) sortiert sein, definierter Anfang und definiertes Ende.

b) Eine sorgfältige Aufzeichnung eines Studenten aus der Vorlesung kann als File betrachtet werden. Die Elemente dieses Files sind die einzelnen Themen oder die einzelnen Seiten des Mitschriebs. Die lineare Anordnung und die Reihenfolge ergibt sich aus der zeitlichen Abfolge der Vorlesung. Ein Vorlesungsskriptum hat einen Anfang und ein Ende. A4.2

Die Anzahl der Elemente muss bei jedem File, also auch bei einem DeskriptorenFile, endlich sein. Es mag von Vorteil sein, wenn jeder Deskriptor eines Deskriptoren-Files (also jedes Element) eine Adresse hat, jedoch ist dies z.B. für eine indexsequenzielle Speicherorganisation nicht zwingend notwendig. Die Elemente eines Deskriptoren-Files können, müssen aber nicht alphabetisch sortiert sein. Meist werden die Elemente nach der Notation sortiert sein – falls eine Notation vorhanden ist. Viele Ordnungssysteme haben jedoch gar keine Notation. Die Sortierung des Deskriptoren-Files nach der Notation ist also keinesfalls zwingend notwendig. Die Realisierung eines Deskriptoren-Files in einem random-access-Speicher hat entscheidende Vorteile, da ein direkter Zugriff zwar nicht prinzipiell aber doch praktisch notwendig ist.

A4.3

a)

Der Dokumentenspeicher muss vor allen Dingen eine große Speicherkapazität haben, einen direkten (nicht nur einen sequenziellen) Zugriff ermöglichen und erweiterbar sein. Beispiele für Dokumentenspeicher sind Regale, Archive, Mikrofichekarteien, falls die Dokumente maschinenlesbar sind, auch EDV-Anlagen und CD-ROMs.

b) Ein Deskriptorenspeicher benötigt einen schnellen, bequemen und vielseitigen Zugriff und eine viel kleinere Speicherkapazität als ein Dokumentenspeicher. Bei gebundenem Indexieren muss er nur geringfügig erweiterbar sein. Deskriptorenspeicher sind heute praktisch immer Datenbanken, früher wurden auch teien und Handlochkarten verwendet. A4.4

a)

Eine Signatur ist eine kurze, eindeutige Identifikation einer Dokumentationseinheit.

Antworten zu den Fragen

379

c)

Eine Signatur muss kurz, eindeutig und sortierfähig sein. Sie soll sich gut merken lassen und auch für maschinelle Bearbeitung (internationaler Zeichenvorrat) geeignet sein.

A5.1

Der Übergang von der Spezialbibliothek zur Literaturdokumentation ist fließend. Die Bibliotheken legen ihren Schwerpunkt auf das Sammeln, Besitzen, formale Erfassen und Ausleihen. Die typische Aufgabe der Bibliothek ist das Beschaffen und Bereitstellen von Literatur, wenn Autor, Sachtitel usw. bekannt sind. Demgegenüber legen die Dokumentationsstellen ihren Schwerpunkt auf das inhaltliche Erschließen, bearbeiten auch bibliografisch unselbstständige Teile und weisen Literatur nach. Die typische Aufgabe einer Literaturdokumentationsstelle ist es, Verfasser, Sachtitel usw. von Schriftstücken herauszufinden, die für eine gegebene Sachfrage relevant sind.

A5.2

a)

Bisher behandelte Möglichkeiten zur inhaltlichen Erschließung sind: x

Angabe des Sachtitels, des Untertitels oder ggf. eines von der Dokumentationsstelle erstellten Untertitels.

x

Freies oder gebundenes Indexieren von Deskriptoren (eines Deskriptors). Anstelle der indexierten Deskriptoren kann auch nur deren Notation angegeben werden.

b) x

Zu Sachtitel: Gebundene Sprache und damit unmittelbar verständlich; manche Titel sind nicht aussagekräftig, kein kontrolliertes Vokabular.

x

Zu freiem Indexieren: Kurze Kennzeichnung des Inhalts, gut abfragbar, kein Ordnungssystem erforderlich; kein kontrolliertes Vokabular.

x

Zu gebundenem Indexieren: Kurze Kennzeichnung des Inhalts, gut abfragbar, Ordnungssystem erforderlich, dadurch eine höhere Güte der Dokumentation.

A5.3

Zum gebundenen Indexieren ist ein Ordnungssystem erforderlich. Der Indexierer muss mit dem Ordnungssystem vertraut sein und es bei jeder Dokumentationseinheit benützen.

A5.4

Jeder Verlag und jeder Selbstverleger muss von jedem bei ihm erschienenen Buch ein Pflichtexemplar kostenlos an die Staatsbibliothek seines Landes abgeben. In Deutschland geht ein Pflichtexemplar an die Landes- oder Staatsbibliothek des Bundeslandes und ein zweites Pflichtexemplar an „Die Deutsche Bibliothek“. Aus dem Erscheinungsort kann man somit sehen, welche Bibliothek ein Pflichtexemplar hat und kennt somit mindestens eine Bibliothek, die das Buch besitzt.

Antworten

b) Sie kennzeichnet eine Dokumentationseinheit und vertritt diese im Deskriptorenspeicher. Gleichzeitig kennzeichnet sie eine Stelle im Dokumentenfile und ermöglicht so einen bequemen und schnellen Zugriff auf die Dokumentationseinheiten.

380

A6.1

Antworten zu den Fragen

a)

Beispiele für Vollsynonyme sind:

Antworten

Elle (äußerer Unterarmknochen)  Ulna, (die) See  Meer, Geige  Violine, Rundfunk  Radio. b) Beispiele für Teil- und Quasisynonyme sind: Gelbsucht  infektiöse Hepatitis, Tänzerin  Ballerina, bilden  ausbilden  trainieren, Herr  Meister  Lehrer.

A6.2

c)

Beispiele für Homonyme sind: Bank (Sitzgelegenheit)  Bank (Geldinstitut), Hesse (Hermann Hesse, deutscher Dichter)  Hesse (Bewohner des Bundeslandes Hessen), Schanze (Absprunggelegenheit, Sprungschanze)  Schanze (Befestigungsund Verteidigungsanlage).

a)

Lösungsmöglichkeiten für das Problem der Vollsynonyme sind: x x x x x

Unter allen Synonymen recherchieren, allgemeine Indexierungsregeln festlegen und anwenden, gebunden indexieren, Festlegen von Vorzugsbenennungen, Synonymbrücken in das Ordnungssystem oder in den Deskriptorenspeicher einbauen.

b) Lösungsmöglichkeiten für das Problem der Teil- und Quasisynonyme sind: x x x c)

Unter allen Teil- und Quasisynonymen recherchieren, Bilden von Äquivalenzklassen, systematisches Anordnen der Deskriptoren.

Lösungsmöglichkeiten für das Problem der Homonyme sind: x x x

Wörter in einen Kontext oder in eine systematische Anordnung stellen, Homonyme durch Zusätze eindeutig machen, die hierarchischen Strukturen zwischen den Begriffen angeben.

A6.3

In einem komfortablen Ordnungssystem kommen viele Benennungen vor, die nicht als Deskriptoren zugelassen sind. Sie dienen zum einen dazu, den Gebrauch des Ordnungssystems zu erleichtern, indem sie auf zugelassene Deskriptoren hinführen, zum anderen um die Deskriptoren zu beschreiben und abzugrenzen.

A6.4

Weder für das Indexieren noch für das Recherchieren ist eine Notation zwingend notwendig, da Deskriptorenspeicher (Datenbanken) auch mit Vorzugsbenennungen arbeiten können. Unbehandelt bleibt hier die Frage, wann es vorteilhaft ist, eine Notation einzuführen.

381

A6.5

Die Bezeichnung „Deskriptor“ bringt zum Ausdruck, dass der Begriff zur Beschreibung des Inhalts einer Dokumentationseinheit oder einer Suchfrage dient. Die Bezeichnung Vorzugsbenennung bringt dagegen zum Ausdruck, dass dieses Wort aus mehreren Voll-, Teil- oder Quasisynonymen ausgewählt wurde und zum Indexieren und Recherchieren verwendet wird. Eine Vorzugsbenennung vertritt alle Begriffe und Sachverhalte, die in einer Äquivalenzklasse zusammengefasst worden sind.

A6.6

a)

Homonyme sind x Bank in der Bedeutung Sitzbank, Geldinstitut x Bruch in der Bedeutung Fraktur (Knochenbruch), Leistenhernie (Leistenbruch), rationale Zahl in der Mathematik x Stuhl in der Bedeutung Möbelstück, Kot

b) Synonyme sind x Appendizitis = Blinddarmentzündung x Harn = Urin x Auto = Pkw Teilsynonyme sind x Bruch und Fraktur x Bruch und Leistenhernie A6.7

Möchte man Benennungen vermeiden (z.B. um sprachunabhängig zu sein), so müssen die Begriffe durch Piktogramme oder Schemazeichnungen (ohne Beschriftung!) dargestellt werden. Für ein größeres Sachgebiet und für eine detaillierte Erschließung ist dies praktisch unmöglich.

A6.8 Benennung 1

Begriff

2 Vollsynonyme: Benennung 2

Begriff 1 1 Homonym:

Benennung Begriff 2

Begriff 1 2 Homonyme:

Benennung 1

Begriff 2

Begriff 3 Benennung 2 Begriff 4

Antworten

Antworten zu den Fragen

Antworten

382

Antworten zu den Fragen

A7.1

Die Grundidee einer Klassifikation ist, dass gleiche oder zusammengehörige Dinge an einer dafür bestimmten Stelle im Ordnungssystem bzw. im Deskriptorenspeicher gemeinsam abgelegt werden.

A7.2

Bei den meisten Klassifikationen sind die Klassen eine (linear angeordnete) Liste, ein File. Die im Thema 10 behandelte Internationale Klassifikation der Krankheiten ICD-10-GM 2005 ist als Liste gedruckt, jede Klasse entspricht einer Notation. Da in diesem Ordnungssystem die Liste wegen der extrem großen Anzahl von Klassen sehr lang ist, wird die Liste in Seiten umgebrochen und liegt als Buchband vor. Die lineare Anordnung bleibt jedoch logisch erhalten.

A7.3

Jede Klasse einer Klassifikation hat zugleich auch die Funktion einer Äquivalenzklasse. Ein Klassifikationssystem teilt nicht nur ein Fachgebiet in einzelne Klassen ein, es fasst gleichzeitig mehr oder weniger eng verwandte Begriffe zu einer Äquivalenzklasse zusammen. Das Bilden von Äquivalenzklassen ist notwendig, um die Gesamtzahl der Klassen einer Klassifikation in Grenzen zu halten.

A7.4

a)

Unter Überlagern versteht man, dass eine Dokumentationseinheit in mehreren Klassen abgelegt werden darf, d.h. dass sie auf mehrere Klassen zutrifft bzw. dass mehr als ein Deskriptor zum Indexieren dieser Dokumentationseinheit verwendet wird.

b) Arbeitet die Dokumentationsstelle mit einem Dokumentenfile, so macht es kaum zusätzliche Mühe und keine zusätzlichen Kosten, von zwei Stellen (Klassen) des Deskriptorenspeichers auf die gleiche Signatur, also auf die gleiche Stelle im Dokumentenfile, zu verweisen. Arbeitet eine Dokumentationsstelle dagegen ohne Dokumentenfile, legt sie also die Dokumentationseinheiten direkt im Deskriptorenspeicher ab, so muss bei einer Überlagerung entweder die gesamte Dokumentationseinheit dupliziert und mehrfach abgelegt werden, oder es muss einmal die Dokumentationseinheit selbst und einmal (bei mehrfacher Überlagerung mehrmals) ein Stellvertreter abgelegt werden. Dabei ist die für das Überlagern erforderliche Mehrarbeit erheblich. A7.5

a)

Die Einführung einer Signatur ist zwingend notwendig, da sonst die Krankenakten nach Diagnosen abgestellt werden müssten. Dies brächte erhebliche organisatorische Schwierigkeiten mit sich. Zum anderen müssten die Krankenakten der Patienten, die mehr als eine Diagnose haben (und das ist die überwiegende Anzahl) als Kopien oder mit Stellvertretern mehrfach abgestellt werden.

b) Eine Notation muss nicht zwingend eingeführt werden. Es kann auch im Deskriptorenspeicher mit den Vorzugsbenennungen gearbeitet werden. A7.6

Unbesetzte Klassen leisten keinen Beitrag zur Indexierungsgenauigkeit. Den höchsten Beitrag zur Indexierungsgenauigkeit leisten die durchschnittlich besetzten Klassen. Schwach oder sehr stark besetzte Klassen leisten nur einen geringen Beitrag zur Indexierungsgenauigkeit.

Antworten zu den Fragen

In der Dokumentation ist ein Schlüssel ein Klassifikationssystem mit Notation, meist ist die Notation numerisch. Ein solches Ordnungssystem setzt gewissermaßen einen Sachverhalt in eine Zahl (Notation) um. Das Indexieren mit einem solchen Ordnungssystem heißt Verschlüsseln. In einer etwas allgemeineren Bedeutung ist ein Schlüssel eine Codiervorschrift und verschlüsseln ist gleichbedeutend wie codieren.

A8.1

Durch die Angabe der über-, gleich- und untergeordneten Begriffe wird der Sachzusammenhang klarer und der einer Benennung zugrunde liegende Begriff beschrieben und abgegrenzt. Somit werden auch Homonyme eindeutig. Folglich trägt sowohl die Darstellung monohierarchischer als auch die Darstellung polyhierarchischer Beziehungen erheblich zur terminologischen Kontrolle bei.

A8.2

Vorteile der Monohierarchie gegenüber Polyhierarchie: x einfach in Aufbau und Darstellung, x entspricht dem natürlichen Empfinden vieler Personen. Vorteil der Polyhierarchie gegenüber Monohierarchie: x häufig der bearbeiteten Thematik adäquater und sachgerechter. Hierarchische Strukturen sollten monohierarchisch dargestellt werden, soweit es sich mit der tatsächlichen hierarchischen Struktur vereinbaren lässt und wenn besonderer Wert auf leichte Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit des Ordnungssystems gelegt werden muss. Polyhierarchische Darstellungen sollten dort verwendet werden, wo der Sachverhalt dies erfordert und die Handhabung und Benutzung des Ordnungssystems es zulässt.

A8.3

Polyhierarchische Beziehungen können bei 500 Deskriptoren durch Verweise dargestellt werden. Bei einem Beziehungsdisplay müssten die Deskriptoren erst in Gruppen mit je etwa 25 bis 40 Deskriptoren eingeteilt werden, damit dann für jede Gruppe ein Beziehungsdisplay erstellt werden könnte. Die Wurzeldarstellung eignet sich für polyhierarchische Strukturen  wenn überhaupt  nur bei extrem kleinen Deskriptorenzahlen.

A8.4

Die Vorteile der Darstellung hierarchischer Strukturen durch Verweise sind: x leicht zu drucken, x für große Deskriptorenmengen geeignet, x es sind auch polyhierarchische Beziehungen darstellbar, x sie können bequem in Listen eingearbeitet werden. Die Vorteile der Wurzeldarstellung sind: x sehr übersichtlich, x es werden auch die Begriffsketten und die hierarchischen Niveaus gut sichtbar, x durch ihre Übersichtlichkeit ist sie besonders benutzerfreundlich. Als Entscheidungshilfe ist anzugeben, dass für große Deskriptorenmengen oder bei polyhierarchischen Strukturen eine Wurzeldarstellung nicht möglich ist. Bei kleinen Deskriptorenmengen und lediglich monohierarchischen Strukturen ist eine Wurzelgrafik den Verweisen vorzuziehen.

Antworten

A7.7

383

384

Antworten

A8.5

Antworten zu den Fragen

a)

Zur terminologischen Kontrolle tragen folgende Verweispaare bei: siehe – enthält siehe auch – siehe auch OB: – UB: GB: – GB: auch andere Verweise tragen zur terminologischen Kontrolle bei, z.B. ist Gegenteil von – ist Gegenteil von

b) Alle Verweistypen tragen zur terminologischen Kontrolle bei.

A8.6

c)

Das Verweispaar siehe – enthält ist für die terminologische Kontrolle am wichtigsten, weil damit Nicht-Vorzugsbenennungen und Deskriptoren unterschieden werden.

a)

„Tests für qualitative Merkmale“ und „Deskription qualitativer Merkmale“ sind nicht gleichgeordnet, da sie nicht den gleichen direkten Oberbegriff haben. Sie sind jedoch auf gleichem hierarchischem Niveau.

b) Das gezeigte Ordnungssystem hat keine Polyhierarchie, weil kein Deskriptor mehr als einen Oberbegriff hat.

A8.7

c)

Tests für quantitative Merkmale › verteilungsfreie Tests › Tests für normalverteilte Daten. Der hierarchisch höher liegende Deskriptor „statistische Tests“ wird üblicherweise in die hierarchische Recherche nicht eingeschlossen, weil sonst zu viele allgemeine Dokumente selektiert werden. Voraussetzung für jegliche hierarchische Recherche ist die konsequente Anwendung der allgemeinen Indexierungsregel.

a)

In einem Beziehungsdisplay kann die Beziehung zwischen zwei Begriffen auf folgende drei Arten variiert werden: x Die Position der Wörter im Display, z.B. in der Mitte, am Rand oben, am Rand rechts usw. x Zwei (oder mehrere) Wörter können nahe beieinander oder weiter voneinander entfernt stehen. x Der Strich zwischen den Wörtern kann eine unterschiedliche Strichstärke haben oder ganz entfallen, x der Strich zwischen den Wörtern kann ohne Pfeil sein, mit einfachem Pfeil oder Pfeilspitze auf beiden Seiten.

b) In einem Beziehungsdisplay können selbstverständlich auch monohierarchische Beziehungen dargestellt werden (s. Abb. 8.5). Es ist üblich, den Pfeil auf den untergeordneten Begriff zu richten. c)

In einem Beziehungsdisplay können auch polyhierarchische Beziehungen dargestellt werden. Polyhierarchie ist gegeben, wenn zwei oder mehrere Pfeile auf den gleichen (untergeordneten) Begriff zeigen.

Antworten zu den Fragen

385

A8.8

a)

Das dargestellte Mini-Ordnungssystem hat eine partitive Hierarchie, weil die dort angegebenen Begriffe Teile des Fahrrads sind. Die Struktur ist monohierarchisch, keiner der Begriffe hat mehr als einen Oberbegriff.

b) Die dargestellte Hierarchie hat 3 Begriffsketten mit 4 Gliedern. Eine davon ist die Begriffskette Fahrrad – Antrieb – Tretlager – Welle. c)

Folgende Begriffe sind jeweils gleichgeordnet: x Vorderrad, Lenkung, Hinterrad, Antrieb, Beleuchtung, Bremsen, Sonstiges x Lenkstange, Gabel, Gabellager x Pedale, Kurbeln, Tretlager, Kettenrad vorn, Kette x Lager, Welle, Fixierung

d) Die Darstellung der Hierarchie trägt sehr wohl zur Definition der Begriffe bei. Beispiel: Am Fahrrad gibt es viele Lager. Bei dem Deskriptor „Lager“ mit dem Oberbegriff Tretlager ist aber klar, welches Lager gemeint ist. Beispiel: Bei „Welle“ schließt der Oberbegriff Tretlager die Bedeutung von Wasserwelle, Haarwelle, Radiowelle usw. aus.

A8.9

a)

Die Ausdehnung einer Recherche auf hierarchisch unter- und übergeordnete Deskriptoren heißt hierarchische Recherche oder generische Recherche.

b) Eine hierarchische Recherche setzt die konsequente Anwendung der hierarchischen Indexierungsregel voraus. Diese besagt, dass von allen zutreffenden Deskriptoren einer Begriffskette nur ein Deskriptor indexiert wird und zwar der speziellste Deskriptor, der jedoch noch den gesamten zu indexierenden Sachverhalt abdeckt. c)

Für eine Recherche mit hoher Vollzähligkeit wird nicht nur der Hauptdeskriptor abgefragt, sondern auch alle dem Hauptdeskriptor hierarchisch untergeordneten Deskriptoren. Zusätzlich kann auch noch der hierarchisch unmittelbar übergeordnete Deskriptor abgefragt werden. Die Abfrage der dem Hauptdeskriptor gleichgeordneten Begriffe verschlechtert die Relevanz so stark und verbessert die Vollzähligkeit meist so gering, dass darauf verzichtet wird.

d) Bei einer Recherche mit hoher Relevanz wird nur ein einziger Deskriptor abgefragt. Da der Benutzer nur oberflächlich interessiert ist, wird dies ein verhältnismäßig allgemeiner, d.h. hierarchisch hoch liegender Deskriptor sein.

A8.10

Die beschriebene Regel ist die hierarchische Indexierungsregel. Sie bewirkt, dass man beim Recherchieren zwischen allgemeinen Lehrbüchern und sehr speziellen Aufsätzen unterscheiden kann. Beim Abfragen hierarchisch hoch liegender Deskriptoren werden nur allgemeine Werke (z.B. Lehrbücher), beim Abfragen hierarchisch tief liegender Deskriptoren nur sehr spezielle Aufsätze selektiert.

Antworten

d) Ein einzelnes Display kann zwischen 10 und 100 Deskriptoren aufnehmen. Bis zu 1 000 Deskriptoren können auf verschiedene Displays verteilt werden. Diese Angaben stellen nur Größenordnungen dar.

Antworten

386

Antworten zu den Fragen

A8.11

Bisher haben wir folgende Maßnahmen zur terminologischen Kontrolle behandelt: x allgemeine Benennungsregeln x gebundenes Indexieren x Darstellung der hierarchischen Beziehungen, systematisches Anordnen und Beziehungsdisplays x Ein- und Ausschlussvermerke und Zusätze zum Eindeutigmachen von Homonymen x Bilden von Äquivalenzklassen und Festlegen von Vorzugsbenennungen x Verbale Beschreibung, Erläuterung und Abgrenzung der Begriffe

A8.12

Fahrzeuge – Landfahrzeuge – – Schienenfahrzeuge – – Straßenfahrzeuge – – – Busse – – – – Kleinbusse – – – – Linienbusse – – – – Reisebusse – – – Fahrräder – – – Motorräder – – – Pkw – – – Zugmaschinen

– – – – – – – –

Luftfahrzeuge – Hubschrauber – Motorflugzeuge – Segelflugzeuge – – Hängegleiter – – Lastensegler – – Sportsegelflugzeuge Wasserfahrzeuge

A8.13 Pkw

Omnibus Kombi Lkw

selbstfahrende Arbeitsmaschine

Kfz

Lastzug

Anhänger

Straßenzugmaschine

Traktor

Fahrrad

Pferdewagen

Antworten zu den Fragen a)

Eine Wurzeldarstellung ist gegenüber einem Beziehungsdisplay x für Monohierarchie besser geeignet, x logisch leichter zu erstellen und x dem Benutzer besser vertraut und damit auch benutzerfreundlicher.

b) Umgekehrt gilt für ein Beziehungsdisplay gegenüber einer Wurzeldarstellung: x auch polyhierarchische Beziehungen können dargestellt werden, x auch nicht hierarchische wie z.B. assoziative Beziehungen, Gegensatz-Beziehungen können dargestellt werden. x Ein Beziehungsdisplay ist vielseitiger und damit oft der gegebenen Struktur adäquater. x Es können verschiedene Stärken der Beziehungen dargestellt werden. A9.1

A9.2

alphabetische Sortierung

systematische Anordnung

x

nach Benennung geordnet

x

x

kein Beitrag zur Lösung des Prob- x lems der Synonyme

Synonyme, Quasisynonyme und verwandte Begriffe stehen beieinander

x

Ein Homonyme tritt nur einmal auf

x

Ein Homonym erscheint an verschiedenen Stellen der Systematik

x

maschinell erstellbar, Sortier-Programm für ist für alle Sachgebiete geeignet (schnell und billig)

x

muss jedes Mal neu und intellektuell erstellt werden (zeitaufwendig und teuer)

x

abgesehen von Varianten in der Sortierfolge eindeutige Reihenfolge

x

Erstellung schwierig, insbesondere bei vielen Deskriptoren, Systematik auch zwischen Fachleuten umstritten oder für manche Sachgebiete überhaupt nicht erkennbar. Erläuterungen notwendig

x

veraltet nicht

x

muss gepflegt und dem Fortschritt der Wissenschaft angepasst werden

x

Verweise auf sachlich verwandte Begriffe müssen extra eingearbeitet werden. Dadurch kann die Liste erheblich länger werden

x

bietet Überblick über ein Sachgebiet, gibt Hinweise auf sachlich benachbarte Begriffe, Kontrolle auf Vollständigkeit durch indirektes Erkennen sachlicher Lücken

x

auch von Laien benutzbar (idiotensicher)

x

der Gebrauch setzt Fachkenntnisse und Einarbeitung voraus

x

Anordnung der Umlaute, z.B. Reihenfolge a, ä, b oder ä = ae oder ä = a,

x

ob das Blank (Wortzwischenraum, Leertaste, Spatium) in der Sortierfolge vor oder nach den Sonderzeichen kommt,

x

ob die Ziffern in der Sortierfolge vor oder nach den Buchstaben kommen,

nach Begriffen geordnet

Antworten

A8.14

387

Antworten

388

Antworten zu den Fragen x

Einordnung der Sonderzeichen, z.B. „ ; ( ) , /

x

ob Groß- und Kleinbuchstaben den gleichen Sortierwert haben oder ob A, B, C, ..., Z, a, b, c, ..., z sortiert wird.

A9.3

In einer systematischen Anordnung stehen sachlich eng verwandte Deskriptoren nahe beieinander. Werden quasi- oder teilsynonyme Benennungen als getrennte Deskriptoren behandelt, so kann dies bei der Benutzung des Ordnungssystems sofort erkannt werden, da die entsprechenden Deskriptoren nahe beieinander stehen. Werden quasi- oder teilsynonyme Benennungen zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst, so kann das mittelbar erkannt werden, indem dafür in der systematischen Anordnung nur ein Deskriptor, nur eine Klasse ausgewiesen wird.

A9.4

Das Darstellen hierarchischer Strukturen dient der terminologischen Kontrolle und macht bei den meisten Homonymen weitere Erläuterungen zur Bedeutung des Homonyms entbehrlich. Durch hierarchische Verweise können auch polyhierarchische Strukturen dargestellt werden. Die hierarchische Struktur lässt nicht direkt erkennen, welche Benennungen zu einer Äquivalenzklasse zusammengefasst sind; lediglich die gleichgeordneten Begriffe lassen in gewissem Umfang Rückschlüsse auf die thematische Breite der Äquivalenzklassen zu. Ob hierarchisch indexiert wird, hängt nicht nur vom Ordnungssystem, sondern auch noch vom Deskriptorenspeicher und letztlich von der Entscheidung der Dokumentationsstelle ab. Auch das Vorhandensein von Deskriptoren mit dem Zusatz allgemein (z.B. Chirurgie allgemein) gibt keine sichere Aussage darüber, ob hierarchisch indexiert wird. Werden hierarchische Strukturen durch Verweise dargestellt, so kann man nicht unmittelbar erkennen, welche Begriffe ein Niveau und welche Begriffe eine Begriffskette bilden. Man muss dazu mehrfach den angegebenen Verweisen nachgehen und dabei den durch die Verweise aufgezeigten Weg zusätzlich darstellen.

A10.1

Abbildung 10.1 entstammt dem systematischen Verzeichnis der ICD-10-GM 2005. Im alphabetischen Verzeichnis gibt es keine Kapitel, keine Hinweise und keine Ausschlussvermerke (siehe Abb. 10.4).

A10.2

Ein Einschlussvermerk gibt an, dass eine weitere Benennung oder ein weiterer Sachverhalt zur gleichen Äquivalenzklasse gehört. Beispiele: x

Bleistifte

einschließlich Kopierstifte

x

Personenkraftwagen

einschließlich Kombinationskraftwagen, Straßensportwagen

x

Einfamilienhaus

einschließlich Einfamilienhaus mit einer Einliegerwohnung.

Ein Ausschlussvermerk gibt an, dass eine teilsynonyme Benennung oder ein ähnlicher Sachverhalt nicht in die hier behandelte, sondern in eine andere (Äquivalenz-) Klasse gehört. Meist wird dann auch gleich die andere Klasse oder deren Notation angegeben.

Antworten zu den Fragen

389

x

Einzelhandelsgeschäfte ausschließlich Gaststätten, Versandhandelsgeschäfte

x

Glühlampen

ausschließlich Energiesparlampen, Leuchtstofflampen, Neonlampen

x

Porzellanwaren

ausschließlich Tonwaren.

Bei einem Deskriptor können sowohl Einschluss- als auch Ausschlussvermerke stehen. Beispiel: x

Krankenhäuser

einschließlich Heilanstalten ausschließlich Altenheime, Pflegeheime.

A10.3

Zuerst wird man im alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM 2005 zugreifen und die Notation entnehmen. Ist die Diagnose im alphabetischen Teil nicht enthalten, so müssen zunächst andere Hilfsmittel (klinische Wörterbücher, Rückfrage bei Fachärzten usw.) zu Rate gezogen werden, um andere Benennungen dieser Diagnose zu finden. Mit der im alphabetischen Teil aufgefundenen Notation geht man in das systematische Verzeichnis und prüft, ob die Dokumentationseinheit wirklich an diese Stelle der Systematik passt. Wichtig ist, dass nicht ausschließlich nach dem alphabetischen Teil eines Ordnungssystems indexiert wird, sondern anhand des systematischen Teils überprüft wird, ob der im alphabetischen Teil gefundene Deskriptor auch wirklich zutreffend ist. Allerdings gibt es auch Ordnungssysteme (die ICD-10 gehört nicht dazu), bei denen der alphabetische Teil der Hauptteil des Ordnungssystems ist und so komfortabel ausgebaut ist, dass ausschließlich nach dem alphabetischen Teil indexiert wird.

A10.4

Vorzüge der ICD-10-GM 2005 aus ordnungstheoretischer Sicht sind: x

Das Ordnungssystem umfasst einen systematischen und einen alphabetischen Teil.

x

Die Notation ist im Verhältnis zu den vielen Klassen kurz und durch die Buchstaben-Ziffern-Kombination und den Trennpunkt verhältnismäßig gut zu merken.

x

Das intensive Bemühen um eine Definition und Abgrenzung der Klassen (terminologische Kontrolle) durch die systematische Anordnung, die Aufzählung von Nicht-Vorzugsbenennungen, Einschlussvermerke, Ausschlussvermerke und Erläuterungen.

x

Die Notation hat Lücken für Ergänzungen

Antworten

Beispiele für Ausschlussvermerke:

Antworten

390

Antworten zu den Fragen

A10.5

Der OPS 2005 ist eine Klassifikation für medizinische Maßnahmen, insbesondere für Operationen und diagnostische Untersuchungen. Die Notation ist vier- bis sechsstellig zuzüglich zwei Trennzeichen. Die Klassifikation umfasst größenordnungsmäßig 10 000 Klassen, die monohierarchisch in bis zu vier Niveaus geordnet sind. Nicht-Vorzugsbenennungen sind in Einschlussvermerken und ergänzenden Bezeichnungen enthalten, außerdem gibt es Ausschlussvermerke und Hinweise. Es gibt ein systematisches und ein alphabetisches Verzeichnis.

A10.6

a)

Eine indikative Erschließung gibt an, wovon eine Dokumentationseinheit handelt, eine informative Erschließung gibt zusätzlich die wichtigsten Ergebnisse an. Bei der Erschließung von Krankenakten bedeutet indikativ, um welchen Fall, um welche Erkrankung, um welche Diagnose es sich bei einem Patienten handelt. Bei informativer Erschließung muss zusätzlich angegeben sein, wodurch die Krankheit entstanden ist, wie der Patient behandelt wurde, welche Komplikationen es gab und welcher Therapieerfolg erreicht werden konnte.

b) Die ICD-10-GM 2005 ist ein Diagnosenschlüssel. Sie enthält lediglich diagnostische Begriffe und keine Deskriptoren zur Therapie und zum Therapieerfolg. Eine klinische Dokumentation mit ICD-10 ist also eine indikative Erschließung der Krankenakten. Stellt man Suchfragen zum Behandlungserfolg, so kann das von einer Dokumentationsstelle, die mit ICD-10 arbeitet und kein zusätzliches Ordnungssystem für die Therapien benutzt, nicht ermittelt werden, sondern es müssen die Krankenakten (Dokumentationseinheiten) gesichtet werden. Durch die indikative Erschließung der Krankenakten sind jedoch nur die Krankenakten der Patienten mit der einschlägigen Diagnose zu sichten.

A10.7

Wichtige Gemeinsamkeiten von ICD-10-GM 2005 und OPS 2005 sind: x

Beide Ordnungssysteme beruhen auf dem Ordnungsprinzip Klassifikation.

x

Beide Ordnungssysteme wurden von der WHO in englischer Sprache erarbeitet und vom DIMDI ins Deutsche übersetzt und an deutsche Verhältnisse angepasst.

x

Die Notation beider Ordnungssysteme hat Lücken für Ergänzungen.

x

Die terminologische Kontrolle beruht in beiden Ordnungssystemen überwiegend auf der systematischen Anordnung der Deskriptoren.

x

Beide Ordnungssysteme haben als Hauptteil das systematische Verzeichnis und zusätzlich zum Einstieg ein alphabetisches Verzeichnis.

x

Beide Ordnungssysteme haben Ein- und Ausschlussvermerke.

x

Die Deskriptoren für die Seitenlokalisation (L = links, R = rechts, B = beidseitig) gelten für beide Ordnungssyssteme.

x

Beide Ordnungssysteme liegen sowohl gedruckt als auch maschinenlesbar vor.

Die wichtigsten Unterschiede der beiden Ordnungssysteme sind: x

Die ICD-10-GM 2005 ist ein Ordnungssystem für Diagnosen, der OPS 2005 ein Ordnungssystem für medizinische Maßnahmen.

391

x

Die ICD-10-GM 2005 hat eine vierstellige, der OPS 2005 eine fünf- bis sechsstellige Notation. Hinzu kommen bei der ICD-10-GM 2005 ein, beim OPS 2005 zwei Trennzeichen.

x

Die ICD-10-GM 2005 hat bis zu drei hierarchische Niveaus, der OPS 2005 bis zu vier hierarchische Niveaus. Hinzu kommen bei beiden Ordnungssystemen ein hierarchisches Niveau aus Zwischenüberschriften.

x

Die ICD-10 hat bei schwierigen und nicht gut abgegrenzten Begriffen (psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen) umfangreiche Erläuterungen.

A11.1

Zunächst müssen die Dokumentationseinheiten vorliegen, signiert und indexiert sein. Erforderlich ist also Signatur und Dokumentenspeicher. Lediglich wenn nur ein einziges Register angelegt und nicht oder kaum überlagert wird, kann man auf einen separaten Deskriptorenspeicher und auf eine Signatur verzichten und die Dokumentationseinheiten direkt im Register ablegen. Weiterhin muss festgelegt sein, wie viele Register existieren, welche Deskriptoren zu welchen Registern gehören, und für jedes Register muss festgelegt sein, welche Reihenfolge innerhalb des Registers gilt. Für jedes Register muss ein Deskriptorenspeicher existieren, der das Einfügen neuer Signaturen gestattet. Das Einspeichern in den Deskriptorenspeicher erfolgt, indem unter dem Deskriptor die zutreffende Signatur eingespeichert wird. Die Verwendung eines Ordnungssystems ist empfehlenswert, jedoch nicht zwingend notwendig.

A11.2

Die Grundidee einer Dokumentation mit Registern ist, dass Stellvertreter der Dokumentationseinheiten (die Signaturen) nach dem Inhalt der Dokumentationseinheiten geordnet werden. Sind mehrere Möglichkeiten des Ordnens gegeben und erwünscht, so entstehen mehrere Register. Bei der Recherche wird in einem der Register, die ja nach dem Inhalt der Dokumentationseinheiten geordnet sind, zugegriffen, und als Ergebnis des Zugriffs im Register erhält man die Signaturen der relevanten Dokumentationseinheiten. Mit den Signaturen kann dann gezielt im Dokumentenspeicher zugegriffen werden.

A11.3

a)

basic file, Basisfile, Grundfile, Dokumentenfile, Archiv, Magazin, Lager sind Synonyme oder Teilsynonyme,

b) inverted file, invertiertes File, Register, Index, Katalog sind Synonyme oder Teilsynonyme. A11.4

a)

Ein Schlagwortkatalog ist ein inverted file, da er nach Schlagwörtern (also inhaltlich) geordnet ist und auf das Dokumentenfile (das Magazin der Bibliothek) verwiesen wird.

b) Ein Archiv, in dem die Dokumentationseinheiten selbst abgelegt sind, ist stets ein Dokumentenfile. Dokumentationseinheiten sind hier die Krankenakten. Wäre es ein Register, auf welches Dokumentenfile würde das Register denn verweisen? c)

Dokumentenfile, Begründung wie b).

Antworten

Antworten zu den Fragen

392

Antworten zu den Fragen

Antworten

d) Dokumentenfile, Begründung wie b). e)

Die Liste ist ein Element aus einem invertierten File. Der Deskriptor lautet perinataler Todesfall im Jahre 2004. Durch weitere Diagnosen entsteht das vollständige Diagnosenregister. Das Dokumentenfile, auf welches das Register verweist, ist das Archiv der betreffenden Frauenklinik.

f)

Dokumentationseinheit ist hier das einzelne Kraftfahrzeug bzw. der Datensatz über ein Kraftfahrzeug. Das polizeiliche Kennzeichen entspricht weitgehend einer Signatur, da es praktisch keine Aussage über die Art und Type (den „Inhalt“) des Fahrzeugs macht. Somit ist ein Verzeichnis der Kraftfahrzeuge, geordnet nach polizeilichen Kennzeichen, ein Basisfile. Zu diesem Basisfile wäre etwa ein Register nach Hersteller und Type, ein Register nach Kaufpreis, ein Register nach Motorleistung, ein Namensregister der Fahrzeughalter usw. denkbar.

g) Das Inhaltsverzeichnis eines Lehrbuchs ist ein verkürztes, jedoch sonst getreues Abbild des Lehrbuchs. Die Kapitel sind im Inhaltsverzeichnis in der gleichen Reihenfolge aufgeführt wie im Buch selber. Das Inhaltsverzeichnis ist gegenüber dem eigentlichen Lehrbuch nicht invertiert und somit als Basisfile anzusehen. h) Ein Telefonbuch kann nicht als invertiertes File betrachtet werden, weil ein dazu gehöriges Basisfile fehlt. Lediglich wenn eine Datei geordnet nach Telefonnummern existiert, könnte das Telefonbuch als inverted file betrachtet werden. i)

Ein Versandhauskatalog ist eher ein Basisfile als ein invertiertes File. Die Artikelnummer hat zwar die Funktion einer Signatur, das Lager im Versandhaus dürfte jedoch nicht nach Artikelnummern geordnet sein. Vielmehr wird die Artikelnummer nur benutzt als Abkürzung und zur bequemeren und sichereren Bearbeitung. Allerdings wird im Computer des Versandhauses eine Datei geordnet nach Artikelnummern existieren, die als Basisfile betrachtet werden kann und dazu wäre dann der Katalog ein invertiertes File.

j)

Eine Datei, sortiert nach Hauptdiagnose, ist ein invertiertes File. Es wird vorausgesetzt, dass in der Datei auch die Patientenidentifikation gespeichert ist. Damit kann in dem invertierten File auf eine Diagnose zugegriffen werden und mit den so gewonnenen Patientenidentifikationen die Krankenakte im Archiv ausgeliehen werden.

k) Der alphabetische Autorenkatalog einer Bibliothek ist ein invertiertes File. Basisfile dazu ist der Standortkatalog oder das Magazin der Bibliothek.

A11.5

In einem Register (ohne Ergänzungen) erhält man als Ergebnis des Zugriffs lediglich eine Signatur. Im Schlagwortkatalog einer Bibliothek ist jedoch nicht nur die Signatur angegeben, sondern eine vollständige Titelaufnahme. Als Zwischenform ist denkbar, dass anstelle der Signatur ein Kurztitel gegeben wird.

393

A11.6

Ein Krankenaktenarchiv kann gut durch ein alphabetisch sortiertes Diagnosenregister erschlossen werden. Der Vorteil eines solchen Registers besteht darin, dass z.B. für wissenschaftliche oder statistische Zwecke unter der Diagnose auf die Krankenakten zugegriffen werden kann. Der Nachteil der alphabetischen Ordnung der Diagnosen im Klartext ist, dass  falls die Diagnosebezeichnungen nicht einem Ordnungssystem entnommen sind  keinerlei terminologische Kontrolle stattfindet.

A11.7

Bei der Ablage der Krankenakten nach einer laufenden Zugangsnummer kann bei der Wiederaufnahme eines Patienten auf seine Krankenakte nur zugegriffen werden, wenn die Zugangsnummer irgendwie noch bekannt ist. Existieren Register, so kann auf die Krankenakten nicht nur unter der Zugangsnummer, sondern auch mit anderen Informationen, z.B. mit dem Namen des Patienten (Namensregister) oder der Diagnose (Diagnosenregister), zugegriffen werden. Damit kann das Krankenaktenarchiv bei Wiederaufnahme eines früheren Patienten, für medizinisch-wissenschaftliche Aufgaben, Statistiken und für kaufmännische Zwecke besser genutzt werden. Vorgeschlagene Register: x Register der Patientennamen, alphabetisch sortiert, je Patient ein Datensatz. Krankenakten müssen 30 Jahre aufbewahrt werden. Die Datei umfasst abschließend ca. 220 000 Datensätze (200 Betten × 36 Belegungen je Jahr × 30 Jahre). x Diagnosenregister, numerisch sortiert nach Notation, je Notation und Behandlungsjahr einen Datensatz. Für jedes Behandlungsjahr eine separate Datei, damit Recherchen zeitlich beschränkt werden können. Basisfile und die beiden Register können in einem PC geführt werden. Anstatt getrennter Register empfiehlt sich ein Datenbanksystem. Zusätzliche Arbeitsgänge: x Erfassen der erforderlichen Information, z.B. Namen bei der Patientenaufnahme, Diagnosen bei der Entlassung, x Verschlüsseln der Diagnosen, x Erstellen der Datenbankstruktur und der Eingabe- und Abfragedialoge, x Datenerfassung. Zusätzlicher Personalaufwand: Bei 200 Betten und einer mittleren Verweildauer von 10 Tagen behandelt das Krankenhaus etwa 200 × 360 : 10 = 7 200 Patienten im Jahr oder 140 Patienten pro Woche. Setzt man für die zusätzliche Arbeit zur Diagnosenverschlüsselung und Datenerfassung grob überschlägig 6 Minuten je Patient an, so sind das je Woche 830 Min. = 14 Stunden Arbeitszeit, es ist also fast eine Halbtagskraft erforderlich. Die erforderlichen Sachmittel sind gegenüber den Personalkosten gering.

A11.8

Variante (a)

Variante (b) Variante (c) Variante (d)

Ist kein Register, da die Ablage die gleiche Reihenfolge wie das Archiv hat. Dagegen sind die Varianten (b), (c) und (d) gegenüber dem Basisfile, d.h. gegenüber dem Archiv invertiert und somit Register. Ist ein chronologisches Register, ein Register der Operateure, ein Lokalisationsregister.

Antworten

Antworten zu den Fragen

394

Antworten

A13.1

Antworten zu den Fragen

a)

Auch bei der Fassettenklassifikation ist eine Notation mit fester Länge möglich. Sie wird einfach dadurch erreicht, dass die Teilnotation jeder Fassette eine feste Länge hat und die Anzahl der Fassetten ohnehin konstant ist. Kann eine Fassette nicht zum Indexieren herangezogen werden, so muss ein Deskriptor „unzutreffend“ mit entsprechender Teilnotation verwendet werden.

b) Bei der Fassettenklassifikation ist eine Signatur zwingend notwendig, da die Dokumentationseinheiten nicht direkt in den Deskriptorenspeichern für jede Fassette abgelegt werden können (sonst würden ja so viele Exemplare von jeder Dokumentationseinheit benötigt wie Fassetten vorhanden sind). Demgegenüber können (müssen jedoch nicht) bei einer Einfachklassifikation die Dokumentationseinheiten direkt in den Fächern der Klassifikation abgelegt werden. c)

Für die Fassettenklassifikation ist ein Dokumentenfile zwingend erforderlich, für die Klassifikation nicht zwingend (Begründung wie bei b).

d) Hierarchische Strukturen zwischen den Deskriptoren sind sowohl bei der Einfachklassifikation als auch bei der Fassettenklassifikation innerhalb jeder Fassette möglich. Dagegen können, formal betrachtet, keine hierarchischen Beziehungen zwischen den Deskriptoren verschiedener Fassetten einer Fassettenklassifikation bestehen. e)

Hierarchische Strukturen können sowohl in der Notation einer Einfachklassifikation als auch in den einzelnen Teilnotationen der Fassettenklassifikation ausgedrückt werden.

f)

Das Problem der Synonyme kann sowohl in der Einfachklassifikation als auch in jeder Fassette einer Fassettenklassifikation durch systematische Anordnung gelöst werden.

g) Im Gegensatz zur Einfachklassifikation, bei der auch Karteien und einfache Listen als Deskriptorenspeicher verwendet werden können, ist für die Fassettenklassifikation ein Computer erforderlich. h) Bei gleicher Gesamtanzahl der Deskriptoren (z.B. Einfachklassifikation mit 500 Deskriptoren versus Fassettenklassifikation mit 500 Deskriptoren in allen Fassetten zusammen) kann die Fassettenklassifikation erheblich detaillierter erschließen. Dies beruht darauf, dass jede Dokumentationseinheit mit mehreren Deskriptoren beschrieben wird und die Anzahl der (sinnvollen) Kombinationen erheblich größer ist als die Gesamtanzahl der Deskriptoren.

A13.2

i)

Für einen ungeschulten Benutzer ist eine Einfachklassifikation leicht verständlich, während er sich in eine Fassettenklassifikation erst einarbeiten muss. Auch erfordert die konsequente Beachtung aller Fassetten eine gewisse Disziplin beim Indexieren und Recherchieren. Andererseits ist eine Fassettenklassifikation insofern übersichtlicher, als bei gleicher Indexierungsgenauigkeit weniger Deskriptoren insgesamt notwendig sind.

a)

Der Unterschied zwischen mehreren Einzelklassifikationen und einer Fassettenklassifikation besteht darin, dass bei der Fassettenklassifikation die einzelnen Teilnotationen verknüpft werden und die Suchfragen Deskriptoren aus verschiedenen Fassetten enthalten dürfen.

b) In beiden Dokumentationsstellen ist eine Signatur zwingend notwendig. Die Dokumentationsstelle A wird für ihre beiden Klassifikationen nur ein gemeinsames Dokumentenfile führen. Für eine Fassettenklassifikation ist ohnehin ein Dokumentenfile und damit eine Signatur erforderlich.

Antworten zu den Fragen

Die Dokumentationsstelle A benötigt eine Notation nicht zwingend, eben weil in der Klassifikation eine Notation entbehrlich sein kann. Dagegen ist bei einer Fassettenklassifikation eine Notation üblich. Allerdings kann auch in der Dokumentationsstelle B auf eine Notation verzichtet werden, man spricht dann von zugeordneten Registern.

d) Der Arbeitsaufwand ist in beiden Dokumentationsstellen gleich, es sei denn, die etwas aufwändigeren Programme für die Fassettenklassifikation würden einen höheren Pflegeaufwand erfordern als die Programme für die Einfachklassifikationen. e)

Die Dokumentationsstelle B kann detailliertere Suchfragen beantworten. Während die Dokumentationsstelle A nur nach einzelnen Deskriptoren abfragen kann, kann die Dokumentationsstelle B auch Suchfragen mit zwei š-verknüpften Deskriptoren, je einer aus jeder der beiden Fassetten, bearbeiten.

A13.3

Wird bei einer Dokumentation mit Registern (a) jede Dokumentationseinheit jedem Register genau ein Mal zugeordnet, sind (b) die Register systematisch geordnet und können (c) mehrere Register gleichzeitig abgefragt werden (verbundene Register), so ist dies dasselbe wie eine Fassettenklassifikation. In diesem Sinne ist eine Fassettenklassifikation ein Spezialfall einer Dokumentation mit Registern. Zwischen den beiden Varianten der Aufgabe gibt es keinen formalen Unterschied.

A13.4

Wird das Beispiel als eine Dokumentation mit Registern betrachtet, so handelt es sich um zugeordnete Register, weil das Retrievalprogramm mehrere Register gleichzeitig abfragen kann. Außerdem wird in allen Registern gebunden indexiert. Sind die Deskriptoren der einzelnen Register systematisch geordnet, so sind zugeordnete Register das Gleiche wie eine Fassettenklassifikation und die gestellte Frage ist hinfällig.

A14.1

Das TNM-Ordnungssystem für Tumoren ist eine Fassettenklassifikation mit drei Fassetten und zusammengenommen etwa einem Dutzend Deskriptoren je Krankheit. Obwohl die Kombinationsmöglichkeiten bei der Fassettenklassifikation an sich eher gering sind, bietet das TNM-System wegen seiner im Verhältnis zur Gesamtzahl an Deskriptoren großen Anzahl von Fassetten  einer Dokumentationseinheit werden ja drei von etwa zwölf Deskriptoren indexiert  einigermaßen gute Kombinationsmöglichkeiten und kommt der Begriffskombination schon recht nahe.

A14.2

Bei einem kombinatorischen Ordnungssystem gibt der Kombinationsfaktor an, um wie viel mal größer die Anzahl der indexierbaren Sachverhalte (oder die Anzahl der tatsächlich indexierten Sachverhalte) ist als die Gesamtzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem. Damit gibt der Kombinationsfaktor an, wie viel mal mehr Deskriptoren eine Klassifikation ohne Überlagerungen benötigen würde, um die gleiche Indexierungsgenauigkeit zu erreichen. Da die Indexierungsgenauigkeit mit der Anzahl der Deskriptoren wächst, gilt näherungsweise Indexierungsgenauigkeit = c × Anzahl der Deskriptoren im Ordnungssystem × Kombinationsfaktor wobei c eine Konstante ist, die in mancher Hinsicht den Wirkungsgrad des Ordnungssystems darstellt.

Antworten

c)

395

396 A14.3

Antworten zu den Fragen In der Geschichte der Dokumentation wurde auch versucht, Benennungen zu zerlegen und wieder zu kombinieren. Die Einfachwörter wurden als Uniterms bezeichnet. Beispiele: Vorzugsbenennung Deskriptoren (Uniterms)

Antworten

Eisenbahn Dampfmaschine Hirnhautentzündung Röntgendiagnostik

Eisen; Bahn; Dampf; Maschine; Hirn; Haut; Entzündung; Röntgen; Diagnostik;

Bei der Recherche wurden ebenfalls die zusammengesetzten Wörter zerlegt und diese Einfachwörter in der formalen Suchfrage š-verknüpft. Mit den zerlegten Komposita wurde kombinatorisch gearbeitet. Die Nachteile der Uniterms waren: x Die Uniterms unterscheiden nicht zwischen Ergänzungswort und Grundwort. Beispiel: Im Kompositum „Hundekette“ ist „Kette“ das Grundwort und „Hund“ das Ergänzungswort; im Kompositum „Kettenhund“ ist „Hund“ das Grundwort und „Kette“ das Ergänzungswort. Werden z.B. Dokumentationseinheiten zu „Baumstamm“ gesucht, so werden alle Dokumentationseinheiten, denen (unter anderem) die beiden Uniterms „Baum“ und „Stamm“ indexiert wurden, selektiert, also z.B. auch Dokumentationseinheiten zu „Stammbaum“, „Stammbaumforschung“ und „Familienstammbaum“. x Es können sehr leicht unerwünschte Kombinationen auftreten. Beispiel: Einer Dokumentationseinheit werden die Deskriptoren Drahtstifte und Messingschrauben indexiert, die in die Uniterms Draht, Messing, Schraube, Stift zerlegt werden. Bei der Abfrage z.B. nach Stiftschrauben wird diese Dokumentationseinheit, obwohl sie nicht relevant ist, ebenfalls selektiert, da das Suchwort in die Uniterms Stift und Schraube zerlegt wird. Auch bei der Abfrage nach z.B. Messingdraht würde die Dokumentationseinheit irrtümlich selektiert. x Die Größe des Kombinationsfaktors ist stark von der Sprache abhängig, da manche Sprachen viele zusammengesetzte Wörter verwenden, andere Sprachen nur wenige. A14.4

a)

Der entscheidende Vorteil kombinatorischer Ordnungssysteme ist, dass mit verhältnismäßig wenigen Deskriptoren im Ordnungssystem sehr viele verschiedene Sachverhalte beschrieben werden können. Somit kann eine gute Indexierungsgenauigkeit mit einem verhältnismäßig kleinen Ordnungssystem (d.h. mit einem Ordnungssystem, das wenige Deskriptoren enthält) erreicht werden. Eine sehr hohe Indexierungsgenauigkeit ist ohnehin nur mit kombinatorischen Ordnungssystemen möglich, da bei nicht-kombinatorischen Ordnungssystemen die Anzahl der Deskriptoren so groß würde, dass sie praktisch nicht mehr sinnvoll gehandhabt werden kann.

b) Die Vorteile der nicht-kombinatorischen Ordnungssysteme sind x einfach und leicht verständlich x Ist beim Indexieren ein geeigneter Deskriptor gefunden, so ist das Indexieren dieser Dokumentationseinheit abgeschlossen. Demgegenüber müssen bei kombinatorischen Ordnungssystemen im Prinzip alle Deskriptoren des Ordnungssystems geprüft werden, ob sie auf die zu indexierende Dokumentationseinheit zutreffen.

Antworten zu den Fragen

Früher war noch relevant, dass als Deskriptorenspeicher eine Kartei verwendet werden kann, weil eine Abfrage mit š verknüpften Deskriptoren nicht erforderlich ist.

A14.5

Bei gleicher Indexierungsgenauigkeit benötigt eine Fassettenklassifikation in allen Fassetten zusammen mehr Deskriptoren als eine Begriffskombination. Deshalb bietet die Fassettenklassifikation aus Sicht der Ordnungslehre wenig Vorteile, sie bleibt sozusagen auf halbem Weg zur Begriffskombination stehen und wird deshalb außerhalb der Datendokumentation selten verwendet.

A14.6

Sowohl in einem nicht-kombinatorischen als auch in einem kombinatorischen Ordnungssystem werden Äquivalenzklassen gebildet und mit Vorzugsbenennungen gekennzeichnet. Zwischen den durch die Äquivalenzklassen definierten und beschriebenen Begriffen können sehr wohl polyhierarchische Beziehungen bestehen und auch dargestellt werden. Dies ist unabhängig davon, ob zur Kennzeichnung des Inhalts einer Dokumentationseinheit in der Regel eine oder mehrere Äquivalenzklassen benützt werden. Allerdings sind in Klassifikationen die hierarchischen Strukturen meist viel stärker ausgeprägt als in kombinatorischen Ordnungssystemen, weil eine Klassifikation ihre Spezifität durch Unterteilung, ein kombinatorisches Ordnungssystem jedoch durch die Kombination der Deskriptoren erhält. Im Gegensatz zu den oft langen Begriffsketten in Klassifikationen ist die Hierarchie zwischen den mehr allgemeinen Begriffen einer Begriffskombination schwach ausgeprägt. Im Extremfall sind alle Begriffe eines Ordnungssystems für Begriffskombination gleichgeordnet.

A14.7

a)

Eine Fassettenklassifikation bietet durch getrennte Deskriptorenmengen vielleicht mehr Übersicht im Ordnungssystem. Dieser Vorteil kann jedoch in der Begriffskombination durch Zwischenüberschriften im Ordnungssystem überwunden werden. Bei Begriffskombination können innerhalb einer Kategorie auch mehrere Deskriptoren zugeteilt werden. Laut Aufgabentext ist dies in der Kategorie „Art der Ferien“ zwingend notwendig (Bsp.: Klubferien, Tennis). Bei einer Fassettenklassifikation wären bei vielen Dokumentationseinheiten mehrere Fassetten unzutreffend, das verlängert die Gesamtnotation unnötig. Zu empfehlen ist das Ordnungsprinzip Begriffskombination.

b) Hierarchische Beziehungen gibt es in der Kategorie „Orte und Regionen“ und eventuell noch bei der Kategorie „Art der Ferien“. Nur für diese beiden Kategorien kann die Darstellung der hierarchischen Beziehungen zwischen den Deskriptoren erwogen werden. Zu empfehlen ist eine partielle Hierarchie, d.h. klare hierarchische Beziehungen sollten dargestellt werden, jedoch ist eine durchgehende Hierarchie nicht möglich. c)

Bei 5000 Dokumentationseinheiten, einer Indexierungsgenauigkeit von 5–10 Dokumentationseinheiten je Sachverhalt und einem Kombinationsfaktor zwischen 5 und 10 wären, setzt man jeweils die Extremwerte der Annahmen ein, zwischen 50 und 200 Deskriptoren im Ordnungssystem notwendig. Vermutlich werden für das Ordnungssystem etwa 200 Deskriptoren notwendig sein.

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x

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A14.8

Die IC-10-GM 2005 und der OPS 2005 sind als reine Klassifikationen nicht-kombinatorische Ordnungssysteme.

A14.9

Bei der Fassettenklassifikation werden getrennte Klassifikationssysteme miteinander kombiniert und zusammengesetzt. Bei der Begriffskombination werden einzelne Deskriptoren, einzelne Begriffe miteinander kombiniert. Die Anzahl der Deskriptoren, die einer Dokumentationseinheit indexiert werden, ist bei der Fassettenklassifikation konstant, bei der Begriffskombination von Dokumentationseinheit zu Dokumentationseinheit verschieden. Die einer Dokumentationseinheit indexierten Deskriptoren kommen bei der Fassettenklassifikation aus verschiedenen „Töpfen“, nämlich aus jeder Teilklassifikation genau ein Deskriptor, bei der Begriffskombination aus einem gemeinsamen „Topf“. Insgesamt gesehen ist bei der Begriffskombination die Kombination intensiver, freiheitlicher, weniger reglementiert und damit wirkungsvoller als bei der Fassettenklassifikation.

A14.10 a)

Das Verschlüsseln der Hauptdiagnose ist keine fassettierte Erschließung, da nur ein Aspekt erfasst wird.

b) Die verschiedenen Diagnosen eines multimorbiden Patienten sind nur ein einziger Aspekt. Deshalb ist die Verschlüsselung aller Diagnosen, die ein Patient während einer stationären Behandlung hatte, keine fassettierte Erschließung. c)

Meist werden bei der Diagnosendokumentation neben den Diagnosen noch Alter, Geschlecht, Verweildauer des Patienten und noch einige andere eher formale Angaben erfasst. Dies ist eine Kombination aus inhaltlicher Erschließung und formaler Erfassung. Werden dabei quantitative Angaben wie Alter und Verweildauer in Klassen eingeteilt und die jeweilige Klasse wie ein inhaltlicher Deskriptor verarbeitet (Beispiele: Alter 40 ...