Personalführung in Medizinbetrieben: Medizinmanagement in Theorie und Praxis (German Edition) 3834904317, 9783834904317

Medizinmanagement befasst sich mit der Anwendung der Managementlehre in der institutionalisierten Medizin. Dieses Buch s

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Personalführung in Medizinbetrieben: Medizinmanagement in Theorie und Praxis (German Edition)
 3834904317, 9783834904317

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Hans-Jürgen Seelos Personalführung in Medizinbetrieben

Hans-Jürgen Seelos

Personalführung in Medizinbetrieben Medizinmanagement in Theorie und Praxis

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Prof. Dr. Dr. Hans-Jürgen Seelos ist Alleingeschäftsführer von mehreren Fachkrankenhäusern, Pflegeheimen, verbundenen Tageskliniken und Leiter des Instituts für Medizinmanagement (ifm). Er lehrt an den Universitäten Konstanz (Medizinmanagement) und Düsseldorf (Medizinische Informatik), an der European Business School (Gesundheitsökonomie) und an der FHS St. Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Integrales Spitalmanagement). Außerdem berät er Institutionen im Gesundheitswesen. E-mail: [email protected]

1. Auflage Oktober 1991 2. Auflage Mai 1998 1. Auflage Januar 1988 . 1. Auflage Januar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Susanne Kramer / Renate Schilling Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0431-7

Vorwort

Vorwort

Management, funktional verstanden als zielorientierte Gestaltung, lässt sich in der institutionalisierten Medizin auf unterschiedliche Entitäten beziehen: 1

o

das Management von Wirtschaftssubjekten, die Gesundheitsleistungen erbringen (Medizinbetriebe),

o

das Management einer Arztpraxis durch den Praxisinhaber,

o

das Management von individuellen oder kollektiven Gesundheitsproblemen im System der gesundheitlichen Versorgung (case management, disease management),

o

das Management der Gesundheitsversorgung, z. B. Public Health, Ausbildung von Gesundheitsberufen, Patientenberatung,

o

das Management von Transformationsprozessen (change management) und Forschungsprojekten (Projektmanagement),

oder, im engeren Sinn einer zielorientierten sozialen Einflussnahme,

o

auf die Führung der in den Prozess der Gesundheitsleistungsproduktion involvierten Personen.

1 Auszugsweise aus HJ Seelos (2006) Medical Management: the scientific paradigm. J Public

Health 14, DOI 10.1007/s10389-006-0056-2 V

Vorwort

Dazu bedarf es eines interdisziplinären Vorgehens unter Einbeziehung medizinischer, wirtschaftswissenschaftlicher und gesundheitswissenschaftlicher Aspekte (Abb. 0.1). Ausdruck des Bestrebens einen solchen Ansatz wissenschaftlich zu unterbauen und durch Ausbildungskonzepte zu konkretisieren, ist die Entwicklung einer anwendungsbereichsspezifischen Managementlehre, die durch die besonderen Charakteristiken des Systems der Gesundheitsversorgung und seiner Systemumwelt begründet wird.

So lässt sich definieren:

Medizinmanagement befasst sich mit der Anwendung der Managementlehre in der institutionalisierten Medizin.

Erfahrungsobjekt, also der Ausschnitt der realen Welt, auf den sich das wissenschaftliche Interesse des Fachgebietes Medizinmanagement richtet, ist die institutionalisierte Medizin oder das Gesundheitssystem als Ganzes.

Erkenntnisobjekte sind die aus ihrem Erfahrungsobjekt aspektrelativ abstrahierten Wirtschaftssubjekte, die Gesundheitsleistungen erbringen (Medizinbetriebe); z. B. ärztliche Praxen, Institutsambulanzen, Tageskliniken, poliklinische Ambulanzen, Medizinische Versorgungszentren, Praxiskliniken, Krankenhäuser, Belegabteilungen an Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Pflegeheime, Rettungsdienste, Gesundheitsämter. Insoweit unterscheidet sich Medizinmanagement vom „Management im Gesundheitswesen“ oder „Health Care Management“, weil deren Erkenntnisobjekte sämtliche im Gesundheitswesen tätigen Einrichtungen und Betriebe umfassen, so etwa auch Unternehmen der Versicherungswirtschaft, der medizinischen Investitions- und Bedarfsgüterindustrie und Bildungseinrichtungen einbeziehen.

VI

Vorwort

Als Realwissenschaft kommt der anwendungsbereichsspezifischen Managementlehre Medizinmanagement sowohl eine Erklärungs- als auch eine Gestaltungsaufgabe zu. Erklärungsaufgabe ist die Beschreibung und Analyse der Gesundheitsleistungsproduktion, Gestaltungsaufgabe die Modellierung adäquater Managementkonzepte zur zielorientierten Gestaltung von Medizinbetrieben und Organisation der Gesundheitsleistungsproduktion sowie zur Führung der in diesen Prozess involvierten Personen (Beschäftigte in Medizinbetrieben, Patienten, Angehörige von Patienten).

Abbildung 0.1:

Wissenschaftsgefüge des Fachgebietes Medizinmanagement

Medizin

MEDIZINMANAGEMENT

Wirtschaftswissenschaften

Gesundheitswissenschaften

Den Zielen der Medizinwissenschaft - Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der individuellen (Individualmedizin) und kollektiven (Sozialmedizin) Gesundheit folgend, zielt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Anwendung der Managementlehre in der Medizin darauf ab, durch Entwicklung und Anwendung branchenbezogener Methoden und Konzepte des Dienstleistungsmanagements, Struktur, Prozess und Ergebnis der Gesundheitsleistungsproduktion sowohl in

VII

Vorwort

praktischen als auch in theoretischen Aspekten zu unterstützen. Davon ausgehend können für das Fachgebiet Medizinmanagement drei Teilgebiete angegeben werden (Abb. 0.2):

o

die zielorientierte Gestaltung von Medizinbetrieben (Strategisches Medizinmanagement),

o

die Organisation der Gesundheitsleistungsproduktion (Operatives Medizinmanagement) und

o

die Führung der in den Prozess der Gesundheitsleistungsproduktion involvierten Personen (Biophiles Medizinmanagement).

Abbildung 0.2:

Einteilung des Fachgebietes Medizinmanagement nach Bezugsobjekten

MEDIZINMANAGEMENT

Medizinmanagement i. w. Sinn

Medizinmanagement i. e. Sinn

Soziales System

Soziotechnisches System

zielorientierte Gestaltung

Medizinbetrieb

zielorientierte Strukturierung

Gesundheitsleistungsproduktion

Î Strategisches Î Operatives Medizinmanagement Medizinmanagement

VIII

zielorientierte soz. Einflussnahme

Personal

Patienten

Î Biophiles Medizinmanagement

Angehörige

Vorwort

Dieses Lehrbuch befasst sich mit der Führung der in Medizinbetrieben Beschäftigten. In dieser Perspektive erscheinen Medizinbetriebe als soziale Systeme, weshalb „Personalführung“ dem Teilgebiet „Biophiles Medizinmanagement“ zuzuordnen ist.

Meiner Assistentin Frau Nicole Graf danke ich für die Unterstützung bei der drucktechnischen Aufbereitung des Manuskripts. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gabler Verlages gilt mein Dank für die gute Zusammenarbeit und die schnelle Produktion des Lehrbuches. Den Lesern wünsche ich, dass sie die Anregungen produktiv nutzen können.

Reichenau, im Januar 2007

Hans-Jürgen Seelos

IX

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ..............................................................................................................................

V

Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. XV Tabellenverzeichnis ........................................................................................................ XVII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................. XIX 1

Einführung ...............................................................................................................

1

2

Interaktionelle Führung ..........................................................................................

5

2.1 Führende ............................................................................................................ 2.1.1 Führungsfunktionen ............................................................................. 2.1.2 Management-Know-how ..................................................................... 2.1.3 Machtgrundlagen .................................................................................. 2.1.4 Führungsrollen ...................................................................................... 2.1.5 Menschenbilder .....................................................................................

7 7 10 14 18 21

2.2 Geführte ............................................................................................................. 2.2.1 Motivationsprozess ............................................................................... 2.2.2 Bedürfnisstruktur .................................................................................. 2.2.3 Arbeitsgestaltung .................................................................................. 2.2.4 Wechselseitige Führung ....................................................................... 2.2.5 Emergente Effekte ................................................................................. 2.2.6 Mitarbeiterorientierung ........................................................................

24 26 28 35 39 41 42

2.3 Gruppen und Teams ......................................................................................... 2.3.1 Gruppenbildung .................................................................................... 2.3.2 Gruppeneffekte ...................................................................................... 2.3.3 Soziale Konflikte .................................................................................... 2.3.4 Gruppenorientiertes Führungsverhalten ........................................... 2.3.5 Intra- und intergruppenbezogene Kommunikation .........................

46 50 52 55 58 59

2.4 Führungsbeziehung .......................................................................................... 2.4.1 Entscheidungspartizipation .................................................................

62 64 XI

Inhaltsverzeichnis

3

4

2.4.2 Aufgaben- und Beziehungsverhalten ................................................. 2.4.3 Situationsanerkenntnis .........................................................................

70 73

Führungssubstitute ..................................................................................................

83

3.1 Führungsstruktur ..............................................................................................

84

3.2 Prozessstruktur .................................................................................................

86

3.3 Organisationskultur ......................................................................................... 3.3.1 Kulturanalyse ......................................................................................... 3.3.2 Kulturdiagnose ...................................................................................... 3.3.3 Kulturgestaltung ...................................................................................

88 93 95 97

Führungsinstrumente .............................................................................................. 103 4.1 Lob und Kritik ................................................................................................... 103 4.2 Anreizsysteme ................................................................................................... 104 4.3 Symbole .............................................................................................................. 108 4.4 Mitarbeiterbefragung ....................................................................................... 108 4.5 Führungsgrundsätze ........................................................................................ 111 4.6 Coaching ............................................................................................................ 112 4.7 Mentoring .......................................................................................................... 114 4.8 Personalentwicklung ........................................................................................ 4.8.1 Mitarbeitergespräch .............................................................................. 4.8.2 Personalbeurteilung .............................................................................. 4.8.3 Fort- und Weiterbildung ....................................................................... 4.8.4 Führungskräftetraining ........................................................................

5

116 117 119 123 124

Führungsmodelle ..................................................................................................... 127 5.1 Führung durch Anweisung und Entscheidungsregeln ............................... 128 5.2 Führung mit Ergebnisorientierung ................................................................. 128 5.3 Führung nach dem Ausnahmeprinzip ........................................................... 129 5.4 Führung durch Zielorientierung ..................................................................... 130 5.5 Biophiles Personalführungsmodell ................................................................ 136

XII

Inhaltsverzeichnis

6

Führungserfolg ......................................................................................................... 143 6.1 Leistung .............................................................................................................. 145 6.2 Arbeitszufriedenheit ......................................................................................... 145 6.3 Sozialqualität ..................................................................................................... 146 6.4 Wertekonformität .............................................................................................. 148

Glossar .............................................................................................................................. 149 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 167 Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... 183

XIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 0.1

Wissenschaftsgefüge des Fachgebietes Medizinmanagement.....................VII

Abb. 0.2

Einteilung des Fachgebietes Medizinmanagement nach Bezugsobjekten ....................................................................................... VIII

Abb. 1.1

Möglichkeiten zur Verhaltensintervention bei Beschäftigten in Medizinbetrieben .................................................................................................. 3

Abb. 2.1

Dialektische Einheit der Führungssituation...................................................... 6

Abb. 2.2

Funktionelles Management ................................................................................. 9

Abb. 2.3

Management-Know-how................................................................................... 12

Abb. 2.4

Knowledge und soft skills für ein erfolgreiches Selbstmanagement ........... 15

Abb. 2.5

Interpersonales Vertrauen und Systemvertrauen........................................... 18

Abb. 2.6

Basismodell des Motivationsprozesses ............................................................ 27

Abb. 2.7

Die Ansätze der Bedürfnistheorien von AH Maslow (1954), CP Alderfer (1972), DC McClelland (1987) und der Anreiztheorie von F Herzberg (1966) im Vergleich................................................................... 29

Abb. 2.8

Die Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit ................................... 33

Abb. 2.9

Personales Netzwerk einer medizinbetrieblichen Führungssituation ......... 41

Abb. 2.10 Stufen der Non-Motivation ............................................................................... 44 Abb. 2.11 Medizinbetriebliche Konfliktsituationen im Überblick ................................. 55 Abb. 2.12 Kontinuum des Führungsverhaltens, abhängig vom Grad der Partizipation des Geführten am Entscheidungsprozess für den der Führende die Verantwortung trägt................................................................... 64 Abb. 2.13 Verhaltensgitter ................................................................................................... 72 Abb. 2.14 Bezugsrahmen für die medizinbetriebliche Führungsstilwahl..................... 75

XV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.15 Günstigkeit der Führungssituation und Führungsstile nach F Fiedler (1967) .................................................................................................... 77 Abb. 2.16 Effektive (+) und ineffektive (-) Führungsstile ................................................ 78 Abb. 2.17 Verhaltensmodell: Der aufgabenspezifische Selbstständigkeitsgrad des Geführten (Ri; i=1,2,...,4) bestimmt das situative Führungsverhalten (Sj; j=1,2,...,4) des Führenden.................................................................................... 80 Abb. 3.1

Führungsdyaden im Medizinbetrieb ............................................................... 85

Abb. 3.2

Das Linking-Pin-Prinzip nach R Likert (1992) unterstützt als Führungssubstitut die Personalführung über vernetzte Gruppen................................ 86

Abb. 3.3

Organisation als „Eisbergphänomen“.............................................................. 87

Abb. 3.4

Dualitätsprinzip der medizinbetrieblichen Organisationskultur................. 89

Abb. 3.5

Wertekonflikte mit dem und innerhalb des medizinbetrieblichen Wertesystems ................................................................................................................. 91

Abb. 3.6

Hierarchie und Zusammenspiel der Kulturen................................................ 92

Abb. 3.7

Kultur-Ebenen-Modell ....................................................................................... 93

Abb. 3.8

Wertesystem und Personalauswahl.................................................................. 98

Abb. 3.9

Leitbild eines psychiatrischen Fachkrankenhauses...................................... 100

Abb. 4.1

Einteilung von Anreizen nach Anreizarten und –quellen ........................... 105

Abb. 4.2

Die Verfahren zur Personalbeurteilung im Überblick.................................. 120

Abb. 4.3

Führungskräftetraining ................................................................................... 126

Abb. 5.1

Partizipatives MbO ........................................................................................... 132

Abb. 5.2

Integrierter Zielvereinbarungsprozess........................................................... 135

Abb. 5.3

Dimensionen des Führungshandelns im Medizinbetrieb ........................... 139

Abb. 5.4

Wertekonformes Führungsmodell für Medizinbetriebe.............................. 141

Abb. 6.1

Führungserfolg als Resultante der Führungsbeziehung ............................. 143

XVI

Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1

Aspekte der Führungsverantwortung ............................................................... 8

Tab. 2.2

Positions- und Personenmacht des Führenden im Medizinbetrieb ............. 16

Tab. 2.3

Aktivitätsbezogene Verhaltenserwartungen an Führende im Medizinbetrieb................................................................................................................... 20

Tab. 2.4

Konzepte zur Förderung von Arbeitszufriedenheit durch Mitarbeiterorientierung im Medizinbetrieb........................................................................ 47

Tab. 2.5

Ein- und mehrdimensionale Führungsstilkonzepte im Vergleich................ 63

Tab. 2.6

Situationsvariable der medizinbetrieblichen Führungssituation ................. 74

Tab. 3.1

Ursprungsbereiche kultureller Phänomene .................................................... 94

Tab. 4.1

Medizinbetriebliche Führungsinstrumente im Überblick ........................... 103

Tab. 4.2

Materielle und immaterielle Anreize zur Förderung der extrinsischen und intrinsischen Motivation .......................................................................... 106

Tab. 4.3

Aspekte zur Einschätzung der Arbeitszufriedenheit, die als Zufriedenheits-Wichtigkeitsportfolio dargestellt werden können .............................. 109

Tab. 4.4

Führungsgrundsätze eines schweizerischen Geriatriespitals, Altersund Pflegeheims................................................................................................ 112

Tab. 5.1

Muster zur Dokumentation einer Zielvereinbarung.................................... 133

Tab. 5.2

Grundorientierungen medizinbetrieblicher Wertesysteme......................... 137

Tab. 6.1

Konstrukte zur Qualifizierung von Führungserfolg im Medizinbetrieb... 144

XVII

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

DRG’s

Diagnosis Related Groups

DOI

Digital Object Identifier

EFQM©

European Foundation for Quality Management

et al.

lateinisch et alii (und andere)

KTQ®

Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen

MBA

Master of Business Administration

MHA

Master of Health Administration

MPH

Master of Public Health

WHO

Weltgesundheitsorganisation

Hinweis: Zum Zweck der sprachlichen Vereinfachung wird nachfolgend für „Mitarbeiter“ lediglich die männliche Form verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, sind damit stets beide Geschlechter gemeint. XIX

Einführung

1 Einführung Mit der ordnungspolitisch erwünschten Ausrichtung der Medizinbetriebe an marktwirtschaftliche Bedingungen, sowohl bezüglich der Vorstellungen der Patienten als auch auf dem Faktormarkt, haben sich die Anforderungen an die Beschäftigten, aber auch an die Personalführung geändert:

o

Humankapital stellt für Medizinbetriebe in jeder Hinsicht (qualitativ, quantitativ, ökonomisch) einen kritischen Erfolgsfaktor dar.

o

Medizinbetriebe sind Expertenorganisationen, d. h. an der betrieblichen Wertschöpfung sind verschiedene zum Teil hochspezialisierte Berufsgruppen beteiligt.

o

Medizinbetriebliche Qualitätsentwicklungssysteme und Zertifizierungsmodelle berücksichtigen u. a. „Führung“ und „Mitarbeiterorientierung“ als Erfolgsfaktoren, „Mitarbeiterzufriedenheit“ und „Patientenzufriedenheit“ als Erfolgsresultate.

o

Aspekte der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit, der Mitbestimmung und der Personalentwicklung stellen in Medizinbetrieben eine besondere Herausforderung für die Führungskräfte dar. Vor allem deutet der gesundheitspolitische Anspruch gesteigerter Versorgungsqualität bei tendenziell sinkenden Kosten auf ein hohes Konfliktpotenzial hin.

o

Das ethisch-humanitäre Engagement der in Medizinbetrieben Beschäftigten stößt häufig an ökonomische Grenzen. Auch deswegen gewinnen arbeits- und organisationspsychologische Erkenntnisse bei der Personalführung weiter an Bedeutung.

Befragt man Beschäftigte in Krankenhausbetrieben, welche Fehler von Führungskräften begangen werden, so nennen diese u. a. eine mangelnde informationelle Einbin-

1

1

1

Einführung

dung, die Unfähigkeit zu loben, die Ignoranz gegenüber Mitarbeiterinitiativen, das Kritisieren von Mitarbeitern in der Öffentlichkeit und fehlende Zeit für Mitarbeitergespräche (von Eiff 2000). Nur wenige Führungskräfte scheinen derzeit auf ihre (neue) Führungsrolle, die wenigsten Mitarbeiter auf einen delegationsorientierten Führungsstil fundiert vorbereitet zu sein (Eichhorn, Seelos und von der Schulenburg 2000; von Eiff 2000; Rathje 2003; Loibl 2003; Lüth und Schmiemann 2004). Dieser Befund wird vor allem darauf zurückgeführt, dass sich Medizinbetriebe infolge der bekannten gesundheitsökonomischen Rahmenbedingungen bislang eher auf eine „ressourcenorientierte Führung“ (Rathje 2003) beschränken (mussten). Da aber Beschäftigte in Medizinbetrieben „in dem sowohl von high-tech als auch von „high-touch“ geprägten Umfeld vor allem auch einer Vielzahl psychosozialer Belastungen ausgesetzt sind“ (Dietscher et al. 2002), ist es nur konsequent, dass eine Personalführung, die auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter berücksichtigt, nicht nur eine notwendige Voraussetzung für die Mitarbeiter- sondern auch für die Patientenzufriedenheit ist. Beispielsweise fanden ML Duxbury et al. (1984) Belege dafür, dass leitende Pflegekräfte die Auswirkungen einer fordernden Arbeitsatmosphäre auf ihre Mitarbeiter dadurch verbessern können, indem sie einen Führungsstil wählen, der ihren Bedürfnissen nach Vertrauen, Respekt und wechselseitiger Kommunikation entspricht. „Gesucht wird also in Zukunft kaum noch der Vorgesetzte, der ausschließlich befiehlt und kontrolliert, sondern vielmehr derjenige, der durch vorbildliches Verhalten, authentischen Umgang mit anderen und kommunikative Kompetenz selbstbewusste Spezialisten zu koordinieren weiß, der sie gleichzeitig fördert, ihnen Perspektiven aufzeigt und sie dadurch motiviert und qualifiziert“ (von Rosenstiel et al. 2003).

In der medizinbetrieblichen Praxis muss sich Personalführung aber nicht nur auf eine direkte soziale Interaktion beschränken. Vielmehr lässt sich, wie Abbildung 1.1 andeutet, die an den medizinbetrieblichen Organisationszielen orientierte Ausrichtung des Verhaltens der Beschäftigten durch Führungssubstitute vorsteuern und die zielorientierte Verhaltensbeeinflussung mit Führungsinstrumenten unterstützen.

2

Einführung

Abbildung 1.1:

Möglichkeiten zur Verhaltensintervention bei Beschäftigten in Medizinbetrieben

S o z i a l e I n te r a k t i o n

F ü h ru n g s s u b s t i t u te Geführte

F ü h ru n g s i n s t r u m e n t e

Verhaltensbeeinflussung

Vorsteuerung der Verhaltensausrichtung

Unterstützung der Verhaltensbeeinflussung

In Anlehnung an WH Staehle (1999) und J Weibler (2001) kann damit definiert werden:

Personalführung (auch „Mitarbeiterführung“ genannt) bezeichnet jede (versuchte) sozial akzeptierte Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens von Beschäftigten in Medizinbetrieben sowie der Interaktion in und zwischen Gruppen von Beschäftigten, mit dem Zweck, bestimmte Organisationsziele zu erreichen.

Sieht man wie L von Rosenstiel (2000) die Determinanten des Verhaltens in den Faktoren individuelles Können (Fähigkeit), persönliches Wollen (Bereitschaft), soziales Dürfen oder Wollen (organisations-kulturelle Spielregeln) und situative Ermöglichung (Infrastruktur i. w. S.), kann sich Personalführung auf alle oder nur auf einzelne dieser Faktoren beziehen.

3

1

1

Einführung

Gestalten kann der Führende die Führungsbeziehung durch soziale Interaktion (Kapitel 2), die Vorsteuerung der Verhaltensausrichtung durch Führungssubstitute (Kapitel 3) und die Unterstützung der Verhaltensausrichtung mit Führungsinstrumenten (Kapitel 4). Eine mehr oder minder komplexe Vorstellung wie sich Personalführung in Medizinbetrieben vollziehen sollte, beschreiben die Führungsmodelle in Kapitel 5. Der Frage ob, und wenn ja wie sich Führungserfolg im Medizinbetrieb qualifizieren lässt, wird in Kapitel 6 nachgegangen.

4

Führende

2 Interaktionelle Führung Führender und Geführte(r) im Medizinbetrieb bilden ein soziales System, das unter Einbeziehung eines Organisationsziels situativ nach sach-rationalen oder sozioemotionalen Aspekten optimiert werden kann (Divergenztheorem der Führung).

Elemente und Relationen dieses sozialen Systems sind (Abb. 2.1):

o

der Führende,

o

der Geführte oder die Geführten(gruppe),

o

der soziale Interaktionsprozess (Führungsbeziehung) und

o

die Bedingungen unter denen der Beeinflussungsversuch stattfindet (Führungssituation).

Von interaktioneller oder personenbezogener Führung sprechen wir dann, wenn

o

die Einflussnahme vorrangig durch Information und Kommunikation in einer direkten sozialen Beziehung erfolgt (Interaktionsprozess),

o

an diesem Interaktionsprozess mindestens zwei oder mehr Beschäftigte, d. h. Führender und Geführter oder Führender und Geführte beteiligt sind,

o

der Führende über Positionsmacht verfügt, also eine asymmetrische Verteilung der Einflusschancen vorliegt und

o

die Einflussnahme zur Erreichung definierter medizinbetrieblicher Organisationsziele, die von dem oder den Geführten erreicht werden sollen, erfolgt. Dabei ist es definitorisch betrachtet unerheblich, ob der Geführte sein Verhal-

5

2.1

Interaktionelle Führung

ten in der intendierten Weise ausrichtet, also die Einflussnahme (genauer der Einflussversuch) erfolgreich war oder nicht. Dementsprechend unterscheidet man wirksames (effektives) oder unwirksames (ineffektives) Führungsverhalten (Steinmann und Schreyögg 2002).

Dialektische Einheit der Führungssituation (zur Erklärung der Lokomotions- und Kohäsionsfunktion siehe Absatz 2.1.4). Aufgrund seiner organisatorischen Einbettung wird der Interaktionsprozess durch zahlreiche Einflussvariablen der konkreten Führungssituation moderiert (vgl. Tab. 2.6).

Organisationsziel / Aufgabe

Führender

soziale Interaktion

Geführte(r) Soziales System

sach-rationale Dimension

Abbildung 2.1:

Lokomotionsfunktion

2

Kohäsionsfunktion sozio-emotionale Dimension

Führungssituation

Die Führungsforschung erklärt Führungserfolg durch verschiedene, zum Teil miteinander konkurrierende Theorien. Sie bestehen aus empirisch gehaltvollen Hypothesen oder beschreibenden und erklärenden Aussagen zur Verhaltensintervention (Thom 2000). Die für Medizinbetriebe besonders relevanten werden nachfolgend - strukturiert nach Abbildung 2.1 - vorgestellt. Nicht immer konnte dabei die Wahl auf das jeweils aktuellste Konzept fallen.

6

Führende

2.1

Führende

Führende in Medizinbetrieben sind Repräsentanten des dispositiven Faktors, d. h. die nach der Unternehmensverfassung oder den Statuten bestellten Organvertreter und Führungskräfte, denen im Weg der Delegation dispositive Aufgaben übertragen sind.

Das damit beschriebene institutionelle Management eines Medizinbetriebes, oft kurz auch nur als „das Management“ apostrophiert, hat in mehrfacher Hinsicht Führungsverantwortung (Tab. 2.1). Darunter versteht man die Rechenschaftspflicht des Führenden hinsichtlich der Wahrnehmung und Folgen der ihm obliegenden personenbezogenen Führungsfunktionen (Absatz 2.1.1).

Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung müssen einander entsprechen; sie bilden eine untrennbare Einheit. Gemäß diesem organisatorischen Kongruenzprinzip braucht der Führende zur Wahrnehmung seiner Führungsverantwortung oder der damit verbundenen Führungsfunktionen (Absatz 2.1.1) Management-Know-how (Absatz 2.1.2) sowie gewisse Machtgrundlagen (Absatz 2.1.3). Abhängig von der Führungsebene (management level), die er im Medizinbetrieb einnimmt, wird von ihm die Übernahme verschiedener Führungsrollen erwartet (Absatz 2.1.4). Einen besonderen Einfluss auf die Gestaltung der Führungsbeziehung übt das Menschenbild des Führenden aus (Absatz 2.1.5).

2.1.1

Führungsfunktionen

Führungsverantwortung findet ihren Ausdruck in der Wahrnehmung der damit verbundenen Führungsfunktionen durch den Führenden (funktionelles Management).

7

2.1

2

Interaktionelle Führung

Tabelle 2.1:

Aspekte der Führungsverantwortung in Anlehnung an N Thom (1990), Seite 9

Zielbildungsverantwortung Setzen und Operationalisieren medizinbetrieblicher Ziele und Aufgaben, an denen sich die Handlungen der Mitarbeiter orientieren.

Organisationsverantwortung Definition der Struktur- und Prozessorganisation zur Aufgabenbearbeitung, insbesondere Mitarbeiterauswahl und –einsatz; Einhaltung der Gestaltungsvorgaben zur Gesundheitsleistungsproduktion.

Informations- und Kommunikationsverantwortung Information der Mitarbeiter über die Zielvorgaben und die Organisation; Sicherstellung des für die Steuerung der Aufgabenbearbeitung notwendigen Informationsflusses innerhalb des Medizinbetriebs.

Kontrollverantwortung Abgesehen von eventuell zentral wahrgenommenen Kontrollaufgaben, die Verantwortung für die Verhaltens-, Verfahrens- und Ergebniskontrolle bzgl. der zugeordneten Mitarbeiter einschließlich der Mitarbeiterbeurteilung.

Motivations- und Förderverantwortung Verantwortung des Führenden für die Motivation und Förderung der ihm zugeordneten Mitarbeiter im Rahmen der Personalentwicklung und Coaching.

Selbstverantwortung Verantwortung für die Führung der eigenen Person.

Abbildung 2.2 skizziert die (personenbezogenen) Führungsfunktionen in der Form eines „Zyklusmodells“. Aufgabe des Führenden (Vorgesetzten) ist es, zunächst für operationalisierte (machbare und messbare) Organisationsziele zu sorgen (Zielbildungsverantwortung), die Verantwortung für deren Erreichung an die Mitarbeiter zu delegieren, diese dafür zu motivieren und zu fördern. Die klassische Form der Delegation in Medizinbetrieben erfolgt einerseits indem Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einer Organisationseinheit durch funktionale Strukturierung zugewiesen bzw. einem personellen Aufgabenträger (Stelleninhaber) übertragen werden; anderer-

8

Führende

seits werden Organisationsziele (autoritär) vorgegeben oder partizipativ mit dem Mitarbeiter vereinbart.

Abbildung 2.2:

Funktionelles Management. Gestaltbar durch das institutionelle Management sind die Führungssubstitute (Kapitel 3), die Führungsinstrumente (Kapitel 4) und die zur Unterstützung der Führungsfunktionen eingesetzten Führungstechniken (Kapitel 5).

F ü h ru ng s t e c h n ik en

F ü h ru n g s i n s t r u m e n t e

Z i e l e s e tz e n , d e l e g i e re n k o n t r o l l i e re n i n f o r mi e re n und ko m mu n i zi e r e n

m o t i v i e re n , f ö r d e rn

e n t s c h e i de n

o r g an i s ie r e n

F ü h r u n g s s u b s t i tu t e

„Organisieren“ umfasst die Bereitstellung und zielorientierte Strukturierung der zum Vollzug der Organisationsziele notwendigen Produktionsfaktoren. Dabei sind die für die Gesundheitsleistungsproduktion einschlägigen Gestaltungsvorgaben einzuhalten (Seelos 2004).

9

2.1

2

Interaktionelle Führung

Die Führungsfunktion „Entscheiden“ bezieht sich auf die im Zusammenhang mit der Realisierung der definierten Organisationsziele zu treffenden Entscheidungen, die sich der Führende sämtlich oder partizipativ vorbehalten hat (z. B. hinsichtlich des Lösungsweges, der eingesetzten Ressourcen, der Abnahme der erzielten Arbeitsergebnisse, der Termine). „Delegation“ verlangt selbstverständlich auch Kontrolle, d. h. einen Soll-Ist-Vergleich, stichprobenweise oder bei gewichtigen Ergebnissen einzeln. Die „Kontrolle“ wird dabei in der Regel doppelt ausgeführt, zum einen vom Mitarbeiter selbst, zum anderen vom Führenden (Kontrollverantwortung). Eine entscheidende Rolle für das Erreichen der Organisationsziele spielt neben dem Führungsverhalten des Führenden, auch die Wahrnehmung seiner Informations-, Kommunikations- und Förderverantwortung sowie der Selbstständigkeitsgrad des Mitarbeiters in Bezug auf die zur Zielerreichung notwendigen Aufgaben (dazu näher Absatz 2.4.3).

2.1.2

Management-Know-how

Welche Attribute zeichnen nun Führende in Medizinbetrieben aus oder werden von ihnen erwartet? Die vom eigenschaftstheoretischen Führungsansatz (Stogdill 1948) vertretene These, dass Führungspositionen nur von denjenigen besetzt werden können, die kaum erlernbare, also genetisch festgelegte oder in frühen Phasen der Sozialisation erworbene Persönlichkeitsmerkmale wie Intelligenz, Dominanz, Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein mitbringen, ließ sich wissenschaftlich ebenso wenig bestätigen, wie die Vorstellung von universalen Führungseigenschaften. Diese sind empirisch schwer zu belegen und eher als Prädisposition für den Führungserfolg zu verstehen (Managementpotenzial). Insbesondere ist es nicht eine bestimmte Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen an sich, sondern die Korrespondenz mit der jeweiligen Situation die Führerschaft ermöglicht. Anders ausgedrückt: Die Anforderungen an Führungskräfte sind nicht situationsinvariant, sondern z. B. von der Marktposition und der wirtschaftlichen Situation eines Medizinbetriebs abhängig. Dennoch besitzt

10

Führende

der eigenschaftstheoretische Führungsansatz nach wie vor einen hohen Stellenwert bei der Ausschreibung von Führungspositionen und Verfahren zur Führungskräfteauswahl; z. B. Assessment-Center-Methode, strukturierte Interviews, situative Tests und biografische Inventare. Zutreffend resümieren P Hersey et al. (2001) daher: „Leaders are both born and made“.

Führungskräfte in Medizinbetrieben definieren sich aufgrund der Vielgestaltigkeit der Geschäftsprozesse als Spezialisten (Experten).

Gleichwohl verlangt die Ökonomisierung und Vernetzung des Gesundheitswesens von ihnen aber auch komplementäre Kenntnisse im Sinne des in Abbildung 0.1 (Vorwort) dargestellten interdisziplinären Wissenschaftsgefüges. Der Bildungsmarkt hat darauf mit einem breiten Angebot berufsgruppenspezifischer und berufsgruppenübergreifender Masterstudiengänge (MBA, MPH, MHA), interdisziplinären Kontaktstudien (Management im Gesundheitswesen, Gesundheitsmanagement) und zum Teil zertifizierter Weiterbildungsprogramme (Gesundheitsökonomie, Gesundheitsmanagement, Health Care Management) reagiert (KU 2005). Allerdings sind die einzelnen Curricula inhaltlich sehr verschieden und wegen ihrer eher pragmatischen Ausrichtung wenig standardisiert. Das Spektrum der für relevant erachteten Lehrinhalte reicht von den Grundlagen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, den Rechts- und Sozialwissenschaften über die Gesundheitswissenschaften bis zu medizinorientierten Disziplinen wie z. B. Biometrie, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystemforschung, Krankenhausbetriebslehre, Medizinische Informatik, Medizinisches Qualitätsmanagement und Medizinrecht.

Zwar ist Fachkompetenz als dauerhafte Akzeptanzvoraussetzung unverzichtbar, ihre nachhaltige Ausprägung wird aber in Führungspositionen erst durch das Management-Know-how des Führenden erreicht, also seine Fähigkeit erworbenes Führungs-

11

2.1

2

Interaktionelle Führung

wissen auch anzuwenden. Dazu bedarf es eines bestimmten Wissens (knowledge) und personalen Verrichtungskönnens (soft skills, Abb. 2.3).

Abbildung 2.3:

Management-Know-how nach P Eichhorn (2000), Seite 63. Knowledge definiert das durch Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die berufliche Praxis erworbene Führungswissen, soft skills sind (bis zu einem gewissen Grad) erlernbare Kompetenzen.

M a n a g e m e n t - Kn o w - h o w

Kn ow l ed g e

So f t Sk i l l s

• Methodenkompetenz

• Persönliche Kompetenz

• Fachkompetenz

• Soziale Kompetenz

• Berufserfahrung

• Emotionale Intelligenz • Lehrkompetenz

Immer noch ist zu beobachten, dass Führungskräfte im Medizinbetrieb vorrangig aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen eingestellt werden, dann aber wegen unzureichender soft skills scheitern. Die Zahl der in der Fachliteratur nachlesbaren soft skills ist inzwischen unüberschaubar (Thom 2005). Für Führungskräfte im Gesundheitswesen geben z. B. A Lüthy und J Schmiemann (2004) acht „Schlüsselqualifikationen“ an:

Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Organisationstalent.

12

Führende

Nach Untersuchungen von G Neubauer et al. (2001) fordern sozioökonomische, das Gesundheitswesen bestimmende Megatrends (dazu z. B. näher Ernst & Young 2005), von „high potentials“ im Gesundheitswesen (in eben dieser Reihenfolge) im Ergebnis Management-Know-how wie es auch in anderen Wirtschaftszweigen mit ähnlichen Bedingungen erfolgreich ist:

o

Fähigkeit zur Menschenführung,

o

unternehmerische Orientierung,

o

interdisziplinäres Denken,

o

strategische Kompetenz,

o

organisatorische Fähigkeiten.

Demzufolge stehen Medizinbetriebe bei der Besetzung von Managementpositionen zunehmend im Wettbewerb mit anderen Branchen oder Sektoren des Gesundheitswesens. „Daher wird sich im Rahmen der „internen Professionalisierung“ der Trend zur aktiven Personalbeschaffung gegenüber dem passiven Verhalten bei der Rekrutierung mittels Stellenanzeigen, ein attraktives Angebot entsprechender berufsbegleitender Qualifizierungsprogramme vorausgesetzt, weiter verstärken“ (Neubauer et al. 2001).

Will der Führende im Medizinbetrieb seine anspruchsvollen Fach- und Managementaufgaben bewältigen, benötigt er auch die „Fähigkeit zur Führung der eigenen Person“ (Malik 2000). Ein solches Persönlichkeits- oder Selbstmanagement „bedeutet im Grunde nicht mehr aber auch nicht weniger als das selbstbestimmte Ausüben von Führungsfunktionen in Bezug auf die eigene Person und das eigene Lebensumfeld mit der Zielsetzung, die eigene Persönlichkeit zu stärken und von unnötigen Fremdbestimmtheiten frei zu halten und eine tragfähige Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden“ (Linneweh et al. 2003). Dazu muss der Führende wissen, welche Persönlichkeits- und Motivationsstrukturen sein Denken und Handeln leiten (Psychogramm),

13

2.1

2

Interaktionelle Führung

wie das eigene Verhalten, insbesondere der praktizierte Kommunikationsstil auf andere wirkt, welche Persönlichkeits- und Motivationstypen es gibt und wie diese Menschen in der arbeitstäglichen Realität auf Kommunikation reagieren. Hilfestellung bei diesem Erkenntnis- und Selbstbeurteilungsprozess bieten Persönlichkeitsmodelle (Schimmel-Schloo et al. 2002), aber auch (offenes) Mitarbeiterfeedback. Unterstützen sollte der Führende, wie Abbildung 2.4 zeigt, sein Selbstmanagement ferner mit „Life-Balance-Konzepten“ (z. B. Covey 2000; Seiwert 2001), unter Einbeziehung zeitgemäßer Techniken des Zeitmanagements und zur Unterstützung der persönlichen Arbeitsorganisation (Seiwert 1999; Covey et al. 2003). Nur so wird es ihm möglich sein, sich Freiräume für die Wahrnehmung der eigentlichen Führungsaufgaben und der notwendigen (für ärztliche Führungskräfte berufsrechtlich verpflichteten) Fortbildung zu schaffen.

Die Handlungsfelder des Führenden im Medizinbetrieb umfassen damit nicht nur das (strategische, operative und biophile) Medizinmanagement, sondern auch das Management der eigenen Person (Selbstmanagement).

2.1.3

Machtgrundlagen

Macht als Mittel zur Verhaltensbeeinflussung gründet sich in Medizinbetrieben sowohl auf die aus der Strukturorganisation abzuleitende Positionsmacht des Führenden (Vorgesetzten) als auch auf die in Form von Respekt und commitment individuell von den Geführten attribuierte Personenmacht (Tab. 2.2).

Positionsmacht legitimiert Führung (formal „Leitung“) nach der medizinbetrieblichen Strukturorganisation. So gesehen dürfen Organisationen durchaus auch als „Machtverteilungssysteme“ aufgefasst werden. Eine besondere Positionsmacht ergibt sich für

14

Führende

die, abhängig von der Unternehmensverfassung, zu bestellenden gesetzlichen (Organ-) Vertreter (z. B. für den Geschäftsführer eines Krankenhauses, das in der Form einer Kapitalgesellschaft geführt wird, im Verhältnis zu den Mitgliedern des Krankenhausdirektoriums) oder, bezogen auf die Aus- und Weiterzubildenden, für Führungskräfte mit (medizinischer) Aus- und Weiterbildungsermächtigung.

Abbildung 2.4:

Knowledge und soft skills für ein erfolgreiches Selbstmanagement in Anlehnung an A Joester (2005)

Per s ö n l i ch e S t ä rk e n

Sel b st mo t i vat i on

P e r s on

V e r t ra u e n

So ft S kill s

R e s u l ts

K n o w l e d ge

M e t h od en Z eit mana gement

Per sön liche

un d

A rb e i t s -

T e c h n ik e n

organ isatio n

L if eBal an ce

15

2.1

2

Interaktionelle Führung

P Hersey et al. (2001) und J Weibler (2001) weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass sich Führungserfolg mit organisational begründeter Positionsmacht allein oder, wie es W Kropp (2001) ausdrückt, „einer von den Geführten akzeptierten formalen Autorität“, nur suboptimal erreichen lässt. Viel wichtiger ist oft die persönliche Macht des Positionsinhabers, insbesondere seine Beziehungs- und Expertenmacht. So stellen manche Chefärzte für das gesamte Krankenhaus anerkannte Repräsentanten, nicht nur in fachlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht dar, die auch von den Nachgeordneten anerkannt und geschätzt werden (Rathje 2003). Der Chefarzt nimmt eine Vorbildfunktion ein, man identifiziert sich gerne mit ihm. Wird die Führungsperson als erfolgreich erlebt, werden deren Einstellungen, Werte und manche Handlungen zunehmend übernommen (Imitationslernen). Insoweit ist bei persönlichen Autoritäten eine unmittelbare Nähe zum charismatischen Führungsstil gegeben (Absatz 2.4.1).

Tabelle 2.2 :

Positions- und Personenmacht des Führenden im Medizinbetrieb in Anlehnung an JRP French und B Raven (1959)

Positionsmacht (organisational begründet) o Das dem Führenden (ggf. abgesichert durch den Arbeitsvertrag) nach der Strukturorganisation zugewiesene Direktionsrecht (legitimierte Macht) o Belohnungs- und Bestrafungspotenzial des Führenden (Belohnungs- und Sanktionsmacht) o Der Umgang mit Informationen durch den Führenden (Informationsmacht)

Personenmacht (individuell attribuiert) o Informationsvorsprung des Führenden (Expertenmacht) o Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit (Beziehungsmacht) o Fähigkeit zur rationalen Argumentation (Überzeugungsmacht) o Identifikation der Geführten mit dem Führenden (Identifikationsmacht) o Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit des Führenden (Charismatische Macht)

Neben der Positions- und Personenmacht muss sich Personalführung im Medizinbetrieb auch auf Vertrauen stützen.

16

Führende

„Vertrauen ist das Fundament aller Führung.“ (Maxwell 2002). “Vertrauen muss die Unmöglichkeit kompensieren, alles im Griff zu haben, die Umwelt kontrollieren zu können. Vertrauen ist immer spezifisch (man vertraut zum Beispiel jemandem, dass er eine Aufgabe lösen will, aber nicht, dass er das auch kann) und bedingt (es ist nicht grenzenlos). Deshalb widersprechen sich Vertrauen und Kontrolle nicht, sie bedingen einander“ (Sprenger 2005). „Berücksichtigt man, dass die erfolgreiche gemeinsame Bewältigung von Problemen und kritischen (Notfall-)Situationen wiederum das interpersonale Vertrauen stärkt, dann ist es verständlich, dass Vertrauen sowohl eine Voraussetzung als auch ein Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit darstellt“ (Neubauer 2003).

Determinanten des gegenseitigen (interpersonalen) Vertrauens sind die im Kindesalter erworbene Vertrauensneigung des Geführten (Urvertrauen) und die Vertrauenswürdigkeit des Führenden (Abb. 2.5). Bedingungen für die Vertrauenswürdigkeit des Führenden sind neben seiner Fachkompetenz, vertrauensbildendes Verhalten wie Berechenbarkeit und Integrität (Kongruenz von Wort und Tat, Beachtung geltender Normen und Werte, Fairness gegenüber anderen), Diskretion, Loyalität, das (aktive) Zuhören können, das Einhalten von Versprechungen und das Treffen für den Geführten transparenter Entscheidungen.

Neben dem interpersonalen Vertrauen entwickeln die Stakeholder (Freeman 1984) ein sogenanntes Systemvertrauen. Inhaltlich geht es dabei um das Image, das der Medizinbetrieb in der Öffentlichkeit hat, aber auch um angenommene oder beworbene „Sicherheitsgarantien“ (Regeln, Standards, Werte). Für die Beschäftigten ist dabei vor allem auch entscheidend, welche ethischen Grundsätze das Führungshandeln im Medizinbetrieb bestimmen: Wie wird mit dem Patienten umgegangen? Wie behandeln die Führungskräfte ihre Mitarbeiter? Wie wird die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrgenommen? Dies erkennend gehen mittlerweile einige Medizinbe-

17

2.1

2

Interaktionelle Führung

triebe dazu über, ergänzend zum Leitbild, auch Ethik-Kodes verbindlich festzulegen (Wehkamp 2004).

Abbildung 2.5:

Interpersonales Vertrauen und Systemvertrauen in Anlehnung an J Weibler (2001), Seite 196

Vertrauensbereitschaft des Geführten

im Kindesalter erworbene Vertrauensneigung (Urvertrauen)

Vertrauenswürdigkeit des Führenden

Kompetenz, Integrität, Gutwilligkeit, offene Kommunikation

Bisherige Kooperation zwischen Geführtem und Führendem

Systemvertrauen der Stakeholder

2.1.4

Kooperation als Folge von Vertrauen

Personalbedingtes Vertrauen wird durch Vertrauen in den Medizinbetrieb mit „Sicherheitsgarantien“ (Beschwerdewege, Regeln, Werte, Haftung, Standards) ersetzt

Führungsrollen

Abhängig von der Führungsebene wird vom Führenden im Medizinbetrieb ein bestimmtes Verhalten oder die Übernahme gewisser Führungsrollen erwartet.

Führungsrollen können funktions- oder aktivitätsorientiert beschrieben werden.

18

Führende

Funktional hat der Führende die Lokomotions- und die Kohäsionsfunktion wahrzunehmen (vgl. Abb. 2.1). Führen i. S. der Lokomotionsfunktion heißt, Einfluss auf die Geführten auszuüben, der sie veranlasst, die erwarteten Beiträge zur Erreichung der vorgegebenen medizinbetrieblichen Organisationsziele zu erbringen. Führen i. S. der Kohäsionsfunktion heißt, durch das Eingehen auf die individuellen Ziele, Erwartungen und Potenziale der Geführten, die Arbeitszufriedenheit des Einzelnen zu steigern und durch Verdeutlichung und Umsetzung akzeptierter Gruppennormen eine gute Sozialqualität zu erreichen sowie den Zusammenhalt und die Aktionsfähigkeit der Gruppe der Geführten (Gruppenkohäsion) zu sichern. Die Notwendigkeit bei der Wahl des Führungsstils nicht nur sach-rationale sondern auch sozio-emotionale Aspekte zu berücksichtigen, folgt dem von der Motivationstheorie konstatierten Wirkungszusammenhang von Leistung und Arbeitszufriedenheit (Absatz 2.2.1).

Aktivitätsorientiert schreibt H Mintzberg (1973) dem Führenden Rollen zu, die er aus dem bei Top-Managern beobachteten Arbeitsverhalten abgeleitet hat (Tab. 2.3). Je nach Situation nimmt der Führende die Funktion eines Orientierungsgebers ein, der Strategien entwickelt und Ziele vorgibt, Entscheidungen trifft und Entwicklungsprozesse vorantreibt. Oder er ist als Moderator und Coach gefordert, der dem Mitarbeiter hilft, sein eigenes Problemlösungspotenzial zu erkennen und nutzbar zu machen. Er schlüpft in die Rolle des „hierarchielosen Kollegen“, wenn seine besondere Fachkompetenz gefragt ist oder er ist Öffentlichkeitsarbeiter (von Eiff 2000). Maßgeblich für die Ausprägung der jeweiligen Rollen ist vor allem die Positionshöhe des Führenden, die er nach der Führungsstruktur inne hat. So sind für Organvertreter (z. B. Geschäftsführer, Vorstände) und hierarchisch hohe Führungspositionen (z. B. Ärztlicher Direktor eines Krankenhauses) extern ausgerichtete Rollen wie die des Repräsentanten, des Sprechers und des Verhandlungsführers dominant. Für nachgeordnete Führungsebenen sind dagegen die Rollen des Koordinators, des coaches und des „Ressourcenzuteilers“ wichtiger. In der Praxis werden die relevanten Rollen aus

19

2.1

2

Interaktionelle Führung

der Sicht des (nächst höheren) Vorgesetzten formuliert, wie dies regelmäßig bei der Erstellung von Stellenbeschreibungen und Stellenausschreibungen der Fall ist.

Tabelle 2.3:

Aktivitätsbezogene Verhaltenserwartungen an Führende im Medizinbetrieb, in Anlehnung an H Mintzberg (1973)

Interpersonelle Rollen

Informationelle Rollen

Entscheidungsrollen

o

Vorgesetzter

o

Repräsentant

o

Coach

o

Mentor

o

Koordinator

o

Integrator

o

Stratege

o

Experte

o

Vorbild

o

Informationssammler

o

Informationsverteiler

o

Sprecher

o

Moderator

o

Unternehmer

o

Projektleiter

o

Ressourcenzuteiler

Von außen wird den in Medizinbetrieben Beschäftigten, vor allem im medizinischen Bereich, ein bestimmtes Rollenverhalten vorgegeben, dem sie im Sinne der Rollenerwartung der Patienten und ihrer Angehörigen zu entsprechen haben; z. B. die aufopfernde Schwester, der gütige, dem jeweiligen Stand der Wissenschaft verpflichtete Arzt. Die Rollenübernahme bedeutet zugleich, dass Kritik am Handeln vor allem die dargestellte Rolle betrifft, nicht aber die dahinterstehende Persönlichkeit. Dieser Zusammenhang kann für eine Abgrenzung des Rollenträgers vom täglich erlebten Leid

20

Führende

hilfreich sein. Er kann zugleich aber auch die Führung aufgrund fehlender Authentizität erschweren (Rathje 2003).

2.1.5

Menschenbilder

Jeder Führende trifft Annahmen über Personen – gleichgültig, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Diese Annahmen determinieren sein Verhalten auch gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern.

Interaktionelle Führung oder zielorientierte Verhaltensbeeinflussung durch soziale Interaktion, setzt an den persönlichen Attributen des oder der Geführten an. Das heißt, dass der Führende bestimmte Vorstellungen über ihre Ziele, Motive, Werthaltungen, Kompetenzen und Eigenschaften haben muss. Die komplexe Individualität seiner Mitarbeiter zu erkennen ist ihm aber oftmals, z. B. wegen der Größe der Kontrollspanne (Anzahl der unmittelbar nachgeordneten Mitarbeiter) kaum möglich. Ein Ausweg kann die Zuordnung der Mitarbeiter zu Stereotypen, sogenannten Menschenbildern, sein.

„Menschenbilder sind der Ausgangspunkt aller Führungstheorien“ (Thom 1990) und können in der Führungspraxis als „Annahmen über Eigenschaften, Bedürfnisse, Motive, Erwartungen und Einstellungen von Organisationsmitgliedern“ verstanden werden (Staehle 1999). Sie sollen dazu dienen, „die Komplexität menschlichen Verhaltens und Erlebens in reduzierter Weise zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu gestalten“ (Wunderer et al. 1980). Menschenbilder unterstellen eine bestimmte Motivstruktur und beeinflussen damit das Verhalten des Führenden, z. B. in Bezug auf die Einschätzung der Fähigkeiten der Geführten, die Wahl des praktizierten Führungsstils, die Entscheidungspartizipation, die Selektion, Wertung und Gewichtung von Informationen oder die Einschätzung von Personalentwicklungsmaßnahmen (Weinert

21

2.1

2

Interaktionelle Führung

et al. 1995). AB Weinert (1998) ergänzt andernorts „Menschenbilder können ...Erklärungen liefern für die im Unternehmen und seinen Teilbereichen praktizierten Führungsstile, für die Ineffizienz vieler Trainings- und Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen und auch für die mangelnde Motivation, fehlende Einbeziehung und das unkooperative Verhalten vieler Mitarbeiter.“

Prominente Menschenbildkonzepte, die sich explizit auf Menschen in Organisationen beziehen, haben D McGregor (1973), EH Schein (1980) und I Borg (2000) vorgelegt. Ausgangspunkt von D McGregor (1973) sind zwei idealtypische gegensätzliche Handlungstheorien: Theorie X und Theorie Y. Theorie X nimmt an, dass die meisten Mitarbeiter es vorziehen geführt zu werden, keinerlei Interesse daran haben Verantwortung zu übernehmen und überwiegend Sicherheitsmotive haben. Im Gegensatz dazu geht die Theorie Y von vorwiegend selbstgesteuerten, kreativen und selbstmotivierten Mitarbeitern aus, die kohäsive Teams bilden, deren Ziele die der Organisation widerspiegeln und hohe Produktivität erzielen. Die Konsequenzen, die hinsichtlich der Führung aus dieser Klassifikation zu ziehen sind, unterscheiden sich in der Theorie X wesentlich von der Theorie Y. Führende, so D McGregor, die ein der Theorie X entsprechendes Menschenbild haben, unterstellen eine unzutreffende Bedürfnisstruktur der Geführten. Da ihr kontrollorientiertes Führungsverhalten im tiefen Widerspruch zu den realen menschlichen Bedürfnissen steht, resignieren die Mitarbeiter, werden passiv und hegen starken Widerwillen gegen ihre Arbeit. Werden Mitarbeiter permanent überwacht, steigt ihr Bedürfnis, sich dieser Überwachung zu entziehen oder aber lediglich das zu leisten, was unmittelbar beobachtbar und damit auch kontrollierbar ist. Dies führt wiederum zu einem intensivierten Kontrollverhalten des Führenden usw. Um zu vermeiden, dass die Geführten nach der Theorie X im Sinn einer sich „selbsterfüllenden Prophezeiung“ reagieren, sollte der Führende daher von einem optimistischen Menschenbild (Theorie Y) ausgehen und die Selbstständigkeit seiner Mitarbeiter durch einen delegationsorientierten Führungsstil unterstützen.

22

Führende

Im Gegensatz zu D McGregor sieht EH Schein (1980) den Mitarbeiter im Bild des „komplexen Menschen“ adäquat charakterisiert, ohne jedoch die Relevanz der drei anderen von ihm formulierten Menschenbilder (der rational-ökonomische Mensch, der sozialorientierte Mensch, der selbstverwirklichende Mensch) in bestimmten Situationen oder bei manchen Geführten zu negieren. Der komplexe Mensch hat eine flexible Motivstruktur. Sie verlangt vom Führenden, so ein wichtiges Fazit von EH Schein, diagnostische Kompetenz in Bezug auf die aktuelle Führungssituation und ein variierendes Führungsverhalten (Führungsstilflexibilität).

I Borg (2000) begreift den Mitarbeiter als einen unternehmerisch denkenden Geschäftspartner. Er verweist damit auf aktuelle Gestaltungsrichtungen für die medizinbetriebliche Strukturorganisation (z. B. Verkürzung der Hierarchie wie beim Konzept fraktaler Organisationsstrukturen (Seelos 1993) und des primary nursing), die den Handlungsspielraum des Einzelnen erweitern und ihm Möglichkeiten zur Mitarbeit bei der Unternehmensentwicklung durch Beteiligung an Qualitätszirkeln und Projektgruppen einräumen. Dieses empowerment gilt nicht zuletzt auch für die Forderung einer stärkeren ökonomischen Mitverantwortung der ärztlichen Leistungserbringer bei der Gesundheitsleistungsproduktion.

Eine der Stereotypenbildung ähnliche Klassifizierung von Mitarbeitern ergibt sich aus dem Halo-Effekt. Anders als bei den Menschenbildern erfolgt die Kategorisierung hier aufgrund einer dem Vorgesetzten als besonders dominant auffallenden erwünschten Eigenschaft des Mitarbeiters, die alle anderen überstrahlt; z. B. „wenn ein Chirurg morgens pünktlich am OP-Tisch steht, dann zeigt das hohe Disziplin und lässt auf einen guten Operateur schließen“ oder „eine Schwester, die sich aufmerksam dem Chefarzt gegenüber verhält, ist auch eine qualifizierte Schwester im Umgang mit Patienten“ (Rathje 2003). Hier wird subjektiv ein regressiver Zusammenhang konstruiert, der nicht (immer) tatsächlich auch gegeben sein muss.

23

2.1

2

Interaktionelle Führung

2.2

Geführte

Geführte im Medizinbetrieb sind die einem Vorgesetzten nach- bzw. zugeordneten Mitarbeiter.

Traditionell erwarten Führende von ihren Mitarbeitern neben fachlicher Professionalität, Leistungsbereitschaft, Konformität (Umsetzung der vorgegebenen Intentionen), Kooperation (Zusammenarbeit mit anderen entsprechend der vorgegebenen Organisationsziele), Loyalität und Anerkennung.

Nach der von GB Graen et al. (1995) vorgelegten Dyadentheorie der Führung unterscheiden Führende bei den Geführten demnach zwischen in- und out-groupMitgliedern. Zwischen Führendem und Geführten der in-group besteht eine respektvolle, vertrauensvolle Beziehung. Der Führende gewährt diesen loyalen, fachlich hoch qualifizierten und motivierten Mitarbeitern besondere Handlungsspielräume, unterstützt sie nach Kräften und sorgt dafür, dass sie von Belohnungen besonders profitieren. Demgegenüber gelingt es Mitarbeitern mit bestenfalls durchschnittlichem Leistungsvermögen (out-group) nicht, eine intensive Beziehung zum Vorgesetzten zu entwickeln. Sie werden daher bei der Vergabe von Belohnungen auch nur am Rande berücksichtigt. Mitglieder der in-group werden geführt (i. S. des Hinausgehens über die Anwendung formaler Kompetenzen), Mitglieder der out-group beaufsichtigt.

Infolge der Einführung neuer (fraktaler, virtueller, lernender) Organisationsmodelle und fortschreitender (budgetbedingter) Arbeitsverdichtung, wird die Rolle des Geführten auch im Medizinbetrieb zunehmend (pro-)aktiver und verantwortungsvoller gesehen, d. h. im Sinne eines internen Unternehmers oder intrapreneurs (Kunstwort, das sich aus „incorporate“ und „entrepreneur“ zusammensetzt) beschrieben. Aber

24

Geführte

kann und darf der Mitarbeiter im Medizinbetrieb aktuell die Engagementleistung, die für das Funktionieren einer delegationsorientierten Organisations- und Führungsstruktur Voraussetzung ist, überhaupt erbringen oder ist er grundsätzlich überfordert? Nach W Corell (1993) sind etwa nur 30% der Beschäftigten delegationsfähig im unternehmerischen Sinn und nach Untersuchungen von W von Eiff (2000) wollen im Krankenhaus „nur persönlichkeitsstarke, fachlich versierte und managementfähige Führungskräfte den delegationsbewussten Mitarbeiter wirklich“. Unstrittig ist, dass sich aktuell nicht nur die Anforderungen an den Führenden, sondern auch an die Geführten in Medizinbetrieben nachhaltig verändern. Insbesondere sollte, so R Hildebrand (2000), vor der Einstellung neuer Mitarbeiter deren Dienstleistungsverständnis und Fähigkeit betriebswirtschaftlichen Denkens geprüft werden. „Denn die Erfahrung lehrt, dass besonders Mitarbeiter(-gruppen) Widerstand leisten, die den Patienten nicht als „Kunden“ im Fokus ihrer alltäglichen Dienstleistungsarbeit sehen.“ Folgt man der auch vom Konzept des total quality management unterstützten Sichtweise des „internen Kunden“, so ist im Medizinbetrieb jeder Beschäftigte sowohl Dienstleister als auch Leistungsnehmer. „Letztlich ist eine exzellente Patientenorientierung auch nur auf der Grundlage eines funktionierenden internen Service möglich“ (Lüthy et al. 2004).

Für das zielgerichtete Verhalten und Handeln des Geführten gleichermaßen bedeutsam wie seine Fähigkeit ist seine Leistungsbereitschaft oder Motivation. Wie der Motivationsprozess abläuft und was Beschäftigte motiviert, versuchen die Prozess- und die Inhaltstheorien (Absatz 2.2.1 ff.) zu erklären. Motivationspotenzial wird aber nicht nur der Aufgabe selbst, sondern auch der Arbeitsorganisation zugeschrieben (Absatz 2.2.3). Qualitativ wird die Führungsbeziehung als transaktionaler Prozess verstanden, d. h. der Führende beeinflusst nicht nur, ebenso unterliegt er Einflüssen der Geführten (Absatz 2.2.4). Relevant für die Ausprägung der Führungsbeziehung sind ferner emergente Effekte, die sich nicht aus der bloßen Addition analytisch gedachter Führungsdyaden (Vorgesetzter-Mitarbeiter-Beziehungen) erklären lassen (Absatz 2.2.5). Motiva-

25

2.2

2

Interaktionelle Führung

tionale Aspekte prägen auch den kritischen Erfolgsfaktor „Mitarbeiterorientierung“ (Absatz 2.2.6).

2.2.1

Motivationsprozess

Motivation bezeichnet 1. den Zustand der Leistungsbereitschaft bei einem Beschäftigten; 2. den intraindividuellen Prozess der Erkennung unbefriedigter Bedürfnisse (Motive), um diese mittels korrespondierender Anreize zu aktivieren und die daraus resultierende

Leistungsbereitschaft

in

erwünschtes

(zielorientiertes)

Handeln

zu

transformieren.

Motivation ist ein der unmittelbaren Beobachtung nicht zugängliches Phänomen (hypothetisches Konstrukt), das zwar höchst handlungsrelevant ist, aber nicht einfach erklärt und noch schwieriger prognostiziert werden kann (Weibler 2001; Klimecki et al. 2001). Dennoch lässt sich der Motivationsprozess mittels der Prozesstheorien (z. B. Vroom 1964; Porter et al. 1968; Locke et al. 1990) näherungsweise verstehen.

Wenden wir dazu das in der Psychologie bekannte S (Stimulus) – O (Organismus) – R (Reaktion) – K (Konsequenz) – Modell des Behaviorismus an (Abb. 2.6). Nach der von EA Locke et al. (1990) entwickelten Zielsetzungstheorie haben medizinbetriebliche Organisationsziele intrinsischen Anreizcharakter, wenn sich der Mitarbeiter mit ihnen identifizieren kann, sie mit seinen Individualzielen und Motiven weitgehend kongruent sind (Zielakzeptanz) oder/und ihn persönlich interessieren (commitment).

Dabei spielt die in der Person gründende intrinsische Motivation „anderen zu helfen“ für Beschäftigte in Medizinbetrieben traditionell eine prominente Rolle.

26

Geführte

Abbildung 2.6:

Basismodell des Motivationsprozesses

Anreize

Aktivierung unbefriedigter Bedürfnisse (Motive)

Intrinsische / extrinsische Motivation (Leistungsbereitschaft)

Intentionsbildung, Handlungsvorbereitung

Handlung (Leistungstransformation)

Bewertung der Handlungsergebnisse

Befriedigung der aktivierten Bedürfnisse

Sie ist jedoch über die verschiedenen Organisationsebenen und –bereiche unterschiedlich präsent. Solange die Mitarbeiter in dem Individualziel „anderen Menschen zu helfen“ ihre Selbstverwirklichung sehen, ist eine weitreichende Identifikation mit den medizinbetrieblichen Zielen gegeben. Besteht keine ausreichend selbstmotivierte Leistungsbereitschaft, stellen die unbefriedigten, intraindividuell unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter die Basis für Interventionen des Führenden dar. Sie können mittels korrespondierender Anreize, wie etwa eine für die Leistungserbringung in

27

2.2

2

Interaktionelle Führung

Aussicht gestellte Kompensationsleistung (Entlohnung, Status, Belohnung usw.), aktiviert werden. Bei einer solchen extrinsisch motivierten Leistungsbereitschaft ist jedoch zu berücksichtigen, dass Medizinbetriebe ihren Führungskräften sehr unterschiedliche Spielräume in der Vergabe von Belohnungen zuweisen. Zum Beispiel schränken tariflich fixierte Regelbeförderungen, dienstaltersabhängige Gehaltserhöhungen oder inflexible Anreizsysteme die Motivationsmöglichkeiten des Führenden stark ein. Wie die Führungsforschung belegen konnte, haben intrinsische Anreize (Anreize, welche die intrinsische Motivation fördern) gegenüber den zwar stärker, aber eher nur kurzfristig wirkenden extrinsischen Anreizen, langfristig gesehen das höhere Motivationspotenzial (Herzberg 2003). Ob es dann tatsächlich zu einer Handlung (Leistungstransformation) der extrinsisch oder intrinsisch motivierten Verhaltens-/Leistungsbereitschaft über die Schritte der Intentionsbildung und der Handlungsvorbereitung kommt, hängt nach der von VH Vroom (1964) entwickelten Valenz-Instrumentalitäten-Erwartungstheorie (VIE-Theorie) vom Anreizwert (Valenz) der Bedürfnisse und der subjektiven Einschätzung der Wahrscheinlichkeit (Erwartung) ab, die angestrebten Bedürfnisse auch tatsächlich befriedigen zu können (Instrumentalität). Bei alternativen Handlungsmöglichkeiten geht die VIE-Theorie von einer subjektiv empfundenen Nutzenmaximierung aus. Die Zufriedenheit des Mitarbeiters folgt dann aus der Befriedigung der aktivierten Bedürfnisse (z. B. die jährliche Bonuszahlung an einen Chefarzt bei Erfüllung der gemeinsam vereinbarten Leistungs- und Kostenziele).

2.2.2

Bedürfnisstruktur

Die im Medizinbetrieb Beschäftigten streben intra- und interindividuell unterschiedlich danach medizinbetriebliche Organisationsziele verwirklichen zu wollen; sie handeln aufgrund individueller Motive (unbefriedigter Bedürfnisse, Wünsche, Beweggründe) und Ziele.

28

Geführte

Was Beschäftigte motiviert, also was im Individuum Verhalten erzeugt und aufrecht erhält, versuchen die Inhaltstheorien zu erklären. Breite Aufmerksamkeit haben dazu die Bedürfnistheorien von AH Maslow (1954), CP Alderfer (1972), DC McClelland (1987) und die Anreiztheorie von F Herzberg (1966) erfahren (Abb. 2.7).

Abbildung 2.7:

Die Ansätze der Bedürfnistheorien von AH Maslow (1954), CP Alderfer (1972), DC McClelland (1987) und der Anreiztheorie von F Herzberg (1966) im Vergleich. Darstellung in Anlehnung an P Hersey et al. (2001), Seite 73. Copyrighted material, adapted with permission of Center for Leadership Studies, Inc. Escondido, CA, USA. All rights reserved.

L e i s t u ng s m o ti v I I I . W a c h s t u m s b e dü r f n i s s e (Growth)

IV . S tatu sb e dü r fn isse (Anerkennung, Aufstiegschancen, Status)

I I I . S o z i a l e B e dü r fn i s s e (Betriebsklima, interpersonale Beziehungen)

D C M c C l e l l a n d (1 9 8 7 )

M a c h tm o t i v

F H e r z b e rg ( 1 9 6 6 ) A r b e i t se l b st ( L e i de n s c h a f t ) V e r an t w o r tu ng E rfo lg A n e r ke nn un g d . e ige ne n L e i st u ng

M o t i v a to r e n

V . S e l b s t v e r w i r k l i c h u ng s b e d ür fn isse (Arbeit selbst, Übernahme v. Verantwortung, Erfolg)

C P A l d e r f e r (1 9 7 2 )

S tatu s U n t e r n e h m e n s i m ag e

II . B e zie h ung sbed ü rfni sse (Relatedness)

I I . S i c h e r h e i t s be d ü r f n i s s e (Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsbedingungen)

Z u g e h ö r ig k e i t s m o t i v

V e r m e id u n g s m o t i v

I n t e r p e r s on a le B e z i eh u n ge n F ü h r un g s st i l

A r b e i t s p l a t z s i c h e rh e i t A r b e i t s p la t z b e d i n g u n g e n

H y g i e ne fa k t o r en

A H M a s l o w (1 9 5 4 )

I. Gr u nd b edü r fn isse (Existence) I. P h ysio log ische B edü r fn isse (Entlohnung)

E n tl o hn un g

Die Bedürfnistheorie von AH Maslow (1954), die allerdings zunächst nicht für die Arbeitswelt entwickelt wurde, unterscheidet i. S. einer Pyramide fünf hierarchisch (von I. bis V.) angeordnete menschliche Bedürfnisse: I. Physiologische Bedürfnisse, II. Sicherheitsbedürfnisse, III. Soziale Bedürfnisse, IV. Statusbedürfnisse und als höchste Stufe V. Selbstverwirklichungsbedürfnisse (Abb. 2.7). Ein (aktuell) befriedigtes Bedürfnis

29

2.2

2

Interaktionelle Führung

kann keine Motivationskraft entfalten. Menschen streben danach, unbefriedigte Bedürfnisse zu befriedigen (Defizitprinzip). Menschliches Verhalten wird grundsätzlich durch das hierarchisch niedrigste unbefriedigte Bedürfnis motiviert (Progressionsprinzip). Erst wenn dieses befriedigt ist, wird das nächst höhere Bedürfnis aktiviert. Selbstverwirklichungsbedürfnisse stellen Wachstums-, die übrigen, weil abschließend zu befriedigen, Defizitbedürfnisse dar. Der Grad ihrer Befriedigung ist nach neuerem Verständnis eine Frage der Erwartung bzw. des Anspruchniveaus.

Auf die medizinbetriebliche Arbeitswelt übertragen ist demnach zunächst für die existenzielle Versorgung der Beschäftigten (Entlohnung) und die Befriedigung der Sicherheitsbedürfnisse (z. B. Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitssicherheit, Sozialleistungen) zu sorgen, bevor die darüber liegenden Bedürfnisse verhaltensbestimmend werden. Die dritte Stufe kann der Wunsch nach einem guten Betriebsklima, insbesondere sozialen Beziehungen, die vierte Stufe das Bedürfnis nach Status und Anerkennung der eigenen Leistung durch Kollegen, Vorgesetzte und Patienten sein. Die höchste Stufe beinhaltet das Bedürfnis der Übernahme von Verantwortung, Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung und der Arbeit an sich. Grundsätzlich sind alle Bedürfnisse zu jeder Zeit wichtig, jedoch variiert die Intensität ihrer Verfolgung individuell, situationsspezifisch und auch lebensphasenbezogen.

Eine der Bedürfnispyramide von AH Maslow ähnliche, aber hierarchisch weniger stringente Aktivierung der menschlichen Grundbedürfnisse hat CP Alderfer (1972) mit seiner ERG-Theorie (Existence-Relatedness-Growth-Theory) angeregt, welche die fünf Maslow’schen Bedürfnisgruppen auf drei reduziert, um die seiner Meinung nach mögliche inhaltliche Überschneidung von Teilen der Sicherheitsbedürfnisse, der sozialen Bedürfnisse und der Statusbedürfnisse zu vermeiden. Er fasst die fünf Ebenen der Maslow’schen Bedürfnispyramide zu drei Bedürfnisklassen zusammen (Abb. 2.7).

30

Geführte

Auf diese drei Bedürfnisklassen wendet er vier unterschiedliche Hypothesen an: Ein unbefriedigtes Bedürfnis wird dominant, und zwar umso mehr, je unbefriedigter es ist (Frustrations-Hypothese). Wird dieses Bedürfnis befriedigt, wird das nächsthöhere Bedürfnis dominant (Befriedigungs-Progressions-Hypothese). Im Unterschied zu AH Maslow (1954) kann aber auch ein nicht befriedigtes Bedürfnis einer niedrigeren Stufe dazu führen, ein höheres zu aktivieren (Frustrations-Progressions-Hypothese). Wird ein höher positioniertes Bedürfnis nicht befriedigt, kann auch das in der Hierarchie niedriger rangierende, gegebenenfalls leichter zu befriedigende Bedürfnis akut werden (Frustrations-Regressions-Hypothese).

Geht man davon aus, dass ein Teil der Bedürfnisse sowie ihre Rangordnung im Rahmen von Sozialisationsprozessen erlernt wird, kann der Führende die Bedürfnisstruktur des Geführten, d. h. die Art und Dominanz seiner Bedürfnisse, nur eingeschränkt beeinflussen (J Weibler unter Bezug auf H Kossbiel 1990). Darauf geht auch DC McClelland (1987) mit seiner Theorie der gelernten Bedürfnisse ein. Er erklärt menschliches Verhalten als ein ständig wechselndes Zusammenspiel von vier (hierarchisch nicht geordneten) Motiven (Abb. 2.7):

o

Leistungsmotiv. Menschen streben nach Leistung und nach Leistungserfolg bzw. Anerkennung und Belohnung guter Leistungen. Der Mitarbeiter schätzt ein leistungsorientiertes Klima.

o

Machtmotiv. Menschen streben danach, anderen überlegene Positionen zu erreichen, d. h. in Organisationen eine höhere Positionsmacht zu realisieren und wachsende Verantwortung zu übernehmen. Der Mitarbeiter schätzt ein machtorientiertes Klima, Hierarchie, Autorität und Verantwortung. Das Machtmotiv kann entweder egoistisch oder altruistisch ausgeprägt sein.

o

Zugehörigkeitsmotiv. Menschen streben danach, Bestandteil einer sozialen Gemeinschaft zu sein und dort Sicherheit zu finden. Dies hat Auswirkungen für den Zu-

31

2.2

2

Interaktionelle Führung

sammenhalt von Gruppen, für die Zusammenarbeit und für die gegenseitige Unterstützung. Mitarbeiter mit hohem Zugehörigkeitsstreben präferieren konfliktarme Situationen und Interaktionen mit geringem Wettbewerb. o

Vermeidungsmotiv. Menschen streben danach Misserfolge, Ablehnung und Missachtung zu vermeiden. JW Atkinson (1975) unterscheidet Mitarbeiter, die den Misserfolg zu vermeiden suchen (misserfolgsmotivierte Mitarbeiter) und solche, die den Erfolg anstreben (erfolgsmotivierte Mitarbeiter). Grundsätzlich dominiert bei jedem Menschen eine dieser beiden Dimensionen.

Die jeweiligen Motive, ihre konkrete Umsetzung und relative Vorrangigkeit werden vom Einzelnen in seiner Kultur durch die Verbindung emotionaler Erfahrungen in einer bestimmten Situation (unbewusst) erlernt und in ähnlichen Konstellationen wieder aktiviert. Für die Führungspraxis folgt daraus, dass die Motivstruktur des Mitarbeiters nicht nur durch die Führungssituation sondern auch durch seine Biografie beeinflusst wird. Zudem zeigt dieser Verweis auf das (frühkindliche) Lernen, dass grundsätzliche Lernmechanismen wie Belohnung und Bestrafung auch angewandt werden können, um ein bestimmtes Motiv oder die hieraus erwachsenden Verhaltensweisen, so z. B. das Leistungsstreben, teilweise zu beeinflussen (Weibler 2001).

Das neben der Bedürfnispyramide von AH Maslow in der Management-Literatur ebenso gerne zitierte und nach wie vor aktuelle Motivationsmodell wurde 1966 von F Herzberg entwickelt. Mit Hilfe der Methode kritischer Ereignisse fanden F Herzberg und seine Mitarbeiter heraus, dass jeweils andere Bedingungen dafür verantwortlich waren, ob Arbeitnehmer verschiedener Berufsgruppen mit ihrer Arbeit zufrieden waren oder nicht. Ausgangspunkt ihrer Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit ist die Feststellung, dass auf Arbeitszufriedenheit andere Faktoren einwirken als auf Unzufriedenheit (Abb. 2.8). Arbeitszufriedenheit lässt sich nach F Herzberg nur durch die Gegenwart von Motivatoren, d. h. die Arbeit selbst, die Anerkennung der Leistung,

32

Geführte

Aufstiegschancen und die Übertragung von Verantwortung erzielen, nicht durch die Befriedigung der sogenannten Hygienefaktoren (z. B. gutes Betriebsklima, Entlohnung, Sozialleistungen, sicherer Arbeitsplatz, Arbeitsbedingungen, interpersonale Beziehungen). Fallen diese weg, weil beispielsweise freiwillige Sozialleistungen plötzlich nicht mehr gezahlt werden oder sich das bislang gute Arbeitsklima durch Vorgesetztenwechsel ändert, werden Unzufriedenheit und Demotivation ausgelöst. Hygienefaktoren vermeiden Unzufriedenheit, bewirken aber keine Arbeitszufriedenheit. Motivatoren begünstigen Arbeitszufriedenheit, vermeiden aber keine Unzufriedenheit. Anders ausgedrückt: Die Arbeit entscheidet über die Arbeitszufriedenheit, die Kontextvariablen (Hygienefaktoren) über Unzufriedenheit.

Abbildung 2.8:

Die Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit. F Herzberg (1966) unterscheidet zwischen Faktoren, die Arbeitszufriedenheit fördern (Motivatoren) und Faktoren, die Unzufriedenheit verhindern (Hygienefaktoren).

NichtZufriedenheit

-

„sa t i sf i er s“

+

Zufriedenheit

( Mot i va t o re n ) Leistung Erfolg Verantwortung Die Arbeit selbst (Leidenschaft) Entwicklungsmöglichkeiten Anerkennung der eigenen Leistung Interpersonale Beziehungen Arbeitsbedingungen Führungsstil Firmenimage Entlohnung Status

Unzufriedenheit

-

„d i s -s at i sf i e r s“ ( Hy gi e n e -F a kt o re n )

+

NichtUnzufriedenheit

33

2.2

2

Interaktionelle Führung

Trotz der u. a. kritisierten unscharfen Abgrenzung der Faktoren und deren Zuordnung, der Negation interindividueller Unterschiede und der fehlenden empirischen Überprüfung der gesamten Theorie, bleibt es das Verdienst der Herzberg’schen Anreiztheorie in der Managementlehre einen dramatischen Wandel im Motivationsdenken herbeigeführt zu haben. Als wesentliche Unterschiede sind festzuhalten: Während nach AH Maslow jedes unbefriedigte Bedürfnis Motivatorfunktion haben kann, schreibt F Herzberg diese Funktion nur den Motivatoren zu (Abb. 2.7). Nach AH Maslow werden die Bedürfnisse sukzessive abgearbeitet, nach F Herzberg gleichzeitig berücksichtigt und nach DC McClelland ergibt sich ein ständiges Wechselspiel von vier Grundbedürfnissen.

Daraus folgt letztlich, dass jeder Mitarbeiter im Medizinbetrieb eine individuelle multimotivationale Bedürfnisstruktur hat, die sich zeitlich verändern kann; z. B. gewinnt das Motiv „Arbeitsplatzsicherheit“ bei rezessiven Wirtschaftslagen oder mit zunehmendem Lebensalter des Mitarbeiters an Bedeutung. Determinierend für sein Verhalten ist jeweils das situativ für ihn stärkste Motiv.

Die Stärke der Motive nimmt ab, wenn sie entweder befriedigt oder geblockt werden. Oft werden dann Ersatzziele gesucht (rationales Coping-Verhalten). Frustration entsteht durch wiederholtes Blockieren der Zielerreichung oder bei kontinuierlicher Zielerreichungsaktivität ohne Erreichen des Ziels. Dann tritt vermehrt irrationales CopingVerhalten auf wie z. B. Rationalisierung, Regression, Fixation, Resignation, Apathie, Aggression.

34

Geführte

2.2.3

Arbeitsgestaltung

Erfolgsfaktoren einer bedürfnisorientierten Arbeitsgestaltung in Medizinbetrieben sind das Motivationspotenzial der Tätigkeit, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und die betriebliche Gesundheitsförderung.

Allgemein kann das Motivationspotenzial einer Tätigkeit z. B. nach dem von JR Hackman et al. (1975) entwickelten Job-Description Survey (anhand mehrstufiger Einschätzskalen) bestimmt werden, der fünf Dimensionen unterscheidet:

o

Aufgabenvielfalt (skill variety). Ausmaß, in dem die Ausführung einer Tätigkeit unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verlangt (Tätigkeitsspielraum).

o

Ganzheitscharakter der Aufgabe (task identity). Ausmaß, in dem die Tätigkeit die Erstellung eines abgeschlossenen und eigenständig identifizierbaren „Arbeitsstückes“ verlangt.

o

Bedeutungsgehalt der Aufgabe (task significance). Ausmaß, in dem die Tätigkeit einen bedeutenden und wahrnehmbaren Nutzen für andere innerhalb und außerhalb der Organisation hat.

o

Autonomie des Handelns (autonomy). Ausmaß, in dem die Tätigkeit dem Beschäftigten Unabhängigkeit und einen zeitlichen und sachlichen Spielraum bei der Arbeitsausführung lässt (Entscheidungs- und Kontrollspielraum).

o

Rückkopplung (feedback). Ausmaß an Information, das der Beschäftigte über die Ergebnisse seiner Tätigkeit erhält.

Unstrittig ist aufgrund der ethisch-humanen Aufgabenstellung vor allem die patientenbezogene Tätigkeit für die Beschäftigten in Medizinbetrieben ein besonders wichtiger Motivationsfaktor.

35

2.2

2

Interaktionelle Führung

Zwar erfährt die Autonomie des Handelns ihre Begrenzung durch die medizinischpflegerischen Prioritäten. Sie kann aber durch eine Flexibilisierung der Arbeitsorganisation (z. B. im Bereich der Arbeitszeitstrukturierung und Schichtplangestaltung) und eine qualifikationsfördernde Arbeitsgestaltung gestärkt werden. Dabei treten teilautonome Formen der Selbstorganisation zunehmend an die Stelle einer hierarchischen Fremdorganisation.

In unterschiedlichem Umfang werden daher in Medizinbetrieben verschiedene Modelle der von RG Klimecki et al. (2001) beschriebenen qualifikationsfördernden Arbeitsgestaltung praktiziert:

o

Job rotation (geplanter Arbeitsplatzwechsel) Die Mitarbeiter wechseln temporär nach vorgeschriebenen oder selbst gewählten Zeit- und Reihenfolgen ihre (strukturell gleichartigen) Arbeitsplätze bis hin zu einem totalen Rundumwechsel. Man erreicht auf diese Weise ohne gestalterische Eingriffe in die Arbeitsplätze für die wechselnden Personen eine Erhöhung der Aufgabenvielfalt nach Maßgabe der Aufgabenanforderungen. Zum Beispiel müssen Ärzte im Rahmen ihrer fachärztlichen Weiterbildung mehrere Disziplinen bzw. Abteilungen durchlaufen. Eine weitere Variante ist die job rotation der Beschäftigten zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen innerhalb eines Medizinbetriebs (z. B. Krankenhaus, Pflegeheim, Rehabilitationsklinik), um ihnen ein besseres Verständnis für die Gesamtzusammenhänge zu vermitteln. Auch kann man job rotation dazu nutzen, langfristig Mehrfachqualifikationen bei den Mitarbeitern aufzubauen, um sie flexibler einzusetzen (z. B. können Mitarbeiter des Pflegedienstes auf fachlich verschiedenen oder interdisziplinären Stationen eingesetzt werden). Allerdings lässt sich die Aufgabenvielfalt nur nach Maßgabe der vorhandenen Arbeitsplätze variieren.

36

Geführte

o

Job enlargement (Arbeitsvergrößerung) Strukturell gleichartige, ursprünglich von verschiedenen Mitarbeitern durchgeführte, organisatorisch verteilte Tätigkeiten, werden wieder an einem Arbeitsplatz bzw. in einer Stelle zusammengefasst; z. B. Bezugspflege statt einer personellen Aufteilung pflegerischer Verrichtungen. Der Entscheidungs- und Kontrollspielraum wird nicht vergrößert. Die Erweiterung der Arbeit besteht in einer quantitativen Erhöhung unterschiedlicher Tätigkeiten. Somit wird der Arbeitsplatz vielfältiger und für den Mitarbeiter abwechslungsreicher.

o

Job enrichment (Arbeitsanreicherung) Sowohl job enlargement als auch job rotation basieren auf einer Ausdehnung des Arbeitsfeldes, was in der Regel mit einer fachlichen Kompetenzerweiterung verbunden ist. Beide Gestaltungsoptionen verändern den dispositionalen Handlungsspielraum nicht und sind daher in ihrer motivationalen Wirkung begrenzt. Job enrichment zielt dagegen auf eine Ausweitung des Entscheidungs- und Kontrollspielraums durch eine vertikale Ausdehnung des Aufgabenfeldes. Im Ergebnis sind die Mitarbeiter für einen ganzen Aufgabenkomplex zuständig, den sie weitgehend unabhängig und eigenständig bearbeiten (z. B. Bereichspflege, ganzheitliche Projektverantwortung für den Aufbau einer Tagesklinik, die singuläre ärztliche Leitungsverantwortung für multiprofessionelle Behandlungsteams). Das job enrichment-Niveau bestimmt sich nach der Ausweitung des Entscheidungsund Kontrollspielraums sowie nach Art und Umfang der erreichten neuen Aufgabenvielfalt. Durch job enrichment kann die Motivation eines Mitarbeiters aber nur dann erhöht werden, wenn er auch wirklich mehr Entscheidungsspielraum und Verantwortung an seinem Arbeitsplatz haben möchte.

37

2.2

2

Interaktionelle Führung

o

Teilautonome Arbeitsgruppen Selbststeuernde Arbeitsgruppen sind Kleingruppen im Gesamtsystem der Organisation, deren Mitglieder zusammenhängende Aufgabenvollzüge gemeinsam eigenverantwortlich zu erfüllen haben, und die zur Wahrnehmung dieser Funktionen über entsprechende – vormals auf höheren hierarchischen Ebenen angesiedelten – Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen verfügen (Manz et al. 1995). Je nach den Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die der Arbeitsgruppe zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen sind, lassen sich verschiedene Formen der Selbststeuerung unterscheiden (z. B. Profit Center, fraktale Organisationsstrukturen). Möglichkeiten zur Erhöhung des Verantwortungs- und Einflusspotenzials bieten sich für die Mitarbeiter ferner durch eine Mitarbeit in Innovations- und Rationalisierungsprojekten oder in Qualitätszirkeln im Sinne eines kontinuierlichen Veränderungsprozesses.

In letzter Zeit gewinnen durch die sich auch in Medizinbetrieben vollziehende Arbeitsverdichtung Aspekte der psychosozialen Belastung besondere Aktualität. Sie folgen aus den Konstrukten : o

„Belastung“ (z. B. Zeit- und Termindruck, unerwartete Unterbrechungen, zu hohe Anforderungen, fehlende Unterstützung, fehlende Anerkennung),

o

„Beanspruchung“ (Grad der Belastung und deren subjektive Bewertung),

o

„Jobunsicherheit“ und

o

„Interpersonale Konflikte“ (Personal, Patienten, Angehörige).

In verschiedenen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass hohe Anforderungen bei geringen Entscheidungsspielräumen und sozialer Unterstützung zu hohen psychosozialen Belastungen führen. Diese werden verstärkt, wenn ihnen auch noch diskongruente Kompensationsleistungen gegenüberstehen. Den bekannten körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen für die Beschäftigten und den wirtschaftli-

38

Geführte

chen Folgen für den Medizinbetrieb, z. B. durch Leistungsschwankungen, Fehlentscheidungen, Fehlhandlungen, Absentismus und Personalfluktuation, soll mit sozialen (employee assistance programs) und medizinischen (Supervisionen, Gesundheitsförderprogramme) Hilfeangeboten für die Beschäftigten vorgebeugt werden. Besonders zu erwähnen sind hier u. a. das WHO-Programm „Das gesundheitsfördernde Krankenhaus“ (The health promoting hospital) sowie die aktive Einbeziehung der Beschäftigten in die Planung und Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderung im Rahmen von Gesundheitszirkeln.

2.2.4

Wechselseitige Führung

Menschen in Organisationen führen nicht aufgrund ihrer Positionsmacht (allein), sondern aufgrund ihrer soft skills (Abb. 2.3) oder Personenmacht (Tab. 2.2).

Führender ist daher derjenige, der andere erfolgreich beeinflusst. So gesehen kann im Medizinbetrieb jeder Beschäftigte grundsätzlich auch Führender sein.

Der Führungsbegriff schließt damit, im Unterschied zur „Leitung“, auch eine informelle Führung gegenüber einer übergeordneten Führungsinstanz ein. Sie kann positiv über Vertrauen, Respekt und Loyalität, negativ über Boykott wie Dienst nach Vorschrift, Informationsvorbehalt oder über versteckte Informationsweitergabe ausgeübt werden.

Kontrastierend zur Positionsmacht basiert in Medizinbetrieben die „Führung von unten“ auf Informationsasymmetrien, d. h. vor allem auf Experten- und Faktenwissen der Geführten, insbesondere der unmittelbaren Kenntnis der Patientensituation (Rathje 2003). Dies begünstigt, wegen der notwendigen Partizipation der Geführten an Entscheidungsprozessen, einen kooperativen Führungsstil (Absatz 2.4.1).

39

2.2

2

Interaktionelle Führung

Wie D Kipnis et al. (1984) und J Weibler (2001) zeigen konnten, versuchen Mitarbeiter den Führenden vor allem durch folgende Strategien in ihrem Sinn zu beeinflussen, um sachliche oder persönliche Ziele zu erreichen:

o

seine zeitliche Inanspruchnahme,

o

eine rationale Argumentation (sachbetonte Diskussionsführung, Vorbereitung von Schriftstücken, Unterlegung von Vorlagen mit Zahlen usw.),

o

den Verweis auf geltende Werte und Normen (Führungsgrundsätze, bisherige Praktiken etc.),

o

die Präsentation anregender Vorschläge,

o

eine Koalitionsbildung mit Gleichgesinnten,

o

besondere Freundlichkeit in der Zielverfolgung,

o

die Konsultation des Führenden, um ihn durch die Bitte um Rat einzubinden und ihn dadurch für die eigene Sache zu gewinnen.

Unter dem Aspekt der Mitarbeiterorientierung kann die „Führung von unten“ auch formalisiert diskutiert werden. Das Spektrum reicht von den im Betriebsverfassungsgesetz (oder Personalvertretungsgesetz) normierten Beteiligungs-, Mitwirkungs- und Zustimmungsrechten bis zu medizinbetrieblichen Initiativen wie zum Beispiel Programmen zum Vorschlagswesen, dem Prinzip der offenen Türe, der Anwendung eines mitarbeiterorientierten Führungsstils und dessen Verankerung in Führungsgrundsätzen (vgl. Tab. 2.4).

40

Geführte

2.2.5

Emergente Effekte

Häufig erklären sich Verhaltensweisen des Führenden und/oder der Geführten erst durch die Tatsache, dass jede Führungsbeziehung im Medizinbetrieb in zahlreichen organisationsinternen und -externen personalen Netzwerken verortet ist (Abb. 2.9).

Abbildung 2.9:

Personales Netzwerk einer medizinbetrieblichen Führungssituation

Vorgesetzter

Vorgesetzter

Soziales System

Patienten

Angehörige

Einweiser Führender Kollegen Kostenträger

Berufskollegen

Geführte(r)

Geführte(r)

Interne Personen

Behördenvertreter

Externe Personen

Zum einen muss aufgrund der personalen Netzwerke mit integrierenden oder differenzierenden Gruppeneffekten (Gruppenbildung, Gruppendenken, gruppenorientierte Rollenaufteilung) und Konflikten gerechnet werden. Zum anderen muss der Führende, vor allem in größeren Medizinbetrieben wie z. B. Praxiskliniken, Krankenhäusern oder medizinisch-wissenschaftlichen Instituten, mit 41

2.2

2

Interaktionelle Führung

mehreren organisatorisch gleichgestellten Kollegen zusammenarbeiten. Eine solche laterale Kooperation, kennt keine hierarchisch begründete Positionsmacht. S Kühl et al. (2005) empfehlen dann die Zusammenarbeit als einen (mikro-)politischen Prozess zu begreifen, also eher auf eine partielle Verständigung als auf einen grundsätzlichen Konsens zu setzen. Es sei allemal besser sich in Teilfragen zu verständigen oder einen Weg einzuschlagen, auf den man sich verständigen kann, wenn er mit vertretbarem Aufwand und Zeitbedarf zum Ziel führt, statt den „besten“ Weg durchzusetzen. Weil es hier mehr um kollektive als persönliche Auffassungen und Interessen geht, also solche, die von organisatorischen Strukturen gestützt und verteidigt werden, sind Methoden der Diskursführung für das laterale Führen besonders geeignet. In diesem Sinn versteht E Rühli (1992) laterales Führen als multipersonale Problemlösung.

2.2.6

Mitarbeiterorientierung

Voraussetzung zur Erzielung von Arbeitszufriedenheit ist eine an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientierte Gestaltung der Motivatoren und Hygienefaktoren (Mitarbeiterorientierung).

Welche praktischen Konsequenzen lassen sich nun dazu aus den Ergebnissen der Prozess- und Inhaltstheorien für die Personalführung in Medizinbetrieben ziehen? Eine vergleichende Analyse kommt zwar nicht zu schematischen Handlungsanleitungen, jedoch zu einigen für die Führungspraxis wichtigen Empfehlungen:

(a) Der Führende hat die situativen Bedürfnisse des Geführten zu ermitteln und korrespondierende Anreize zu bieten, will er intrinsische Motivation verstärken oder extrinsisch motivierte Leistungsbereitschaft aktivieren (Evans 1995).

42

Geführte

(b) Was Beschäftigte motiviert ist stark personen- und situationsabhängig. Dies verlangt eine Individualisierung medizinbetrieblicher Anreizsysteme (Abschnitt 4.2).

(c) Grundsätzlich ist die Entlohnung ein wichtiger Motivationsfaktor, weil damit andere Bedürfnisse indirekt befriedigt werden können (Kompensationsleistung). Dabei ist für den Einzelnen nicht allein die nominale Höhe der Entlohnung wichtig, sondern ob diese mit der Entlohnung von Kollegen in vergleichbaren Arbeitssituationen als gerecht empfunden wird (vgl. hierzu auch die Gerechtigkeitstheorie von Adams 1966).

(d) „Führende müssen lernen, dass die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter keine zwangsläufige Folge des Arbeitsvertrags ist, sondern sich aus der Übernahme sinnvoller und verantwortungsvoller Aufgaben ableitet“ (Haubrock et al. 2002). Insofern muss es Aufgabe erfolgreicher Führung sein, in Medizinbetrieben organisatorische Rahmenbedingungen zu schaffen und organisations-kulturelle Spielregeln zu vereinbaren, in deren Rahmen Mitarbeiter Selbstmotivation entwickeln und Selbstachtung erleben können; z. B. durch Delegation von Verantwortung, dezentralisierte Entscheidungsprozesse, eine innerbetriebliche Karriereplanung. Dies würde im weitesten Sinn einem mitarbeiterorientierten Führungsansatz entsprechen wie er explizit auch von dem für Krankenhausbetriebe einschlägigen Qualitätsentwicklungssystem KTQ® (KTQ® 2004) gefordert wird. Die Missachtung der Selbstachtung und Selbstverwirklichung der Mitarbeiter ist, dies bestätigen auch Mitarbeiterbefragungen in Krankenhausbetrieben, Motivationskiller Nummer eins (von Eiff 2000). Ein Mitarbeiter, der nicht ernst genommen wird oder dessen Meinung nicht zählt, fühlt sich ausgestoßen oder wertlos. Symptomatisch für eine „De-Motivationskultur“ sind unfaire (versteckte) soziale Spielregeln wie z. B. Intrigen, geblockte Initiativen, destruktive Kritik, bewusstes Übergehen, Ungerechtigkeit, mangelndes Zutrauen oder geringe Anerkennung

43

2.2

Interaktionelle Führung

der Arbeitsleistung, fehlende Ziele, intransparentes oder inkonsequentes Verhalten des Führenden, keine oder schlechte Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder bekannter Mitarbeiter in neue Aufgabenbereiche, das Nichteinhalten von Versprechen

über

Entwicklungsmöglichkeiten,

Unter-

oder

Überforderung,

Vernachlässigung von Hygienefaktoren, Mobbing usw. (Collins 2003). „Manipulierender Einfluss auf die eigene Arbeitsweise“, „Abgrenzungsprobleme und Kompetenzgerangel zwischen den Abteilungen“ und „Rollenkonflikte“ sind häufig genannte De-Motivatoren, denen sich Führungskräfte „von oben“ ausgesetzt fühlen (u. a. von Eiff 2000).

Eine De-Motivationskultur führt (bei konstanten Personalkosten) zu Leistungsverlusten im Medizinbetrieb (Abb. 2.10) und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen für den Beschäftigten (Absatz 2.2.3).

Abbildung 2.10: Stufen der Non-Motivation. Schlecht oder nicht (mehr) motivierte Mitarbeiter produzieren (bei konstanten Personalkosten) Leistungsverluste! Lei st un gsp ote nz i al %

100

80

Motivation

Frustration

Aggression 50 Resignation

= L eis tu n gsv erl us t

Demotivation Moti v a tio nsv e rl us t

2

Depression

30

Emigration

Fluktuation 0 t

44

Geführte

Nach einschlägigen Untersuchungen wird in Großunternehmen mehr als 30% der Arbeitszeit eines Mitarbeiters mit unproduktiven Grabenkämpfen vergeudet; manche Führungskräfte verwenden sogar mehr als 50% ihrer Arbeitszeit zur Absicherung ihrer Position und dieser prozentuale Anteil wächst von Führungsebene zu Führungsebene (von Eiff 2000). W Pansen et al. (1996) beziffern die volkswirtschaftlichen Kosten des Phänomens „Angst“ auf jährlich 50 Mrd. € und die des Mobbings auf 15 Mrd. €. Erfolgreiche Führung konzentriert sich demnach weniger auf (extrinsische) Motivation, sondern vermeidet Demotivation (Sprenger 2001, 2002). Es mag zwar banal klingen - aber gute Vorgesetzte nehmen ihre Mitarbeiter ernst, interessieren sich für sie und ihre beruflichen Probleme, sind ihnen gegenüber ehrlich und glaubwürdig, haben Zivilcourage, fördern durch Fordern, korrigieren und loben, können kommunizieren und (aktiv) zuhören. Coaching (Abschnitt 4.6) als modische Variante mitarbeiterorientierter Führung fordert den Führenden explizit dazu auf, die ihm zugeordneten Mitarbeiter zu unterstützen, zu beraten und eine selbstständige Arbeitsweise zu fördern.

(e) Selbstmotivation entwickelt ein Mitarbeiter dann, wenn

o

seine Ziele, Bedürfnisse, Interessen und Begabungen erfüllt werden, d. h. seine subjektiven Neigungen („das was er will“) und objektiven Begabungen („das was er kann“) weitgehend übereinstimmen,

o

er durch eigenes Tun und eigenes Entscheiden einen erfolgreichen Beitrag für das Funktionieren des Medizinbetriebs leistet, der auch der eigenen Person als Leistung zugerechnet und

o

der von anderen, insbesondere dem Führenden, den Kollegen, den Patienten, den Angehörigen anerkannt wird (vgl. Vroom 1964).

45

2.2

2

Interaktionelle Führung

Mitarbeiterorientiert ist daher ein Führungsverhalten, das den aufgabenspezifischen Selbstständigkeitsgrad des Mitarbeiters berücksichtigt und Selbstmotivation fördert (Absatz 2.4.3).

(f)

Das Leistungsmotiv nach DC McClelland (1987) kann der Führende vor allem durch gemeinsam mit dem Mitarbeiter definierte, von diesem akzeptierte (aber erreichbare) Arbeitsziele und objektives, zeitnahes Feedback fördern (management by objectives, Abschnitt 5.4). Wie DK McNeese-Smith (1999) in einer Studie mit Pflegekräften zeigen konnte, wirkt Leistungsmotivation positiv auf das organizational commitment. („Organizational commitment is characterized by a strong belief in the values and goals of the organization, a willingness to work hard and maintain membership in the organization”).

(g) Um eine hohe Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zu erzielen, müssen Motivatoren und Hygienefaktoren gleichermaßen zum Einsatz kommen (Herzberg 2003) und an den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtet werden. In Tabelle 2.4 sind einige Konzepte zur Förderung von Arbeitszufriedenheit durch Mitarbeiterorientierung für Medizinbetriebe zusammengestellt.

2.3

Gruppen und Teams

Unabdingbare Voraussetzung für die Erbringung von Gesundheitsleistungen ist das flexible Zusammenwirken spezialisierter Berufsgruppen. Daraus folgt:

Die soziale Struktur in Medizinbetrieben dominiert organisatorisch gewollt und durch sozialpsychologische Gesetzmäßigkeiten der Zusammenarbeit begünstigt, ein Gefüge formeller und informeller (Arbeits-)Gruppen.

46

Gruppen und Teams

Tabelle 2.4:

Konzepte zur Förderung von Arbeitszufriedenheit durch Mitarbeiterorientierung im Medizinbetrieb

o Verankerung der Mitarbeiterorientierung im Organisationsleitbild und in Führungsgrundsätzen o ein die Selbständigkeit des Mitarbeiter förderndes Führungsverhalten o sichere und ergonomische Arbeitsplätze o bedürfnisorientierte Arbeitsgestaltung o die Einhaltung geplanter Arbeitszeiten o soziale und medizinische Angebote zum Management psychosozialer Belastungen o ein implementiertes Verfahren zum medizinbetrieblichen Vorschlagswesen und Beschwerdemanagement o Planung des Personalbedarfs o die aufgabenbezogene Festlegung der geforderten Qualifikation o die systematische Einarbeitung von Mitarbeitern o eine systematische Personalentwicklung o eine systematische Fort- und Weiterbildung, die an den Bedürfnissen der Beschäftigten und des Medizinbetriebs ausgerichtet ist o die zeitlich uneingeschränkte Verfügbarkeit angemessener Fort- und Weiterbildungsmedien o die Sicherstellung des Lernerfolgs in der medizinbetrieblichen Aus- und Weiterbildung o Praktizierung regelmäßiger Mitarbeitergespräche und Mitarbeiterbefragungen o eine leistungsgerechte Bezahlung

Allgemein versteht man unter einer Gruppe mindestens zwei Personen, die längere Zeit annähernd gleiche Ziele (Gruppenziele) durch gemeinsame Interaktion (Gruppenhandeln) verfolgen; z. B. die Gruppe der leitenden Abteilungsärzte eines Krankenhauses, eine Selbsthilfegruppe oder psychoedukative Gruppen. Eine Gruppe gewinnt intern Sozialstruktur durch Herstellung einer Rangordnung zwischen den Mitgliedern (Statusstruktur), die Formulierung gegenseitiger Verhaltenserwartungen (Rollenstruktur) und die Ausprägung affektiver Beziehungsstrukturen, also die Anerkenntnis von

47

2.3

2

Interaktionelle Führung

Führungspersonen, denen durch die Organisation formelle oder durch die Gruppe informelle Einflussmöglichkeiten zugestanden werden (Führungsstruktur). Besonders eng kooperierende Gruppen firmieren unter dem Begriff „Team“; z. B. Pflegeteam, Behandlungsteam, Operationsteam, Projektteam. Dabei schwingt im Vergleich zum Gruppenbegriff die Vorstellung einer höheren Gruppenkohäsion und besser funktionierenden Kooperation mit. Eine klare semantische Unterscheidung unterstützt diese Konnotation allerdings nicht (von Rosenstiel et al. 2003).

Gruppen in Medizinbetrieben können formell durch gezielte organisatorische Entscheidungen oder informell zustande kommen. Weitere Merkmale zur Qualifizierung von Gruppen sind neben ihrer personellen Zusammensetzung (knowledge, skill, soziodemografische Merkmale der Mitglieder wie Alter, Geschlecht, Nationalität), die Gruppengröße (Anzahl der Mitglieder), die Gruppenstruktur (Bildung von Untergruppen), die Gruppenautonomie (autonom, teilautonom, nicht autonom), die Gruppendauer (zeitlich befristet, unbefristet), die Gruppenwerte und –normen (gelebtes Wertesystem, Leistungsnormen, Qualitätsstandards, Kommunikationsregeln, Sozialqualität), die Gruppenkohäsion (Gemeinschaftsgefühl), die gruppeninterne Sozialstruktur (Statusstruktur, Rollenstruktur, Führungsstruktur), das Gruppenziel (gemeinsames Organisationsziel) und die Gruppenleistung (erreichtes Organisationsziel). Wie R Osterchrist (2001) zeigen konnte, ist es im Hinblick auf sozio-dynamische Aspekte (Konkurrenzverhalten, Rollenerwartung und Bindungsorientierung) nicht unerheblich, ob die Gruppe von einem weiblichen oder einem männlichen Leiter geführt wird.

Das Erreichen des Gruppenziels (Gruppeneffektivität) ist von vielfältigen Faktoren abhängig: Der gemeinsamen Zielidentifikation (commitment), der Aufgabenkoordination durch den Führenden, der Motivation und dem Vertrauen der Mitglieder in die eigenen und kollektiven Fähigkeiten (individuelle und kollektive Wirksamkeit), der gegenseitigen Unterstützung und Gruppenkohäsion, der Information und Kommuni-

48

Gruppen und Teams

kation, der Rollenklarheit sowie dem Know-how und dem skill der Gruppenmitglieder. Gruppen mit einer hohen Diversität (Einstellungen, Präferenzen usw.) erzielen gewöhnlich bessere Ergebnisse als solche mit einem hohen Ähnlichkeitsgrad. „Man stelle sich nur eine Fußballmannschaft aus lauter Torhütern vor“ (Malik 2000).

In der Regel arbeiten heute in einem größeren Medizinbetrieb mehrere Generationen zusammen. In den USA apostrophiert man sie als Veteranen (Jahrg. 1922-43), Babyboomer (Jahrg. 1943-60), Xers (von Generation X, Jahrg. 1960-80) und Nexters (ab Jahrg. 1980). Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihr Alter, sondern auch durch ihre Erfahrungen, die ihre Wertvorstellungen, Lebensansichten und ihre jeweils eigene Arbeitsethik prägen (Zemke 2005). Wer solche heterogenen Gruppen effektiv führen möchte, muss die Unterschiede zwischen den Generationen verstehen und im Interesse des Gruppenziels aufeinander abstimmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass heterogene Gruppen eine geringere Gruppenkohäsion entwickeln als homogen zusammengesetzte (Steinmann et al. 2002). Dieser Befund könnte die hohe Kohäsion berufsständischer Gruppen oder das Auftreten entsprechender Subkulturen (Abschnitt 3.3) erklären. Ferner sind für eine effektive Gruppenführung vor allem auch affektive Prozesse für das Unterstützungsverhalten von Gruppenmitgliedern wichtig.

Zur Optimierung ihres Wissensmanagements bilden Medizinbetriebe häufig sogenannte Hochleistungsteams. Sie setzen sich aus Mitgliedern (Experten) verschiedener Professionen, Führungsebenen und unterschiedlicher Erfahrungshintergründe zusammen, die oftmals auch vom Persönlichkeits- bzw. Verhaltenstyp her divergente „Pole“ besetzen (z. B. Visionär, Macher, Berater). So gesehen kann im Medizinbetrieb eine Gruppe als eine „Konstruktion multiprofessioneller Kooperationsmöglichkeiten“ (Rathje 2003) aufgefasst werden. Sie deutet gleichermaßen die Vorteile der Gruppenarbeit, zugleich aber auch die Herausforderung einer integrierenden Personalführung an. Der Erfolg solcher „Diversity-Gruppen“ hängt aber nicht de facto davon ab, dass

49

2.3

2

Interaktionelle Führung

sie heterogen zusammengesetzt sind, sondern wie sie in ihrer Heterogenität geführt werden.

Multikulturelle Gruppen sind typisch für Expertenorganisationen und gewinnen, bedingt durch personelle Engpässe auf dem Arbeitsmarkt, auch in Medizinbetrieben weiter an Bedeutung. Diese Entwicklung korrespondiert mit einem ebenfalls zunehmend multikulturellen Krankengut. Eine zentrale Stärke multikultureller Gruppen ist ihre Flexibilität und Kreativität. Multikulturelle Gruppen haben deshalb günstige Voraussetzungen für die Bewältigung von divergenten, komplexen und unstrukturierten Aufgabenstellungen. Schlechte Voraussetzungen bringen sie dagegen für konvergente, repetitive und stark strukturierte Aufgaben mit, die ein hohes Maß an Koordination erfordern (Hambrick 1998). Empirische Untersuchungen zeigen, dass multikulturelle Gruppen sich ihrer kulturellen Vielfalt oftmals kaum bewusst sind und entweder bessere oder schlechtere Leistungen erbringen als monokulturelle. Dieser Befund wird nicht durch die kulturelle Vielfalt an sich erklärt, sondern durch die Art und Weise, wie die Gruppe damit umgeht. Am erfolgreichsten sind multikulturelle Gruppen, die eine synergetische Form der Zusammenarbeit finden. Ihnen gelingt es, ihr kreatives Potenzial zu nutzen und Konflikte zu vermeiden, indem sie sich auf gemeinsame Regeln verständigen, die mit den unterschiedlichen kulturellen Normen vereinbar sind. Als Voraussetzungen für das Entstehen kultureller Synergie benennen R Lehmann et al. (2004) die Zusammensetzung der Gruppe, ein Minimum an Gemeinsamkeiten (common ground) und eine ethnorelative Einstellung der Gruppenmitglieder.

2.3.1

Gruppenbildung

Gruppen brauchen Zeit, um sich zu bilden. Die Bildung von Gruppen vollzieht sich, so S von Thun (2005), als ein sozio-dynamischer Prozess „mit all seinen Aspekten wie

50

Gruppen und Teams

Zusammenfinden und Zusammenraufen, Kommunikations- und Streitkultur, Integration von Neuen und von Außenseitern, Herausbildung eines Wir-Gefühls bei gleichzeitigem Ich-Bewusstsein, Herausbildung von anerkannten Regeln, Normen und Kooperationsstilen“, der mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen kann.

Üblicherweise werden fünf Phasen der Gruppenbildung unterschieden (Tuckmann 1965):

o

Formierungs- oder Orientierungsphase (forming),

o

Sturm- oder Differenzierungsphase (storming),

o

Normierungs- oder Integrationsphase (norming),

o

Reifephase (performing),

o

Auflösung (adjourning).

Die Formierungsphase ist die Phase des Kennenlernens. Die Gruppenmitglieder prüfen einander auf Gemeinsamkeit und Diversität. Wesentlich für eine kohäsive Entwicklung in der Gruppe ist ein gewisses Maß an Selbstregulation, z. B., dass die Zuordnung von Aufgaben und die Definition von Regeln in der Gruppe selbst erfolgen und nicht von außen vorgegeben werden. Die Sturmphase ist die kritische Phase jeder Gruppenentwicklung. Die Mitglieder beginnen sich zu definieren und voneinander abzugrenzen, polarisieren Meinungen, melden Dominanzansprüche an und suchen nach Verbündeten. Es kann zu Intra-Gruppenkonflikten und einer emotionalen Ablehnung von Aufgabenanforderungen kommen. Zu den aufgestellten Gruppennormen entwickelt das einzelne Gruppenmitglied Konformität durch Einwilligung, Anerkennung oder Internalisierung (Kelman 1958). Es bildet sich ein Beziehungsgefüge oder eine Gruppenidentität heraus, die sich in eigenen Zielen, Normen und Standards, interner Sozialstruktur und kollektiven Handlungsmustern ausdrückt (Steinmann et al. 2002). Wenn sich die Positionen zu festigen beginnen, tritt die Gruppe in die Normie-

51

2.3

2

Interaktionelle Führung

rungsphase ein. Jetzt besteht weitgehend Einigkeit über die Gruppennormen und –regeln sowie über den Status und die Rollen der Gruppenmitglieder. Gruppenkohäsion entsteht, Kooperation verfestigt sich. In der Reifephase konzentriert sich die Gruppe auf der Basis der ausgeprägten internen Sozialstruktur auf das Erreichen bestimmter (Gruppen-)Ziele. Die in späteren Studien von BW Tuckmann ergänzte fünfte Phase (adjourning) berücksichtigt die Auflösung der Gruppe. Selbstverständlich unterliegt diese Phasenabfolge keiner Zwangsläufigkeit. „Vor allem Einflüsse aus der Gruppenumwelt können eine rasche Umorientierung verlangen oder auch eine Fixierung auf bestimmte Phasen mit sich bringen...“ (Steinmann et al. 2002). Selbstverständlich löst auch der Eintritt neuer, ebenso wie der Austritt vorhandener Gruppenmitglieder (Umsetzung, Versetzung, Beendigung des Arbeitsverhältnisses) sozio-dynamische Prozesse aus.

2.3.2

Gruppeneffekte

Eine Gruppe besteht zwar aus mehreren Personen, ist aber soziologisch keineswegs als eine Summierung von Einzelpersonen aufzufassen, sondern als eine eigenständige soziale Einheit mit speziellen Interaktionsprozessen und Effekten eigener Gültigkeit. Vor allem hochkohäsive Gruppen entwickeln gegenüber dem Führenden eine Eigendynamik. Unabhängig vom Prozess der Gruppenbildung (Absatz 2.3.1) sollte sich der Führende daher gewisser gruppendynamischer und motivationaler Effekte bewusst sein.

Positive gruppendynamische Effekte sind wechselnde, auf die Gruppenmitglieder bezogene Integrations- und Differenzierungseffekte (Franke 1980). Negative Gruppeneffekte sind besondere kollektive Handlungsmuster, die sich entweder indirekt auf Formen kollektiver Entscheidungsprozesse (Stoner 1968, Janis 1982) oder aber direkt auf bestimmte Kollektiv-Aktionen beziehen können.

52

Gruppen und Teams

Gruppenentscheidungen, wie etwa in medizinbetrieblichen Strategiekonferenzen, tendieren nach JAF Stoner (1968) dazu, risikoreicher zu sein als die Entscheidung Einzelner, weil die subjektive Verantwortung für die Entscheidung und ihre Konsequenzen von den einzelnen Mitgliedern weniger wahrgenommen wird und risikofreudige (sozial dominante) Mitglieder den Rest der Gruppe mitziehen (Risikoschub).

Für die Patientenbehandlung nicht unproblematisch ist der Befund von G Moorhead et al. (1991), nach dem starker Zeitdruck und Führende, die wenig Divergenz zulassen, ein Klima schaffen, das Gruppendenken (Janis 1982) fördert. Vor allem hochkohäsive Gruppen neigen dazu, vorschnell Einmütigkeit herzustellen und dazu im Widerspruch stehende Meinungen zu verdrängen oder zu unterdrücken. Das Streben nach Einvernehmen scheint stärker zu sein als das Bestreben, sich über ein Problem argumentativ auseinander zu setzen und Alternativen zu erörtern. Um diesem negativen Gruppeneffekt vorzubeugen, sollte der ärztliche Leiter eines multiprofessionellen Behandlungsteams alle Mitglieder ermutigen, offen und dezidiert ihre fachliche Meinung zu vertreten oder auch bewusst Zweitmeinungen einholen. Letzteres ist bei der Chefarztvisite in einem Krankenhaus ohnehin implizit gegeben.

Konzertierte Gruppenaktionen wie etwa die Unterschriftenaktion einer Patientengruppe, eine von allen Pflegekräften unterzeichnete Petition an die Betriebsleitung oder Streikpausen bei Verschlechterung des Tarifsystems, werden von den Gruppenmitgliedern meist dann eingeleitet, wenn das Erreichen der Gruppenziele gefährdet erscheint, oder von außen Ziele an die Gruppe herangetragen werden, die der Gruppe nicht akzeptabel erscheinen. Konzertierte Gruppenaktionen setzen eine hohe Gruppenkohäsion voraus, können diese aber auch steigern. Ebenso erfahren die Normstruktur und die interne Sozialstruktur der Gruppe durch kollektive Aktionen eine Differenzierung, gegebenenfalls auch eine Modifizierung (Steinmann et al. 2002).

53

2.3

2

Interaktionelle Führung

Gruppentypische Motivationseffekte wirken sich gelegentlich positiv, häufig aber negativ auf die Gruppenleistung aus. Motivationsverluste in Gruppen werden in der Organisationspsychologie mit „social loafing“ (sozialer Müßiggang), „free rider“ (Trittbrettfahren) und dem „sucker“-Effekt (Nicht der Dumme sein wollen) beschrieben. Motivational förderliche Effekte in Gruppen bestehen in der „sozialen Förderung“ (social facilitation) und der „sozialen Kompensation“ (social compensation).

„Social loafing“ (Karau und Williams 1993) besteht darin, dass die Leistungen des Einzelnen in der Gruppensituation geringer sind als in der Individualsituation, obwohl die Gruppenmitglieder sich das keineswegs vornehmen und ihnen das Phänomen auch nicht wirklich bewusst ist. Der „free rider-Effekt“ (Kerr und Bruun 1983) besteht in einer bewussten Entscheidung in der Gruppensituation die eigene Anstrengung zu reduzieren, und tritt häufig dann auf, wenn die Auffassung vorherrscht, dass die Leistungen der anderen Gruppenmitglieder ausreichen, um das Arbeitsziel zu erreichen. Der „sucker-Effekt“ (Kerr und Bruun 1983) beruht ebenfalls auf einer bewussten Reduktion der Anstrengungsbereitschaft bzw. der Unterstellung, andere in der Gruppe seien „Trittbrettfahrer“, so dass man im Falle eigener Anstrengung, als der „Dumme“ dastünde.

Motivational förderliche Gruppeneffekte wie „social facilitation“ können durch eine bewusste Zusammensetzung der Gruppenmitglieder stimuliert werden, wobei insbesondere die Frage nach dem angemessenen Grad der interindividuellen Heterogenität sowie der sozialen Kompetenz zu beachten ist. Man denke hier nur an höhere Aktivierung, Selbstdarstellung, Geltung usw. „Social compensation“-Effekte sind dann gegeben, wenn sich ein Gruppenmitglied besonders anstrengt, weil die anderen keinen nennenswerten Beitrag zum Gruppenerfolg leisten. Dies kann etwa dadurch motiviert sein, dass man schwächere Gruppenmitglieder schützen, selbst mit dem eigenen Bei-

54

Gruppen und Teams

trag kontrastierend glänzen will oder sich mit der Gruppe und ihrem Ergebnis stark identifiziert (Williams und Karau 1991).

2.3.3

Soziale Konflikte

„Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren, wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen oder Fühlen oder Wollen mit dem anderen Aktor in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor erfolgt“ (Glasl 1999).

Soziale Konflikte in Medizinbetrieben sind Rollen-, Beziehungs-, Interessen-, Verteilungs- oder Kulturkonflikte. Eine strukturierte Übersicht möglicher medizinbetrieblicher Konfliktsituationen zeigt Abbildung 2.11.

Abbildung 2.11: Medizinbetriebliche Konfliktsituationen im Überblick

I n t e r g ru p p e n k o n f l i k t

c)

Pe r so n e n - G ru p p e n - Ko n f l i k t

I n t e rp e rs o n e l l e r Konf li kt

a)

Gruppe A

d)

b)

I n t r a p e rso n e l l e r Konf li kt

Gruppe B

55

2.3

2

Interaktionelle Führung

Ein Intrarollenkonflikt ist beispielsweise darauf zurückzuführen, dass der einzelne Arzt teilweise konkurrierenden Verhaltensanforderungen gegenübersteht; so etwa jederzeit nach bestmöglicher Qualität und Wirtschaftlichkeit handeln zu sollen. Interpersonelle Konflikte sind das Ergebnis der unterschiedlichen Zielbezogenheit verschiedener Rollen, die sich als soziale Auseinandersetzungen äußern. Soweit die zugrundegelegten Verhaltensnormen der informalen Sphäre oder außerorganisatorischen Bereichen entstammen, schlagen sie sich als Verhaltenskonflikte zwischen den Beteiligten nieder. In welchem Maße sich, oder auch nicht, interessenbezogene Bereichsegoismen oder Intergruppenkonflikte entwickeln, hängt wesentlich von der Dynamik der medizinbetrieblichen Systemumwelt, der Organisationsstruktur, der Organisationskultur, der Führungsphilosophie und den praktizierten Führungsinstrumenten, insbesondere dem Anreizsystem ab. Die Interessenkonflikttheorie sieht die Hauptursache für Intergruppenkonflikte im Wettbewerb um knappe materielle (z. B. Budgets, Stellen, Investitionsmittel) und immaterielle (z. B. Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten) Ressourcen. Die soziale Identitätstheorie erklärt Intergruppenkonflikte durch Diskriminierung in dem Sinne, dass Gruppen von sich selbst ein relativ besseres Bild entwerfen (Eigenbild) und damit in der Tendenz die anderen Gruppen abwerten (Fremdbild).

Expertenorganisationen ist naturgemäß ein hohes Konfliktpotenzial inhärent.

Dies erfordert sowohl Strategien zur Konfliktvermeidung als auch für ein professionelles Konfliktmanagement. R Dahrendorf (1965) unterscheidet grundsätzlich zwischen der Unterdrückung und der Lösung von Konflikten bzw. deren Regelung durch Verhandlung, Vermittlung, Schlichtung und Zwangsschlichtung. Um Konflikte in Medizinbetrieben zu deeskalieren oder gar zu vermeiden, haben sich Maßnahmen zur Förderung der direkten Kommunikation zwischen Gruppen (flache Hierarchien, multiprofessionelle Arbeitsgruppen, gemeinsame Fortbildungen, Supervisionen), die Betonung organisationsbezogener Gemeinsamkeiten (Vision, Leitbild, transparentes Zielsystem),

56

Gruppen und Teams

ein partizipatives Führungsverhalten und mehr oder weniger formalisierte Regeln zum Konfliktmanagement bewährt. Ebenso sinnvoll ist ein Konflikttraining nicht nur für die Führenden, sondern für alle in patientennahen Bereichen Beschäftigten, da sich auch in der Behandlungs- oder Betreuungssituation vielfältige Konflikte mit Patienten und Angehörigen oder zwischen Patienten ergeben können.

Ein besonderes Problem stellen ungelöste interpersonelle Konflikte oder PersonenGruppen-Konflikte dar, wenn diese zu länger andauernden negativen kommunikativen Handlungen gegenüber einzelnen Beschäftigten führen (Leymann 1993). A Esser et al. (2005) sprechen dann von Mobbing und definieren:

„Mobbing ist ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum (von einem oder mehreren anderen) gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres beruflichen Wirkbereichs endet.“

Um Mobbing entgegen zu wirken und, weil in Medizinbetrieben im Vergleich zu anderen Branchen ein siebenfach höheres Risiko besteht gemobbt zu werden (Zapf 2000), haben viele Medizinbetriebe präventiv eine Konflikt- und Mobbing-Vereinbarung mit der Mitarbeitervertretung abgeschlossen.

57

2.3

2

Interaktionelle Führung

2.3.4

Gruppenorientiertes Führungsverhalten

Personalführung in Medizinbetrieben ist bipolar orientiert, d. h. vom Führenden wird sowohl individuell dyadisches als auch gruppenorientiertes Führungsverhalten gefordert.

Nach dem Ansatz der sozial-kognitiven Lerntheorie (Bandura 1979) ist der Führende Vorbild für die Gruppenmitglieder; er fördert Eigenverantwortung, demonstriert Selbststeuerung, koordiniert und moderiert das Gruppenhandeln. Durch eine entsprechende Rollenzuordnung und Aufgabenverteilung trägt er dafür Sorge, dass die individuellen Stärken der Gruppenmitglieder optimal eingesetzt werden.

Intra-gruppenbezogen hat der Führende die Lokomotions- und die Kohäsionsfunktion zu verfolgen, wobei im Unterschied zur dyadischen Führungsstruktur die Entwicklung und Sicherung der Gruppenkohäsion eine zusätzliche Anforderung darstellt. Ein intensiv ausgeprägtes „Wir-Gefühl“, d. h. eine hohe Kohäsion der Gruppe, die alle Mitglieder umfasst, bewirkt vor allem eine hohe Arbeitszufriedenheit und eine striktere Einhaltung der für die Gruppe wichtigen Normen. Die in der Führungsforschung anfänglich vertretene Auffassung, dass eine Steigerung der Gruppenkohäsion eine Steigerung der Gruppenleistung bewirkt, konnte nicht bestätigt werden (Steinmann et al. 2002). Gleichwohl erzielen (bei hoher Leistungsorientierung) hochkohäsive Gruppen eine höhere Produktivität als schwachkohäsive Gruppen, da sie im Durchschnitt geringere Fehlzeiten aufweisen. Insbesondere vermag eine hochkohäsive Gruppe in gewissem Umfang arbeitsbezogene psychische Belastungen besser „abzupuffern“ als eine schwachkohäsive Gruppe. Dieser Befund begründet die Praxis vieler Medizinbetriebe bei der Personalauswahl nicht nur den Vorgesetzten, sondern auch die künftigen Gruppenmitglieder zu beteiligen, so z. B. deren Meinung über den neuen Mitarbeiter nach „Probearbeitstagen“ einzuholen.

58

Gruppen und Teams

Gruppen entwickeln, insbesondere dann, wenn eine hohe Kohäsion vorliegt, gegenüber dem Führenden eine Eigendynamik. Sie formulieren eigene Vorstellungen, wie sie Führung sehen. Eine autoritär akzentuierte Führung von Gruppen begünstigt Demotivation. Es kann dann zu informellen Gruppenbildungen kommen, die statt eines Miteinanders die erwünschte Gruppenkohäsion durch Spaltung zu unterlaufen versuchen. Führende steigen in Gruppensituationen auf, wenn sie in die Konzeption der Geführten passen. In der Managementliteratur gehen daher entsprechende Empfehlungen dahin, den ernannten Vorgesetzten als „Tüchtigkeitsführer“ zu interpretieren und den sich aus dem Gruppenbildungsprozess herausbildenden informellen Führer als „Beliebtheitsführer“ zu sehen und ihn zum Stellvertreter zu machen.

2.3.5

Intra- und intergruppenbezogene Kommunikation

Medizinbetriebe sind komplexe Systeme, in denen die Kommunikation zwischen den Beschäftigten und mit den Patienten eine zentrale Rolle für das Gelingen von Interventionen und das Vermeiden von Fehlern spielt.

Schlecht funktionierende Kommunikationsstrukturen sind nicht nur ein Qualitätsrisiko, sondern führen aufgrund der daraus resultierenden unzureichenden Handlungsorientierung auch zu einer verstärkten Belastung der Mitarbeiter, was wiederum zusätzliche Fehler zur Folge haben kann. Die Verbesserung der interprofessionellen Kommunikation zur Koordination der interagierenden und koagierenden Zusammenarbeit ist daher für Medizinbetriebe ein vorrangiges Anliegen. Die praktizierten Maßnahmen reichen von der Stärkung kommunikativer Kompetenzen durch spezielle Seminare und Initiativen zur Förderung der Gruppenkohäsion (Supervisionen, Wochenendseminare, bereichsübergreifende Klausurtagungen, Betriebsausflüge), über den interprofessionellen Austausch (z. B. Absolvieren von Praxistagen auf anderen Stationen, um die dortigen Arbeitsweisen kennen zu lernen) bis hin

59

2.3

2

Interaktionelle Führung

zur Weitergabe medialer Informationen, z. B. über das medizinbetriebliche Intranet und eine Mitarbeiterzeitung. Nachhaltig wird die intragruppenbezogene Kommunikation mit Führungsinstrumenten (Mitarbeitergespräch, Mitarbeiterbefragung, Supervision), die Fixierung von Berichtspflichten in Geschäftsordnungen und regelmäßigen Teambesprechungen unterstützt. Zu empfehlen ist auch das gelegentliche „Umherspazieren“ des Führenden und das damit verbundene Gespräch mit den Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen (management by walking around).

Unverzichtbar für die intergruppenbezogene Kommunikation, insbesondere der Führungskräfte, ist eine nach dem Linking-Pin-Prinzip vernetzte und terminlich aufeinander abgestimmte medizinbetriebliche Konferenzstruktur (Abschnitt 3.1).

Zur Sicherstellung einer effektiven Arbeitsweise in den verschiedenen Gremien und Kommissionen eines Medizinbetriebs bedarf es gewisser „Spielregeln“ und der Disziplin von allen Gruppenmitgliedern sich auch daran zu halten. Ihren formalen Ausdruck finden diese Regularien zur intragruppenbezogenen Kooperation und Kommunikation üblicherweise in Geschäftsordnungen.

Mindestanforderungen an eine Geschäftsordnung sind die Benennung der Mitglieder (und deren Stellvertreter), des Vorsitzenden und einer gegebenenfalls einzurichtenden Geschäftsstelle, deren Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten, die Sitzungsfrequenz, Regularien zur Dokumentation (Tagesordnung, Bereitstellung von Beratungsunterlagen, Niederschriften), Beschlussfassung und Information der nachgeordneten Leitungsebenen sowie der Mitarbeiter(-vertretung) über die Beschlussfassungen. Ferner gilt es Regelungen zur Überprüfung der Umsetzung von Beschlüssen (auch durch nachgeordnete Leitungsebenen) und zur Koordination zwischen den einzelnen Gremien festzulegen.

60

Gruppen und Teams

Die (vertikale) Kommunikation zwischen Betriebsleitung und Beschäftigten ist nicht nur Ausdruck einer mitarbeiterorientierten Personalführung, sondern auch eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme zur Förderung der Gruppenkohäsion. Dies gilt in beide Richtungen, d. h. einerseits muss die Leitung des Medizinbetriebes ihre Geschäftspolitik bzw. ihre Visionen, Werte, Ziele, Projekte und Entscheidungen kollektiv vermitteln, andererseits ist es erforderlich, dass die Beschäftigten die Betriebsleitung regelmäßig und strukturiert über medizinbetriebliche Sachverhalte, Vorgänge und Abweichungen in den einzelnen Organisationsbereichen, aber auch zeitnah und gegebenenfalls informell über besondere Vorkommnisse und Tatbestände im Sinne des Risikomanagements (diese sind zu qualifizieren) informieren. Dazu bedarf es einer verlässlichen betrieblichen Informations- und Kommunikationskultur,

o

abgesichert durch entsprechende Regelungen in Führungsgrundsätzen und Geschäftsordnungen,

o

Foren für einen regelmäßigen Meinungsaustausch (z. B. Führungskräftekonferenzen, Mitarbeitersprechtage, Einrichtung eines Ausschusses für betriebliche Entwicklung, Personalversammlungen) und

o

unterstützender Verfahren und Instrumente, wie etwa die Einrichtung eines betrieblichen Vorschlagswesens, eines Beschwerdemanagements, einer Hauszeitung, eines digitalen „schwarzen Bretts“ der Betriebsleitung im medizinbetrieblichen Intranet oder die Technik des open space, die eine Beteiligung aller Beschäftigten bei (wichtigen) Willensbildungsprozessen unterstützt. Ferner können die Protokolle von Leitungssitzungen (gegebenenfalls auszugsweise) allen Führungskräften zur Verfügung gestellt werden, damit diese die Leitungsbeschlüsse innerhalb ihrer Arbeitsgruppe (in ihrem Ermessen) kommunizieren können.

61

2.3

2

Interaktionelle Führung

2.4

Führungsbeziehung

Die Frage nach der erfolgswirksamen Gestaltung der Führungsbeziehung will der verhaltenstheoretische Ansatz der Führungslehre beantworten. Anders als beim eigenschaftstheoretischen Führungsansatz (Absatz 2.1.2) wird hier davon ausgegangen, dass Führungserfolg vom Verhalten des Führenden und nicht (nur) von seinen Eigenschaften abhängt, sich Personalführung im Medizinbetrieb mithin durch Training des Führungsstils verbessern lässt.

Betrifft „Führungsverhalten“ das aktuelle Verhalten des Führenden in einer konkreten Führungssituation, bezeichnet Führungsstil „ein zeitlich überdauerndes und in Bezug auf bestimmte Situationen konsistentes Führungsverhalten von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern“ (Wunderer et al. 1980).

In mehreren Forschungsprogrammen war man damit befasst, Führungsverhalten systematisch empirisch zu erfassen, um daraus Führungsstiltypologien abzuleiten. Zur Qualifizierung der Führungsstile wurden gewisse, zur Ausprägung der Führungsbeziehung als relevant identifizierte Variable herangezogen wie z. B. der Grad der Entscheidungspartizipation, das Aufgaben- und Beziehungsverhalten oder der Selbstständigkeitsgrad des Geführten (Tab. 2.5).

Indem Stiltypen gebildet und Bedingungen formuliert wurden, unter denen bestimmte Stile effektiv oder ineffektiv sind, bemühte man sich die Komplexität der Führungswirklichkeit zu reduzieren. Allerdings wurde von Seiten der Wissenschaft die mangelnde Operationalisierung der Konzepte sowie die fehlenden oder unzureichenden Versuche einer empirischen Überprüfung der Annahmen kritisiert. Weitere Kritik richtete sich auf den verengten Ausschnitt der Führungswirklichkeit.

62

Führungsbeziehung

Dennoch haben einige Führungsstilkonzepte in der Praxis, vor allem durch Führungskräftetrainings, eine große Verbreitung erfahren. Der professionell Führende wird jedoch keines dieser Konzepte einfach imitieren, sondern (situativ) einen zur medizinbetrieblichen Organisationskultur korrespondierenden authentischen Ansatz wählen. Insoweit haben die nachfolgend beschriebenen prominentesten Ansätze Anregungspotenzial.

Tabelle 2.5:

Ein- und mehrdimensionale Führungsstilkonzepte im Vergleich

Dimensionen

Variable

Konzept

Eindimensional

Partizipationsorientierung

Führungsstilkontinuum (R Tannenbaum, WH Schmidt 1958) Entscheidungsmodell der Führung (VH Vroom, PW Yetton 1973)

Zweidimensional

Aufgaben- u. Beziehungsverhalten

Dreidimensional

Aufgaben-, Beziehungsverhalten u. ...Führungseffektivität

Verhaltensgitter (RR Blake, AA McCanse 1992)

3-D-Programm (WJ Reddin 1977)

...Selbstständigkeitsgrad des Geführten

Verhaltensmodell (P Hersey, KH Blanchard 1969)

...Günstigkeit der Führungssituation

Kontingenzmodell (F Fiedler 1967)

63

2.4

2

Interaktionelle Führung

2.4.1

Entscheidungspartizipation

Eindimensionale Führungsstilkonzepte legen dem Führungsverhalten lediglich ein Merkmal als stilbildend zu Grunde, nämlich den Grad der Partizipation des Geführten am Entscheidungsprozess, für den der Führende die Verantwortung trägt.

Interdependenzen zu anderen Variablen der Führungssituation werden vernachlässigt. Abhängig vom Grad der Entscheidungspartizipation unterscheiden R Tannenbaum und WH Schmidt (1958) ein Kontinuum des Führungsverhaltens, das eine Klassifikation von Führungsstilen ermöglicht: autoritär, patriarchalisch, informierend, beratend, kooperativ, partizipativ, demokratisch (Abb. 2.12). Je nachdem, welche der Verhaltensmöglichkeiten dominiert, übt der Führende einen mehr oder weniger autoritären bzw. demokratischen Führungsstil aus.

Abbildung 2.12: Kontinuum des Führungsverhaltens, abhängig vom Grad der Partizipation des Geführten am Entscheidungsprozess, für den der Führende die Verantwortung trägt, in Anlehnung an R Wunderer (2000), Seite 263

100 % 0%

Charakterisierung

Führungsstil

Willensbildung beim Mitarbeiter/Gruppe

Willensbildung beim Vorgesetzten Der Vorgesetzte entscheidet und gibt die Entscheidungen bekannt

» autoritär «

Der Vorgesetzte „verkauft“ seine Entscheidungen

Der Vorgesetzte präsentiert seine Ideen und fordert zu Fragen auf

» patriarchalisch « » informierend «

Der Vorgesetzte präsentiert eine vorläufige Entscheidung, die geändert werden kann

Der Vorgesetzte präsentiert Probleme, sucht Vorschläge, trifft dann aber alleine die Entscheidung

Der Vorgesetzte setzt Rahmenbedingungen, die Gruppe löst das (vorgegebene) Problem

Der Vorgesetzte fungiert als Koordinator für Problemdefinition, Alternativensuche und Entscheidung

» beratend «

» kooperativ «

» partizipativ «

» demokratisch «

Hinweis: Der patriarchalische, charismatische und autokratische Führungsstil sind Varianten des autoritären Führungsstils

Beim autoritären Führungsstil weist der Führende dem Geführten die Aufgaben zu, wobei er auch die Art der Aufgabenerledigung vorgibt (vorstrukturierte Aktivität).

64

Führungsbeziehung

Ziele formuliert der Führende selbst, oder übernimmt diese weitgehend von seinem Vorgesetzten. Das Führungsverhalten ist durch Anweisung und Ausführung gekennzeichnet, die Kontrolle des Geführten erstreckt sich sowohl auf den Prozess als auch auf das Ergebnis der medizinbetrieblichen Leistungserstellung. Ein solches Führungsverhalten begünstigt unselbstständiges Arbeiten des Geführten, das wiederum ein direktives Verhalten des Führenden verstärkt. Nicht selten nehmen autoritär Führende im subjektiven Eigenurteil ihr Verhalten als kooperativ wahr. Ein autoritärer Führungsstil dominiert in Medizinbetrieben traditionell im operativen patientennahen Bereich und wird von den Mitarbeitern aufgrund ihrer berufsständisch erfahrenen Sozialisation oder Rollenerwartung, den medizinrechtlich bestätigten Verantwortlichkeiten, den zeitlichen Prioritäten und der hohen Regelungsdichte beim medizinbetrieblichen Wertschöpfungsprozess als selbstverständlich akzeptiert, d. h. nicht negativ erlebt. So wäre ein demokratischer Führungsstil während einer Operation oder in einer medizinischen Notfallsituation wenig hilfreich. Konflikte entstehen eher auf der taktischen Ebene, wenn z. B. das Design der in einer konkreten Behandlungssituation autoritär umgesetzten Behandlungskonzepte in der Chefarztkonferenz oder auf der Ebene der kollegialen Abteilungsleitung nicht partizipativ entschieden wird.

Die zum Wohle des Patienten, vor allem in Krisen- und Notfallsituationen notwendige schnelle Entscheidungsfindung und das Kompetenzmonopol der Ärzte gegenüber anderen Berufsgruppen, begünstigen vor allem in den patientennahen Organisationsbereichen auch Varianten eines autoritären Führungsstils. Diese rekurrieren auf Verhaltensweisen (patriarchalischer Führungsstil) oder Eigenschaften des Führenden (charismatischer Führungsstil) oder, mit Bezug auf Einzelpersonen, auf Einzelaspekte der Organisation (autokratischer Führungsstil). Den patriarchalischen Führungsstil prägt das Leitbild des Führenden als väterliche Autorität. Die Geführten stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Führenden, der

65

2.4

2

Interaktionelle Führung

ihnen gegenüber eine Fürsorgepflicht wahrnimmt. Dafür fordert er Dankbarkeit, Loyalität, Treue und Gehorsam ein. Typisch für diesen Führungsstil ist, dass keine oder nur eine geringe Delegation der Entscheidungsbefugnis erfolgt. Ein patriarchalisches Führungsverständnis lässt sich teilweise auch heute noch in Arztpraxen und manchen Krankenhäusern im Verhältnis eines Chefarztes alter Prägung zu den nachgeordneten ärztlichen Mitarbeitern beobachten. Sicherlich leistet auch die Einbindung der ärztlichen Vorgesetzten in die Ausbildung der Ärzte dem Entstehen eines patriarchalischen Führungsstils Vorschub (Ridder et al. 2000).

Beim charismatischen Führungsstil überzeugt der Führende durch seine außeralltägliche Qualität und Ausstrahlungskraft seiner Persönlichkeit, die ihm die Geführten zuschreiben (Weber 1963). Charismatische Führungspersönlichkeiten können auf eine Unterstützung durch strukturelle Maßnahmen verzichten, denn sie beziehen ihren Erfolg vor allem aus dem persönlichen Auftritt (Staehle 1999). Ihnen gelingt es durch visionäre oder transformationale Führung (Bass 1998, 1999), die Organisationsziele zu Zielen der Geführten zu machen. Die Transformation geschieht, indem der Führende eine anregende Vision kommuniziert (inspirational motivation), die Geführten mittels seines Charismas inspiriert (charismatic leadership), intellektuell anregt (intellectual stimulation), ihnen das Vertrauen ausspricht, dass sie die gesetzten Arbeitsziele erfüllen werden und ihnen die Bedeutung und Herausforderungen ihrer Arbeit aufzeigt (individual consideration). Die Geführten sind stolz, mit dem charismatisch Führenden zusammenarbeiten zu können, ihre intrinsische Motivation wird gesteigert, ihre Arbeitszufriedenheit gefördert (Stordeur et al. 2000). Auch der charismatische Führungsstil ist, insbesondere in forschungsorientierten Medizinbetrieben, nicht unbekannt. Allerdings setzt der Mangel an charismatischen Führungspersönlichkeiten einer weiten Verbreitung dieses vor allem in den achtziger Jahren propagierten Führungsstils enge Grenzen.

66

Führungsbeziehung

Charakteristisches Merkmal des autokratischen Führungsstils ist, dass der in seiner Willensbildung weitgehend ungebundene Führende mit Hilfe eines ihm unterstellten Führungsapparates seinen Willen durchsetzt, ohne die persönlich gestaltete Beziehung zu den Geführten, wie etwa beim charismatischen oder patriarchalischen Führungsstil. Der autokratische Führungsstil orientiert sich an eindeutig abgegrenzten Kompetenzen und Hierarchieebenen. Die Durchsetzung der Aufgaben erfolgt weitgehend durch Delegation an nachfolgende Linienfunktionen, die Entscheidungsfindung in Beratungen mit Stäben. Der autokratische Führungsstil ist häufig bei Organvertretern von Krankenhäusern (Geschäftsführer, Vorstand) zu beobachten, die in Form einer Kapitalgesellschaft geführt werden (Ridder et al. 2000). Elemente eines autokratischen Führungsstils können im Krankenhaus beispielsweise auch das Verhältnis zwischen den leitenden ärztlichen Mitarbeitern und den Pflegekräften oder das Zusammenspiel mancher Operationsteams prägen.

Der Laissez-faire-Stil ist als eine Form des Nicht-Führens anzusehen. Der Führende spielt eine freundliche, aber passive Rolle und verzichtet konsequent auf die Steuerung und Bewertung der Aktivitäten der Geführten. Ausdruck einer Laissez-faireFührung ist etwa das Entscheidungsprinzip des Minimalkonsenses („die Lösung muss von allen getragen werden“), das den einzelnen Interessenvertretern ungehemmte Freiräume eröffnet und eine Instrumentalisierung der Organisation für eigene Zwecke fördert. „In Krankenhäusern ist zu beobachten, dass bei einem Laissez-faire-Führungsstil des Leitenden Arztes oftmals ein Oberarzt die Führung und Koordinierung übernimmt. Der Oberarzt hat dabei einen relativ weiten Raum für Gestaltung und Entscheidungen. Das kann unter Umständen für seine persönliche Entwicklung vorteilhafter sein, als mit einem zwar kompetenten aber autoritären Chefarzt zusammenzuarbeiten“ (Rathje 2003).

67

2.4

2

Interaktionelle Führung

Fraktale Organisationsstrukturen und Teamkonzepte (z. B. Abteilungen mit kollegialer Abteilungsleitung, ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams, Gruppenpflegekonzepte) begünstigen insbesondere auf der taktischen und strategischen Führungsebene einen partizipativ/demokratischen Führungsstil. Der Führende ist bemüht, die soziale Distanz zur Gruppe zu verringern. Er unterstützt die Geführten als coach beim Erreichen der Arbeitsergebnisse, die er primär überwacht (kooperieren, kommunizieren, koordinieren statt kommandieren, kontrollieren, korrigieren wie beim autoritären Führungsstil). Mitarbeiter werden zu Handlungen nicht nur befragt, sondern ihnen wird, abhängig vom Gewicht der Entscheidungen, auch ein mehr oder weniger weit gefasster Raum für die Teilnahme am Entscheidungsprozess oder für völlig eigene Entscheidungen belassen. Dabei können aber die Mitarbeiter keine größeren Freiheiten erhalten als der Führende selbst. Wichtig für die Führungspraxis ist, dass der Führende den Mitarbeitern den von ihm in einer konkreten Führungssituation bevorzugten Partizipationsgrad ehrlich und klar ankündigt. Die systematische Einbindung delegationsfähiger Mitarbeiter in die Informations- und Entscheidungsprozesse verbessert die Entscheidungsqualität, fördert Motivation und bedeutet Zeitgewinn bei der Umsetzung der Entscheidungen infolge geringerer Akzeptanzwiderstände. In ähnlicher Weise ist ein angemessener Handlungs- und Entscheidungsraum zu bewerten.

Partizipative Führung ist aber keine Einbahnstraße, die den Führenden zu permanenter Vorleistung in Sachen Partizipation und Delegation zwingt. Vielmehr verpflichten Partizipationsangebote des Führenden die Geführten zur aktiven und konstruktiven Mitarbeit, wollen sie ihr Recht auf Partizipation nicht verwirken (von Eiff 2000).

Partizipative Führung kann jedoch an Grenzen gelangen, wenn, so E Rathje (2003),

o

Mitarbeiter nicht über die fachliche und soziale Kompetenz verfügen, um bei wichtigen Entscheidungen mitreden zu können,

68

Führungsbeziehung

o

Zielvorgaben vorher nicht klar formuliert wurden,

o

Mitarbeiter nicht in der Gruppenarbeit geschult wurden und die Gruppe als Forum für (persönliche) Auseinandersetzungen benutzen oder

o

Mitarbeiter diesen Führungsstil ablehnen, weil sie eine andere Erwartungshaltung haben.

Zusammenfassend ist der Ansatz von R Tannenbaum et al. (1958) als ein (anschaulicher) Ordnungsversuch mit heuristischem Wert einzustufen. Er eignet sich in der Praxis für eine erste Bestimmung der erlebten Führungswirklichkeit von Vorgesetzten und Mitarbeitern. Eine Gegenüberstellung von erwünschtem und erfahrenem Führungsstil des Vorgesetzten, gegebenenfalls kontrastiert mit seinem Selbstbild, liefert einen geeigneten Einstieg, um das vorherrschende Führungsverhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls den situativen Erfordernissen anzupassen. Darüber hinaus haben die Autoren in ihrem Beitrag wichtige Hinweise auf mögliche Einflussfaktoren geliefert, die bei einer Entscheidung zum Partizipationsgrad der Mitarbeiter zu berücksichtigen sind (Weibler 2001).

Welchen dieser eindimensionalen Führungsstile sollte der Führende aber nun in welcher Situation anwenden? Diese Frage haben VH Vroom et al. (1973, 1991) mit einem Entscheidungsbaum beantwortet, der sieben Entscheidungsregeln umfasst. Effizientes Führungsverhalten wird danach durch die Qualität der Entscheidung (Informationsstand des Führenden, Strukturiertheit des Entscheidungsproblems, Handlungsspielraum der Mitarbeiter, Einstellung der Mitarbeiter zur autoritären Führung) und die Akzeptanz der Entscheidung durch die Mitarbeiter operationalisiert. Nach Befragung von Managern fanden VH Vroom et al. (1973) folgende Hypothesen bestätigt, wobei die Validität der Studien wissenschaftlich allerdings nicht unumstritten ist:

69

2.4

2

Interaktionelle Führung

o

Verfügen Führende über ausreichende Informationen zu selbstständigen Problemlösungen, neigen sie eher zu autoritären Entscheidungen.

o

Erachten Führende die Informationen und Ideen ihrer Mitarbeiter für wichtig oder trauen ihnen eigene Lösungen zu, neigen sie eher zu partizipativen Entscheidungen.

Abschließend ist festzustellen, dass insbesondere in komplexen Medizinbetrieben, wie Krankenhäusern, nicht ein Führungsstil dominiert, sondern in den verschiedenen Organisationseinheiten und Situationen unterschiedliche Führungsstile im Sinne von R Tannenbaum et al. (1958) anzutreffen sind.

2.4.2

Aufgaben- und Beziehungsverhalten

Der Auffassung von unifaktoriell bipolaren Führungsstilen widersprachen die zumeist faktoren-analytisch gewonnenen Ergebnisse der u. a. an der Ohio State University durchgeführten Studien zum Führungsverhalten. Diese identifizierten zwei voneinander als unabhängig betrachtete Variable des Führungsverhaltens, die in jeweils verschiedenen Ausprägungsgraden miteinander kombinierbar sind:

o

Aufgabenverhalten (initiating structure nach Ohio-Studien) beschreibt den Umfang, in dem der Führende in einer Führungsbeziehung die Lokomotionsfunktion verfolgt, also die Art und Weise der Wahrnehmung der sachbezogenen Managementfunktionen (Aufgabendefinition und -strukturierung, Planung, Organisation, Kontrolle).

o

Beziehungsverhalten (consideration nach Ohio-Studien) beschreibt den Umfang, in dem der Führende in einer Führungsbeziehung die Kohäsionsfunktion verfolgt;

70

Führungsbeziehung

z. B. durch Kommunikation und Feedback, aktives Zuhören, Entscheidungspartizipation und sozio-emotionale Unterstützung des Geführten.

Bei einem wenig aufgabenbezogenen Führungsverhalten gibt der Führende dem Geführten vielleicht nur das Problem, bei einem stark aufgabenbezogenen Führungsverhalten detailliert die Aufgabenbeschreibung vor und erklärt ihm, was er wann und wie zu machen hat. Ist ein langjähriger und damit erfahrener Mitarbeiter intrinsisch motiviert, z. B. weil er das vorgegebene Organisationsziel mit seiner geplanten Promotion verbinden kann, können sowohl das aufgabenbezogene als auch das mitarbeiterbezogene Führungsverhalten geringer ausfallen.

Nach der ERG-Theorie von CP Alderfer (Absatz 2.2.2) unterstützt das Aufgabenverhalten die Wachstumsbedürfnisse, das Beziehungsverhalten die Beziehungsbedürfnisse. Darauf nimmt auch das in Abbildung 2.13 dargestellte „Verhaltensgitter“ (Managerial Grid) von RR Blake und AA McCanse (1992) Bezug. Die (willkürlich) jeweils mit einer neunteiligen Skala versehenen beiden Achsen stellen das Aufgabenverhalten in Korrelation zum Beziehungsverhalten dar. Danach bildet sich mit jeder der von den Autoren ausgewählten fünf Kombinationen aus Aufgaben- und Beziehungsverhalten eine andere Qualität der Führung ab:

(1,1)

reflektiert geringes Interesse sowohl für die Aufgaben als auch für die Mitarbeiter

(1,9)

reflektiert geringes Interesse für die Aufgaben, hohes Interesse für die Mitarbeiter

(5,5)

reflektiert ein mittelmäßiges Interesse für beide Führungsdimensionen

(9,1)

reflektiert hohes Interesse für die Aufgaben, geringes für die Mitarbeiter

(9,9)

reflektiert sowohl hohes Interesse für die Aufgaben als auch für die Mitarbeiter.

71

2.4

Interaktionelle Führung

9

1,9

9,9

6 4

5

5 ,5

1

2

3

Be zi eh u ng s ve rh al t en

7

8

hoch

Abbildung 2.13: Verhaltensgitter; vereinfachte Darstellung in Anlehnung an RR Blake und AA McCanse (1992), Seite 57. In der Originalarbeit sind die beiden Achsen mit “concern for production“ (Aufgabenverhalten) und „concern for people“ (Beziehungsverhalten) bezeichnet.

niedrig

2

1,1 1 niedrig

9,1 2

3

4

5

6

7

Au f g a b en ve rh a lt e n

8

9 hoch

Die Autoren weisen übrigens auch darauf hin, dass jeder Führende neben seinem persönlich favorisierten Führungsstil, in Belastungssituationen (z. B. Termindruck durch den Vorgesetzten) einen „Ersatzführungsstil“ anwendet. Zum Beispiel wechselt ein nach (9,9) Führender auf das Führungsverhalten (9,1). Obwohl das Verhaltensgitter durch Führungskräftetrainings eine weltweite Verbreitung erfahren hat, werden von der Führungsforschung die unzureichend erklärte Abstufung der beiden Variablen (Aufgaben- und Beziehungsverhalten) und die Vernachlässigung der auch für Medizinbetriebe wichtigen situativen Faktoren kritisiert. Zudem können keine eindeutige Aussagen zur Wirkung des von RR Blake und AA

72

Führungsbeziehung

McCanse (1992) favorisierten (9,9)-Führungsverhaltens (hohes Aufgabenverhalten und hohes Beziehungsverhalten) auf die Arbeitsleistung der Beschäftigten gemacht werden.

2.4.3

Situationsanerkenntnis

Grundsätzlich vollzieht sich jede soziale Interaktion und damit auch die interaktionelle Personalführung unter den gegebenen Bedingungen ihres Umfelds.

Da Medizinbetriebe in ein komplexes Umfeld soziologischer Strukturen eingebettet sind (Seelos 1998), wird der medizinbetriebliche Führungsprozess durch eine Vielzahl von Situationsvariablen moderiert.

Der in Tabelle 2.6 aufgezeigte Führungskontext macht deutlich, dass ein und derselbe Führungsstil, in verschiedenen Situationen angewandt, unterschiedliche Führungswirkungen entfaltet, es also mithin (auch) in Medizinbetrieben einen „one best way“ zur Gestaltung von Führungsbeziehungen nicht geben kann. Es gibt Situationen, in denen nur ein aufgabenbezogenes Führungsverhalten für die Erreichung der Organisationsziele gut ist, in anderen verstellt es dieses Ziel; es gibt Situationen, in denen ein hohes Beziehungsverhalten sehr stark zur Zufriedenheit der Mitarbeiter beiträgt, in anderen tut es das kaum (von Rosenstiel et al. 2003).

Deshalb reklamieren die Vertreter der situativen Führungstheorien (z. B. Fiedler 1967; Reddin 1977; Hersey et al. 2001) die Notwendigkeit einer situativen Differenzierung des Führungsverhaltens. Benötigt wird daher ein Führungskonzept, das es dem Führenden ermöglicht, entsprechend der aktuellen Arbeits- und Führungssituation (reaktiv) das optimale Führungsverhalten auszuwählen und gezielt anzuwenden. Dies verlangt

73

2.4

2

Interaktionelle Führung

vom Führenden nicht nur die Fähigkeit die jeweilige Führungssituation, insbesondere die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder, zutreffend einzuschätzen, sondern auch eine hinreichende Führungsstilflexibilität. Dabei ist zu beachten, dass eine Führungsstilinflexibilität des Führenden und Führungsgrundsätze die Wahl des Führungsstils einschränken (Abb. 2.14). Der Geführte erfährt deshalb in der medizinbetrieblichen Führungspraxis oftmals nur den Führungsstil, den der Vorgesetzte beherrscht, nicht immer den, den er will und braucht!

Tabelle 2.6:

Situationsvariable der medizinbetrieblichen Führungssituation

Situationsvariable

Attribute

Systemökologie

sozio-kulturelle, ökonomische, demographische, rechtliche, technologische Bedingungen, Landeskultur

Medizinbetrieb

Konkretes Wirtschaftssubjekt (Rechtsform, Zielsetzung, Finanzierung usw.) Struktur-und Prozessorganisation, Arbeitsformen Einrichtung und Ausstattung Organisationskultur

Aufgabe

Umfang, Aufwand, Risiko, Komplexität, funktionsübergreifender Koordinationsbedarf

Führender

Persönlichkeitsprofil, multikulturell geprägte persönliche Werthaltungen, Menschenbilder, Positions- und Personenmacht, Führungsphilosophie, personale Netzwerke

Geführte(r)

Soziodemografische Merkmale, aufgabenspezifischer Selbstständigkeitsgrad, Persönlichkeitsprofil, persönliches Werteprofil, Stellung in der Strukturorganisation, Partizipationserfahrung, personale Netzwerke Gruppenkohäsion, Interessenkompatibilität, Teamgeist

Entscheidungs/Handlungssituation

Zeitliche Prioritäten, verfügbare Ressourcen Konstitutive Merkmale der Gesundheitsleistungsproduktion Bedeutung, die der Entscheidung zukommt

Neben der diagnostischen Kompetenz in Bezug auf die Führungssituation und die Führungsstilflexibilität benennen P Hersey, KH Blanchard und DE Johnson (2001) eine

74

Führungsbeziehung

weitere wichtige Kernkompetenz des Führenden: „If you cannot communicate in a way that people can understand and accept, you will be unlikely to meet your goals“.

Abbildung 2.14: Bezugsrahmen für die medizinbetriebliche Führungsstilwahl mod. nach N Thom (1980)

Systemökologie

Struktur/Rolle

Entscheidungs-/ Handlungssituation

Attribute des Medizinbetriebes

Medizinbetriebliche Gestaltungsvorgaben

F ü h ru n gs st i l

Attribute der Aufgabe

Attribute der Mitarbeitergruppe

Attribute des Führenden

Macht

Attribute von Mitarbeiter/innen

Die Komplexität der medizinbetrieblichen Führungsbeziehung kann partiell durch einen situativen Führungsansatz abgebildet werden, wie er zum Beispiel mit dem Kontingenzmodell der Führung (Fiedler 1967), dem 3-D-Programm (Reddin 1977) oder dem Verhaltensmodell von P Hersey et al. (2001) konzeptionalisiert wurde.

75

2.4

2

Interaktionelle Führung

Das von F Fiedler (1967) vorgestellte Kontingenzmodell der Führung berücksichtigt mehrere Variable der Führungssituation. Führungserfolg wird danach durch das Führungsverhalten (Aufgaben- und Beziehungsverhalten) und die Günstigkeit der Führungssituation bestimmt. Eine Führungssituation gestaltet sich für den Führenden umso günstiger, o

je besser die affektive Beziehung zu den Geführten ist, d. h. je mehr diese ihn akzeptieren und ihm loyal gegenüberstehen (Beziehung Führender/Geführter),

o

je höher der Strukturiertheitsgrad der zu erfüllenden Aufgaben ist (Aufgabenverhalten) und

o

je mehr seine Position mit Befugnissen und Möglichkeiten, insbesondere Belohnungs- und Bestrafungspotenzial, ausgestattet ist (Positionsmacht).

Davon ausgehend erklärt F Fiedler sein Modell wie folgt: In sehr günstigen Situationen findet der Führende Eindeutigkeit und Klarheit vor, er kann sich dabei ganz der gestellten Aufgabe widmen. In sehr ungünstigen Situationen muss er stark strukturierend eingreifen, um die Gruppenkohäsion zu sichern. Bei mittlerer Günstigkeit steht der Führende vor einer ambivalenten Situation, die auf Seiten der Geführten Unsicherheit hervorruft. Hier kann ein hohes Beziehungsverhalten die Unsicherheit reduzieren und die Geführten zum Aufgabenerfolg motivieren. F Fiedler kommt zu dem Schluss, dass ein aufgabenbezogenes Führungsverhalten (Aufgabenverhalten) in sehr günstigen oder sehr ungünstigen, ein mitarbeiterbezogenes Führungsverhalten (Beziehungsverhalten) in Situationen mittlerer Günstigkeit erfolgreich ist (Abb. 2.15). Im alltäglichen medizinbetrieblichen Arbeitsablauf ist von einer Situation mittlerer Günstigkeit auszugehen, sodass stete Motivation durch den Führenden erforderlich ist.

Auch gegen das historisch bedeutsame Kontingenzmodell sind zahlreiche theoretische und praktische Einwände erhoben worden. Gleichwohl bleibt für die Führungspraxis

76

Führungsbeziehung

festzuhalten, dass Führungssituation und Führungsstil zueinander passen müssen, um eine effektive Führungswirkung zu erzielen.

Abbildung 2.15: Günstigkeit der Führungssituation und Führungsstile nach F Fiedler (1967)

Auf gab enve r h a l t e n

Günstige Führungssituation

B e zi e h u n g sve r h a l t e n

Führungssituation mittlerer Günstigkeit

Au f g a b e n verh a l t e n

Ungünstige Führungssituation

WJ Reddin (1977) geht in seinem 3-D-Programm von einem dreidimensionalen Ansatz aus, der Aufgabenverhalten (AV), Beziehungsverhalten (BV) und Führungseffektivität miteinander verbindet. Daraus leitet er vier Führungsstile ab, die abhängig von der Führungssituation effektiv (+) oder ineffektiv (-) sind (Abb. 2.16). Die Qualität der Führungssituation wird dabei bestimmt durch die Art und Weise der Arbeit, die Aufgabenanforderungen, von Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten, von der Organisationsstruktur sowie dem Organisationsklima.

Der Verfahrensstil ist z. B. in der Verwaltung, der Beziehungsstil in der Aus- und Weiterbildung, der Aufgabenstil für Spitzenpositionen in der Linie und der Integrationsstil in Expertenorganisationen, also auch in Medizinbetrieben, effektiv (Abb. 2.16).

77

2.4

2

Interaktionelle Führung

Abbildung 2.16: Effektive (+) und ineffektive (-) Führungsstile in Anlehnung an WJ Reddin (1977), Seite 272. Beim Verfahrensstil verlässt sich der Führende primär auf organisationale Regeln, Methoden und Systeme, beim Beziehungsstil betont er die zwischenmenschlichen Beziehungen und berücksichtigt die Mitarbeiterbedürfnisse. Der Aufgabenstil betont die zu erreichenden Ergebnisse, beim Integrationsstil agiert der Führende kooperativ, motivierend und fördert die Mitarbeiter zielorientiert.

effektive Stile

Förderer

Grundstile

Beziehungsstil

Verwalter Bürokrat

Integrierer

Macher

Integrationsstil

BV

ineffektive Stile

Gefälligkeitsapostel

Verfahrensstil

Aufgabenstil

Kompromissler

AV

Kneifer

Autokrat

Aufbauend auf dem 3-D-Programm entwickelten P Hersey, KH Blanchard und DE Johnson (2001) ihr Verhaltensmodell der Führung, dessen Anwendung, so die Autoren, dem (9,9)-Führungsstil nach RR Blake und AA McCanse entspricht. Ausgangspunkt des Verhaltensmodells ist eine Führungsstiltaxonomie, welche die beiden Variablen „Aufgabenverhalten“ und „Beziehungsverhalten“, abhängig vom Selbstständigkeitsgrad des Geführten oder einer zu führenden Gruppe eine vorgegebene Aufgabe bearbeiten zu können, kombiniert. Von daher bestimmt nicht der Führende, sondern der (innerhalb der organisatorischen Grenzen) aufgabenbezogene Selbstständigkeitsgrad des

78

Führungsbeziehung

oder der Geführten das Führungsverhalten. Den Selbstständigkeitsgrad (readiness) bestimmen P Hersey et al. (2001) nach der Fähigkeit (task maturity) und der Bereitschaft (psychological maturity) des Geführten ein vorgegebenes Organisationsziel erreichen bzw. eine vorgegebene Aufgabe bearbeiten zu können. Fähigkeit wird durch die Konstrukte Wissen, Erfahrung und Verrichtungskönnen (knowledge, experience, skill), Bereitschaft durch die Konstrukte Motivation, Engagement, und Zuversicht (motivation, committment, confidence), jeweils bezogen auf die vorgegebene Aufgabe qualifiziert. P Hersey et al. unterscheiden vier Selbstständigkeitsgrade (Ri; i=1,2,..,4), denen sie wiederum vier Führungsstile (Sj; j=1,2,..,4) zuordnen. Das situative Führungsverhalten folgt dann reaktiv aus der Diagnose der Führungssituation durch den Führenden. Bei Mitarbeitern mit geringem oder mäßigem Selbstständigkeitsgrad (R1, R2) ist ein aufgabenbezogenes Führungsverhalten (Stil S1, S2), mit zunehmendem Selbstständigkeitsgrad (R3, R4) ein mitarbeiterbezogenes Führungsverhalten (Stil S3) oder ein delegatives Führungsverhalten (Stil S4) effektiv (Abb. 2.17). Bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter mit noch geringer Fähigkeit aber hoher Bereitschaft (R2) sollte der Führende ein stark instruierendes Aufgabenverhalten mit sozio-emotionaler Unterstützung (S2) kombinieren. In zeitkritischen (Notfall-)Situationen oder in der operativen klinischen Arbeit ist das Führungsverhalten S1 das richtige.

Korrespondiert der Selbstständigkeitsgrad mit den Phasen der Gruppenbildung (Absatz 2.3.1), so gilt z. B. für die „Orientierungsphase“ (R1/S1), für die „Reifephase“ (R4/S4). Als problematisch für den Führenden stellt sich jedoch der Fall sehr unterschiedlicher Selbstständigkeitsgrade (bezogen auf konkrete Aufgaben) innerhalb einer Gruppe dar. Einerseits ist ein einheitliches Führungsverhalten wünschenswert, andererseits können weniger selbstständige Gruppenmitglieder nicht partizipativ geführt werden, und Mitglieder mit sehr hohem Selbstständigkeitsgrad werden durch einen zu dirigistischen Führungsstil demotiviert. In dieser Situation sind spezielle integrierende Maßnahmen (z. B. intensive Information, Vernetzung, Forcierung der Knüpfung persönlicher Kontakte usw.) indiziert. Um den Gruppenerfolg langfristig aufzubauen,

79

2.4

Interaktionelle Führung

kann es gegebenenfalls auch notwendig sein, den Grad der Selbstständigkeit der Gruppe bzw. einzelner Mitglieder durch geeignete Maßnahmen der Personalentwicklung zu erhöhen (Abschnitt 4.8).

Abbildung 2.17: Verhaltensmodell: Der aufgabenspezifische Selbstständigkeitsgrad des Geführten (Ri; i=1,2,..,4) bestimmt das situative Führungsverhalten (Sj; j=1,2,..,4) des Führenden. Darstellung in Anlehnung an P Hersey et al. (2001), Seite 174. Copyrighted material, adapted with permission of Center for Leadership Studies, Inc. Escondido, CA, USA. All rights reserved.

hoch

Beziehungsverhalten

2

niedrig

R3: Mäßige bis hohe Selbstständigkeit hohe Fähigkeit aber geringe Bereitschaft

R2: Geringe bis mäßige Selbstständigkeit geringe Fähigkeit aber hohe Bereitschaft

S 3 : P a r t i z i p i e re n wenig aufgabenbezogen / stark mitarbeiterbezogen

S 2 : Ü b e rz e u g e n stark aufgabenbezogen / stark mitarbeiterbezogen

R4: Hohe Selbstständigkeit hohe Fähigkeit und hohe Bereitschaft

R1: Geringe Selbstständigkeit geringe Fähigkeit und geringe Bereitschaft

S 4 : D e l e g i e re n wenig aufgabenbezogen / wenig mitarbeiterbezogen

S 1 : A n w e is e n stark aufgabenbezogen/ wenig mitarbeiterbezogen

Aufgabenverhalten

hoch

Der Führende sollte sich aber bei seinem Führungsverhalten keinesfalls nur auf eine reaktive Anpassung an den Selbstständigkeitsgrad seiner Mitarbeiter beschränken, sondern diesen u. a. durch Zielvorgaben, Lob und Kritik im Laufe der Zusammenar-

80

Führungsbeziehung

beit steigern (Blanchard et al. 2005). Dies schließt nicht aus, dass der Führende, falls es erforderlich sein sollte, situativ auch von einem höheren Führungsstil zu einem niedrigeren wechseln kann; z. B. von S4 nach S3. Die in der Originaldarstellung (Hersey, Blanchard, Johnson 2001, Seite 182) eingezeichnete „Entwicklungskurve“ (Normalverteilung des Führungsverhaltens in Bezug auf den Selbstständigkeitsgrad) steht für diesen angestrebten Entwicklungsprozess des Mitarbeiters und ist das charakteristische Merkmal des Verhaltensmodells, das in der ursprünglichen Fassung als Life Cycle Theory of Leadership (Hersey und Blanchard 1969) bezeichnet und im deutschsprachigen Schrifttum unzutreffend als „Reifegradmodell“ zitiert wurde (Sager 2006). Allerdings ist die im Modell implizierte Zunahme des Selbstständigkeitsgrades (durch Zunahme der Fachkompetenz, steigendem Selbstvertrauen durch erfolgreich bewältigte Aufgaben) in der Realität keineswegs zwangsläufig. Viele Mitarbeiter fühlen sich auch mit dem „Anweisungsstil“ recht wohl! Ferner ist nicht immer auszuschließen, dass vor allem solche Mitarbeiter, die sich konform zum Führenden äußern oder verhalten, als selbstständig eingestuft werden.

Obwohl anfänglich wegen seiner einseitigen theoretischen Annahmen und unzureichenden empirischen Belege kritisiert, hat sich das Verhaltensmodell in der Führungspraxis bewährt und angesichts seiner Plausibilität eine breite Akzeptanz gefunden. Es nimmt, wie P Hersey et al. (2001, Seite 451 ff.) ausführlich darlegen, Bezug auf Leistungs-Motivations-Erkenntnisse (Porter et al. 1968) und viele andere der bisher diskutierten Motivations- und Führungstheorien.

81

2.4

Führungsbeziehung

3 Führungssubstitute Die medizinbetriebliche Organisation lässt sich durch Führungssubstitute so gestalten, dass die zielorientierte Ausrichtung des Verhaltens der Beschäftigten vorgesteuert und koordiniert wird (kontextuelle Führung). Dazu bedarf es organisationaler Regeln, wobei eine Unterscheidung nach

o

strukturellen (Führungsstruktur),

o

prozessualen (Prozessstruktur) und

o

kulturellen (Organisationskultur)

Aspekten vorgenommen werden kann.

Qualität und Quantität der Regeln werden u. a. definiert von den Gestaltungsvorgaben der Gesundheitsleistungsproduktion, insbesondere den legalen Faktoren (Seelos 2004), den Erwartungen der Stakeholder, vor allem der Patienten mit ihren vorrangigen Bedürfnissen, den Beschäftigten, der medizinbetrieblichen Umwelt und den eingeführten Führungsinstrumenten. Mit dem Regelsystem werden Freiräume für individuelles (Führungs-)Verhalten eingeschränkt. Gleichwohl darf das Regelsystem nicht einer nachhaltigen Dienstleistungsorientierung im Sinne einer flexiblen und individuellen Patientenversorgung widersprechen. Der Freiraum für individuelles Führungshandeln ist nach WH Staehle (1999) umso geringer,

o

„je komplexer und instabiler die Umweltbedingungen sind, die den Führenden dazu zwingen, sich auf diese zu konzentrieren;

83

2.4

3

Führungssubstitute

o

je höher der Grad der Entscheidungszentralisation ist, sodass wesentliche Beeinflussungsmöglichkeiten entzogen sind;

o

je größer die Abhängigkeit der Organisation von anderen Organisationen ist;

o

je größer die Anzahl der Geführten (Leitungsspanne) ist, die insbesondere die Möglichkeiten eines beziehungsorientierten Führungsverhaltens einschränkt“.

3.1

Führungsstruktur

Die medizinbetriebliche Führungsstruktur folgt der aufbauorganisatorischen Gliederung des Medizinbetriebs, z. B. differenziert nach der hierarchischen Stufung (Führungsebenen), der Breite und Tiefe der Leitungsspannen und der funktionalen Struktur. Sie visualisiert als Organigramm oder beschreibt durch Stellenbeschreibungen und Geschäftsverteilungspläne die Verteilung der delegierten Entscheidungs- und Anordnungsbefugnis bezogen auf die aufbauorganisatorischen Instanzen (Stellen) und legt damit die quantitativen Führungsbeziehungen (Führungsdyaden) fest.

Individualführung korrespondiert mit einer (ein Führender führt einen Geführten), kollektive Führung, und dies ist bei Medizinbetrieben der Regelfall, mit mehr als einer Führungsdyade (Abb. 3.1).

Da in Medizinbetrieben der Orientierung am Wertschöpfungsprozess (Behandlungsprozess) eine höhere Wertigkeit gegenüber der traditionellen berufsständischen funktionalen Gliederung zukommt, sollten Konzepte zur strukturellen Führungsdisposition vor allem die Kooperation und Koordination von Gruppen und Teams unterstützen. Einen Ansatz dazu hat R Likert (1992) entwickelt. Das von ihm vorgeschlagene Prinzip der überlappenden Gruppenmitgliedschaft (Linking-Pin-Prinzip) bei der in jeder (hierarchisch) übergeordneten Gruppe ein Mitglied der nachgeordneten

84

Führungsstruktur

Gruppe (Gruppenleiter oder ein von der Gruppe bestimmtes Mitglied) integriert ist, kann unmittelbar auch auf die Definition medizinbetrieblicher Konferenzstrukturen übertragen werden (Abb. 3.2). Beispielsweise kann der Ärztliche Direktor eines Krankenhauses sowohl der „Geschäftsleitung“ als auch der Gruppe der „Chefärzte“ angehören, die wiederum Mitglieder von Abteilungsteams sind. Eine solche personelle Vernetzung unterstützt sowohl die Integration der verschiedenen (strategischen, taktischen, operativen) Führungsebenen als auch der, vor allem in grösseren Medizinbetrieben (Krankenhäusern), traditionell berufsständisch vertikal versäulten Organisationsstruktur (Medizin, Pflege, Verwaltung).

Abbildung 3.1:

Führungsdyaden im Medizinbetrieb. Für manche Führungskräfte fällt die Rolle des Führenden (F) und des Geführten (G) zusammen, d. h. Führende führen Führende.

F

G F G F

G

G

G F G F

G

G

G

G F

G

G

G

G

Gruppenorganisation

85

3.1

3

Führungssubstitute

Abbildung 3.2:

Das Linking-Pin-Prinzip nach R Likert (1992) unterstützt als Führungssubstitut die Personalführung über vernetzte Gruppen. Jeder Leiter einer Gruppe (ausgenommen der Topleiter) gehört zwei Gruppen an.

st r a t e g i s c h

t a kt i sc h

o p e ra t i v

Neben der formal gestalteten Führungsstruktur entsteht durch ungeplante Beziehungen zwischen den Beschäftigten (emergente Effekte, Machtbeziehungen, Gruppeneffekte) und basierend auf persönlichen Zielen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter meist auch eine informale Organisation (Abb. 3.3). Sie kann die formale Organisation unterstützen, aber auch behindern.

3.2

Prozessstruktur

Die vor allem durch die Gestaltungsvorgaben der Gesundheitsleistungsproduktion motivierte zielorientierte Strukturierung (Organisation) medizinbetrieblicher Geschäftsprozesse findet neben den Regeln zur Strukturorganisation auch ihren Ausdruck in zahlreichen Organisationsanweisungen, Verfahrensbeschreibungen, Checklisten, Empfehlungen, Leitlinien, Richtlinien und Standards, deren Einhaltung die Führenden sicherzustellen haben. Sie können praktisch in der Form eines (digitalen) Organisationshandbuches im medizinbetrieblichen Intranet dargestellt und administriert werden.

86

Prozessstruktur

Abbildung 3.3:

Organisation als „Eisbergphänomen“ in Anlehnung an W von Eiff (2000), Seite 165

Struktur- und

Formale Organisation

Prozessorganisation

personale

Informale Organisation

Netzwerke

Einstellungen

Subkulturen

Geheime Spielregeln

Gefühle

Machtbeziehungen

Werthaltungen

Soziale Erfahrungen

Mit der Einführung fallpauschalierter Entgeltsysteme (diagnosis related groups, DRG’s) in der stationären Versorgung haben zwischenzeitlich auch Behandlungspfade (syn. clinical pathways, medical pathways, Patientenpfade) eine gewisse Bedeutung erfahren. Behandlungspfade beschreiben das geplante Prozessdesign für die Behandlung definierter medizinischer Problemkategorien nach qualitativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Referenzprozess). Das für den konkreten Behandlungsfall individualisierbare Prozessdesign legt wiederum Art, Reihenfolge, Zeitpunkt und Umfang der einzelnen Leistungen fest. Damit nimmt auf der operativen Ebene der Umfang der Führungssubstitute (genauer die Regelungsdichte) zu; persönliche Führung tritt dann zwangsläufig hinter struktureller Führung zurück. Gleichzeitig gewinnt wegen des übergeordneten Koordinations- und Integrationsbedarfs arbeitsteili-

87

3.2

3

Führungssubstitute

ger Leistungsprozesse oder der damit verbundenen Entscheidungen auf der taktischen und strategischen Ebene die persönliche Führung an Bedeutung.

3.3

Organisationskultur

Jeder Medizinbetrieb hat eine eigenständige Organisationskultur. Sie bezeichnet die Gesamtheit der von der Mehrheit der Beschäftigten gemeinsam geteilten, gelebten und symbolisch repräsentierten Werthaltungen (gelebtes Wertesystem).

Diese Werthaltungen und Überzeugungen oder die daraus abgeleiteten Normen und Orientierungsmuster, die sich im Laufe der Zeit als Ergebnis sozialer Lernprozesse zur Anpassung an die medizinbetriebliche Umwelt sowie zur Sozialintegration nach innen herausgebildet haben, prägen das Verhalten der Beschäftigten, das wiederum die Organisationskultur beeinflusst (Abb. 3.4). Organisationskultur macht damit, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, organisatorisches Handeln kohärent.

Die für jeden Medizinbetrieb spezifischen kulturellen Inhalte ergeben sich durch das Zusammenspiel gesellschaftlicher multikultureller Orientierungs- und Verhaltensmuster, Menschenbildern und berufsständischen Werthaltungen der Handelnden, der sozialen Zusammensetzung der Belegschaft und Merkmalen der medizinbetrieblichen Strukturorganisation wie z. B. Machtverteilung, Organisationsgröße, Zentralisierungsgrad, Rechtsform und Trägerschaft. Eine Organisationskultur wird eine umso größere Differenzierung aufweisen, je konvergenter, stimmiger und transparenter sich ihre Werte darstellen. So können etwa eine Arztpraxis, ein medizinisches Forschungsinstitut, ein Krankenhaus in privater, in öffentlich-rechtlicher oder in freigemeinnütziger Trägerschaft durchaus eine unterschiedliche Kulturauffassung vermitteln.

88

Organisationskultur

Abbildung 3.4:

Dualitätsprinzip der medizinbetrieblichen Organisationskultur nach HJ Seelos (2006), Seite 118

Medizinbetrieb Systemökologie

Beschäftigte

Anpassung

Sozialintegration

Organisationskultur

manifestiert sich durch

Wertvorstellungen Überzeugungen abgeleitet daraus

Normen Orientierungsmuster die sich auswirken auf

konkretes Entscheiden und Handeln Corporate Identity

A priori ist dem Medizinbetrieb eine humanitäre Organisationskultur inhärent, die jedoch bei den Beschäftigten unterschiedlich internalisiert sein kann. So wird im Medizinbetrieb nahezu jedes Begehren, jede Handlung mit dem Wohl des Patienten begründet. Jedoch lässt sich bei dem gegebenen Zielgemenge (Individualziele, Organisationsziele) schwer beurteilen, welches Ziel im Einzelfall tatsächlich verfolgt oder welches Ziel zum Vorwand wird (Rathje 2003). Insbesondere wird mit der Ökonomi-

89

3.3

3

Führungssubstitute

sierung der Medizin, also dem Übergang vom deontologischen zum (deontologischen und) teleologischen Denken und Handeln, der Medizinbetrieb zunehmend weniger als eine kohäsive Gemeinschaft, sondern als ein multikulturelles, pluralistisches Gebilde erlebt, das sich aus einer Vielzahl von Subkulturen zusammensetzt. Sie definieren sich durch gruppenspezifische Wertvorstellungen, Normen, Denk- und Verhaltensmuster und etablieren sich nach berufsständischen (z. B. ärztliche Mitarbeiter), hierarchiebezogenen (z. B. Chefärzte) oder aufbauorganisatorischen (z. B. die Beschäftigten einer Station) Kriterien. Weil bewusster und vielleicht auch unmittelbarer erlebt, wird von den Beschäftigten die Zugehörigkeit zu einer Subkultur oftmals wichtiger eingeschätzt als die zur medizinbetrieblichen Organisationskultur (Leitkultur). Subkulturen begünstigen berufsständische Abgrenzungen, etwa zwischen dem ärztlichen Dienst und dem Pflegedienst. Sie können die Leitkultur fördern, wenn ihre Werte und Normen (modellhaft) kulturkonformes Verhalten verstärken. Möglich sind aber auch indifferente Subkulturen, deren Werte nicht mit denen der Leitkultur kollidieren und dysfunktionale Subkulturen (Gegenkulturen), deren Werte in Konkurrenz oder gar im Konflikt zur Leitkultur stehen.

Wertekonflikte können auftreten, wenn einzelne Werte der medizinbetrieblichen Organisationskultur zueinander oder mit Werthaltungen der Beschäftigten im Widerspruch sind; so z. B. implizite Leitbilder, berufsständische Wertvorstellungen, Menschenbilder, Tabus, Paradigmen, Rollen (Abb. 3.5). Ein für Medizinbetriebe häufig zitierter Wertekonflikt besteht zwischen einer deontologischen und einer teleologischen Organisationskultur. In der Beziehung zum Patienten hat der Medizinbetrieb eine deontologische Kulturverpflichtung, d. h. die Verbindlichkeit und Qualität einer Handlung darf aus ethischen und rechtlichen Gründen nicht von deren (ökonomischen) Folgen abhängig gemacht werden. Insbesondere haben alle Handlungen zu unterbleiben, die a priori als nachteilig für die Gesundung des Patienten erkannt werden. Demgegenüber verlangt die für die Gesundheitsleis-

90

Organisationskultur

tungsproduktion gültige Orientierung am ökonomischen Prinzip (auch) ein teleologisches Zweck-Mittel-Denken. Letzteres ist aber gerade eine instrumentelle Voraussetzung, um knappe Mittel möglichst effizient für die übergeordneten ethischen Ziele einzusetzen. So gesehen ist Ökonomie kein Selbstzweck, sondern erhält instrumentalen Charakter (Rathje 2003).

Abbildung 3.5:

Wertekonflikte mit dem und innerhalb des medizinbetrieblichen Wertesystems

Implizite Leitbilder

Berufsständische Werte

Menschenbilder

ökon. Prinzip

Ethikorientierung M e d i z i n b e t r i e b l i c he s Wert es y st em

Tabus

Patientenorientierung

Paradigmen Mitarbeiterorientierung Institutionalisierte Rollen

Andere Kulturen

Jeder Medizinbetrieb steht im Kontext einer Landeskultur (Abb. 3.6). Dies ist z. B. für multinationale Gesundheitskonzerne von Interesse, wenn verschiedene Landes- und Organisationskulturen aufeinandertreffen. Zu entscheiden ist dann die Frage, ob, abhängig von der jeweiligen Unternehmenspolitik und dem organisatorischen Integ-

91

3.3

3

Führungssubstitute

rationsbedarf, eine universelle (unternehmensweite, kohärente) oder eine pluralistische Organisationskultur praktiziert werden soll.

Abbildung 3.6:

Hierarchie und Zusammenspiel der Kulturen

G l o ba l k u l t u r L a n d es k ul t u r O r ga n i s a t i o ns k u l t u r

S u bk u l t u r ( e n )

Treffen unterschiedliche Organisationskulturen aufeinander, wie z. B. auch bei der Übernahme der Betriebsführung durch Dritte (Outsourcing), der Privatisierung oder der Fusion von Medizinbetrieben, können sich Kulturkonflikte ergeben. Bei einem solchen „cultural gap“ bieten sich für das Kulturmanagement grundsätzlich drei Möglichkeiten:

92

o

die Organisationskulturen bleiben getrennt,

o

eine Kultur wird dominant oder

o

die Integration der Kulturen im Sinne best practice.

Organisationskultur

3.3.1

Kulturanalyse

Medizinbetriebliche Entscheidungen, die in Unkenntnis der Organisationskultur getroffen werden, können oftmals unerwünschte Folgen nach sich ziehen. Eine Analyse der Organisationskultur ist indiziert, wenn z. B. Organisationspathologien erklärt werden sollen, ein Kulturwandel zu validieren oder eine strategische Neuausrichtung eines Medizinbetriebs geplant ist. Allerdings lässt sich die Organisationskultur auch bei Medizinbetrieben nicht unmittelbar erschließen, denn die

Organisationskultur ist im wesentlichen ein implizites Phänomen (Abb. 3.7).

Abbildung 3.7:

Kultur-Ebenen-Modell in Anlehnung an EH Schein (1995), Seite 30

Artefakte

Normen Orientierungsmuster

Grundannahmen

Kulturelle Phänomene, Symbole und Zeichen (leicht zu beobachten, aber schwer zu entschlüsseln)

teils sichtbar, teils unbewusst

Werthaltungen und Überzeugungen (unsichtbar, meist unbewusst)

Ein Versuch, die verschiedenen Ebenen einer Organisationskultur zu ordnen und ihre Beziehungen zueinander zu klären, ist das Kultur-Ebenen-Modell von EH Schein (1995). Es unterscheidet drei Ebenen, wobei sich der Begriff „Ebene“ auf den Grad der Sicht-

93

3.3

3

Führungssubstitute

barkeit eines kulturellen Phänomens für den Wahrnehmenden bezieht (Abb. 3.7). Diese Ebenen reichen von den Artefakten, also ohne weiteres sichtbaren, spürbaren und offenkundigen Erscheinungsformen oder Gestaltungselementen der medizinbetrieblichen Organisationskultur, über die propagierten Normen und Orientierungsmuster bis hin zu den tief verwurzelten, unbewussten Grundannahmen und Werthaltungen (z. B. das (humane) Menschenbild, das ärztliche Gesundheitsverständnis, die Einstellung zum übernommenen Versorgungsauftrag, das Verständnis von Gemeinwohl).

Tabelle 3.1: o

Ursprungsbereiche kultureller Phänomene

Rituale und Symbole Rituelles Verhalten der Führungskräfte (Konferenzkultur, Beförderungspraxis, Nachwuchsauswahl) Rituelles Verhalten der Mitarbeiter (Begrüßung, Patientenwertschätzung) Räumliche und gestalterische Artefakte (Architektur, Inneneinrichtung, Corporate Design wie Logo, Internetauftritt, Berufskleidung, Tragen von Namensschildern, Türschildbeschriftungen, Dienstbezeichnungen) Institutionalisierte Rituale und Konventionen (Kleidungsnormen, Parkplatzordnung, Konferenzen, Umgang mit Ideen und Konflikten, Hauszeitungen, Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Feiern von Jubiläen, Betriebsausflüge, Anreiz- und Belohnungssysteme, Umgang mit neuen Patienten).

o

Kommunikation (Geschichten, Anekdoten, Legenden, Slogans, Sprachmuster, Witze, in denen als Ausdruck von Gegenkulturen offiziell proklamierte Werte karikiert werden, Informations- und Kommunikationsverhalten, Dienstwege, Öffentlichkeitsarbeit, informales betriebliches Kommunikationsnetz)

o

Persönlichkeitsprofile der Führungskräfte (Lebensläufe, individuelle Werte und Mentalitäten), insbesondere des Top-Managers

o

Personalführungssystem (Leitbild, Führungsmodell, Führungsinstrumente, Personalentwicklung)

o

Medizinbetriebliche Strukturen und Prozesse (Organisationsdokumente, Zentralisierungsgrad, Dezentralisierungsgrad, Leitungsspannen, Führungsebenen, informales Kommunikationsnetz).

94

Organisationskultur

Um die (unausgesprochenen) Grundannahmen einer medizinbetrieblichen Organisationskultur explizit zu machen, muss man sich, so EH Schein, ausgehend von den erfahrbaren kulturellen Ausdrucksformen (Artefakten), sukzessive die zugrundeliegenden Basisorientierungen (Wertekern) in einem Interpretationsprozess erschließen bis schließlich ein intersubjektiv vollziehbares Bild der Deutungsfiguren und ihrer Vernetzung resultiert. Dazu ist ein multi-methodales Vorgehen (Beobachtung, Befragung, Dokumentenanalyse), bezogen auf die Ursprungsbereiche kultureller Phänomene, gegebenenfalls auch unter Rückgriff auf Kulturtypologien, zielführend (Tab. 3.1).

3.3.2

Kulturdiagnose

Bei der Kulturdiagnose geht es um die Frage, ob oder inwieweit das vom Medizinbetrieb (öffentlich) propagierte Wertesystem tatsächlich auch von den Beschäftigten gelebt wird, also eine starke oder schwache Organisationskultur vorliegt.

Patienten und deren Angehörige erkennen sehr schnell, ob die Beschäftigten eines Medizinbetriebs ein propagiertes Wertesystem auch leben.

Zur Qualifizierung einer Organisationskultur werden von W Neubauer (2003) drei Kriterien angegeben:

o

Prägnanz unterscheidet eine Organisationskultur nach ihrer Orientierungswirkung. Starke Organisationskulturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die erwünschten Orientierungsmuster und Werthaltungen klar vermitteln („Was ist erwünscht, was nicht“). Eine hohe Prägnanz verlangt sowohl konsistente, in sich widerspruchsfreie Werthaltungen, Orientierungsmuster und Symbolsysteme, als

95

3.3

3

Führungssubstitute

auch eine hohe Prägungsdichte, d. h. umfassend angelegte kulturelle Orientierungsmuster, die in vielen Handlungssituationen den Maßstab setzen können. o

Der Verbreitungsgrad stellt auf das Ausmaß ab, in dem sich die Beschäftigten mit der Kultur identifizieren, also ihre Werthaltungen gemeinsam teilen und leben. Eine schwache Organisationskultur zeichnet sich dadurch aus, dass sich Entscheiden und Handeln der Beschäftigten eher an unterschiedlichen Normen, impliziten Leitbildern und Subkulturen orientiert. Symptomatisch hierfür sind Wertekonflikte und dysfunktionale Subkulturen.

o

Die Verankerungstiefe drückt aus, inwieweit über längere Zeit stabile (persistente) kulturelle Normen und Orientierungsmuster zum selbstverständlichen Bestandteil des täglichen Handelns geworden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem kulturkonformen Verhalten als Ergebnis einer kalkulierten Anpassung und einem kulturkonformen Verhalten, das Ausfluss internalisierter kultureller Orientierungsmuster ist, die in einem Sozialisationsprozess vermittelt werden.

Eine starke Organisationskultur vermag, unabhängig von ihren kulturellen Inhalten, vielfältige positive Wirkungen hervorzurufen (Neubauer 2003):

o

Vorhandene Subkulturen erhalten durch ein gemeinsam geteiltes und gelebtes Wertesystem eine sekundäre Bedeutung.

o

Eine starke Organisationskultur gibt Sicherheit für das tägliche Handeln durch verbindliche Orientierungsmuster. Diese Handlungsorientierung ist vor allem dort von großer Bedeutung, wo eine formale Regelung zu kurz greift oder gar nicht greifen kann.

o

Ein gemeinsames Wertesystem fördert Entscheidungen, die sich auf eine breite Akzeptanz stützen und mithin schnell umgesetzt werden können.

96

Organisationskultur

o

(Intrinsische) Motivation und Teamgeist werden gefördert, denn die gemeinsamen Werte und Orientierungsmuster verpflichten die Beschäftigten auf die gleichen Handlungsgrundlagen.

o

Sozialpsychologische Untersuchungen zeigen, dass ein Medizinbetrieb die Potenziale der Beschäftigten umso besser nutzen kann, je größer das Gefühl der Zusammengehörigkeit (Gruppenkohäsion) ist. Dies wird von einer starken Organisationskultur unterstützt.

Dennoch dürfen aber auch gewisse Risiken starker Organisationskulturen nicht übersehen werden:

o

Tief internalisierte Wertesysteme tendieren dazu, Kritik, neue Anforderungen oder neue Chancen, die zur bestehenden Organisationskultur im Widerspruch stehen, zu verdrängen oder sogar zu blockieren (kollektive Vermeidungshaltung).

o

Es besteht die Gefahr, an traditionellen Orientierungsmustern festzuhalten, obwohl sich deren Orientierungsgehalt längst überholt hat.

o

Eine starke Organisationskultur erweist sich oftmals als inflexibel, wenn das Wertesystem aus strategischen Gründen geändert werden soll oder muss.

3.3.3

Kulturgestaltung

Führende im Medizinbetrieb sind gleichermaßen Werteträger und Kulturschaffende.

Wie die organisationspsychologische Forschung zeigen konnte, nehmen die Grundannahmen und Werthaltungen der Beschäftigten, vor allem dann, wenn diese Positionsmacht haben, Einfluss auf die medizinbetriebliche Organisationskultur und umge-

97

3.3

3

Führungssubstitute

kehrt. Interventionelle Ansätze zur zielorientierten Gestaltung der Organisationskultur, setzen daher zunächst beim Personal als Kulturträger an.

So kann etwa die Frage der Personalauswahl kulturkonform oder kulturdivergent entschieden werden (Abb. 3.8). Die Auswahl kulturkonformer Mitarbeiter ist eine kulturbewahrende Maßnahme. Werte werden gefestigt, wenn die jeweiligen Wertvorstellungen und Überzeugungen des künftigen Mitarbeiters mit dem gelebten medizinbetrieblichen Wertesystem übereinstimmen oder Bewerber sich bewusst für das Tätigwerden in einem konkreten Medizinbetrieb entscheiden.

Abbildung 3.8:

Wertesystem und Personalauswahl

Wertepräferenz des Beschäftigten

kulturkonformer Ansatz

kulturdivergenter Ansatz

Medizinbetriebliches Wertesystem

(un-) oder erwünschter Wertekonflikt

Dagegen ergeben sich beim kulturdivergenten Ansatz unerwünschte oder erwünschte Wertekonflikte; so etwa die Chance, neue noch relativ wenig vertretene, aber zur angestrebten Organisationskultur kompatible Denk- und Verhaltensweisen einzuführen. Dabei ist zu beachten, dass die Persönlichkeitsmerkmale des Führenden die Personalauswahl maßgeblich beeinflussen. Meistens stellt dieser nämlich Mitarbeiter ein, die ihm ähnlich sind. „Das ist das Prinzip der Anziehung: Sie ziehen magnetisch an, was Sie selbst sind“ (Maxwell 2002). Grundsätzlich hat die Übereinstimmung der persönlichen Wertvorstellungen der Beschäftigten mit dem medizinbetrieblichen Wertesystem Konsequenzen, so z. B. für die Häufigkeit von Wertekonflikten, die Fluktuation oder

98

Organisationskultur

die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Nur, wenn der Mitarbeiter zum Medizinbetrieb und der Medizinbetrieb zum Mitarbeiter passt, sind die Bedingungen für eine längerfristige Zusammenarbeit gegeben!

Andere Ansätze des Kulturmanagements beziehen sich auf eine reflektierte Gestaltung des medizinbetrieblichen Wertesystems mit dem Ziel, das Verhalten der Beschäftigten durch eine kulturelle Prädisposition vorzusteuern. Die Idee eines „kulturbewussten Managements“ geht zurück auf TJ Peters und RH Waterman (1982), die herausfanden, dass besonders innovative und erfolgreiche (exzellente) Unternehmen übereinstimmend u. a. durch ein sichtbar gelebtes (starkes) Wertesystem charakterisiert waren („Wir meinen, was wir sagen und tun es auch“). Pragmatisch gesehen beschränkt sich dieser Ansatz darauf, eine mögliche Organisationskultur unter Berücksichtigung der in einem Medizinbetrieb repräsentierten Grundannahmen und Werthaltungen zu artikulieren, eine Übereinstimmung darüber herbeizuführen, was wünschenswert ist, und dann diese vom Träger des Medizinbetriebs bestätigten gemeinsamen Werte zu befolgen (identitätsorientierte Führung). Als Gesamtheit der zu den einzelnen Werten (Handlungsmaximen) formulierten (Verhaltens-)Leitsätze stellt sich dann das medizinbetriebliche Wertesystem als das vom Träger des Medizinbetriebs intendierte (zu lebende) Leitbild dar (Abb. 3.9).

99

3.3

3

Führungssubstitute

Abbildung 3.9:

Leitbild eines psychiatrischen Fachkrankenhauses

Das Zentrum für Psychiatrie Reichenau ist akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Konstanz, Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotherapeutische Medizin sowie psychiatrisches Pflege- und Wiedereingliederungsheim.

Patienten und Bewohner Wir achten die Würde, Rechte und Interessen jedes einzelnen Patienten und Bewohners.

Mitarbeitende Unsere Arbeit erfordert von Allen gegenseitige Wertschätzung, Transparenz, kollegiale Fairness und ständige Weiterentwicklung der Professionalität.

Qualität Wir orientieren uns an ethischen Grundsätzen, juristischen Vorgaben und fachlichen Leitlinien und verpflichten uns hierfür zu einem umfassenden Qualitätsmanagement.

Innovation Wir fördern die aktive Teilnahme aller Berufsgruppen an Forschung, Lehre und innovativen Projekten.

Strategie Wir entwickeln unser Zentrum am Standort Reichenau weiter und betreiben gemeindenahe psychiatrische Versorgung.

Ökonomie Wir handeln wirksam und wirtschaftlich im Sinne der bestmöglichen Versorgung von Patienten und Bewohnern.

Ökologie Wir streben einen sparsamen, umweltschonenden Energie- und Materialverbrauch an und erhalten die Parklandschaft unseres Geländes.

Kooperationen Wir erfüllen unseren gesellschaftlichen und regionalen Auftrag, indem wir uns für die soziale Integration psychisch kranker Menschen einsetzen und mit anderen kooperieren.

Führungsphilosophie Die Führungskräfte sind in besonderem Maße der Ziel- und Mitarbeiterorientierung sowie der Transparenz verpflichtet.

100

Organisationskultur

Gemäß dem Stimmigkeitsprinzip der Organisationskultur (Peters et al. 1982) ist eine solche Kulturgestaltung als reflexiver Prozess anzulegen, der die Übereinstimmung von Zielen, Strategien, Organisation und Kultur regelmäßig prüft und gegebenenfalls einen Kulturwandel initiiert. Dieser kann extern (z. B. Marktveränderungen, allgemeiner Wertewandel, veränderte Erwartungshaltung des Patienten, Fusion von Medizinbetrieben) und/oder intern (personelle Veränderungen im Top-Management) induziert sein. Mithin gilt:

Die medizinbetriebliche Organisationskultur ist nichts Statisches, sondern einem stetigen Wandel durch innere und äußere Einflüsse unterworfen.

101

3.3

Lob und Kritik

4 Führungsinstrumente Führenden in Medizinbetrieben steht ein breites Spektrum an Führungsinstrumenten zur Verfügung, um ihre Gestaltungsabsicht (Verhaltensstabilisierung, -änderung) zu unterstützen (Tab. 4.1). Institutionalisierungsgrad und Anwendungshäufigkeit sind jedoch von Medizinbetrieb zu Medizinbetrieb verschieden.

Tabelle 4.1:

4.1

Medizinbetriebliche Führungsinstrumente im Überblick

o

Lob und Kritik

o

Anreizsysteme

o

Symbole

o

Mitarbeiterbefragung

o

Führungsgrundsätze

o

Coaching

o

Mentoring

o

Personalentwicklung z

Mitarbeitergespräch

z

Personalbeurteilung

z

Fort- und Weiterbildung

z

Führungskräftetraining

Lob und Kritik

„Immer wieder ist der Führende aufgefordert, auf Leistungen oder Verhalten der Geführten wertend zu reagieren. Dies kann verbal (durch Worte), paraverbal (durch

103

4.1

4

Führungsinstrumente

Gestik, Mimik) oder nonverbal (durch Zu- und Abwenden) geschehen. Erfolgt dies gezielt und unter Kenntnis lerntheoretischer Befunde, werden Lob und Kritik zu einem Führungsinstrument. Seine praktische Bedeutung kann nicht überschätzt werden, da Mitarbeiter zwar unterschiedlich, grundsätzlich aber sehr sensibel auf Lob und Kritik reagieren“ (Weibler 2001).

Lob und Kritik sollten vom Führenden umgehend ausgesprochen und konkret benannt werden und sich nur auf die Leistung oder das Verhalten, nicht jedoch auf die Person des Geführten beziehen (Blanchard et al. 2004).

Kritisieren sollte der Führende einen Mitarbeiter nie im Beisein anderer, z. B. vor Patienten. Immer wieder lässt sich im medizinbetrieblichen Führungsalltag beobachten, dass eine misslungene Arbeit eingehend destruktiv kommentiert, eine gelungene aber selten gelobt wird. Es gilt das Motto: „Nicht gescholten ist auch gelobt!“ Aus der Lerntheorie weiß man aber, dass Mitarbeiter verstärkt diejenigen Verhaltensweisen zeigen, die anerkannt (belohnt) werden und diejenigen meiden, die keine oder gar eine negative Reaktion auf Seiten des Vorgesetzten provozieren. Der Vorgesetzte sollte daher eher erwünschtes Verhalten durch Dank und (psychologische) Anerkennung verstärken als unerwünschtes durch zurechtweisende Belehrungen kritisieren. Nur wer seinen Mitarbeitern Anerkennung zollt, fördert ihre Begeisterung für die Arbeit und damit auch Spitzenleistungen.

4.2

Anreizsysteme

Ein Anreizsystem ist nach T Petersen (1988) die Gesamtheit aller bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen, die direkt oder indirekt bestimmte Verhaltensweisen (durch

104

Anreizsysteme

positive Anreize, Belohnung) zielgerichtet verstärken, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer dagegen durch negative Anreize mindern.

Die Entwicklung von Anreizsystemen geht zurück auf Erkenntnisse der behavioristischen Lernforschung, d. h. der Führende möchte durch den gezielten Einsatz positiver Anreize, deren Bereitstellung an die Erfüllung organisationaler Ziele gebunden ist, erwünschte Motive des Geführten aktivieren, wie z. B. die Entscheidung in einem konkreten Medizinbetrieb zu arbeiten, in ihm zu verbleiben, eine bessere Arbeitsleistung zu erbringen oder definierte Organisationsziele zu erreichen. Üblich ist die Einteilung von Anreizen nach Anreizarten und Anreizquellen (Abb. 4.1).

Abbildung 4.1:

Einteilung von Anreizen nach Anreizarten und –quellen nach J Weibler (2001), Seite 374

An r e i ze

A n re i za rt e n

materiell

immateriell

An re i zq u e l l e n

intrinsisch (in der Tätigkeit selbst liegend)

extrinsisch (von außen gesetzt)

Die Ziele von Anreizsystemen fasst FG Becker (1995) funktional zusammen:

o

Mit der Bereitstellung von Anreizen werden gewünschte, bereits vorhandene Mitarbeitermotive aktiviert und somit für den Medizinbetrieb nutzbar gemacht (Aktivierungsfunktion).

o

Anreize sind an die Erfüllung organisationaler Ziele gebunden und steuern so individuelles Verhalten (Steuerungsfunktion).

105

4.2

4

Führungsinstrumente

o

Anreize geben den Beschäftigten Informationen, welche Verhaltensweisen im Einklang mit der Organisationskultur stehen (positiv sanktioniert werden) oder der Organisationskultur entgegenstehen (negativ sanktioniert werden) (Informationsfunktion).

o

Anreize helfen, veränderte Anforderungen an Beschäftigte im Rahmen eines organisatorischen Wandels zu vermitteln (Veränderungsfunktion).

Da die Motivstruktur personen- oder situationsabhängig ist, sollten medizinbetriebliche Anreizsysteme, um eine bestmögliche Wirkung zu entfalten, individualisiert (differenziert) ausgestaltet sein. Abhängig von veränderten sozialen Erwartungen und Forderungen, gesetzlichen Bestimmungen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen können sich die Elemente eines medizinbetrieblichen Anreizsystems ändern. So dominieren mit der zunehmenden Betonung des Leistungsprinzips in Non-ProfitOrganisationen – auch unter wirtschaftlichen Aspekten – extrinsische Motive (Tab. 4.2).

Tabelle 4.2:

Materielle und immaterielle Anreize zur Förderung der extrinsischen und intrinsischen Motivation

I N T R I N S I SC H E MO T I V AT O R EN

E XT R I N SI SC H E MO T I V AT O R EN Ma ter ie lle Anr e ize D i r ek t e f i n a n z i el l e A n re i z e Entlohnung (fix) Leistungslohn (variabel) - Erfolgsabhängige Vergütung - Erfolgsprämie - Pay for Performance Programme - Erfolgsbeteiligung

106

I n di r ek t e f i na nz i el l e A n r ei z e Lohnzusatzleistungen - berufliche Vorsorge - zusätzliche Versicherungen - Firmenwagen - Baudarlehen - Büroausstattung n. Wunsch - Reserv. Parkplatz

Immate rie lle An re ize S o z i al e A n re i z e Führungsstil Gruppenmitgliedschaft Information / Feedback Soziale Beziehungen Anerkennung

Or g ani s at o ri s c h e A n re i z e Arbeitsorganisation Arbeitszeitorganisation Personaleinsatz Personalentwicklung Arbeitsplatzsicherheit

Der Anreiz ergibt sich aus der Arbeit Aufgabenorientierung - Ganzheitlichkeit - Anforderungsvielfalt - Soziale Interaktionsmöglichkeit - Autonomie - Lernmöglichkeit Beziehungsorientierung - Beteiligung an der Aufgabendef. - Zuweisung v. Verantwortlichkeit - Einräumung von Autonomie

Anreizsysteme

Allerdings setzen in Medizinbetrieben die ökonomischen Möglichkeiten und tarifrechtlichen Gegebenheiten der Umsetzung extrinsischer Anreize enge Grenzen. Gleichwohl sind umsatz- oder gewinnorientierte Erfolgsbeteiligungen, Prämien für Gruppenleistungen und erfolgsabhängige (variable) Vergütungssysteme für Führungskräfte, die mit dem Führungsmodell „Management by Objectives“ (Abschnitt 5.4) verknüpft werden, auch in Medizinbetrieben verbreitet.

In den USA liegen Pay for Performance Programme im Trend, die Ärzte für Qualitätsund Leistungsverbesserungen belohnen. Sie konzentrieren sich auf die Behandlung chronisch Kranker. Gemessen werden die Patientenzufriedenheit (Weiterempfehlungsverhalten), die Verwaltungseffizienz (Einsatz von Informationstechniken, Reduktion der Wartezeiten) und das Kostenmanagement (Zahl der Notarztbesuche pro Patient und Jahr). Gute Werte werden von den Krankenversicherungen mit Boni belohnt, weil Kostenkontrollprogramme nicht die erwarteten Wirkungen zeigen. Jedoch ist deren Anwendung, z. B. wegen der Schwierigkeit die Ergebnisqualität von Gesundheitsleistungen darzustellen, nicht unumstritten (Osterloh et al. 2005).

Allerdings belegen Befunde der Führungsforschung, dass monetäre Anreize die hiermit verbundenen motivationalen Ziele nachhaltig selten erfüllen. Den Ausschlag dafür gute Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen, gibt oft eine Arbeitsumgebung, in der ein Mitarbeiter Kreativität, Persönlichkeit und Initiative entfalten kann. Viele Medizinbetriebe haben daher Bedingungen und Traditionen geschaffen, mit denen sie die emotionalen, beruflichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Beschäftigten ansprechen. Sie wenden ein Konzept der Mitarbeiterorientierung an, das z. B. folgende Aspekte berücksichtigt: gerechte Bezahlung, Arbeitsgestaltung, Selbstlenkung, Organisationskultur, Führungsstil, Karriereplanung (Bowen 2005).

107

4.2

4

Führungsinstrumente

4.3

Symbole

Der bewusste Einsatz von symbolträchtigen Worten, Gesten und Taten (z. B. öffentliche Belobigungen, ausgewiesene Parkplätze für Führungskräfte, Büroausstattung) ist im Hinblick auf die Umsetzung in Medizinbetrieben ein sehr anspruchsvolles Führungsinstrument. Es setzt nicht nur die Passung von Ausformung des Symbols und Anwendungssituation voraus, sondern, so J Weibler (2001), bedarf auch der Passung von Personen und Handlungen. „Demnach sind Symbole Führungskräften vermutlich nur in geringer Dosis zu empfehlen. Gelingt jedoch ein authentischer Einsatz, so gibt es Indizien dafür, dass die Führungsabsicht und die Führungsrichtung damit besonders eindrucksvoll unterstrichen werden können“ (Weibler 2001).

4.4

Mitarbeiterbefragung

Zufriedene Mitarbeiter sind nicht nur eine notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Patientenzufriedenheit, sie stellen auch eine nicht zu unterschätzende „Marketingressource“ dar, weil sie das Image des Medizinbetriebs nachhaltig mit prägen.

Eines der wichtigsten Führungsinstrumente zur Einschätzung und Absicherung der Arbeitszufriedenheit ist die Mitarbeiterbefragung.

Von Qualitätsentwicklungssystemen (z. B. KTQ®) werden Mitarbeiterbefragungen regelmäßig (jährlich bis alle drei Jahre) gefordert. Konkret handelt es sich dabei um eine freiwillige, anonyme, schriftliche Befragung aller Beschäftigten mit dem Ziel der Gewinnung zeitpunktbezogener, statistisch aggregierter Meinungsbilder zur Arbeitszufriedenheit. Bezogen auf die Arbeitswelt spricht man synonym oft auch von „Mitar-

108

Mitarbeiterbefragung

beiterzufriedenheit“, die sich aber – präziser betrachtet - aus den Konstrukten „Arbeitszufriedenheit“ und „Lebenszufriedenheit“ zusammensetzt.

Traditionell stellt der Informationsbedarf von Mitarbeiterbefragungen ab auf die von F Herzberg (1966) beschriebenen Motivatoren und Hygienefaktoren (Tab. 4.3). Mitarbeiterbefragungen sollten aber nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern auch die Identifikation mit den im medizinbetrieblichen Leitbild postulierten Werthaltungen validieren. Dies erfordert eine mandantenspezifische Ergänzung der eingeführten branchenbezogenen Befragungsinstrumente (z. B. ceus consulting 2003), abgestimmt auf das jeweilige medizinbetriebliche Wertesytem.

Tabelle 4.3:

Aspekte zur Einschätzung der Arbeitszufriedenheit, die als ZufriedenheitsWichtigkeitsportfolio dargestellt werden können

Wie zufrieden sind Sie mit ...? Wie wichtig ist Ihnen ...? 1.

Information und Kommunikation

2.

Arbeitssituation

3.

Arbeitsorganisation

4.

Arbeitsumfeld

5.

Führungsverhalten der Vorgesetzten

6.

Mitarbeiterunterstützung und –entwicklung

7.

Mitarbeiterbeteiligung

8.

Zusammenarbeit der Berufsgruppen innerhalb des eigenen Arbeitsbereichs und zwischen den Arbeitsbereichen

9.

Interne und externe Dienstleistungen

10. Leistungsqualität im eigenen Arbeitsbereich, in der Abteilung, im Medizinbetrieb (Eigenbild) 11. Umgang mit Patienten 12. Image des Medizinbetriebs 13. Identifikation mit dem Medizinbetrieb

Die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung setzt zunächst die Zustimmung der Mitarbeitervertretung und die Information der Beschäftigten über die Inhalte und den

109

4.4

4

Führungsinstrumente

Ablauf der Befragung voraus. Insbesondere sollte die Offenlegung der Befragungsergebnisse für die Beschäftigten (vorab) festgelegt sein. In die Befragung einbezogen werden alle Beschäftigten, die am Befragungsstichtag einen wirksamen Arbeitsvertrag besitzen. Die genauen Inhalte des Fragebogens sollten gemeinsam mit allen Führungskräften und der Mitarbeitervertretung mit Blick auf die verfolgten Ziele festgelegt, die Datenauswertung zweckmäßigerweise einem externen (darauf spezialisierten) Unternehmen übertragen werden. Dies ermöglicht, je nach Datenbasis des beauftragten Unternehmens, auch ein partielles Benchmarking. Einige Medizinbetriebe führen bereits ihre Mitarbeiterbefragung über E-Mail oder Internet durch. Datensicherheit und Anonymität bleiben dabei durch technische Vorkehrungen gewahrt. Vorteil der Online-Erhebung ist, dass die Daten unmittelbar während der Befragung schon digital vorliegen. Das spart Zeit und Kosten bei der Auswertung.

Erfahrungsgemäß beteiligen sich an Mitarbeiterbefragungen in Medizinbetrieben, entsprechende Information und Motivation vorausgesetzt, bis zu 75% aller Beschäftigten (ein Rücklauf von mehr als 60% gilt als gut). Zur Wahrung der Anonymität sollten berufsgruppenbezogene Auswertungen nicht über einzelne Organisationseinheiten, sondern nur summarisch über alle Organisationseinheiten möglich sein. Ferner sollten die Auswertungen nach Strukturmerkmalen geschichtet werden können (z. B. Geschlecht, Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Beschäftigungszeit am jetzigen Arbeitsplatz, Teil-/Vollzeitbeschäftigter, befristeter/unbefristeter Arbeitsvertrag, Auszubildender ja/nein, Berufsgruppe). Leider ist in der Praxis immer wieder festzustellen, dass Befragungen zur Arbeitszufriedenheit mit großem Aufwand und hohen Kosten betrieben werden, aber die aus den Ergebnissen abzuleitenden Konsequenzen ausbleiben. Dabei wird übersehen, dass Mitarbeiterbefragungen, im Gegensatz zu Patientenbefragungen, eine Eigendynamik entwickeln. Der Patient ist in der Regel nicht mehr im Medizinbetrieb, wenn die Befragungsergebnisse vorliegen, und er ist auch nicht permanent damit konfrontiert, ob und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Dagegen verbleiben die befragten Mitarbeiter im Medizinbetrieb und erwarten, dass

110

Führungsgrundsätze

sich anschließend „etwas bewegt“ (Ament-Rambow 2001). Folgen nämlich aus negativen Ergebnissen keine eindeutigen Verbesserungsmaßnahmen, werden Mitarbeiter durch Mitarbeiterbefragungen eher demotiviert als motiviert.

4.5

Führungsgrundsätze

Führungsgrundsätze (syn. Führungsleitlinien, -richtlinien, -prinzipien) sind schriftlich fixierte, werteorientierte Verhaltenserwartungen des Trägers an die medizinbetrieblichen Führungskräfte im Hinblick auf eine organisationsziel- und mitarbeiterorientierte Zusammenarbeit (Eichhorn et al. 1995).

Führungsgrundsätze beschreiben z. B. Führungs- und Kooperationsprinzipien, regeln den Führungsstil, die anzuwendenden Führungsinstrumente, die Form der Entscheidungsfindung, der Zusammenarbeit und der Konfliktbewältigung (Tab. 4.4). Sie müssen mandantenspezifisch (partizipativ) festgelegt werden und sollten, um die beabsichtigte Verhaltenskonditionierung der Führenden zu sichern, mit anderen personalpolitischen Instrumenten verknüpft werden, da sie a priori mangels Anreizund Sanktionscharakter nur eine geringe Führungswirkung entfalten.

Führungsgrundsätze finden sich in Leitbildern (Aussagen zur Grundorientierung „Mitarbeiterorientierung“) oder – ausführlicher – als separate Verhaltensleitlinien. Im weitesten Sinn unterstützen Führungsgrundsätze auch die medizinbetriebliche Außendarstellung (Public Relations, Personalmarketing).

111

4.5

4

Führungsinstrumente

Tabelle 4.4:

Führungsgrundsätze eines schweizerischen Geriatriespitals, Alters- und Pflegeheims (Quelle: www.adullam.ch)

Führen durch Sinngebung Die Mitarbeitenden sollen ihre Arbeit in einen Sinnzusammenhang stellen können und ein Ziel vor Augen haben. Führen durch Vorbild Vorbild sein bedeutet, mit fachlicher Kompetenz und menschlicher Integrität zu führen. Wort und Tat sollen übereinstimmen. Führen durch geeignete Bedingungen Die Führungsperson versteht sich auch als Mentor und Coach der Mitarbeitenden und des Teams. Sie schafft Bedingungen, damit die Mitarbeitenden ihre Arbeit erfolgreich durchführen können. Führen durch Zielvorgabe und -vereinbarung Die Kenntnisse der Messlatte – hinsichtlich qualitativer und quantitativer Kriterien – ist Voraussetzung für eine gute Leistung. Führen durch Partizipation und Delegation Die Mitarbeitenden sollen mitgestalten, mitbestimmen und Verantwortung übernehmen und die Wirkung ihrer Arbeit erkennen. Führen durch Rückmeldung Lob, Kritik und Korrektur sind wichtige Führungsmittel. Führen durch Kommunikation und Information Kommunikation und Information individuell, im Team und mit anderen Teams sind Voraussetzung für das Zustandekommen einer arbeitsteiligen Dienstleistung an Kranken und Betagten.

4.6

Coaching

Coaching zielt ab auf eine mentale Unterstützung und Begleitung einzelner Mitarbeiter (Einzelcoaching) und von Mitarbeitergruppen (Gruppencoaching) durch Vorgesetzte, Kollegen (internes Coaching) oder Externe.

Dafür gibt es in Medizinbetrieben zahlreiche Indikationen wie z. B. die Unterstützung bei Changemanagementprozessen, Teamproblemen, Problemen der interprofessionel-

112

Coaching

len Zusammenarbeit, Problemen zwischen Mitarbeitern und Patienten, Problemen eines Mitarbeiters mit der Aufgabe (burn-out-Syndrom), die Personalentwicklung (Lernpartnerschaft) oder ein Patensystem bei der Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters oder eines Arztes in Weiterbildung.

Coaching kann aus unterschiedlichen Perspektiven verstanden werden: Gespräch, Beratung, Supervision, Teambuilding (Backhausen et al. 2003; König et al. 2002; Schreyögg 2003). Allen diesen Ausprägungen ist gemeinsam, dass der Coach mit den zu unterstützenden Mitarbeitern Gespräche führt, deren Anzahl und Frequenz von der jeweiligen Problemstellung, der Situation und den beteiligten Personen abhängt. Ein guter Coach sollte Vertrauen aufbauen, (aktiv) zuhören können, die richtigen Fragen stellen, Vorverurteilungen vermeiden, konstruktives Feedback geben und Schwerpunkte setzen (Landsberg 1998).

Unabhängig davon, ob ein Einzel- oder Gruppencoaching durchgeführt wird, lässt sich ein Coaching-Prozess in fünf Phasen unterteilen. Wie jedes erfolgreiche Gespräch beginnt auch ein Coaching-Gespräch zunächst mit der Kontaktphase (Phase 1), d. h. dem Kennenlernen der Beteiligten und dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. In der Vertragsphase (Phase 2) müssen sich die Gesprächspartner auf die Rahmenbedingungen, die ihre Treffen inhaltlich und formal berühren einigen (Ort, Zeitpunkt, Dauer). In Phase 3 erfolgt eine gemeinsame Situationsanalyse, in der die aktuellen Probleme identifiziert und Ziele definiert werden. Dabei gilt es die Position der einzelnen Gesprächspartner möglichst genau zu bestimmen. Es folgt ein Lösungsentwurf (Phase 4), der verschiedene, unter Umständen auch konkurrierende Strategien und Maßnahmen beinhaltet, die zur Lösung der Probleme beitragen können. In der Abschlussphase (Phase 5) wird kritisch hinterfragt, ob das Coaching zu einer neuen Situation für den oder die Gesprächspartner geführt hat.

113

4.6

4

Führungsinstrumente

Coaching ist aber nicht in jeder Situation das Führungsinstrument der Wahl. Insbesondere ist der Vorgesetzte nicht für jedes Problem und nicht in jeder Konstellation eine geeignete Besetzung für die Rolle des Coach. So kann er etwa bei fehlender Distanz zur Thematik, persönlicher Betroffenheit oder konträren Zielvorstellungen nicht immer eine rein mitarbeiterorientierte Problemsicht einnehmen. Ein externer Coach kann solche Rollenkonflikte vermeiden. Jedoch sind auch ihm natürliche Grenzen gesetzt; so z. B. wenn der Mitarbeiter im Coach einen Therapeuten sucht.

4.7

Mentoring

Ein Mentor berät einen Mitarbeiter, für den er nicht direkt verantwortlich ist, bei wichtigen Lebensentscheidungen und -plänen.

Im medizinbetrieblichen Umfeld konzentriert sich die Mentor-Mentee-Beziehung auf die Vermittlung bestimmter Fertigkeiten, die Karriereplanung und die persönliche Weiterentwicklung. Aufgabe des Mentors ist es, den Mentee bei der Verfolgung von Lern- und Karrierezielen zu unterstützen und ihm dabei zu helfen, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein aufzubauen.

Zu verschiedenen Zeitpunkten nimmt der Mentor unterschiedliche Rollen ein: Trainer, Berater, Motivator, Vorbild und Vermittler von Kontakten. Er darf sich aber nicht zum Helfer in der persönlichen Not seines Mentee entwickeln. Ein guter Mentee nimmt Rücksicht darauf, dass der Mentor viel Zeit in die Beziehung investiert. Dazu gehört, dass gemeinsam geklärt wird, was sich der Mentor von der Beziehung verspricht, der Terminplan des Mentors bei der Planung von Besprechungen berücksichtigt wird, der Mentee seinem Mentor Feedback gibt, ihn respektiert und sich bei ihm bedankt (Landsberg 2005).

114

Mentoring

Es stehen vier einander sich ergänzende Arten des Mentorings zur Auswahl (Bell 2002):

o

Das oft spontane, auf der Basis ähnlicher Interessen, Fachgebiete oder eines persönlichen Hintergrunds entstehende formlose Mentoring.

o

Das naturgemäß wenig objektive positionsbedingte Mentoring, wenn der Mentor der direkte Vorgesetzte des Mentee ist.

o

Das situationsbedingte Mentoring als Unterstützung in bestimmten Situationen, z. B. wenn der Mentee eine neue medizinische Methode erlernen soll.

o

Betriebliche Mentoringprogramme, bei denen im Gegensatz zum formlosen Mentoring spezifische Lernziele und messbare Ergebnisse im Vordergrund stehen. Solche Programme sind zeitlich begrenzt und zielen üblicherweise darauf ab, neue Mitarbeiter einzuarbeiten oder Mitarbeiter für neue (Führungs-)Positionen oder besonders anspruchsvolle Projekte vorzubereiten.

Beispielhaft sei hier auf § 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung in der Krankenpflege (KrPflAPrV vom 10. November 2003) hingewiesen. Danach sind bei der praktischen Ausbildung (Planung, Durchführung, Reflektion, Dokumentation von Anleitungssituationen) von Gesundheits- und Krankenpflegekräften Mentoren, sogenannte Praxisanleiter, vor Ort verantwortlich einzubinden. Die Praxisanleiter unterstützen die Stationsleitung in deren Pflicht, das betriebliche Mentoringprogramm sicherzustellen (u. a. Anleitungsbedarf und Dienstplangestaltung, Überprüfung des Ausbildungsangebotes vor Ort, Überwachung der Ausbildung und Ausbildungsfortschritte, Mitarbeit bei der Erstellung der Ausbildungsnachweise, pädagogische Beratung der Mitarbeiter bezüglich der praktischen Ausbildung).

115

4.7

4

Führungsinstrumente

Für den Erfolg betrieblicher Mentoringprogramme benennt M Landsberg (2005) u. a. folgende Voraussetzungen: Eine auf die gegenseitige Unterstützung ausgerichtete Organisationskultur und Arbeitsumgebung, die ausschließlich freiwillige Teilnahme an dem Programm, eine klare Struktur des Mentoringprogramms, das Ziele innerhalb eines sinnvollen Zeitrahmens verfolgt, eine kontinuierliche Unterstützung sowie eindeutige, gemeinsam erarbeitete Richtlinien für die Mentoren und eine regelmäßige Evaluierung des Mentoringprogramms.

4.8

Personalentwicklung

Die Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen, mit denen neue Qualifikationsund Motivationspotenziale bei den Beschäftigten erzeugt und dadurch für den Medizinbetrieb aktiviert werden. Sie steht in einer Komplementaritätsbeziehung zur Personalbeschaffung, wo neue Qualifikations- und Motivationspotenziale durch Gewinnung neuer Mitarbeiter erworben werden (Klimecki et al. 2001).

Personalentwicklung wird dann zum Führungsinstrument, wenn sie vom Führenden gezielt zur Optimierung der Führungsbeziehung eingesetzt wird; so vor allem in Verbindung mit regelmäßigen Mitarbeitergesprächen (Absatz 4.8.1), einem umfassenden System zur Personalbeurteilung (Absatz 4.8.2), einer auf die medizinbetriebliche Unternehmensphilosophie und das Personalführungssystem abgestimmten Führungskräfteschulung (Absatz 4.8.4) und einer systematischen Planung der Fort- und Weiterbildung (Absatz 4.8.3).

Die Ziele der Personalentwicklung liegen vor allem in der Behebung aktueller Qualifikationsdefizite durch Qualifizierung der Mitarbeiter, in der Vorbereitung auf zukünftige höherwertige Aufgaben (Karriereplanung) und in der langfristigen Deckung des

116

Personalentwicklung

Personalbedarfs. Aus Mitarbeitersicht steht die Verbesserung der internen und externen beruflichen Position sowie die Reifung der Persönlichkeit im Vordergrund. Weil Personalentwicklungsmaßnahmen auf Lernprozesse abzielen, die Zeit brauchen, ist es unerlässlich, die Konzepte der Personalentwicklung frühzeitig und geplant einzusetzen. Um Personalentwicklungsmaßnahmen optimal umzusetzen, stehen Medizinbetrieben im Vergleich zu Unternehmen anderer Branchen in der Regel leider nur sehr geringe Budgets zur Verfügung.

4.8.1

Mitarbeitergespräch

Ein Mitarbeitergespräch ist ein mehr oder minder strukturiertes, spontanes oder geplantes Gespräch zwischen Führendem und Geführtem. Je nach Anlass und Ziel lassen sich verschiedene Gesprächssituationen benennen: Planungsgespräch, Budgetgespräch, Feedbackgespräch, Anerkennungsgespräch, Kritikgespräch, Konfliktgespräch, Gespräch vor Ablauf der Probezeit, Mitarbeiterbeurteilungsgespräch, Kündigungsgespräch usw.

Das Mitarbeiterjahresgespräch mit oder ohne Zielvereinbarung ist gleichermaßen Führungsinstrument und Instrument zur Personalentwicklung, insbesondere im Rahmen bestehender Führungsgrundsätze (Abschnitt 4.5). Es ist Grundlage für die erfolgreiche Realisierung medizinbetrieblicher Zielsetzungen und die gezielte Entwicklung des Mitarbeiterpotenzials; im Einzelnen (Koeder et al. 2004):

o

Förderung der Zusammenarbeit;

o

Steigerung der Arbeitsergebnisse und –qualität;

o

Positiver Effekt für das Organisationsklima durch die Möglichkeit des Meinungsaustausches;

o

Information über die gegenseitigen Erwartungen;

117

4.8

4

Führungsinstrumente

o

Potenzialerkennung/-förderung von Mitarbeitern (Potenzial- und Karriereplanung);

o

Verbesserungsvorschläge aus der Sicht der Mitarbeiter (Betriebliches Vorschlagswesen, Ideenmanagement);

o

Vereinbarung von Organisationszielen (MbO – Abschnitt 5.4).

Die Initiative für ein Mitarbeiterjahresgespräch geht in der Regel vom Führenden aus, kann aber auch vom Geführten eingefordert werden. Es sollte nicht ad hoc, sondern rechtzeitig terminiert (mind. 14 Tage vorher), mit der gebotenen Zeit geführt (1-2 Std.) und gut vorbereitet werden. Dazu sollten der Führende und der Mitarbeiter zunächst voneinander unabhängig identische Checklisten zur Mitarbeiterbeurteilung bearbeiten, um dann gemeinsam, auftretende Differenzen der Fremd- und Selbsteinschätzung diskutieren zu können. Das Mitarbeiterjahresgespräch verlangt trotz strukturierter Vorgaben in der Anwendung ein hohes Maß an sozialer Kompetenz. Es bietet die Chance zum partnerschaftlichen Meinungsaustausch über realisierte Verhaltens- und Leistungserwartungen aus Sicht des Führenden und des Geführten. Seine Inhalte lassen sich mit den Begriffen „Bilanz ziehen“ und „Zukunft planen“ apostrophieren (Koeder et al. 2004). Bilanz ziehen heißt, den vergangenen Arbeitszeitraum zu beurteilen, die Zusammenarbeit und die erzielten Ergebnisse zu bewerten, insbesondere gute Leistungen zu bestätigen, aber auch individuelle Stärken und Schwächen zu definieren, ohne dabei die Persönlichkeit des Beurteilten zu verletzen. Im Sinne von P Hersey et al. (2001) wird gemeinsam, bezogen auf den aktuellen Aufgabenbereich, der Selbstständigkeitsgrad des Mitarbeiters diagnostiziert. Zukunft planen bedeutet, gemeinsam neue Ziele und Aufgaben zu vereinbaren und gegebenenfalls Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung des Mitarbeiters festzulegen. Mit solchen Zielvereinbarungen werden Sollvorstellungen geschaffen, an denen später die erreichten Ergebnisse gemessen werden können. Zielerreichungsgrad und Leistungsbeurteilung können vergütungswirksam sein (Anreizsystem). Die Gesprächsinhalte werden vom Führenden dokumentiert. Je eine Ausfertigung dieser Dokumentation erhalten und unterzeichnen 118

Personalentwicklung

der Vorgesetzte und der Mitarbeiter. Arbeitsrechtlich verwertbar sind die Ergebnisse eines Mitarbeitergespräches nur dann, wenn diese, schriftlich dokumentiert, Bestandteil der Personalakte werden. Die Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen ist zeitund arbeitsintensiv und erfordert entsprechend geschulte Führungskräfte. „Dennoch lohnt sie sich, da der Erfolg – eine stetige Verbesserung der Leistungen aller Mitarbeiter zu erreichen – nicht ausbleibt“ (Lüthy et al. 2004).

4.8.2

Personalbeurteilung

Die Personalbeurteilung umfasst sämtliche Formen der systematischen Einschätzung persönlichkeits-, verhaltens- und leistungsbezogener Faktoren der in einem Medizinbetrieb aktuell oder zukünftig Beschäftigten mit Folgen z. B. für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses (Personalauswahl), die Entlohnung, den Personaleinsatz, die Personalentwicklung und das Führungsverhalten.

Je nach Zielsetzung stehen für die Personalbeurteilung unterschiedliche Methoden zur Verfügung (Abb. 4.2): o

Mitarbeiterbeurteilung,

o

Vorgesetztenbeurteilung,

o

360-Grad-Beurteilung,

o

Management-Audit.

Mitarbeiterbeurteilung. Eine regelmäßige Mitarbeiterbeurteilung gehört zu jeder guten Personalpolitik. Die im Gegensatz zum Mitarbeitergespräch personalaktenrelevante Mitarbeiterbeurteilung wird in der Regel jährlich, aber auch anlassbezogen (z. B. bei Einstellungen, zum Ende der Probezeit, bei Höhergruppierungen, bei Übernahme in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis, bei Erweiterung des Verantwortungsbereiches

119

4.8

4

Führungsinstrumente

oder Wechsel des Vorgesetzten) vom direkten Vorgesetzten vorgenommen. Dazu stehen dem Beurteiler üblicherweise Checklisten mit mehr oder weniger vollständig vorgegebenen Beurteilungskriterien zur Verfügung, die er mittels Skalierungs- (z. B. Schulnoten), Rangordnungs- (z. B. besser/schlechter als...) oder Kennzeichnungsverfahren (z. B. ja/nein) bearbeitet.

Abbildung 4.2:

Die Verfahren zur Personalbeurteilung im Überblick

Personalberater

M a n a g e me n t A ud i t

Vorgesetzter

K ol l e ge nb e u rt ei l un g

P at i e n te nb eu rte i l un g Führender

Patient

Kollegen

V or g es e t z t e n b e u rt e i lu n g

Mi ta rb e i te rbe urt ei l u ng

36 0 °- B e u r t ei l u n g

Mitarbeiter

Dem Vorteil einer schnellen, weil formalisierten, objektiven und vergleichbaren Beurteilung stehen aber auch gewisse Nachteile gegenüber. So ist z. B. die Neigung zur Reflexion der Bewertung beim Beurteiler schwach ausgeprägt, sodass es zu Verzer-

120

Personalentwicklung

rungseffekten (z. B. ein Merkmal überstrahlt alle anderen, „Tendenz zur Mitte“, „Tendenz zur Milde oder Härte“) kommen kann. Viele Medizinbetriebe haben daher die standardisierte Mitarbeiterbeurteilung durch eine kooperative Variante, das Mitarbeiterjahresgespräch (Absatz 4.8.1), ersetzt oder damit kombiniert. Mithin besteht für den Beurteilten die Möglichkeit zur persönlichen Stellungnahme oder, was insbesondere bei lohnwirksamen Beurteilungen wichtig werden kann, zur Einrede.

Voraussetzung für eine Mitarbeiterbeurteilung sind vor allem transparente (unternehmensweit gültige) Beurteilungskriterien, die auf die Stellenbeschreibung (Arbeitsausführung, Arbeitsergebnisse), das für die Stelle geforderte Wissen (knowledge), die Organisationskultur (wertekompatibles Verhalten) und die soft skills (Initiative, Kommunikation und Teamarbeit) Bezug nehmen. Bei Mitarbeitern mit Personalverantwortung können zusätzlich die Prozesse Personalführung und Personalentwicklung bewertet werden.

Vorgesetztenbeurteilung. Von einer Vorgesetztenbeurteilung spricht man dann, wenn Mitarbeiter ihren direkten Vorgesetzten bezüglich seiner Leistung, seines (Führungs-) Verhaltens und seiner sozialen Kompetenz einschätzen. Dazu bedient man sich entweder einer anonymen Befragung oder einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem. Der Vorgesetzte sollte in beiden Fällen immer darauf achten, dass er möglichst standardisierte Fragen stellt, unabhängig davon, ob in Fragebogenform oder als Gesprächsleitfaden. Üblicherweise werden zu den Problembereichen Konfliktlösung,

Initiativverhalten,

Informationsbeschaffung,

Meinungsverhalten,

Entscheidungsverhalten und konstruktive Kritik geschlossene Fragen gestellt und mittels einer mehrstufigen Skala beantwortet. Beispielsweise werden für die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Fähigkeit des Vorgesetzten Sie zu coachen?“ die Antwortkategorien „sehr zufrieden“, „zufrieden“, „unzufrieden“ angeboten. Jedem Mitarbeiter müssen dieselben Fragen vorgelegt oder gestellt werden. Nur so lässt sich die notwendige Objektivität gewährleisten. Die Vorgesetztenbeurteilung ist, eine hinrei-

121

4.8

4

Führungsinstrumente

chende Anonymität vorausgesetzt, für die Mitarbeiter oftmals die einzige Chance dem direkten Vorgesetzten ein systematisches, offenes Feedback ohne unmittelbare Sanktionsgefahr zu geben. Generalisierende Aussagen zur Beurteilung der Vorgesetzten lassen sich auch mittels Mitarbeiterbefragung gewinnen. Die Ergebnisse der Vorgesetztenbeurteilung dienen der persönlichen Information des Vorgesetzten und als Orientierungshilfe für die Optimierung des eigenen (Führungs-)Handelns, aber auch der Reflektion der eigenen Verhaltensweisen gemeinsam mit Mitarbeitern.

360-Grad-Beurteilung. Eine besondere Form der Personalbeurteilung stellt die sogenannte 360-Grad-Beurteilung dar, bei der die Selbsteinschätzung des Beschäftigten (Selbstbild) Fremdeinschätzungen aus seinem organisatorischen Umfeld gegenübergestellt wird (Abb. 4.2). Die zur Bewertung erforderlichen Informationen werden mittels standardisierter, voneinander unabhängig vorgenommener, anonymer Befragungen gewonnen. Die Durchführung der Befragung setzt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung voraus. Auch sollte zuvor der Umgang (Feedback, Dokumentation) mit den Befragungsergebnissen festgelegt sein.

Management-Audit. Gelegentlich wird die Personalbeurteilung mit einer Potenzialbeurteilung durch einen Externen (Personalberater) verbunden. Beschränkt sich diese ausschließlich auf die Führungskräfte in einem Medizinbetrieb, spricht man von einem Management-Audit. Abhängig von der Zielsetzung des Audits stehen z. B. die fachliche Kongruenz zur aktuellen Position oder zu einer künftigen neuen Aufgabe, die persönliche Kompetenz bzw. das Entwicklungspotenzial und das Management Knowhow der zu auditierenden Führungskraft auf dem Prüfstand. Instrumente des Management-Audits sind das strukturierte Interview (mit dem beauftragten Personalberater), ergänzt um typische Assessment-Center-Bausteine wie Fallstudien und Simulationsübungen, aber auch Kollegen-Einschätzungen und die Selbsteinschätzung der betreffenden Führungskraft. Vorab zu klären sind:

122

Personalentwicklung

o

Ziel des Management-Audits?

o

Teilnehmerkreis (alle Führungskräfte, organisatorische Teilbereiche)?

o

Welche Kompetenzen, welche Kriterien sollen erfasst werden?

o

Wie wird das Management-Audit den betroffenen Führungskräften und der übrigen Belegschaft kommuniziert?

o

Wie soll das Feedback und die Dokumentation der Ergebnisse erfolgen?

o

Welche Bereitschaft besteht beim Top-Management auch Konsequenzen aus den Ergebnissen des Management-Audits zu ziehen?

4.8.3

Fort- und Weiterbildung

Der Fort- und Weiterbildung als Maßnahme der Personalentwicklung kommt in Medizinbetrieben eine besondere Bedeutung zu. Traditionell engagieren sich Medizinbetriebe an der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen. Für ärztliche Mitarbeiter ist die Weiterbildung eine notwendige Voraussetzung zur Qualifizierung als Facharzt oder zur Erlangung medizinischer Zusatzbezeichnungen, die Fortbildung ausdrücklich berufsrechtlich verpflichtend vorgeschrieben.

Fortbildung ist einerseits kostenintensiv, andererseits aber zur Sicherung der Versorgungsqualität und Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar. Inhaltlich erstreckt sich die Fort- und Weiterbildung auf berufsbezogene fachliche oder medizinorganisatorische Aspekte im weitesten Sinn, wie die Facharztqualifikation oder das in Absatz 4.8.4 beschriebene Führungskräftetraining.

Einer zielorientierten Personalentwicklung folgend, sollte die Fort- und Weiterbildung nicht nach dem Zufalls- oder „Gießkannenprinzip“, sondern korrespondierend zur strategischen Entwicklung des Medizinbetriebs bzw. den jeweiligen Geschäftszielen

123

4.8

4

Führungsinstrumente

organisiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei begrenzten Budgets das notwendige Know-how und der benötigte skill wirtschaftlich auf- und ausgebaut werden kann. Gute Erfahrungen wurden damit gemacht, den prospektiven Fortbildungsbedarf durch eine „neutrale Instanz“, etwa den medizinbetrieblichen Qualitätsmanagementbeauftragten, unternehmensweit abzufragen, den gemeldeten Bedarf mit den medizinbetrieblichen Zielen abzustimmen und dann entsprechende Prioritäten für den jährlichen Fort- und Weiterbildungsplan zu setzen. Von verschiedenen Stellen angemeldeter themengleicher Fort- und Weiterbildungsbedarf kann so einfach erkannt und effektiver dargestellt bzw. umgesetzt werden. Ferner lassen sich bei der Mittelverteilung und –bewilligung individuelle Karrierepläne ebenso berücksichtigen wie die Strategie „Fort- und Weiterbildung als Incentive“. Das Angebot der Wissensvermittlung reicht von Inhouseseminaren, den Besuch externer Seminarveranstaltungen, berufsbegleitenden (Fern-)studien bis hin zum selbstorganisierten Lernen (Selbststudium von Printmedien, telemedizinische Lehrangebote, e-Learning). Jede vom Mitarbeiter besuchte Fort- und Weiterbildungsmaßnahme sollte gemeinsam mit dem Vorgesetzten daraufhin evaluiert werden, wie die Inhalte in die berufliche Praxis einfließen und die Kollegen an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben können (Transfergespräch).

4.8.4

Führungskräftetraining

Die konsistente Umsetzung des medizinbetrieblich definierten Personalführungssystems hat ein für alle Führungskräfte verpflichtendes Führungskräftetraining zur Voraussetzung.

Ausgehend von dem zitierten Stimmigkeitsprinzip der Organisationskultur (Absatz 3.3.3) sollte das Führungskräftetraining dasjenige Personalführungssystem (Führungsmodell, Führungsinstrumente, Führungssubstitute) vermitteln, das zuvor mit

124

Personalentwicklung

der strategischen medizinbetrieblichen Führungsebene als konsistent zur Unternehmensphilosophie definiert wurde. Leider lassen noch viele der in der medizinbetrieblichen Praxis anzutreffenden „Patchwork-Fortbildungen“ die hier geforderte Konsistenz vermissen, sodass die angestrebte Führungswirkung letztlich suboptimal bleibt. Die idealtypischen Bausteine einer solchen Führungskräfteschulung berücksichtigen die Schulung des Wertesystems, das Training des Führungsmodells und der Führungsinstrumente ebenso wie die Methoden und Techniken des Selbst-, Projekt- und Qualitätsmanagements (Abb. 4.3).

125

4.8

Führungsinstrumente

Abbildung 4.3:

Führungskräftetraining. Ein nachhaltiges Führungskräftetraining baut auf der medizinbetrieblichen Unternehmensphilosophie und dem definierten Personalführungssystem auf; mod. nach HJ Seelos (2004a), Seite 622

1. Unternehmensphilosophie -> Leitbild (Mission, Wertessystem) -> Corporate Identity -> Marke

Hierarchieübergreifende multiprofessionelle, Arbeitsgruppe einschl. Trägervertreter, Qualitätsmanagement, Mitarbeitervertretung, Seelsorge

Was wollen wir? Vision und Strategie

2. Personalführungssystem -> Führungsmodell -> Führungsinstrumente

Geschäftsleitung und Führungskräfte

-> Führungssubstitute

3. Schulung des Wertesystems

4. Training des Führungsmodells Wie führe ich?

5. Training der Führungsinstrumente

6. Selbstmanagement

7. Projektmanagement

8. Qualitätsmanagement

126

alle Führungskräfte

4

Tools Techniken Training Theorie Beispiele

Personalentwicklung

5 Führungsmodelle Führungsmodelle, häufig auch als Managementkonzepte bezeichnet, beschreiben eine mehr oder minder komplexe Sollvorstellung, wie sich Personalführung vollziehen sollte. Sie wurden von der anwendungsorientierten Führungsforschung aber auch von Beratungsunternehmen mit dem Ziel der Effizienzsteigerung der Personalführung entwickelt. Während Partialmodelle wie die bekannten „Management-by-Techniken“ das Führungshandeln auf wenige Parameter ausrichten, versuchen Totalmodelle, z. B. das von R Höhn (1967) entwickelte Harzburger Führungsmodell, das systemorientierte St. Gallener Führungsmodell von H Ulrich (2005) und dessen Weiterentwicklung von J Ruegg-Stürm (2005) oder das 7-S-Modell von RT Pascale und AG Athos (1981) möglichst viele Gestaltungsparameter der Führungssituation zu erfassen. Da in den letzten Jahren von der Führungsforschung keine grundlegend neuen Führungsmodelle vorgelegt wurden, gehen einzelne Unternehmen inzwischen dazu über, organisationsspezifische Führungsmodelle selbst zu entwickeln und einzuführen.

Als Voraussetzung für die Ableitung eines medizinbetrieblichen Führungsmodells in Abschnitt 5.5 werden zunächst auch die in Medizinbetrieben anzutreffenden Management-by-Techniken beschrieben. Es sind dies:

o

die Führung durch Anweisung und Entscheidungsregeln,

o

die Führung mit Ergebnisorientierung,

o

die Führung nach dem Ausnahmeprinzip und

o

die Führung durch Zielorientierung.

127

4.8

5

Führungsmodelle

5.1

Führung durch Anweisung und Entscheidungsregeln

Die Übersetzung medizinischer und pflegerischer Behandlungskonzepte in Form von Richtlinien, Leitlinien, Standards und Behandlungspfaden, also Regeln zur Prozessorganisation, korrespondiert zumindest im patientennahen Bereich mit der Führung durch Kontrolle und Anweisung (Management by Control and Direction - MbCD) und Entscheidungsregeln (Management by Decision Rules - MbDR). Dieser vorstrukturierte situative Handlungskontext entspricht in der Medizin den Rollenerwartungen der Beteiligten, wirkt von daher also a priori nicht demotivierend. Sowohl MbCD als auch MbDR begünstigen eher einen autoritären statt einen partizipativen Führungsstil und stellen eine Variante des Fiedlerschen Ansatzes (Absatz 2.4.3) dar.

5.2

Führung mit Ergebnisorientierung

Die Führungstechnik Management by Results (MbR) resultiert aus der Notwendigkeit der medizinbetrieblichen Budget- und Leistungsplanung und ist z. B. auch typisch für Profitcenter-Organisationen oder fraktale Organisationsstrukturen. Den Führungskräften der einzelnen Organisationsbereiche werden Leistungs- und Kostenziele vorgegeben, deren Einhaltung der Vorgesetzte überwacht und das medizinbetriebliche Controlling unterstützt. Das „Führen mit Zahlen“ verlangt eine Operationalisierung der Leistungs- und Finanzziele (Kennzahlen) und begründet ständige Kontrollen, verbunden mit einem tendenziell autoritären Führungsverhalten. Der partizipativere Ansatz, die Budgetsteuerung bei Aufgabendelegation und weitestgehender Selbstregelung auf der Basis computerunterstützter Führungsinformationssysteme (Management by Systems – MbS), konnte sich in Medizinbetrieben bislang 128

Führung nach dem Ausnahmeprinzip

weder auf der taktischen Ebene noch auf der strategischen Ebene überzeugend durchsetzen.

5.3

Führung nach dem Ausnahmeprinzip

Die Führung nach dem Ausnahmeprinzip (Management by Exception – MbE) unterstellt, der funktionalen Gliederung der Geschäftsprozesse im Medizinbetrieb folgend, eine Aufgabendelegation nach dem organisatorischen Kongruenzprinzip. Der Führende greift jedoch nur bei besonders wichtigen (außerordentlichen) Entscheidungen oder in Ausnahmesituationen ein. MbE entlastet zwar den Führenden durch eine Konzentration auf Ausnahmesituationen, verlangt aber eine möglichst klare und eindeutige Abgrenzung des Ermessensspielraums. Diese ist bei administrativen und logistischen Geschäftsprozessen möglich, bei medizinischen Prozessen zum Teil jedoch problematisch. So sind z. B. die Einschaltung des ärztlichen Hintergrunddienstes im Krankenhaus oder die Festlegung eines Toleranzbereiches vom individuellen Können des nachgeordneten Arztes abhängig. Diese Unsicherheit erleichtert nicht unbedingt die Entscheidung beim Nachgeordneten, z. B. dem Assistenzarzt. „Wendet er sich zu früh an den Vorgesetzten, könnte auf mangelnde Kompetenz geschlossen werden. Wendet er sich zu spät an den Vorgesetzten, wird die Kompetenz angezweifelt, nun aber verbunden mit dem Vorwurf eines unverantwortlichen Handelns“ (Rathje 2003). Auch reicht es nicht, den Toleranzbereich nur qualitativ zu definieren. „So könnte eine Vielzahl von Ereignissen, bei denen jedes für sich eine geringe Bedeutung hat, bei einer Kumulierung in einem bestimmten Zeitintervall, die Information des Vorgesetzten erfordern. In der Medizin gibt es hierfür besonders gravierende Beispiele“ (Rathje 2003).

129

5.3

5

Führungsmodelle

5.4

Führung durch Zielorientierung

Die Führung durch Zielorientierung (Management by Objectives - MbO) geht zurück auf die theoretischen Arbeiten von PF Drucker et al. (1954, 1992), GS Odiorne (1965) und JW Humble (1967) und setzt voll und ganz auf die motivierende Kraft von Zielen. „Das Ziel soll die Quelle von Autorität, Direktion und Kontrolle sein, nicht ein Vorgesetzter“ (Malik 2000). Hier setzen auch die sogenannten Ziel-Weg-Theorien an (Evans 1995; Locke, Latham 1990; House 1971).

Grundsätzlich können zwei Varianten der Führung durch Zielorientierung unterschieden werden

o

Führung durch Zielvorgabe (autoritäre Variante),

o

Führung durch Zielvereinbarung (kooperative Variante).

Bei der Führung durch Zielvorgabe werden medizinbetriebliche Organisations- bzw. Arbeitsziele dem einzelnen Mitarbeiter oder einer Mitarbeitergruppe (autoritär) vorgegeben. Hierbei sind zwei grundsätzliche Beeinflussungsrichtungen möglich: Der Mitarbeiter kann auf die Ziele des Medizinbetriebes Einfluss nehmen oder die medizinbetrieblichen Ziele stellen für ihn ein unveränderbares Datum dar. Je höher der Mitarbeiter in der Hierarchie des Medizinbetriebes angesiedelt ist, desto mehr wird er Einfluss ausüben oder sogar selbstständig persönliche (Arbeits-)Ziele setzen können (Management by Individual Objectives - MIO). Je niedriger der Mitarbeiter in der Hierarchie angeordnet ist, desto mehr bleibt ihm nur die Möglichkeit der Anpassung. Hier motivierend zu wirken, sollte also eine wichtige Aufgabe der Führung sein. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter weiß, was genau von ihm erwartet wird und was die zu erreichenden Ziele sind (Drucker 1992).

130

Führung durch Zielorientierung

Im Unterschied zur Führung durch Zielvorgabe setzt die Führung durch Zielvereinbarung (partizipatives MbO) nicht nur delegationswillige Führungskräfte (Entscheidungsdezentralisation), sondern auch motivierte und zum selbstständigen Handeln befähigte (delegationsfähige) Mitarbeiter voraus. Die jeweils zu erreichenden, mit dem medizinbetrieblichen Zielsystem verbundenen (bottom up-Ansatz) oder daraus abgeleiteten (top down-Ansatz) Arbeitsziele werden dann nicht vom Führenden vorgegeben, sondern gemeinsam mit dem Mitarbeiter festgelegt, d. h. an seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgerichtet, um ein hohes motivationales Potenzial durch dann selbstständiges Entscheiden und Handeln zu aktivieren. Partizipatives MbO vereint in idealer Weise Ziel- und Mitarbeiterorientierung (Abb. 5.1), verlangt aber eine intensive Planung und laufende Abstimmung der Zielvorgaben. Günstige Bedingungen für MbO bestehen bei der Matrixorganisation, der Projektorganisation und bei fraktalen Organisationsstrukturen, ungünstige auf der obersten Führungsebene, da diese letztlich selbst für die Zielplanung verantwortlich zeichnet.

MbO ist ein systematischer Prozess der Zielfindung, -vereinbarung, -realisierung und –überprüfung, der sich in der Zeit entfaltet und in Zyklen wiederholt. Die Zielvereinbarung vollzieht sich im Rahmen von Mitarbeitergesprächen (Absatz 4.8.1) und wird schriftlich niedergelegt (Tab. 5.1). MbO-Ziele sollten

o

ein Ergebnis beschreiben, keine Tätigkeit,

o

positiv formuliert sein (in Perfektform),

o

verständlich, eindeutig und widerspruchsfrei sein,

o

vom Mitarbeiter akzeptiert werden,

o

anspruchsvoll und herausfordernd (motivierend) sein,

o

realistisch und vom Mitarbeiter erreichbar sein,

o

messbar, mindestens beobachtbar und

o

terminiert sein.

131

5.4

5

Führungsmodelle

Abbildung 5.1:

Partizipatives MbO: „Optimierung des Verhältnisses zwischen Führungskraft und Mitarbeiter im Hinblick auf eine weitgehende Integration von Organisations- und Individualzielen“ (Scholz 2000)

Medizinbetriebliche Organisationsziele

Individuelle Ziele der Mitarbeiter

MbO-Ziele

Bezogen auf eine Planungsperiode sollte man sich auf 3 bis 5 MbO-Ziele je Mitarbeiter beschränken („big five“). Zur Darstellung des medizinbetrieblichen Zielsystems bietet es sich an, sämtliche MbO-Ziele z. B. nach den Kategorien des EFQM-Modells oder den Perspektiven (Finanzen, Patienten, Prozesse, Potenziale) der von RS Kaplan und DP Norton (1997) entwickelten Balanced Scorecard zu gliedern. Um eventuell aufgetretene Zielkonflikte aufzulösen, können den einzelnen Zielen Prioritäten zugewiesen werden. Auch sollte klar sein, unter welchen Bedingungen die einzelnen Ziele (Termine, Ressourcen, Qualität) zu erreichen sind. Ein Zielcontrolling hilft Soll-IstAbweichungen möglichst frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls entsprechende Korrekturen einzuleiten. Dazu bedarf es vereinbarter Kontrollverfahren. Ein zu engmaschiges Kontrollsystem wirkt aber repressiv und widerspricht dem Motivationsgedanken des MbO.

132

Führung durch Zielorientierung

Werden Zielvorgaben nicht erreicht, sind hierfür objektive und/oder subjektive Gründe denkbar (Zielvorgabe unrealistisch, zu optimistisch, mangelnde Selbstständigkeit des Mitarbeiters), die gemeinsam mit dem Mitarbeiter diskutiert werden sollten (Mitarbeiterjahresgespräch).

Tabelle 5.1:

Muster zur Dokumentation einer Zielvereinbarung (Joester 2005)

Ziele

Ma ß n a h me n

Was will ich erreichen? Wie ist der erwünschte, zu erreichende Zustand?

Wie erreiche ich die Ziele? Was unternehme ich?

Endzu sta nd, Result at b e s ch re i b e n Ve rb e n w ie : i s t abgeschlo ssen, f e rt i g e rs t e l l t , e rre i ch t , st a b i l i s i e rt , ü b e ra r b e i t e t , a kt u a l i s i e rt , u mg e se t z t e t c .

Akt ion, T ät igkeit b e sc h re i b e n Ve rb e n w ie : m i t a rb e i t e n , e r a rb e i t e n , e r st e l l e n , v e rf a s s e n e t c.

Datum: ___________

Me s s g rö ß e n / Erw a rt un g e n Woran erkenne ich, ob ich die Ziele voll erreicht habe?

E n d z u s t a n d , Z a h l, R e su l t a t b e s ch re i b e n

T e rm in

G e w i ch t u n g i n %

Bis wann habe ich die Ziele erreicht?

Wie stark gewichte ich die Ziele (alle relevanten Ziele geben zusammen 100%)

ko n k re t e D a t e n Z w i s ch e n t e rm i n e lauf ende Übe rprüf ung (z. B. mo n a t l i ch )

Zielvereinbarung zwischen: ________________

Sch w e r p u n k t e se t z e n was ist wicht ig

und: ________________

________________

________________

(Unterschrift Mitarbeiter)

(Unterschrift Vorgesetzte(r))

In der praktischen Umsetzung wird MbO häufig mit der Führungstechnik MbE und dem Führungsinstrument „Anreizsysteme“ (leistungsabhängigen Vergütungskomponenten) kombiniert. Die Vorteile der Führung mit Zielvereinbarungen sind sowohl für den Mitarbeiter als auch den Medizinbetrieb evident (u. a. Lüthy et al. 2004):

o

Die Führungstechnik MbO unterstützt Expertenorganisationen durch eine zielorientierte Selbststeuerung (und Eigenkontrolle) der zu führenden Experten.

133

5.4

5

Führungsmodelle

o

Die Mitarbeiter können ihr Arbeitsverhalten an den vereinbarten Zielen ausrichten und dadurch selbst sehen, wie erfolgreich sie sind.

o

Im Gegensatz zu detaillierten Verhaltensregeln und –anweisungen (MbCD), wird dem Mitarbeiter bewusst ein Ermessensspielraum bezüglich des Weges zur Zielerreichung eingeräumt.

o

Der Vorgesetzte kann anhand operationalisierter Ziele bzw. Soll-Ist-Vergleichen sehr leicht feststellen, inwieweit das Leistungssoll erreicht worden ist oder ob Abweichungen auftreten.

o

Zielvereinbarungen fördern die Motivation, die Initiative und die Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter, da diese sich mit den vereinbarten Zielen leichter identifizieren.

o

MbO unterstützt einen unternehmensweiten integrierten Zielvereinbarungsprozess bei dem der medizinbetriebliche Business Plan durch die mit allen Führungskräften zu vereinbarenden und aufeinander abgestimmten MbO-Ziele operationalisiert wird (Abb. 5.2).

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung dieser kooperativen Führungstechnik ist und bleibt jedoch eine intensive Schulung sowohl der Führenden als auch der Geführten.

134

Führung durch Zielorientierung

Abbildung 5.2:

Integrierter Zielvereinbarungsprozess. Die vertikal und horizontal aufeinander abgestimmten MbO-Ziele für die verschiedenen Führungsebenen konkretisieren den medizinbetrieblichen Business Plan.

V i si o n

Le i t b i l d

U nt e rn e hme n s ver f a s su n g

G e s ch ä f t s m o d e l l

Bu sin e ss Pl an

Z i e l r a h m e n d e r U n t e r n e h m e n sl e i t u n g

horizontale Abstimmung

M b O- Z ie l 1 .1

M b O- Z i e l 1 .2

M b O- Z ie l 1 .3

M b O- Z i e l 2 .2

M b O- Z ie l 2 .3

M b O- Z ie l 3 .2

M b O- Z ie l 3 .3

vertikale Abstimmung

M b O- Zi e l 2 .1

M b O- Z ie l 3 .1

135

5.4

5

Führungsmodelle

5.5

Biophiles Personalführungsmodell

Ein Personalführungssystem wird durch drei Komponenten definiert:

o

das Personalführungsmodell,

o

die Führungssubstitute und

o

die Führungsinstrumente.

Während Führungssubstitute (Kapitel 3 ff.) und Führungsinstrumente (Kapitel 4 ff.) unter Bezug auf die vorstehend gemachten Ausführungen einzelbetrieblich konkretisiert werden müssen, lässt sich das Personalführungsmodell branchenspezifisch und damit generalisierend beschreiben.

Grundsätzlich gilt:

Führungshandeln in Medizinbetrieben ist den Grundorientierungen des medizinbetrieblichen Wertesystems verpflichtet.

Das medizinbetriebliche Wertesystem stellt definitionsgemäß die Gesamtheit der entscheidungs- und handlungsleitenden Grundorientierungen (Werte) dar, die das Selbstverständnis der Handelnden und die Identität des Medizinbetriebs prägen. Wie Tabelle 5.2 zeigt, korrespondieren diese konsequenterweise und weitgehend mit den Kategorien allgemeiner (©EFQM) oder branchenspezifischer (KTQ®) Qualitätsentwicklungssysteme. Dabei nehmen die „biophilen“, d. h. auf die Handelnden und Behandelten bezogenen Werte „Mitarbeiterorientierung“ und „Patientenorientierung“ einen besonderen Stellenwert ein.

136

Biophiles Personalführungsmodell

Tabelle 5.2:

Grundorientierungen medizinbetrieblicher Wertesysteme mod. nach HJ Seelos (2004a), Seite 621; HJ Seelos, (2006), Seite 118

Wertedimension

Bezug (©EFQM, KTQ®)

Medizinbetriebsorientierung

Politik u. Strategie (EFQM)

Patientenorientierung

Kundenzufriedenheit (EFQM) Patientenorientierung (KTQ)

Mitarbeiterorientierung

Mitarbeiterorientierung (EFQM, KTQ), Mitarbeiterzufriedenheit (EFQM)

Prozessorientierung

Prozesse (EFQM), Sicherheit (KTQ)

Lernorientierung

Mitarbeiterorientierung (EFQM, KTQ)

Orientierung am ökonomischen Prinzip

Geschäftsergebnisse (EFQM)

Qualitätsorientierung

Qualitätsmanagement (KTQ)

Innovationsorientierung

Politik und Strategie (EFQM)

Umweltorientierung

Gesellschaftliche Verantwortung/ Image (EFQM)

Ressourcenorientierung

Ressourcen (EFQM)

Zielorientierung

Führung (EFQM, KTQ)

137

5.5

5

Führungsmodelle

Aufgrund der humanitären Aufgabenstellung der Medizinbetriebe sind zunächst die Erwartungen der Patienten hinsichtlich ihrer Gesundung und einer qualitativ hochwertigen medizinischen und pflegerischen Betreuung vorrangig. Ihre Zufriedenheit mit der stationären, semistationären oder ambulanten medizinischen und pflegerischen Versorgung setzt wiederum zufriedene, weil leistungsbereite (motivierte), gegenüber Patienten und Bewohnern verantwortungsbewusst und professionell handelnde Mitarbeiter voraus. Mitarbeiterorientierung (dazu ausführlich Absatz 2.2.6) wird deshalb heute als der entscheidende Faktor für den unternehmerischen Erfolg angesehen. „Über diese Tatsache besteht Konsens in allen Branchen, quer über alle Kontinente hinweg und in allen Kulturen“ (Lüthy, Schmiemann 2004).

Gleichwohl ist aber in Medizinbetrieben, zumindest für den Bereich des operativen Medizinmanagements, die Mitarbeiterorientierung als Vorraussetzung für Arbeitszufriedenheit subsidiär zur „Zielorientierung“ darzustellen, weil bei der Gesundheitsleistungsproduktion die Versorgung der Patienten (der Wert „Patientenorientierung“) naturgemäß Vorrang hat. Ferner schränken legale Faktoren und normative Gestaltungsvorgaben für die Gesundheitsleistungsproduktion die Anwendung bestimmter Formen einer mitarbeiterorientierten Gestaltung von Leistungsprozessen in Medizinbetrieben ein (z. B. dürfen nur Ärzte Medikamente verordnen und Diagnosen stellen).

Die Konstruktion eines in der medizinbetrieblichen Organisationskultur „geerdeten“ Personalführungsmodells, als Komponente eines Personalführungssystems, hat aber nicht nur die beiden oben genannten biophilen Grundorientierungen des Wertesystems sondern auch zu berücksichtigen, dass im Medizinbetrieb das Führungshandeln durch vielfältige Regeln zur Struktur- und Prozessorganisation (Führungssubstitute) vorgesteuert wird (Abb. 5.3).

138

Biophiles Personalführungsmodell

Abbildung 5.3:

Dimensionen des Führungshandelns im Medizinbetrieb

Führungssubstitute

Mitarbeiterorientierung

F üh r un g sh a nd e ln

(Organisations-) Zielorientierung

Patientenorientierung

Wenn also gilt, dass

o

aus Gründen des Systemvertrauens, der Qualität und der Nachvollziehbarkeit im Medizinbetrieb zahlreiche organisationale Regeln auf der operativen Ebene interaktionelle Führung ersetzen oder vorsteuern,

o

ungeregelte Situationen über dyadisch abgestimmtes Verhalten bewältigt werden,

o

das Ausmaß der Entscheidungspartizipation des Geführten aus Gründen der Patientenorientierung mit zunehmender Nähe des Geschäftsprozesses zum Patienten abnimmt (und umgekehrt) und

139

5.5

5

Führungsmodelle

o

der aufgabenbezogene Selbstständigkeitsgrad des Geführten das Führungsverhalten des Führenden im Sinne der Mitarbeiterorientierung determinieren sollte,

dann müssen sowohl der Führungsstil im Sinne des Verhaltensmodells von P Hersey et al. (2001) als auch die anzuwendenden Führungstechniken (Abschnitt 5.1 ff.) nach Patientennähe oder organisatorischen Handlungsebenen der medizinbetrieblichen Geschäftsprozesse (Führungsebenen) differenziert werden. Das in Abbildung 5.4 gezeigte wertekonforme Führungsmodell greift diese Forderungen auf und bringt die Parameter „Führungsebene“, „Führungsstil“ und „Führungstechniken“ in einen konzeptionellen Gesamtzusammenhang.

Danach dominieren in Medizinbetrieben

o

auf der operativen Ebene die Führung durch Anweisung (management by control and direction), Entscheidungsregeln (management by decision rules) und Führungssubstituten (Regeln zur Prozessorganisation) sowie der Führungsstil „Anweisen“ (S1),

o

auf der taktischen Ebene die Führung mit Ergebnisorientierung (management by results) und die Führung nach dem Ausnahmeprinzip (management by exception) sowie die Führungsstile „Überzeugen“ (S2) und „Partizipieren“ (S3),

o

auf der strategischen Ebene die Führung durch Zielvereinbarung (management by objectives) und der Führungsstil „Delegieren“ (S4).

Empfohlen wird damit ein biophiles Personalführungsmodell, das die medizinbetriebliche Führungsebene oder die Qualität des medizinbetrieblichen Geschäftsprozesses neben dem Selbstständigkeitsgrad als eine weitere Situationsvariable des Verhaltensmodells berücksichtigt.

140

Biophiles Personalführungsmodell

Wertekonformes Führungsmodell für Medizinbetriebe; Legende: MbO = Mangement by Objektives, MbR = Management by Results, MbE = Management by Exception, MbCD = Management by Control and Direction, MbDR = Management by Decision Rules.

-

Abbildung 5.4:

+

F ü h r u n g se b e n e strategisch

MbO S4 En Pa tsc t hei iente nn dun gsp ähe art izip atio n

taktisch

S2 S3 operativ

MbO, MbR, MbE

S1

+

MbCD, MbDR

-

F ü h r u n g s st i l n a c h d em Ve rh a l t e ns mo d e l l F üh r un g s t e c h n i ke n

Kritische Erfolgsfaktoren für die Anwendung dieses wertekonformen (biophilen) Personalführungsmodell sind:

o

die Führungsdisposition,

o

der Selbstständigkeitsgrad (Bereitschaft, Fähigkeit) der Führenden und

o

ihr Management Know-how, insbesondere ihre Fähigkeit zur Diagnostik der Führungssituation und Führungsstilflexibilität und

o

die organisations-kulturellen Rahmenbedingungen unter denen sich die Führungsprozesse vollziehen.

141

5.5

Biophiles Personalführungsmodell

6 Führungserfolg Führungserfolg als Resultante der Führungsbeziehung wird in der Praxis zum Beispiel dann diskutiert, wenn das Erreichen von Organisationszielen gefährdet ist oder ausbleibt, sich Beschwerden von Mitarbeitern, Patienten, Bewohnern oder Angehörigen über Vorgesetzte häufen, ansteigende Fluktuationsraten der Erklärung bedürfen oder Diskrepanzen zwischen dem Führungsverhalten und der erwünschten Organisationskultur auffallen (Abb. 6.1).

Abbildung 6.1:

Führungserfolg als Resultante der Führungsbeziehung. Sowohl die Führungsbeziehung als auch der Führungserfolg werden von den Variablen der medizinbetrieblichen Führungssituation, insbesondere dem medizinbetrieblichen Wertesystem, moderiert.

Führungssituation

Führender

Geführter

Führungserfolg

Zur Qualifizierung von Führungserfolg werden in der Literatur verschiedene Effektivitätskriterien und entsprechende Skalen für deren Erfassung angegeben (z. B. von Rosenstiel 2000, Bonk 2005, Kehr 2000; Giegler 1985).

143

5.5

6

Führungserfolg

In der Perspektive des medizinbetrieblichen Führungshandelns (Abb. 5.3) können wir uns jedoch auf die in Tabelle 6.1 angegebenen Konstrukte beschränken. Personalführung im Medizinbetrieb ist danach effektiv, wenn

o

der Führende die angestrebten Organisationsziele realisiert,

o

die Gestaltungsvorgaben der Gesundheitsleistungsproduktion einhält und

o

die biophilen Grundorientierungen des medizinbetrieblichen Wertesystems beachtet.

Tabelle 6.1:

Konstrukte zur Qualifizierung von Führungserfolg im Medizinbetrieb

Zielorientierung (Lokomotionsfunktion) Ebene der Organisation: (sach-rationale Dimension)

Leistung (Erreichung der Organisationsziele) Einhaltung d. Gestaltungsvorgaben der Gesundheitsleistungsproduktion

Mitarbeiterorientierung (Kohäsionsfunktion) Ebene des Individuums: (motivationale Dimension)

Arbeitszufriedenheit

Ebene der Gruppe: (sozio-emotionale Dimension)

Sozialqualität, Gruppenkohäsion, Organizational Citizenship Behavior

Organisationskulturorientierung Wertesystem: (kulturelle Dimension)

144

Wertekonformes Führungsverhalten

Leistung

6.1

Leistung

Personalführung in Medizinbetrieben ist kein Selbstzweck, sondern dient der Erfüllung organisationaler Ziele.

Das Erreichen der medizinbetrieblichen Organisationsziele lässt sich anhand von Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen leicht nachvollziehen; z. B. „wurde das vereinbarte Organisationsziel in der vorgegebenen Zeit, mit den zugestandenen Ressourcen und mit der gewünschten Qualität erzielt?“

6.2

Arbeitszufriedenheit

Arbeitszufriedenheit weist auf jene subjektiv von den Beschäftigten wahrgenommenen, reflektierten und bewerteten Artefakte hin, die sich vorrangig in Arbeitsbedingungen (Art der Arbeitsaufgabe, Handlungs- und Entscheidungsspielraum, Qualität des Beund Entlohnungssystems, physische Arbeitsplatzumgebung) und sozialen Beziehungen (Führungsverhalten, Umgang mit Patienten, Information und Kommunikation) abbilden.

Da das Konstrukt Arbeitszufriedenheit in der Literatur sehr unterschiedlich operationalisiert wird, existiert zwangsläufig eine große Vielfalt an Messmethoden (z. B. von Rosenstiel 2000; Schuler 2004). Für den Anwendungsbereich Medizinbetriebe stehen zwischenzeitlich jedoch einige recht praktikable Fragebogeninstrumente bzw. Skalen zur Verfügung, die auch einschlägige Moderatorenvariable (z. B. Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Altersunterschiede, Ausbildungsstand und Organisationsebene) berücksichtigen (ceus consulting 2000).

145

6.1

6

Führungserfolg

6.3

Sozialqualität

Für die sozio-emotionale Dimension der Führungsbeziehung werden in der Literatur die Konstrukte „Sozialqualität“ (von Eiff 2000), „Gruppenkohäsion“ (Kehr 2000) und Organizational Citizenship Behavior (Organ 1988) angegeben.

Sozialqualität bezeichnet allgemein die Qualität der sozialen Beziehungen in einer Formalorganisation, also die Art und Weise, wie die Mitarbeiter (und Berufsgruppen) zusammenarbeiten. Die Qualität der sozialen Beziehungen innerhalb des Medizinbetriebs wird dabei als eine Manifestation der Organisationskultur aufgefasst (Schein 1995). In der Sicht des Patienten gilt eine schlechte Sozialqualität als ein augenscheinliches Indiz für fachliche Unsicherheit und mangelnde Professionalität der Beschäftigten. Eine hohe Sozialqualität kann nach den von W von Eiff (2000) vorgelegten empirischen Befunden auch als eine Voraussetzung dafür angesehen werden, dass Medizinbetriebe dauerhaft eine befriedigende Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität erreichen. Relevante Indikatoren der Sozialqualität sind z. B. der Umgang des Führenden mit Initiativen, Ideen, Fehlern, Konflikten und Ressourcen sowie die Art und Weise in der die medizinbetrieblichen Informations- und Entscheidungsprozesse ablaufen (Partizipationsgrad, zeitökonomische Ausgestaltung).

Gruppenkohäsion beschreibt den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl („WirGefühl“) von Beschäftigten, insbesondere im Rahmen von (Arbeits-)Gruppen. Für die Bewertung der Gruppenkohäsion sind die von Gruppen entwickelten Normen und damit konformen Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder relevant.

Das von Organ (1988) eingeführte Konstrukt des Organizational Citizenship Behavior (OCB), das wörtlich mit „staatsbürgerlichem“ Verhalten im organisationalen Kontext

146

Sozialqualität

übersetzt werden könnte, vermag die beiden oben beschriebenen Aspekte zumindest im Ansatz operational darzustellen.

OCB ist ein mehrdimensionales Konstrukt, das DW Organ (1988) durch fünf Dimensionen beschreibt. Diese lassen sich mittels entsprechender Skalen (Staufenbiel et al. 2000; Podsakoff et al. 1990, 1993, 2000) empirisch ermitteln:

o

Hilfsbereitschaft („altruism“) charakterisiert ein freiwillig und diskret praktiziertes Verhalten gegenüber Kollegen, Vorgesetzten, Patienten und Angehörigen, das deren Unterstützung bei Problemen dient. Dazu gehört z. B. die freiwillige Unterstützung neuer oder überlasteter Kollegen.

o

Gewissenhaftigkeit („conscientiousness“) beschreibt ein über die formalen Anforderungen der Stelle hinausgehendes freiwilliges, pflichtbewusstes und gewissenhaftes Verhalten; z. B. Pünktlichkeit, ein besonders sparsamer Umgang mit den Ressourcen des Medizinbetriebs.

o

Unkompliziertheit/Frustrationstoleranz („sportsmanship“) bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, vorübergehende Unannehmlichkeiten, Belastungen und Frustrationen ohne Klagen hinzunehmen und offen gegenüber organisationalen Veränderungen zu sein.

o

Rücksichtnahme („courtesy“) steht für ein umsichtiges, vorausschauendes, höfliches, unter Umständen unkonventionelles Verhalten, das dem Entstehen von Problemen mit Kollegen aber auch Patienten entgegenwirkt; z. B. die frühzeitige Bekanntgabe von Abwesenheit, aber auch das aktive Verhindern von Konflikten.

147

6.3

6

Führungserfolg

o

Eigeninitiative („civic virtue“) bedeutet ein im Sinne des Medizinbetriebs ausgeprägtes Engagement sowie die Teilnahme der Beschäftigten am „organisationalen Leben“. Dazu gehört, dass man sich über den Medizinbetrieb informiert, fortbildet und sich um ein positives Image des Medizinbetriebs bemüht.

6.4

Wertekonformität

Wertekonformität liegt vor, wenn das Handeln des Führenden kongruent mit den medizinbetrieblichen Grundorientierungen (Wertesystem) ist.

Zur empirischen Ermittlung der Wertekonformität wird auf die Ausführungen zur Kulturanalyse (Absatz 3.3.3), zum Mitarbeitergespräch (Absatz 4.8.1) und zur Mitarbeiterbefragung (Abschnitt 4.4) verwiesen.

Wichtige Informationsquellen sind ferner die Patienten- und die Einweiserbefragung, das Beschwerdemanagement sowie medizinbetriebliche Image-Analysen (z. B. KTQ 2000; Satzinger 2001).

148

Glossar

Glossar

Benutzungshinweis: Verweise auf andere Stichworteinträge des Glossars werden mit dem Symbol „*“ hinter dem betreffenden Wort gekennzeichnet, wobei dieses Wort auch in syntaxbedingten Flexionsformen auftreten kann. Setzt sich das Stichwort aus mehreren Wörtern zusammen, steht das „*“-Symbol hinter dem ersten für die alphabetische Reihenfolge relevanten Wort. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird bei einer Definition nicht auf alle im Glossar definierten, sondern nur auf die für den jeweiligen Sachzusammenhang wichtigen Stichworteinträge verwiesen.

Anreizsystem: die Gesamtheit aller bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen, die direkt oder indirekt bestimmte Verhaltensweisen durch positive Anreize zielgerichtet verstärken, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer dagegen durch negative Anreize mindern. Arbeitszufriedenheit: Ziel der Mitarbeiterorientierung*. Instrumentell wird Arbeitszufriedenheit gemessen durch die subjektiv von den Beschäftigten* wahrgenommenen und bewerteten Artefakte*, die sich vorrangig in Arbeitsbedingungen (Art der Arbeitsaufgabe, Handlungs- und Entscheidungsspielraum, Qualität des Be- und Entlohnungssystems, physische Arbeitsplatzumgebung) und sozialen Beziehungen (Führungsverhalten,

Gruppenverhalten,

Umgang

mit

Patienten,

Information

und

Kommunikation) abbilden. Artefakte: in der Managementlehre die zu beobachtenden kulturelle Phänomene (Ausdrucksformen) einer Organisationskultur*.

149

Glossar

Aufgabenverhalten: beschreibt den Umfang, in dem der Führende in einer Führungsbeziehung die Lokomotionsfunktion* verfolgt, also die Art und Weise der Wahrnehmung der sachbezogenen Managementfunktionen (Planung, Organisation, Kontrolle). Balanced Scorecard: Abk. BSC; wörtlich ausgewogener Berichtsbogen. Die BSC geht auf Arbeiten von RS Kaplan und DP Norton Anfang der 90er Jahre zurück und ist ein ganzheitlich orientiertes, ziel- und kennzahlenbasiertes Führungsinstrument zur Ausrichtung einer Organisation an strategischen Zielen. Dazu werden die strategischen Ziele aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: Finanzen, Kunden, interne Prozesse, Potenziale. Für jede der Perspektiven werden Kennzahlen angegeben, um die Erreichung der strategischen Ziele zu messen und gegebenenfalls durch korrigierende Maßnahmen zu steuern. Behandlungspfad: syn. clinical pathway, medical pathway, Patientenpfad; Prozessdesign für die Behandlung einer medizinischen Problemkategorie nach qualitativen, quantitativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Referenzprozess). Das für den konkreten Behandlungsfall individualisierbare Prozessdesign legt wiederum Art, Reihenfolge, Zeitpunkt und Umfang der einzelnen Leistungen fest. Beschäftigte: Führungskräfte und Geführte in einem Medizinbetrieb. Bewohner: Pflegebedürftiger, der längere Zeit in einer Pflegeeinrichtung verbleibt. Beziehungsverhalten: beschreibt den Umfang, in dem der Führende in einer Führungsbeziehung die Kohäsionsfunktion* verfolgt; z. B. durch Kommunikation und feedback, aktives Zuhören, Entscheidungspartizipation und sozio-emotionale Unterstützung des Geführten. Biometrie: Wissenschaft von der Theorie und Anwendung statistischer Methoden im medizinisch-biologischen Bereich. Sie umfasst die statistischen Aspekte der Planung, Durchführung und Auswertung von Versuchen und Beobachtungsstudien.

150

Glossar

Biophil: syn. für menschenorientiert. Ein medizinbetriebliches Wertesystem* ist biophil, wenn es gleichermaßen die Patientenorientierung* und die Mitarbeiterorientierung* als Grundorientierungen berücksichtigt. Biophiles Medizinmanagement: Teilgebiet des Medizinmanagements*, das sich mit der Führung der in den Prozess der Gesundheitsleistungsproduktion* involvierten Menschen (Handelnde und Behandelte) befasst. Case management: kooperativer Prozess durch den die für einen Patienten, entsprechend seinem individuellen Hilfebedarf notwendigen Versorgungsleistungen prospektiv und behandlungsepisodenübergreifend geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert werden. Change management: bezogen auf ein Ausgangssystem die zielorientierte Gestaltung eines Transformationsprozesses. Coaching: Führungsinstrument*, das auf eine mentale Unterstützung und Begleitung einzelner Mitarbeiter (Einzelcoaching) oder von Mitarbeitergruppen (Gruppencoaching) durch Gespräche, Beratung, Supervision oder Teambuilding abzielt. Commitment: Bindung der Mitarbeiter an den Medizinbetrieb, Identifikation mit diesem und seinen Unternehmenszielen. Unterscheidbar sind drei Komponenten: affektive Bindung (der Mitarbeiter fühlt sich emotional an den Medizinbetrieb gebunden),

normatives

Commitment

(der

Mitarbeiter

fühlt

sich

seinem

Be-

ruf/Medizinbetrieb verpflichtet), kalkulatorisches Commitment (der Mitarbeiter erstellt ein Kosten-Nutzen-Kalkül der Bindung). deontologisch: Handeln oder Verhalten von Beschäftigten*, das sich auf biophile* Grundorientierungen des Wertesystems* beruft; vgl. teleologisch*. Disease management: eine systematische, agierende, populationsbezogene, integrierte, sektorenübergreifende und häufig auf eine (chronische) Krankheit spezialisierte

151

Glossar

medizinische Versorgung, die sich an Lebenszyklen von Krankheiten an Stelle von Krankheitsepisoden und evidenzbasierten Leitlinien zur Qualitätssicherung orientiert. Effektivität: die Wirksamkeit einer Maßnahme, eines Maßnahmenbündels oder eines umfassenden Programms im Hinblick auf eine definierte Zielgröße. EFQM: Abk. für engl. European Foundation for Quality Management. Die EFQM wurde 1988 als gemeinnützige Organisation von 14 europäischen Unternehmen gegründet; s. a. EFQM*-Modell. EFQM-Modell: Das EFQM-Modell für Business Excellence ist gleichermaßen Unternehmensmodell und Qualitätsentwicklungssystem. Das Modell unterscheidet neun Kriterien, die wiederum in fünf Befähiger-Kriterien (Führung, Politik & Strategie, Mitarbeiterorientierung, Ressourcen, Prozesse) und vier Ergebnis-Kriterien (Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Gesellschaftsbezogene Ergebnisse, wichtige Ergebnisse der Organisation) eingeteilt sind. Das EFQM-Modell bildet auch die Grundlage zur Vergabe des Europäischen Qualitätspreises. Emergente Effekte: in einer Organisation, Phänomene auf der Makroebene, die erst durch das Zusammenwirken von Elementen und Subsystemen auf der Mikroebene zustande kommen; z. B. erklärt sich das Verhalten eines Mitarbeiters nicht allein aus der Qualität der Führungsbeziehung, sondern seiner Verortung in personalen Netzwerken. Epidemiologie: Lehre von den Verteilungen der Krankheiten, den Bedingungen, die bei ihrer Entstehung von Bedeutung sind, sowie von den wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Folgen der Erkrankungen in der Bevölkerung. Erfahrungsobjekt: Ausschnitt der realen Welt auf den sich das Interesse eines wissenschaftlichen Fachgebietes richtet. Erfahrungsobjekt des Fachgebietes Medizinma-

152

Glossar

nagement* ist die institutionalisierte Medizin oder das Gesundheitssystem* als Ganzes. Erkenntnisobjekte: die aus dem Erfahrungsobjekt* einer Wissenschaft aspektrelativ abstrahierten Objekte, die Gegenstand des Erklärens und Gestaltens sind. Erkenntnisobjekte des Fachgebietes Medizinmanagement* sind Wirtschaftssubjekte, die Gesundheitsleistungen* erbringen (Medizinbetriebe*). Extrinsische Motivation: die durch externe Anreize wie z. B. eine in Aussicht gestellte Kompensationsleistung (Entlohnung, Status, Belohnung usw.) motivierte Leistungsbereitschaft eines Beschäftigten. Führende: im Medizinbetrieb, die nach der Unternehmensverfassung bestellten Organvertreter und Führungskräfte, denen im Weg der Delegation dispositive Aufgaben übertragen sind. Führung von unten: Verhaltensbeeinflussung des Führenden durch den Geführten, z. B. durch dessen Experten- und Faktenwissen oder gesetzlich normierte Beteiligungsrechte. Führung: syn. für Management*; i. e. S. Personalführung*. Führungsdyade: Führungsbeziehung zwischen einem Führenden und einem Geführten (1:1-Relation); Gegensatz: Führungsbeziehung zwischen einem Führenden und mehreren Geführten (1:n-Relation). Führungsgrundsätze: syn. Führungsleitlinien, -richtlinien, -prinzipien; schriftlich fixierte, werteorientierte Verhaltenserwartungen des Trägers eines Medizinbetriebs an die Führungskräfte im Hinblick auf eine organisationsziel- und mitarbeiterorientierte Zusammenarbeit.

153

Glossar

Führungsinstrumente: Instrumente zur Unterstützung der Personalführung*; z. B. Lob und Kritik, Anreizsysteme*, Symbole, Mitarbeiterbefragung*, Führungsgrundsätze*, Coaching*, Mentoring*, Personalentwicklung*. Führungsmodell: syn. Managementkonzept; eine Sollvorstellung wie sich Personalführung vollziehen sollte. Man unterscheidet Partialmodelle wie die bekannten Management-by-Techniken und Totalmodelle, z. B. das Harzburger Führungsmodell (Höhn 1967), das systemorientierte St. Gallener Führungsmodell (Ulrich 2005), das 7-S-Modell (Pascale, Athos 1981). Führungsrolle: Verhaltenserwartungen an den Führenden*. Führungssituation: die konkreten Bedingungen unter denen sich Personalführung vollzieht. Führungsstil: ein zeitlich überdauerndes und in Bezug auf bestimmte Situationen konsistentes Führungsverhalten von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern. Man unterscheidet, abhängig von der Anzahl der Variablen der Führungssituation*, ein- und mehrdimensionale Führungsstilkonzepte. Führungsstruktur: die Delegation der Entscheidungs- und Anordnungsbefugnis bezogen auf die aufbauorganisatorischen Instanzen (Stellen) eines Medizinbetriebs*, meist beschrieben durch Organigramme und Stellenbeschreibungen. Führungssubstitute: Regeln zur Vorsteuerung der Verhaltensausrichtung von Beschäftigten. Dabei kann eine Unterscheidung nach strukturellen, prozessualen und kulturellen Regeln vorgenommen werden. Führungsverantwortung: Rechenschaftspflicht des Führenden hinsichtlich der Wahrnehmung und Folgen der ihm obliegenden personenbezogenen Führungsfunktionen (Ziele setzen, delegieren, motivieren und fördern, organisieren, entscheiden, kontrollieren, informieren und kommunizieren).

154

Glossar

Geführte: die einem Führenden* nachgeordneten Mitarbeiter. Gegenkultur: eine zur Organisationskultur* dysfunktionale Subkultur*. Gesundheit: nach der Charta der Weltgesundheitsorganisation (1946) ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit* und Gebrechen. Dem Krankheitsbegriff werden medizinisch, soziokulturell, sozialrechtlich und subjektiv unterschiedliche semantische Akzente zugeordnet. Gesundheitsleistungen: 1. Personenbezogene Dienstleistungen mit immateriellen Wirkungen, bei denen der Patient die Teilnahme an der Leistungserstellung (Faktorkombination) nachfragt und dabei selbst zum Produktionsfaktor wird. 2. Für den fremden Bedarf (oder den Absatz) produzierte immaterielle Güter zur Förderung, Erhaltung oder Wiederherstellung der individuellen oder kollektiven Gesundheit. Gesundheitsleistungsproduktion: die sich in Medizinbetrieben* vollziehende, durch Menschen veranlasste und gelenkte Kombination interner und externer Produktionsfaktoren mit dem Ziel der Erbringung von Gesundheitsleistungen* zur unmittelbaren Befriedigung eines individuellen oder kollektiven Bedarfs. Sie umfasst nicht nur die Erstellung einer konkreten Gesundheitsleistung, sondern auch die Vorhaltung einer nach dem Versorgungsauftrag oder dem medizinbetrieblichen Leistungsprogramm definierten Leistungsbereitschaft. Gesundheitsökonomie: die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Anwendung des ökonomischen Prinzips in der Gesundheitswirtschaft. Gesundheitssystem: sozio-technisches System, das der Förderung, Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient. Unabhängig von der institutionellen Ausgestaltung eines Gesundheitssystems unterscheidet die Gesundheitsökonomie* Verbraucher, Anbieter, Träger und Produzenten von Gesundheitsleistungen*. Der Aufgaben-

155

Glossar

vielfalt und dem Ablauf des Gesamtbereichs der medizinischen und pflegerischen Versorgung einer Bevölkerung folgend, gliedert sich das Gesundheitssystem in vier Gesundheitssektoren: ambulante medizinische Versorgung, stationäre medizinische Versorgung, soziale gesundheitliche Hilfe, Öffentlicher Gesundheitsdienst. Gruppe: mindestens zwei Personen, die längere Zeit annähernd gleiche Ziele (Gruppenziele) durch gemeinsame Interaktion (Gruppenhandeln) verfolgen. Gruppenkohäsion: auch „Wir-Gefühl“; Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl einer Gruppe*. Halo-Effekt: systematischer Beurteilungsfehler. Er beschreibt die Gefahr, bei der Beurteilung von Einzelaspekten einer Fragestellung nicht objektiv, sondern entsprechend einem bereits vorhandenen Bild vom Ganzen zu urteilen. Dies führt zu einer Nivellierung der Einzelaussagen bzw. einer irrelevanten Vergrößerung der Eigenschaftsinterkorrelation. Hygienefaktoren: nach der Zwei-Faktoren-Theorie von F Herzberg (1968) Faktoren, die keine Arbeitszufriedenheit bewirken, aber Unzufriedenheit vermeiden; z. B. gutes Betriebsklima, leistungsgerechte Entlohnung, gute Sozialleistungen, hohe Arbeitsplatzsicherheit, gute interpersonale Beziehungen. Informale Organisation: Organisationsstruktur, die durch ungeplante Beziehungen (emergente Effekte, Gruppeneffekte, Machtbeziehungen) zwischen Beschäftigten* entsteht und auf persönlichen Zielen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Beschäftigten basiert. Institutionalisierte Medizin: s. Gesundheitssystem*. Interaktionelle Führung: Form der Personalführung, die, im Gegensatz zu Führungssubstituten* und Führungsinstrumenten*, vorrangig durch Information und Kommunikation in einer direkten sozialen Beziehung erfolgt.

156

Glossar

Intrapreneur: Kunstwort, das sich aus incorporate und entrepreneur zusammensetzt; qualifiziert das Verhalten eines Mitarbeiters im Sinne eines internen Unternehmers. Intrinsische Motivation: selbstmotivierte Leistungsbereitschaft. Knowledge: das durch Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die berufliche Praxis erworbene Wissen eines Mitarbeiters. Kohäsionsfunktion: in einer Führungsbeziehung die Akzentuierung des Beziehungsverhaltens* durch den Führenden*; Gegensatz: Aufgabenverhalten*. Konferenzstruktur: die Festlegung, welche (Führungs-)Gremien in einer Organisation wie zusammengesetzt sind und in welcher Frequenz zusammen treten. Laterale Führung: zielorientierte Verhaltensbeeinflussung hierarchisch gleichgestellter Mitarbeiter. Der „Führende“ hat keine Positionsmacht*. Leitbild: beschreibt in allgemeiner und grundsätzlicher Art die medizinbetrieblichen strategischen Ziele (Vision), Aufgaben (Leitmotiv) und wesentliche Orientierungen für die Art und Weise ihrer Umsetzung (Wertesystem*). Life Balance: bezogen auf ein Zeitintervall, die quantitative zeitliche Ausgewogenheit der Befriedigung physiologischer, sozialer, spiritueller und materieller Bedürfnisse eines menschlichen Individuums. Linking-Pin-Prinzip: von R Likert (1992) entwickeltes Prinzip der überlappenden Gruppenmitgliedschaft bei der in jeder (hierarchisch) übergeordneten Gruppe* ein Mitglied der nachgeordneten Gruppe (Gruppenleiter oder ein von der Gruppe bestimmtes Mitglied) integriert ist. Lokomotionsfunktion: in einer Führungsbeziehung die Akzentuierung des Aufgabenverhaltens* durch den Führenden*; Gegensatz: Beziehungsverhalten*.

157

Glossar

Management: 1. Funktional: zielorientierte Gestaltung; im engeren Sinn die Führung von Personal. 2. Institutional: die Gesamtheit der personellen Aufgabenträger in einer Organisation, denen im Weg der Delegation dispositive Aufgaben übertragen sind. Management-by-Techniken: Führungsmodelle*, die Führungshandeln auf wenige Parameter ausrichten; z. B. die Führung durch Anweisung und Entscheidungsregeln, die Führung mit Ergebnisorientierung, die Führung nach dem Ausnahmeprinzip oder die Führung durch Zielorientierung. Management by walking around: das gelegentliche „Umherspazieren“ des Führenden im Medizinbetrieb und das damit verbundene (Führungs-) Gespräch mit den Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen. Management-Know-how: die Fähigkeit einer Führungskraft erworbenes Führungswissen anzuwenden. Dazu bedarf es eines bestimmten Wissens (knowledge*) und Verrichtungskönnens (soft skills*). Managementpotenzial: die genetisch festgelegten oder in frühen Phasen der Sozialisation erworbenen Persönlichkeitsmerkmale einer Führungskraft wie Intelligenz, Dominanz, Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein. MbCD: Abk. für engl. Management by Control and Direction; Führung durch Kontrolle und Anweisung. MbDR: Abk. für engl. Management by Decision Rules; Führung durch Entscheidungsregeln. MbE: Abk. für engl. Management by Exception; Führung nach dem Ausnahmeprinzip. MbIO: Abk. für engl. Management by Individual Objectives; Führung durch persönliche Zielvorgabe.

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Glossar

MbO: Abk. für engl. Management by Objectives; Führung durch Zielorientierung. Man unterscheidet die Führung durch Zielvorgabe (autoritäre Variante) und die Führung durch Zielvereinbarung (kooperative Variante). MbR: Abk. für engl. Management by Results; Führung mit Ergebnisorientierung. Medizin: 1. Die Wissenschaft vom gesunden und kranken Lebewesen (Biosystem), von Ursachen, Erscheinungen und Wirkungen seiner Krankheiten, deren Erkennung, Behandlung und Verhütung (theoretische Medizin, experimentelle Medizin, klinische Forschung). 2. Die Ausübung der medizinischen Heilkunst durch die unterschiedlichen Berufsklassen in den verschiedenen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (praktische Medizin). Humanmedizin (im Gegensatz zur Veterinär- und Phytomedizin) orientiert sich am Menschen und stellt ihn als Individuum in den Mittelpunkt ihres Handelns. Davon ausgehend ist ihr Zielsystem ausgerichtet auf die Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der individuellen (Individualmedizin) und kollektiven (Sozialmedizin) Gesundheit*. Es wird realisiert durch die Funktionen der Gesundheitsfürsorge (Prävention) und Krankenversorgung (Behandlung, Pflege, Rehabilitation) sowie die medizinische Forschung und Lehre, die, finanziert durch verschiedene Finanzierungsträger, in den einzelnen Sektoren des Systems der gesundheitlichen Sicherung, dem Gesundheitssystem, realisiert werden. Medizinbetrieb: Wirtschaftssubjekt, das Gesundheitsleistungen* erbringt. Ein Medizinbetrieb stellt sich dar als ein sozio-technisches, zielgerichtetes, offenes, vernetztes und adaptives (Dienstleistungs-)System. Medizinische Informatik: Wissenschaft von der Informationsverarbeitung und der Gestaltung computergestützter Informationssysteme in der Medizin und im Gesundheitswesen.

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Glossar

Medizinmanagement: anwendungsbereichsspezifische Managementlehre; Fachgebiet, das sich mit der Anwendung der Managementlehre in der institutionalisierten* Medizin befasst. Menschenbilder: Annahmen über Eigenschaften, Bedürfnisse, Motive, Erwartungen und Einstellungen von Menschen. Sie sollen dazu dienen, die Komplexität menschlichen Verhaltens und Erlebens in reduzierter Weise zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu gestalten. Mentoring: Führungsinstrument*, das die Vermittlung bestimmter Fertigkeiten, die Karriereplanung und die persönliche Weiterentwicklung eines Mitarbeiters durch einen Mentor unterstützt. Aufgabe des Mentors ist es, den Mentee bei der Verfolgung von Lern- und Karrierezielen zu unterstützen und ihm dabei zu helfen, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein aufzubauen. Mitarbeiterbefragung: eines der wichtigsten Führungsinstrumente* zur Einschätzung und Absicherung der Arbeitszufriedenheit*. Mitarbeitergespräch: ein mehr oder minder strukturiertes, spontanes oder geplantes Gespräch zwischen Führendem und Geführtem. Je nach Anlass und Ziel lassen sich verschiedene Gesprächssituationen unterscheiden, z. B. Planungsgespräch, Budgetgespräch, Feedbackgespräch, Anerkennungsgespräch, Kritikgespräch, Konfliktgespräch, Mitarbeiterbeurteilungsgespräch. Mitarbeiterorientierung: eine an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientierte Gestaltung der Herzberg’schen Motivatoren* und Hygienefaktoren*. Mitarbeiterzufriedenheit: Konstrukt, das sich aus Lebenszufriedenheit und Arbeitszufriedenheit eines Beschäftigten zusammensetzt. Reduziert auf die Arbeitswelt angewandt, wird der Begriff häufig mit Arbeitszufriedenheit* gleichgesetzt.

160

Glossar

Mobbing: ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum (von einem oder mehreren anderen) gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres beruflichen Wirkbereichs endet (Esser et. al. 2005). Motiv: unbefriedigtes Bedürfnis, Wunsch, Beweggrund eines menschlichen Individuums. Motivation: 1. Intrinsisch oder extrinsisch begründeter Zustand der Leistungsbereitschaft eines Beschäftigten. 2. Der intraindividuelle Prozess der Erkennung unbefriedigter Bedürfnisse (Motive), um diese mittels korrespondierender Anreize zu aktivieren und die daraus resultierende Leistungsbereitschaft in erwünschtes (zielorientiertes) Handeln zu transformieren. Motivatoren: nach der Zwei-Faktoren-Theorie von F Herzberg (1968) Faktoren, die Arbeitszufriedenheit* fördern; z. B. die Arbeit selbst, die Anerkennung der Leistung, Aufstiegschancen, die Übertragung von Verantwortung. OCB: Abk. für engl. Organizational Citizenship Behavior; wörtlich „staatsbürgerliches Verhalten im organisationalen Kontext“; Zusatzengagement der Mitarbeiter, das außerhalb der vertraglich geregelten Verpflichtungen liegt und für den Unternehmenserfolg von großer Bedeutung sein kann. Das von DW Organ (1988) eingeführte mehrdimensionale Konstrukt, das zur Qualifizierung der Sozialqualität* herangezogen werden kann, bewertet die Dimensionen Hilfsbereitschaft (altruism), Gewissenhaftigkeit (conscientiousness), Unkompliziertheit/Frustrationstoleranz (sportsmanship), Rücksichtnahme (courtesy) und Eigeninitiative (civic virtue). 161

Glossar

Operatives Medizinmanagement: Teilgebiet des Medizinmanagements*, das sich mit der zielorientierten Strukturierung der Gesundheitsleistungsproduktion* befasst. Organisation: 1. Ergebnis der zielorientierten Strukturierung eines Unternehmens, Mittel zur Erfüllung des Unternehmenszwecks (ein Unternehmen hat eine Organisation). Man unterscheidet zwischen Struktur- und Prozessorganisation. 2. In der Sozialwissenschaft syn. für Unternehmen (ein Unternehmen ist eine Organisation). Organisationskultur: auch Unternehmenskultur; die Gesamtheit der von der Mehrheit der Beschäftigten eines Medizinbetriebs gemeinsam geteilten, gelebten und symbolisch repräsentierten Werthaltungen (gelebtes Wertesystem*). Organisationskulturorientierung: die Ausrichtung des (Führungs-)verhaltens oder einer Maßnahme an den Grundorientierungen des Wertesystems*. Organisatorisches Kongruenzprinzip: Korrespondenz der einem Mitarbeiter übertragenen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Organizational Citizenship Behavior: siehe OCB*. Partizipatives MbO: syn. für Führung durch Zielvereinbarung. Patient: Rat- und Hilfesuchender, der sich in ärztliche/medizinische Behandlung begibt. In der Arzt-Patient-Beziehung spielt der Patient die komplementäre Rolle zur Arztrolle. Patientenorientierung: eine an den Bedürfnissen der Patienten* und ihrer Angehörigen orientierte Gestaltung medizinbetrieblicher Strukturen und Geschäftsprozesse und des Behandlungsumfelds (medizinbetriebliche Einrichtung und Ausstattung). Personalbeurteilung: sämtliche Formen der systematischen Einschätzung persönlichkeits-, verhaltens- und leistungsbezogener Faktoren der in einem Medizinbetrieb* aktuell oder künftig Beschäftigten* mit Folgen z. B. für die Begründung eines Arbeits-

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Glossar

verhältnisses (Personalauswahl), die Entlohnung, den Personaleinsatz, die Personalentwicklung und das Führungsverhalten. Je nach Zielsetzung stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung: Mitarbeiterbeurteilung, Vorgesetztenbeurteilung, 360-GradBeurteilung, Management-Audit. Personalentwicklung: alle Maßnahmen, mit denen neue Qualifikations- und Motivationspotenziale bei den Beschäftigten erzeugt und dadurch für den Medizinbetrieb aktiviert werden. Die Personalentwicklung steht in einer Komplementaritätsbeziehung zur Personalbeschaffung, wo neue Qualifikations- und Motivationspotenziale durch Gewinnung neuer Mitarbeiter erworben werden. Personalführung: syn. Mitarbeiterführung; jede (versuchte) sozial akzeptierte Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens von Beschäftigten* sowie der Interaktion in und zwischen Gruppen von Beschäftigten, mit dem Zweck, bestimmte Organisationsziele zu erreichen. Personalführungssystem: System zur Unterstützung der Personalführung* bestehend aus den Komponenten Führungsmodell*, Führungsinstrumente* und Führungssubstitute*. Personenmacht: die dem Führenden von den Geführten individuell attribuierten Machtbefugnisse, z. B. Expertenmacht, Beziehungsmacht, Überzeugungsmacht, Identifikationsmacht, charismatische Macht. Positionsmacht: die dem Führenden nach der Strukturorganisation* zugewiesenen Machtbefugnisse, z. B. Direktionsrecht, Belohnungs- und Sanktionsmacht, Informationsmacht. Projektmanagement: zielorientierte Gestaltung eines nach methodischen Regeln ablaufenden Problemlösungsprozesses.

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Glossar

Prozessorganisation: Ergebnis der zielorientierten Strukturierung medizinbetrieblicher Geschäftsprozesse. Selbstmanagement: syn. Persönlichkeitsmanagement; das selbstbestimmte Ausüben von Führungsfunktionen in Bezug auf die eigene Person und das eigene Lebensumfeld mit der Zielsetzung, die eigene Persönlichkeit zu stärken und von unnötigen Fremdbestimmtheiten frei zu halten und eine tragfähige Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Selbstständigkeitsgrad: beim situativen Verhaltensmodell von P Hersey et al. (2001) die Fähigkeit (task maturity) und Bereitschaft (psychological maturity) eines Mitarbeiters eine vorgegebene Aufgabe selbstständig bearbeiten zu können. Fähigkeit wird durch die Konstrukte Wissen, Erfahrung und Verrichtungskönnen, Bereitschaft durch die Konstrukte Motivation, Engagement und Vertrauen jeweils bezogen auf die vorgegebene Aufgabe qualifiziert. Shareholder: Anteilseigner an einem Unternehmen. Soft skills: Konstrukte die, bezogen auf eine Aufgabe, das personale Verrichtungskönnen eines Mitarbeiters qualifizieren; z. B. persönliche und soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz. Sozialer Konflikt: eine Interaktion zwischen Aktoren, wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen oder Fühlen oder Wollen mit dem anderen Aktor in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor erfolgt (Glasl 1999). Soziales System: System, dessen Elemente menschliche Individuen und die zwischen ihnen bestehenden Relationen sind.

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Glossar

Sozialqualität: die Qualität der sozialen Beziehungen zwischen Mitgliedern einer Gruppe*; kann z. B. mit dem von DW Organ (1988) eingeführten Konstrukt OCB* qualifiziert werden. Stakeholder: die verschiedenen Anspruchs- und Interessengruppen gegenüber einem Medizinbetrieb*; z. B. Patienten, Angehörige, Mitarbeiter, Kostenträger, Lieferanten, Kooperationspartner, Bevölkerung. Strategisches Medizinmanagement: Teilgebiet des Medizinmanagements*, das sich mit der zielorientierten Gestaltung von Medizinbetrieben* befasst. Strukturorganisation: syn. Aufbauorganisation; Regeln, welche die hierarchische Stufung (Abgrenzung von Basis- und Steuerungsebenen, Differenzierung der Steuerungsebenen) und die funktionale Differenzierung einer Organisation* festlegen. Subkultur: Teil einer Organisationskultur*, der sich nach berufsständischen (z. B. ärztliche Mitarbeiter), hierarchiebezogenen (z. B. alle Chefärzte) oder aufbauorganisatorischen (z. B. die Beschäftigten einer Station) Kriterien durch gruppenspezifische Wertvorstellungen, Normen, Denk- und Verhaltensmuster definiert. Team: besonders eng kooperierende Gruppen*; z. B. OP-Team, Pflegeteam, Behandlungsteam. teleologisch: Handeln oder Verhalten, das sich auf eine Zweck-Mittel-Relation beruft; so z. B. die Orientierung am ökonomischen Prinzip; vgl. deontologisch *. Wertekonflikt: die Unvereinbarkeit einzelner Werte des Wertesystems* untereinander oder mit Werthaltungen der Beschäftigten. Wertekonformität: Kongruenz des (Führungs-)Verhaltens mit den Grundorientierungen des Wertesystems*.

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Glossar

Wertesystem: die Gesamtheit der entscheidungs- und handlungsleitenden Werte (Grundorientierungen), die das Selbstverständnis der Handelnden und die Identität eines Medizinbetriebs* prägen.

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Stichwortverzeichnis

D Delegation 8, 25 Delegationsorientierter Führungsstil 2, 22 Demokratischer Führungsstil 68 De-Motivationskultur 43 Deontologisch 90 Divergenztheorem 5 3-D-Programm 77 360-Grad-Beurteilung 122 Dualitätsprinzip 89 Dyadentheorie 24 E Eigenschaftstheoretischer Führungsansatz 10 Eindimensionale Führungsstilkonzepte 64 EFQM-Modell 132 Emergente Effekte 41 ff. Empowerment 23 Entscheidungspartizipation 64, 139 Erfolgsfaktor 1 ERG-Theorie 30, 71 Ersatzführungsstil 72 Ethik-Kode 18 Expertenmacht 16 Expertenorganisation 1, 50 Extrinsische Motivation 28, 106 F Fähigkeit 79 Formierungsphase 51 Fort- und Weiterbildung 123 ff. Fort- und Weiterbildungsplan 124 Fraktale Organisationsstrukturen 23, 38 Free rider-Effekt 54 Führender 7 ff., 39 Führung durch Anweisung und Entscheidungsregeln 128 Führung durch Zielorientierung 130 ff.

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Stichwortverzeichnis

Führung durch Zielvereinbarung 131 ff. Führung durch Zielvorgabe 130 Führung mit Ergebnisorientierung 128 Führung nach dem Ausnahmeprinzip 129 Führung von unten 39 Führungsbeziehung 62 ff. Führungsdyaden 84, 85 Führungserfolg 143 ff. Führungsfehler 1 ff. Führungsfunktionen 7 ff., 9 Führungsgrundsätze 111 ff. Führungshandeln 136, 139 Führungsinstrumente 103 ff. Führungskräfte 7 Führungskräfteauswahl 11 Führungskräftetraining 124 ff. Führungsmodelle 127 ff. Führungsrollen 18 ff. Führungssituation 6 Führungsstil 62 Führungsstilflexibilität 23, 74 Führungsstilkonzepte 63 Führungsstruktur 84 ff. Führungssubstitute 83 ff. Führungsverantwortung 7, 8 Führungswissen 12 Funktionelles Management 7, 9 G Geführte 24 ff. Gegenkultur 90 Geschäftsordnung 60 Gesundheitszirkel 39 Gruppe 46 ff., 47 Gruppenaktionen 53 Gruppenbildung 50 ff. Gruppendenken 53

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Stichwortverzeichnis

Gruppeneffekte 52 ff. Gruppeneffektivität 48 Gruppenkohäsion 58, 146 Gruppenorientiertes Führungsverhalten 58 ff. H Halo-Effekt 23 Handlungsfelder des Führenden 14 Hochleistungsteams 49 Humankapital 1 Hygienefaktoren 33 I Identifikationsmacht 16 Identitätsorientierte Führung 99 Imitationslernen 16 Individualführung 84 Informale Organisation 86 Informationsmacht 16 Informelle Führung 39 In-group 24 Inhaltstheorien 29 Institutionelles Management 7 Interaktionelle Führung 5 ff. Intergruppenbezogene Kommunikation 60 ff. Intergruppenkonflikte 56 Interpersonales Vertrauen 18 Interpersonelle Konflikte 56 Intragruppenbezogene Kommunikation 59 ff. Intrapreneur 24 Intrarollenkonflikt 56 Intrinsische Motivation 26, 106 J Job enlargement 37 Job enrichment 37 Job rotation 36 Job-Description-Survey 35

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Stichwortverzeichnis

K Knowledge 12 Kohäsionsfunktion 6, 19 Kollektive Führung 84 Kommunikationskultur 61 Kompensationsleistung 43 Konferenzstruktur 60 Konfliktmanagement 56 Konfliktpotenzial 1, 55 Kontextuelle Führung 83 Kontingenzmodell der Führung 76 Kontinuum des Führungsverhaltens 64 Kontrollorientiertes Führungsverhalten 22 Kontrollspanne 21 Konzertierte Gruppenaktionen 53 Kritik 103 Kulturanalyse 93 ff. Kulturbewusstes Management 99 Kulturdiagnose 95 ff. Kultur-Ebenen-Modell 93 Kulturelle Phänomene 94 Kulturgestaltung 97 ff. Kulturkonflikt 92 L Laissez-faire-Stil 67 Landeskultur 91 Laterales Führen 42 Legitimierte Macht 16 Leistung 145 Leistungsmotiv 31, 46 Leitbild 99, 100 Leitkultur 90 Leitung 14 Life cycle theory of leadership 81 Life-Balance-Konzept 14

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Stichwortverzeichnis

Linking-Pin-Prinzip 84, 86 Lob 103 Lokomotionsfunktion 6, 19 M Macht 14 Machtgrundlagen 14 ff. Machtmotiv 31 Management by Control and Direction 128 Management by Decision Rules 128 Management by Exception 129 Management by Individual Objectives 130 Management by Objectives 130 Management by Results 128 Management by Systems 128 Management by walking around 60 Management Know-how 10 ff., 12 Management level 7 Management-Audit 122 Management-by-Techniken 127 Managementkonzepte 127 Managementpotenzial 10 MbCD 128 MbDR 128 MbE 129 MbIO 130 MbO 130 MbR 128 MbS 128 Medizinbetriebliches Wertesystem 136 ff. Menschenbilder 21 ff. Menschenbildkonzepte 22 ff. Mentor 114 Mentoring 114 ff. Mitarbeiterbefragung 108 ff. Mitarbeiterbeurteilung 119 Mitarbeiterführung 3

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Stichwortverzeichnis

Mitarbeitergespräch 117 ff. Mitarbeiterorientierung 40, 42 ff., 47, 136 Mitarbeiterzufriedenheit 2 Mobbing 57 Motiv 28 Motivation 26 Motivationsprozess 26 ff. Motivatoren 32 Multikulturelle Gruppen 50 N Normierungsphase 51 O OCB 147 ff. Ökonomisierung der Medizin 91 Open space 61 Organisationskultur 88 ff. Organisatorisches Kongruenzprinzip 7 Organizational Citizenship Behavior 146 Organizational commitment 46 Organvertreter 7 Out-group 24 P Partizipativer Führungsstil 68 Partizipatives MbO 132 Patientenorientierung 25, 136, 138 Patientenzufriedenheit 2 Patriarchalischer Führungsstil 65 Pay for performance program 107 Personalauswahl 98 Personalbeurteilung 119 ff. Personale Netzwerke 41 Personalentwicklung 116 ff. Personalführung 3 Personalführungsmodell 140 ff., 141 Personalführungssystem 136

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Stichwortverzeichnis

Personenbezogene Führung 5 Personen-Gruppen-Konflikte 57 Personenmacht 16 Persönlichkeitsmanagement 13 Persönlichkeitsmerkmale 10 Persönlichkeitsmodelle 14 Positionsmacht 16 Praxisanleiter 115 Prozessstruktur 86 ff. Prozesstheorien 26 Psychogramm 13 Psychosoziale Belastungen 38 Q Qualitätsentwicklungssysteme 1 R Regel 83 Reifegradmodell 81 Reifephase 52, 79 Risikoschub 53 Rollenverhalten 20 S Sanktionsmacht 16 Selbstmanagement 13, 15 Selbstmotivation 45, 46 Selbstständigkeitsgrad 79, 140 Situationsanerkenntnis 73 ff. Situationsvariable 74 Situativer Führungsansatz 75 Situative Führungstheorien 73, 75 Social compensation 54 Social facilitation 54 Social loafing 54 Soft skills 12 SORK-Modell 26, 27 Soziale Konflikte 55 ff.

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Stichwortverzeichnis

Soziales System 5 Sozialqualität 146 Stimmigkeitsprinzip 101, 124 Sturmphase 51 Subkultur 90 Sucker-Effekt 54 Symbole 108 Systemvertrauen 17, 139 T Team 48 Teilautonome Arbeitsgruppen 38 Teleologisch 90 Theorie der gelernten Bedürfnisse 31 Transformationale Führung 66 Tüchtigkeitsführer 59 U Überzeugungsmacht 16 V Verhaltensgitter 71 ff. Verhaltensintervention 3 Verhaltenserwartungen 20 Verhaltensmodell 78 ff., 80 Verhaltenstheoretischer Führungsansatz 62 Vermeidungsmotiv 32 Vertrauen 17 VIE-Theorie 28 Vorgesetztenbeurteilung 121 W Wechselseitige Führung 39 ff. Wertekonflikt 90, 91 Wertekonformität 148 Wertesystem 88 Wir-Gefühl 58

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Stichwortverzeichnis

Z Zielsetzungstheorie 26 Zielvereinbarung 133 Zielvereinbarungsprozess 131 ff., 135 Zugehörigkeitsmotiv 31 Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit 32

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