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German Pages 176 Year 1951
LEVER DIE
UND
GOODELL
ZUSAMMENARBEIT
IM
BETRIEB
E. J. LEVER UND FRANCIS GOODELL
DIE ZUSAMMENARBEIT IM BETRIEB IHRE GEISTIGEN VORAUSSETZUNGEN UND DIE MITTEL ZU IHRER VERWIRKLICHUNG
V E R L A G V O N R.
OLDENBOURG
MÜNCHEN
1951
Titel der Originalausgabe: LABOR-MANAGEMENT COOPERATION and How To Achieve It. Erschienen 1948 bei Harper & Brothers, New York und London. Übersetzung von Diplomkaufmann Dr. phil. Richard Mortenthaler, Wien
Druck von R. Spies & Co., Wien V, Straußengasse 16
Inhaltsverzeichn
is
Vorwort zur deutschen Ausgabe Einleitung — Rückschau
9 11
I. Wozu Steigerung der Produktion? Unser neues Zeitalter der Produktivität Die Gewerkschaften in einer reifgewordenen Welt . . Was die Betriebsführung allein nicht erreichen kann . Betriebsführung und Gewerkschaftsführung
16 16 17 18
II. Das gemeinsame Produktionskomitee — Was es ist und was es nicht ist Zweck und Zusammensetzung Zweierlei Organisationen GPK und Betriebsführung GPK und Werkmeister GPK und Arbeiter GPK und Gewerkschaft
22 25 27 34 37 42
III. Organisation und Führung des GPK Ideenreiche Planung Das Aufspüren begabter Mitarbeiter Auswahl der Arbeitervertreter Die Gewinnung der Werkmeister Das Schaffen der psychologischen Voraussetzungen . . Überwindung des Mißtrauens Vorherige Bekanntmachung der Tagesordnung . . . . Die Aufgaben des Vorsitzenden Durchführung der Sitzungen Die Auswertung der Sitzungen Der Sekretär Der Revisor Führung der Protokolle Die verschiedenen Stufen der Zusammenarbeit . . . .
48 48 50 50 52 53 55 56 57 60 64 64 64 66
IV. Allgemeine Beteiligung Joe und sein Vorarbeiter Durchführung des Planes Warum kein Vorschlagsystem? Sind Barvergütungen das Richtige ?
67 70 74 76
5
V. Gemeinschaftsarbeit und Leitungsorgane „Belehren — nicht befehlen" Die „Politik im Betriebe" und ihre Entstehung Symptome der Politik im Betriebe Das GPK und die Politik im Betriebe
. . .
79 82 86 86
VI. Akkordarbeit gegen Gemeinschaftsarbeit Realistische Betrachtung einer alten Streitfrage . . . Inwieweit stimmen die Akkordlohnsätze ? Analyse der Bewertungsarbeit Zwistigkeiten in Werkstatt und Gewerkschaft . . . . Akkordarbeit und Gewerkschaft Akkordarbeit und GPK
91 93 95 100 104 107
VII. Gemeinschaftsarbeit und Leistungstafel Die Gleichgültigkeit des Arbeiters —- nur eine Schutzhülle 108 Der Zweck der Leistungstafeln 110 Kostensenkung durch Gemeinschaftsarbeit 111 Individuelle Leistungstafeln 113 Ist die Leistungstafel ein Mittel zur Antreiberei? . . 116 Leistungstafeln über Qualität 117 Qualitätskontrolldiagramme 119 Richtige Verteilung der Arbeitslast 122 Administrative Förderung der Leistungstafeln . . . . 1 2 4 GPK und Leistungstafeln 125
VIII. Die Tätigkeit der Produktionskomitees Viererlei Aufgaben 127 Beschwerden 128 Maschinen und Werkzeuge 129 Die Beziehungen zwischen den einzelnen Abteilungen 130 Betriebsvorschriften 131 Instandhaltung 131 Lager- und Werkzeugkontrolle 132 Sonstige Angelegenheiten 133 Vorurteile 133 Systemlose Auswahl der Probleme ? 134
IX. Die technische Bekämpfung der Vergeudung Wo liegen die größten Verschwendungen? Umfassende Planung Budgetkontrolle Absatzforschung Absatzforschung bei Massenartikeln, Instandhaltung der Maschinen, Materialkontrolle, Werkzeugkontrolle, Studium des Arbeitsprozesses, innerbetriebliches Transportwesen, Qualitätskontrolle und Qualitätsüberprüfung
6
136 137 139 142
143
Schulung Die Zuteilung der Arbeit Von der Literatur über Betriebsführung
148 150 151
X. Der Anfang Initiative der Betriebsführung GPK-Arithmetik Initiative der Gewerkschaft Die provisorische Gruppe Die Planung des GPK Die formelle Sitzung Das GPK beginnt seine Tätigkeit Die Pionierarbeit des GPK
153 154 157 158 160 160 161 161
Anhänge I. Erste Ankündigung von der Gründung eines GPK . . II. Entschließung III. Wie der Anfang gemacht und das Interesse an der Mitarbeit gefördert werden kann IV. Vorschläge für ein Ausbildungsprogramm
Register
163 165 168 172
174
7
Vorwort zur deutschen
Ausgabe
Die Veröffentlichung eines Buches über „Die Zusammenarbeit im Betrieb", insbesondere über deren Voraussetzungen und praktische Verwirklichung, bedarf in einer Zeit, da die Steigerung der Produktivität der Arbeit mit dem Ziel einer Erhöhung der Lebenshaltung der gesamten Bevölkerung im Vordergrund der Wirtschafts- und Sozialpolitik steht, kaum einer besonderen Begründung. Ebensowenig muß wohl erklärt werden, warum ein Werk amerikanischer Autoren übersetzt wurde. Sind doch die bahnbrechenden Leistungen in den Vereinigten Staaten und der Vorsprung, den diese nicht nur auf dem Gebiet der technischen Rationalisierung, sondern auch auf dem der menschlichen Beziehungen erzielt haben, allgemein anerkannt. Dagegen muß wenigstens kurz auf den Einwand eingegangen werden, daß die amerikanischen Erfahrungen für Europa wegen der vielfach völlig anderen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse nur beschränkten Wert haben und jedenfalls nur mit großer Vorsicht auf die eigene Umwelt angewendet werden können. Es kann nicht die Aufgabe einer kurzen Einleitung sein, die zweifellos bestehenden ökonomischen und sozialen Unterschiede zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zu behandeln. Es ist dies auch gar nicht notwendig, weil der Leser einerseits selbst erkennen wird, wo solche Unterschiede bestehen, andrerseits aber heute auch schon reichlich Gelegenheit geboten ist, die amerikanischen Besonderheiten und ihre Ursachen, soweit sie für das hier behandelte Thema der Zusammenarbeit im Betrieb bedeutsam sind, durch eine gediegene Fachliteratur kennenzulernen. Es sei hier nur auf die bereits in deutscher Übersetzung vorliegenden Bücher von Clinton S. Golden und Harold J. Ruttenberg, „Die Dynamik der industriellen Demokratie, oder von F. Peterson, „Amerikanische Gewerkschaften" verwiesen. Wichtig ist, daß man tiefer in das Wesen des Amerikaners einzudringen und dieses in der richtigen Perspektive zu sehen versucht. Wer dies vermag, wird — vielleicht zu seiner Überraschung — entdecken, daß sich die angeblich 9
so materialistisch und technisch denkenden Amerikaner ein sehr lebendiges Gefühl dafür erhalten haben, daß an der Wurzel der wirtschaftlichen, sozialen und technischen Probleme der Betriebsleitung geistige und menschliche Fragen der Lösung harren. In einer Zeit, wo der mechanisierte Apparat, die Massenorganisation und das Robotergehirn die menschliche Freiheit und Würde auszulöschen drohen, ist es von entscheidender Bedeutung, jene menschlichen Kräfte und Möglichkeiten wieder zu entdecken und zu nutzen, die allein die Arbeit für den einzelnen wieder zu einer sinnvollen Tätigkeit und befriedigenden Aufgabe machen können. Wien, Oktober 1951.
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Dr. Richard Mortenthaler.
Einleitung Rückschau
Die Erkenntnis der steigenden Notwendigkeit einer erhöhten Produktion zwingt Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich der Bedeutung der Zusammenarbeit bewußt zu werden. Die Erfahrungen der Kriegszeit haben uns schneller begreifen gelehrt, wie wir zusammenarbeiten können und warum wir zusammenarbeiten müssen. Die Zeit ist nun gekommen, daß bald eine Entscheidung getroffen werden muß. Haben wir aus unseren Erfahrungen auf dem Gebiet der Zusammenarbeit zwischen Betriebsführung und Arbeiterschaft gelernt oder greifen wir auf alte Vorbilder zurück, die gleichbedeutend sind mit geringer Produktion, geringem Verbrauch, sinkendem Absatz und Arbeitslosigkeit? Die Idee einer Zusammenarbeit zwischen Betriebsführung und Arbeiterschaft ist in der amerikanischen Industrie nicht neu. In Einzelfällen wurde sie schon mehrere Jahrzehnte lang propagiert und praktiziert. Von einer Durchführung im großen Stil kann man jedoch erst von dem Zeitpunkt sprechen, als sie das Rock-Island-Heeresarsenal mit seinen 13.000 Arbeitern und Angestellten während des ersten Weltkrieges und in der Nachfolgezeit praktisch in die Tat umzusetzen begann. Nach 1922 wurde sie unter schwierigeren Verhältnissen auf der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn weiterentwickelt, deren Beispiel dann andere amerikanische und kanadische Eisenbahngesellschaften folgten. Die Betriebsführung der Eisenbahn erkannte damals, daß man eine Eisenbahn wohl nach der veralteten Methode der Erteilung von Anordnungen an ihre Betriebsleiter betreiben kann, daß es aber etwas ganz anderes ist, wenn sie in freiwilliger Zusammenarbeit mit jenen betrieben wird, die die praktische Arbeit ausführen, mit ihrer bisher nicht beachteten Fähigkeit, den Leistungsgrad des Betriebes zu bestimmen. Doch ein Eisenbahnbetrieb ist nicht das einzige Unternehmen, das unter den üblen Folgen mangelnder Gemeinschaftsarbeit leidet. Zuständige Techniker bezeugen, daß 11
selbst unsere produktivsten Industrien noch nicht über 80% ihrer möglichen Leistungsfähigkeit erreicht haben. Bei der überwiegenden Mehrzahl amerikanischer Industriebetriebe sind 50% wohl die richtigere Schätzung; bei vielen dürfte der Prozentsatz sogar noch niedriger sein. Als der Krieg neuerlich ausbrach, erkannte man in Regierungskreisen allmählich, daß die bloße Vergebung von Aufträgen noch nicht notwendigerweise die termingemäße Lieferung bedeute. Es lag daher nahe, daß Regierungsstellen in dem Bestreben, die Kriegsproduktion zu beschleunigen, die Schaffung von gemeinsamen Komitees von Belegschaft und Betriebsführung befürworteten. Die wahre Natur dieser Komitees und die ihnen innewohnenden Fähigkeiten wurden jedoch wenig verstanden und viele von ihnen blieben leider nur Organisationen auf dem Papier. In den Fällen aber, wo sie bestanden, gab man Betriebsführung und Belegschaft nur wenig praktische Hinweise, wie sie zu wirksamen Instrumenten entwickelt werden könnten. Bei besserer Ausnutzung ihrer Wirkungsmöglichkeit hätten sie einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung der Kriegsproduktion sowie zur Umstellung der Industrie auf Friedensarbeit leisten können. Trotz aller dieser Einschränkungen haben die Anstrengungen des Kriegsproduktionsamtes und in geringerem Ausmaß die Bestrebungen anderer für die Kriegführung zuständiger Stellen eindeutig erwiesen, über welche heute noch nicht genutzte Möglichkeiten Betriebsführung, Belegschaft, Werkführer und Techniker verfügen, eine bessere Gemeinschaftsarbeit zu entwickeln. Die Zahl der Betriebsführer, Arbeiter und Staatsfunktionäre ist noch sehr gering, die die dynamische Kraft einer Zusammenarbeit zwischen Belegschaft und Betriebsführung und ihre Bedeutung für das Wohlergehen von Betriebsführung, Belegschaft und Verbrauchern erkennen. Alle, die über derartige industrielle Themen geschrieben haben (sowie auch alle Leser) finden sich in der ungeheuren Vielfalt der industriellen Betriebe sowie in den äußerst komplizierten betrieblichen Beziehungen schwer zurecht und sind mit einem Rest bitteren Gefühls aus der Zeit der Kämpfe für und wider die Anerkennung der Gewerkschaften belastet. Die Verfasser des vorliegenden Handbuches haben dieser Schwierigkeit auf zweierlei Art und Weise zu begegnen versucht. Sie richteten ihr Hauptaugenmerk auf die geistige Einstellung, auf die innere Bereitschaft, die herangebildet werden muß und auch herangebildet werden kann, damit eine 12
uneingeschränkte Zusammenarbeit möglich wird. Sie haben ferner zahlreiche Beispiele verwendet, die aus den gewöhnlichen Arbeitsvorgängen in den Fabriken und den dort geforderten Dienstleistungen herausgegriffen bzw. diesen angepaßt wurden und die mehr oder minder für alle Fabriken gelten. Das vorliegende Werk ist als Werkbank gedacht, auf der die Werkzeuge der Gemeinschaftsarbeit, die durch praktische Erfahrung erprobt sind, allen sichtbar ausgelegt zu finden sind. Es soll Betriebsführern und Arbeitern zur Verwendung dienen, um eine erhöhte Produktion und mit ihr einen höheren Lebensstandard für unser ganzes Volk zu ermöglichen.
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I.
KAPITEL
Wozu Steigerung Unser neues Zeitalter
der der
Produktion? Produktivität
Vor Beginn der modernen Massenproduktion war Mangel das Gesetz des Lebens. Da die Gütermenge, die erzeugt werden konnte, beschränkt war, kämpften die Arbeiter um ihren Anteil, weil sie befürchteten, andernfalls leer auszugehen. Heute leben wir in einem neuen Zeitalter, das eine hohe Produktionskapazität besitzt, weil es reich ist an wissenschaftlicher Erkenntnis, an technischen Erfindungen und an Bildungsmöglichkeiten, die die Schulung aller, selbst unserer Körperbehinderten, ermöglichen; reich an den Millionen unserer geschulten Arbeiter und Techniker, die unter der Leitung einer fortschrittlichen Betriebsführung uns heute den höchsten Lebensstandard und das Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten, die jemals erreicht wurden. In diesem Zeitalter der Massenproduktion vollzieht sich unter dem Einfluß einer fortschrittlichen Betriebsführung und gesamtbetrieblicher Gewerkschaften eine Schwergewichtsverlagerung in den Kollektivverhandlungen. In einem Zeitalter der Fülle und des Reichtums brauchen wir uns nicht mehr über die Aufteilung einer beschränkten Gütermenge auseinanderzusetzen. Heute lautet das Problem vielmehr: Wie können unsere Gewerkschaften ihren Anteil an der Verantwortung in engster Zusammenarbeit mit der Betriebsführung übernehmen? Wie kann die Betriebsführung am besten die unter Beweis gestellte Fähigkeit der Arbeiterschaft zur Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Plan zur Erhöhung der Produktivität nutzbar machen? Ein wirksames Mittel dieses neueren produktiven Verhältnisses bildet das gemeinsame Produktionskomitee, das weitere Fortschritte in der Technik der Menschenführung ermöglicht. Während der dem ersten Weltkrieg folgenden 15 Jahre machte die organisierte Arbeiterschaft nur langsame Fortschritte. In diese Zeit fällt die Hochkonjunktur der zwanziger 15
Jahre, der Krach des Jahres 1929 und unsere schlimmste Depression. Diese rapiden wirtschaftlichen Veränderungen übten starken Einfluß auf das Denken der meisten Amerikaner aus. Die Lohnempfänger, die in den Jahren der Depression am schwersten gelitten hatten, versuchten ihre Gewerkschaften auszubauen, die sie bei der Lösung ihres dringendsten Problems, der Sicherung ihres Lebensunterhaltes unterstützen sollten. Die Gewerkschaften in einer reifgewordenen Welt Dieser lang anhaltende Druck auf die Lohnempfänger führte zu einer gewaltigen Erweiterung der bestehenden Gewerkschaften und bezeichnenderweise zur raschen Entwicklung einer neuen Art von Arbeiterorganisation, die auf dem Prinzip gesamtbetrieblicher Gewerkschaften aufgebaut war. Während der letzten 15 Jahre ist die Mitgliederzahl der amerikanischen Gewerkschaften insgesamt auf etwa 15 Millionen gestiegen. Inzwischen haben die organisierten Arbeiter viele Erkenntnisse gesammelt, durch die die Bahn für eine engere Gemeinschaftsarbeit zwischen Betriebsführung und Belegschaft freigelegt wird. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache von Bedeutung, daß sie in langen Jahren gelernt haben, sich als Mitglieder einer einzigen Organisation zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles zusammenzuschließen. Ein weiterer Umstand von Bedeutung ist ihr Erkennen der praktischen Vorteile, die sich aus der Erschließung neuer Mittel und Wege zur Vereinfachung der Beziehungen zwischen Betriebsführung und Belegschaft ergeben. Für die hier verfolgten Ziele ist es nicht notwendig, auf den wirtschaftlichen Druck näher einzugehen, der in den Nachkriegsverhältnissen begründet ist. Es ist allgemein bekannt, daß steigende Lebenshaltungskosten und höhere Lohnforderungen auf die den Lohnempfängern gestellten Probleme von Einfluß sind. Diese Fragen gehören in das Gebiet der Kollektivverhandlungen, bei denen die Regierungspolitik eine bedeutende Rolle zu spielen begonnen hat. In unseren Untersuchungen beschränken wir uns nur darauf, was Betriebsführung und Belegschaft von sich aus innerhalb des Betriebes in dieser Hinsicht zu tun vermögen. Hier können sie nicht nur eine Produktionssteigerung herbeiführen, sondern mit ihr auch viele ihrer „schwierigen" Probleme lösen, deren Lösung heute irrtümlicherweise woanders gesucht wird. 16
Was die Betriebsführung
allein nicht erreichen
kann
Häufig sehen die Arbeiter Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Arbeitsmethoden, die die Betriebsführung allein oft nicht erkennen kann. Während einerseits dem Arbeiter viele der Betriebsführung bei der Leitung der Fabrik als Ganzes gestellten Aufgaben nicht bekannt werden, ist die oberste Betriebsleitung andrerseits wieder zu weit entfernt, um die kleinen, mit der Arbeit des Arbeiters verbundenen Schwierigkeiten zu ergründen. Und da der Produktionsvorgang sich aus zahllosen Einzelheiten zusammensetzt, die alle ineinandergreifen, führt die ständige Beobachtung jeder Einzelheit zu einer gewaltigen Zeitersparnis und Qualitätsverbesserung. Wenn sich daher die Fähigkeit der Betriebsführung, den Betrieb zu leiten, mit der Fähigkeit des Arbeiters, besser zu arbeiten, verbindet, so entdecken sie gemeinsam viele neue Wege, ihre Arbeit mit einem stets sich verringernden Aufwand an Energie zu leisten. Da begreiflicherweise jeder einzelne viel über seine Arbeit nachdenkt, ist es auch ganz natürlich, daß viele Arbeiter erkennen, daß die Produktion in ihren Fabriken beträchtlich gesteigert werden kann. Jeder Arbeiter aber wird, wenn man ihn fragt, wie sie gesteigert werden kann und warum dies nicht geschieht, verschiedene Gründe dafür anführen und hierfür in erster Linie die Betriebsführung verantwortlich machen. Andrerseits erkennt auch die Betriebsführung die Möglichkeit einer Produktionssteigerung und erzielt oft beträchtliche Kostensenkungen durch maschinelle Verbesserungen und andere Maßnahmen. In ihrer Behandlung des Menschen jedoch greift dann die Betriebsführung, deren Zeit und Energie stark beansprucht sind, häufig zu altgewohnten abgebrauchten Mitteln, die eher zu einer Zersplitterung als zu einer Stärkung des Gemeinschaftsgefühles führen und verhindert damit eine Ausnutzung aller Möglichkeiten einer Produktionssteigerung. Allzuhäufig versucht die Betriebsführung alles andere eher denn die Kunst, den guten Willen aller auf das eine Ziel einer Produktionssteigerung auszurichten. Mit dem Problem, den Geist der Gemeinschaftsleistung zu wecken, muß sich heute jeder Betrieb befassen. Die Betriebsführung ist nicht bloß Leitungsorgan einer Fabrik. Ohne die menschliche Arbeit können die baulichen und maschinellen Einrichtungen einer Fabrik keine Produktionsleistung vollbringen: Dazu gehören Männer und Frauen 2 Lever
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mit denkenden Hirnen, mit sehenden Augen, mit schaffenden Händen, mit hoffenden und sorgenden Herzen. Die Arbeiter vollbringen eine bessere Produktionsleistung, wenn sie in ihren Aufgaben gelenkt und geleitet und nicht kommandiert werden. Betriebsführung
und Gewerkschaftsführung
W i r können Maschinen und Anlagen planen, aber nicht Menschen. W i r können nur die Menschen nehmen wie sie sind und unser Bestes tun. Denn daß eine Gruppe von Menschen unter einem Dach zusammenarbeitet und gemeinsam aus ihren Anstrengungen das Beste herausholt, ist noch keine Wissenschaft. E s ist eine Kunst, die manche Betriebsleitungen und manche Gewerkschaften zu erlernen im Begriffe sind. Und wie die Erfahrung zeigt, führt diese K u n s t , wenn sie erlernt wird, zu einer Steigerung der Produktivität. Im Grunde ist die Arbeiterführung, wo immer auch die Grenzen ihres Einflusses liegen mögen, von dem guten Willen der großen Masse abhängig. Entgegen manchen weitverbreiteten Ansichten spielt das demokratische Prinzip in den meisten Gewerkschaften und bei der Beteiligung an der Gewerkschaftsarbeit eine bedeutende Rolle. Betriebsführer wundern sich manchesmal darüber, wieso ihre Angestellten — die anscheinend nur durch die K r a f t der Autorität und die Anziehungskraft der Löhne an der Arbeit gehalten werden — freiwillig soviel Zeit für die Gewerkschaft aufwenden. Was findet der Mann so Anziehendes in seiner Gewerkschaft, daß es ihn von seiner Familie fernhält und ihn manchmal sogar veranlaßt, einen Lohnentfall auf sich zu nehmen? Das Geheimnis liegt hauptsächlich im Freiwerden unterdrückter Wünsche, aufgestauter Energien oder schöpferischer K r ä f t e , die nun auf einem selbstgewählten Gebiet Erfüllung und Betätigung finden. Viele Betriebsführer der heutigen Generation sind der Ansicht, daß allen diesen Wünschen durch Maßnahmen für das Personal, durch Pläne für eine Vertretung der Arbeitnehmer und ähnliche Ersatzmittel entsprochen werden kann. Alle diese Maßnahmen vergrößern wohl den Stab an Aufsichtsorganen, sind jedoch zum Scheitern verurteilt, da sie nie das Prinzip der Selbstverwaltung ersetzen können. Daher ist ohne Gewerkschaft genau so wie ohne Betriebsführung eine wirksame Gemeinschaftsarbeit so gut wie unmöglich. Dies gilt auch für Vorschlagssysteme und von der Regierung 18
geförderte Arbeiter- und Unternehmer-Komitees, die ohne eine von den Arbeitern selbst gewählte Vertretungsorganisation sämtlich ohne Wirkung bleiben. Bei jenen Gewerkschaften, die von Männern geführt werden, welche irgendwie mit der Masse der Arbeiter Fühlung halten, ist die aktive Beteiligung an der Gewerkschaftsarbeit am größten. Dieselben Gewerkschaften sind es auch, die den höchsten Beitrag im Interesse der Industrie und der Allgemeinheit leisten. Umgekehrt ist die Gewerkschaftsarbeit dort steril, wo das Verhältnis zu dem gewöhnlichen Gewerkschaftsmitglied allzusehr von dem eigenen Ich der Gewerkschaftsführer bestimmt wird. Praktisch treten diese nur bei den periodischen Verhandlungen über die Lohnverträge in Erscheinung — ohne sich dabei über die Folgen viel Gedanken zu machen. Sonst scheinen sie am Schalthebel eingeschlafen zu sein und die allgemein gültige Wahrheit zu vergessen, daß die Arbeiter Menschen sind, die leben wollen, und daß das Beste, was wir erreichen können, darin besteht, die größte Befriedigung aus unserem täglichen Leben zu gewinnen. Dies ist eine sichtbare Probe auf Exempel! Einfallsreiche Arbeiterführer haben die gewaltige K r a f t der freiwilligen Gruppentätigkeit praktisch bewiesen. Die Gewerkschaften können ihrer nicht entbehren und auch die Betriebsführung nicht — auch wenn sie die Löhne bezahlt. Dieses parallele Bestreben von Betriebsführung und Gewerkschaft, sich der weitestgehenden Mitarbeit der Masse zu versichern, ist von Wichtigkeit, da beide notwendigerweise mit denselben Arbeitern zu t u n haben. H a t die Aufforderung an diese positiven Gehalt — d. h. sieht sie eine uneingeschränkte Mitarbeit vor —, dann ist das Echo positiv und — produktiv! Ist die Aufforderung negativ oder lau, so ist das Echo fast immer ein negatives. Die Aufforderung bedingt das Echo. Wie werden Arbeiterführer und Betriebsführer dieser Aufgabe gerecht werden ? Werden sie sich um ein paar Groschen auf oder ab bei einem Stundenlohn in einer Stimmung streiten, wo jeder nur konzediert, was er nicht verweigern kann, während das Produktionsvolumen statisch bleibt? Oder werden sie die Gemeinschaftsarbeit entwickeln, um die Produktion rasch zu erhöhen und sich in die schöpferische Fülle zu teilen? Stehen wir schon am Ende der Verbesserung unserer Verkehrsmethoden? Haben wir alle Quellen zur Ent2*
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Wicklung von Antriebskräften erschöpft? Haben wir schon alle unsere Heime gebaut, unser Land abgesteckt und bewässert, unsere Wälder wieder aufgeforstet, für alle Nahrung und Kleidung beschafft, unsere Elendsviertel zum Verschwinden gebracht, unsere Flüsse gereinigt? Haben wir die Versorgung mit Wasser gesichert, haben wir sanitäre Einrichtungen und ärztliche Behandlung sowie Bildungsmöglichkeiten für alle Angehörigen unseres Volkes geschaffen oder die ungeheure Verschwendung bei der Verteilung ausgeschaltet? Diese und viele andere Leistungen sind Ausdruck der praktischen Geschicklichkeit von Betriebsführung und Arbeiterschaft, natürliche Hilfsmittel in nützliche Güter oder Dienstleistungen umzuwandeln. Alles in allem ist dies Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, größeren Reichtum zu schaffen. Da das amerikanische Volk ein Leben in größerer Fülle kennengelernt hat, wird es kaum jemals freiwillig zur wirtschaftlichen Armut seiner Vorfahren zurückkehren. Wie sonst läßt sich das ungeheure Wachstum der Organisationen der Arbeiter, der Farmer, der freien Berufe und vieler anderer ähnlicher Organisationen erklären, die eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse anstreben? Wenn wir die Bedürfnisse unseres ganzen Volkes befriedigen wollen, müssen wir unseren Blick auf die Schaffung eines viel größeren Wohlstandes richten. Die Betriebsführung weiß, daß die Konkurrenz größere Einsparungen bei Produktion und Verteilung notwendig macht, die sämtlich von der Gemeinschaftsarbeit abhängig sind. Gemeinschaftsarbeit ist aber fast unmöglich, wenn die übliche Lenkungs- und Kontrollmethode nicht irgendwie durch ein System ergänzt wird, das den Ideenreichtum und die uneingeschränkte Mitarbeit der Arbeiterschaft mobilisiert. Eine auf der Höhe ihrer Aufgabe stehende Betriebsführung kann durch Einschaltung des Gemeinsamen Produktionskomitees die Lücken in der Organisation alten Stils schließen und damit die notwendige Voraussetzung zur Erhöhung der produktiven Leistung der Arbeiter und der Werkführer schaffen. Da das GPK 1 ) das Forum bildet, wo die Ideen des Arbeiters zum Ausdruck gebracht und praktisch überprüft werden, kann die Betriebsführung endlich direkt mit dem Mann, der die praktische Arbeit leistet, in l ) GPK = Gemeinsames Produktionskomitee. wird laufend im ganzen Buch verwendet.
20
Diese Abkürzung
Verbindung treten. Gleichzeitig ermöglicht der zweigeleisige Verbindungsweg des G P K es dem Arbeiter, mit der Betriebsführung in direkten Kontakt zu treten und seine Gedanken über mögliche Produktionsverbesserungen zu äußern. Gemeinsam wird der Weg damit freigelegt, die Produktion bis zur vollen Kapazität zu steigern sowie den Arbeitsplatz und den industriellen Frieden zu sichern.
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II.
Das gemeinsame
KAPITEL
Produktionskomitee
Was es ist und was es nicht Zweck und
ist
Zusammensetzung
Das Gemeinsame Produktionskomitee dient dem Zweck, die Fähigkeiten jedes einzelnen nutzbar zu machen — seine Mitarbeit zu gewinnen, sie auszubauen und praktisch zu verwerten — zum Vorteil des Unternehmens und aller darin Tätigen. Es setzt sich paritätisch aus Vertretern der Betriebsführung und der Arbeiterschaft zusammen. In kleineren Betrieben besteht es in der Regel aus einer einzigen Gruppe. In größeren Fabriken sind auch Untergruppen notwendig. Das GPK, das in beratender Funktion als untersuchende, Tatsachen ermittelnde und bewertende sowie als planende Stelle fungiert, bildet das Forum, über das die Ideen der obersten Betriebsführung, der Werkführer und der Arbeiter einander nähergebracht werden. Auf dieser Grundlage macht es die Fähigkeiten und die Findigkeit aller nutzbar, die mit einem bestimmten Problem befaßt sind. Es gibt Mitteilungen in beiden Richtungen weiter — von der obersten Spitze hinunter und von der untersten Stelle hinauf — und sorgt für die meist fehlende direkte Nachrichtenvermittlung, wodurch kostenverursachende Mißverständnisse ausgeschaltet werden. Das GPK besorgt dies auf dem Wege über Abteilungsgruppen, von denen die Arbeiter sich die entsprechenden Informationen holen und in denen sie an der Lösung der aktuellen Probleme mitarbeiten können. Sind die Feststellungen des GPK einmal erfolgt, dann können seine Empfehlungen gebilligt und ihre praktische Durchführung von der Betriebsführung — gewöhnlich auf dem Wege über fortschreitend besser funktionierende Kanäle — angeordnet werden. Die Leitungsgruppe des GPK tritt ein- oder zweimal im Monat, wenn nötig auch öfter zusammen. Manchmal führt die Erörterung von Problemen im Kreise der eigenen 22
Mitglieder schon zur Lösung derselben. In anderen Fällen werden die zuständigen Leitungsorgane oder Arbeiter herangezogen, damit sie Mittel und Wege zu ihrer Lösung finden helfen. Indem die Ansichten der Arbeiter oder Werkführer eingeholt werden, werden oft Fehlleistungen, die früher unbeachtet geblieben sind, ans Tageslicht gebracht und abgestellt. Das G P K überprüft und sichtet die Ideen, die die verschiedensten Seiten des Fabrikbetriebes betreffen: Verbesserung der Qualität, der Erzeugung, Erhöhung der Produktion, Senkung der Kosten pro Einheit, Schonung von Maschinen und Material, Schulung und Vorrückung, Betriebshygiene und Betriebssicherheit, sanitäre Anlagen, Beleuchtung und Lüftung, Belieferung der Fabrik, Ordnung und Reinlichkeit im Betrieb, Verwertung des Abfalles, innerbetriebliche Transporteinrichtungen und andere Dinge, die eine bessere Gemeinschaftsarbeit und eine erhöhte Produktion ermöglichen. Da die Arbeit des G P K jeden einzelnen angeht, hat es freie Hand, von der Betriebsleitung, von den Werkführern, von den Arbeitern und von den Gewerkschaften Hilfe zu verlangen. Es geht von der richtigen Annahme aus, daß jeder, der einen Kopf auf den Schultern trägt, sich die Aufgabe wünscht, zum Besten der Fabrik und seiner Arbeitskollegen zu arbeiten. Das Interesse des Arbeiters selbst verstärkt sich, wenn er einen Anreiz verspürt, seine Aufgabe zu erfüllen. Das G P K ist nicht einfach ein zusätzliches Komitee. E s ist kein Ersatz für die Betriebsleitung. Es stellt vielmehr eine Verbesserung der Betriebsorganisation dar. E s bildet den Eckpfeiler in dem Bogen, der sich vom Arbeiter zum Betriebsführer spannt, ohne den keiner von beiden seine sämtlichen Fähigkeiten für die Stärkung des Ganzen einsetzen kann. E s ermöglicht die Zusammenfassung von Werkmeistern und Arbeitern in einem leistungsfähigen Produktionsteam. Es bildet auch keinen Ersatz für den Werkmeister, sondern unterstützt ihn (und hilft ihm manchesmal in schwierigen Lagen), indem es für die Einhaltung jener Fabrikvorschriften sorgt, die für die Gemeinschaftsarbeit notwendig sind, und für den überlasteten Werkmeister viele Dinge vorsichtet, die seine Aufmerksamkeit erfordern und denen er sich nicht widmen kann. Das G P K ist auch kein Ersatz für die Gewerkschaft oder ihr Verhandlungskomitee, weil es dafür keinen Ersatz gibt. 23
Es kommt dem langgehegten Wunsche der Gewerkschaft (als des Ausdrucksträgers des Gesamtwillens der Arbeiter) nach Anerkennung der ihr zukommenden Stellung als vollkommen gleichberechtigter Partner im Produktionsteam entgegen, einer Stellung, um die fortschrittliche Arbeiterorganisationen jahrzehntelang — und gelegentlich auch mit Erfolg — gekämpft haben. Es hat mit der Einrichtung der sogenannten „Vorschlagskasten" nichts gemein, die mit ihren großen Schlitzen in zu vielen Anlagen nur zur Ablagerung von Zigarren- und Zigarettenstummeln dienen. Anders als die „Vorschlagssysteme", bei denen die Arbeiter in der Regel wie Kinder behandelt werden, von denen man erwartet, daß sie irgendwie gute Ideen vorbringen, bildet das GPK die Grundlage für ein gesünderes Verhältnis, das es ermöglicht, gleichgerichtete Ansichten über den Betrieb der Fabrik in die tägliche Routinearbeit einzubauen. Es ist Ausdruck der Auffassung, daß Vorschlagskasten, Vorschlagsformulare und Plakate den an jeden einzelnen im gesamtbetrieblichen Rahmen gerichteten Appell nicht ersetzen können, in der Einstellung zur Arbeit und in der Einstellung zueinander einen vollständigen Wandel eintreten zu lassen. Im Rahmen des GPK wird an das Denken und Fühlen nicht nur appelliert, sondern es wird organisch gefördert und vervollkommnet. Mit anderen Worten: Die Leiter der Fabrik betrachten die gesamte Belegschaft als einen Teil des geistigen Rüstzeuges für den Alltagsbetrieb — zur Feststellung von Tatsachen und zur Bestimmung der Betriebspolitik. Bildet das GPK einen Ersatz für Personalfunktionen? Ja, in dem Sinne, als durch diese allein die Moral der Gruppe zu heben versucht wird. Nun ist es aber trotz aller auf Personalfragen verwendeten Gedankenarbeit der Betriebsführung im allgemeinen nicht gelungen, irgendwo die uneingeschränkte Mitarbeit der Arbeiterschaft zu gewinnen. So ist man auf dem Gebiet der Personalpolitik nach all den Versuchen, angefangen von den verschiedenen Personalvertretungsplänen bis zu den Beichtstuhlmethoden (bei denen bis auf den Mantel des Priesters alle Mittel bei dem Bemühen in Anwendung gebracht werden, den „Sinn des Arbeiters" zu erforschen), schließlich zu der richtigen Erkenntnis gelangt, daß der Arbeitsplatz den Ansatzpunkt für eine positive Betriebsmoral und für zufriedenstellende innerbetriebliche Beziehungen bildet, wofür die Verantwortung gemeinsam getragen werden sollte. 24
Wir müssen den Arbeiter instand setzen, die der Produktion gestellte Aufgabe voll und ganz zu begreifen. Nur ein vollkommenes Verstehen der von ihm geforderten Arbeit und der mit ihr zusammenhängenden Probleme wird es möglich machen, daß seine geistigen Kräfte und sein guter Wille voll zur Geltung kommen. Da die Arbeit selbst die Grundlage für eine positive Betriebsmoral bildet, ist das GPK besser als Personalbeamte allein geeignet, die entsprechende geistige Bereitschaft zu entwickeln. Die letzteren können zweckmäßigerweise im GPK als Vertreter der Betriebsführung sowie in anderen anerkannten Personalfunktionen arbeiten, die klarerweise in die Betriebsleitung gehören. Kurz das GPK ist die gemeinsame, mit beratender Funktion arbeitende Stelle der obersten Betriebsführung und der Gewerkschaft zur Förderung und Behandlung von Verbesserungsvorschlägen jeglicher Art. Schon im Anfangsstadium bessert es das Verhältnis zwischen den Beteiligten, denn es bringt in dieses den Sauerteig gegenseitigen Vertrauens und Verständnisses und gegenseitiger Achtung, lauter Elemente, die unumgänglich notwendig sind, um die schöpferischen Fähigkeiten zu wecken und anzuregen. Zweierlei
Organisationen
In der Vergangenheit arbeitete die Mehrzahl der in der Industrie Beschäftigten in einem maschinenähnlichen Verhältnis, wo jeder einzelne in der Organisation mechanisch arbeitete wie eine von einer Nocke vorwärts und rückwärts getriebene Stange. Dieses System wird manchmal als das mechanistische bezeichnet. Heute erkennen die Betriebe — bei manchen war dies schon früher der Fall —, daß sie viel produktiver und harmonischer arbeiten können, wenn alle Glieder der an der Produktion aktiv Beteiligten als Mannschaft arbeiten, wo jeder einzelne die Zeichen und den Sinn seiner Rolle in jedem Spiel versteht. Wird dieses Verhältnis hergestellt, dann handelt die Mannschaft wie ein einziger lebender Organismus. Dieses Verhältnis wird als organisch bezeichnet. Die meisten Reibungen und Spannungen in der Industrie — und nicht minder in den Gewerkschaften — rühren von der Verwendung der mechanistischen Methode bei der Gliederung der Arbeit der Menschen her, obwohl die Menschen nur zu bereit wären, dem Ruf nach vollständiger Mannschaftsleistung — also der organischen Arbeitsorganisation — 25
zu entsprechen. Der durchschnittliche Arbeiter und der leitende Beamte nicht minder sind mit der Methode der Erteilung von Anordnungen wohl vertraut und wissen, daß Gehorsam einen wesentlichen Teil der Mannschaftsleistung bildet. In Notfällen, wie bei der Bekämpfung von Bränden, ist es wesentlich, einen bestimmten Plan zu haben und ihn schnell durchzuführen — ohne irgendwelche Debatten. In vielen Situationen ist es besser, ein verhältnismäßig simples Konzept in Anwendung zu bringen als lange zu zögern, denn manche Fragen sind viel zu unbedeutend, um lange erörtert zu werden. Die Mannschaft hört auf die Befehle und tut ihre Arbeit. Der Unterschied zwischen mechanistischen und organischen Beziehungen ist jedoch keine Frage des Gehorsams. Der Unterschied liegt in der Einstellung. Es ist das Gefühl der Aufgeschlossenheit gegenüber seinen Kameraden, die Anerkennung des aufrichtigen Bemühens des anderen (gleichgültig, ob er ein Untergebener ist oder nicht) sowie auch seiner Fähigkeit und seiner Bereitschaft zu helfen. So können Anordnungen und Anregungen, während sie durchgeführt bzw. begrüßt werden, durch die geeigneten Organe überprüft werden. Später werden wir sehen, daß in einem organischen Betrieb die Disziplin eine viel bessere ist, weil sie eine selbstauferlegte ist. Betrachten wir einmal die mechanistische Disziplin etwas näher. Mit seiner ganzen Überwachungs- und Personalarbeit funktioniert der mechanistische Betrieb wie eine Armee. Der General tritt den Obersten, der Oberst den Major, der Major den Hauptmann, der Hauptmann den Leutnant, der Leutnant den Sergeanten, der Sergeant den Korporal und der Korporal den Gemeinen. Der Gemeine kann nicht zurückschlagen, so tritt er den Maulesel. Und da der Maulesel nicht reden kann, endigt damit die Geschichte oder so scheint es zumindest. Wie in dem durchschnittlichen Betriebe die Dinge derzeit liegen, ist der Arbeiter der Maulesel. Er hat nicht nach dem Warum zu fragen, er hat nur seine Last zu schleppen und den Mund zu halten. Soweit der Stab von Aufsehern überhaupt irgendwelche Vorkomnisse oder Zustände bis zur obersten Leitung dringen läßt, werden diese alle geregelt und in dem besten aller Betriebe ist alles in bester Ordnung, d. h. so lange, bis der Maulesel genug hat und auszuschlagen beginnt. Dann zerbricht der Schlag das Geschirr und das Team gerät in Unordnung. Das Maultier ist „böse". 26
In diesem Falle erfährt die oberste Betriebsführung davon. Aber da sie es unterlassen hat, mit dem „Maulesel" in Verbindung zu bleiben, indem sie sich auf ein einseitiges Informationssystem stützt, hat sie alle Hände voll zu tun, um Unzukömmlichkeiten abzustellen, die nie hätten vorkommen sollen. Und die Produktion leidet darunter. Wir treten jetzt glücklicherweise in ein Zeitalter ein, in dem dieses Verhältnis zwischen General und Maulesel als unökonomisch, unorganisch und rückständig erkannt wird. Wir sehen heute, daß es nicht nur für den Maulesel, sondern für die ganze Kette der diesen Verstoß begehenden Personen schlecht ist. Die Umstellung auf ein besseres, mannschaftsähnliches Verhältnis muß früher oder später kommen. Der große Wert des GPK liegt unter anderem eben darin, daß es in dieser Richtung arbeitet. Indem seine Mitglieder sich besser kennenlernen, lernen sie allmählich in einer aufgeschlosseneren und vernünftigeren Art arbeiten, und je mehr diese ihre Einstellung Früchte trägt, um so mehr verbreitet sie sich über den ganzen Betrieb und von dort auf andere Betriebe. Das ist wirklich „Erziehung durch die Tat". GPK
und
Betriebsführung
Da sie zu einem „guten Arbeitsplatz" führt, ist volle Mannschaftsarbeit das einzige Arbeitsverhältnis, das die Arbeiter dauernd an den Betrieb bindet. Unter den Facharbeitern wie auch unter den weniger geschulten Arbeitern bricht sich die Erkenntnis immer mehr Bahn, daß die Betriebsleitung ihre Augen und ihren Verstand ebenso braucht wie ihre Hände. Die Arbeiter werden jenen Unternehmer, der ihre geistigen Fähigkeiten nicht in Anspruch nimmt, verlassen und sich jenem Unternehmer zuwenden, bei dem dies der Fall ist. Dies gilt besonders für die ambitionierteren Arbeiter, die das Kernstück jedes Betriebes bilden. Sie fürchten die Unsicherheit unökonomischer Arbeitsmethoden, die sie rasch entdecken, und sie werden bald ihre anfängliche Achtung vor einer Betriebsleitung verlieren, die so wenig Neigung zeigt, diese abzustellen. Bei den Arbeitern deuten viele Zeichen darauf hin, daß sie sich niemals mehr freiwillig einem maschinenähnlichen Arbeitsverhältnis mit all seiner Eintönigkeit und seinem Verschleiß unterwerfen werden. Sie haben endlich erkannt, daß eine leistungsfähige Produktion von direktem Einfluß 27
auf ihre Sicherheit, auf Vollbeschäftigung und größere Verdienstmöglichkeiten ist. Wie sich diese Einstellung auswirkt, zeigt der folgende Vorfall: Nach 30jährigem Bestand entschloß sich eine Ofenfabrik mit etwa 1000 Mann Belegschaft endlich dazu, die gewerkschaftliche Organisation ihrer Arbeiter anzuerkennen, und zwar erst nach einem längeren Streik, der die Produktion stillegte. Dieser Vorfall hinterließ eine militante Gruppe, die der Betriebspolitik der Gesellschaft mit großem Mißtrauen gegenüberstand. Etwa zwei Jahre später wurde einer der beiden Verfasser dieses Buches gerufen, um einen seit langem bestehenden Grund zur Klage beheben zu helfen. Während der Besprechung kam der Chef der Betriebsleitung mit einer graphischen Darstellung in der Hand herein und bemerkte: „Was dieser Betrieb wirklich braucht, sind mehr Öfen." Obwohl die Arbeiter in erster Linie diesen Mann für die schlechte Arbeiterpolitik der Gesellschaft verantwortlich machten, erwiderte einer der Arbeiter scherzhaft: „Und Sie glauben, wir können das nicht leisten ? Wie viele Öfen mehr brauchen Sie? Wenn Sie drei Flaschen Whisky dort in die Ecke stellen, damit wir sie Samstag früh holen können, werden wir unser Äußerstes tun." Obwohl der Chefmanager keinesfalls als humorvoll bekannt war, hinterließ sein Verhalten den Eindruck, als ob die Sache „abgemacht" wäre. Ohne weiteren Kommentar unterrichtete der Ausschuß die Betriebsräte, die ihrerseits die Arbeiter von der „Wette" in Kenntnis setzten. Obwohl von der Woche nur mehr drei Tage übrig waren, brachten sie einige Hundert Öfen mehr heraus als jemals vorher in einer ganzen Woche seit Gründung der Fabrik — was einer Steigerung des Ausstoßes um 30% gleichkam. Samstag früh hielt der Ausschuß in der Ecke des Büros nach den drei Flaschen Whisky Nachschau, doch fanden sich keine dort vor. Ohne weitere Mitteilung an die Betriebsleitung fiel das Werk wieder in sein altes Arbeitstempo zurück und keine zusätzlichen Öfen verließen mehr die Produktionsstätte. Angesichts ähnlicher Erfahrungen in anderen Betrieben forschte der Verfasser auf dem Wege über eine persönliche Befragung der Arbeiter weiter nach der Ursache. Dabei stellte es sich heraus, daß ihre Arbeitsleistung nach einer seit langem geübten, noch auf die Zeit vor Gründung der Gewerkschaft zurückgehenden Methode kontrolliert wurde. Die 28
Unmöglichkeit, ihre Beschwerden, die angesichts fehlender Mittel zu ihrer Behebung ständig zunahmen, abzustellen, führte zu einer Politik, „nur so viel für so viel" zu geben — und nicht mehr. Das war ihre Verteidigungstaktik, ihr Geheimnis. Es war wirklich ein Geheimnis, denn so unglaublich es auch klingen mag, keines der Leitungsorgane wußte davon. Die Betriebsleitung konnte aus ihren eigenen Produktionstabellen ersehen, mit welchem Produktionsvolumen sie rechnen konnte, und wenn sie mehr Öfen brauchte, stellte sie neue Arbeiter ein oder neue Maschinen auf. Selbstverständlich stieg dann die Produktion, erreichte jedoch keineswegs das Höchstmaß ihrer Möglichkeiten. Es ist nicht mehr länger angebracht zu erklären: „Ich führe mein Geschäft auf meine eigene Art." Niemand kann allein arbeiten. Um überhaupt arbeiten zu können, umgibt sich der Betriebsführer notwendigerweise mit Betriebsfunktionären. Jeder von diesen muß seinerseits wieder auf dem Wege über andere arbeiten bis hinunter zum letzten Neuangestellten im Betrieb. Je länger die Kette, desto gebieterischer erscheint ihre feste Bindung an die Betriebspolitik der Leitung. Damit beschäftigt sich letzten Endes die Wissenschaft der Betriebsführung, soweit es sich dabei um die menschliche Seite des Problems handelt. Viele Betriebsfunktionäre versuchen, dieser Forderung zu entsprechen. Die gebräuchlicheren Mittel sind: Dem Personal getrennte Aufgaben mit größerer Eigenverantwortlichkeit zu übertragen; neue Leistungssteigerungssysteme, Vorschlagskasten, Gruppenprämien und Schulungskurse für Vorarbeiter. Die letzteren sind jedoch vornehmlich eine theoretische Vorbereitung für künftige Aufseher, die in ihrer Eigenschaft als Funktionäre weiterhin den Typus des traditionellen „Übermittlers" auf dem „eingeleisigen" Verbindungsweg der Betriebsführung repräsentieren. Auf der anderen Seite stellt das GPK das praktischeste Mittel zur Herstellung eines neuen Verhältnisses dar. Es ist ein einfaches, fast lächerlich einfaches Hilfsmittel, alle mit dieser Umstellung Befaßten in Form zu bringen. Es bricht keine Brücke ab, aber es zerstreut allmählich Zweifel und Mißtrauen. Es löst verwickelte Verhältnisse. Und seine von unten nach oben gerichtete Verfahrensweise schafft jene reifen und vernünftigen Beziehungen, die unter Erwachsenen, die miteinander arbeiten, am natürlichsten sind. Nachstehend das Beispiel eines Betriebes, der vor einigen Jahren unter einer Vielzahl gleichartiger Betriebe an letzter 29
Stelle stand: Ein seit langem bestehendes Unternehmen für die Erzeugung von Stahlartikeln arbeitete seit 80 Jahren gegen eine starke Konkurrenz ohne gewerkschaftliche Organisation. Die technische Einrichtung der Fabrik entsprach ihrem Alter — ein Pferd diente zur Beförderung des Materials auf dem Betriebsgelände. Die alte Betriebsleitung war zusammengeschrumpft und die Aktien standen auf 2 0 % ihres früheren Wertes. Ein energischer, neuer Präsident wurde gewählt und als weitere Maßnahme zur Sanierung des Unternehmens verfügte der Vorstand eine 10%ige Kürzung der Stundenlöhne. Da der durchschnittliche Tageslohn bereits einen Dollar unter den normalen gewerkschaftlichen Lohnsätzen lag, weigerten sich die Arbeiter, die Kürzung anzuerkennen, und legten die Arbeit nieder — j e d o c h nicht ohne vorher jemanden zu bestellen, der für die Fütterung des Pferdes sorgen sollte. Angesichts der Verschuldung der Gesellschaft schlug einer der Autoren vor, zuerst einmal die Gewerkschaft anzuerkennen (die Arbeiter hatten sich spontan organisiert) und die Lohnkürzungen innerhalb von drei Monaten stufenweise rückgängig zu machen; sodann sollten, sobald die übrigen Mißstände beseitigt wären, Betriebsführung und Gewerkschaft ein G P K zur Erhöhung der Produktion gründen — als geeignetstes Mittel zur Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens. Nur mit Widerstreben nahmen beide Parteien den Vorschlag an. Im Laufe der folgenden Monate erkannte der neue Präsident jedoch, daß er sich keiner schlechten Idee verschrieben hatte. Mit Hilfe der Gewerkschaft stellte er das G P K auf, dessen geschäftsführender Vorsitzender er selbst wurde. Während der ersten Zusammenkünfte ließ er sich von den Arbeitern über die unproduktiven Arbeitsmethoden im Betriebe berichten und hörte ihre Vorschläge zu ihrer Behebung an. Er gab nicht nur Anweisung zur Durchführung dieser Vorschläge, sondern blieb weiter ständiger Vorsitzender des G P K . Angespornt durch das persönliche Interesse der Betriebsführung an ihrer Arbeit steigerten die Arbeiter die Produktion, bis eines schönen Tages eine Bekanntmachung angeschlagen wurde, worin es hieß, daß am Tage vorher die höchste Produktionsleistung seit Gründung des Werkes erreicht worden sei. Parallel mit der zunehmenden finanziellen Sanierung der Gesellschaft wurden die Löhne auf die üblichen Gewerkschaftssätze erhöht. Drei Jahre später, während die P r o -
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duktion noch immer im Steigen begriffen war, dankte der Betriebsinspektor, der der älteste Gegner des GPK war, öffentlich der Gewerkschaft für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit und erklärte, daß die Betriebsleitung unter keinen Umständen zu den alten Methoden zurückkehren werde. Unter Bezugnahme auf Kriegsproduktionskomitees erklärte Mr. Sam A. Lewisohn, der frühere Präsident der American Management Association in „Human Leadership in Industry" x ). „Wenn man ihre Tätigkeit einem eingehenderen Studium unterzieht, so stellt es sich heraus, daß einige (er hätte sagen können, die überwiegende Mehrzahl von ihnen) nur scheinbar Geltung oder Einfluß besaßen . . . Die bedeutungsvollste Beobachtung jedoch, die diejenigen gemacht haben, die eine größere Zahl von ihnen kennenlernten, ist die, daß jeder Fabrikant voraussichtlich damit rechnen kann, aus seinem . . . Komitee das herauszubekommen, was er an Interesse und Fähigkeit hineingesteckt hat. Kurz gesagt, diese Komitees hängen in weitem Ausmaß von der Initiative des Unternehmers ab." Nimmt die Betriebsführung an dem GPK ein aktives Interesse, dann wird seine Stellung so gestärkt, daß die Fabrik zu einer „Schule der Erfahrung" wird. Entgegen der fast tragisch anmutenden allgemeinen Erscheinung, daß jeder einzelne seine Gedanken oder seine Arbeitsweise bei sich behält und im geheimen hegt und pflegt, gelingt es dem GPK, die Befürchtungen, die die Ursache dieser Einstellung bilden, zu überwinden und diese Arbeitsweisen und Gedanken ans Licht des Tages zu bringen. Sie werden mit anderen Methoden verglichen, bewertet und für die Verwendung durch die ganze Organisation verfügbar gemacht. Auch in Fällen, wo keine so erstaunlichen Ergebnisse erzielt wurden, war die oberste Betriebsführung von den besonderen Einsparungen als Folge der Tätigkeit des GPK äußerst beeindruckt. Die Auswirkungen auf lange Sicht sind jedoch noch eindrucksvoller. Das GPK bildet Arbeiterund Leitungsorgane heran. Denn in einer so großen Zahl von Menschen befinden sich unauffällige Männer mit Eignung für eine leitende Stellung, die bisher unbeachtet geblieben sind. Dies wird auf dem Wege erreicht, daß man Anerkennung zollt, wem Anerkennung gebührt, zum Teile aber auch mittels l
) Harper & Brothers, S. 86 bis 87.
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anderer Methoden, die an gegebener Stelle beschrieben werden. Daraus resultieren produktive Gedanken, die durch Weckung des schöpferischen Geistes zu einer Kostensenkung pro Einheit führen. Während ein gewisser Wetteifer (meist von der negativen Sorte) in jedem Betrieb vorhanden ist, wird hier durch das GPK der so erwünschte „Wetteifer um die Bestleistung" geweckt. Der Arbeitseifer erfährt damit eine Steigerung, die bisher von den meisten Betriebsführungen für unmöglich gehalten wurde. Wie sich diese Idee auswirkt, geht aus einer Darstellung hervor, die Mr. Clinton S. Golden von den Vereinigten Stahlarbeitern Amerikas der Gesellschaft für fortschrittliche Betriebsführung vorgelegt hat. Darin heißt es: ...Der Präsident der Gesellschaft war ein Mann mit Ideen. Für ihn waren Probleme da, nicht um beiseite geschoben oder nicht beachtet, sondern um gelöst zu werden. Er sah in einer Organisation seiner Betriebsangehörigen etwas Wertvolles — ein Mittel, um ihr Interesse als Gesamtheit an dem Gedeihen des Unternehmens zu wecken... . . .Ein Produktionskomitee wurde in beiderseitigem Einvernehmen gebildet. Dieser Gruppe von Menschen eröffnete und erklärte er seine Probleme — die Probleme der Betriebsführung. Er machte Angaben über Produktion, Arbeitskosten, Konkurrenz, Qualität usw. Dinge, die früher einzig und allein als Angelegenheit der Betriebsführung behandelt wurden und daher in gewissem Sinne der Belegschaft geheimnisvoll erschienen, bildeten zum ersten Male . . . den Gegenstand von Erörterungen unter seinen Betriebsangehörigen und erweckten ihr Interesse. J e besser das Produktionskomitee mit den Anforderungen von Produktion, Qualität und Absatz vertraut wurde, desto mehr bediente man sich der Komiteemitglieder, die Mitteilungen darüber an ihre Arbeitskollegen weiterzugeben, um ihr Interesse und ihre Unterstützung bei der Lösung dieser Probleme zu gewinnen. Auf diese Weise begann sich ein stärkeres Verantwortungsgefühl unter der Belegschaft herauszubilden. Vernünftige Lösungen von Konkurrenzfragen wurden zu den Arbeitskosten, zu Qualität und Quantität in Beziehung gesetzt... Diese ihrerseits wieder zur Anzahl der Arbeitskräfte, zur Arbeitszeit, zu den Lohnsätzen und Nettoverdiensten... Je mehr die Angestellten über den Geschäftsbetri.b erfuhren, je größer und bedeutender die Rolle wurde, die ihnen einzeln oder als Gesamtheit bei Erfolg oder Mißerfolg zukam, desto höher stieg die Produktion. Binnen weniger Monate hatte die Produktionssteigerung ein derartiges Ausmaß erreicht, daß frühere Kostenberechnungen viel von ihrer ehemaligen Bedeutung zu verlieren begannen. Wenn, so überlegte der Präsident der Gesellschaft, eine Zusammenarbeit in so bescheidenem Ausmaß bereits eine so ansehnliche Erhöhung 32
der Produktion zur Folge hatte, welche Resultate wären erst dann zu erwarten, wenn gemeinsam mit der Gewerkschaft ein Plan für eine entsprechende Entschädigung der Arbeiter für ihren erhöhten Beitrag ausgearbeitet würde. An Stelle eines verwickelten Prämien-, Akkordarbeits- oder Leistungssteigerungsplanes wurde gemeinsam ein einfaches Gewinnverteilungssystem entwickelt. Zur Unterstützung wurden Produktionssachverständige, Revisoren und Statistiker der Internationalen Gewerkschaft herangezogen, wodurch nebenbei das Vertrauen der Arbeiter zur Gewerkschaft sowie auch in die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit der Betriebsleitung angesichts der Bereitwilligkeit der letzteren zur Inanspruchnahme dieser Hilfe gestärkt wurde. In diesem Konzern blieben die Preise... sowie a u c h . . . die Grundstundensätze seit 1942 stabil. Daher war es möglich, der Gewinnverteilung das Verhältnis zwischen Verkaufswert und Arbeitskosten zugrunde zu legen. Im Jahre 1942 war der Verkaufswert der Produktion 2,77mal höher als die Arbeitskosten, und diese Proportion wurde auf Grund einer gegenseitigen Vereinbarung zur Grundlage genommen. Für jede Verbesserung des Verhältnisses um 1% erhält der Arbeiter zusätzlich 1% seines monatlichen Grundgehaltes oder Lohnes.
Und die Ergebnisse? fährt darin Mr. Golden fort: Zwischen Jänner und Ende Oktober 1945 schwankte der den Arbeitern zukommende Gewinnanteil zwischen 6,5 und 76,8% ihrer Grundstundenlohnsätze bei einem Durchschnitt von 39% für die zehn Monate. Seitdem dieses System in Verwendung steht, wurden ganz unglaubliche Ergebnisse erzielt. Der Gewinn war um mehr als das Doppelte höher als in irgendeinem Jahre vorher, bei einer nur geringfügigen Steigerung der Stundenzahl pro Mann. Beschwerden gibt es fast keine. Die Arbeiter stehen der Betriebsführung ohne Furcht gegenüber... Die Betriebsführung sieht in der Gewerkschaft einen integrierenden Bestandteil des Unternehmens... und die Arbeiter betrachten sich einzeln und kollektiv als Teilhaber in einem gemeinsamen Unternehmen, und nicht als Diener eines Herrn. Sie alle sind an dem Erfolg und dem Fortbestand des Unternehmens persönlich interessiert. Die Furcht vor der Konkurrenz anderer Firmen ist geschwunden. Die Produktion ist gewaltig gestiegen und die Kosten pro Einheit sind proportional niedriger. Die Grundstundensätze gehören zu den höchsten in der Branche... trotz des Bestandes von 200 Konkurrenzfirmen. Die vorkommenden Fehlleistungen sind unbedeutend und die Qualität der Erzeugnisse ist hervorragend... 1 ).
Diese Äußerung eines Mannes, der große Erfahrung auf dem Gebiete der Zusammenarbeit zwischen Betriebsführung und Gewerkschaft besitzt, ist ein weiterer Beweis, welche The Society for the Advancement of Management, Dez. 1945; Advanced Management, März 1946. 3 Lerer
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aufgestaute K r a f t nur auf den Ruf und die Initiative der Betriebsführung wartet. Könnte das GPK sprechen, würde es zur Betriebsführung sagen: „Sie besitzen große menschliche Reserven, die Sie nur dann voll mobilisieren können, wenn Sie Ihre Organisation vervollständigen. Sie besitzen einen Stab von Leitungsorganen, Aufsehern und Arbeitern, von denen die meisten, wenn möglich, lieber mit Ihnen arbeiten. Seitdem die Arbeiter die Notwendigkeit einer Organisation ihrer eigenen Wahl entdeckt haben, haben Sie ihre Gewerkschaften anerkannt. Die Existenz der Gewerkschaft bedeutet nun aber keineswegs, daß die Arbeiter deswegen weniger gern mit Ihnen zusammenarbeiten. Die Gewerkschaft möchte in den meisten Fällen als Sprachrohr für jenes weitere Feld von Beziehungen fungieren, die die moderne Technik und die wirtschaftliche Notwendigkeit von den Betriebsführern sowie von den Arbeitern fordern." Was kostet das GPK ? Es kostet die Zeit einiger wichtiger Leitungsorgane und einiger Arbeiter, die auf Besprechungen verwendet wird. Um ein erfolgreiches Funktionieren zu sichern, muß die oberste Betriebsführung genügend Zeit aufwenden, um das Projekt zu verstehen und zu fördern. Die bereitwillige Mitarbeit der unteren Leitungsorgane muß gesichert werden. Es ist für die oberste Betriebsführung von Bedeutung, die Protokolle der GPK-Sitzungen zu studieren und über die Pläne und Probleme, die erzielten Leistungen und die Schwierigkeiten des GPK im Bilde zu bleiben. Ist das GPK einmal in voller Tätigkeit, dann bildet es das beste Verständigungsmittel zwischen der Betriebsführung und aller unter ihrer Leitung Arbeitenden. Ein führender Betriebsleiter hat dies folgendermaßen ausgedrückt: „Damit ist einfach gemeint, daß jeder einzelne sein Bestes tut, um eine größere Last zu ziehen; ist das der Fall, dann muß sich ein Erfolg einstellen, sofern alle in derselben Richtung ziehen. Es ist wie bei einem Zug, der in jedem Waggon einen Kraftmotor eingebaut h a t ! " GPK
und
Werkmeister
Finden die Werkmeister, daß das GPK sie in ihren täglichen Aufgaben unterstützt? Ja, wenngleich ihre Arbeit durch das GPK eine gewisse Änderung erfährt. Eine neue Einstellung muß erlernt und das traditionelle „Sag' ihnen nichts" aufgegeben werden. Gerade diese Unmitteilsamkeit und nicht die Aufgeschlossenheit der Zusammenarbeit ist 34
unnatürlich und widerlich. Und nur jene, die in dieser Einstellung unbelehrbar verharren, werden ihr Verschwinden bedauern. Der vorsichtige Werkmeister wird wissen wollen, ob diese ganze „Sache mit dem GPK" nur eine vorübergehende Erscheinung ist, die wie eine Seifenblase bald platzen wird, oder ob sie von Dauer sein wird. Zweifellos handelt es sich dabei um eine in Entwicklung begriffene, sich immer mehr verbreitende Bewegung, deren Technik sich auf Grund der gewonnenen Erfahrungen zwangsläufig verbessert und vervollkommnet. Das GPK ist das Ergebnis des jahrzehntelangen Wirkens freier öffentlicher Schulen, der wachsenden Zahl von Absolventen der „high school" und der technischgewerblichen Unterrichtsanstalten, immer größerer und besserer Bibliotheken, des Rundfunks und des Tonfilms und unserer Bestrebungen zur Erweiterung der Erwachsenen- und Arbeiterbildung. In ihm kommt das Ausreifen kollektiver Beziehungen zum Ausdruck, die solange andauern werden, als Menschen gezwungen sind, in größeren Gruppen miteinander zu arbeiten. Die Erfordernisse der modernen Industrie führen zwangsläufig zu seiner Entwicklung, und zwar nicht nur in unserem Lande, sondern auch überall dort, wo autoritäre Methoden sich überlebt haben. Einen Beweis dafür bildet der kürzlich erfolgte Beschluß der französischen Nationalversammlung, wonach in allen Betrieben mit einer Belegschaft von mehr als 50 Personen ein GPK eingerichtet werden soll. Demzufolge werden sich die Werkmeister eine derartige Technik der Menschenführung aneignen müssen! Der Werkmeister, der praktische Erfahrungen mit dem GPK gemacht hat, steht ihm anscheinend positiv gegenüber. Abgesehen vielleicht von der ersten Zeit, macht es ihm die Arbeit leichter und angenehmer. Er entdeckt bald darin für sich wertvolle Seiten. Sein Verhältnis zum Gewerkschaftsvertreter bessert sich. Früher war die Gewerkschaft des Betriebes nicht viel mehr als ein Beschwerdeausschuß — Männer mit langen Gesichtern. Vielleicht steckte dahinter auch Protektionswirtschaft, Ungerechtigkeit, ja selbst Überheblichkeit und mangelnde Sachkenntnis. Bei Bestehen eines GPK beginnen die Sprecher der Gewerkschaft, zur Abwechslung einmal Verständnis für seine Probleme zu zeigen, und versuchen, ihn bei der Senkung der Kosten, bei der Verbesserung der Qualität und bei der Einhaltung der Liefertermine zu unterstützen. 3«
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Bei dem ihn berührenden Problem der Betriebsdisziplin macht sich die Hilfe des GPK fast sofort bemerkbar. Jeder Werkmeister begrüßt jede ihm gewährte Unterstützung bei der Einhaltung der Betriebsvorschriften. Wenn er bereit ist, gelegentlich die einzelnen Bestimmungen mit seinem GPK-Mann zu besprechen und sie, wenn entsprechende Gründe dafür vorliegen, eventuell abzuändern, dann werden die Betriebsvorschriften besser beachtet und ihre Einhaltung von den Leuten selbst überwacht. Damit wird dem Werkmeister diese zeitraubende und unangenehme Aufgabe erleichtert oder überhaupt ganz abgenommen. Mit der Zeit beginnt das GPK den Werkmeister in wichtigeren Belangen zu unterstützen. Der Zusammenhang zwischen den Arbeitsvorgängen, die den seiner Leitung unterstellten vorangehen und folgen, werden allen Beteiligten erklärt und die Wichtigkeit ihrer Abstimmung aufeinander den Arbeitern dargelegt. Kostensätze und die Auswirkung der Arbeit jedes einzelnen auf diese Kostensätze werden den Männern vor Augen gehalten. Dasselbe gilt für die Qualitätsnormen. Ein Werkmeister, der eine Arbeitsmannschaft führt, die „weiß, worum es geht", bekommt bald einen neuen Geist der Hilfsbereitschaft zu spüren. Während er für die Arbeitsleistung und die erzielten Resultate seiner Abteilung verantwortlich bleibt, braucht er die Bürde nicht mehr allein zu tragen. Allen, außer jenen, die in den alten Gewohnheiten zu sehr verhaftet sind, ist die mechanistische Art der Überwachung der Arbeit widerlich. Die übliche Einstellung des „Mache keinen Handgriff mehr als du mußt" unter den Arbeitern ist die unvermeidliche und niederdrückende Folge davon. Die ganze Situation läuft dem natürlichen Gefühl des Werkmeisters als Produktionsleiter und gutem Kameraden zuwider. Er gefällt sich gar nicht in der Rolle der Vollkommenheit und Unfehlbarkeit. Er hat aber einfach nicht die Zeit, sich von jedem einzelnen Arbeiter anzuhören, was ihn bedrückt. In der Regel ist er gezwungen, sie „abzutun", um bei ihnen nicht die Erwartung aufkommen zu lassen, daß der Chef mit ihnen alles besprechen wird, was ihnen so einfällt. So sieht er sich genötigt, den Arbeiter kurz abzuweisen, und ist gezwungen, Höflichkeit als einen Luxus anzusehen, wofür ihm die Zeit mangelt. Besteht ein GPK, dann kann er menschlich und aufgeschlossen sein. Damit wird seine Rolle angenehmer und ihm geholfen, bei zunehmender Unterstützung durch die 36
Arbeiter leistungsfähiger zu arbeiten. Nur dem eingebildeten Kerl, der seine Arbeitskameraden ohne Sinn oder Zweck beherrschen will, werden durch das GPK-Verfahren die Zügel angelegt. Derartiges kommt manchmal im Betrieb oder in der Gewerkschaft vor. Aber der durchschnittliche Arbeiter ist aus besserem Stoff. Für den Werkmeister mit seiner eigenen, täglich erlebten Enttäuschung schafft das GPK eine natürliche und freundliche Atmosphäre im Betriebe und erreicht dies ohne Gefährdung seines Vorwärtskommens. Tatsächlich gehört die Zukunft jenen, die sich immer mehr mit der Kunst der Menschenführung vertraut machen. Damit verlieren die Werkmeister die Vorstellung, daß von Ihnen alle Gedankenarbeit erwartet wird. Sie erkennen, daß es zu ihren Aufgaben gehört, andere neben ihrer sonstigen Arbeit auch geistig arbeiten zu lassen. Gleich einem Elektriker, der Rotor, Lamellen, Bürsten und Kupferdraht verwendet, um die Kraft der Natur zu entwickeln und nutzbar zu machen, so vervollkommnet er sich in der Kunst immer mehr, die Denkkraft und die Begeisterung nutzbar zu machen, die in den Arbeitern seiner Abteilung brach liegen. GPK
und Arbeiter
Ein Kriegsteilnehmer, der im ersten Weltkrieg einen Arm verloren hatte, eröffnete eine Garage, in der er Reparaturen für die Farmer der Umgebung durchführte. Einmal beobachtete ihn ein interessierter Farmer, wie er an der Drehbank mit verschiedenen Werkzeugen arbeitete. „Ich kann nicht verstehen, wie du das alles mit einer Hand leisten kannst, J i m " , bemerkte der Farmer. „Es ist sehr einfach", antwortete der Einarmige, „ich gebrauche meinen Verstand." Im Hinblick auf die Art und Weise, wie in der Industrie derzeit und schon seit längerem gearbeitet wird, wissen die Arbeiter, daß sie sich in derselben Lage befinden, wie der einarmige Kriegsteilnehmer, nur mit dem Unterschied, daß sie irgendwie daran gehindert werden, ihren Verstand zu gebrauchen. Fast jeder Arbeiter weiß etwas von Vergeudung und von den Hindernissen zur Erreichung voller Produktivität und guter Werkmannsarbeit. Die Arbeiter wissen auch, daß die „Politik im Betriebe" oft ihre besten Anstrengungen nachteilig beeinflußt und behindert. Sie schadet nicht nur der Produktion, sondern hindert auch den Arbeiter daran, in seiner Arbeit, für die er so viel von seiner Zeit aufwendet, Befriedigung zu finden. 37
Der Arbeiter weiß, daß es eine andere und bessere Möglichkeit geben muß, miteinander auszukommen, die feindselige Einstellung zueinander zu vermeiden und überhaupt eine bessere Atmosphäre zu schaffen. E r erinnert sich auch daran, daß er bzw. andere verschiedentlich versucht haben, manche schlimme Situation zu bereinigen, doch konnte man nicht zu den „Höheren" gelangen, die in der Betriebspolitik das entscheidende Wort zu sprechen haben. So ist der Arbeiter viel zu entmutigt, um hinsichtlich denkbarer Verbesserungen etwas zu sagen. E r will sich nicht „den Mund verbrennen" und das „Was scher' ich mich darum" wird zur allgemeinen Auffassung, die bald alle Arbeiter teilen. So lagen die Dinge die meiste Zeit. Solange aber die Arbeiter selbst ihre wahre Stellung als bezahlte Kräfte der Industrie nicht besser erkannten, konnte nicht viel getan werden. Doch auch die Betriebsführung vermochte die geistigen Fähigkeiten des Arbeiters nicht voll zum Einsatz zu bringen, solange sie das Problem ihres Verhältnisses zu den Arbeitern seiner Natur nach nicht besser verstand. Erst seitdem alle — Betriebsführung, Gewerkschaft und Arbeiter — entdeckt haben, daß in der Kette noch ein Glied fehlt, worin die wahre Ursache für ihre Unfähigkeit zusammenzuarbeiten, liegt, ist es möglich geworden, die Kette im Interesse einer besseren Gemeinschaftsarbeit zu schließen. Die Anerkennung der Gewerkschaft stellt bei aller Wichtigkeit für den Arbeiter nur einen Teil der Lösung dar. Was auf lange Sicht am meisten ins Gewicht fällt, ist ein Verhältnis, das die schöpferische Zufriedenheit des Arbeiters mit seinem Arbeitsmilieu ermöglicht. Mangelnde Befriedigung an der Arbeit ist nachgewiesenermaßen eine der wahren Ursachen für seine Nöte, die auf Grund der „bloßen Tatsachen" vielfach schwer zu definieren sind. Nichtsdestoweniger bestimmen und verbittern diese seine Einstellung und sein Verhalten gegenüber sich wiederholenden, ihn verstimmenden Vorkommnissen und Zuständen, die vielleicht an sich unbedeutend sein mögen, aber durch ein allgemein unbefriedigendes Arbeitsmilieu und das ständige Gefühl der Unsicherheit stark vergrößert werden. Personen, die berufsmäßig auf dem Gebiet der Arbeitsverhältnisse und Beziehungen tätig sind, finden bei ihren Nachforschungen nach dem, „was denn den Arbeiter beschäftigt", diese Enttäuschung schwer verständlich; sie wird einem jedoch in den vielen Jahren unweigerlich anerzogen, während deren man sich seinen Lebensunterhalt unter solchen Verhältnissen ver38
dienen muß. Die Mehrzahl der Arbeiter kennt sie und alle wissen, daß sie vorhanden ist. Das Mittel, das diese Lücke schließt, ist das GPK, denn das GPK ermöglicht es dem Arbeiter, sich an der Lösung von Problemen zu beteiligen, die seine tägliche Arbeit und seine Beziehungen zu allen denen, die mit ihm arbeiten, betreffen. Es legt den Weg frei, mit den leitenden Organen in engeren Kontakt zu kommen und die Gründe für ihre Politik, mag sie nun gut oder schlecht sein, kennenzulernen. Damit wird es dem Arbeiter leichter gemacht, zu verstehen, was vorgeht, und seine Beziehungen zu den Werkmeistern und zu allen anderen richtig einzuschätzen. Steht ihm das GPK als Verbindungsweg zur Betriebsführung zur Verfügung, so kann er seine Ansichten dorthin übermitteln und ohne Schaden für sich und seine Arbeitskameraden an der Lösung mitarbeiten. Nun eröffnen sich ihm neue Wege zu nutzbringender Tätigkeit und Befriedigung in der Arbeit. Jetzt kann er wirklich seinen Verstand sowie seine zwei Hände gebrauchen und eine gewisse Anerkennung dafür finden. Man erwartet nicht nur von ihm, daß er an der Verbesserung seiner Arbeit und des Arbeitsmilieus mitarbeitet, sondern versetzt ihn dazu auch in die Lage. So beginnt er seinen Stolz darein zu legen, bestimmten Vorschriften zu entsprechen, die dazu dienen, die einzelnen Teilvorgänge im Arbeitsprozeß besser aufeinander abzustimmen. Das GPK bringt die Individualität des Arbeiters mit der Anstrengung der ganzen Gruppe in Einklang, zeigt seinen wahren Wert auf und verschafft ihm jene Anerkennung, die es ihm ermöglicht, auf der Höhe der Leistungen des gesamten Teams zu bleiben. Er ist nicht länger mehr bloß eine Ziffer auf der Uhr und hat damit, daß er endlich als „jemand" anerkannt wird, die Wertschätzung gefunden, nach der er sich sehnt. Der sich ihm eröffnenden erweiterten Möglichkeiten bewußt und nicht mehr gezwungen, seine Arbeit als bloße Last anzusehen, findet er jetzt an ihr neues Interesse. Warum sollte denn unser Leben in der Fabrik nicht so interessant gestaltet werden, daß der einfache Mann an seiner Arbeit Freude findet? Nachdem er so einigermaßen seine innere Ruhe gefunden hat, verbraucht er weniger Energie und kehrt weniger abgespannt heim; mit erhobenem Kopf, wie es sich für einen selbstbewußten Angehörigen des Produktionsteams geziemt. „Das ist alles schön und gut", erklärt der Skeptiker. „Ihr redet, wie wenn alle Unternehmer ihre Einstellung 39
geändert hätten. Aber unserer Erfahrung nach ist dies nicht geschehen. Wir sitzen noch immer in demselben Käfig. Wo sind denn diese Arbeitgeber, von denen ihr redet? Wir sind ihnen noch nie begegnet!" Nicht alle Unternehmer haben sich diese höhere Auffassung von dem Verhältnis zwischen Betriebsführung und Arbeiter zu eigen gemacht. Immerhin gibt es einige davon und sie gehören zu den Vorkämpfern und Wegbereitern einer Zusammenarbeit zwischen Betriebsführung und Gewerkschaft. Aus solchen (leider allzuwenigen) Betrieben sind die im vorliegenden Werk angeführten Beispiele genommen. Es sind Fälle, in denen die Zusammenarbeit funktioniert hat, weil Betriebsführung, Gewerkschaft und Arbeiterschaft ihr Funktionieren wollten. Wie kann man die Betriebsführung davon überzeugen? Indem die Arbeiter ihre Mitarbeit anbieten! Wo die Betriebsführung mit den Verhältnissen zufrieden ist, wie sie sind, wird es angebracht sein, eine gemeinsame Untersuchung bestimmter Fälle zu verlangen. Aus verschiedenen Gründen kann die Produktion hoch erscheinen. Viele wahren Werte, die zu erhöhter Produktion führen, bleiben oft im Dunkel und verborgen, so daß weder die leitenden Organe noch auch die Arbeiter allein sie ganz erkennen. Eine Mannschaft kann sie leichter „aufspüren" oder erforschen. Es sei hier der Fall eines italienischen Gießers in einer Stahlgießerei angeführt, der weder lesen noch schreiben konnte. Trotzdem wußte er, wie sich das Mißlingen größerer Stahlgüsse vermeiden ließe, wenn auch niemand von seiner Fähigkeit etwas ahnte. Niemand, d. h. solange nicht, bis das GPK gegründet wurde und ihn zum Reden ermunterte. Dann wurde seine Tochter, die die Untermittelschule besuchte, herbeigeholt, damit sie alles, und zwar in englischer Sprache, zu Papier bringe. So verbesserte seine Idee einen bestimmten Arbeitsgang und ersparte Tausende von Dollar. In demselben Betriebe ersparte ein anderer Arbeiter bei einem Walzwerkprodukt dem Unternehmen an die 70.000 Dollar, nachdem die Betriebsführung Unsummen für technische Fachberatung ausgegeben hatte. In den Akten der Gewerkschaft der Vereinigten Stahlarbeiter Amerikas sowie vieler anderer Gewerkschaften finden sich zahlreiche Fälle verzeichnet, in denen Arbeiter der obersten Betriebsführung und den Ingenieuren den Weg gezeigt haben, wie Tausende von Arbeitsstunden erspart werden können. Diese Aufzeichnungen erfassen jedoch nur 40
einen Bruchteil der Stahlwerke, Gießereien, Automobilfabriken, Maschinenfabriken, der Chemischen Werke und anderer Betriebe Amerikas. Nun sind die Gewerkschaftler, die an der Spitze dieser Bewegung stehen, selbst Arbeiter, die, nachdem sie derartige Fähigkeiten in ihrem eigenen Betrieb an den Tag gelegt haben, von der Gewerkschaft dazu herangezogen werden, Betriebsführung und Arbeiterschaft in anderen Betrieben dabei zu helfen, ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Weder Arbeiter noch Betriebsführer sind imstande, das alles zu erreichen — wenn jeder von ihnen allein arbeitet. Nur wenn sie ihr Denken in gemeinsamer Anstrengung vereinen, beginnen sie Erfolge zu erzielen. Um eine solche Aufgabe durchführen zu können, muß man Zielstrebigkeit, Urteilskraft, gesunden Menschenverstand und Takt besitzen. Es gibt wohl kaum eine Fabrik in Amerika, wo nicht vieles gebessert werden könnte. Sobald die Betriebsführung sich einmal dieses noch ungenutzten Kraftstromes bewußt wird — der nie vorher in Erscheinung trat, weil ihre sonstigen Methoden hier sämtlich versagten — , dürfte sie eher bereit sein, der Aufstellung eines G P K zuzustimmen. Und dann werden Betriebsführung und Gewerkschaft viel lernen. Bis einmal Betriebsführung und Gewerkschaft so weit sind, werden andere Unternehmungen, wo schon früher damit begonnen wurde, wertvolle Erfahrungen gesammelt haben, von denen oft recht gut Gebrauch gemacht werden kann. Wichtig ist, daß einmal der Anfang gemacht wird. Hier ein einfaches Beispiel: Es gibt wohl wenige über 30 Jahre alte Arbeiter, die mit den Füßen keine Beschwerden haben. Daraus ergeben sich körperliche Schmerzen, Nervosität, Zeitverlust und verminderte Leistungsfähigkeit. Die Ursache dafür liegt zum Großteil in der standardisierten Fußbekleidung, die sich nach der Größe und nicht nach der Form richtet. Die Folge davon ist, daß „Sicherheitsschuhe", die in gefährdeten Berufen notwendig sind, manchen Arbeitern buchstäblich die Gesundheit ruinieren. Andere, in Serienfabrikation erzeugte Schuhe verursachen dieselben Leiden und Minderungen von Arbeitskraft und Leistung, besonders dort, wo Männer und Frauen den ganzen Tag auf den Füßen sind. Die Ärzte wissen davon; doch ist bisher wenig geschehen. Da es Spezialisten auf diesem Gebiet gibt, kann das G P K von Zeit zu Zeit die Füße der Arbeiter von einem angesehenen Arzt untersuchen und von einem guten Schuhmacher Schuhwerk nach Maß herstellen lassen. Die Arbeiter brauchen eine solche Hilfe und diese wird ihnen am besten durch das G P K . zuteil. 41
GPK
und
Gewerkschaft
Der rasche Aufstieg der Arbeiterklasse in den letzten Jahren stellt diese vor neue Aufgaben. Vielleicht könnte eine neuerliche Darlegung der kollektiven Verhandlungsweise im Lichte der Bedeutung der Arbeiterklasse für die Gesamtwirtschaft dazu beitragen, ihr unverändertes Vermögen, die Interessen aller Lohnverdiener auf lange Sicht zu fördern, dartun. Am meisten umstritten ist die periodisch wiederkehrende Forderung nach höheren Löhnen, ein an und für sich ganz natürlicher Vorgang, da doch jeder einen höheren Lebensstandard anstrebt. Die meisten Gesellschaften sind jedoch weder groß genug noch verdienen sie genügend, um bloß auf Verlangen höhere Löhne zu bezahlen. Und da die meisten Unternehmungen gegen starke Konkurrenz verkaufen, woher sollen da die höheren Löhne kommen? Durch erhöhte Produktivität können höhere Löhne und Vollbeschäftigung für den Arbeiter als Produktionsträger erreicht werden, wozu noch die niedrigeren Preise kommen, die seine Stellung als Verbraucher stärken. Diese höheren Löhne können zum Teil aber auch aus größeren Einsparungen in dem bisher noch immer äußerst unökonomischen Verteilungsprozeß herrühren. Unter Konkurrenzverhältnissen erreicht die durchschnittliche Firma am ehesten durch Preissenkungen oder durch Qualitätsverbesserungen bzw. durch beide eine Erhöhung des Verkaufsvolumens. Niedrigere Preise bedeuten Ermäßigung der Einheitskosten bei jedem Erzeugnis, ein „Abzwicken da und dort", um einmal einen Cent, ein andermal einen halben Cent zu ersparen. Die Gesamtsumme aller dieser Einspasparungen steigt schließlich bis zu dem Punkt, wo eine Erhöhung des Absatzes möglich wird. Um das zu erreichen, bedarf es der wirksamen Mitarbeit der Arbeiter. Dasselbe gilt für eine Verbesserung der Qualität.^'Die Techniker können wohl bei der Konstruktion eine Verbesserung der Qualität vornehmen, doch hängt diese ebenso von einer erhöhten Anteilnahme des Arbeiters an seiner Arbeit ab, die ihrerseits ohne größere Beteiligung desselben am Produktionsprozeß nicht erreicht werden kann. Ohne diese Beteiligung sind daher die Möglichkeiten für Lohnerhöhungen recht begrenzt. Kritisch wird die Lage, wenn die Arbeiterschaft in einem Kartellmarkt verhandeln muß. Dort, wo die Erzeuger den Markt ausreichend kontrollieren, um die Verkaufspreise 42
zu diktieren (25% oder sogar noch weniger genügen, um eine solche Kontrolle möglich zu machen), können sie, ohne Rücksicht auf die wahren Produktionskosten oder die Qualität die Preise festsetzen. Werden dann Forderungen gestellt, dann erhöht das Kartell entweder die Preise oder droht mit einer Erhöhung durch eine Aufklärungskampagne der Unternehmerverbände sowie durch freie Reklame im großen Stil im Nachrichtenteil und in den Leitartikeln der Presse sowie im Radio. Die öffentliche Meinung wird auf diese Weise ohne Kenntnis der wahren Hintergründe gegen die Lohnerhöhung mobilisiert. Die stärkere Stellung des Kartells bei Verhandlungen sichert dem Unternehmer größere Handlungsfreiheit. Er kann sich ohne Rücksicht auf den Geschäftsgang des Unternehmens weigern, höhere Löhne zu bewilligen oder die Belastung auf die Verbraucher überwälzen, unter denen die Arbeiter eine so bedeutende Gruppe bilden1). Die Arbeiterschaft muß erkennen, daß ein Kartell Nettoerhöhungen der Reallöhne trotz Kollektivverhandlungen verhindern kann. Sie muß andere Mittel finden, um die Stellung kleinerer Unternehmungen im Konkurrenzkampf zu stärken. Andernfalls findet sich die Arbeiterschaft in einer sich ständig rascher bewegenden Spirale von Preis- und Lohnerhöhungen. Was wird dann aus dem höheren Lebensstandard und aus dem Vermögen der organisierten Arbeiterschaft, für den Arbeiter zu sorgen? Ferner sind manche kleinere Unternehmen heutzutage bloße Unterlieferanten und kaum in der Lage, die eigene Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Wenn dieselben periodischen Lohnforderungen ihnen gegenüber erhoben werden, ohne daß ihnen durch eine Zusammenarbeit von Gewerkschaft und Betriebsführung Unterstützung zuteil wird, können sich ihre unverhältnismäßig höheren Lohnkosten und ihre geringere Produktivität auf ihre Entwicklung im Vergleich zu den großen Gesellschaften hemmend auswirken. Damit kann sich die Arbeiterschaft in einem Circulus viciosus fangen, wo mit dem Nachlassen der Geschäfte nicht nur die Löhne sinken, sondern auch weniger Arbeitsstellen *) Dieser Zustand läßt anscheinend den Verbrauchern keine andere Wahl als sich ebenfalls — und zwar in ihrer Eigenschaft als Verbraucher — zu kollektiver Vertretung zusammenzuschließen. Somit dürfte es höchstwahrscheinlich bald zu einer allgemeinen, über das ganze Staatsgebiet verbreiteten Organisation der Verbraucher zur kollektiven Vertretung ihrer Interessen kommen.
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verfügbar werden. Es ist schön und gut, für „die freie Wirtschaft" einzutreten. Es ist aber etwas ganz anderes, die Politik der Arbeiterschaft so zu gestalten, daß sich die Arbeiter von sich aus mit einer fortschrittlichen Betriebsführung verbinden, um Höchstproduktion und einen Höchstverbrauch an landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnissen herbeizuführen. Auch wird sich ein Jahreslohn, den die Arbeiter im Hinblick auf die Unsicherheit ihrer Beschäftigung zu verlangen gezwungen sind, durch veraltete Methoden kollektiver Regelung nicht verwirklichen lassen. Denn die kleineren und vielleicht auch manche größere Gesellschaften sind (ohne staatliche Hilfe) nicht in der Lage, in einem größeren Ausmaß jährliche Löhne zu bezahlen, wenn nicht eine engere Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung eine größere Stabilität sichern hilft. Wenn die organisierte Arbeiterschaft für einen höheren Lebensstandard und für eine größere Sicherheit der Arbeiter eintritt, dann muß sie sich notgedrungenermaßen auch für einen höheren Lebensstandard unseres ganzen Volkes einsetzen, denn die Arbeiter können kein von allen anderen abgesondertes Leben führen. Wenn wir also mehr haben wollen, müssen wir uns mit den fortschrittlichen Betriebsleitungen in eine Linie stellen, um mehr zu produzieren. In dieser Hinsicht kann das GPK viel ersprießliche Arbeit leisten, vorausgesetzt, daß bei Arbeiterschaft und Betriebsführung der Wille vorhanden ist, gemeinsam einen neuen Weg zu gehen. Das GPK setzt den Arbeiter und seine Gewerkschaft in ein neues Verhältnis zur Betriebsführung. Anstatt die Betriebsführung ständig glauben zu lassen, daß die Arbeiter einzig und allein an höheren Löhnen, aber wenig Verantwortung interessiert sind, können nunmehr die Arbeiter freimütig zugeben, daß sie selbstverständlich an höheren Löhnen interessiert sind — genau so wie die Betriebsleiter an höheren Gehältern. Sie können aber auch für ihr Interesse, ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit Zeugnis ablegen, mit der Betriebsführung zur Erzielung höherer Produktion, verbesserter Qualität und niedrigerer Stückkosten zusammenzuarbeiten. Mit anderen Worten, die Arbeiter können jetzt zur Betriebsführung sagen: „Es ist nicht mehr länger so, daß wir hier einfach arbeiten und ständig mehr Lohn fordern. Durch das GPK haben wir von vielen Dingen gehört, die Ihnen bei der Führung des Unternehmens Sorgen bereiten. 44
Wir haben die Möglichkeiten zu erhöhter Produktion und damit zu einer Vergrößerung des Unternehmens zu sehen begonnen. So stellen wir nicht länger mehr bloß Lohnforderungen, d. h. daß Sie etwas für uns t u n sollen. Da wir unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Ihnen bewiesen haben, möchten wir, daß auch Sie mit uns zusammenarbeiten. Denn wir brauchen einen höheren Lohn, wie Sie wohl verstehen." Diese neue Einstellung dem Unternehmer gegenüber ändert natürlich den Schwerpunkt der kollektiven Regelung. Sie stellt letztere auf eine viel höhere und praktischere Wertskala um und ermöglicht weitere Fortschritte in bezug auf den Lebensstandard des Arbeiters, auf die Stellung der Gewerkschaft zum Arbeiter sowie beider zur Betriebsführung. Das GPK macht aber noch mehr. Wie erfahrenen Arbeiterführern schon lange bekannt ist, haben Akkordarbeit, Prämien, Bedauxsysteme und ähnliche Mittel zur Leistungssteigerung lange Zeit die Industrie zu einem Hexenkessel gemacht. Diese Mittel kann man als Eingeständnis der Unfähigkeit der Betriebsführung ansehen, die uneingeschränkte Mitarbeit der Arbeiter zu gewinnen, wofür ein Mittel nach dem andern ausprobiert wird. Von den Arbeitern selbst sind jedoch nur wenige mit Realismus an diese Frage herangegangen. Und die Gewerkschaften selbst spiegeln in vielen Fällen nur die negative Einstellung des Arbeiters wieder: indem sie betonen, was der Arbeiter nicht will, jedoch nicht, was er will. Weder Betriebsführung, Techniker, Gewerkschaften, noch auch die Arbeiter fanden eine Antwort, bis sie endlich Mittel entdeckten, die Verantwortung von Betriebsführung und Gewerkschaft zu erweitern. Indem das GPK dem Arbeiter die wirkliche Beteiligung an den mit seiner Arbeit zusammenhängenden Fragen sichert, zeigt es die Möglichkeiten für eine länger dauernde Beschäftigung, für einen höheren Verdienst und damit für eine größere Sicherheit auf, wonach der Arbeiter strebt. Es verlagert den Schwerpunkt bei den Mitteln zur Leistungssteigerung vollständig. Weg von der alten Tretmühle des „einen Pfennig für dies, einen Pfennig für das, jetzt bekomme ich ihn, jetzt bekomme ich ihn nicht" zu dem stärksten Ansporn, den es gibt — nämlich zur Arbeit für die Sicherung seiner Zukunft auf einer dem Arbeiter verständlichen Grundlage. Ein Beispiel: Eine kleine Kochherdfabrik in den Oststaaten, die 600 Arbeiter beschäftigte, war viele Jahre lang 45
in derselben Branche tätig gewesen. Bis vor wenigen Jahren war sie „antigewerkschaftlich". Dann organisierten sich die Arbeiter und ihre Gewerkschaft wurde anerkannt, hauptsächlich deshalb, weil der Verkaufsleiter, der der neue Präsident der Gesellschaft wurde, die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung erkannte. Die Bezirksleitung der „International Association of Machinists" als einer Pioniergewerkschaft auf diesem Gebiet erkannte sie gleichfalls. Nachdem er die Gewerkschaft bestätigt hatte, wurde der neue Präsident der Gesellschaft eingeladen, bei einer Gewerkschaftssitzung zu den Arbeitern zu sprechen. Bei diesem Anlaß erzählte er ihnen von seinen Ausbauplänen. Er war der Ansicht, daß diese trotz Überalterung des Maschinenparkes durch eine radikale Senkung der Stückkosten durchgeführt werden könnten. Dies erfordere die Mithilfe der Arbeiter selbst dort, wo Änderungen in den Arbeitsmethoden notwendig seien. Auf diese Weise glaube er, überall mitkonkurrieren zu können. Die Vereinbarung wurde abgeschlossen und Betriebsführung sowohl wie Gewerkschaft hielten sich daran. In einigen Monaten verkaufte die Gesellschaft Zehntausende von Kochherden für neue Wohnbauprojekte, die damals in England durchgeführt wurden. Trotz der hohen Überseefracht setzte die Fabrik diese Herde zu Konkurrenzpreisen in England ab, einem Lande, wo diese erstmalig erzeugt wurden. Das hieß wirklich „Kohlen nach Newcastle tragen". Schritt für Schritt stiegen auch die Löhne, bis sie ein Niveau erreichten, wo sie beträchtlich über den laufenden Lohnsätzen des Gebietes, ja selbst über denen eines ähnlichen, derselben Gesellschaft gehörigen Betriebes im mittleren Westen lagen. Die Arbeiter erreichten eine viel sicherere Beschäftigung, die Gesellschaft kam finanziell auf die Beine und ihr Präsident wurde bald der führende Industrielle des Gebietes. Ohne das GPK wäre ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen, besonders nicht zur Zeit einer Depression — wie die anfangs der zwanziger Jahre —, wo die Betriebsleitung mit 50% der normalen Kapazität hätte arbeiten müssen. So aber gewannen Betriebsführung und Arbeiterschaft außerordentlich viel und der Verbraucher zahlte bedeutend weniger für das Erzeugnis. Mr. Marion H. Hedges, der so viel getan hat, um das gesunde Verhältnis herbeizuführen, das zwischen Betriebs46
führung und Arbeiterschaft bei der TVA1) (dem größten Bauvorhaben der Regierung mit Tausenden von Arbeitern in sieben Staaten) herrscht, erklärt mit Nachdruck: „Das GPK ist die größte Entdeckung des 20. Jahrhunderts in den Beziehungen zwischen Arbeiterschaft und Betriebsführung. Ohne dieses schleppen wir uns nur mühsam weiter; mit ihm werden viele Dinge möglich." *) Tennessee Valley Authority.
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III.
Organisation
KAPITEL
und Führung
Ideenreiche
des
GPK
Planung
Alle Möglichkeiten einer voll ausgelasteten Produktion werden solange nicht ausgeschöpft, als es Betriebsführung, Werkmeistern und Arbeitern an Vertrauen zueinander mangelt. Die mit dem GPK gemachten Erfahrungen zeigen, daß eine Gewerkschaft für den Ausbau eines durchorganisierten Produktionsteams notwendig ist, in dem Arbeiter und Werkmeister die Möglichkeit haben, ihre Aufgabe ganz zu erfüllen. Manche Betriebsleitungen fürchten jedoch noch immer die Gewerkschaften. Dort, wo dies der Fall ist, machen sich ihre Befürchtungen rasch auf der ganzen Linie bis hinunter zu den Werkmeistern und Arbeitern fühlbar. Das ist ganz natürlich, da die Betriebsführung die Fabrik leitet. Ihre führende Stellung verpflichtet die Betriebsleitung in erster Linie dazu, Mittel und Wege zur Förderung der Zusammenarbeit zu finden. Der Beweis, daß die Aufgabe gelöst werden kann, erfordert Phantasie und Initiative. Der erste Schritt, den die oberste Betriebsführung mit all ihrer Autorität und ihrem Einfluß tun muß, ist daher die aktive Unterstützung des gemeinsamen Produktionskomitees — wenn nicht eine aktive Beteiligung daran. Das Aufspüren
begabter
Mitarbeiter
Die zweite Aufgabe fällt in den Bereich der Arbeiterführung. Gleich den Betriebsleitern sind die Arbeiterführer in der Regel vorzügliche Redner; sie verstehen sich gut mit den Arbeitern und arbeiten und schließen sich meist mit anderen zusammen, die gleich ihnen die Gabe besitzen, ihren Gedanken und ihren Ideen Ausdruck zu verleihen. Wenn daher der Augenblick kommt, wo ein gemeinsames Produktionskomitee (dem eine Funktion zukommt, die von jeder früheren gewerkschaftlichen Tätigkeit verschieden ist) 48
aufgestellt werden soll, neigen sie dazu, Arbeitervertreter zu empfehlen oder auszuwählen, die — nach Temperament bzw. ihren sonstigen Eigenschaften — keineswegs am besten für diese Aufgabe geeignet sind. Die Fähigkeit, sich ausdrücken zu können, ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit besonderer Eignung für die Arbeit im GPK. Um sicher zu gehen, daß das GPK in dem ihm gesteckten Rahmen bleibt, sollte wohl jemand herangezogen werden, der Erfahrung auf dem Gebiet der Kollektivverhandlungen besitzt. Die Fundgrube der menschlichen Begabungen auf diesem Gebiet bildet jedoch die große Masse der Arbeiter im Betrieb, deren besondere Fähigkeiten oft von den Arbeiterführern ebenso übersehen werden wie von der Betriebsführung. Es ist daher häufig notwendig und zweckmäßig, die ganze Belegschaft nach jenen Personen „durchzukämmen", die für eine solche Komiteetätigkeit geeignet sind. Bei einigem Bemühen werden sich fast immer Arbeiter finden lassen, deren Fähigkeiten den anderen Arbeitern bekannt sind, die aber sowohl von der Arbeiter- wie von der Betriebsführung nur deshalb unbeachtet geblieben sind, weil sie nicht zu jenem Menschenschlag gehören, der sich Gehör zu verschaffen versteht. Es sind dies in der Regel die ruhigeren Arbeiter, die oft verschiedene Fähigkeiten und Anlagen (häufig auch Geschicklichkeit im Unterrichten) besitzen und deren Redlichkeit Achtung gebietet. Das sind die Leute, die man zur Arbeit in den Produktionskomitees heranziehen soll. Wie kann man sie aber ausfindig machen ? Abgesehen von Diskussionen in Versammlungen, wo derartige Eigenschaften an den Tag gebracht werden, ist es manchmal zweckmäßig, Flugblätter zirkulieren zu lassen, in denen einfach und genau angegeben wird, warum und wozu ein GPK gegründet und wann es zu arbeiten beginnen soll. (Auch Anschlagtafeln können von Wert sein, doch sind sie in der Regel schon ein zu abgebrauchtes Mittel; ein mehr persönlicher Appell drückt den Geist, der das GPK beseelt, besser aus.) Irgendwo im Betrieb werden die wirklich interessierten Arbeiter zu der Erkenntnis kommen, daß dieser Appell an sie gerichtet ist. Und wenn sie der Überzeugung sind, daß der Appell aufrichtig gemeint ist, dann werden diese Arbeiter um so bereitwilliger darauf reagieren und bessere Leistungen und größere Ausdauer in der Komiteearbeit an den Tag legen als diejenigen, die weniger sorgsam ausgewählt wurden1). l
) Beispiele hiefür sind in den Anhängen zu finden. 4 Lever
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Auswahl
der
Arbeitervertreter
Da eine Tätigkeit im GPK besondere Fähigkeiten erfordert, ist eine direkte Auswahl der Arbeitermitglieder einigermaßen riskant. Für den Anfang ist es vielleicht besser, wenn das Exekutivkomitee der Gewerkschaft die Kandidaten für das GPK auswählt und ihre Bestellung von der endgültigen Zustimmung durch die Mitglieder abhängig macht, nachdem die für die Arbeit erforderlichen Fähigkeiten dargelegt worden sind. Die für die Einführung des GPK Verantwortlichen werden sich zweifelsohne die Unterstützung der Gewerkschaft sichern wollen. Denn Gewerkschaftsfunktionäre können von großem Nutzen sein, da sie die Arbeiter verstehen und die Arbeiter der Gewerkschaft vertrauen. Diese Funktionäre sind die geeigneten Personen, das GPK den lokalen Gewerkschaftsfunktionären und Betriebsräten zu erklären und ihnen zu versichern, daß es auf einem Gebiet arbeitet, das in keiner Weise ihren Aufgabenkreis berührt. Es ist daher wichtig, die lokalen Gewerkschaftsfunktionäre und die Betriebsräte zu einer oder mehreren Besprechungen untereinander zusammenkommen zu lassen. Dort können Ziel und Zweck des GPK mit ihnen geklärt und jede Kompetenzüberschreitung von vornherein ausgeschaltet werden. Wird dies von der lokalen Gewerkschaftsleitung verstanden, dann kann damit viel Zeit in Gewerkschaftsversammlungen erspart werden, wenn der Plan des GPK der Vollversammlung zur endgültigen Annahme vorgelegt wird. Ein derartiges Vorgehen schließt von vornherein die Kritik aus, daß das GPK jemandem „aufgezwungen" wird. Die Gewinnung
der
Werkmeister
Anders liegen die Dinge dann, wenn es sich darum handelt, die Unterstützung der Werkmeister zu gewinnen. Einerseits ist ihre Zahl kleiner, andrerseits sind sie in der Regel vorsichtiger und in ihrer Denkungsart konservativer. Dementsprechend sind ihnen gegenüber viel stärkere Zusicherungen hinsichtlich des GPK notwendig als bei den Arbeitern. Diese Zusicherungen können sie nur von der obersten Betriebsführung bekommen, die ihnen reichlich Gelegenheit geben sollte, die Gründe für ihr Widerstreben darzulegen. Dies sollte unter Umständen geschehen, die es ihnen ermöglichen, ihre Ansichten über die Politik der Betriebsführung oder der 50
Gewerkschaft frei zu äußern. Wahrscheinlich werden sie dies nicht in Anwesenheit von Gewerkschaftsvertretern, von manchen anderen Betriebsangehörigen oder vielleicht von bestimmten höheren Betriebsorganen tun wollen. Da die Werkmeister wissen, daß es ihnen nicht frei steht, den Plan zu verwerfen, hätte es keinen Zweck, sie aufzufordern, ihn zu billigen. Andrerseits können die obersten Organe an untere Organe sowie an Werkmeister das Ersuchen richten, gewisse Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden sollten, anzugeben und ihre Zweifel oder Befürchtungen frei zu äußern, damit das endgültige Programm praktisch und annehmbar wird. Auch hier liegt keine Veranlassung vor, den Plan durchzupeitschen. Die Geduld, die in diesem Stadium von den leitenden Organen bei der Erörterung von Einwänden an den Tag gelegt wird, trägt dazu bei, ihren Ernst und ihre Entschlossenheit zu beweisen, die neue Politik, wenn sie einmal in die Tat umgesetzt wird, zu unterstützen. Bei Werkmeistern, die mit irgendwelchen beratenden Organen (wie z. B. mit Arbeitsämtern) zusammenzuarbeiten gelernt haben, werden sich Zweifel und Befürchtungen hinsichtlich des GPK leichter zerstreuen lassen als bei jenen, die über keine derartigen Erfahrungen verfügen. Bis zu diesem Punkt stellt wahrscheinlich den wichtigsten, jedoch feinsten Schritt in der Kunst zu organisieren die Erkenntnis der einfachen Tatsache dar, daß man Ratschläge annehmen kann, ohne an Autorität einzubüßen oder das Gesicht zu verlieren. Wie bei den Arbeitern dürften auch bei den Werkmeistern Besprechungen in kleineren Gruppen äußerst vorteilhaft sein. Ist das Verhältnis zu den leitenden Organen schlecht, dann kann unter Umständen der Besuch eines anderen Betriebes, wo mit dem GPK ein guter Anfang gemacht wurde, von Nutzen sein. Trotz aller anderweitig gemachten Beobachtungen ist und bleibt es jedoch die Einstellung der eigenen Vorgesetzten, die sie am meisten angeht und die sie in erster Linie in Betracht ziehen. H a t die Einzelperson oder Personengruppe, die das GPK propagiert, nicht nur in der Planung, sondern auch bei der Gewinnung der Unterstützung der obersten Betriebsführung gute Arbeit geleistet, dann werden die Werkmeister verhältnismäßig leicht für eine Mitarbeit zu gewinnen sein. Nimmt aber diese Planungsgruppe die Mitarbeit der Werkmeister als selbstverständlich an und gibt sich keine Mühe, die Be4»
51
sprechungen mit den Werkmeistern bald nach der Billigung des Programms durch die Gewerkschaft anzusetzen, dann kann sich eine derartige Verzögerung auf ihre Bemühungen um die aktive Unterstützung der Werkmeister nachteilig auswirken. Das Schaffen der psychologischen
Voraussetzungen
Richtig durchgeführte GPK-Besprechungen sind von allergrößter Bedeutung, da durch sie die Zusammenarbeit des Produktionsteams eingeleitet und ausgerichtet wird. Im Anfangsstadium liegt die Initiative zur praktischen Durchführung des Programms, zur Erleichterung der Arbeit der Untergruppen und zur Verbesserung ihrer Organisation, Verfahrensweise und Vertretung zur Gänze bei dem Leitungsausschuß. Wie erreicht m a n dann, daß das G P K produktive Arbeit leistet? Zwischen den einzelnen Betrieben oder ihren Abteilungen können oft gewaltige Unterschiede in den technischen Verfahren und der Art der Führung bestehen. Große Aufmerksamkeit wird daher einer Geisteshaltung gewidmet, die f ü r eine produktive Leistung äußerst wichtig ist; dabei wird besonders darauf hingewiesen, welche Bedeutung der Zusammenarbeit als einem Mittel, den eigenen Wählern oder Vorgesetzten zu dienen, zukommt sowie wie richtig das eigene Verhalten gegenüber den Ansichten des Nächsten ist. Will Rogers sagte einmal: „Sie wissen nie, woran ein Mensch denkt, wenn sie ihn anschauen. Sie müssen sich hinter ihn stellen, um zu sehen, worauf er schaut, um ihn zu verstehen." Das m a c h t das G P K möglich. Infolge seiner engen Verbindung zu den Arbeitern und zur Betriebsführung kann es jedem Problem sehr rasch auf den Grund kommen. Die erfolgreicheren G P K s haben ihre Kameraden gelehrt, erst einmal Nachsicht gegeneinander zu üben, dann einander zu achten und schließlich einander zu helfen. Es eröffnet den Arbeitern und Werkmeistern neue Wege, sich nützlich zu erweisen, unter denen dem Geist der Zusammenarbeit die größte Bedeutung zukommt, da er den Schlüssel zur Produktivität bildet. Die Beteiligung am G P K bedeutet nicht ein leichtfertiges Aufgeben des eigenen Standpunktes. E s bedeutet, daß man sich hinter den anderen stellt, um zu sehen, worauf er schaut. Aus seiner Perspektive gesehen, haben seine Gedanken vielleicht wirklich Wert. Hier ist der P u n k t , wo 52
sich das Gute vom Schlechten scheidet; hier der gemeinsame Boden, auf dem eine allseitig befriedigende Lösung gefunden werden kann. Da keinerlei Beschwerden und Lohnfragen vor dieses Forum kommen, wird die Methode des „Aushandelns" mit all ihren mehr oder weniger unschuldigen Behauptungen und Übertreibungen vom GPK bald aufgegeben. An ihrer Stelle lernen die GPK-Mitglieder, ihr Augenmerk den Tatsachen zuzuwenden, in den Besprechungen unparteiisch und nachsichtig zu sein und die Ansicht des anderen zu achten, solange sie ehrlich und aufrichtig gemeint ist. Überwindung
des
Mißtrauens
Bei den ersten GPK-Sitzungen ist das gegenseitige Vertrauen nicht viel größer als die Stabilität von aufgestellten Dominosteinen. Führt die Enttäuschung bei einer zum Mißerfolg, dann enden meist noch weitere ebenso. Umgekehrt stärkt natürlich jeder Fall, wo die Zusammenarbeit zum Erfolg führt, den Glauben an den Wert der Gemeinschaftsarbeit. Da dort, wo sie ehrlich vertreten wird, die Mehrheit offenkundig ihr Gelingen wünscht, wird in jedem Fall die mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit leicht entdeckt. Bei den ersten Sitzungen wird häufig das einzelne Komiteemitglied bloß als das Sprachrohr seines Auftraggebers angesehen. Die unbedachte Äußerung eines untergeordneten Organs wird als die endgültige Stellungnahme der Betriebsleitung hingenommen. Auch die Arbeitervertreter müssen auf der Hut sein, daß keine von ihnen gemachte Äußerung als Ausdruck der offiziellen Gewerkschaftspolitik gewertet wird. In der Regel verfügt keine der beiden Parteien in allen Einzelfragen über derartig festgefügte Ansichten. Wird diese Gefahr nicht richtig erkannt, dann kann es vorkommen, daß GPK-Mitglieder den Äußerungen ihrer Kollegen von der anderen Seite einen viel tieferen Sinn beimessen als diesen zukommt, und dort Anstoß erregt wird, wo gar keine Absicht zu verletzen vorlag. Ein wirksames Mittel zur Überwindung dieser sich im Anfangsstadium ergebenden Schwierigkeit liegt darin, immer von der Voraussetzung auszugehen, daß der andere auf „der Höhe ist". Es ist besser, irrtümlich die Beweggründe des anderen in günstigerem Sinne zu deuten, als im unrichtigen Augenblick Mißtrauen zu zeigen. Das bedeutet nicht, daß man vor dem offenkundigen Mangel an Zusammenarbeit 53
die Augen verschließt, sondern daß man im Zweifelsfall dem anderen die günstigere Auslegung zubilligt. Die Zweifel lassen sich durch die Frage nach einem Beispiel oder einfach durch die klare Darlegung der eigenen Einwendungen gegen den Vorschlag des andern zerstreuen, indem man sie vielleicht mit den Worten abschwächt: „Wenn ich Sie richtig verstehe." Ein Beispiel erspart allen Beteiligten Zeit und vermeidet nutzloses Herumreden über verschiedene Fragen. Das schlimmste Hindernis für das GPK ist Mißtrauen. Am Anfang, wenn gegensätzliche Verhältnisse und Ausflüchte noch im Sinn der Menschen haften, läßt es sich bis zu einem gewissen Grad nicht umgehen. Mehr erwarten, hieße mit einem Wunder rechnen. Es ist daher die wichtigste Aufgabe des GPK, das Mißtrauen zu überwinden; ja noch mehr, seine Wirkungsmöglichkeiten werden durch seine Fähigkeit, dies zu erreichen, bestimmt. Seine Mitglieder können in dem Bewußtsein Befriedigung finden, daß sie allen, die es angeht, einen Dienst erweisen und daß die ersten Zusammenkünfte die schwierigsten sind. Ein Mittel, das Mißtrauen zu zerstreuen, ist der Abschluß einer Vereinbarung darüber, welche Themen erörtert werden sollen. Die Mitglieder des GPK sollten instand gesetzt werden, jeden Vorschlag eingehend zu prüfen, bevor sie zu einer Meinungsäußerung aufgefordert werden. Wo ein Vorschlag Zweifeln begegnet oder Offenheit im Augenblick unmöglich erscheint, wird sich durch eine Untersuchung vor der Sitzung bald herausstellen, daß er zur Erörterung in einer gemeinsamen Besprechung nicht geeignet ist. Sitzungen werden am besten ohne Hast durchgeführt. Der Eindruck, daß etwas im Eilzugstempo durchgepeitscht wird, sollte vermieden werden. Durch ihr Verhalten müßten die Proponenten einer bestimmten Maßnahme ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß eine befriedigende Lösung gefunden werden kann. Sollte sich dabei ein Punkt ergeben, gegen den Einwände bestehen, dann muß auf jede vernünftige Weise dafür Vorsorge getroffen werden, daß er nach allen Seiten hin durchbesprochen wird, um so künftige Mißverständnisse und Irrtümer zu vermeiden. Ein triftiger Grund dafür, einige erfahrene Unterhändler im GPK zu haben, liegt in ihrer Fähigkeit, die Übereinstimmung mit früher formulierten Grundsätzen und Verfahren herbeizuführen. Und ein wenig Humor hilft die erregten Gemüter beruhigen. Er wird oft eine Besprechung davor bewahren, zu 54
einem Streit auszuarten. Die Fähigkeit, daß „wir uns sehen, wie andere uns sehen", ist immer von Vorteil. Sie verleiht ein Gefühl für Proportion und ermöglicht es uns, kritischen Lagen die heitere Seite abzugewinnen. Trotz aller Bemühungen wird es dem GPK möglicherweise nicht gelingen, dort allen Argwohn zu zerstreuen, wo noch Gründe zum Mißtrauen weiterbestehen. In manchen Fällen fügt die Betriebsleitung der nützlichen Arbeit seiner verschiedenen Ausschüsse schweren Schaden zu, indem ohne Erklärung Vorschläge ad acta gelegt werden, die früher die Zustimmung der Betriebsleitung selbst gefunden haben. Wo es sich offensichtlich um mangelnde Zusammenarbeit handelt und eine Frage auf andere Weise anscheinend nicht gelöst werden kann, wird es vielleicht angebracht sein, eine kurze Darstellung der bestehenden Schwierigkeit in das Protokoll aufzunehmen. Damit wird die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen auf diese Schwierigkeit gelenkt und eine Klärung ihrer Einstellung verlangt. Vorherige Bekanntmachung
der
Tagesordnung
Es ist zu empfehlen, die vorgeschlagene Tagesordnung entsprechend lange vor der Sitzung zu verteilen. Vor Eingehen in die Tagesordnung kann der Vorsitzende an die Mitglieder des Komitees die Frage richten, ob sie nicht noch andere Punkte behandelt wissen wollen, und — wenn dies der Fall ist und niemand einen Einwand erhebt — diese auf die Tagesordnung setzen. Dieses Verfahren zeigt auch deutlich, daß niemand versucht, das Überraschungsmoment auszunutzen und eine Entscheidung herbeizuführen, bevor sich die anderen noch über die möglichen Auswirkungen eines derartigen Beschlusses im klaren sind. Noch wichtiger ist, daß die vorherige Verteilung der Tagesordnung es den GPK-Mitgliedern ermöglicht, sich mit den Arbeitern und Werkmeistern, die die in Frage stehenden Probleme angehen, in Verbindung zu setzen und ihre Meinung zu hören. Es ist nichts Ungewöhnliches, eine oder mehrere Personen zu Sitzungen einzuladen, wenn ihre Ansichten oder Erfahrungen berücksichtigt werden sollen. Auch ist es nichts Außergewöhnliches, die Tagesordnung im Betrieb öffentlich anschlagen zu lassen, um neue Vorschläge anzuregen und um sicherzugehen, daß alle Betriebsangehörigen davon Kenntnis erhalten. So verwendet, kann die Tagesordnung für das GPK zu einem mächtigen Scheinwerfer 55
werden. Sie hilft mit neue Talente entdecken und zeigt lange im vorhinein an, in welcher Richtung sich die Arbeit des Komitees bewegt. Die
Aufgaben
des
Vorsitzenden
Von einem guten Führer, der wenig spricht, Wird's, hat er seine Arbeit getan, sein Ziel erreicht, Heißen: „Wir haben dies selbst getan." — Lao-Tse Für den Erfolg von GPK-Sitzungen ist die Geschicklichkeit des Vorsitzenden von größter Bedeutung. Als „guter Führer" gibt er den Komiteemitgliedern das Gefühl, daß sie selbst den Erfolg herbeigeführt haben. Seine Aufgabe ist es, darauf zu sehen, daß das Komitee wirklich produktive Arbeit leistet. Manche Aufgaben kann er anderen übertragen. Er kann jemanden anderen dazu bestellen, die notwendigen praktischen Vorarbeiten durchzuführen: z. B. für die Sitzung einen ruhigen Raum mit bequemen Stühlen zu sichern, die so angeordnet sind, daß jeder Teilnehmer alle anderen hören, mit ihnen sprechen und sie sehen kann. Da Skizzen oder Zahlen notwendigerweise zur Sprache des GPK gehören, ist eine Tafel äußerst wichtig. Am wichtigsten ist aber das, was der Vorsitzende selbst tut. Zur Vorbereitung der Sitzung durch ihn gehört unter anderem eine sorgfältige Überprüfung der Reihenfolge, in der die verschiedenen Punkte auf der Tagesordnung behandelt werden sollen. Er kann die Punkte in der richtigen Reihenfolge einsetzen und dann doch diese Reihenfolge über Ersuchen abändern. Ist ein Problem schon bereits sehr lange im Betrieb eingehend diskutiert worden, dann kann es sein, daß die Mitglieder darauf brennen, es vor allen anderen zu behandeln. Komplizierte Fragen werden häufig früh auf die Tagesordnung gesetzt, wo noch niemand müde und in Eile ist. Ferner sollte der Vorsitzende die einschlägige Materie durchstudieren, die gelegentlich Verlegenheiten verursachen kann, wenn man sich mit ihr nicht vorher vertraut gemacht hat. Ist der Vorsitzende selbst vorbereitet, dann bleibt er dem Komitee überlegen. Während er einerseits keine Entscheidung trifft, kann er, wenn die Gruppe unschlüssig zu sein scheint oder nicht weiterkommt, ihr weiterhelfen, indem er Fragen stellt, wie etwa: „Welche Hindernisse bestehen 56
denn? Wie kann die Schwierigkeit überwunden werden? Brauchen wir zusätzliche Angaben, um zu einer Entscheidung zu kommen ? Wenn ja, wer kann uns diese Angaben machen oder liefern?" Er vermeidet es zu sagen: „Wir müßten sie von Jones bekommen." Es ist gefälliger, wenn er sich so ausdrückt: „Ist jemand besser in der Lage, uns die benötigten Angaben zu machen, als Jones?" Der Vorsitzende kann die Sitzung leiten und doch keine Entscheidung selbst treffen. Er ist unschätzbar, wenn er im vorhinein Fragen wie die folgenden überdenkt. „Welche Probleme werden sich voraussichtlich ergeben, wenn Punkt 1 erörtert wird? Welche Fragen werden die Stellungnahme jener klären, die Einwendungen erheben? Wer kann die technische Seite des Vorschlages oder der Gegenvorschläge richtig beurteilen ? Soll eine Spezialgruppe mit dem weiteren Studium dieser Frage betraut werden?" Durchführung
der
Sitzung
Wenn auch eine entsprechende Vorbereitung die Sitzung stark beeinflußt, so ist das Verhalten des Vorsitzenden während der Sitzung noch viel wichtiger. Er muß sich durch seine Redlichkeit die Achtung aller erwerben. Im Anfangsstadium wäre es, wenn durchführbar, empfehlenswert, einen neutralen Vorsitzenden zu bestellen, einen Mann, den seine bisherige Laufbahn weder mit den Arbeitern noch mit der Firma verbindet. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß dies dort unnötig ist, wo ein Vorsitzender keinen Versuch macht, Entscheidungen zu treffen, sondern sich ganz in den Dienst der Gruppe stellt. Sein Verhalten und sein Vorgehen müssen seinen Glauben an das GPK demonstrieren. Entledigt er sich dieser Aufgabe in zufriedenstellender Weise, dann erstehen ihm bald verständnisvolle Verbündete, die ihn unterstützen; mißbraucht er aber seine Stellung, dann kann dies dazu führen, daß die ganze Gruppe sofort für oder gegen den Vorschlag Partei ergreift und sich aller damit verbundener Verdruß unmittelbar gegen den Vorsitzenden selbst richtet. E r kann von Anfang an erklären, daß er eine bestimmte Lösung bevorzugt, daß er aber bemüht sei, die Komiteemitglieder nicht zugunsten einer hastigen und unüberlegten Entscheidung zu beeinflussen. Ja, er kann sogar die anderen Sitzungsteilnehmer auffordern, ihn aufmerksam zu machen, wenn er sich vergessen sollte. 57
Es ist aber auch nicht klug, wenn der Vorsitzende auf eine bestimmte Entscheidung mit Nachdruck hinweist oder drängt. Dadurch wird das Gefühl der Gleichheit gestört, genau so wie eine einseitige Stellungnahme dem Ideal der Wahrheitsforschung, der eine gemeinsame Besprechung dient, abträglich ist. Auch wenn der Vorsitzende besondere Informationen besitzt, sollte er sie nicht anbieten, außer es gibt keinen anderen Weg, auf dem die Konferenzteilnehmer sie leicht bekommen können. In einem solchen Fall sollte er die Zustimmung der Gruppe einholen, bevor er die Angaben macht, und den Vorsitz niederlegen, während er seine eigenen Ansichten darlegt. Er kann auch jemanden anderen ersuchen, den Vorsitz zu führen, am besten jemanden, der die gegenteilige Ansicht vertritt. Diese Geste macht es klar, daß er durch Darlegung seiner eigenen Ansichten seiner Stellung als Vorsitzender zuwiderhandelt. Der Vorsitzende hat, auch ohne Partei zu ergreifen oder spezielle Angaben zu machen, alle Hände voll zu tun. Seine Stellung erfordert Wendigkeit und Scharfsinn. Es gehört schon einiges Talent dazu, jedem Gedankengang zu folgen und dabei gleichzeitig für einen ruhigen Fortgang der Sitzung zu sorgen. Er muß verstehen, im Hintergrund zu bleiben, und doch, wenn nötig, rasch und entschlossen eingreifen. Der Vorsitzende dient der Gruppe, indem er ihre Sitzungen nutzbringend gestaltet. Er ruft keinen Redner zur Ordnung, sondern erinnert daran, welches Thema zur Debatte steht, worüber im Augenblick tatsächlich gesprochen wird, und daß man scheinbar vom Thema abgekommen ist. Dann fragt er die Gruppe, ob sie bei dem augenblicklichen Thema bleiben oder zum ursprünglichen Thema zurückkehren will. Auf diese Weise zwingt er die Gruppe aufzupassen: Die Leute unterstützen entweder das redselige Mitglied, oder es wird von seinen Kameraden, nicht vom Vorsitzenden, zur Ordnung gerufen. Diese Gruppendisziplin, so wenig streng sie auch erscheinen mag, ist recht nützlich und belehrt redeselige Charaktere. Wird eine Diskussion, bei der anscheinend vom Thema abgewichen wurde, für wichtiger angesehen als der reguläre Punkt der Tagesordnung, dann könnte die Gruppe es übel vermerken, wenn der Vorsitzende aus eigener Initiative die Diskussion gerade in dem Augenblick unterbricht, wo sie am interessantesten ist. Ein bemerkenswertes Mittel dafür, die Gruppe zu veranlassen, bei dem zur Diskussion stehenden Thema zu 58
bleiben, wird von Mr. Jack Wolff in dem Buch: „The Production Conference" 1 ) vorgeschlagen. Er regt an, auf der Tafel drei Kolonnen mit den Überschriften 1. Ziele, 2. Hindernisse und 3. Lösungen aufzuzeichnen. Mit Fortschreiten der Diskussion werden diese Kolonnen ausgefüllt, und dieses Verfahren trägt wesentlich dazu bei, Abschweifungen und Abweichungen zu vermeiden. E r schlägt ferner für jede Kategorie eine begrenzte Redezeit vor. Dies kann dort nützlich sein, wo die Zeit knapp ist. So kann z. B. für „Ziele" eine Redezeit von fünf Minuten, für die Angabe der „Hindernisse" 20 Minuten und für die „Lösungen" 18 Minuten eingeräumt werden. Wird die Zeit einvernehmlich festgesetzt, so daß alle daran interessiert sind, die Zeiteinteilung einzuhalten, kann dieses Verfahren von wirklichem Wert sein. Ist der zur Diskussion stehende Gegenstand von der Gruppe nicht schon früher behandelt worden oder diese in einer derartigen Verfahrensweise nicht erfahren, dann dürfte wenig damit gewonnen sein, wenn das für das Thema erforderliche Ausmaß der Diskussion in einen engen zeitlichen Rahmen gepreßt wird. In den meisten Fällen kann der Vorsitzende die Sitzung lebendig erhalten, wenn er unbedingt dabei bleibt, daß die Gruppe entscheidet. E r kann neue Gedanken vorbringen, Wege sich zu informieren oder Abweichungen zu prüfen vorschlagen; die Gruppe aber sagt ja oder nein. Auf dieser Grundlage kann der Vorsitzende aufrichtig sein und Offenheit von der Gruppe erwarten. Die größte Gefahr liegt in der Teilnahmslosigkeit; das zur Diskussion stehende Thema kann im Vergleich zu anderen unwichtig sein, die Sitzungsteilnehmer können glauben, die Entscheidung werde für sie getroffen, oder die Bedeutung des Gegenstandes nicht erfassen. Der Vorsitzende fordert die Gruppe nie zur Aufmerksamkeit auf. Er muß jedoch den Eindruck vermitteln, daß keiner von ihnen Zeit zu verschwenden hat, und, da der diskutierte Gegenstand unwichtig erscheint, fragen, was sie davon halten würden, wenn man zum nächsten Punkt überginge. Auch hinsichtlich der Verwendung ihrer Zeit sollte die Gruppe vollkommen Herr ihrer Entschlüsse sein. Das ist notwendig, wenn die Gruppe wirklich nützliche Arbeit leisten soll. Niemand kann auf Befehl Gedanken hervorrufen. Weit davon entfernt, in dieser Hinsicht Verstöße zu l
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begehen, ist der Vorsitzende eifrig darauf bedacht, die Spontaneität der Gruppe zu erhalten, denn diese ist die stärkste Antriebskraft. In Fällen, wo es Mühe kostet, die besten Gedanken aus der Gruppe herauszuholen, kann ein ruhiger Sitzungsteilnehmer der Diskussion weiterhelfen; er wird dies aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht tun, außer er wird dazu im geeigneten Augenblick vom Vorsitzenden aufgefordert, wenn dieser einen Glanz in seinem Auge entdeckt, der mehr besagt als das gesprochene Wort. Der Vorsitzende sollte dafür sorgen, daß die Empfehlungen des GPK an die Betriebsführung weitergeleitet und daß sie weder mißverstanden werden noch unbeachtet bleiben. E r weiß, daß Nichtbeachtung seiner Empfehlungen den Arbeitsgeist des GPK untergräbt, in seinen Mitgliedern das Gefühl der Zwecklosigkeit erweckt, sie der obersten Betriebsführung entfremdet und das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt. Läßt der Eifer nach, dann muß der Vorsitzende die ursprüngliche Zusammenarbeit wieder herstellen. Dies kann entweder durch das taktvolle Vorgehen eines starken und loyalen Vertreters der Betriebsleitung oder in der Weise geschehen, daß sich Gewerkschaftsleitung und oberste Betriebsführung neuerlich zusammensetzen. Dieses Problem wird eingehender in Kapitel V besprochen. Die Stellung eines Vorsitzenden erfordert somit ganz besondere Eigenschaften. Das gilt besonders dann, wenn das GPK noch nicht lange besteht und seine Mitglieder in den GPK-Methoden noch unerfahren sind und noch manchen alten Groll hegen. Der Vorsitzende, der seine Aufgabe der Vorbereitung und der Leitung der Versammlung ernst nimmt, wird jedoch bald entdecken, daß die anderen Teilnehmer ihm helfen können und auch helfen wollen. Sie werden lernen, dogmatische Erklärungen zu vermeiden und offenen Sinnes zuzuhören. Sie werden dazu übergehen, sich objektiv über die Dinge zu informieren und sie zu untersuchen. Sie werden dem Vorsitzenden helfen, positive Ergebnisse zu erzielen, je mehr sie in der Praxis den Wert der Gemeinschaftsarbeit kennenlernen. Die Auswertung der Sitzungen Das GPK muß ein Organ der gesamten Belegschaft sein. Als Ideal sollte ihm vorschweben, seinen Einfluß auf jeden einzelnen auszudehnen, und diesen Einfluß ständig fühlbar sein zu lassen. Es nähert sich diesem Ideal, je mehr es zu ßO
zeigen beginnt, in wievielfältiger Art und Weise es von Nutzen sein kann. Ein Betrieb, der an enge Toleranzen nicht gewöhnt war, wies einen hohen Prozentsatz von Ausschußware auf. Mehrere Arbeiter behaupteten, die Ursache zu kennen; da sie aber von Seiten der Werkmeister Disziplinarmaßnahmen befürchteten, verweigerten sie ihre Mithilfe, sofern ihnen nicht von der Gewerkschaft Schutz zugesichert würde. Sobald ihnen diese Zusicherung gegeben worden war, stellte es sich bald heraus, daß die Flächen der Formenschneider wohl genau waren, daß sie aber mit den Flächen der Blocks nicht übereinstimmten. Dies verursachte eine Abweichung von einigen Zehntausendstel von einem Zoll zwischen Schneidekante und Formenrand. Die Einsteller, selbst unerfahren, waren nicht angewiesen worden, diese Art von Abweichung zu berücksichtigen. Durch diese Entdeckung wurde der Anfall an Ausschußware, der bis zu 50% betrug, vollkommen abgestellt. In einem anderen Betrieb wurden Gestelle zum Festhalten von Doppelstücken kleiner Maschinenteile benutzt, während diese in die Beize kamen. Die Gestelle selbst wurden von der Beize rasch zerfressen. Um diesen Verschleiß abzustellen, veranlaßte das GPK das Betriebslaboratorium, für die Gestelle ein geeigneteres Material zu empfehlen. In einem dritten Betrieb machte die Frage böses Blut, wer bei einem hohe Präzisionsarbeit erfordernden Werkstück die Verantwortung für den übermäßigen Prozentsatz an Ausschußstücken trage. Der Chefinspektor und der Aufseher hatten bezüglich der Ursache eine längere Auseinandersetzung. Der Inspektor erhob den Vorwurf, daß die Arbeiter nicht richtig aufpaßten und daß es „Sache der Aufseher wäre, sie dazu zu veranlassen". Der Aufseher widersprach dem, erweckte jedoch bei seinen Vorarbeitern den Eindruck, daß der Fehler auf Unachtsamkeit in den anderen Schichten zurückzuführen sei. Die Angelegenheit wurde in Form eines mehr oder minder zwecklosen Vorschlages vor das GPK gebracht, der doppelte Strafen für zurückgewiesene Arbeiten vorsah. Das GPK betraute jedoch vernünftigerweise einen Sonderausschuß mit der Untersuchung. Er setzte sich zum Teil aus denselben Personen zusammen, die über die Angelegenheit in Streit geraten waren, doch besaß er zwei Vorteile, die diesen allein fehlten. Der Ausschuß hatte einen Vorsitzenden, also eine Person, die für die Erzielung positiver Resultate verantwort61
lieh war; ferner gehörten ihm Arbeitervertreter an. Die Vertreter der Arbeiter stellten fest, daß der Arbeitsgang mit mehr als genügender Sorgfalt durchgeführt wurde, zumindest seitdem ,,er unter besonderer Beobachtung stand", daß aber die Meßinstrumente der Inspektoren mit einigen der von den Arbeitern benutzten nicht übereinstimmten. Diese mögliche Ursache für Fehlleistungen wurde durch Proben bestätigt. Die abgenutzten Instrumente wurden ersetzt, und vor seiner Auflösung veranlaßte der Ausschuß eine regelmäßige Überprüfung der Meßinstrumente, um in Zukunft Fehlleistungen und Streitigkeiten aus diesem Grunde auszuschalten. In einer Fabrik mit kontinuierlichem Arbeitsgang hatte das GPK Abteilungskomitees. In einer Abteilung benötigte die Betriebsleitung zur Erfüllung der Bestellungen eine fast unmöglich erscheinende Steigerung des Ausstoßes. Da die Zeit fehlte, eine neue Anlage zu bauen, wurde das GPK gebeten, alles in seiner Macht Stehende zu tun. Das Abteilungskomitee erhöhte im eigenen Wirkungskreis durch eine gut geleitete Untersuchung die Produktion fast auf das Vierfache. Der Abteilungsvorsitzende beriet sich mit anderen Mitgliedern, um festzustellen, welcher Arbeitsvorgang den Fluß der Chemikalien aufhielt. Im allgemeinen genügten ein oder mehrere Vorschläge, um die Frage zu lösen, was am praktischesten getan werden könnte, den Fluß an jedem Punkt zu beschleunigen. Da der Vorsitzende gleichzeitig der Leiter der Abteilung war, wurde die Feststellung sofort praktisch verwertet, ohne einer weiteren Billigung zu bedürfen. Indem auf diese Weise die Engpässe an einem Punkt nach dem andern überwunden wurden, wurden schließlich genügend Produkte erzeugt, um die versprochenen Lieferungen einhalten zu können. Wie ersichtlich, wurden in diesen vier Fällen vier verschiedene Möglichkeiten der betreffenden Betriebe ausgenutzt. Im ersten Fall genügte eines von den nur der Gewerkschaft zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich der Schutz der Arbeiter vor unangebrachten Disziplinarmaßnahmen, um dem Unternehmen schwere Verluste zu ersparen. Im zweiten Fall half das Betriebslaboratorium mit fachlichem Rat. Im dritten wurden die Vertreter verschiedener Gesichtspunkte unter einem verantwortlichen Vorsitzenden zusammengefaßt. Im vierten Fall schließlich umfaßte das Verfahren nur jene, die mit einem bestimmten Arbeitsvorgang auf das genaueste vertraut waren. 62
Das in einem bestimmten Fall praktisch angewendete Verfahren kann natürlich in vieler Hinsicht von den hier angeführten verschieden sein. Den Gewerkschaften stehen neben dem Schutz des Arbeiters viele andere Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung. Technischer Rat kann vom Laboratorium oder von anderen Stellen eingeholt werden. Die Kostenabteilung, die technische Abteilung oder die Verkaufsabteilung sowie außerbetriebliche Einrichtungen können um Unterstützung gebeten werden. Die vielen Fragen, die sich ergeben, können unter anderem die Qualität, die Ökonomie, die Expedition oder die Erfüllung von Lieferzusagen, die Betriebssicherheit oder die Gesundheit der Arbeiter betreffen. In den meisten Großbetrieben kann das GPK die Leistung durch den Einsatz von Unter- oder Sonderausschüssen auf ein Vielfaches steigern. Es erhöht seine Nützlichkeit, je besser es die verschiedenen ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel verwerten lernt. Es arbeitet selbst an der Lösung von Problemen, strebt aber auch ständig nach erhöhter Mitarbeit anderer. Es findet, daß ihm die betrieblichen Probleme, die ihm vorgelegt werden, oft gerade die Mittel dazu an die Hand geben. Zum Beispiel wurde ihm in einem Betrieb von dem Mangel an geschlossenen Loren, der sich in mehreren Abteilungen fühlbar machte, berichtet. Das GPK ersuchte die Arbeiter und Vorarbeiter um Unterstützung bei der Feststellung, wo denn die Loren unnötig aufgehalten würden und wie die Arbeitsroutine verbessert werden könnte. Die Arbeiter klärten den Mißstand auf und schlugen Abhilfemaßnahmen vor. Da sie an der Lösung des Problems mitgeholfen hatten, führten sie sowie die Vorarbeiter die neue Verfahrensweise bereitwillig durch, und beide zusammen gewannen aus dieser einen Verbesserung eine bessere Vorstellung davon, was das GPK zu leisten imstande wäre. Man könnte sich auch vorstellen, daß das GPK zwei Vorsitzende hätte—je einen von jeder der beiden Gruppen —, die abwechselnd den Vorsitz führen würden. Genießt der Vorsitzende jedoch große Achtung und sieht er seine Hauptaufgabe darin, richtungweisend zu wirken, dann verdient ein Vorsitzender den Vorzug; unter diesen Bedingungen macht es wenig aus, von welcher Seite er kommt. Auf jeden Fall ist es jedoch üblich, die entgegengesetzte Gruppe den Sekretär stellen zu lassen, um die Verantwortung gleichmäßig zu verteilen. 63
Der
Sekretär
Die Pflichten des Sekretärs lassen sich von Anfang an klar abgrenzen. Ihm obliegt die Führung der Protokolle; darüber hinaus kann er den Vorsitzenden insofern unterstützen, als er die Mitglieder des Komitees längere Zeit im voraus von jeder Sitzung in Kenntnis setzt und ihnen die Tagesordnung übermittelt. Er kann geeignete Maßnahmen hinsichtlich des Ortes der Sitzung treffen und dafür sorgen, daß Durchführungserinnerungen an jene ergehen, die die schwebenden Angelegenheiten betreffen. Die Betriebsführung hilft bei der Ausstattung des GPK mit dem nötigen Rüstzeug durch Beistellung eines Stenographen, der den genauen Wortlaut wichtiger Feststellungen sowie aller formalen Anträge aufnimmt. Der
Revisor
In manchen Betrieben hat das GPK einen sogenannten Revisor, der darauf sieht, daß in Angriff genommene Angelegenheiten auch weisungsgemäß weiterbetrieben werden. So wird z. B. ein Vorschlag, der das fachliche Urteil des Chefingenieurs erfordert, mit diesem vom Revisor besprochen, das Problem erklärt und seine Ansichten für die nächste Sitzung des GPK oder zur Berichterstattung an den Vorsitzenden bzw. Sekretär notiert. Manchmal müssen die Meinungen mehrerer leitender Organe eingeholt werden oder mehrere Personen zur Beratung darüber zusammengebracht werden, ob ein bestimmter Vorschlag angenommen oder vor seiner Annahme abgeändert werden soll. Der Revisor kann einen ihnen passenden Zeitpunkt festsetzen, das Problem erklären und ihre Feststellungen weiterberichten. In der Regel ist eine solche Tätigkeit keine ganztägige. Durch sie wird jedoch oft in ausgezeichneter Weise erreicht, daß Überlegungen des GPK nicht durch die Nachlässigkeit jener, an die solche Probleme weitergegeben werden müssen, unbeachtet bleiben. Diese Revisoren könnte man als Exekutivsekretäre oder als Assistenten des Vorsitzenden bezeichnen. Führung
der
Protokolle
Die Protokolle der GPK-Sitzungen dienen zur Aufzeichnung sowohl von unerledigten wie auch von solchen erledigten Angelegenheiten, die eventuell weiter verfolgt werden müssen. 64
Sie dienen auch als Ansporn für jene, die damit beauftragt sind, in einer bestimmten Angelegenheit Veranlassungen zu treffen. Ist einige Zeit verstrichen, bis die Angelegenheit wieder aufgegriffen wird, dann werden die Komiteemitglieder mit größerem Vertrauen handeln, wenn ihnen durch das Protokoll in Erinnerung gebracht wird, unter welchen Umständen und aus welchem Grund die vorherige Entscheidung getroffen wurde. Für das GPK sind seine Protokolle noch in einer anderen wichtigen Beziehung sehr nützlich. Sie dienen dazu, das Interesse der Arbeiter, von denen die wenigsten einem Ausschuß angehören, zu wecken; ferner vermitteln sie den Arbeitern und Aufsehern direkt eine klare Vorstellung davon, welche Themen laufend besprochen werden und bei welchen dies nicht der Fall ist. Keine der beiden Gruppen wird größeres Interesse an den Tag legen, ja sich nicht einmal an der Arbeit ihrer eigenen Vertreter interessiert zeigen, wenn sie nicht entsprechend darüber unterrichtet werden, was vorgeht, und wenn sie nicht das Gefühl haben, daß ihre Ratschläge ernstliche Beachtung finden. Vom öffentlichen Aushang der Protokolle abgesehen, erörtern die Mitglieder des GPK als wahre Vertreter das Für und Wider der vorliegenden Probleme mit jenen Gruppenangehörigen, die diese Probleme berühren, und fordern sie auf, dazu Stellung zu nehmen und Ratschläge zu erteilen. Es gibt natürlich viele Themen, zu denen die Arbeiter keinen nützlichen Beitrag leisten können. Andrerseits steht der Arbeiter vielen Problemen weit näher als irgend jemand anderer. Es kann sein, daß er über ein bestimmtes Problem viele Monate lang nachgedacht hat; es können ihm daher Mittel und Wege bekannt sein, die vorhandenen Schwierigkeiten zu überwinden. Nur dort, wo die Arbeiter durch Protokolle oder auf irgendeine andere Weise ständig auf dem laufenden gehalten werden, kann man damit rechnen, daß ihre eigenen Bemühungen um das betreffende Problem zur Auswirkung gelangen. Sitzungsprotokolle müssen mit großer Sorgfalt zusammengestellt werden. Die freie Erörterung kann insofern eine gewisse Einschränkung erfahren, als bestimmte, mehr persönliche Vorgänge nicht ins Protokoll aufgenommen werden. Es wird damit nichts gewonnen, wenn im Protokoll zu lesen ist, daß Mister A heftig wurde. Andrerseits sind ehrliche grundlegende Meinungsverschiedenheiten festzuhalten und bekanntzumachen, weil sie Einblick in grundsätzliche Fragen 5
Lever
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der Betriebspolitik geben, die verstanden und studiert werden sollen. Ein Betrieb z. B. verfolgte eine Politik, daß niemand im Zuge der Bestrebungen des GPK zur Senkung der Produktionskosten entlassen werden sollte. Wurden Arbeiter bei einem bestimmten Arbeitsgang nicht mehr benötigt, dann wurden sie solange im Betrieb weiter behalten, bis sie für eine andere Arbeit eingesetzt werden konnten, sei es durch Besetzung freiwerdender Stellen beim Ausscheiden anderer oder durch Vorrückung, Erweiterung des Betriebes usw. Als die Lage dreier solcher Arbeiter im Packraum in dem Protokoll erwähnt wurde, ergaben sich daraus bestimmte nützliche Folgen. Manchem Arbeiter wurde dabei zum erstenmal klar, daß hinsichtlich der technischen Arbeitslosigkeit eine fortschrittliche Politik eingeschlagen worden war. Gleichzeitig erging damit an andere die Aufforderung, Angaben darüber zu machen, wie diese drei Packer für andere geeignete Arbeiten nützlich eingesetzt werden könnten. Die verschiedenen Stufen der Zusammenarbeit Die Mitglieder des GPK lernen nicht nur, wie man Menschen dazu bringt, zusammenzuarbeiten, sondern entdecken auch bald, daß es mehrere Stufen auf der Leiter der Verständigung gibt. Sie erwerben bald die Fähigkeit, abzuschätzen, wo der einzelne Teilnehmer steht, und wieweit jeder auf der Stufenleiter der Verständigung gestiegen ist. Im ersten Stadium „fühlt sich Jones (weil man es von ihm erwartet) gezwungen", einen bestimmten Plan mit einem anderen zu besprechen, um ihn um seine Unterstützung zu bitten. „Ich werde froh sein", sagt Jones zu sich selbst, „wenn ich mich nicht mit jenem Kerl über seine blödsinnige Idee unterhalten m u ß . " Im zweiten Stadium entdeckt Jones, daß ihm der andere wirklich helfen kann; entweder infolge seiner Fähigkeit und seines Verständnisses oder deshalb, weil er das größte Vertrauen bei seiner Gruppe besitzt und ihr daher den Plan am besten erklären und so ihre Unterstützung für seine Annahme gewinnen kann. Eine noch höhere Sprosse muß auf der Stufenleiter der Verständigung erklommen werden, um einzusehen, daß der andere tatsächlich die eigene Arbeit verbessern kann. Nicht deshalb vielleicht, weil er gescheiter ist, sondern weil er sie aus einer anderen Perspektive sieht, die sich auf eine andere Erfahrung stützt. 66
IV.
KAPITEL
Allgemeine Joe und sein
Beteiligung Vorarbeiter
Seit einiger Zeit hatte sich Joe über eine Einspannvorrichtung Gedanken gemacht, mit der in einem Arbeitsgang Löcher in drei ähnliche Teile gebohrt werden könnten. Er hatte eine Skizze davon entworfen und die Sache mit einem Arbeitskameraden besprochen. Sein nächster Schritt war, sich an den Vorarbeiter zu wenden. Der Vorarbeiter aber wich ihm immer mit einem geschäftigen Ausdruck auf dem Gesicht aus. Denn der Vorarbeiter wußte, daß er für Gespräche, die irgendwie vermeidbar waren, keine Zeit hatte. Er wußte nicht, was Joe im Sinn hatte; und da er zu beschäftigt war, sich mit ihm zu unterhalten, konnte er nicht wissen, daß gerade der Engpaß, der sich nicht weit von Joes Arbeitsplatz ergab und der ihm soviel zu schaffen machte, Joe veranlaßt hatte, sich seine Einspannvorrichtung auszudenken. Natürlich spürte Joe, daß ihn der Vorarbeiter mit Absicht aus dem Wege ging. Es bestand jedoch keine andere Möglichkeit, Ideen durchzubesprechen; auch konnte er nicht wissen, welche Arbeitsvorgänge kritisch waren, und der Vorarbeiter hatte keine Zeit, „allen unsinnigen Gedanken am Arbeitsplatz Gehör zu schenken". Joes Fall steht nicht vereinzelt da, denn in der durchschnittlichen Fabrik wird auch heute noch derartigen Bedürfnissen nicht entsprochen. Golden und Ruttenberg äußerten sich dazu folgendermaßen: „Die Arbeiter haben eine Leidenschaft für tüchtige Arbeit, verabscheuen unnütze Verschwendung und arbeiten gern in einer Werkstatt, Fabrik oder einem Bergwerk, wo die Produktion gleichmäßig dahinfließt. Dort wo solche Verhältnisse nicht herrschen, sind die Arbeiter voll von Ideen und praktischen Vorschlägen, wie sie sich herbeiführen 5*
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ließen, und wo solche Verhältnisse herrschen, wie man sie noch verbessern könnte 1 )." Fast jeder, der neu in die Industrie kommt, bringt seiner Arbeit lebhaftes Interesse entgegen und hofft, seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und die Unterstützung der Betriebsleitung sowie vielleicht auch die Bewunderung seiner Arbeitskameraden gewinnen zu können. Aber nach einer Reihe von harten Schlägen und dem erfolglosen Versuch, seinen Gedankengängen Gehör zu verschaffen, schwinden seine Hoffnungen bald. „ J a " , sagt der Arbeitskamerad neben ihm, „ich habe früher einmal auch so gedacht, schlag dir das aus dem Kopf und laß die Hände davon, du wirst hier keine Anerkennung finden!" Und dann folgt der neue Arbeiter bald dem Beispiel der Gruppe und legt dasselbe teilnahmslose Verhalten gewollter Gleichgültigkeit an den Tag. Manchmal dauert es jedoch Jahre, bevor er sich mit dieser widersinnigen Schranke abfindet und diesen Zustand als selbstverständlich hinnimmt. Jahre waren nötig, um die Masse der Arbeiter zu argwöhnischen Individualisten zu machen, die nach dem Grundsatz handeln, „nur das zu tun, wofür man bezahlt wird". Selbstverständlich versuchen die leitenden Organe der Fabrik, die Kosten zu senken. Häufig jedoch haben die Arbeiter beobachtet, wie von diesen unnötig kostspielige und manchmal wirkungslose Mittel ausprobiert wurden. Die Arbeiter sind verstimmt, wenn sie sehen, wie die Betriebsführung hochbezahlte Techniker heranzieht, damit sie die Produktion in die Höhe bringen, wodurch vielfach die allgemeinen Unkosten und die Gesamtkosten erhöht werden. Dann werden zahllose Mittel versucht, die darauf abzielen, die Arbeiter zu erhöhter Leistung anzuspornen, wo sie doch mehr leisten wollen und wissen, daß sie es auch vermöchten — wenn sie nur die Möglichkeit dazu hätten, dem obersten Chef zu sagen, wie die Hindernisse, die sich ständig ergeben und die ihre Anstrengungen zunichte machen, aus dem Weg geräumt werden könnten. Diese wirtschaftlich ungesunde Lage, in die die Industrie hineingeglitten ist, hat unter anderem zur Folge, daß die Arbeiter den Glauben an sich selbst verlieren. Durch das GPK aber werden verbitterte und enttäuschte Arbeiter dazu ermutigt, von neuem ihre tägliche Arbeit in dem Bestreben *) Siehe: The Dynamics of Industrial Democracy, by Clinton S. Golden and Harold J. Ruttenberg, Harper & Brothers, S. 233.
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zu studieren, allein oder mit Hilfe anderer praktische Lösungen zu finden. In bezug darauf hat sich ein britischer Arbeiter geäußert 1 ): „Ich bin seit langem Arbeiter und Sprecher der Arbeiter gewesen und ich glaube, ich kenne sie von der besten Seite. Dennoch kann ich Ihnen sagen, daß ich viele Kameraden hatte, die Gedanken entwickelten, die ich bei ihnen nie vermutet hätte... Neben mir arbeiteten Männer, die zu nicht mehr fähig zu sein schienen als die einfachsten Anordnungen auszuführen. Vor einem Jahr noch (bevor ihr Kriegsproduktionskomitee gegründet wurde) hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß einige meiner Leute imstande wären, so Außerordentliches zu leisten. Jetzt gibt es fast nichts, was wir von ihnen nicht erwarten könnten. Wir haben das Vertrauen zu uns selbst wieder gewonnen... Ich sehe darin den größten Erfolg, die größte Leistung, die damit erzielt
umrde."
Die meisten Betriebsführer wissen, daß die Kosten gesenkt werden können, wenn die Arbeitskräfte möglichst zweckmäßig eingesetzt werden. Damit ergibt sich die Frage, auf welche Weise die guten Seiten der menschlichen Natur, wie z. B. das Streben nach Leistung und Anerkennung, aufs beste nutzbar gemacht werden können. Die erste Aufgabe einer fähigen und gewissenhaften Betriebsführung ist es, Mittel und Wege zu finden, diese Triebkräfte aus den Fesseln zu lösen und die Fähigkeiten, die in den am Produktionsprozeß beteiligten Arbeitern verborgen ruhen, freizulegen. Hervorragende Techniker haben gemeinsam mit weitsichtigen Industriellen erklärt, daß die Mitarbeit der Gewerkschaft einen logischen Schritt vorwärts zur vollen Verwirklichung der führenden Rolle der Betriebsführung unter modernen Verhältnissen darstellt. Sie ist notwendig, um die Teilnahmslosigkeit zu bekämpfen und das Mißtrauen der Arbeiter der Betriebsführung gegenüber zu zerstreuen, das so viele Jahre in der ganzen industriellen Welt geherrscht hat. Da die Gewerkschaft das Organ ist, in dem der Arbeiter seinen Anwalt sieht, dem er Vertrauen entgegenbringt, bildet sie die natürliche Quelle dieses Gefühls der Sicherheit, die der kleinste Schritt in Richtung auf eine engere Zusammenarbeit erfordert. Die erste große Aufgabe jedoch, die Gewerkschaft und Betriebsführung zu lösen haben, besteht darin, in den Arbeitern die Erkenntnis wachzurufen, daß sie ihre Fähigkeit zu denken nutzen können. 1 ) Siehe: Patrick J. Carey, Chairman, London Area Shop Stewards Association, über eine Studienreise zum Besuch amerikanischer Kriegsindustrien (nicht veröffentlicht).
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Ein weiteres Hindernis zur Erreichung einer höheren Produktion, das dem gegenseitigen Mißtrauen zwischen Arbeiterschaft und Betriebsführung entspringt, liegt darin, daß die Arbeiter kaum glauben können, daß die ihnen gewohnten und vertrauten Fragen ihrer täglichen Plackerei oft von entscheidender Bedeutung sind. Diese anscheinend unbedeutenden Dinge können das Verhalten von Kunden beeinflussen und sich auf das Gedeihen des ganzen Unternehmens auswirken. Die Betriebsführung muß in den Arbeitern irgendwie die Erkenntnis wachrufen, daß diese Einzelfragen in ihrer Gesamtheit bedeutungsvoll sind und sich zu eindrucksvollen Resultaten verdichten. Drittens gilt es dem Arbeiter beizubringen, daß nicht der ganzen Welt bekannt ist, was er von seiner täglichen Arbeit und ihren Schwierigkeiten weiß. Damit verbindet sich das uralte Problem des Selbstvertrauens, die Aufgabe, den Menschen den Glauben an ihr eigenes Denkvermögen zu geben. Die Industrie muß dieses Problem lösen. Durchführung
des
Planes
Das GPK wird oft mit einer Massenversammlung und großen Feierlichkeiten eingeleitet. Selbstverständlich müssen derartige Versammlungen unter gemeinsamer Oberleitung erfolgen, unter Beteiligung der leitenden Organe von Betriebsführung und Gewerkschaft, um die Zuhörer von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen. Diese formelle Einführung bedarf keiner schaubudenartigen Anpreisungen. Die Sprecher können das GPK sehr gut als einen logischen Schritt zur Erzielung jener besseren Gemeinschaftsarbeit erklären, von der die Zukunft des Unternehmens abhängt, sowie zur Ermöglichung der Mitarbeit aller, die dort ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie können ihren Glauben an den im Grunde vorhandenen guten Willen jedes einzelnen zum Ausdruck bringen, sobald einmal die Möglichkeiten einer engeren Gemeinschaftsarbeit von ihm erkannt werden. Ein derartiges Vorgehen vermeidet die unechten und unaufrichtigen Versprechungen, die für so manchen kurzlebigen Versuch einer Zusammenarbeit charakteristisch sind. Es gibt der Gruppe ferner die Sicherheit, daß dieses Vorhaben nicht gleich einem Pendel zuerst in Richtung auf Zusammenarbeit ausschwingt und dann bald zu dem alten Mißtrauen wieder zurück, sondern dauernd darauf gerichtet ist, seine Politik zu verbessern, um mit den fort70
schrittlichsten Methoden in der modernen Industrie Schritt zu halten. Wie überzeugend auch diese Zusicherungen klingen mögen, so werden sich doch bald Arbeiter und Vorarbeiter finden, die behaupten werden, es handle sich hier um einen neuen „Schwindel". Sobald dieser Augenblick kommt, muß das GPK darauf hinweisen können, daß die obersten Organe der Betriebsführung wie auch der Gewerkschaft das neue Programm unterschrieben haben. Abschriften der ursprünglichen Zusicherungen der führenden Persönlichkeiten beider Gruppen könnten zur Verfügung gestellt werden. Um ihnen eine möglichst weitgehende Verbreitung zu sichern, sollten sie in Gewerkschafts- und Betriebsnachrichten oder auf andere Weise veröffentlicht werden. Beide Gruppen sollten, kurz gesagt, alles unternehmen, um ihre Aufrichtigkeit zu beweisen — in der Erwartung, daß man darauf hinweist. Nach der Versammlung und nach der Organisierung des GPK müssen diesen kühnen Worten Taten folgen. Der Beweis muß erbracht werden, daß es sich hier um mehr handelt als bloße Augenauswischerei. Der Wert, der der öffentlichen Bekanntmachung der GPK-Protokolle zukommt, wurde bereits erwähnt. Noch wichtiger ist die persönliche Bearbeitung des einzelnen Arbeiters durch Arbeitervertreter und der Werkmeister durch leitende Organe. Die Arbeiter sind in der Regel zu vernünftig, um sofortige Maßnahmen bezüglich jedes einzelnen Problems zu erwarten oder sich zurückgestoßen zu fühlen, wenn sie nicht sofort zur Meinungsäußerung über ihre eigene Arbeit aufgefordert werden. Das GPK sollte jedoch ohne unnötige Verzögerung ausreichende technische Vorkehrungen treffen, die es ermöglichen, die Arbeiter entsprechend zu unterrichten und auch aufzufordern, ihre eigenen Probleme und ihre Vorschläge zu ihrer Lösung darzulegen, die nützlicherweise ins Arbeitsprogramm aufgenommen werden können. Auf diesem Wege kann das GPK bald den Beweis erbringen, daß es seine Aufgabe ernst nimmt, sich die Beteiligung aller wirklich Interessierten zu sichern. Es sollte stets die Auffassung vertreten, daß jeder einzelne eine oder mehrere wertvolle Ideen, namentlich im Umkreis seiner eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, haben kann. Seine Mitglieder können mit Recht annehmen, daß sich jeder einzelne, „der einen Kopf auf den Schultern trägt", nach der Aufgabe sehnt, seinen Verstand zum Vorteil des Betriebes, in dem er arbeitet, und derjenigen, mit denen er 71
zusammenarbeitet, zu nutzen. Die GPK-Mitglieder müssen ihre eigene Überzeugung, ihren Glauben an die Fähigkeit des GPK unter Beweis stellen, wahre Gemeinschaftsarbeit zu entwickeln und jeden einzelnen im Betrieb wirklich auf das Niveau eines gleichberechtigten Betriebsangehörigen zu heben. Die GPK-Vertreter müssen mit Wort und Tat ihre Bereitwilligkeit dartun, dort Anerkennung zu gewähren, wo Anerkennung verdient ist, und dabei lieber des Guten eher zuviel tun, um den Verdacht zu vermeiden, daß sie sich die Talente zu ihrem eigenen Vorteil heraussuchen. Sie müssen rasch entschlossen sein, einen Arbeiter oder Werkmeister zu einer Besprechung einzuladen, dessen Anwesenheit möglicherweise zur Lösung eines Problems beitragen kann. Dieses direkte und aufrichtige Suchen nach Lösungen ist das beste Mittel, das zweifache Vorurteil von Arbeitern und Werkmeistern zu überwinden, wie es in den Worten zum Ausdruck kommt: „Hier kann man keine Anerkennung finden" und „er interessiert sich für nichts anderes als den Lohnbeutel". Die persönliche Anrede, die persönliche Anerkennung und die Erwartung guter Ideen sind das sicherste Mittel, das aktive Interesse für die Gemeinschaftsarbeit zu wecken. Eine sich allgemein durchsetzende Erkenntnis, daß die Meinung jedes einzelnen der Berücksichtigung wert erachtet wird, eröffnet die Möglichkeit, den Verstand aller einzusetzen und ihr Interesse an der Arbeit darzutun. Eine bloße Aufforderung mitzuarbeiten, die nicht durch eine direkte Beteiligung erhärtet wird, kann diesen gewaltigen Wandel in der Einstellung nicht herbeiführen. Das ist die Aufforderung, nach der sich unser „ J o e " sehnte und die an ihn nicht gerichtet wurde. Während Joes Vorarbeiter die Zeit fehlte, sich mit dem zu beschäftigen, was Joe im Sinn hatte, kann sich Joes Vertreter die Zeit nehmen, sich mit seiner Idee zu befassen. E r kann entscheiden, ob er sie für Joe erklären oder ob er es so einrichten soll, daß Joe sie selbst vor dem GPK vertritt. Das GPK bietet das beste Mittel zu ihrer schnellen, sachkundigen und unparteiischen Beurteilung und, wenn nötig, zu ihrer Verbesserung. Wenn das GKP Joes Vorarbeiter in der Angelegenheit befragt, wird der letztere vielleicht sagen: „Das Ganze ist nicht so einfach wie es aussieht, ich glaube, der Vorschlag kann durch eine Besprechung zwischen dem Werkzeugkonstrukteur, Werkzeugmacher und Joe verbessert werden. Und ich möchte selbst auch dabei sein." 72
Da nunmehr geeignete Mittel zur Verfügung stehen, die Ideen Joes zu fördern, braucht der vielbeschäftigte Vorarbeiter keine ausgedehnte Erörterung mit ihm zu befürchten. Er kann Joe zu seiner Klugheit und seiner Initiative beglückwünschen, ohne dabei zu riskieren, daß er mit einer zusätzlichen Aufgabe belastet wird. Wird ihm eine Idee vorgetragen, dann braucht er nur auf den nächsten GPKMann zu verweisen, dem sie vorgelegt werden soll, dem Arbeiter für sein Interesse zu danken und weiterzugehen. Diesmal befindet er sich nicht mehr in der wenig beneidenswerten Lage, Menschen abweisen zu müssen, die für ihn arbeiten. Diese Einstellung müssen sich alle leitenden Organe zu eigen machen und sich vor Augen halten, daß auch sie gegenüber Joe und seinen Arbeitskameraden gewisse Verpflichtungen haben. Sie müssen zu verstehen geben, daß sie seine Mitarbeit wirklich anerkennen. Arbeitet das GPK auf diese Art und Weise, dann fördert es die Initiative und die Erfindungsgabe wie die Fähigkeit, etwas deutlich zu erklären und die Ansichten anderer, die weniger wortgewandt sind, kennen und würdigen zu lernen sowie auch zu verdolmetschen, zu analysieren und anzueifern. Die Exekutivorgane tragen zur Verbreitung der Idee der Gemeinschaftsarbeit bei, sooft sie dartun, daß sie diese Eigenschaften hochschätzen, und erkennen, daß dies die Elemente sind, aus denen eine echte Zusammenarbeit erwächst. Auf die Arbeiter macht es natürlich tiefen Eindruck, wenn sie beobachten können, daß denjenigen, die solche Führereigenschaften an den Tag legen, größere und verantwortungsvolle Aufgaben übertragen werden. Wenn nach einer gewissen Versuchszeit bestimmte Arbeiter oder leitende Organe noch immer mißtrauisch sind oder Schwierigkeiten machen, dann dürfte es am besten sein, die oberste Betriebsleitung und die Vertreter der Gewerkschaft wieder in Erscheinung treten zu lassen. Keine Situation ähnelt einer anderen und eine jede muß unabhängig geprüft werden. Entweder können oberste Betriebsführung und Gewerkschaft bei einem bestimmten aktuellen Problem gemeinsam vorgehen oder sie erscheinen bei der nächsten GPK-Sitzung und sprechen vor dem Komitee über ein Problem, das ihnen den Anlaß dazu liefert. Auch andere Mittel kommen in Betracht, womit sie ihr unvermindertes Interesse an der Arbeit des GPK im Betrieb unterstreichen können. Es kann zweckmäßig sein, die Revisoren 73
zu einer Sitzung zusammenzurufen, in der die bisher erzielten Fortschritte festgestellt und die bestehenden Hindernisse offen besprochen werden. Man könnte sich auch vorstellen, daß die beiden leitenden Gruppen eine sachkundige Person oder einen Ausschuß bestellen, der den Fortschritt des GPK „überprüft", darüber Bericht erstattet und Vorschläge zur Verbesserung seiner Organisation und seiner Verfahrensweisen macht. Damit wurden manchmal ausgezeichnete Erfolge erzielt. Es ist zum Teil die Unterlassung, den in den neuen Beziehungen zwischen den Menschen ruhenden Möglichkeiten nachzugehen, die uns an den Ausspruch erinnert, „die Demokratie sei niemals wirklich versucht worden". Das Problem ist tatsächlich wichtig genug, daß sich die besten Köpfe in der Industrie damit beschäftigen. Warum
kein
Vorschlagsystem?
Ein Vorschlagsystem ist zwecklos, wenn nicht parallel damit eine individuelle und ständige Einflußnahme auf Arbeiter und Vorarbeiter erfolgt. Wir haben bereits darauf hingewiesen, wie wichtig die persönliche Arbeit von Vertretern des GPK ist. Der Kontakt mit den Arbeitern erfolgt in solchen Fällen auf dem Wege über spezifische Probleme — d. h. zwei Sachkundige setzen sich zusammen und nicht ein Vorgesetzter und ein Untergebener, von dem Mitarbeit gefordert wird. Diese Tätigkeit ist wichtig für eine wirksame Beteiligung, gleichgültig, ob Vorschlagkasten verwendet werden oder nicht. Einen mühelosen Weg zur Erzielung einer wirksamen Mitarbeit gibt es nicht, und Vorschlagsysteme funktionieren nicht von selbst. Der Hauptteil der Arbeit kann nicht durch kommerzialisierte Plakate getan werden. Die Vorschlagsysteme müssen besonders erwähnt werden, da sie heute von gewissen Gesellschaften mit passenden Plakaten, Schreibmaterial und Vorschlagkasten auf den Markt gebracht werden. In den betreffenden Reklameankündigungen mag nun zugegeben werden oder nicht, daß es zur Erzielung von Vorschlägen persönlicher Arbeit bedarf und fast immer ein grundlegender Wandel in der Einstellung sämtlicher Beteiligten erforderlich ist. In erster Linie arbeiten diese Gesellschaften bei ihrer Reklame mit dem Hinweis, daß sich eine Fülle von neuen Ideen ergeben wird, wenn man ihre Plakate neben den Vorschlagkasten aufhängt, wobei in unmißverständlicher Weise angedeutet wird, daß 74
man sich die geistigen Kräfte der Arbeiter nutzbar machen will. Vorschlagkasten spielen niemals eine wichtige Rolle zur Förderung der Mitarbeit; die Mitarbeit ergibt sich aus der Entwicklung einer gesünderen Betriebspolitik und ihrer unermüdlichen Anwendung. Auch ohne packende Ankündigungen sauber aufgemachter Systeme zeigen noch Tausende von Betrieben die Spuren von Vorschlagsystemen, die mit einem Mißerfolg endeten. In einer Fabrik im Osten Amerikas mit einer Belegschaft von 15.000 Personen wurde ein Kriegsproduktionskomitee eingerichtet, das gleich so vielen anderen ein Vorschlagsystem propagierte, anstatt Gemeinschaftsarbeit zu entwickeln. Die Arbeiter aber erkannten bald, daß die Betriebsführung es daran fehlen ließ, in ihren eigenen Handlungen Gemeinschaftsarbeit zu demonstrieren. Nach einigen ermüdenden Monaten kam die Betriebsführung zu dem Schluß, daß weitere Vorschlagkasten notwendig seien. Während des ersten Monates lieferten diese hübschen Kästchen in einer der wichtigsten Abteilungen des Betriebes im ganzen zwei Vorschläge, die beide an sich völlig unbedeutend waren. Die Vertreter der Gewerkschaft waren jedoch überzeugt, daß die Arbeiter mehr gute Ideen hätten. In dem Bestreben, ihr Kriegsproduktionskomitee zu stärken, sagten sie zu den Arbeitern: „Wir wissen, daß ihr Besseres leisten könnt. Erzählt uns eure Ideen und wir werden dafür sorgen, daß sie sofort behandelt werden und daß jeder von euch für seine Gedankenarbeit Anerkennung findet." Die Folge dieses persönlichen Appells war, daß — in derselben Abteilung — während des folgenden Monats mehr als 70 Vorschläge eingereicht wurden. Unter ihnen befand sich einer, der nach der Schätzung der Betriebsführung mehr als 20.000 Dollar im Jahr an Betriebskosten ersparen würde. Es ist zu vermerken, daß dieser Appell im Gegensatz zu dem „Komm schön brav hierher"-Verfahren stand, auf das nach Erwartung der Betriebsführung das Komitee reagieren sollte. Die bloße Tatsache, daß der Appell ein persönlicher war und von jenen ausging, die das Vertrauen der Arbeiter besaßen, führte zu Resultaten, die in krassem Gegensatz zu den sterilen Methoden des Vorschlagsystems standen. Es kann auch vorkommen, daß das GPK aufgefordert wird, ein neues Vorschlagsystem in Gang zu bringen oder ein altes neuerlich in Verwendung zu nehmen. Im allgemeinen ist es besser, wenn das GPK sich bei der Einführung all des 75
Beiwerks von Vorschlagkasten, Plakaten und Formularen Zurückhaltung auferlegt. Am besten ist es, von seiner Verwendung überhaupt Abstand zu nehmen, außer die Forderung danach geht von den Arbeitern aus und genießt weitgehende Unterstützung. Besteht ein allgemeines Verlangen nach einem Vorschlagkastensystem, so bedeutet das nicht nur, daß das GPK mit Erfolg auf eine Beteiligung aller hingearbeitet hat, sondern auch, daß die Arbeiter das Bedürfnis nach einem allgemeinen praktischen Mittel zur Weiterleitung ihrer Ideen an das GPK empfinden. Wird ein solches System von den Arbeitern verlangt, statt daß es ihnen aufgezwungen wird, dann ist es kein Propagandamittel, sondern stellt einen Weg zur Mitarbeit, ein Hilfsmittel zur Verständigung dar. In diesem Sinn kann es sich recht nützlich erweisen. Wenn die Arbeiter genügend fest davon überzeugt sind, daß ihre Ideen dem GPK besser durch ein Vorschlagsystem zugeleitet werden können, dann wäre es zweckmäßig, davon in der Weise Gebrauch zu machen, daß man die Arbeiter veranlaßt, einen eigenen Ausschuß zur Ausarbeitung eines ihren Wünschen entsprechenden Vorschlagsystems zu bestellen oder zu wählen. Dieser Ausschuß hätte die Formen zu bestimmen (wobei man sich für oder gegen die Verwendung von Kennummern entscheiden kann, wodurch der Name des Urhebers einer Idee bei ihrer Beurteilung unbekannt bleibt) sowie die Verfahrensweisen auszuarbeiten, wie die Anregungen weiterzuleiten sind. In der Regel besteht natürlich ein ständiger Ausschuß, der die Einreichung von Vorschlägen bestätigt, die ungeeigneten ausscheidet und den Einreichern der letzteren die Gründe auseinandersetzt, warum sie für ungeeignet gehalten wurden. Darüber hinaus werden von ihm die vorläufig zurückgestellten Vorschläge weiter im Auge behalten und ihre schließliche Behandlung gesichert sowie Anerkennungen für die gebilligten Vorschläge ausgesprochen. Sind
Barvergütungen
das
Richtige?
Es ist für das GPK selten zweckmäßig, ein Barvergütungssystem zu begünstigen, und noch weniger, eine systematische Entlohnungsskala aufzustellen. Dies hauptsächlich darum, weil die praktische Erfahrung des GPK immer klarer beweist, wie schwer es bei Ideen ist, die Urheberschaft eindeutig nachzuweisen. Denn Ideen entstehen aus Situationen, an denen 76
in Summe Hunderte oder Tausende teilgehabt haben. Eine Idee kann an einem Ort eine Million wert sein, während sie an einem anderen wertlos ist. Die Notwendigkeit einer Verbesserung kann gerade deshalb erkannt werden, weil es einen Zusammenstoß gegeben hat, und eine scharfsinnige Untersuchung der Ursache des Zusammenstoßes kann den Beobachter über drei Viertel des Weges zur Lösung bringen. Diese Diagnose kann den schwierigsten Teil bilden und doch stellt sie ohne tatsächliche Lösung technisch überhaupt keine Erfindung dar. Abgesehen von den groben Hinweisen, die die Maschinen manchmal selbst liefern, können Gespräche während der Essenspause, der Mann an der nächsten Maschine oder die Gedanken Joes über seine Spannvorrichtung einzeln oder alle zusammen den Nachdenkenden in jene glückliche Richtung gewiesen haben, die schließlich zu einer wertvollen Idee führte. Zweifellos hat jede Idee ihre Ursache. Nichts stammt ausschließlich aus der reinen Phantasie. Aber ebensowenig wie man sich an alle Einzelheiten eines Traumes erinnern kann, genau so wenig kann der Urheber einer Idee seinen Gedankengang bis zum Anfang zurückverfolgen oder die Vorarbeit aller anderen, die sie möglich gemacht haben, anerkennen. Dies ist jedoch nur ein Teil der Schwierigkeiten. Die Idee kann schon früher in etwas anderer Form in Betracht gezogen und aus einem Grund verworfen worden sein, der jetzt nicht mehr zu Recht besteht. Kann derjenige, der die ursprüngliche Idee hatte, ein Verdienst an der gegenwärtigen für sich in Anspruch nehmen? Ferner kann an der Idee durch diejenigen eine Abänderung vorgenommen werden, die am besten ihre verschiedenen Seiten bei der praktischen Anwendung vorauszusehen vermögen. Die Abänderung braucht die Idee nur geringfügig zu verbessern und kann sie doch fast bis zur Unkenntlichkeit verändern. Welchen Teil der Verbesserung kann der Erfinder als sein Verdienst in Anspruch nehmen? Noch komplizierter liegen die Dinge, wenn man die Angelegenheit kaufmännisch betrachtet. Der Gewinn der Gesellschaft, von dem fast immer die Höhe der Belohnung abhängt, steht in keiner wie immer gearteten Beziehung zu der Originalität der Idee oder der zu ihrer Entwicklung für Forschung und praktische Erprobung benötigten Zeit oder zu der hierfür notwendigen Erfahrung. Der größte Nachteil bei der Barbelohnung liegt jedoch darin, daß sie den besten Ideenfluß behindert. Um einen gleichmäßigen Ideenfluß zu erhalten, müssen die Arbeiter 77
das Gefühl haben, daß sie freimütig und ausführlich ihre Probleme und die Vorschläge für ihre Lösung erörtern können. Dort, wo Ideen in barem abgegolten werden, ist es fast unmöglich, jene großzügige und selbstvergessene Hingabe an die Förderung besserer Methoden zu erreichen. Die Belohnung an sich schafft irgendwie eine gewisse Geheimnistuerei. Die Idee könnte einem „gestohlen" werden, wenn sie mit anderen besprochen wird. Dieses Mißtrauen stört den Geist der Zusammenarbeit, da Zusammenarbeit auf der Voraussetzung beruht, daß alle Spieler der Mannschaft erkennen, daß sie viel besser fahren, wenn sie ihr Los mit dem der anderen vereinen und einander nicht in unfairer Weise übervorteilen wollen. Somit bewirken Barvergütungen nur das eine, daß sich die Arbeiter geheimnistuerisch absondern, also eine Stellung beziehen, die das gerade Gegenteil von Gemeinschaftsarbeit ist. Falls Barbelohnungen überhaupt verwendet werden sollen, dann muß man wissen, daß sie eine drogenartige Wirkung haben, d. h. anfänglich als Reizmittel wirken, worauf fast unweigerlich eine Reaktion oder ein Rückfall folgt. In manchen Gegenden, besonders im mittleren Westen, sind sich Betriebsführung und Gewerkschaft darüber einig, daß Barbelohnungen vermieden werden müssen. Ein Sprecher der Gewerkschaften hat sich einmal folgendermaßen dazu geäußert: „Vielleicht erhalten wir weniger Ideen, aber sicherlich haben wir weniger Schwierigkeiten und eine weniger schlechte Stimmung." Auf diesen Gegenstand kommen wir in Kapitel VI noch einmal zu sprechen. Hier gilt unser Hauptaugenmerk dem Mechanismus einer kooperativen Beteiligung und der Einstellung, die erforderlich ist, um das Interesse aller an dem Betrieb zu wecken. Später werden wir den Schaden untersuchen, der durch eine falsche Betonung der Reizmittel der Akkordarbeit angerichtet wird. In Kapitel VII werden wir dann die Methoden anführen, die geeignet sind, stärkere Triebkräfte auf den Plan zu rufen. Die große Gelegenheit zur Entwicklung gesunder Beziehungen in der Industrie verlangt eine sorgfältige Prüfung unserer bisherigen Methoden zur Mobilisierung der menschlichen Triebkräfte — genau so wie man neue Stoffe oder vorgeschlagene Erzeugungsverfahren prüft.
78
V.
Gemeinschaftsarbeit
KAPITEL
und
Leitungsorgane
„Belehren — nicht befehlen" Nicht sehr viele Menschen verstehen die Motive des menschlichen Handelns so gut wie Mr. Robert B. Wolf. Aus der Weisheit einer langjährigen E r f a h r u n g als erfolgreicher Betriebsführer gibt Wolf sein Rezept f ü r die Industrie in folgenden wenigen Worten: „Wir brauchen Männer, die aus der richtigen Erkenntnis der menschlichen N a t u r heraus nicht in den Fehler verfallen, andere beherrschen zu wollen. Sie müßten wissen, daß Beherrschung die Entwicklung der Persönlichkeit h e m m t und damit die schöpferischen K r ä f t e ausschaltet. Das bekannte Wort .Belehren, nicht befehlen' drückt diesen Gedanken richtig a u s " Erfahrener R a t dieser A r t wird leider nicht immer befolgt. Hier ein Beispiel: Eine Sitzung des G P K ist zu Ende gegangen. E n t t ä u s c h t und zornig gehen drei Arbeiter über den Hof der Fabrik. Als sie außer Hörweite sind, platzt J i m heraus: „ H a b t ihr gehört, was Collins gesagt h a t ? Er denkt gar nicht daran, Zeit oder Geld zu sparen. E r denkt n u r an sich. E r brachte keinen wirklich ehrlich gemeinten Einwand gegen die Universalsäge vor. E r h a t t e keinen, warum gab er dann seine Zustimmung n i c h t ? " „ J a " , stimmte Walt zu, „bei der letzten Sitzung benahm sich Dowling genau so. Erinnert ihr euch, als wir ihn um eine Ersatzkette f ü r das L a u f b a n d e r s u c h t e n ? " „ U n d unterstützte Collins vergangene Woche nicht Dowling genau wie Dowling heute Collins?" sagte George. „ S t i m m t " , riefen Walt und J i m zusammen aus. „Seht i h r " , sagte Jim, „Zusammenarbeit interessiert sie herzlich wenig. Sie arbeiten n u r einander in die Hände. Wartet, bis wir dem Bezirksleiter davon erzählen, der so viel auf Zusammenarbeit h ä l t ! " x ) Trade Union Agreements, in Channels for Dealing with Workers, Personal Series Nr. 27, American Management Association. 1937.
79
Später erzählen sie dem Bezirksleiter der Gewerkschaft von ihren Nöten. Den Jüngeren erschien die Sache empörend, ja skandalös, ihr Bezirksleiter aber hörte sie ruhig bis zum Ende an, bevor er sprach: Bezirksleiter: Wie groß ist die Familie von Collins? J i m : So viel ich weiß, besteht sie aus sechs Personen. B : Arbeitet eines der Familienmitglieder? J i m : Aber wo, er ist doch kaum über dreißig. B : Kannst du ihm einen Vorwurf daraus machen, daß „er nur an sich denkt", wie du sagst? J i m : Wir werfen ihm vor, daß er scheinbar etwas unternimmt, daß er Zusammenarbeit vortäuscht, daß er uns auffordert, ihm gute Vorschläge zu machen, und uns dann vor den Kopf stößt, wenn wir sie ihm auf einem silbernen Tablett überreichen. B : Schön, aber nehmt einmal an, dem obersten Chef sei zu Ohren gekommen, er habe bei einer offenkundig guten Idee versagt, wie etwa bei der Universalsäge, als sie am dringendsten gebraucht wurde. Was, glaubt ihr, würde der Chef dazu sagen? Walt: Ich glaube, der Chef würde sagen: „Eine glänzende Idee, wozu warten wir dann n o c h ? " B : Er würde noch viel mehr sagen, er würde Collins kommen lassen und ihn fragen: „Warum haben Sie nicht schon früher daran gedacht?" Er würde wissen, daß Collins wahrscheinlich wirklich schon früher daran gedacht hatte, und daher würde er mißtrauisch sein und vielleicht Collins unter Druck setzen, um herauszubekommen, was da gespielt wurde. Vielleicht würde er sagen: „Ich glaube, Sie haben vergangenen Herbst erklärt, diese Säge eigne sich nicht für Ihre Arbeit" — um ihn gewissermaßen auszuforschen. J i m : Natürlich würde das Collins große Sorgen machen. Aber warum sollte der Chef das t u n ? B : Weil der Chef genau so gut wie ihr weiß, daß sich Vorarbeiter und Werkmeister manchmal gegen ihn verbünden, und das verletzt sein Gefühl, beunruhigt ihn und er beginnt sich zu fragen, wie weit denn dieses Netz von Lügen und Halblügen nun wirklich geht. Und das veranlaßt ihn zu dem Versuch, Eingeständnisse oder Teile der Wahrheit aus jenen Unglücklichen herauszubekommen, die sich in einer Zwangslage befinden. George: Ich wette, das ist das Druckmitteil Das stimmt ganz zu der Art und Weise, wie sie sich benehmen. Aber was sollen wir da t u n ? Der Chef ist nicht im Komitee. 80
B : Nein, er ist aber auch nicht die Person, mit der gesprochen werden müßte. Ich werde mich einmal mit Ed Whalen, dem Ingenieur für Arbeitsmethoden, darüber unterhalten und sehen, ob er nicht helfen kann. Da gibt es aber noch einen Punkt, den unsere Leute verstehen lernen müßten. Ihr dürft nicht erwarten, bei kleinen Dingen für die Arbeiter Anerkennung zu finden. Ihr müßt damit zufrieden sein, daß eure Ideen verwendet werden, daß die Säge in Gang gesetzt wird und ihr euren Ersatzteil bekommt. Ihr könnt sie haben, aber nicht beides, die Anerkennung und die Sachen, wie ich die Lage sehe. Und nun danke ich euch für euren Besuch. Ich glaube, wir können uns jetzt einiges anschauen, nachdem ihr eine Reihe von klaren Fällen vorgebracht habt. Ein oder zwei Tage später besprechen der Ingenieur für Arbeitsmethoden und der Bezirksleiter die Angelegenheit. B : Besten Dank, daß Sie gekommen sind, Mr. Whalen. Unsere Jungen vom G P K sind wegen der Schwierigkeiten beunruhigt, die Sie vorausgesehen haben, als der Plan einer engeren Zusammenarbeit zum erstenmal erwähnt wurde. Sie werden sich vielleicht erinnern, daß Sie damals sagten: „Aber die Leitungsorgane verhalten sich nicht, wie es in den Lehrbüchern steht." Stimmts? W : J a , aber was ist denn geschehen? B : Nichts Besonderes, nur daß unsere Jungen daraufgekommen sind, daß es den Werkmeistern auf irgendeine Weise gelingt, den eigenen Vorteil zu wahren. Doch wie dem auch sei, die Burschen können ihnen nicht verzeihen, daß sie Zusammenarbeit vortäuschen. W : Was können denn die armen Teufel anderes tun? Sie können nicht den Alten kritisieren. Sie können nicht zusammenarbeiten und können nicht erklären, warum sie es nicht können. B : Ich weiß, Mr. Whalen. Aber hier handelt es sich um eine äußerst wichtige Aufgabe — nämlich darum, die Hoffnungen der Menschen nicht zu enttäuschen. Wir haben gelernt, wann wir einen Drillbohrer und wann wir eine Reibahle zu verwenden haben; wir haben gelernt, unsere physischen Werkzeuge zu benutzen. Nun müssen wir noch lernen, wie wir das allerwichtigste Werkzeug gebrauchen können — den Verstand von Collins und Dowling sowie den der Arbeiter. Und stimmt es nicht, daß unsere einzige Chance darin besteht, so lange zu experimentieren, bis wir es gelernt haben ? 6 Lever
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W: Richtig. Wenn es uns gelingt, dieses Problem zu lösen, dann hilft das dem armen Collins und dem Dowling sowie auch mir. Und natürlich auch dem Alten. B: Gut. Wollen Sie also mit den Leuten sprechen ? Sagen Sie ihnen, daß Sie ihnen keinen Vorwurf daraus machen, daß aber diese Verbesserungen durchgeführt werden müssen; daß sie nicht an Anerkennung denken und einfach mitarbeiten sollen und daß wir dasselbe tun werden. Und von der ganzen Sache soll weiter nicht viel Aufhebens gemacht werden. W: Ja, ich glaube, es wird gehen. Die Methode ist gut. B: Sie werden schon bemerkt haben, daß unser Betrieb nicht der einzige ist, wo Leitungsorgane einander in die Hände arbeiten. Fragen Sie irgendeinen, der „das Vertrauen der Betriebsführung besitzt". Das nennt man „Politik im Betriebe". W: Ja, aber wie wollen Sie diesem Treiben ein Ende bereiten ? B: Wenn Ihre Berufsgruppe ihre Aufgabe ernst nimmt, dann muß sie damit beginnen, dem Willen zur Zusammenarbeit die Möglichkeit zur Betätigung zu geben. Was kann es denn Wichtigeres geben, als die aufgestauten Triebkräfte, das Streben jedes einzelnen nach Fortschritt freizumachen? Und welche andere Möglichkeit bleibt uns dann noch außer Stillstand? Sie könnten die einschlägige betriebswirtschaftliche Literatur im Hinblick auf die Aufgabe der Leitungsorgane in der Gemeinschaftsarbeit durchsehen. W: Gut, gut. Ich wußte nicht, wie weit Sie sich in diese Probleme vertieft haben. Könnte Ihre Gewerkschaft auch herausbekommen, wie andere Betriebe an dieses Problem herangegangen sind? B: Einverstanden. Aber vergessen Sie nicht, daß auch wir in der Gewerkschaft unsere Schwierigkeiten haben. Wir haben es nicht immer mit reifen Menschen zu tun, die verstehen, was Sie und ich beabsichtigen. Und manche unserer Leute sündigen so wie ihr eigener Chef sündigt, aus der überholten Anschauung heraus, daß Leiten gleichbedeutend mit Beherrschen ist; Sie kennen die abtakelten Lieblingsvorstellungen, die den Herzen der leitenden Organe so teuer sind — „der überlegene Geist" und „der feste Vorsatz". Die „Politik
im Betriebe"
und ihre
Entstehung
Wer mit dem Fabriksleben nicht vertraut ist, wird dies vielleicht für einen groben Scherz ansehen. Es ist aber kein Scherz. „Politik im Betriebe" ist überall dort zu finden, 82
w o Werkmeister und Leitungsorgane i m R a h m e n ihrer normalen Berufspflichten nicht genügend Spielraum finden, sich durchzusetzen. „ I m allgemeinen", sagte Mr. E. D. Smith schon vor 19 Jahren 1 ), „werden sich, solange einem einzelnen oder einer Gruppe das R e c h t , zur eigenen Befriedigung zu arbeiten, eingeräumt wird und die Möglichkeit dazu besteht, die freigesetzten Energien auf die betreffende Arbeit auswirken." Derselbe Autor erklärt ferner 2 ): Verborgene schädliche Konflikte können die Organisation einer Gesellschaft in anderer Hinsicht (als in den Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber) durchsetzen. Es kommt z. B. nur allzu häufig vor, daß manche leitende Organe, die sich zu Unrecht um die Beförderung betrogen glauben, bei einem Unternehmen bleiben und dabei seinen Interessen zuwider handeln, indem sie ihre Arbeit gleichgültig verrichten, in der Arbeitsdisziplin nachlassen und ihre Arbeit überall dort vernachlässigen, wo sie dies ohne Gefahr der Entdeckung tun k ö n n e n . . . Veröffentlichungen aus der jüngsten Zeit bestätigen diese Ansicht. So schreibt Mr. T. N . Whitehead, der die industriellen Beziehungen eingehend zu studieren Gelegenheit hatte 3 ): Beim jüngeren Aufsichtsorgan oder Vorarbeiter ist der Schlüssel für viele Schwierigkeiten zu finden, und seine gegenwärtige Stellung nur allzu oft der Grund dafür, daß er in seiner Treue und Anhänglichkeit zwischen den Zielsetzungen seiner Vorgesetzten und den Gefühlen seiner Gruppe hin und her schwankt. U n d aus den reichen Erfahrungen v o n Morris L. Cooke und Philip Murray zitieren wir 4 ): Die Ursache für Konflikte in der Industrie ist viel weniger in dem Gewinnstreben als in dem Mißbrauch zu suchen, der von jener Leitungsbefugnis und Autorität gemacht w i r d . . . Die Hauptquelle für Spannungen liegt allem Anschein nach in der Ausnutzung der dem einzelnen offiziell zustehenden Vorrechte zu persönlichem Vorteil und für Zwecke der „Politik im Betriebe"... Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind nur sehr kleine Betriebe so organisiert, daß das Gewinnstreben allein den Leitungsstab beherrscht. Besteht eine geheime Solidarität zwischen den mittleren Leitungsorganen, dann verhindert sie Offenheit und freimütige Ehrlichkeit dem Chef gegenüber. Wenn sich in dieser Hinsicht auch Feststellungen nur schwer machen lassen, so wird der skeptische Beobachter bei vorsichtigem Nachprüfen finden, daß dieser beschämende und hemmende Zustand so allgemein verbreitet ist, daß er fast als Selbstverständlichkeit hingenommen wird. Psychology for Executives, Harper & Brothers, 1928, S. 185. ) Ibid., S. 182. 3 ) Leadership in a Free Society, S. 101. ') Organized Labor and Production, Harper & Brothers, 1940, S. 94.
2
6*
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Der Betriebsleiter einer unserer größten Gesellschaften erklärte einmal: „Gegen die Regierung wird allgemein der Vorwurf der Bürokratie erhoben; wenn sie aber letztere wirklich kennenlernen wollen, dann müßten Sie für mein Unternehmen arbeiten. Sie wirkt sich nicht nur auf die Arbeit und Produktion aus, sie wirft die gesamte Geschäftspolitik der Gesellschaft über den Haufen. Seit einiger Zeit plane ich die Gründung einer neuen Gesellschaft, deren Motto lauten würde ,Wir tun alles, was die Gesellschaft X nicht tut'. Und ich könnte in einem Jahr glatt mehrere Millionen bloß damit ersparen, daß ihre bürokratischen Fehler vermieden werden." Da das GPK weiß, was die Männer in den Werken zu leisten imstande sind, wenn die Betriebsführung ehrlich die Zügel lockert, würde es in den Plänen dieses Betriebsleiters eine große Rolle spielen. Politik im Betriebe kann man als die Ausnutzung bevorzugter Stellungen zu persönlichem Vorteil definieren. Sie kann mehr oder minder unbedeutender bzw. unschuldiger Natur sein, wenn z. B. eine Gruppe übereinkommt, den Chef nicht mit kleinen unerfreulichen Vorkommnissen zu belasten, die sie zu beheben oder zu „vertuschen" beabsichtigen. In schlimmeren Fällen können bedeutende Verluste verheimlicht werden, die zum Zweck einer eventuellen Verbesserung der Methoden durch die Betriebsführung untersucht werden müßten. Es ist natürlich bekannt, daß höhere Betriebsorgane öfter aus Egoismus intrigieren, um den leitenden Mann aus dem Sattel zu heben. Aber selbst in den unschuldigsten Fällen ist das Reinergebnis wahrscheinlich eher schlecht als gut. Vorausdenken und Vorsicht sind für eine gute Betriebsführung notwendig, wo aber diese dazu dienen, dumme Fehler oder nachlässige Kontrollen zu verheimlichen, ist Verschwendung unvermeidlich. Im schlimmsten Fall deutet die Politik im Betriebe auf organisatorischen Verfall hin, der ernstlich den Bestand des Unternehmens gefährdet. Politik im Betriebe entsteht dadurch, daß man Menschen in eine Lage bringt, die der „menschlichen Natur" zuwiderläuft, indem man sie durch den Appell an Motive lenken zu können glaubt, die sie logischerweise weder ansprechen noch bewegen. Es ist ganz unlogisch zu sagen, ein Angestellter sei versucht, „die Stellung von Nummer eins anzustreben". Nur dort, wo dieses Motiv nicht zum Vorteil ausgenutzt werden kann, versuchen die Collins und Dowlings, sich ihre Stellungen über Hintertürchen zu sichern. Dieser Grundzug der menschlichen Natur wirkt sich recht glücklich und offen 84
aus, wenn er kann. Kann er es aber nicht, dann geschieht es im verborgenen, indem man sich gegenseitig in die Hände arbeitet oder zu anderen Mitteln greift. Betrachten wir einmal näher, wie die Sache mit Collins und Dowling stand. Sie mußten sich mit dem Chef gut stellen und fürchteten, man würde sie rufen lassen oder sie würden durch derartige eindeutige Verbesserungen entlarvt werden, wie sie im GPK herausgebracht wurden. Doch steckte dahinter noch mehr, wie der Gewerkschaftsleiter richtig angedeutet hatte. Denn das wichtigste Element eines guten Verhältnisses zum Chef ist der Ruf, ihm und der Firma freundschaftlich und ergeben gegenüberzustehen. Collins und Dowling sehen sich in einer Vertrauensstellung. Infolgedessen sind die armen Mitglieder der Clique verwundbar, und zwar nicht so sehr wegen ihrer ursprünglichen Nachlässigkeit, die sie zu vertuschen übereinkamen, sondern vielmehr deshalb, weil sie sich dem Vorwurf mangelnder Ergebenheit der Gesellschaft und, was noch schlimmer ist, dem Chef gegenüber ausgesetzt haben. Unter diesen Verhältnissen sind in solchen mechanistischen Betrieben viele bei dem Kampfe um eine bevorzugte Stellung in der Kunst sich „hinaufzureden" Meister geworden. Und eines der verlockendsten Mittel dazu ist, den Ruf des anderen zu untergraben. Daher bemüht sich die Clique nicht nur, ihre Geheimnisse vor dem Chef zu verbergen; ihre Mitglieder müssen dies auch vor allen anderen tun. Jede vorgeschlagene Änderung in den Methoden kann entweder eine heikle Angelegenheit ans Licht bringen, die sie nicht freimütig erörtern können, oder den Verdacht stärken, daß sie in keiner Weise aufrichtige oder ergebene und treue Organe sind. Da die meisten Menschen es vorziehen, durch ehrliches Verhalten vorwärtszukommen, sind diejenigen, die sich im Intrigennetz der Politik im Betriebe gefangen haben, nicht unbedingt zu verurteilen. Gleich den Arbeitern schließen sich die Vorgesetzten zusammen, wenn sie glauben, sich schützen zu müssen. Häufig sind ihnen die Erniedrigung wie die Gefahren des Intrigenspiels zuwider. Gerade die Tatsache, daß so viele Menschen es ablehnen, auf Kosten ihrer Kameraden vorwärtszukommen, ist Beweis für einen der schönen Züge der menschlichen Natur. Das von dem Gewerkschaftsleiter an den Tag gelegte Verständnis paßt viel besser zu den gegebenen Umständen als die Empörung 85
seiner jungen Freunde. Übrigens ist die Politik im Betriebe nicht auf die Produktionsstätten als solche beschränkt; sie ist überall das Merkmal einer mechanistischen oder schlechten Betriebsführung, womit die Parallele zu dem Verhältnis zwischen General und Maultier gegeben ist. Symptome
der Politik
im
Betriebe
Die meisten von einem derartigen Cliquenwesen durchsetzten Betriebe zeichnen sich durch Zynismus gegen Verbesserungen und Spott gegen jene aus, die auf Verbesserungen hinarbeiten. Da aber die Gegner derselben ihre wahren Beweggründe nicht immer angeben können, sind die von ihnen vorgebrachten häufig offenkundig falsch. Tatsächlich wird jede vorgeschlagene Änderung gefürchtet, nicht so sehr um ihrer selbst willen als vielmehr deshalb, weil sie zu unangenehmen Entdeckungen früherer und verborgen gebliebener Verstöße führen oder sonst irgendwie eine unsichere Sicherheit gefährden kann. Und als Folgeerscheinung deuten fast alle Symptome von Bürokratie auf das Vorhandensein eines Cliquenwesens hin. Dort, wo eine unzugängliche Betriebsführung aus größerer Entfernung vom Schauplatz der Vorgänge aus arbeitet, ist die Wirkung natürlich um so größer. Umgekehrt ist gewöhnlich dort, wo ein freundlicher, leichter Kontakt zwischen Vorgesetzten und Untergebenen besteht, eine aufgeschlossenere Einstellung und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Vorgesetzten zu finden. Manchmal, wenn auch nicht sehr häufig, gelingt es einer Abteilung, im eigenen Rahmen ein gewisses Maß organischer Beziehungen zu erzielen, selbst wenn die oberste Betriebsführung dagegen ist. In der Regel wird jedoch die Politik der obersten Betriebsführung auf der ganzen Linie bis hinunter Nachahmung finden. Das
GPK
und die
Politik
im
Betriebe
Angesichts der Findigkeit der Menschen sind die Möglichkeiten für den Mißbrauch von Vorrechten unbegrenzt. In dem Maße, in dem sich organische Beziehungen entwickeln, werden viele derartige Mißbräuche zugunsten einer engeren Zusammenarbeit abgestellt. In manchen, sehr kleinen Betrieben wird ein solches Verhältnis automatisch ohne viel Gedankenarbeit erreicht. Unter den Großbetrieben gibt es 86
wahrscheinlich nur wenige, die bewußt die Entwicklung organischer Beziehungen planen oder an die Ausschaltung der Politik im Betriebe herangehen. Direkt ist das GPK selten imstande, auf diesem Gebiet viel zu tun. Der Gegenstand ist viel zu heikel und für eine gemeinsame Diskussion wenig geeignet, da die Mitglieder einer Clique ihre Zwangslage nicht ohne Gefahr zugeben können. Das GPK wird daher besser weiterkommen, wenn es mit Klugheit vorgeht, als wenn es nutzlos Argumente vor Leuten wiederholt, die zwangsläufig für diese unzugänglich sind. Vielleicht kann, wie dies vom Bezirksleiter der Gewerkschaft Whalen gegenüber vorgeschlagen wurde, ein aufgeschlossener Mann aus der Betriebsleitung als Wegbereiter für bestimmte Verbesserungsvorschläge dienen. Das GPK kann sich stillschweigend dazu verstehen, in seinen Protokollen derartige heikle Themen nicht zu verzeichnen. Solche Mittel können in ganz bestimmten Fällen helfen, doch beheben sie die wahre Ursache nicht. Das GPK muß sich vor allem darüber im klaren sein, daß Politik im Betriebe ein sicheres Anzeichen für inneren Verfall ist, und kann allmählich darauf hinarbeiten, daß sie unnotwendig und schließlich unentschuldbar wird. Es ist jedoch eine schlechte Methode, diejenigen, die sie betreiben, zu schmähen, da sie ebensooft auch ihre Opfer sind. Jedes Zeichen von Unnachgiebigkeit ihnen gegenüber steigert nur ihre Furcht und verstärkt nur ihren Widerstand. Zum Glück sind die Heilmethoden gegenüber der Politik im Betriebe auch gute Arzneimittel bei manchen anderen Schwierigkeiten. Ein wirksames Mittel gegen die Teilnahmslosigkeit der Arbeiter — wie die Leistungstafel z. B. — hilft auch bei der Lösung dieses heiklen Problems (siehe diesbezüglich Kapitel VII). Die Leistungstafeln werden ohne Rücksicht auf irgendein Problem der Zusammenarbeit unter den Aufsichtsorganen benötigt. Die besten Ergebnisse wurden dort erzielt, wo die Zusammenarbeit gut funktionierte. Wir werden jedoch sehen, wie bei der Verwendung der Leistungstafeln besondere Betonung auf die zu leistende Arbeit gelegt und damit ein verläßliches Bild von der Leistung des der Gruppe vorstehenden Werkmeisters gewonnen wird. Denn die Leistung einer Mannschaft ist die Leistung ihres Kapitäns. Damit beseitigen die Leistungstafeln nebenbei auch die auf gut Glück erfolgte Beurteilung der Leistung der Aufsichtsorgane, indem diese Beurteilung durch Verzeichnung der tatsächlich vollbrachten Leistung ersetzt wird. Eine 87
Zeitlang kann die oberste Betriebsführung dieses Verfahren nicht beachten, sie kann seine Annahme jedoch auf die Dauer nicht verhindern, da Leistungstafeln einen taktvollen und mühelosen Weg darstellen, in der obersten Kontrolle eine allmähliche Reform herbeizuführen. Es gibt noch andere Mittel, das Problem der Politik im Betriebe parallel mit der Überwindung irgendeines anderen im Leitungsstab begründeten Hindernisses zu lösen. Eines der nützlichsten davon ist eine gewisse Form der Budgetkontrolle. Diese wird in der Regel eingeführt, um Finanzoperationen mit Ökonomie und Voraussicht planen zu helfen. Gleichzeitig legt sie aber für jedes Leitungsorgan gewisse Pflichten eindeutig fest und überprüft laufend, wie es diese erfüllt. Die Budgetkontrolle liefert somit einen Ausweg aus der Politik im Betriebe. Dagegen könnte eingewendet werden, daß viele Gesellschaften Budgetkontrollen haben und dennoch an einer Politik im Betriebe leiden. Das ist wohl richtig, denn ihre Beseitigung erfordert mehr als die Sammlung von Unterlagen darüber, wie die verschiedenen Pflichten erfüllt werden. Die obersten Leitungsorgane haben die Berichte zu studieren, vorkommende Unterlassungen mit den betreffenden Untergebenen zu erörtern und es allgemein klarzumachen, daß Resultate — und nicht schönklingende Ausreden — erwartet werden. Tatsächlich bekommen die leitenden Organe bei richtiger Durchführung der Budgetarbeit im voraus Kenntnis davon, wo Kosten aus dem Rahmen fallen, so daß die Betriebsleitung entsprechende Vorkehrungen zur Deckung nicht in Rechnung gestellter Ausgaben, die sich nicht vermeiden lassen, treffen kann. Die Politik im Betriebe blüht dort unentwegt weiter, wo die leitenden Organe es unterlassen, sich auf ihre eigenen Aufzeichnungen als ein primäres Mittel der Betriebskontrolle zu stützen. Dort, wo die Leitungsorgane sie als Wegweiser für die Leistung ignorieren, werden die Untergebenen dasselbe tun. In vielen Abteilungen sind die Kosten nicht der einzige Kontrollfaktor. Von gleicher Bedeutung können Qualitätsgrade und die Einhaltung von Lieferterminen sein. Oft ist es nötig, mehrere Faktoren gemeinsam zu beobachten, wenn die verschiedenen Abteilungen gut geleitet und die Untergebenen gerecht behandelt werden sollen und damit der Leitung vertrauen lernen. Es ist immer ein Zeichen, daß Gefahr im Verzug ist, wenn es keine fest umrissenen Aufgaben — sei es für Aufsichtsorgane, sei es für Arbeiter — gibt. Wo immer dieses Problem auftritt, kann das GPK 88
in geeigneter Weise die Gründe dafür angeben und Vorschläge zu seiner Lösung machen. Wir haben bisnun die tieferen Ursachen für eine unzulängliche Verwaltung in genügender Menge kennengelernt, um verstehen zu können, daß verbesserte Systeme zwecklos sind, wenn nicht die Vorstellung, andere beherrschen zu zu können, ausgemerzt wird. Das GPK muß sich darüber klar werden, ob durch die von ihm vorgeschlagene Methode diese Änderung in der Einstellung herbeigeführt werden kann. Die Arbeitermitglieder des GPK werden öfters versucht sein, sich direkt an den Chef der Betriebsleitung zu wenden, wenn sie nicht imstande sind, Zusammenarbeit zu erreichen. Bei einem solchen zweifelhaften Versuch werden sie möglicherweise den Werkmeistern bloß Unannehmlichkeiten bereiten und nicht nur Ressentiments, sondern auch Ungerechtigkeiten verursachen. In ernsteren Fällen werden sich, wenn man von Ausnahmefällen absieht, sicherlich Gelegenheiten ergeben, auf den durch das Fehlen klar umrissener Aufgaben entstehenden Schaden hinweisen und Anregungen geben zu können, wie diesem Mangel abgeholfen werden könnte. Damit werden persönliche Anschuldigungen vermieden und der Vorschlag erfolgt in einer weniger aggressiven Form. Es gibt verschiedene Methoden, damit der Werksdirektor Einblick in diese Art von Problemen gewinnen kann. Er kann den Betrieb irgendeines anderen Werksdirektors besuchen, der dieses Problem gemeistert hat; er kann an einer Sitzung der Gesellschaft für Betriebsführung teilnehmen oder sich mit anderen Werksleitern, die auf diesem Gebiet Erfolg gehabt haben, beraten; er kann sich aber auch dafür entscheiden, (gegen ein Honorar) zwei oder drei Gutachten von Konsulenten für Betriebsführung einzuholen, sodann die günstigsten Vorschläge auswählen und vielleicht einen von ihnen mit der Durchführung des Planes betrauen. In den meisten Fällen kann jedoch weder von den Untergebenen des Werksleiters noch auch von den Vertretern der Gewerkschaft mehr erwartet werden, als daß sie im allgemeinen eine Vorgangsweise aufzeigen, die allem Anschein nach einer näheren Untersuchung wert ist. Auch die Gewerkschaft hat die Pflicht, den Boden vorbereiten zu helfen, wenn das GPK Erfolge erzielen soll. Zuerst muß sie von sich aus die Einstellung ihrer lokalen Funktionäre und Mitglieder sondieren, um festzustellen, ob sie die Verantwortung für eine Zusammenarbeit zwischen 89
Gewerkschaft und Betriebsführung übernehmen kann. Hat sie sich einmal auf das Programm festgelegt, dann ist es ihre Pflicht, daran festzuhalten. Sie muß die Mittel liefern, mit deren Hilfe ihre eigenen Mitglieder ständig auf dem laufenden gehalten und vernünftig geführt werden können. Sie kann unter anderem in der Geschäftsordnung ihrer lokalen Versammlungen die für die Berichte von Seiten ihrer GPK-Mitglieder und die Erörterung durch die Gewerkschaftsmitglieder benötigte Zeit reservieren. Nur in besonders gelagerten Fällen ist heute der erste Schritt für die Gewerkschaft noch schwierig. Die Verpflichtung der organisierten Arbeiterschaft auf die Idee einer Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung ist heute bereits von genügend langem Bestand, als daß sie in den Reihen der Arbeiter viele Gegner finden könnte. Ist die Zusammenarbeit einmal eingeleitet, dann muß die Gewerkschaft- daran interessiert bleiben, denn allein und ohne Hilfe kann die Betriebsführung diese Aufgabe nicht lösen. In manchen Betrieben, die im übrigen für die Einführung eines GPK gut gerüstet sind, wird die Gewerkschaft Mittel und Wege finden müssen, um gewisse störende Elemente unter ihren Mitgliedern, die es sich angelegen sein lassen, Unruhe zu stiften, einigermaßen zu dämpfen. Gleich ihrem Gegenstück, dem politisierenden Werkmeister im Betriebe, scheinen diese Elemente aufs äußerste daran interessiert zu sein, aus Mücken Elefanten zu machen, die manchmal in der blühenden Phantasie ihrer Gönner fabriziert werden. Solange man diesen Zustand die Beziehungen des GPK zur Betriebsführung trüben läßt, ist das GPK möglicherweise eine Totgeburt. Ist es jedoch einmal ins Leben getreten, dann kann es dazu beitragen, die Unterströmungen im Betriebe — d. h. die tieferen Gründe, die tatsächliche oder eingebildete Mißstimmungen hervorrufen — ans Tageslicht zu bringen.
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VI.
Akkordarbeit Realistische
KAPITEL
gegen
Betrachtung
Gemeinschaftsarbeit einer alten
Streitfrage
Verschiedene Lohnprämien, die der Verminderung der Produktionskosten dienen sollen, sind weitverbreitet. Zur Bezeichnung sämtlicher derartiger Prämien verwenden wir hier den Ausdruck „Akkordarbeit", worunter jede formelle oder methodische und genau bestimmte Barprämie zu verstehen ist, die die Arbeitnehmer dazu veranlassen soll, zur Kostensenkung beizutragen. Wenngleich diese Prämiensysteme voneinander stark abweichen, scheint es doch zweifelhaft, ob jemals eines von ihnen der Förderung der Gemeinschaftsarbeit gedient hat oder ob sie auf weite Sicht gesehen nicht gerade das Gegenteil von dem angestrebten Zweck bewirkt haben. Von den Mitgliedern des GPK wird nicht erwartet, daß sie darauf bestehen, die Akkordarbeit solle ohne Umschweife abgeschafft werden. Da aber die Akkordarbeit in mancher Hinsicht den Zielen des GPK zuwiderläuft, ist es notwendig, die Gründe für das unvermeidliche Aufeinanderprallen der beiden Ideen, der Akkordarbeit und der Gemeinschaftsarbeit, etwas näher zu untersuchen. Damit müßte es uns leichter gemacht werden, manche irreführenden Einwände zu verstehen, die sich möglicherweise in GPK-Diskussionen ergeben; und was noch wichtiger ist: auf diese Weise kann den GPK-Mitgliedern geholfen werden, gewisse Seiten der Zusammenarbeit zu verstehen, über die man sich nicht immer ganz im klaren ist. Die Akkordarbeit ist eine der umstrittensten Fragen des industriellen Lebens. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts waren viele Industrieingenieure der Ansicht, daß sich die Akkordarbeit zum Vorteil aller auswirken werde, sofern die Lohnsätze von fachkundigen Technikern festgesetzt würden, nachdem die Betriebe durch sorgfältige Planung und Standardisierung gut durchorganisiert worden wären. Die Werk91
meister hingegen widersetzten sich im allgemeinen der Akkordarbeit äußerst heftig, wenngleich meist ohne Erfolg. Die Verfechter der Akkordarbeit glaubten bis zu einem gewissen Grad mit Recht, daß (1.) die Akkordarbeit die Möglichkeit eröffne, hohe Löhne mit gesenkten Arbeitskosten zu verbinden; daß (2.) die Betriebsführung durch eine Verbesserung der Arbeitskontrolle der Verschwendung in hohem Maße steuern könnte; daß (3.) die Akkordarbeit die Unterlagen für eine Revision der Grundlohnsätze liefere, so daß diese mit der bei jeder Arbeitsleistung erforderlichen Geschicklichkeit und Anstrengung besser in Einklang gebracht werden könnten; und (4.) daß unter genormten Verhältnissen die Arbeiter durch bestimmte Arten begrenzter Prämien dazu veranlaßt werden könnten, die dadurch hervorgerufene Anstrengung vermeiden zu lernen, daß sie die Arbeit in einer kürzeren als der „richtigen" Zeit ausführen. Denn bei einer derartigen Prämie bietet die Durchführung einer Arbeit in einer kürzeren als der Prämienzeit keinen geldlichen Vorteil und Anreiz für den Arbeiter. Mit der Zeit aber änderte sich die Lage in der Industrie von Grund auf. Tausende von Betriebsführern griffen zur Methode der Akkordarbeit, beachteten aber die Warnungen nicht, vor Festsetzung der Stücksätze entsprechende Kontrollmethoden einzurichten. Diese Sätze beruhten selten auf einem sorgfältigen Studium der Arbeitsprozesse, das von geschulten Beobachtern mit entsprechender Sachkenntnis oder Autorität durchgeführt worden wäre, um die für eine anständige Entlohnung unerläßlichen strengen Kontrollen durchzusetzen. In vielen Industrien betrachteten die Betriebsleiter die Akkordarbeit als ein Mittel, die Arbeiter dazu zu bringen, einen Teil des Geschäftsrisikos auf sich zu nehmen. Die rasch sich verbreitende Mechanisierung der Arbeit vernichtete dann Tausende von Arbeitsstellen, bei denen die Arbeiter das Tempo selbst bestimmen konnten. In manchen Fällen schrieb der Arbeitsmechanismus das Arbeitstempo vor und beseitigte die angebliche Notwendigkeit der Akkordarbeit; in anderen wurde die Manipulationszeit außerordentlich kurz und ein Prämiensystem zum Schutz gegen Übersteigerung des Tempos war nicht mehr nötig. Vielleicht der wichtigste Faktor aber war die rasche Verbreitung der Gewerkschaftsbewegung, die dem Arbeiter die Möglichkeit gab, sich im Verhandlungswege einen höheren Lebensstandard und eine verbesserte Beaufsichtigung zu sichern. 92
Historisch gesehen entstand die Akkordarbeit damals, als die Einwanderung viele europäische und nicht aus der Industrie kommende einheimische Arbeiter in unsere Bergwerke und Fabriken strömen ließ, die keinen höheren Beweggründen zugänglich waren, als jenen, die die Akkordarbeit ausbeutet. Ihre schlechte wirtschaftliche Lage und ihre Bereitwilligkeit, nach jedem Mittel zu greifen, womit sie ihren Verdienst vergrößern könnten, förderte die rasche Verbreitung der Akkordarbeit in der damaligen Zeit. Aus reiner Nachahmungssucht führten dann noch weitere Betriebsleitungen Akkordarbeitsmethoden ein. Wie später noch näher ausgeführt werden wird, stellte die Akkordarbeit ein Mittel dar, die Sorgen der Betriebsführung zu verringern. Richtiger ausgedrückt bot sie ein Mittel, um die Betriebsführung herumzukommen. Inwieweit stimmen die
Akkordlohnsätze?
Zwei Faktoren verwirren diese Frage. Die Fürsprecher der Akkordarbeit räumen ein, daß sie nur richtig bemessene Akkordlohnsätze verteidigen. Sie verteidigen keine unrichtigen. Wenn sie für die Akkordarbeit eintreten, dann verstehen sie darunter nicht nur das Prinzip der Akkordarbeit, sondern auch ein ganzes System von Untersuchungen und Reformen, die in Wirklichkeit mit Stücklohnzahlungen in gar keinem Zusammenhang stehen und besser ohne diese Verwendung finden können. Untersuchen wir diese beiden Quellen der Verwirrung einmal näher. Wirklich richtige Akkordlohnsätze sind selten, da viel e Betriebe es unterlassen haben, sich bei ihrer Aufstellung die Hilfe von Sachkundigen zu sichern. A n ihrer Stelle werden gewöhnlich irgendwelche junge Leute, die angeblich Eignung zum Betriebsleiter besitzen, eingesetzt, damit sie gewisse Untersuchungen vornehmen. Die einzige Anweisung, die sie bekommen, ist die gelegentliche Aufforderung, „Resultate nachzuweisen". Aber selbst angenommen, der Arbeitsprozeß wäre sorgfältig studiert, die Eigenheiten des verwendeten Materials festgestellt und entsprechend berücksichtigt und die Fabrikausrüstung gründlich genormt, wie lange sind und bleiben die Stücklohnsätze richtig ? Ingenieure, die für die Stückarbeit eintreten, stellen eine vollständige Reihe von „Grundzeiten" für jedes Arbeitselement auf. Diese Elemente werden in „ T a b e l l e n " zusammengefaßt, so daß jede Größe, jede Dimension und jedes Konstruktions93
detail berücksichtigt erscheint. Sodann wird bei jeder Arbeitszuteilung unter Berücksichtigung dieser „Grundzeit"tabellen für jede Arbeit die richtige Zeit errechnet. Dazu kommen dann Zuschläge für besondere Anstrengungen und Härten sowie solche für unvorhergesehen und unvermeidliche Verzögerungen. Auf Grund dieser richtigen Zeit läßt sich ein Stückpreis leicht errechnen. Dort, wo dieses Verfahren genau befolgt und in hohem Maße vervollkommnet wird, sind die Sätze natürlich viel richtiger als im gewöhnlichen Betriebe. Ein weiterer Faktor — das rasche Entwicklungstempo — wirkt sich auf ihre Genauigkeit aus. Unser Arbeiter mit seiner höheren Vorbildung, die sich häufig in größerem Selbstvertrauen, schärferer Beobachtungsgabe und unabhängigerem Denken äußert, steht in einem markanten Gegensatz zu dem sich nur schwer zurechtfindenden Einwanderer oder sozial rückständigen eingeborenen Arbeiter, dessen Reaktionen die Grundlage für viele unserer frühindustriellen Methoden abgaben. In einer neuen Zeit konnte die früher selbstverständliche Hochachtung vor dem Wissen und der Leistung des Chefs der Prüfung besser vorgebildeter Arbeiter nicht standhalten, die beträchtliche Verschwendungen beobachten konnten, die unbeachtet blieben — auch dann, wenn die Aufmerksamkeit der Werkmeister darauf gelenkt wurde. Der Anreiz der Akkordarbeit in Verbindung mit dem natürlichen Wunsch, sich die Arbeit leichter zu machen, beschleunigte somit das Tempo der Verbesserungen und machte es zunehmend schwieriger und kostspieliger, die „Grundzeiten" jeweils den geänderten Verhältnissen anzupassen, sofern es überhaupt derartige Aufzeichnungen jemals gegeben hatte. Auf Grund wiederholt gemachter Erfahrungen vermuten die Arbeiter stets Lohnkürzungen, sobald die Betriebsleitung den Versuch unternimmt, eine neue Zeitstudie zu machen. In ähnlicher Weise zeigt man auf Seiten der Betriebsführung wenig Neigung, einer Revision der Sätze zuzustimmen. Selbst in der geringen Zahl von Betrieben, in denen Stücksätze sorgfältig studiert und zusammengestellt werden, verlieren diese aller Wahrscheinlichkeit nach an Genauigkeit, wenn die Fabrik von aufgeweckten und findigen Arbeitern beschickt ist. Daher sollten Behauptungen, wonach das Verdienst, genaue Stücksätze anzuwenden, für ein bestimmtes Unternehmen in Anspruch genommen wird, mit großer Reserve aufgenommen werden, denn wenn man die Industrie im allgemeinen betrachtet, existieren derartige Stücklohnsätze so gut wie gar nicht. 94
Analyse
der
Bewerlungsarbeit
Der Akkordarbeit werden oft Vorzüge zugeschrieben, die ihr gar nicht zukommen. Indem viele wünschenswerte Methoden mit der Akkordarbeit in Zusammenhang gebracht werden und indem man die Vorzüge dieser anderen Methoden für die Akkordarbeit in Anspruch nimmt, vergrößern die Verfechter der Akkordarbeit bloß die Verwirrung. Dieses Durcheinander läßt sich vielleicht bis zu einem gewissen Grade klären, wenn man die Aufgabe der Festsetzung der Stücklöhne in ihre Elemente auflöst und diese verschiedenen Elemente, aus denen sie sich zusammensetzt, erörtert. Zweckmäßigerweise lassen sich folgende Elemente unterscheiden: 1. Untersuchung der Arbeitsprozesse und Arbeitszeiten; Feststellung der vorkommenden Verzögerungen und ihrer Ursachen; Feststellung der besten Schneidekapazität der Maschine; Verzeichnung der verschiedenen Methoden, wie jeder einzelne Teil einer bestimmten Arbeit gemacht werden kann, und Auswahl der besten Methode; Untersuchungen darüber, wie Verzögerungen vermieden bzw. verkürzt werden können. 2. Als Ergebnis bestimmter derartiger Feststellungen werden „Standardkontrollen" eingeführt, um zu erreichen, daß die Arbeit in der „richtigen" Form zur Maschine kommt; daß die Werkzeuge nach dem besten Verfahren geschliffen sind; daß in der Umgebung der Maschine genügend Raum für die Loren und Transportkisten zur Aufnahme fertiger und unfertiger Stücke vorhanden ist; und daß eine periodische Überprüfung der Maschine zur Vermeidung von Ausfällen stattfindet. 3. Tabellen mit den wichtigsten Angaben werden zusammengestellt, um die Zeiterfordernis entsprechend dem Charakter jeder bestimmten Arbeit modifizieren zu können. 4. Instruktionen werden ausgearbeitet, die Anleitungen für die zweckmäßigste Anordnung und Beschickung der Maschinen sowie sonstige praktische Hinweise über Maschinen und Rohstoffe enthalten, um die höchste Produktionsleistung mit der geringsten Verschwendung an Arbeit und Material zu erzielen. 5. Unter Verwendung der Grundtabellen und der Instruktionen wird dann die erforderliche Zeit kalkuliert und in Übereinstimmung mit feststehenden Lohnskalen — sowie mit einem Zuschlag zur Steigerung der Leistung — in den Stücksatz umgerechnet. 95
6. Sobald die Sätze in Geltung stehen, werden genaue Auszeichnungen über Produktionsleistung und Verdienst jedes Arbeiters geführt. 7. Der einzelne wird entsprechend seiner Leistung und (im günstigsten Falle) mit einem verhältnismäßig hohen Lohn entschädigt, sofern er den Instruktionen gemäß produziert. 8. Jedem einzelnen Arbeiter wird individuelle Aufmerksamkeit geschenkt. Erreicht er eine gewisse Produktionsnorm nicht, dann wird er geschult, um diese Minderleistung auszugleichen. Erreicht er aber die Norm, dann hat er Anspruch, als hervorragender und erstklassiger Arbeiter zu gelten. Alle Punkte mit Ausnahme von 5 und 7 stellen wünschenswerte Rationalisierungen dar. Und wenn der Arbeiter mit dem Bewertungsfachmann daran teilhat, dann gewinnen beide zunehmend Erfahrung. Schwierigkeiten ergeben sich bei der praktischen Anwendung der Punkte 5 und 7, nämlich bei dem tatsächlichen Akkordarbeitsprinzip der Bezahlung nach der Leistung. Die Verfechter der Akkordarbeit nehmen jedoch an, daß die zwei letzten Punkte von all den anderen nicht zu trennen sind und reklamieren für die Akkordarbeit alle Vorteile der Analyse: Verwendung wissenschaftlicher Methoden, bessere Ausbildung und wirksamere Kontrolle. Wenn daher die Vorkämpfer der Akkordarbeit behaupten, daß Lohnprämien die Produktion um 3 5 % steigern, dann heißt das so viel wie daß alle oder die meisten dieser Mittel Verwendung fanden und damit die 35%ige Steigerung der Produktion herbeigeführt wurde. U m ihren weitgehenden Anspruch richtig zu begründen, müßten sie jedoch zwei Betriebe miteinander vergleichen, bei denen alle einschlägigen Faktoren gleich sind — außer daß der eine Akkordardarbeit verwendet und der andere nicht. Soweit bekannt, ist ein derartiger Vergleich niemals vorgenommen worden. Dieses fälschlicherweise für die Akkordarbeit in Anspruch genommene und unbegründete Verdienst hat jedoch viele zu ihrer Einführung veranlaßt, ohne daß sie dabei über einen entsprechend geschulten Mitarbeiterstab und in gleicher Weise geeignete Werkmeister verfügt hätten. Mancher könnte darauf hinweisen, daß viele Pläne für Stücksätze in Fabriken ohne vorherige Studien praktisch angewendet wurden und daß in diesen Fällen der Ausstoß beträchtlich stieg. Das mag vielleicht stimmen. Aber die bedeutungsvollsten Schritte — jene, die die Führung von 96
Leistungsaufzeichnungen, eine relativ gute Bezahlung und die Erteilung einer entsprechenden Anerkennung betreffen — haben andere Triebkräfte hervorgerufen als die Geldprämien, und es kann nicht zu Recht behauptet werden, daß die ganze Steigerung auf das Akkordarbeitsprinzip zurückzuführen sei. Man könnte auch einwenden, daß Gruppenprämien, die für ein ganzes Team von Arbeitern gelten, keine individuelle Anerkennung vermitteln und damit der Wert der Barprämien erwiesen werde. Doch selbst hier läßt sich wenig als Beweis dafür vorbringen, daß dies auf das Akkordarbeitsprinzip zurückzuführen ist. Eine neue komplexe und mächtige K r a f t ist mit allen Gruppenzahlungen verbunden. Es ist dies das Verhältnis des einzelnen Arbeiters zur Gruppe. Dort, wo die Gruppenprämie wirkt, werden der Wunsch nach Anerkennung durch andere, das Streben des einzelnen, seinen ganzen Beitrag zu leisten oder andere zu übertreffen — diese inneren Sehnsüchte also, ins Spiel gebracht. So kann dies irrtümlicherweise der finanziellen Seite des Reizmittels selbst dann zugeschrieben werden, wenn es keine individuelle Leistungsaufzeichnung und daher auch keine individuelle „Anerkennung" gibt. Die Anerkennung kann zur Gänze von der Gruppe und nicht von den Werkmeistern kommen. Auch hier endigt die Beweisführung zuungunsten der Verteidiger der Akkordarbeit, da sie zeigt, daß stärkere und schöpferischere Triebkräfte als finanzielle ins Spiel gebracht werden. Man hat gefunden, daß (unter den gewöhnlichen Verhältnissen) die Wirkung der Sondervergütung um so schwächer wird, je größer die Zahl der daran Beteiligten ist. Wo also eine Gruppenprämie als Ansporn wirkt, müssen diese anderen Motive wirksam gewesen sein. So viel über die angeblichen Vorzüge der Akkordarbeit. Wer Gelegenheit gehabt hat, die Arbeitsweise des GPK aus der Nähe kennenzulernen, hat dabei einen bedeutungsvollen Unterschied gegenüber der Einstellung der Befürworter der Akkordarbeit beobachten können. Einen Betrieb leiten ist mehr als den Lohnbeutel als Zwangs- und Lockmittel zu benutzen, damit die Leute ihre Arbeit tun. Die Betriebsführung kann eine viel bessere Zusammenarbeit erzielen als den stumpfen Gehorsam. Die praktischen Erfahrungen mit dem GPK haben gezeigt, daß, wenn die Betriebsführung dazu bereit ist, in fast jedem Fall auch die Arbeiter dazu bereit sind, die Probleme zu erkennen und an ihnen und an der Verantwortung Anteil zu nehmen und Sinn für Leistung zu zeigen. Offenbar können erst mit dem allmählichen 7 Lever
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Erreichen dieses Zieles die großen menschlichen Reserven, die der Betriebsführung zur Verfügung stehen, voll zur Geltung kommen. Die Akkordarbeit ist in Wirklichkeit ein Zeichen von Schwäche —, ein Eingeständnis der Unfähigkeit der Betriebsführung, Menschen zu leiten. Sie ist ein Aushilfsmittel der Betriebsführung. Denn eine Betriebsführung, die sie verwendet, erklärt damit faktisch: „Wir können kein besseres Mittel finden, euer Interesse zu gewinnen. Wir wissen wirklich nicht, wie wir aus euch einen Teil unserer Mannschaft machen sollen. So überlassen wir euch euch selbst mit so und so viel pro Stück oder Tonne. Nun macht euch an die Arbeit und seht zu, wie ihr selbst damit fertig werdet." Diese Unfähigkeit, eine große Gelegenheit zu nutzen, ist an und für sich schlimm genug. Nun stützt sich aber die Betriebsführung auf die Akkordarbeit aus der Annahme heraus, daß die Arbeiter anderen Motiven nicht zugänglich seien. Die Arbeiter, glaubt man, besitzen weniger Selbstachtung, weniger Zielstrebigkeit, weniger Gefühl für Leistung und mehr Geldgier. Damit leugnet die Betriebsführung die einzige Grundvoraussetzung, mit deren Hilfe sie ihre eigene führende Rolle verbessern könnte, nämlich die, daß die Menschen auf diese anderen Motive viel leichter und stärker reagieren. Warum diese Einstellung? Wie sehr auch der Arbeiter darauf bedacht sein mag, die Bedürfnisse seiner Familie zu decken, so verletzt die Erkenntnis nichtsdestoweniger seine Selbstachtung, daß er nach Ansicht der Betriebsführung sich nur vom Streben nach Geld leiten läßt. Es ist allgemein bekannt, daß man besser denkt, wenn man keine Sorgen hat, wenn man alles vergessen kann, was einen ablenken könnte. Es ist ebenso allgemein bekannt, daß die meisten Menschen dann eine besondere Leistung vollbringen, wenn man sie von ihnen nicht nur erwartet, sondern ihnen dazu auch die Möglichkeit gibt. Anders zu handeln hieße der menschlichen Natur zuwiderhandeln. Im Gegensatz zur unbelebten Materie lassen sich die menschlichen Energien vervielfachen. Der Rechenschieber und die mathematische Formel, die so nützliche Dienste bei der Messung der Festigkeit und Widerstandsfähigkeit der toten Materie leisten, versagen als Mittel zur Messung der fast explosiven Kraft der menschlichen Begeisterung beim einzelnen und in der Masse. 98
Oft wird die Behauptung aufgestellt, daß viele Arbeiter die Akkordarbeit bevorzugen und sich ihrer Abschaffung aufs schärfste widersetzen. Diese Erscheinung ist nicht überraschend. Da die meisten Arbeiter der heutigen Generation in Verhältnissen groß geworden sind, unter denen die Akkordarbeit das einzige Leitmotiv bildete, ist ihnen die Überzeugung eingedrillt worden, daß Zeitlohn mit schlechter Bezahlung gleichbedeutend sei. Das Problem der Akkordarbeit wird durch verschiedene Faktoren, die für einzelne Industrien gelten, noch weiter kompliziert. Wenn Spinner und Weber z. B. auch nach dem Pfund oder der Schußzahl bezahlt werden, so hängt doch die Höhe ihrer Entlohnung in erster Linie von der Zahl der Webstühle oder Spinnrahmen ab, die sie bedienen können. Die Bezahlung wird wohl je nach der auf die Arbeit verwendeten Sorgfalt ein wenig variieren, wird jedoch weit mehr dadurch bestimmt, ob der Arbeiter 1200 oder 900 Spindeln übernehmen kann. Somit spielt die Art der Bezahlung bei vielen Arbeitsvorgängen in der Textilindustrie keine besondere Bolle. Im Gegensatz dazu ist die Akkordarbeit in der Konfektionsbranche vorherrschend. Ursprünglich bildeten die Einwanderer für die Arbeitgeber und Kapitalbesitzer ein Objekt der Ausbeutung. Weiters wurde das System der Vergebung der Arbeit an Unterlieferer entwickelt, um die neuesten Kleidermodelle in der kürzesten Zeit kopieren zu können. Damit wurde die Zeit der Untätigkeit vervielfacht; der dadurch verursachte Schaden jedoch und die damit verbundenen Bisiken wurden auf eine größere Anzahl verteilt, indem sie zum Großteil auf hilflose Arbeiter und Stückmeister überwälzt wurden. Mit der Zeit sahen sich die Arbeiter gezwungen, sich zu ihrem Schutz zu organisieren. Die Akkordarbeit besteht aber noch immer. Heute sind in fast allen Branchen die Gewerkschaften in der Lage, eine Überprüfung umstrittener Lohnsätze vorzunehmen; in manchen sind sie an der Festsetzung der Lohnsätze beteiligt. So hat sich das Akkordarbeitsystem als ein wichtiges Element in den Beziehungen zwischen Betriebsführern und Gewerkschaften entwickelt und aus diesem Grunde bedingt jeder Schritt in Bichtung einer Abschaffung der Akkordarbeit einen weitgehenden Wandel in den bestehenden Lohnsätzen und Arbeitsbedingungen. Hinsichtlich ihrer negativen Seiten jedoch ist die Praxis der Akkordarbeit in solchen Industrien wie der Konfektions7*
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branche keineswegs so verschieden. Der Unterschied liegt in der Kompliziertheit des Problems, der Größe der zu leistenden erzieherischen Aufgabe und der Hilfe, die gebraucht wird, um die schöpferischen Motive der Arbeiter zu ergründen. Im Gegensatz zu der offenkundigen Unfähigkeit der Betriebsführer, mit besseren Methoden voranzugehen, fragen sich viele Arbeiter, warum nur der Arbeiter Prüfungssysteme, Stoppuhren und andere Methoden über sich ergehen lassen muß, um aus ihm eine höhere Arbeitsleistung herauszupressen. Er sieht, wie sich Gemischtwarenhändler, Doktoren, Rechtsanwälte, Ingenieure, Farmer, Lehrer, Reklamefachleute, Zeitungsleute und Politiker auf irgendeine Art ihren Lebensunterhalt verdienen, ohne durch leistungssteigernde Maßnahmen dazu getrieben zu werden. Nur der Arbeiter scheint dazu verurteilt zu sein, sie über sich ergehen zu lassen. Und um das Unrecht durch Kränkung noch zu verschärfen, wird bei ihm die Zeit durch Zeitkontrollore und Industrieingenieure in dem Bestreben überwacht, ihn zu gesteigerter Arbeit zu zwingen, wo er unter günstigeren Voraussetzungen gern bereit wäre, mehr zu leisten. Ungeachtet der Tatsache, daß der Arbeiter Verschwendung jeglicher Art beobachtet, die er, wie er sieht, nicht abzustellen mithelfen darf und die eine aufgeblähte Betriebsbürokratie abzustellen unterläßt, kommt noch der Bewertungsfachmann daher und widmet seine ganze Aufmerksamkeit seiner mangelnden Einsatzbereitschaft. Oder so erscheint es ihm. Dies bedeutet für ihn so viel wie: „Bei Kleinigkeiten viel Umstände machen und große Dinge einfach hinnehmen", daß es nur so eine Art hat. Zwistigkeiten
in Werkstatt
und
Gewerkschaft
Noch in einer anderen Hinsicht ist die praktische Lösung der Frage, wie man die Leistung eines Menschen in Geld messen kann, äußerst schwierig — wenn nicht unmöglich. Der Lohnsatz stellt selten beide Teile zufrieden und bildet immer ein heikles, mühevolles und umstrittenes Problem. Irgendeine Lösung muß jedoch gefunden werden, und es wäre wohl am besten, diese Angelegenheit in regelmäßigen, nicht zu kurzen Zeitabständen aufzugreifen, so gut wie möglich zu regeln und sie dann bis zum nächstenmal ruhen zu lassen. Die Akkordarbeit aber drängt oder neigt dazu, diese Frage stets in den Vordergrund zu schieben. Sie kom100
pliziert alle Fragen, die die Produktion, und viele, die die Qualität betreffen dadurch, daß sie in diese stets dieses explosive Element hineinbringt. Jede unvorhergesehene Verzögerung wird in den Augen der Werkmeister und Arbeiter zu einer Art kleinen Diebstahls. Mit jedem Vorschlag hinsichtlich der Arbeitsmethoden riskiert man eine erhitzte Debatte, denn dieser könnte eine Neuberechnung des Lohnsatzes bedingen oder eine Situation zu enthüllen drohen, die jeder am liebsten unberührt lassen möchte. Da die menschliche Natur nicht geneigt war, sich diesen künstlichen Erschwerungen des Fabrikslebens zu unterwerfen, hat sich ein großer Prozentsatz der Betriebe bei einer einigermaßen befriedigenden Lösung beruhigt, die es Arbeitern und Werkmeistern ermöglicht, irgendwie miteinander auszukommen. Nachdem man sich auf ein Schema von Lohnsätzen festgelegt hat, das allgemein als einigermaßen befriedigend angesehen wird, sind alle Beteiligten bestrebt, die Arbeit nicht „umzubringen", andrerseits natürlich aber auch pro Tag nicht viel weniger zu verdienen als der Lohn für diese Arbeitsleistung ausmacht. Das ist Akkordarbeit nur mehr dem Namen nach. In Wirklichkeit ist es Zeitarbeit auf Grund allgemeiner Zustimmung. Doch selbst dort, wo diese stillschweigende Vereinbarung besteht, kann das GPK selten unbehindert arbeiten. Das GPK billigt und fördert unter den Arbeitern die Überzeugung, daß sie für das Gedeihen des Unternehmens arbeiten müssen. Denn der Arbeiter weiß, daß das GPK seine eigene Zukunft sicherer gestalten hilft, und damit findet er größere Befriedigung an der täglichen Arbeit. Da sich die Arbeiter dessen einmal bewußt sind, ist damit eine natürliche Grundlage, ein gemeinsamer Boden für die Zusammenarbeit geschaffen, worauf das Gedeihen des Betriebes besser und sicherer aufgebaut werden kann. Dieses Streben nach Sicherheit und Anteilnahme an dem Unternehmen stellt ein nützliches und einigendes Motiv dar. Mit dem Ausbruch einer heftigen Auseinandersetzung ist jedoch zu rechnen, sobald eine Änderung der Sätze vorgeschlagen wird. Manche Arbeiter profitieren fast immer bei einer Änderung der Sätze oder bei der Einführung der Akkordarbeit; andere rechnen mit einem Verlust. Manche erleiden direkte Geldeinbußen, bei anderen wieder sinkt der Verdienst im Verhältnis zu dem ihrer Arbeitskameraden. Da jede betroffene Gruppe sich die Unterstützung der Gewerkschaft zu sichern sucht, verlagert sich der Streit aus 101
dem Betrieb in die Gewerkschaft. Oft von einer kleinen Gruppe ausgehend, erfaßt die Frage, was unter einer anständigen Entlohnung zu verstehen ist, eine Frage, der immer Bedeutung beigemessen wird und die sich stets für eine Auseinandersetzung eignet, bald den ganzen Betrieb. Gleichzeitig geht die beabsichtigte Verbesserung — mit dem Ziel einer Senkung der Kosten pro Einheit — in dem allgemeinen Durcheinander verloren, und der Fortschritt, der in Richtung auf Gemeinschaftsarbeit bisher erzielt wurde, erleidet einen schweren Rückschlag. Um die Schwierigkeiten noch zu vergrößern, verursacht die Akkordarbeit oft ernste Unstimmigkeiten zwischen Facharbeitern im Zeitlohn und angelernten Produktionsarbeitern. In vielen Betrieben, wo die Lohnsätze „garantiert" waren, verdienten die Akkordarbeiter bald viel mehr als die Facharbeiter mit langjähriger Schulung und Praxis. Der dadurch hervorgerufene Gegensatz spitzt sich kritisch zu und schafft ein Problem der Arbeitsmoral, dessen Lösung viel Zeit erfordert. Wenn Lohnsätze festgesetzt oder revidiert werden, erhebt sich ein ähnlicher Streit zwischen Arbeitern und Werkmeistern. Die Werkmeister sind bald von der sogenannten „Gier" und der „Unverschämtheit" der Arbeiter angeekelt, die gegen die Feststellungen oder Methoden der Zeitkontrollore protestieren. In der Regel können Werkmeister auf Fälle verweisen, wo sich Arbeiter nicht gescheut haben, zu falschen Angaben zu greifen, um sich einen besseren Lohnsatz zu sichern. Vorwürfe werden mit Gegenvorwürfen zwischen Werkmeistern und Arbeitern und von den Arbeitern untereinander beantwortet. Diese Vorfälle machen böses Blut und nähren die Ansicht, daß die Arbeiter nur an ihrem Lohnbeutel interessiert sind. Damit verdunkeln sie vor der Betriebsführung die wirksameren und dauerhafteren Triebkräfte, die verborgen in der Gruppe vorhanden sind und zum praktischen Einsatz bereitstehen. Diese Kämpfe mit der Betriebsleitung bestärken die Arbeiter ferner in der Überzeugung, daß die Aufrichtigkeit der Werkmeister stets zweifelhafter Natur ist und daß die letzteren kein Verständnis für die Probleme und Fähigkeiten der Arbeiter besitzen. Der schlimmste Schaden aber, den die Akkordarbeit anrichtet, ist der, daß durch sie die Betriebsführung daran gehindert wird, sich mit den wahren Problemen zu beschäftigen. Die Akkordarbeit verzögert den Tag der Einsicht, an dem die Betriebsführung erkennt, daß ein gesünderes 102
Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern durch deren Mitbeteiligung hergestellt werden muß. Die negativen Auswirkungen der Akkordarbeit wären nicht so ernst zu nehmen, wenn es sich praktisch durchführen ließe, von der Akkordarbeit parallel mit den produktiveren und schöpferischeren Motiven Gebrauch zu machen. Aus Gründen, die vermerkt zu werden verdienen, ist dies jedoch so gut wie ausgeschlossen. Denn die schöpferische Einstellung, die aus der Gemeinschaftsarbeit erwächst, gerät mit der verheerenden Theorie der Akkordarbeit in Konflikt. Die Gemeinschaftsarbeit beruht auf der Annahme, daß alle Beteiligten an dem Gedeihen der Fabrik interessiert sind (oder interessiert werden können), sobald sie einander verstehen und die Hindernisse aus dem Weg räumen lernen, die ihren beiderseitigen Fortschritt behindern. Die Akkordarbeit dagegen geht von der Vorstellung aus, daß Geld das einzige Lockmittel ist, auf das die Arbeiter reagieren. Die Gemeinschaftsarbeit beruht auf dem Gedanken, daß das Weiterkommen des einzelnen mit dem Gedeihen des Betriebes eng verbunden ist, wobei jedem gerade durch den Prozeß der Beteiligung an der Lösung der Betriebsprobleme ein hohes Maß an Befriedigung und Erziehung zuteil wird und jeder für seine Bemühungen Anerkennung erntet. Die Theorie der Akkordarbeit dagegen sieht in dem Arbeiter nur einen bezahlten Helfer, von dem, soweit es sein Streben um Anerkennung und seine Versuche betrifft, seinen Weg in der Welt zu machen, keine Notiz genommen zu werden braucht. Die Übernahme eines Teiles der Last, die die Gemeinschaftsarbeit mit sich bringt, ruft die sozialen und halbsozialen Motive auf den Plan, die in fast jeder Gruppenorganisation, wie Kirche, Gewerkschaft, Bruderschaft und anderen leicht beobachtet werden können, wo die Menschen für ihre Leistung nicht entlohnt werden. Ungeachtet der fast allgemeinen gegenteiligen Erfahrungen stellt die Akkordarbeit jedoch unentwegt die Bedeutung des „Dollars auf die Hand" in den Vordergrund — und alles andere kann der Teufel holen. Dieser betonte Materialismus vertreibt alle anderen und höheren menschlichen Werte, die jede Gruppe als wichtige Elemente ihrer Entschädigung ansieht. Die Zusammenarbeit vermittelt, kurz gesagt, ein Gefühl der Kameradschaft, das die Akkordarbeit nicht aufkommen läßt; ja nicht nur nicht aufkommen läßt, sondern negiert. Wie Carl Friedrich in seinem Werk „The New Belief in the 103
Common Man 1 )" sagt: „Der eine (der freie Mensch) sucht das Ich zu entwickeln, während der andere (der autoritäre) es zu überwinden sucht. Der eine glaubt an den Charakter des einfachen Mannes und seine Fähigkeit der Selbstläuterung, der andere dagegen an die Notwendigkeit einer Lenkung durch eine Auslese." Wenige Betriebsführer hören etwas auf dem normalen Verbindungsweg von oben nach unten über die Schwierigkeiten der Akkordarbeit. Auch studieren sie ihre Wirkungen selten aus erster Hand. Außerdem sind die Erörterungen darüber vornehmlich technischer Natur und drehen sich meist ausschließlich um darauf bezügliche Überlegungen. Unseres Wissens hat nur Robert B. Wolf, ein Industrieingenieur mit großem Einfluß in der Papier- und Zelluloseindustrie, einen kompromißlosen Standpunkt gegen die Akkordarbeit eingenommen2). Leider hat er sich in der jüngsten Zeit zu diesem Thema nicht mehr geäußert, und haben seine Ansichten bei den Betriebsleitern nur wenig Verständnis gefunden. Heute wirken sich gewisse maschinelle Entwicklungen dahin aus, daß durch sie das Tempo der Produktion bestimmt wird, und damit dienen sie dazu, die Akkordarbeit zu ersetzen. Die Tätigkeit der GPKs hat vielleicht schon manchen Betriebsleitern die Tatsache zum Bewußtsein gebracht, daß es neben ihr noch andere Möglichkeiten gibt. Trotzdem ist die Idee der Akkordarbeit noch immer fest verankert. Akkordarbeit
und
Gewerkschaft
Von der Verantwortlichkeit der Betriebsführung abgesehen, bestehen auch für die Gewerkschaft gewichtige Gründe, nach besseren Methoden!- Ausschau zu halten. Ist sich die Gewerkschaftsführung im klaren darüber, welcher Schaden den Arbeitern durch die Akkordarbeit zugefügt wird? In der Regel haben es die Gewerkschaften als ihre Pflicht angesehen, den Arbeitern zu helfen, vollgültige Mitbürger im Fabriksbetriebe zu werden. Dennoch haben wenige auf der Arbeiterseite die Diskussionen über die Akkordarbeit in den Fachzeitschriften verfolgt, und die ») Little, Brown & Co., 1942, S. 287. 2 ) Siehe Taylor Society Bulletin, Juni 1927. — The Creative Workman, Technical Association of the Pulp and Paper Industry, New York 1918. — Modern Industry and the Individual, The Magazine of Business, Jänner und Februar 1919.
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gewöhnlichen Zeitschriften haben die soziale Bedeutung einer Erörterung dieser Methoden, durch die unser Denken bestimmt wird, überhaupt noch nicht erfaßt. Daher wissen die Arbeitervertreter genau so wenig wie das allgemeine Publikum von der antisozialen Wirkung der Akkordarbeit. Wohl traten die Gewerkschaften schon in den ersten Jahren ihrer Entwicklung scharf gegen die Akkordarbeit auf, doch fehlte ihnen damals die Macht, ihre Verbreitung zu verhindern. Auch heute sehen viele Gewerkschaften die mit ihr verbundenen Nachteile, dulden sie jedoch nichtsdestoweniger in dem Bestreben, für ihre Mitglieder angemessene Löhne durchzusetzen. Das Lohnniveau wird jedoch keineswegs von der Akkordarbeit her bestimmt. Es hängt vielmehr teilweise von den Verdienstmöglichkeiten der betreffenden Industrie und teilweise von der Stellung bei den Verhandlungen ab. Inzwischen bilden sich wünschenswerte Ersatzsysteme für die Akkordarbeit heraus, die die begeisterte Förderung durch die Vertreter der Arbeiterschaft sowie durch Industrieingenieure verdienen würden. Vielleicht kann die letztere Berufsgruppe dahingehend aufgeklärt werden, wie wenige von den Gründen, die seinerzeit von ihr zugunsten der Akkordarbeit ins Treffen geführt wurden, heute noch zu Recht bestehen — sofern dies überhaupt jemals der Fall war — und möglicherweise dabei mithelfen, die stärkeren und verläßlicheren Triebkräfte der Menschen zu mobilisieren. Ihrer ganzen Natur nach wird die fortschrittliche Gewerkschaft in erster Linie stets darauf bedacht sein, die Menschen aus dem Morast von Streitigkeiten über tausenderlei Probleme der Akkordarbeit herauszuführen und in ihnen das natürlichere Gefühl für Gemeinschaftsarbeit zu wecken. Als ein Geschöpf der Akkordarbeit stellt der extreme Individualist immer ein unverläßliches Mitglied dar, dessen Zynismus der Ethik der ganzen Gruppe zuwiderläuft. Denn das Wesen der Gewerkschaft als eines sozialen Organismus zeigt sich dort am deutlichsten, wo die Arbeiter als reife Menschen behandelt werden: wenn sie anfangen, in ihrem Verhalten zueinander die Konkurrenzgefühle zu unterdrücken, die sie betreffenden Probleme zu verstehen und sich mit den Überlegungen vertraut zu machen, die die gewerkschaftlichen Entschlüsse bestimmen und ihre eigene Wohlfahrt berühren. Gleichzeitig muß aber die Gewerkschaft auch praktisch denken. Sie weiß, daß sie die Lage nicht immer bessern würde, wenn es ihr gelänge, die Akkordarbeit plötzlich ab105
zuschaffen. Wie jedes Problem, bedarf auch dieses einer eingehenden Prüfung in der jeweiligen Situation sowie im Hinblick auf die allgemeinen Richtlinien der Gewerkschaftspolitik. Ein Hindernis bildet der Umstand, daß angesichts des Mangels von etwas Besserem den Gewerkschaftsmitgliedern nichts anderes übrigbleiben würde, als sich für die Beibehaltung der Akkordarbeit zu entscheiden. Trotzdem wissen die Arbeiter recht gut, daß höhere Löhne in erster Linie nicht von der Akkordarbeit, sondern von einer besseren Zusammenarbeit und einer guten Führung des Betriebes abhängen. Manche Betriebe haben versucht, ihre Arbeiter durch Garantierung des Lohnsatzes zu beruhigen. Darunter ist normalerweise zu verstehen, daß, solange irgendein Teil oder Element einer Arbeit unverändert bleibt, die dafür vereinbarte Zeit nicht geändert wird, und daß der für diese Arbeitsmenge geltende Stundensatz selbstverständlich eingehalten wird. Somit erhält der Arbeiter stets den für die entsprechende Arbeit geltenden Preis. Fällt jedoch infolge einer Verbesserung des Arbeitsprozesses oder der Werkzeuge irgendein Element der Arbeit aus, dann erhält der Arbeiter nur für jene Teile Bezahlung, die weiter von ihm verlangt werden. Da er den gleichen Satz für das erhält, was er zu tun hat, und da er mehr Stücke herstellen kann, weil er nunmehr für jedes Stück weniger Zeit braucht, bleibt sein Verdienst nach dem Plan ungeschmälert. Wenn also die Zeit für ein bestimmtes Stück um die Hälfte gekürzt wird, dann muß der Arbeiter doppelt so viele Stücke produzieren, um denselben Lohn zu verdienen. Da aber für jedes Stück nur die halbe Arbeitszeit benötigt wird, rechnet man damit, daß er dazu auch in der Lage ist. Die Gewerkschaften haben keine besondere Neigung gezeigt, dieses Verfahren als Richtschnur anzuerkennen. Sie sehen sich damit dem stets drohenden Problem der technischen Arbeitslosigkeit gegenüber, das sich noch verschärft, wenn eine Verbesserung zu keiner Lohnerhöhung oder zu keiner Ermäßigung des Verkaufspreises führt. Sie sehen sich ferner den damit verbundenen Schwierigkeiten gegenüber, daß sie eine allgemeine Politik, wo die Situationen so vielfältig und schwer zu überblicken sind, unterstützen sowie daß sie sich für Dinge einsetzen sollen, die fast immer Vertrauen in die Betriebsführung bedingen. Aus diesen Gründen ist es fast unmöglich, sich in dieser Frage auf eine sichere, einheitliche und leicht zu steuernde Politik festzulegen. 106
Akkordarbeit
und
GPK
Da Lohnfragen im wesentlichen den Gegenstand von Kollektivverhandlungen bilden, wird das GPK selten, wenn überhaupt, in die Lage kommen, sich damit direkt zu beschäftigen. Leider sieht sich das GPK jedoch dort, wo im Akkord gearbeitet wird, Schwierigkeiten gegenüber, die durch die Akkordarbeit verursacht werden. In einem solchen Fall kann infolge dieser auf die Akkordarbeit zurückgehenden Schwierigkeiten ein großer Teil der Produktion von einer wirksamen Verbesserung ausgeschlossen sein und sich das GPK gezwungen sehen, sich bloß auf Fragen zu beschränken, die mit der Akkordarbeit in keinem Zusammenhang stehen und die Produktion mehr oder minder nur mittelbar betreffen. Wenn die Mitglieder des GPK die Lage richtig erfassen, werden sie die Unsinnigkeit und Zwecklosigkeit des Versuches erkennen, eine Zusammenarbeit unter Umständen anzustreben, die wenig besser ist als bewaffnete Neutralität. Die jüngste Entwicklung der Arbeitsverhältnisse in der Fahrzeugindustrie und anderen Industrien hat klar bewiesen, daß die gegenwärtigen Methoden in der Industrie in eine Sackgasse führen. Und doch hat schon vor 25 Jahren Robert G. Valentine, der sich mit der Überprüfung der industriellen Beziehungen von Privatunternehmen seinen Lebensunterhalt verdiente, in mutiger Weise erklärt1): „Eine Gesellschaft, bei der sich herausstellt, daß sie zugunsten einer gewissen Selbstverwaltung der bei ihr Beschäftigten nichts unternimmt, bekommt von mir keine ehrliche Bestätigung darüber, daß die Arbeitsverhältnisse bei ihr keinen Anlaß zu Klagen geben." Taylor Society Bulletin, Dezember 1923.
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VII.
Gemeinschaftsarbeit Die Gleichgültigkeit
KAPITEL
und
Leistungstafel
des Arbeiters — nur eine
Schutzhülle
Die Arbeitervertreter im GPK lassen sich selten durch die sogenannte „Gleichgültigkeit der Arbeiter" täuschen, denn sie wissen, daß diese Gleichgültigkeit nichts anderes ist als eine Schutzhülle und daß unter der Oberfläche die Arbeiter bereit sind, auf Appelle zu hören, die Überzeugungskraft besitzen und ihnen Achtung abnötigen. In Dutzenden, ja vielleicht in Hunderten von Fällen haben die Komitees die Erfahrung gemacht, daß den Arbeitern nur einmal Gelegenheit geboten zu werden braucht, ein Produktionsproblem zu erkennen, und schon tun sie ihr Bestes, um bei seiner Lösung mitzuhelfen. Wieso kommt das? Wie die Erfahrung lehrt, wird von den Arbeitern die Gelegenheit, die Sicherheit ihrer Stellung zu erhöhen, rasch wahrgenommen. Sie streben stets danach, gut gemachte und gefällige Erzeugnisse herzustellen, und finden darin oft wie ein Handwerker Befriedigung. Sie möchten gern ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und Arbeiten verrichten, die Festigkeit, Stärke, Ausdauer und Konzentration erfordern. Sie setzen ihren Stolz darein, ihre Maschinen geschickt zu handhaben und sie zu zwingen, ihrem Willen zu gehorchen. Es sind daher viele Arten der Befriedigung an der Arbeit möglich. Manche davon besitzen große Zugkraft, weil sie dem Wunsche des Arbeiters, vorwärts zu kommen, entsprechen. Selbst der Arbeiter, der eine völlig untergeordnete Beschäftigung ausübt, wird, sofern er durch eine vernünftige Betriebspolitik und Betriebsmethoden dazu ermutigt wird, häufig seine berufliche Tätigkeit ganz dem Betriebe widmen, der ihm diese Befriedigung bietet. Ob er nun eine gehobene Stellung anstrebt oder nicht, er wird fast immer an der nächst höheren Stellung interessiert sein und damit rechnen, sie im gegebenen Augenblick zu bekommen. 108
E s ist jedoch klar, daß andere Arten der Befriedigung an der Arbeit scheinbar dem Berufsgang des Arbeiters ferner liegen. Hier ist es Aufgabe des GPK, den Zusammenhang aufzuzeigen. Da das G P K jedoch noch zu neu ist, um hierfür verläßliche Regeln zu liefern, ist der sicherste Weg der, sich auf Grund einer Beratung darüber schlüssig zu werden, was durchführbar und überzeugend ist, und es dann praktisch zu erproben. Das G P K h a t bereits festgestellt, daß die Leistungstafel eine Einrichtung ist, die nicht nur dem Vorwärtsstreben, sondern auch anderen Motiven gerecht wird. Eine Leistungstafel ist ein Diagramm oder eine graphische Darstellung, woraus die Leist u n g einer Gruppe oder eines einzelnen sowie der Grad zu entnehmen ist, bis zu welchem die Arbeit vollendet ist. Diese Leistungstafel kann eine ganze Fabrik, eine Abteilung, einen einzigen Arbeitsgang oder einen einzelnen betreffen. Nehmen wir einmal an, der Chefingenieur eines Frachtdampfers h a t den Auftrag, die Fahrgeschwindigkeit seines Schiffes unter bestimmten Wind- und Strömungsverhältnissen auf dem wirtschaftlich günstigsten Niveau — von sagen wir 16 Knoten — zu halten. Die Mannschaft des Maschinenraumes kann die tatsächliche Geschwindigkeit des Schiffes jederzeit mit einem Blick auf den Geschwindigkeitsmesser oder das graphische Geschwindigkeitsdiagramm, das die Veränderungen der Fahrgeschwindigkeit während der ganzen F a h r t anzeigt, feststellen. Der Chefingenieur oder sein Stellvertreter kann, da er jede Abweichung von der Schnelligkeit von 16 Knoten vor sich sieht, die Geschwindigkeit sofort berichtigen. Da er und seine Leute wissen, was sie tun, finden sie an der Leistung große Befriedigung. Nehmen wir aber an, es gäbe kein Meßinstrument, das die Schnelligkeit anzeigt, und die erste Information, die der Chefingenieur über die Leistung erhält, käme von einem übereifrigen Kostenbeamten an Land, der ihn anbrüllt, weil die durchschnittliche Geschwindigkeit u m zwei K n o t e n von der vorgeschriebenen Norm abgewichen sei. W ü r d e in diesem Fall den Chefingenieur und seine Leute die Arbeit befriedigen ? H e u t e befinden sich Millionen von Fabrikarbeitern in derselben Lage, denn nur in Ausnahmefällen ist es einem Industriearbeiter möglich, sich die Frage zu beantworten: „Wie verrichte ich meine A r b e i t ? " Dieser Zustand bleibt so lange bestehen, bis es zu spät ist, den dadurch angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Ohne Zweifel wird die Arbeitsmoral des Arbeiters beeinträchtigt, wenn man ihm ein Wissen vorenthält, das auf 109
die Arbeit, die man von ihm verlangt, Bezug hat. Aus Beispielen von Fällen einer weitgehenden Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung jedoch können wir nunmehr ersehen, daß der Leistungstafel dieselbe Bedeutung zukommt wie dem „Geschwindigkeitsmesser des Schiffes", die den Arbeitern hilft, neue Höhepunkte in der Produktivität zu erreichen. Der Zweck der Leistungstafeln Die Messung der Geschwindigkeit eines Schiffes ist ein Beispiel von vielen. W i r können die Wirtschaftlichkeit messen, denn diese ist von überragender Bedeutung für Bergwerke, Fabriken und Betriebe. Wenn also das G P K seine Möglichkeiten ausschöpfen will, dann muß es verstehen, wie sich das Produktionstempo auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt. Zur Erzielung der größten Wirtschaftlichkeit sind große Fähigkeiten auf seiten der Betriebsführung und die bereitwillige Mannschaftsleistung der Arbeiter erforderlich. Die Betriebsführung muß die Bedeutung von Kontrollen kennen und wissen, wie sie diese durchsetzt. Auf den Produktionsprozeß angewendet bedeutet das, daß die Vorgänge mit uhrenähnlicher Präzision von Stunde zu Stunde und von Schicht zu Schicht ablaufen, nur selten unterbrochen von unerwarteten Maschinengebrechen, Mangel an Teilen oder Material oder dem Ausfall einer Arbeit in dem Prozeß. Dies setzt selbstverständlich die uneingeschränkte Mitarbeit des Montagestabes, der produktiven Arbeiter, K o n trollore und Instandhaltungsmechaniker voraus, um nur einige wenige der mitbeteiligten Berufe zu erwähnen. Nur wenn dies der Fall ist, wird die Wirtschaftlichkeit des Betriebes erreicht. Und wenn die Arbeiter sehen, daß die Betriebsführung ihrer Aufgabe gewachsen ist, gewinnen sie Vertrauen zu ihrer Fähigkeit zu leiten. Sie sind dann um so mehr bereit, ihre Pflicht zu tun und Anweisungen zu befolgen. Daraus folgt, daß Wirtschaftlichkeit etwas anderes ist als Antreiberei oder Überanstrengung. Harrington Emerson sagte schon vor ungefähr 25 Jahren, daß Leistungsfähigkeit das Gegenteil von Überanstrengung ist. Er meinte damit, daß der wirtschaftliche Betrieb mit Vorbedacht und Planung für eventuelle Notfälle geleitet wird und daß nur selten eine Krise eintritt, die besondere Anstrengungen, unerwartete Überstundenarbeit oder sonstige unwillkommene Notmaßnahmen erfordert. 110
Zur Erzielung einer derartigen Gemeinschaftsleistung ist die Leistungstafel oft von größtem Wert. Manchmal hat sie direkt mit Dollar und Cents zu tun. Ein anderesmal ist es einfacher, den Fortschritt in Produktionseinheiten pro Stunde oder Tag oder durch den Vergleich zwischen geplanter oder versprochener und tatsächlicher Produktionsleistung aufzuzeigen. Wo die Wirtschaftlichkeit die beste Verwendung des Materials erfordert, kann eine geeignete Aufzeichnung dies in Pfunden (oder Yards) ersparten Materials oder in der Anzahl der für 100 Produktionseinheiten verwendeten P f u n d anzeigen. Viele andere Tätigkeiten, die die Wirtschaftlichkeit des Betriebes beeinflussen, lassen sich durch Leistungstafeln vor Augen führen. Alltägliche Beispiele dafür sind: Der Arbeitsanfall bei gewissen Arbeitsvorgängen, Lagerstand bei Roh- und Hilfsstoffen, die Kosten stillstehender Maschinen, Energieverbrauch pro Werkstück oder Abteilung. Jede Situation erfordert in der Regel eine besondere, ihr entsprechende Leistungstafel. Ist diese in einer von vornherein festgelegten Form gehalten, dann wird sich aus ihr schwer ein richtiges und klares Bild gewinnen lassen. Am besten wird sie auf Grund von Daten, die mit geringen Kosten gesammelt werden können, zusammengestellt. Die tiefer angeführten Beispiele lassen sich daher kaum unverändert verwenden. Sie dienen nur dazu, eine Methode für ihre Zusammenstellung aufzuzeigen, die die Gemeinschaftsarbeit fördert. Kostensenkung
durch
Gemeinschaftsarbeit
Nehmen wir einmal an, eine Gesellschaft erhält einen großen Auftrag zum Vertragspreis von $ 2,35 pro Stück; nach Aufnahme der Erzeugung stellt sich heraus, daß die Gesamtkosten pro Stück fast $ 2,45 ausmachen, die sich folgendermaßen zusammensetzen: Lohnkosten Maschinenkosten Rohmaterialkosten Ausschuß
$ 0,076 0,550 ,, 0,580 „ 0,191
Fabrikationskosten insgesamt Vertriebskosten durchschnittlich
$ 1,397 1,050
Gesamtkosten $ 2,447 (In den Maschinenkosten sind die anteilsmäßig auf jede Maschine entfallenden allgemeinen Unkosten enthalten. Darunter fallen die Kosten für Kontrolle, Energie, Abschreibung, Amortisation und der Anteil der Maschinen an den Anlagen.)
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Eine beträchtliche Senkung der Kosten ergibt sich daraus, daß man „richtig ins Geleise kommt", d. h. daß man den Herrichtungsprozeß vervollkommnet, Vereinfachungen herausfindet und die Ausschußkosten herabdrückt. Im vorliegenden Beispiel bleiben die Rohmaterial- ebenso wie die Vertriebskosten gleich. Auf die Lohn- und Maschinenkosten kann die Belegschaft der Fabrik jedoch durch erhöhte Produktion Einfluß nehmen und häufig auch die Ausschußkosten senken. Da es sich um ein neues Erzeugnis handelt, nehmen wir an, daß die Belegschaft bei der Senkung der Kosten große Erfolge erzielt. Eine einfache Leistungsaufstellung würde dann folgendermaßen aussehen: Kosten des Produktes X für die Woche bis 16. Jänner in Dollar Kostenart
Veranschl. Kosten Mo. Lohnkosten 0,064 0,076 Maschinenkosten 0,465 0,550 Rohmaterialkosten . . . . 0,580 0,580 Ausschuß 0,091 0,191 Fabrikationskosten insgesamt 1,200 1,397 Vertriebskosten
Tatsächliche Kosten Di. Mi. Do. Fr. 0,073 0,072 0,071 0,070 0,531 0,521 0,511 0,507 0,580 0,580 0,580 0,580 0,148 0,139 0,116 0,090
Sa. 0,069 0,501 0,580 0,080
1,332 1,312 1,278 1,247 1,230
durchschnittlich . . . . 1,050 1,050 1,050 1,050 1,050 1,050 1,050 Gesamtkosten
2,250 2,447 2,382 2,362 2,328 2,297 2,280
Würde nun eine derartige Zusammenstellung nicht eine tägliche Erfassung der Kosten erfordern? Keineswegs, denn die Kosten lassen sich mit genügender Genauigkeit binnen weniger Minuten errechnen. Aus den Unterlagen der Kostenabteilung sind die durchschnittlichen Maschinen- und Lohnkosten pro Tag zu ersehen. Daraus lassen sich die ungefähren Kosten pro Werkstück leicht errechnen, indem man einfach die Tageskosten durch die Anzahl der an einem Tag hergestellten Stücke dividiert. Die Ausschußkosten ergeben sich aus der Anzahl der täglichen Beanstandungen. Sind die Fabrikationskosten nicht häufig vertraulich, und ist es da ratsam, sie in Leistungstafeln allgemein bekanntzugeben? Wenn die tatsächlichen Kosten nicht mitgeteilt werden sollen, kann eine andere Methode verwendet werden. Ein Mittel dazu ist die Angabe der Differenz zwischen tatsächlichen und veranschlagten Kosten; ein weiteres die Bekanntmachung bloß jener Kostenelemente, auf die die Arbeiter Einfluß nehmen können, nämlich die Maschinenund Ausschußkosten. 112
In der Regel hat eine Gesamtaufstellung sämtlicher Kosten nur beschränkten Wert, es sei denn, die Arbeiter haben die Möglichkeit, daraus in irgendeiner Weise den Erfolg ihrer Bemühungen zu ersehen. In einem kleinen Betrieb mit sagen wir etwa 30 Arbeitern würde die öffentliche Bekanntmachung der tatsächlichen Kosten genügen, um ihr Interesse zu wecken, sofern die Arbeitsverhältnisse im allgemeinen gute sind. In den meisten Fabriken würden vergleichbare Mittel zur Leistungssteigerung eine gewisse Aufgliederung bedingen, so daß jeweils alle Arten, Befriedigung an der Arbeit zu finden, dabei zur Auswirkung kommen. Solche Aufgliederungen würden natürlich in Anlehnung an die Fabriksorganisation nach Abteilungen, Maschinensätzen oder selbst nach einzelnen Maschinen erfolgen. Ähnlich der Mannschaft unseres Frachtdampfers wollen die Arbeiter wissen, inwieweit sich ihrer Anstrengung und Hingabe auf die Fabrikation als Ganzes auswirken. In jedem Fall müßte daher aus den Leistungstafeln hervorgehen, ob die Leistung auf Grund eigener Kraftanstrengung, auf dem Weg über neue Ideen oder durch abgekürzte Verfahren erzielt wurde. Findet dann das GPK, daß die „Arbeitsgruppe C" besonders stark aus dem Rahmen fällt und daß die veranschlagten Kosten bedeutend niedriger gewesen sind als die tatsächlichen Kosten, dann kann die folgende Leistungstafel verwendet werden, wobei die der Einflußnahme der Arbeiter nicht unterliegenden Kostenposten auszulassen sind: Laufende Kosten für Produkt Nr. . . — Arbeitsgruppe C In Tausendstel Dollar Ko8tenart Veranschl. Tatsächliche Kosten Kosten Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. Lohnkosten 2,23 2,50 2,42 2,34 2,34 2,27 2,27 Maschinenkosten 12,00 13,33 12,90 12,50 12,50 12,10 12,10 Ausschuß 1,66 1,27 0,92 0,74 0,67 0,57 0,50 Betriebskosten 15,89 17,10 16,24 15,58 15,51 14,94 14,87
So wie bei Produkt X kann auch in diesem Fall die Kostenabteilung leicht die tägliche Produktion in für den vorliegenden Zweck hinreichend genauen Ziffern angeben. Individuelle
Leislungstafeln
Sind Leistungstafeln für einzelne Maschinen notwendig? Diese Frage, die sich zwangsläufig ergibt, wird sich bei einer bestimmten Abteilung oder Fabrik in der Regel leicht be8 Lever
113
antworten lassen. An dieser Stelle können nur allgemeine Überlegungen angestellt werden, um bei Entscheidungen als Richtschnur zu dienen. In bestimmten Fällen hilft es jedoch, sich hinsichtlich des Wertes solcher Leistungstafeln folgende Fragen vorzulegen: 1. Ist eine Leistungstafel dazu erforderlich, daß der einzelne Arbeiter als Arbeitnehmer eine entsprechende Entlohnung erhält? In manchen Fällen ist die Güte einer Arbeitsleistung bekannt, in anderen wieder nicht. Eine kleine Gruppe, die miteinander arbeitet, weiß genau Bescheid, wer unter ihnen sachkundig, einfallsreich und verläßlich ist — wenn auch in manchen Fällen der Vorarbeiter davon niemals etwas zu bemerken scheint. Herrscht (bei einer kleinen Gruppe) ein aufrichtiges, offenes und freundschaftliches Verhältnis, dann ist auch ohne individuelle Leistungstafeln die Leistung des einzelnen recht gut bekannt. 2. Ist eine Leistungstafel notwendig, um den Arbeiter über die wesentlichen Betriebsprobleme des Unternehmens auf dem laufenden zu halten, oder ist sie notwendig, um ihm das Vertrauen zu geben, daß er seine Arbeit auf ein wichtiges Ziel richtet? Manche Aufforderungen zur Zusammenarbeit ähneln der Aussetzung eines Preises von 500 Dollar für einen Aufsatz, wobei der Bewerber zuerst das Thema zu erraten hat, worüber der Aufsatz geschrieben werden sollt 3. Würde eine Leistungstafel, aus der die individuelle Arbeit zu ersehen ist, dem Arbeiter helfen, seine Arbeit in zufriedenstellender Weise zu verrichten? Dies trifft wohl meist, wenn auch nicht immer, mehr auf Qualitätstafeln als auf Kostentafeln zu. Erinnern wir uns an das Geschwindigkeitsdiagramm im Maschinenraum des Schiffes. 4. Würde eine individuelle Leistungstafel dem Arbeiter helfen, seine Teilaufgabe im Rahmen der Gesamtaufgabe des Teams zu verstehen? Fällt der Engpaß im Arbeitsgang, der die Arbeit am laufenden Band aufhält, ihm oder dem Team zur Last ? In einem solchen Fall wäre eine individuelle Leistungstafel während dieser Zeit sehr vorteilhaft, der Vorteil wäre jedoch am größten, wenn sie in einer anderen Form gegeben würde. Diesbezüglich vergleiche den Abschnitt „Richtige Verteilung der Arbeitslast" weiter unten. 5. Ist eine individuelle Leistungstafel zur Erhöhung der Geschicklichkeit, Leistungsfähigkeit oder Leistung der Arbeiter notwendig? Auch in diesem Fall dürfte eine andere 114
Form besser sein. Die Leistungstafel dürfte ganz unnötig sein, wenn der Arbeiter in einem Betrieb mit einer ansonsten gesunden Atmosphäre einer kleinen Gruppe angehört, denn die Mitglieder derselben können einander anspornen, die Leistungshöhe einzuhalten. Derartige Fragen ergeben sich von zwei Gesichtspunkten her: vom Standpunkt der Entwicklung der Arbeiter und vom Standpunkt einer rentablen Produktion. Auch die allgemeine Arbeiterpolitik des Betriebes muß berücksichtigt werden. Während des Krieges kam es vor, daß das unüberlegte Aushängen von Leistungstafeln sich nachteilig auf die Arbeitsmoral auswirkte. Die in einem Betrieb herrschenden Vorstellungen von Leistungsfähigkeit sind von großer Bedeutung für eine Beantwortung dieser Frage. Dort, wo die Arbeiter in dem ganzen Versuch — einschließlich der Leistungstafeln — nur ein Mittel sehen, das Arbeitstempo zu beschleunigen, ist das GPK wahrscheinlich für die Arbeiter noch verfrüht. In einem solchen Fall wäre es unklug, Leistungstafeln rasch auszubauen, solange die Arbeiter nicht mindestens ihren wahren Zweck verstehen gelernt haben. Wir können uns vorstellen, wie schwierig es dort sein würde, irgendein Mannschaftsinteresse zu wecken, wo auch nur bei einem Teil der Arbeitsvorgänge Akkordlohnsätze existieren. In einem solchen Fall würde jeder Arbeiter von seinen Kameraden gedrängt werden, nicht aus der Reihe zu tanzen, seine Leistung nicht zu steigern und nicht alles, was in seiner Kraft liegt, zu tun. Dasselbe dürfte auch eintreten, wenn das Gerücht entstünde, daß später Stücksätze eingeführt werden sollen, „nachdem das Unternehmen herausgefunden hat, was wir leisten können". Herrscht aber bei der Angelegenheit Offenheit, dann macht sich eine ganz andere Einstellung geltend. Bedeutet Kostensenkung erhöhte Sicherheit der Arbeitsstelle, dann gehen Arbeiter wie Werkmeister bei der Ausforschung aller Möglichkeiten, die Kosten herabzudrücken, von den gleichen Voraussetzungen aus und finden gleiche Befriedigung an den Fortschritten, die erzielt werden. Dann erscheinen die Vorschläge der Betriebsführung hinsichtlich einer Senkung der Kosten nicht mehr so unannehmbar. Da man den Arbeitern, indem man sie auf diese Weise informiert, genügend Verstand und guten Willen zubilligt, reagieren sie darauf mit aufgeschlossenem Interesse, indem sie über jede von ihnen festgestellte Art der Verschwendung berichten und ihren Einfluß bei denjenigen unter ihnen geltend machen, 8*
115
die weniger aufgeschlossen sind. Der Circulus vitiosus des despotischen Chefs und des teilnahmslosen Arbeiters wird damit in wirksamer Weise aufgelöst. Ist die Leistungstafel
ein Mittel
zur Antreiberei
?
Obwohl bei vielen Maschinen Ausstoß und körperliche Anstrengung in keinerlei Zusammenhang stehen, ist nichtsdestoweniger der Eindruck manchmal unvermeidlich, daß bei seiner Erhöhung ein Druck auf das Arbeitstempo erfolgt. Betrachten wir einmal diese Frage näher. Der Ausstoß wird erhöht und die Wirtschaftlichkeit mit folgenden allgemeinen Mitteln erreicht: 1. Durch eine stärkere und bessere Verwendung der Einrichtungen bzw. Maschinen, durch Verringerung des Zeitverlustes durch Stillstand sowie durch eine bessere Abstimmung von Verkauf und Fabrikation aufeinander. 2. Durch eine bessere Wartung der Maschinen und Vermeidung von Maschinendefekten mittels vorbeugender Überprüfungen sowie durch entsprechende Anleitung der Arbeiter für den Betrieb auf Hochtouren, weitgehende Ausschaltung von Verzögerungen im Arbeitsgang und Verringerung der Manipulationskosten durch Umgruppierungen im Betriebe. 3. Durch eine bessere Kenntnis der Eigenschaften der verwendeten Fabrikationsstoffe und ihre Berücksichtigung bei der Planung und Herstellung der Erzeugnisse. 4. Durch eine zweckmäßigere Ausnutzung der Fähigkeiten jedes einzelnen, durch eine sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Arbeiter auf ihre Arbeit und durch bessere Mittel zur Leistungssteigerung. In der Regel sind die durch eine wissenschaftliche Führung des Betriebes zu erzielenden Einsparungen sehr groß gegenüber irgendwelchen Gewinnen, die sich möglicherweise aus einer erhöhten körperlichen Anstrengung ergeben. Dennoch kann wirtschaftliches Arbeiten in bestimmten Fällen zu erhöhter, ja übermäßiger körperlicher Anstrengung führen. In einem solchen Fall können Betriebsführung und Gewerkschaft vorbeugende Maßnahmen gegen derartige Überbelastungen treffen. Wir brauchen kaum zu betonen, daß Akkordarbeit und viele Arten von Prämiensystemen viel eher zu Überanstrengung führen als Leistungsaufzeichnungen, bei denen der Schwerpunkt auf einer ökonomischen Arbeitsweise liegt. Überanstrengungen sind dort weit weniger wahrscheinlich, 116
wo das GPK die Untersuchung über die Möglichkeiten von Einsparungen nach vielen Richtungen betreibt und wo sich daher die Tätigkeit jedes einzelnen in einer Atmosphäre der Gemeinschaftsarbeit ständig bessert. Umgekehrt werden Übermüdung und nervöse Erschöpfung durch eine schlechte Arbeitsmoral, gegenseitiges Mißtrauen und das Gefühl der Enttäuschung gefördert. Die Wirtschaftlichkeit der Arbeit ist für alle, die in der Industrie ihren Lebensunterhalt verdienen, von entscheidender Bedeutung. Früher oder später müssen Gewerkschaft und Betriebsführer miteinander zusammenarbeiten, um dem Arbeiter in steigendem Maße die Bedeutung einer ökonomischen Produktion vor Augen zu führen. Die oben angeführten Leistungsaufzeichnungen z. B. sind in mehr als einer Hinsicht sehr aufschlußreich: sie zeigen die Auswirkung einer Produktionserhöhung auf die Gesamtkosten. Sie zeigen ferner, daß sich die Einsparungen zum Großteil bei den allgemeinen Unkosten und bei den Maschinenkosten ergeben und wie verhältnismäßig unwichtig oft die Lohnkosten sind. Es liegt jedoch auf der Hand, daß man weder von den Arbeitern noch von den Werkmeistern Interesse für Kostenprobleme erwarten kann, solange sie darüber nicht informiert werden und solange nicht durch eine Änderung in den Betriebsmethoden die Kostenfrage zu einer Angelegenheit des allgemeinen Interesses wird. Dort, wo die Arbeitsmoral so schlecht ist, daß es wenig erfolgversprechend erscheint, mit Aufzeichnungen über die Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu beginnen, ist es vielleicht vernünftiger, zuerst an ein Qualitätsproblem heranzugehen. Die Qualität bildet keine Streitfrage, da alle Arbeiter mit den der Betriebsführung und ihnen selbst auferlegten Anforderungen, den Qualitätsnormen zu entsprechen, vertraut sind. Und Qualität spricht natürlicherweise das Gefühl für Werkmannsarbeit an, die mit „Ausbeutung" oder Vorurteilen direkt nichts zu tun hat. Leistungstafeln
über
Qualität
Dort, wo während des Krieges hinsichtlich der zulässigen Toleranzen hohe Anforderungen gestellt wurden, fanden die gemeinsamen Komitees bald heraus, wie wichtig in diesem Zusammenhang eine Erklärung über die Notwendigkeit großer Genauigkeit war. Die Reaktion auf eine solche Erklärung war eine unmittelbare. Doch wie bei den meisten 117
„unmittelbaren Reaktionen" ließ das Interesse bald nach, sofern es nicht auf irgendeine Weise wachgehalten wurde. Eine Kontrolle, bei der man sich damit zufrieden gibt, zu erklären, „ihr müßt besser aufpassen", wird durch Methoden ersetzt, bei denen man sich eine gewisse Kenntnis der menschlichen Natur zunutze macht. Dort, wo sich der Arbeiter aus Überzeugung sagt, „es ist ganz gleich, wie sorgfältig ich arbeite, es bringt mich doch nicht weiter", ist es viel schwieriger, sorgfältige Werkmannsarbeit zu erzielen. Nun gibt es aber in jeder Fabrik, wo der Qualität große Bedeutung zukommt, eine Menge unausgenutzter Qualitätsaufzeichnungen, die das Interesse der Arbeiter lebendig erhalten würden. Die Verfechter der „Qualitätskontrolle" behaupten zwar, sie könnten sowohl die Kontrolle einschränken wie auch die Qualität verbessern. Sie können eine solche Behauptung bloß deshalb aufstellen, weil die Betriebsführung eine Menge Geld für wissenschaftliche Untersuchungen ausgibt, das praktisch so gut wie zum Fenster hinausgeworfen ist. Wir wollen hier keinen Versuch machen, die von den Qualitätsspezialisten verwendeten Methoden zu erklären, sondern ein Verfahren aufzeigen, bei dem das Zahlenmaterial über Qualität dadurch viel wirksamer ausgenutzt werden kann, daß man den Arbeiter daraus Nutzen ziehen läßt. Prozentsatz der Ausschußstücke —
1 2
118
3
Überprüfung nach Partien
Nummer der Partie 4 5 6 7 8
9
10
12
15 20
zurückgewiesenen Stücke hervorgeht. Es stammt aus einem Betrieb, bei dem die Arbeit in Partien oder Schichten eingeteilt war. Die Kontrollore hielten diese Partien getrennt und berichteten über den Hundertsatz an Ausschußstücken partienweise. In anderen Betrieben kann die gesamte Arbeit eines Tages zusammengefaßt, überprüft und auf dieser Grundlage darüber berichtet werden. Sind den Arbeitern die Gründe für die Notwendigkeit einer sorgfältigen Arbeit bekannt, dann wird eine derartige Aufzeichnung dazu beitragen, ihr Interesse wach zu erhalten. Hier ist ergänzend zu bemerken, daß zuerst jede einzelne Partie überprüft wurde; später, als der Prozentsatz an Ausschuß gesenkt worden war, wurden nicht mehr alle Partien untersucht. Schließlich wurde nur mehr jede fünfte Partie überprüft. Solange der Prozentsatz an fehlerhaften Stücken niedrig ist, kann die Überprüfung in engen Grenzen gehalten werden. Auf den individuellen Arbeitskarten, die von den Kontrolloren geführt werden, wird genau verzeichnet, welche Maschine und wessen Arbeit überprüft wurde; damit kann jederzeit eine genaue Aufgliederung gegeben werden, aus der die Zahl der fehlerhaften Stücke bei jedem einzelnen hervorgeht. In Fällen, wo auf Qualität großer Wert gelegt wird, ist die Führung von individuellen Qualitätsdiagrammen sehr zweckmäßig — zur Verbesserung der Qualität, zur Heranbildung sorgfältiger Arbeiter und zu ihrer Ermutigung und Belohnung. Wo die Betriebsführung besondere Bedachtnahme auf Qualität erwartet, lohnt es sich, den geringen Betrag aufzuwenden, der notwendig ist, um die Feststellungen der Kontrollore anzuschlagen und damit den Arbeitern zur Kenntnis zu bringen. Auch hier erfüllen die Aufzeichnungen nur dann ihren Zweck ganz, wenn die Arbeit sofort überprüft und darüber berichtet wird. Wenn in dem Beispiel Partie 8 nicht sofort in dieser Weise behandelt worden wäre, hätten die Partien 9, 10 und 11 wahrscheinlich ebenfalls einen hohen Prozentsatz an Ausschuß aufgewiesen. Qualitätskontrolld iagramme Es gibt zahlreiche Arbeitsvorgänge, bei denen es scheinbar unmöglich ist, festzustellen, wo die Ursache einer Störung zu suchen ist. Ein Beispiel dafür liefert das Schleifen der „Schaufeln" bei Turbinen, das eine hohe Präzision erfordert. Bloß ein kleiner Ölfleck zwischen dem Werkstück und der 119
Spannvorrichtung würde die Maße so verändern, daß das Stück unbrauchbar wird. Trotz der allergrößten Sorgfalt bei der Schleifarbeit war in einem Betrieb der Prozentsatz der Stücke, die die zulässige Toleranz überschritten, sehr hoch. Maschinenspezialisten konnten den Fehler nicht finden und beseitigen. Auch ein Qualitätskomitee, das auf dem Gebiet der Qualitätsverbesserung vorzügliche Arbeit geleistet hatte, konnte die Ursache nicht feststellen. Erst den Qualitätskontrollspezialisten gelang es. Das GPK muß verstehen, was Qualitätskontrollarbeit ist und wie die Spezialisten dafür mit ihm zusammenarbeiten können. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, daß jede Betriebsführung davon mehr verstehen sollte. Glücklicherweise hat die Mathematik die Qualitätskontrollmethoden vereinfacht. Es handelt sich hier um eine Spezialarbeit und darum sollte sie einem einzelnen oder einer kleinen Gruppe zum Studium und zur Ausarbeitung von Vorschlägen übertragen werden. Da die Verfahrensweise in so geschickter Art vereinfacht und dargestellt worden ist, kann jeder vernünftige Mensch, der mit Zahlen gerne arbeitet, die Methoden verstehen und ihre Anwendung dort empfehlen, wo die Qualität ständig Kopfzerbrechen verursacht. Wenn erforderlich, sollte jeder Betrieb einen Qualitätskontrollexperten mit Ausbildung in höherer Mathematik einstellen. Diese Arbeit ist aus dem Grunde notwendig, weil es immer Abweichungen in den Dimensionen gibt. Manchmal sind die Abweichungen zu geringfügig, um besondere Beachtung zu verdienen. Diese bezeichnet man dann als „natürlich". Ein gutes Beispiel sind die geringfügigen Schwankungen in der Tageslosung bei Kaufläden. Ein vernünftiger Geschäftsführer wird sich bei Schwankungen um 2 oder 3% auf oder ab noch keine Sorgen machen. Manchmal sind die Abweichungen jedoch groß genug, um sofortiges Handeln erforderlich zu machen. Wo liegt da die Grenze? Bei den Turbinenschaufeln stellte der Spezialist fest, daß die Abweichung so bedeutend war, daß sie unmöglich von den „natürlichen Schwankungen" herrühren konnte. Er erklärte, es müsse eine ganz bestimmte Ursache dafür geben — die aufgedeckt und abgestellt werden könnte. Er war dann in der Lage, die Maschinen zu bezeichnen, die die fehlerhaften Stücke produzierten. Nachdem die Fehlerquelle so lokalisiert war, wurde die Ursache der Störung bald herausgefunden. Die Motorenfundamente waren nicht eben genug, um die erforderliche Präzision zu ermöglichen, so daß die 120
Schleifer trotz aller Geschicklichkeit und Sorgfalt keine Präzisionsarbeit leisten konnten. Nun ist selbstverständlich jeder GPK-Mann daran interessiert, in unparteiischer und sachkundiger Weise festzustellen, wo die Verantwortung für gute oder mindere Arbeit liegt. Die Arbeitsmoral leidet immer darunter, wenn darüber argumentiert wird, wen die Verantwortung trifft. Bei Arbeiten dieser Art gibt es häufig drei oder vier verschiedene Auslegungen. Die Arbeiter wissen selbst, ob sie genügend Vorsicht aufwenden, um sorgfältige Arbeit zu leisten. Manche von ihnen werden jedoch nichtsdestoweniger behaupten, alle Sorgfalt aufgewendet zu haben, auch wenn dies nicht der Fall ist. Unter solchen Umständen muß das GPK eventuell eingreifen, da sonst die Gemeinschaftsarbeit darunter leidet. Ein Appell an die Arbeiter, Ausfälle zu vermeiden, wo dies nicht in ihrer Macht liegt, kann jedoch das GPK diskreditieren. Und es ist sowohl ökonomisch wie richtig, wenn die Betriebsführung die Mittel beistellt, mit deren Hilfe die Ursache für fehlerhafte Arbeiten festgestellt werden kann. Es ist wichtig, daß das GPK an Qualitätskontrollen Interesse nimmt, weil durch sie beträchtliche Einsparungen ermöglicht werden. Manche Vergeudungen setzen sich Jahre hindurch fort, weil die betreffenden Organe nicht wissen oder nicht wissen können, wie die Prüfungsergebnisse zu analysieren sind, um sagen zu können, ob eine bestimmbare Ursache vorliegt oder nicht. Das GPK kann sich ein einmaliges Verdienst damit erwerben, wenn es die Aufmerksamkeit auf immer wiederkehrende, aus Fehlproduktion oder unnötigem Prüfungsaufwand sich ergebende Kosten lenkt und auf die Einführung besserer Qualitätskontrollen dringt. Auf sich allein gestellt und ohne Mithilfe seitens der Arbeiter können die Qualitätskontrollspezialisten nur schwer die bestimmbare Ursache feststellen. Sie können nur sagen, daß eine solche vorliegt. Das GPK ist daher ihr natürlicher Verbündeter, der ihnen bei der Feststellung der Ursache der Störung hilft. Aus vielen bereits erwähnten Gründen ist es für die Qualitätskontrollore häufig schwierig, sich die uneingeschränkte Mitarbeit der Arbeiter zu sichern. Andere Vorteile der Qualitätskontrolle lassen sich ohne nähere Kenntnis der Qualitätskontrollkarten nicht auswerten. Hier kann das GPK für eine bessere Kenntnis dieser Methoden sorgen. Da diese Methoden in unserem Land verhältnismäßig wenig bekannt sind, sind viele Gesellschaften mit ihnen 121
nicht vertraut. Eine Darstellung ihrer Verwendung ist in einer Broschüre der American Standards Association enthalten 1 ). Auch hier verdienen die Schwierigkeiten, die sich in Zusammenhang mit der Akkordarbeit ergeben, festgehalten zu werden. Der Bewertungsfachmann begnügt sich in der Regel damit, für fehlerhafte Arbeit einen Abzug vorzunehmen, wenngleich jeder, der von Zeitkontrollen etwas versteht, weiß, wie selten der Bewertungsfachmann in der Lage ist, abzuschätzen, ob dem Arbeiter mit Recht die Schuld an fehlerhafter Arbeit zugeschrieben werden kann. Ein derartiger Abzug wird den Arbeiter vielleicht veranlassen, sich folgendes zu sagen: „Wenn ich so schnell wie möglich arbeite und nicht alle erforderliche Vorsicht zur Erzielung einer guten Qualität walten lasse (indem ich z. B. den Ölbelag an der Stelle, wo Werkstück und Spannvorrichtung zusammenstoßen, nicht abwische), wird der Kontrollor die Bestandteile entdecken, die zu groß sind?" Oder, „selbst wenn der Kontrollor alle entdeckt, brauche ich mir deswegen Sorgen zu machen? Werde ich nicht sowieso an der Spitze liegen, wenn ich alle Mittel zur Beschleunigung der Arbeit in Anwendung bringe?" Wenn wir den Bewertungsfachmann fragen würden, wird er vielleicht antworten: „Wir haben festgestellt, daß der Arbeiter das Öl am nächsten Bestandteil abwischen kann, während die Maschine den vorherigen schleift, so daß er keinen Leistungsausfall hat, wenn er diese Vorsichtsmaßregel ergreift. Und auf die Aufspannvorrichtung wird kein Öl kommen, wenn er mit jedem Teil vorsichtig umgeht." Oder er kann sagen: „Wenn der Mann sich ganz darauf konzentriert, die höchste Leistung zu vollbringen, dann verbessert er auch die Qualität seiner Arbeit, denn durch Achtsamkeit verhindert er Beanstandungen." Diesen Dingen kann unter Umständen große Bedeutung zukommen, wenn dies auch nicht immer der Fall ist. Bei einem Betrieb, der wegen seiner ausgezeichneten Qualitätsleistung bekannt war, traf dies z. B. nicht zu. In demselben Betrieb war es auch, wo der Leiter eines gemeinsamen Komitees ernstlich einen der Verfasser aufforderte, gegen das Akkordarbeitssystem in Betrieben Stellung zu nehmen, in denen die Qualität eine wichtige Rolle spielt. 1 ) Control Chart Method of Controlling Quality Düring Production, American Standards Association, 29 West, 39th Street, New York, N.Y., 75jf.
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Richtige Verteilung der Arbeitslast Ein weiteres Problem, bei dem man mit Vorteil den Arbeiter einschalten kann, ist die Frage des Arbeitsanfalles. In einer großen Fabrik für Flugzeugreparaturen wurde eine „Productrol"-Tafel aufgestellt. Diese Tafel besitzt eine Reihe von horizontalen Flächen für jede Maschine und jede Arbeitsstelle. Jede Fläche hat eine Schnur, die herausgezogen und an jedem Punkt waagrecht befestigt werden kann, um ein Stäbchen wie in einem Stäbchendiagramm zu bilden. Stunden, Tage, Wochen und andere Zeitabstände können durch die senkrechten Flächen auf der Tafel dargestellt werden. In der Flugzeugreparaturfabrik wurde diese Tafel verwendet, um anzuzeigen, wann Reparaturen angekündigt wurden und wann sie tasächlich hereinkamen; wann die Fertigstellung der Arbeit in Aussicht genommen und wann die Arbeit tatsächlich fertiggestellt wurde. Mit Hilfe gewisser Zeichen wurden auch die Arten der Reparaturen angedeutet. Das Bedeutsame an dieser Tafel aber war, daß sie nicht im Büro, sondern im Fabriksraum aufgestellt wurde. So wurden die Arbeiter über die vor ihnen liegende Arbeit in Kenntnis gesetzt und man brauchte ihnen nicht Pflichterfüllung zu predigen, denn sie fühlten sich mitverantwortlich, da sie an den Tatsachen Anteil hatten. Eine praktische Form dieser Diagramme wurde vor Jahrzehnten von dem kürzlich verstorbenen Henry L. Gantt ausgearbeitet. Sie wird außer für Arbeitslastdiagramme auch noch für viele andere Arten von Leistungsaufzeichnungen verwendet. Diese Yerwendungsarten sind in einer interessanten kleinen Broschüre zusammengestellt zu finden 1 ). Manche Papiergeschäfte führen heute Formulare für den ausdrücklichen Gebrauch von Ganttdiagrammen, wodurch ihre praktische und wirtschaftliche Verwendbarkeit bedeutend erhöht wird. Derartige Diagramme zeigen nicht nur die Arbeitslast für jede Maschine oder jeden Maschinensatz; mit ihrer Hilfe läßt sich auch der Zusammenhang und die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Arbeitsvorgänge voneinander leichter erkennen. Dort, wo mit Engpässen zu rechnen ist, sind sie für die Planung der Arbeit sowie für das Vermeiden von drohenden Stockungen von größtem Wert. Für Arbeiter mag es vielleicht unwichtig sein, die ganze Fülle von Arbeitsvorgängen in einer Fabrik zu verfolgen. Sind aber die einzelnen Arbeitsvorgänge in verwickelter x
) The Gantt Chart, Wallace Clark, McGraw-HiU Book Co.
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Weise voneinander abhängig, dann ist es bei einem leistungsfähigen Betrieb erforderlich, daß sie in einfacher A r t dargestellt werden. Sonst kann es in einer Abteilung an Arbeit mangeln, während eine andere überlastet ist; vorübergehende Entlassungen können knapp vor dem Augenblick erfolgen, wo neue Leute eingestellt werden; oder es können sich unnötige Kosten anderer Art ergeben. Auf diese Weise kann zur Lösung des Problems des Fernbleibens vom Betrieb dort beigetragen werden, wo die Teilnahmslosigkeit der Arbeiter einen wesentlichen F a k t o r bildet. Die Psychologen haben die Notwendigkeit betont, daß wir unsere Umgebung verstehen. Es ist verwirrend, wenn wir nicht wissen oder verstehen, was um uns herum vorgeht. Dadurch wird es uns schwer gemacht, mit Zuversicht und Phantasie zu denken. W o wir bloß als Hilfskräfte angesehen werden, wissen wir selten viel von dem, was über unsere unmittelbaren Aufgaben hinausgeht. U m mit unseren Gedanken helfen zu können, müssen wir von unserer Umgebung etwas wissen. Sonst hätten wenige von uns etwas wirklich Wertvolles beizutragen. Dort, wo die Arbeitsvorgänge genau aufeinander abgestimmt sein müssen, ist es f ü r die Arbeiter besser, ein Bild davon zu bekommen, in welcher Beziehung sie arbeitsmäßig zueinander stehen. J e einfacher die graphischen Darstellungen oder Diagramme sind, desto besser erfüllen sie ihren Zweck. Und die Planung funktioniert dann besser, wenn eine Zusammenarbeit aller erwartet wird. Wenn die Arbeiter selbst die Probleme sehen können, die den „Oberen" Sorgen bereiten, können sie es würdigen, daß an ihren eigenen Verstand appelliert wird, und was noch mehr ist, daß man aufrichtig u m ihn bemüht ist. Administrative
Förderung
der
Leistungstafeln
Führen Leistungstafeln an sich schon zur Gemeinschaftsa r b e i t ? Nein! Sofern sie von den Leitungsorganen einschließlich der obersten Betriebsführung nicht wirklich ernst genommen werden, verlieren sie bald an Interesse und Reiz. Wie der Werkmeister von den Leistungstafeln Gebrauch macht, hängt ganz von seiner Art der Führung und seinem Wesen ab. Ohne Unterschied sorgen jedoch die tüchtigen Werkmeister in irgendeiner Weise f ü r individuelle Anerkennung. Ist die Produktion besonders gut, dann weiß das der tüchtige Werkmeister und seine Arbeiter. Dort, wo 124
sie schlecht ist, kann er nach der Ursache forschen und den Arbeitern erklären, wie diese zu beheben ist. Seine Untersuchung kann auch ergeben, daß der Fehler wo anders liegt, daß die Arbeit schon bei der Übernahme Mängel aufweist oder daß die Maschine schlecht bestückt ist. Durch derartige Nachforschungen erhält der Werkmeister wertvolle Hinweise auf Fehler in der Kontrolle oder in den Instruktionen an die Arbeiter bei vorherliegenden Arbeitsvorgängen bzw. auf sonst einen Umstand, der die Aufmerksamkeit des Chefingenieurs oder sonst eines Überwachungsorgans erfordert. Andrerseits kann ein Werkmeister einen Leistungsbericht so hervorragend finden, daß seine Anerkennung in mehr bestehen muß als in ein paar belobenden Worten, die im Vorübergehen gesprochen werden. Sind Lohnerhöhungen und Beförderungen üblich, dann kann er die sich aus den Leistungstafeln ergebenden Tatsachen nicht einfach übergehen. Denn wenn in einem solchen Fall die Leistungstafeln nichts bedeuten, dann haben sie niemals eine Bedeutung. Daraus ist die Lehre zu ziehen, daß, wenn das Motiv des Vorwärtskommens ausgeschaltet wird, auch die Befriedigung an der Arbeit zum Großteil verloren geht. Daher ist das Motiv des Vorwärtskommens von Wichtigkeit und das Gefühl der Sicherheit eine Voraussetzung für Gemeinschaftsarbeit. Beide erfahren eine Minderung, wenn der Verdacht entsteht, daß Hintergedanken — und nicht das Gedeihen des Unternehmens — die Entscheidungen des Werkmeisters bestimmen. GPK
und
Leistungstafeln
Manchmal können sich für das GPK durch ein sorgfältiges Studium der Leistungstafeln als Ergänzung zur oder Ersatz für die Akkordarbeit bedeutsame Möglichkeiten für eine allmähliche Verbesserung der Arbeitsmoral ergeben. Die Leistungstafeln erwecken manchmal dort Interesse, wo das Verdienstmotiv der Akkordarbeit versagt. Sie sollten zuerst dort erprobt werden, wo ein anerkanntes Problem vorliegt. Handelt es sich dabei darum, die Kosten zu senken, dann kann das GPK einen Weg weisen, die Kosten an Hand einer Leistungstafel klar aufzuzeigen. Sollen Stücklöhne durch Zeitlöhne ersetzt werden, dann ist es die Aufgabe der Gewerkschaften (und nicht des GPK), diese Frage mit der Betriebsführung zu regeln. Das GPK kann hierbei nur über Aufforderung mithelfen, und es sollte nicht schwer sein, Lohnerhöhungen auszuarbeiten, die von Zeit zu Zeit die Arbeiter 125
für erzielte Produktivitätssteigerungen entschädigen. Das laufende Interesse sollte jedoch darauf gerichtet sein, mit Hilfe von solchen Mitteln, wie den Leistungstafeln, die Kosten zu senken. Am Anfang kann es vorkommen, daß sich diese Tafeln in irgendeiner Form als ungerecht erweisen. In einem solchen Fall werden die Arbeiter nicht zögern, darauf hinzuweisen. Auch können sie so langsam zusammengestellt und bekanntgemacht werden, daß sie ihre Wirksamkeit verlieren. Ob von individuellen Berichten in dieser Weise Gebrauch gemacht werden soll, ist zu überlegen. In manchen Fällen ist es undurchführbar, die erforderlichen Tatsachen zu sammeln; in anderen kann die Bekanntmachung individueller Leistungsaufzeichnungen durch Anschlag mißverstanden und übel vermerkt werden; in weiteren Fällen wieder sind derartige Einzelberichte für die Gemeinschaftsarbeit unerläßlich. Das GPK kann sich für derartige Aufzeichnungen ohne volle Unterstützung seitens der Betriebsführung nicht einsetzen. Die Berichte müssen auch aktuell, verläßlich und genau sein und sollen zeigen, wie eine erstklassige Leistung aussehen würde. Ist das nicht möglich, dann sollten sie dem Arbeiter all das zugute kommen lassen, was über die Leistung bekannt ist, wie z. B. „der Durchschnitt im selben Monat des vergangenen Jahres" oder „die bisher erzielte Höchstleistung". Kurz, je mehr das GPK in Gang kommt, desto besser wird es erkennen, welch gewaltige Reserve von Ideen unter den Arbeitern vorhanden ist. Sobald es einmal so weit ist, wird es Mittel und Wege suchen, ein treffendes und aktuelles Bild über die laufenden Probleme der Betriebsführung zu vermitteln und einen Hinweis zu geben, wie die Arbeiter bei jedem einzelnen Arbeitsvorgang mit Erfolg an ihrer Lösung arbeiten können. In zunehmender Zahl werden daher scharfsinnige Männer die Frage untersuchen, wie Leistungsaufzeichnungen zusammengestellt werden können, die diese Aufgabe erfüllen.
126
VIII.
Die Tätigkeit
der
Viererlei
KAPITEL
Produktionskomitees Aufgaben
Worin besteht die Tätigkeit der GPKs? Wie erfüllen sie ihre Aufgaben ? Worauf beziehen sich ihre Empfehlungen ? Und mit welchen Schwierigkeiten haben sie zu kämpfen? Die Aufgaben der GPKs kann man etwa in vier Gruppen einteilen: 1. Fragen, die die Technik der GPK-Arbeit betreffen, wie z. B. ob Unterkomitees zu bilden sind, und wenn ja, welche bzw. wann und wie sie in Funktion treten sollen, sowie auf welche Weise im GPK freiwerdende Stellen neu zu besetzen sind usw. 2. Fragen, die die Produktion nur mittelbar betreffen, wie Betriebssicherheit und Betriebsschutz, Ermüdungserscheinungen und Arbeitserleichterungen. 3. Direkte Produktionsprobleme: Die Arbeit als solche und die dafür erforderlichen Einteilungen und Dienstleistungen; Qualitätskontrolle, Instandhaltung, Zuweisung der Arbeit, Lager- und Werkzeugkontrolle. 4. Vertretung oder Übernahme der persönlichen Interessen der Arbeitnehmer: charitative Hilfsaktionen, Sparfonds, Verbraucherverbände, Kreditvereine usw. Solange das GPK noch neu ist, muß es den Großteil seiner Zeit vorübergehend auf Fragen verwenden, die die Technik und die Verfahrensweisen der eigenen Arbeit betreffen. Fragen der Vertretung, der Teilnahme, der Festsetzung von Ort und Zeit von Sitzungen sowie der Vergütung für die im GPK aufgewendete Zeit sind zu regeln. Mit zunehmender Erfahrung wird ohne Zögern die ursprüngliche Organisation des GPK umgebaut. Möglichkeiten zu zweckdienlicher Betätigung, die nicht vorauszusehen gewesen sind, ergeben sich, je mehr es in Gang kommt und je klarer es erkennt, daß es die Betriebsführung bei schwer lösbaren und schon seit langem bestehenden Problemen unterstützen kann. 127
Nach einigen Sitzungen treten dann die technischen Fragen in den Hintergrund, und nun kann das GPK seine Zeit mehr auf aktuelle Produktionsprobleme und ähnliches verwenden. Sobald die Arbeiter sehen, daß das GPK wirklich funktioniert, beginnen sie mit ihren Vorschlägen zu kommen. Dieses deutlich gezeigte Bestreben, die Produktion zu verbessern, ist ein Hinweis dafür, wie weit der Gedanke der Gemeinschaftsarbeit im Betriebe bereits festen Fuß gefaßt hat. Die tieferliegenden und eingewurzelten Ursachen zu Mißtrauen lassen sich jedoch durch die bloße Absicht, die Gemeinschaftsarbeit zu verwirklichen, nicht leicht beseitigen. Es kann ziemlich lange Zeit, ja vielleicht viele Monate dauern, bis einige der schwierigeren Produktionsprobleme gelöst werden können. g Beschwerden
Es ist in der Regel nicht ratsam, die Organisierung eines GPK so lange aufzuschieben, bis das gegenseitige Mißtrauen zur Gänze beseitigt ist. Beschwerden sind daher auf dem normalen Weg zu behandeln, während sich das GPK seinen eigenen Produktionsplänen widmet. Dabei kann das GPK manche der tieferliegenden Ursachen für Beschwerden aufdecken, die mit den von ihm behandelten Problemen zusammenhängen. In einem solchen Fall gibt es einfach die einschlägige Mitteilung an die für Beschwerden zuständige Stelle weiter — ohne selbst sich mit der Beseitigung der Mißstände zu befassen. Indem es die Verantwortlichkeit anderer anerkennt, hilft es das Muster für Gemeinschaftsarbeit schaffen, ohne das seine eigene Arbeit beeinträchtigt würde. Wenn über Beschwerden rasch und gerecht entschieden wird und je mehr die Arbeiter zu begreifen beginnen, daß die vom GPK geleistete Pionierarbeit dazu beiträgt, in der Werkstatt eine gesündere Atmosphäre zu schaffen, desto weniger leicht werden sich kleinere Mißstände zu großen Affären ausweiten, die schließlich fast jeden einzelnen im Betriebe erfassen. Ist das GPK noch verhältnismäßig jung, dann muß es sich bemühen, den Leuten mit falschen Vorstellungen zu versichern, daß das gemeinsame Programm dazu dienen soll, die Arbeiter zu veranlassen, sich kritisch zu bestehenden Mißständen zu äußern. Ein GPK hat daraus folgendes Motto gemacht: „Behebe Schwierigkeiten, bevor sie eintreten." Das beinhaltet aber 128
mehr, als gegenüber eventuellen Ungerechtigkeiten bloß wachsam zu sein. Es bedeutet erstens, daß mit den schlampigen Methoden und vorschnellen Urteilen im Betriebe aufgeräumt werden soll, die den Nährboden für Unzufriedenheit abgeben. Zweitens, daß die Beseitigung der Ursachen von Mißständen den Arbeitern den Anlaß nimmt, sich weiter mit ihnen zu beschäftigen. Da sie als Mitbeteiligte den sich vollziehenden Wandel in dem im Betrieb herrschenden Geist zu beobachten Gelegenheit haben, gewinnen sie Einblick in die Probleme der Betriebsführung, und diese veränderte Atmosphäre ermöglicht es ihnen, ihre Gedanken nützlicheren und ansprechenderen Dingen zuzuwenden. Es ist daher falsch, wenn das GPK annimmt, Mißstände könnten als unbedeutend abgetan werden oder Betriebsführung und Belegschaft sollten auf die Wahrnehmung ihrer Interessen verzichten. Die Arbeiter lernen einfach erkennen, daß sie ihren Interessen damit am besten dienen, wenn sie durch Zusammenarbeit auf höherer Ebene in beiderseitigem Interesse gemeinsam nach Lösungen suchen. Maschinen
und
Werkzeuge
Häufig ergeben sich Fragen der Umstellung und Neuanordnung von Maschinen. Eine Maschine oder Spritzzelle, eine Waage oder ein Ventilator lassen sich manchmal an einem besseren Platz aufstellen. Bei wichtigen Maschinen und Kränen kann man sich gegen einen längeren Stillstand infolge eines Defektes sichern, indem man einen wichtigen Ersatzteil zur raschen Auswechslung bereithält. An der Werkbank benötigte Schraubenschlüssel werden manchmal an dieser festgemacht oder eine Ersatzgarnitur bereitgestellt, damit sie bei Bedarf vorhanden sind und nicht „verschwinden". Mit der Fähigkeit, vernünftige Vorschläge in die Tat umzusetzen, gewinnt das GPK auch größeres Vertrauen. Derartige verhältnismäßig einfache Methoden werden leicht verstanden. Ihr Wert läßt sich ebenso verhältnismäßig leicht feststellen und zeigt sich schneller bei ihrer praktischen Anwendung als durch großangelegte „Untersuchungen der Betriebsverhältnisse". Schwierigere Fragen, wie Vorschläge zu einer Reorganisierung des Lagerkontrollsystems, erfordern natürlich weitergehende Maßnahmen. In engem Zusammenhang damit stehen die in manchen Betrieben sehr beliebten, weniger weitgehenden Änderungen in der Herstellung von 9 Lever
129
Werkzeugen und Bestandteilen, durch die sich die Produktionskosten senken lassen. So kann ein Loch in ein gegebenes Teilstück gegossen werden, damit es besser festgehalten werden kann, wenn es plattiert oder gebeizt wird. Formen können mit Spezialstahl überzogen und so dauerhafter gemacht werden. Werkzeuge, Halter und Apparaturen aller Art lassen sich so verbessern, daß sie handlicher werden und ihre Bedienung weniger Kraftanstrengung erfordert oder ermüdet. Und jeder neue Gedanke führt zu neuen Ideen, da er anderen neue Anregung bietet. Die
Beziehungen
zwischen
den einzelnen
Abteilungen
An zweiter Stelle stehen zahlenmäßig jene Vorschläge, die das Verhältnis der Abteilungen zueinander betreffen. Die Beförderung zwischen den verschiedenen Abteilungen läßt sich verbessern, wenn man den Bedarf zeitig genug bei den Transportführern anmeldet und bei den Empfangsstellen eine Reihung vornimmt, zu denen oder von denen die Stücke zu befördern sind. Viele neue Ideen treten zutage, um die überlastete Reparaturabteilung in kritischen Situationen zu unterstützen und sie vorbeugende Maßnahmen bzw. kleinere Reparaturen vornehmen zu lassen, während die Maschinen stillstehen. Ein weiteres Problem bildet das Verhältnis der verschiedenen Schichten zueinander. Oft genügt ein kurzer Stillstand der Maschinen während des Schichtwechsels, daß sich diese abkühlen und dadurch ernstzunehmende Schwankungen in der Präzisionsarbeit entstehen. Manchmal wissen die Nachtschichten nicht, welches die richtigen Formen und Werkzeuge sind, die verwendet werden sollen, bis das GPK eine einfache Beschriftung der Schachteln zur Unterscheidung zwischen geeigneten und ungeeigneten Formen und Werkzeugen veranlaßt. Eine systematische Handhabung von Zeichnungen und Arbeitsanweisungen sichern die Kontinuität zwischen Schichten und Abteilungen. Wo Vorarbeiter und Arbeiter es unterlassen, sich an die eingeführten Normen zu halten, wird der Betrieb vor ein Problem der Arbeitsdisziplin gestellt, das am besten vom GPK als gemeinsamer Einrichtung von Betriebsführung und Belegschaft gelöst wird. Die Vertreter der Betriebsführung erklären (dem Vorarbeiter, der den Verstoß begangen hat) die Schwierigkeit, die durch eine derartige Nachlässigkeit entstanden ist, während die Arbeitermitglieder des GPK 130
dem unachtsamen Arbeiter vor Augen führen, wie ein verzweifelter Nachtschichtarbeiter seine halbe Nachtarbeit neu machen mußte, „weil er kein Gedankenleser" war, und infolge der Nichtbeachtung der eingeführten Norm durch einen anderen irregeführt wurde. Betriebsvorschriften
Gelegentlich werden die Betriebsvorschriften auf Grund gemeinsamer Beratungen abgeändert. Die dafür zuständigen Arbeiter und Betriebsleiter werden zu einer Besprechung zusammenberufen. Der Aufseher oder Werkmeister begründet die Notwendigkeit einer neuen Vorschrift zur Klarstellung eines bestimmten Arbeitsvorganges. Ein Arbeitermitglied des GPK wird dazu vielleicht erklären: „Ja, wir wissen davon, doch könnte man das so oder so durchführen und dabei viele Schritte ersparen." Nach einer eventuellen weiteren Abänderung wird der Vorschlag angenommen und die abgeänderte Betriebsvorschrift in klarer und verständlicher Form abgefaßt. Sie wird so von allen, die davon berührt werden, in gewissem Sinn als selbstauferlegt angesehen und aus diesem Grunde entsprechend genau eingehalten werden. Der Baltimore- und Ohio-Plan leistete mehreren Eisenbahnen unter anderem dadurch unschätzbare Dienste, daß er die Betriebsvorschriften einer Revision unterzog und ihre Einhaltung durchsetzte. Instandhaltung
Dann folgen Vorschläge über die Instandhaltung. Viele davon betreffen das Verhältnis zwischen den Instandhaltungs- und den Produktionsarbeitern, andere wieder spezifische Maschinenprobleme. Das Brechen von Formen wird manchmal durch die Installierung eines „elektrischen Auges" verhindert, das die Maschinen zum Stillstand bringt, wenn sich ein Stück in der Zuführung umlegt. Das Abbrechen von Bohrern wird vermieden, indem man sie schleift, bevor sie zu stumpf werden. Riemen werden geschont, indem man Vorkehrungen trifft, daß sich keine scharfen Stückchen zwischen dem Riemen und der Riemenscheibe einklemmen. Kühl- und Schmiersysteme werden durch Vorschläge des GPK und durch seine Unterstützung bei der Einhaltung der eingeführten Betriebsvorschriften zur vollen Wirksamkeit gebracht. 9*
131
Die Beobachtungen und Erfahrungen der Arbeiter bei ihrer eigenen Arbeit können einen wesentlichen Beitrag zur Lösung von Instandhaltungsfragen leisten. Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr darin, nützliche Vorschläge zu bekommen; sie liegt vielmehr darin, die Arbeiter davon überzeugen zu können, daß ihre Beobachtungen wirklich erwünscht sind, daß man sie ernstlich prüfen und, wenn möglich, auch von ihnen Gebrauch machen wird. Lager-
und
Werkzeugkontrolle
Es folgen dann zwei einander etwas ähnlich geartete Dienstleistungen, die Lager- und die Werkzeugkontrolle. Eine große Zahl von Betrieben ist mit ihr bereits wohlvertraut. Manchmal verursacht jedoch der Mangel an Werkzeugen und der gute alte amerikanische Charakterzug, „damit fertig zu werden", das Hamstern von knappen Werkzeugen, während ein vollgepfropfter Arbeitsraum nach einem verbesserten Lager- und Werkzeugdienst verlangt. In vielen Betrieben werden die Lager erweitert und umfassen Artikel, die früher in den Dienst nicht einbezogen waren. In anderen wird der Bedarf an Zweiglagern oder Zweigkrippen für Werkzeuge der Betriebsleitung gemeldet, um die Werkzeuge besser zu schonen, den Weg abzukürzen oder das lange Warten am Ausgabeschalter zu vermeiden. In einer Fabrik wurde die Werkzeugkontrolle während der Depression vollständig aufgelassen. Das GPK führte sie dann wieder ein, tat dies aber nicht im Wege einer großangelegten Umstellung, sondern stufenweise, in einer Abteilung nach der anderen, und zwar je nach dem Tempo, in dem sich die Arbeiter die besten Methoden der Lagerung, Manipulation und Ausgabe von Werkzeugen aneigneten. Damit bauten sie in einer Biesenfirma mit einem Mindestmaß an Verschwendung und Verwirrung einen wichtigen Dienstzweig auf. Zwei Monate vergingen mit Versuchen, bevor die nächste Abteilung ihre Krippen erhielt. Danach stieg ihre Zahl rasch an. Und (so wie in Angelegenheit der Arbeitsdisziplin) halfen die GPK-Mitglieder dabei mit, die Werkzeughamsterer durch „Nachschau" in ihren Kasten und das Hervorholen der gehamsterten Werkzeuge zu erziehen. Doch erst die Versicherung, daß bei Bedarf genügend Werkzeuge zur Verfügung stehen würden, machte dieser Unsitte wirklich ein Ende. 132
Sonstige
Angelegenheiten
Zu den weiteren Themen gehören unter anderem Änderungen in der Arbeitszuweisung, Beleuchtung, Verwendung von Roh- und Hilfsstoffen und Qualitätsnormen. In manchen Fällen werden den Arbeitern die Arbeitsgänge, die auf ihre eigenen folgen und die größere Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Qualität erfordern, gezeigt, um ihnen die Notwendigkeit größerer Sorgsamkeit vor Augen zu führen. Manchmal werden auch Vorführungen vorgenommen, um den Arbeitern die Funktion oder die Rolle, die ihre Arbeit bei der Herstellung des Endproduktes spielt, klarzumachen. Vorurteile
Die Bildung eines GPK wird manchmal als Versuch der Gewerkschaft angesehen, sich Leitungsbefugnisse anzueignen. Die Furcht vor derartigen Bestrebungen geht auf die Zeit zurück, da die beiden Gruppen noch viel weniger voneinander wußten. Herrscht eine derartige Auffassung vor, dann ist es für die Betriebsführung so gut wie unmöglich, Zusicherungen seitens der Gewerkschaft Glauben zu schenken. Denn wie kann uns jemand, den wir für unaufrichtig halten, vom Gegenteil überzeugen? Diese Befürchtungen stellen sich jedoch mit der Zeit als unbegründet heraus. Denn die Gewerkschaften sind Einrichtungen, die für derartige Aufgaben völlig ungeeignet sind. Arbeiter und Gewerkschaftsführer mit Reife wissen aus Erfahrung, daß die Leitungsbefugnis bei jenen liegen muß, die für einen Betrieb verantwortlich sind, sonst würde die Betriebsstätte zu einem Narrenhaus werden. In Wahrheit wird sich das GPK als die beste Schule erweisen, in der bei industriellen Unternehmungen jede Gruppe die wirklichen Aufgaben der anderen Gruppe kennenlernt. Dies zeigt wohl eindeutig, daß das GPK alles andere ist als ein Schritt zur Beherrschung der Betriebsführung durch die Gewerkschaft. Die Angelegenheit wird jedoch durch eine andere wichtige Überlegung überschattet: Präsident X oder Generaldirektor Y können sich bei aller Autorität, die sie genießen, nicht ständig ohne Prestigeverlust über gute Ratschläge hinwegsetzen. So ist im Grunde genommen ein leitender Direktor keineswegs allmächtig. Er wird in höherem oder geringerem Ausmaß von den Umständen beherrscht, denen er sich gegenübersieht. Er kann jedem Ratgeber überlegen sein 133
und recht haben, wo der andere unrecht hat; dennoch weiß er, daß er zumindest in der Mehrzahl der Fälle nachweisen muß, daß er recht hat, wenn er verantwortungsbewußte Ratschläge nicht beachtet. Wird das GPK geschickt geführt, dann ist es in glänzender Weise dazu befähigt, vernünftige und zutreffende Ratschläge zu erteilen. Es kann die wohlerwogenen Meinungen der Werkmeister, der Organe mit Weisungsbefugnis und der Arbeitervertreter zu einem Ganzen zusammenfassen und daher mit Urteilsfähigkeit, Voraussicht und Gründlichkeit an die laufenden Probleme herangehen. Und keine Betriebsführung kann es sich leisten, derartige Ratschläge unbeachtet zu lassen. Auf den ersten Blick mag dies dem leitenden Direktor den Eindruck machen, als ob auf diese Weise das GPK oder die Gewerkschaft Leitungsbefugnisse eingeräumt erhielten. Eine Aufgabe von Leitungsbefugnissen liegt in Wirklichkeit aber nur dann vor, wenn er den Betrieb lieber auf eigene Art schlecht als auf die beste Art führen will. Da es ihm immer vorbehalten bleibt, darüber zu entscheiden, welcher Weg der beste ist, kann er auf keinen Fall an Autorität Einbuße erleiden, sondern kann dabei nur gewinnen, wenn das GPK Erfolg hat. Solange dies jedoch nicht vollkommen klargestellt ist, wird der Verdacht wie eine Klette haften bleiben und den Fortschritt des GPK beeinträchtigen. Systemlose
Auswahl
der
Probleme?
Da die Arbeiter im GPK die Arbeiterseite vertreten, sind sie vor allem daran interessiert, die Vorschläge „ihrer Wähler" zu behandeln. Die Folge davon ist, daß das neugeschaffene GPK manchmal hin und her schwankt und ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung bald die eine und bald die andere Frage untersucht. Mit dieser Methode läßt sich klarerweise das Interesse und Vertrauen der Arbeiterschaft rasch gewinnen, doch geschieht dies auf Kosten eines geordneten Verfahrens. Was ist nun anfangs wichtiger? Soll man zuerst das ganze Feld der Untersuchungen abstecken und jede Frage je nach dem Grad ihrer Bedeutung behandeln? Oder soll man schnell das Interesse und die Unterstützung der gesamten Belegschaft zu gewinnen suchen? Angesichts der Bedeutung einer alle umfassenden Beteiligung, die wir im vierten Kapitel erörtert haben, ist es wahrscheinlich besser, wenn letzteres zuerst geschieht. Bedeutet das nun aber, daß kein systema134
tischer Plan entwickelt werden kann ? Vielleicht ist es verfrüht, schon jetzt diese Frage in bejahendem Sinne zu beantworten. Immerhin bedeutet eine allgemeine Beteiligung noch nicht unbedingt eine schlecht organisierte Verfahrensweise. Das G P K braucht bloß die beste Verfahrensweise allmählich zu entwickeln und dann seine „ W ä h l e r " dazuzubringen, sie als die bessere anzuerkennen. Mit zunehmender Reife erkennt das GPK, daß es viele wertvolle Dienste leisten kann, wenn es das vor ihm liegende Betätigungsfeld als Ganzes betrachtet. E s kann dann in viel zweckmäßigerer Weise spezielle Lösungen verfügen und dabei die wichtigen Dinge an erster Stelle behandeln. Zu diesem Zweck steht ihm eine sich ständig vergrößernde Literatur über die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Betriebsführung — und über wissenschaftliche Betriebsführung — zur Verfügung, die ihm in dem aufregenden Erlebnis einer fortschreitenden Besserung Hilfe leistet. Im nächsten Kapitel wollen wir das Gebiet der Betriebsf ü h r u n g näher betrachten, um die Richtung aufzuzeigen, in der sich dem G P K fast unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Denn bei aller gebührenden Anerkennung f ü r ihre Rolle bei der Einführung des G P K scheinen manche Betriebsführer der Auffassung zu sein, daß die Bewegung in ihren Betrieben bereits den Höhepunkt überschritten h a t und daß das GPK, je mehr das Feld spezifischer Verbesserungen bearbeitet wird, seine Aufgabe erfüllt hat. Eine derartige Denkweise geht von der Vorstellung aus, daß sich ein Entwicklungsprozeß nicht nur normieren, sondern auch für immer so festlegen läßt, daß er keiner Änderung mehr bedarf. Aber gerade so wie eine Erfindung zwei neue gebiert und diese zwei vier weitere im Gefolge haben, so ist die Wissenschaft von den menschlichen Beziehungen in ständiger Entwicklung begriffen, die einem sich immer rascher vollziehenden Wandel dauernd neu angepaßt werden muß.
135
IX.
Die
technische
KAPITEL
Bekämpfung
der
Vergeudung
Wo liegen die größten Verschwendungen? Der ganze Kreis von Betriebsleitungsfragen erfordert die Aufmerksamkeit des G P K . Zuerst beginnt es mit den einfachsten Verbesserungen am Arbeitsplatz, um dann seine Aufmerksamkeit immer mehr den Fragen der Verschwendung in allen ihren Arten zuzuwenden. Auf diesem Gebiet haben Spezialisten für Betriebsführung viele Entdeckungen gemacht. Im folgenden wollen wir die Natur dieses Teilgebietes der Betriebsführung sowie die wichtigsten Forschungsarten aufzeigen, die dazu beitragen, Verschwendungen auszuschalten. Im allgemeinen kommen die größten Verschwendungen im Verteilungsapparat vor. A n zweiter Stelle stehen jene, die sich aus einer mangelnden Lenkung der Energien ergeben — aus der fehlenden Vorsorge für eine Führung, die die K r ä f t e der Arbeiter auf gemeinsame Ziele ausrichtet, ihre Begeisterung weckt und ihre sämtlichen Fähigkeiten nutzbringend verwertet. In Verbindung damit stehen die Widersprüche und Doppelgeleisigkeiten in den Anstrengungen, die sich aus dem Mangel an Gemeinschaftsarbeit im einzelnen und allgemeinen ergeben. Demgegenüber ist die Verschwendung, die auf die fehlende Einsatzbereitschaft der Arbeiter zurückgeht, von verhältnismäßig geringer Bedeutung. Das G P K muß sich stets vor Augen halten, daß seine Zielsetzungen auf das gesamte Gebiet der Verschwendungsbekämpfung gerichtet sein müssen. Geschieht das nicht, dann sind seine Funktionen fast auf die eines Polizeiorgans beschränkt: nämlich in Übereinstimmung mit einer im vorhinein festgelegten Einstellung Ordnung zu halten, womit nur die Idee der Gemeinschaftsarbeit diskreditiert wird und sie ihren Zweck verfehlt. In der Regel liegt die größte Möglichkeit für das G P K in einer besseren Abstimmung von Verkauf und Produktion. Ganze Maschinensätze können in Betrieb gehalten werden,
136
wenn Verkauf und Produktion entsprechend aufeinander abgestimmt werden. Die allgemeinen Unkosten können während des ganzen Jahres auf die gesamte maschinelle A u s rüstung verteilt, anstatt nur von jenen Maschinen getragen zu werden, die in Betrieb bleiben. D e r verstorbene H e n r y L . G a n t t stellte die Forderung auf, die K o s t e n für stilliegende Maschinen direkt dem Gewinn- und Verlustkonto anzulasten. D o r t zeigt sich in einer Pauschalsumme jene Post, die oft die größte Verschwendung in der gesamten Produktion darstellt. A u f diese W e i s e werden bei den tatsächlich erzeugten W a r e n Schwankungen in den K o s t e n als Folge eines nicht normalen Produktionsvolumens, die v o m Produktionsleiter nicht kontrolliert werden können, vermieden; die f ü r die P r o d u k t i o n Verantwortlichen werden angeeifert, die K o s t e n dann niedrig z u halten, wenn es a m wichtigsten i s t ; ferner wird damit die E n t w i c k l u n g einer Preispolitik gefördert, da dieses Verfahren die genauen K o s t e n der Produktion sowie die K o s t e n der mangelhaften Ausnutzung der Maschinenkapazität vermittelt. Diese Methode, die schon v o r mehr als dreißig Jahren gefordert wurde — und bis heute noch nicht viel verwendet wird — zeigt deutlich den weiten A b s t a n d , der zwischen richtiger theoretischer Erkenntnis und tatsächlicher P r a x i s in den meisten Industrien besteht. Umfassende
Planung
Die A b s t i m m u n g v o n V e r k a u f , Finanzierung, E i n k a u f , P r o d u k t i o n und Versorgung mit Arbeitskräften aufeinander wird manchmal als „umfassende P l a n u n g " bezeichnet. Die A r b e i t der betreffenden Hauptabteilungen m u ß frühzeitig genug (in manchen Betrieben zehn Jahre oder mehr) im voraus geplant und diese Pläne zur Grundlage der Einzelplanung g e m a c h t werden. Darunter fallen die A n s c h a f f u n g v o n Maschinen, Erweiterung des Betriebes, B e s c h a f f u n g v o n Rohstoffen, die von entfernten oder starken Schwankungen ausgesetzten Märkten bezogen werden müssen. Eine Überprüfung der Pläne erfolgt in regelmäßigen Zeitabschnitten, doch entsprechend lange vor ihrer tatsächlichen Durchführung. A u f diese Weise können, g a n z gleich u m welche P r o d u k t e es sich handelt oder welche Hindernisse bestehen, Verluste und Arbeitslosigkeit, die auf unerwartete Änderungen in der Marktlage zurückzuführen sind, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Im folgenden geben wir beispielsweise 137
ein Gespräch zwischen einem Verkaufsleiter und seinem ersten Mitarbeiter über den aus einem Verkaufsrayon im mittleren Westen einlaufenden Bericht wieder: Verkaufsleiter: Bill, die Sache nimmt ernste Formen an. So wie uns der Bezirksleiter schon angekündigt hat, sind seine Verkäufe um 30% gefallen. Letztesmal verkaufte er um 10% weniger als wir erwarteten. Und doch müssen seine Leute ihr Bestes getan haben. Mitarbeiter: Ja, und bei keinem anderen Erzeugnis zeigt sich ein Ausgleich für den Ausfall, und es sieht so aus, als ob dies angesichts der Flaute so weitergehen würde. Verkaufsleiter: Vielleicht wird diese Flaute zehn, zwölf oder vierzehn Monate — oder vielleicht noch länger —• anhalten. Und dabei sind die Verkäufe von Waschmaschinen im Rayon 3 eindeutig angestiegen. Vielleicht können wir das Geschäft in dieser Richtung ausbauen und damit das Gesamtvolumen gemäß dem Gesamtplan halten I Später treten der Verkaufsleiter, der Kalkulationsleiter und der Produktionsleiter zu einer Besprechung zusammen. Kalkulationsleiter: Wie ich höre, können Sie das Verkaufsvolumen bei den Bügeleisen nicht halten. Das heißt, daß unsere Einnahmen um 500.000 Dollar zurückgehen werden. Produktionsleiter: Und unsere Produktion beläuft sich auf 180.000 Stück, das ist die Arbeitszeit von sechzig Leuten während eines ganzen Jahres. Verkaufsleiter: Ja, doch können wir den Rückgang mit Waschmaschinen ausgleichen, wenn Ihre Leute die Umstellung in der Produktion bewerkstelligen können. Kalkulationsleiter: Ich werde eine genaue Einnahmenaufstellung ausarbeiten und untersuchen, wie die Sache aussieht. Dank dieser frühzeitigen Ankündigung können wir dem Produktionsleiter viel Zeit zur Umstellung lassen. Wenn er vielleicht 10% seiner Leute schon jetzt von der Bügeleisen- auf die Waschmaschinenproduktion überführt, kann er die Produktion in den anderen Sparten dem Plan entsprechend halten. Ich weiß zwar nicht, inwieweit dies die Anschaffung von zusätzlichen Werkzeugen oder die Weitergabe von Arbeit an Subkontrahenten bedingt, doch darüber wird uns der Produktionsleiter Auskunft geben. Produktionsleiter: Nun, die Nachrichten sind ja viel besser als ich gedacht habe. Eine 10%ige Umstellung läßt sich drei- bis fünfmal leichter durchführen als eine 20%ige. Und ich wette, mein Chefingenieur wird nicht einmal ein Gesicht machen. Gute 10% meiner Produktionsleute sind 138
bereits in der Herstellung beider Erzeugnisse geschult. Immerhin wird es einiges Nachdenken erfordern. Erinnern Sie sich noch, als wir 40% transferieren mußten? Erinnern Sie sich an die Aufregung, als wir fast eine ganze Schicht vorübergehend entlassen mußten und dann in drei Wochen fast ebenso viele wieder einstellten? Kalkulationsleiter: Wir können in der Sache bestimmt zusammenarbeiten, wenn wir genügend Zeit für die Umstellung unserer Pläne haben. Ich hoffe, meine Berechnung wird nur eine geringfügige Änderung im Einkommen ergeben. Veranlassen Sie Rayon 3, Ihnen den schätzungsweisen Mehrbedarf an Verkaufsagenten anzugeben, die zur Steigerung des Absatzes gemäß dem neuen Plan benötigt werden. Können wir dem Chef sagen, daß wir alle dafür sind? Produktionsleiter: Jawohl, und Sie glauben gar nicht wieviel, Kopfzerbrechen Sie mir und wieviel Enttäuschung, Niedergeschlagenheit und Sorgen meinen Arbeitern erspart haben. Wer Einfühlungsvermögen oder wer Erfahrung aus ähnlichen Fällen besitzt, kann die Bedeutung einer derartigen Gesamtplanung ermessen. Diejenigen, die etwas von Werkzeugkosten, den Kosten für stilliegende Maschinen, für die Anwerbung, Versetzung oder Umschulung von Arbeitskräften, von der Schädigung der Arbeitsmoral oder von übermäßigen Lagerbeständen verstehen, können sich eine Vorstellung von der ungeheuren Verschwendung machen, die auf den Mangel an Planung zurückzuführen ist. Es ist zuzugeben, daß es Fälle gibt, wo eine derartige Umstellung zum Ausgleich nicht durchgeführt werden kann und eine Einschränkung der Produktion vorgenommen werden muß. Diese Einschränkung wird jedoch auf jeden Fall einen geringeren Umfang annehmen, wenn sie rechtzeitig vorausgesehen und die Pläne für die einzelnen Produktionssparten sofort aufeinander abgestimmt werden. Eine Gesamtplanung wird bei jenen Unternehmen um so angebrachter sein, die dem zunehmenden Verlangen nach einem Jahreslohn Rechnung tragen. Denn ohne diese Art von Kontrolle könnte kein Unternehmen es wagen, ein Jahreslohnprogramm zu garantieren. Budgetkontrolle Im fünften Kapitel wurde die Bedeutung des Budgets als eines Mittels zur Erzielung einer vollkommenen Teamarbeit unter den leitenden Organen erwähnt. Kurz gesagt, 139
dient das Budget zur Erstellung des Gesamtplanes in allen Einzelheiten, zur Wahrnehmung jeder einzelnen Phase in Einkauf und Verarbeitung. Damit erhalten die Betriebsleiter im vorhinein Kenntnis davon, was die oberste Betriebsführung braucht. Die Betriebsleiter können dann ihre Pläne in allen Einzelheiten so vollständig ausarbeiten, daß praktisch jede Unterbrechung oder Unregelmäßigkeit vermieden werden kann. Es ist zu kostspielig und für die Weisungsorgane so gut wie unmöglich, eine Aufgabe mit einem derartigen Gründlichkeitsgrad zu erfüllen, wenn die oberste Leitung nicht für ein halbwegs gesichertes Erzeugungsprogramm Vorsorge trifft. Diese Sicherheit führt sofort zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Leitungsorganen der einzelnen Abteilungen. A möchte sich einen guten technischen Organisator von B ausleihen, doch B wagt es nicht, den Mann A zu leihen, außer er erhält die Versicherung, daß A ihn wirklich nur für eine bestimmte Arbeit braucht, und B ist selbst sicher, daß in seinen Bestellungen keine plötzliche Änderung eintritt, und er den Mann nicht selbst benötigt. Bei einer halbwegs stabilen Planung können A und B es sich leisten, zusammenzuarbeiten. Risiken sind damit entweder keine mehr verbunden, oder sie sind verschwindend klein. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der erzieherische Wert einer budgetären Kontrolle. Ein einfaches Beispiel gibt Einblick in die Reaktion unserer menschlichen Natur. Wenn Sie Ihren Laufburschen fragen, wie lange er zu einem bestimmten Weg braucht, dann besteht viel größere Aussicht, daß er ihn in der von ihm angegebenen Zeit erledigt, als wenn Sie ihm sagen, Sie geben ihm dafür 15 Minuten. Im ersteren Fall wird seine Urteilsfähigkeit auf die Probe gestellt, in letzterem die Ihrige. Der Ansporn für ihn ist am größten, wenn ihm Gelegenheit gegeben wird zu beweisen, daß seine Schätzung gut ist; er wird sich aber kaum anstrengen, um zu beweisen, daß Sie recht haben. Sie können von Glück reden, wenn er nicht einen Umweg macht, um zu zeigen, daß Sie unrecht haben. Der kluge Budgetbeamte macht sich diesen Zug der menschlichen Natur zunutze, um die Weisungsorgane im gewünschten Sinn zu beeinflussen. Nur wenn diese ernsthaft darauf bedacht sind, ihre Kosten niedrig zu halten, ist eine Budgetkontrolle möglich. Und nur wenn sie auf diese Weise angespornt werden, werden sie zum Vorausdenken, zu
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kritischer Überlegung und zur Gründlichkeit — kurz zu guter Betriebsführung — erzogen. Die Mitarbeit der Leitungsorgane bei der Festsetzung ihres eigenen Budgets gibt ihnen Gelegenheit, ihre Eignung zum Betriebsführer auf einem wichtigen Gebiet zumindest unter Beweis zu stellen. Damit sind sie der Veranlassung enthoben, in der Fabrik untereinander Politik zu betreiben. Sie brauchen keine „Front mehr zu bilden", denn praktisch böte ihnen diese keinen Vorteil. Dagegen können sie jetzt ihre Erfindungsgabe darauf verwenden, ihre Kosten unter das budgetierte Niveau herabzudrücken, und sie brauchen sich keinerlei Sorgen mehr zu machen, wenn von unten eine gute Idee kommt, sofern damit nur die Leistung verbessert wird. Sie werden in einer Weise auf sich selbst gestellt, die zu einem Höchstmaß an Aufgeschlossenheit und Zusammenarbeit führt. Geht etwas nicht in Ordnung, oder droht die Leistung zu verderben, dann werden sie keine Zeit verlieren, darauf hinzuweisen, daß ihre Kostenvoranschläge nicht eingehalten werden können, wenn die Ursachen nicht behoben werden. Viele Verluste werden damit überhaupt vermieden, die gewöhnlich mit einem Achselzucken hingenommen werden, wenn die Verantwortung ganz zentralisiert ist. Auf diese Weise werden sämtliche Leitungsorgane auf den Weg zu einer echten Gemeinschaftsarbeit geführt. In diesem Zusammenhang wird sich eine gewisse Abänderung der Kostenverrechnung als notwendig erweisen, damit sie den neuen Anforderungen entspricht. Manchmal werden die Aufzeichnungen so geführt, daß einer Abteilung alles, was dort zur Verwendung kommt, angelastet wird, gleichgültig, ob der Abteilungsleiter darauf Einfluß hat oder nicht. Mit einigen wenigen Änderungen lassen sich im allgemeinen die Kosten so erstellen, daß sie dem dafür Verantwortlichen angelastet und so weitergegeben werden. Die Budgetkontrolle beginnt danach mit einer sorgfältig abgestimmten Aufstellung über die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Weisungsorgans. Dann wird es verhältnismäßig leicht, die notwendigen Änderungen in dem Verrechnungssystem vorzunehmen, damit die Ausgabenbuchungen genau der Verteilung der Verantwortung entsprechen. Denn die Vorschätzung der Kosten und die tatsächliche Zusammenstellung dieser Kosten muß auf derselben Grundlage erfolgen, um Anschuldigungen zu vermeiden, daß jemand seine Befugnisse überschritten hat oder daß die Aufzeichnungen 141
nicht gerecht sind. Geschieht das nicht, dann kann dies dazu führen, daß die Leitungsorgane in Kürze ihr Interesse verlieren und wieder in Teilnahmslosigkeit zurückfallen. Absatzforschung
Auf dem Gebiet der Absatzforschung kann der Verkäuferstab einen wesentlichen Beitrag leisten, indem er berichtet, welche Aufnahme die Produkte des Unternehmens bei Händlern und Kunden gefunden haben. Wir führen hier das Beispiel einer Filmgesellschaft an, die jährlich Tausende von Dollar für einen Registriermaschinendienst verausgabte, um festzustellen, welche Filme in den von ihr belieferten Filmtheatern Anklang fanden. Wir können jedoch nicht umhin, die Frage aufzuwerfen, ob die Platzanweiser oder die jungen Kartenverkäuferinnen nicht imstande und gerne bereit gewesen wären, anzugeben, welche Filme in ihren Theatern Erfolge waren, und aus welchem Grunde, und zwar um den fünfzigsten Teil der Kosten, oder überhaupt kostenlos. Bei Firmen, die Verbrauchsgüter erzeugen, könnte sich das GPK in vielen Fällen der Unterstützung der Gewerkschaft versichern, um zu erfahren, was die Verbraucher an den Waren schätzen und was nicht. Bei ein wenig Geduld wäre die nationale Gewerkschaft in der Lage, wertvolle Aufschlüsse über die Aufnahme zu geben, die die Waren bei den Verbrauchern in den verschiedenen Teilen des Landes gefunden haben. Bei manchen Produkten könnte noch mehr geschehen, wie z. B. die Erprobung einer Neuschöpfung der Bekleidungsindustrie auf Haltbarkeit oder Bequemlichkeit oder eines neuen Haushaltartikels auf seinen praktischen Wert. Bei anderen Erzeugnissen wieder werden vielleicht weder das GPK noch die Arbeiter viel tun können. Von einer Untersuchung der Aufnahme der Erzeugnisse durch das Publikum abgesehen, gibt es noch viele andere Möglichkeiten und Aspekte, um bei der Absatzforschung Vergeudungen zu vermeiden. Gewisse Produkte sind rentabel, andere sind es wieder nicht. Manchmal werden zuviel Stilarten, Farben oder selbst Größen bestimmter Artikel geboten, als daß sie rentabel sein könnten. In solchen Fällen sind oft „Vereinfachungsstudien" von Vorteil, durch die klargestellt wird, welche Produktionsarten die großen Aufträge hereinbringen und welche ohne stärkeres Absinken des Produktionsvolumens aufgelassen werden können. Diese Studien umfassen eine Überprüfung der augenblicklichen 142
Lage wie auch der allgemeinen Entwicklungstendenz, um „mit dem Strom" und nicht dagegen zu schwimmen. Es könnte nun den Anschein haben, als ob unrentable Produkte nicht weiter erzeugt werden sollten. Das ist jedoch nicht immer richtig. Das GPK muß sich vor Augen halten, daß die allgemeinen Unkosten für Instandhaltung und Beaufsichtigung zusammen mit der Fabrikseinrichtung auf alle Erzeugnisse, die hergestellt werden, verteilt werden müssen. Selbst Produkte, die buchmäßig mit einem Verlust abgesetzt werden, können dazu dienen, durch Übernahme ihres Anteils an den allgemeinen Unkosten Verluste zu vermeiden. Diese unrentablen Produkte stellen wohl ein Problem dar, doch haben die Beamten, die als Rechnungsprüfer oder Kalkulatoren fungieren, in der Regel recht, wenn sie darauf bestehen, daß das Produktionsvolumen irgendwie aufrechterhalten werden muß. Absatzforschung
bei
Massenartikeln
Mit Methoden, die den bei der Gesamtplanung und bei der Kalkulation beschriebenen ähnlich sind, wird die Tatkraft des einzelnen Betriebsleiters für eine wirksame Zusammenarbeit sozusagen mobilisiert. Jedem wird sein bestimmtes Operationsgebiet zugewiesen, und er wird sich selbst überlassen, um sein „Können" zu zeigen. In diesem gedrängten Überblick über das Gebiet der Betriebsführung müssen wir rasch zu den Methoden weitergehen, durch die die leitenden Organe die Verfahren mit Unterstützung des GPK methodisch überprüfen und verbessern können. Die Massenproduktion wird erst dann ökonomischer, wenn der Produktionsprozeß und die damit zusammenhängenden Arbeiten zu Routinearbeit werden — zu sich wiederholenden Bewegungen, die so einfach, kurz und unveränderlich sind, daß sich bald ein bestimmter Rhythmus herausbildet und verfolgen läßt. Die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen oder Fragen zu stellen, wird durch sie auf ein Mindestmaß beschränkt, und selbst die Vorarbeiter finden einen Tag dem anderen gleich, wobei es weder eine Überraschung noch ein „Unglück" gibt. In dem Maße, in dem Unregelmäßigkeiten im Produktionsfluß ausgeglichen werden, sollten gleichzeitig stehende Anordnungen erlassen werden. Leere und volle Loren und Frachtwägelchen müssen sich planmäßig wie die Teile eines riesigen Uhrwerks bewegen. Die Massenproduktion muß bewußt einen hohen 143
Grad von Kontrolle über jedes einzelne Glied in der langen Produktionskette zu erreichen suchen. Indem wir uns dieses vordringliche Ziel vor Augen halten, können wir rasch die verschiedenen Kontrollarten durchgehen, die zur Vervollkommnung dieser für die Wirtschaftlichkeit in der Regel so wichtigen Routinearbeit notwendig sind. Wir werden sie in einer bestimmten Reihenfolge anführen, uns dabei jedoch vergegenwärtigen, daß die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Teile ziemlich parallel steigt und fällt; selten kann eine Abteilung lange ausgezeichnete Arbeit leisten, während die anderen zurückbleiben. Es ist somit häufig besser, auf beschränkte Verbesserungen in mehreren Richtungen hinzuarbeiten, als jeweils nur auf eine große, genau so wie man ein Haus herrichtet, indem man einen ganzen Raum auf einmal herrichtet. Die Instandhaltung der Maschinen sollte einem einzigen leitenden Organ übertragen werden, dem in einem kleinen Betrieb daneben auch noch andere Aufgaben obliegen können. Der Betreffende führt Aufzeichnungen über jede Maschine, kennt die Reparaturkosten und weiß, ob sie so hoch sind, daß die Maschine dadurch aus einem Aktivum zu einem Passivum wird. Ein strenger Ölungsdienst sorgt dafür, daß jedes Lager in den erforderlichen Zeitabständen geölt wird. Parallel damit erfolgt eine „vorbeugende Maschinenkontrolle", durch die stark belastete Teile beobachtet und ersetzt werden, bevor sie schadhaft werden. Ersatzstücke werden für stark belastete Teile bei wichtigen Maschinen, Transmissionen, Überführungen und Kranen bereitgehalten. Vorarbeiter und Arbeiter berichten von jeder geringfügigen Schwierigkeit beim Betrieb der Maschine, und Vorschläge zur Verbesserung ihrer Konstruktion werden mit dem Chefingenieur oder seinem Stellvertreter besprochen. Die Materialkontrolle liegt in der Regel in den Händen des Einkaufsleiters. Er muß wissen, in welcher Menge jeder normale Lagerposten verfügbar gehalten werden muß. E r hält auch den Produktionsleiter auf dem laufenden über Änderungen in der Anlieferung oder der Qualität des Rohmaterials, und der letztere hat darüber zu entscheiden, ob die Änderung akzeptiert werden kann oder nicht. Genaue Spezifikationen für Rohstoffe lassen sich entweder nur auf Grund von gründlichen Untersuchungen erstellen oder sie sind verhältnismäßig unwichtig. Infolgedessen liegt die Verantwortung nicht immer bei demselben Organ. So kann z. B. die Marktforschung wichtige Probleme auf der Roh144
stoffseite aufwerfen, wodurch die Erprobung vieler Legierungsformeln erforderlich wird, und die damit Befaßten würden in einem solchen Fall zweifelsohne genaue Spezifikationen aufstellen. Jedenfalls finden sich in den Aufzeichnungen des Einkaufsleiters die Lieferanten hinsichtlich ihrer Verläßlichkeit bei Qualität, Lieferung und Preis klassifiziert. Ständige Lageraufzeichnungen werden als laufendes Konto der jeweils vorhandenen Menge eines bestimmten Postens geführt. Zu den arbeitsschwächeren Zeiten des Tages überprüfen die Lagerverwalter die vorhandenen Mengen, um sich zu vergewissern, daß die Aufzeichnungen stimmen. Diese Aufzeichnungen werden so geführt, daß etwa jedes Vierteljahr jede einzelne Post auf ihre Richtigkeit geprüft wird. Auf dem Gebiet der Lagerhaltung bestehen bereits vorzüglich ersonnene Systeme, um die Güter sicher lagern, die Manipulationskosten auf ein Mindestmaß verringern und die Bestandsaufnahme rasch, leicht und verläßlich durchführen zu können. Gute Lagermethoden können immer befolgt werden. Die Werkzeugkontrolle erfordert manchmal erschöpfende und detaillierte Untersuchungen. Verbesserungen der Stahlsorten, der Bedarf an Schnellarbeitsmaschinen, scharfe Konkurrenz oder Verknappungserscheinungen können ihr besondere Wichtigkeit verleihen. Ein leistungsfähiges GPK weiß, daß in dieser Hinsicht die technischen Vereinigungen unschätzbare Hilfe leisten können und daß (besonders auf diesem Gebiet) der erste Schritt darin liegt, zu wissen, wie man herausbekommt, was die anderen machen. So wie bei der Materialkontrolle bestehen jetzt auch für die Werkzeugkontrolle, die Führung von Werkzeugkrippen, die Belieferung mit Werkzeugen in Standardausführung sowie für die Überprüfung der Werkzeugbestände festgelegte Normen. Der ungeheure Umfang der Präzisionsarbeit verschärft das Problem der Instandhaltung von Werkzeugen und Meßinstrumenten in genügender Anzahl, und besondere Abänderungen der Standardpraxis können sich für die Lösung schwieriger Probleme dieser Art als notwendig erweisen. Angesichts der von Seiten der technischen Gesellschaften und aus anderen Quellen erhältlichen Informationen dürften selbst Untersuchungen dieser Art weder besonders kostspielig noch zeitraubend sein. Das Studium des Arbeitsprozesses hat mit der Festlegung der Akkordlohnsätze nichts zu tun und ist daher davon 10 Lever
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deutlich zu trennen. Wo Akkordarbeit geleistet wird, kann das GPK im Hinblick auf die hinsichtlich der Lohnsätze herrschende offene oder versteckte Uneinigkeit kaum damit rechnen, eine hundertprozentige Gemeinschaftsarbeit zu entwickeln. Dort, wo ein derartiges Problem nicht besteht, können Untersuchungen des Arbeitsprozesses die betreffenden Arbeiter interessieren, und letztere können den Bewertungsfachmann vor falschen Maßnahmen und Schlußfolgerungen bewahren. Einige GPKs haben Arbeiter dazu veranlaßt, selbst Bewegungsstudien anzustellen. Die Aufgabe des Fachmannes liegt in einem solchen Fall nicht darin, seine Ansicht darüber, was am besten ist, jemandem aufzuzwingen, sondern den Arbeiter zu lehren, wie er seine eigenen Schlüsse ziehen soll; was er beobachten und wie er entscheiden soll. Für jene, denen die Entdeckung von Verbesserungen oder das Bewußtsein, daß die von ihnen verwendeten Methoden ihre eigene Erfindung darstellen, Befriedigung gewährt, mag die Gelegenheit, unter sachkundiger Leitung zu lernen, eine willkommene Erfahrung bilden. Unter Mithilfe der Arbeiter kann der Methodenvergleich nicht nur gewinnbringend und aufschlußreich, sondern auch anregend, ja sogar aufregend sein. Oft gibt es keinen anderen Weg, als durch die Mithilfe der Arbeiter die richtigen Bewegungen oder die passenden Ergänzungseinrichtungen, wie Befestigungsvorrichtungen für Werkzeuge oder Bestandteile, zu entdecken. Soweit uns bekannt ist, wurde ein auf der Hand liegendes Problem, nämlich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Verwendung des Partiensystems, den Arbeitern noch nie vorgelegt. Ist es dort, wo große Mengen ein und desselben Erzeugnisses Woche für Woche hergestellt werden, am besten, es in (sagen wir) Vierstundenpartien zusammenzufassen? Oder ist es genau so gut, die Produktion tagaus, tagein weiter laufen zu lassen ohne Rüchsicht darauf, ob eine bestimmte Arbeitsmenge fertig wird? Welches Verfahren ist im Hinblick auf die menschliche Arbeitskraft ökonomischer? Ist die Leistungsaufzeichnung, bei der die Arbeiter ein Gefühl für die Leistung aus der Aufzeichnung selbst gewinnen, anstatt eine bestimmte Menge oder Partie fertig zu machen, darauf von Einfluß? Bei der Massenfabrikation muß für das innerbetriebliche Transportwesen automatisch vorgesorgt werden. Dies geschieht entweder durch normale „Materialverteiler", die jeden Arbeiter beliefern, bevor ihm die Arbeit ausgeht, oder 146
durch „ L a u f k a r t e n " , die „Zubringer" von einem Zuweisungsschalter oder Tisch bekommen. Die Bereitstellung entsprechender Arbeitsmengen im vorhinein erfordert oft eine sorgfältige Überprüfung des zur Verfügung stehenden Bodenraumes. Wieviel Bodenraum für einen leistungsfähigen Betrieb notwendig ist, läßt sich durch sorgfältige Messung der bei jeder Maschine erforderlichen Bodenfläche feststellen, zu welcher noch der für hereinkommende und hinausgehende Arbeiten sowie der für eventuelle Abteilungsarbeiten benötigte Bodenraum hinzukommt. Flächen und Gänge werden oft sorgfältig an Hand eines Zeichenbrettes studiert, und die beste Einteilung dann durch Aufmalen mit weißer oder Aluminiumfarbe kenntlich gemacht. Es gibt wenige einfache Untersuchungen, die dort so nützlich sind wie diese, wo Stauungen oder ungeordnete Manipulationen mit in Durchführung befindlichen Arbeiten vorkommen. Ein weiteres vernachlässigtes Feld für Ersparungen ist die Neuanordnung von Kisten, Karren, Gestellen und Regalen. Ein sorgfältiges Studium dieser Ausrüstungsgegenstände führt in der Regel zu bedeutender Raumersparnis. Obwohl die Neuanordnung von Lagerräumen und Gängen gewöhnlich eine Vergrößerung des Arbeitsraumes erfordert, ist sie meist als Sparmaßnahme zur Senkung der Manipulationskosten gerechtfertigt. Fragen der Sicherheit ergeben sich hinsichtlich des Transportes zwischen den einzelnen Werksgebäuden. Hier ist das G P K auf das Mittel verfallen, für die Lenker von Lastkraftwagen den Führerschein einzuführen. Ein solcher Schein wird erst ausgegeben, wenn der K a n d i d a t eine bestimmte Prüfung besteht, und der Aussteller derartiger Führerscheine ist für die Leistung derjenigen verantwortlich, denen er einen solchen Führerschein ausgestellt hat. Die Methoden auf dem Gebiet der Qualitätskonirolle und Qualitätsüberprüfung sind durch die Anforderungen der Kriegsproduktion sowie über Initiative der Erzeuger von Meßinstrumenten revolutioniert worden. Neue Verfahren zur mikroskopischen Feststellung von sonst nicht erkennbaren Unzulänglichkeiten des Materials oder beim Funktionieren von Maschinen sind entwickelt worden. Das noch ziemlich neue Gebiet der Qualitätskontrolle im Verhältnis zur Leistungsaufzeichnung ist bereits behandelt worden. In vielen Betrieben wirken sich jedoch ältere und gröbere Mittel zur Vermeidung von Verschwendungen und Störungen 10*
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des Arbeitsrhythmus nachteilig aus. Zeichnungen und Arbeitsanweisungen bleiben oft noch in Verkehr, die infolge von Veränderungen bereits überholt und daher irreführend sind. Selbst die Meßgeräte von Kontrolloren werden allzu häufig mit denen der Meister oder Arbeiter unverglichen gelassen. Es ist immer zweckmäßiger, zuerst einmal diese Verbesserungen durchzuführen und ihre allgemeine Beachtung durchzusetzen, bevor man an weitergesteckte Vorhaben auf Grund der „letzten Entwicklung" herangeht. Es ist eine gut bewährte technische Regel, zuerst einmal dafür zu sorgen, daß ein bestehendes System so funktioniert, wie es planmäßig funktionieren soll, bevor Neuerungen eingeführt oder Umstellungen vorgenommen werden. Wo sich aber Schwierigkeiten bei der Feststellung der Verantwortlichkeit für fehlerhafte Arbeit ergeben, sollte das GPK keine Zeit verlieren und auf ihre Abstellung durch jene drängen, die dafür zuständig sind. Es muß seine Bemühungen fortsetzen, bis die Verantwortlichkeit nach allen Seiten hin geklärt und eindeutig festgelegt erscheint. Kann der Urheber des bestehenden (und fehlerhaften) Systems beigezogen werden, schön und gut; auf keinen Fall sollte man sich aber durch irgendeine Schwierigkeit davon abhalten lassen, Fragen von solcher Bedeutung zu klären. Schulung
Drei Schulungsgebiete erfordern die besondere Aufmerksamkeit des GPK. Aus einem Studium der Arbeitsvorgänge läßt sich vieles über die zweckmäßigste Anordnung der Maschinen zur Erzielung eines möglichst hohen Ausstoßes lernen. Es müßte möglich sein, jeden Anfänger anzuweisen, die beste Anordnung für eine bestimmte Arbeit zu verwenden, und ihm zu zeigen, wie diese am besten auszuführen ist. Bei vielen Arbeiten können sich diese Anweisungen auf geschriebene „Instruktionskarten" beschränken, die manchmal mit der Arbeit ausgegeben und manchmal bloß an einer Stelle angebracht werden, wo sie der Arbeiter leicht einsehen kann. Wenn auch das GPK bei der Formulierung einer vernünftigen Schulungspolitik mithelfen kann, so ist es fast immer besser, die Werkmeisterausbildung nicht in gemeinsame Sitzungen zu verlegen, sondern sie nur unter Beteiligung der direkt damit Befaßten durchzuführen. Die Werkmeister 148
legen gewöhnlich großen Eifer an den Tag, wenn ihre eigenen praktischen Probleme erörtert werden1). Das dritte Schulungsgebiet, das besondere Aufmerksamkeit verdient, ist die Behandlung von Neueinstellungen. Da bei einem Neuankömmling die ersten Eindrücke von der Arbeit die stärksten sind, sollte er sofort individuell, jedoch in sachlicher Art behandelt werden. Die Betriebsleitung kann ihr Interesse an der Entwicklung der Fähigkeiten ihrer Arbeiter sowie an einer leistungsfähigen Erzeugung darlegen und ihm erklären, daß seine Arbeitsleistung während seiner Ausbildung beobachtet und seine Unzulänglichkeiten mit ihm gemeinsam und in beiderseitigem Interesse durchbesprochen werden würden. Derartige Verfahren können methodisch weiterverfolgt werden, um dem neuen Arbeiter eine entsprechende Ausbildung zu sichern und ihm das Gefühl zu nehmen, daß er sich selbst überlassen bleibt. Es ist äußerst kostspielig, die landläufige Auffassung hinzunehmen, daß sich Neuankömmlinge lange Zeit „fortwursteln" müssen, bevor sie sich auskennen können. Manchmal sind „Einführungslehrgänge" unentbehrlich, um den neuen Arbeiter mit den Arbeitsmethoden und Zielsetzungen des Unternehmens vertraut zu machen. Einige wenige Anleitungen an neue Arbeitskameraden genügen oft, daß sie sich zu Hause fühlen, und tragen dazu bei, tüchtige Arbeiter dauernd für den Betrieb zu gewinnen. In besser geleiteten Betrieben sind derartige Methoden schon seit langem in Anwendung. In Fällen, wo ihre Einführung auf die Zeit vor Gründung der Gewerkschaft zurückgeht, kann durch das GPK in dieser Hinsicht eine bessere Zusammenarbeit herbeigeführt werden. Andernfalls kann sich bei dem neuen Arbeiter die Vorstellung herausbilden, er müsse wählen, ob er lieber seinen neuen Werkmeister oder seinen Betriebsrat verletzen soll, was ungesund und unnotwendig ist. Aus Raummangel erscheint es leider unmöglich, noch weitere Gebiete von gleicher Wichtigkeit zu behandeln. So wie auf die anderen Methoden kann das GPK auch auf diese l ) Jack L. Wolfis Production Conference stellt ein kurzes, vollständiges Handbuch zu diesem Thema dar. Wenn auch für die Schiffbauindustrie geschrieben, ist es doch fast ebenso für jede Art von Erzeugung oder Fabriksarbeit von Wert. Es enthält auch sonst eine Menge wertvollen Materials für gemeinsame Komitees. Siehe auch A Bebel Yells von H. F. Willkie, D. Van Nostrand Co.
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einen entscheidenden Einfluß ausüben. Fachleute auf dem Gebiet der Personalpolitik mit mehr als zwanzigjähriger Erfahrung betonen gleich uns, daß der Arbeitsplatz den wahren Brennpunkt für die Arbeitsverhältnisse in der Industrie bildet und daß die Arbeiter an den Problemen ebenso wie an den Leistungen der Industrie beteiligt sein wollen. Somit können die vielen Methoden der Anwerbung, Prüfung, Befragung, Auswahl, Beobachtung und periodischen Beurteilung von Arbeitskräften für das GPK von beträchtlichem Interesse sein. Die Zuteilung der Arbeit Arbeitszuteilung ist die Ausgabe von Arbeiten an die Arbeiter. Sie erfolgt gewöhnlich durch den Vorarbeiter selbst oder zumindest über seine Weisung. Ist dies nicht der Fall, dann geschieht dies häufig von einer zentralen Stelle oder von einem allgemeinen Fabriksbüro aus. In der Regel ist es jedoch besser, in jeder Abteilung die Arbeit vom Vorarbeiter zuteilen zu lassen. Um Arbeitszuteilungen in der vorteilhaftesten Weise vornehmen zu können, ist beträchtliche Gedankenvorarbeit erforderlich. Gewisse Arbeiten' müssen rasch durchgeführt werden, andere können warten. Bestimmte Arbeiten werden besser von Arbeitern, die mit ihnen vertraut oder für sie besser geeignet sind, durchgeführt, doch können diese Arbeiter schon mit Arbeiten befaßt sein, bei denen eine Unterbrechung nicht zweckmäßig erscheint. Viele andere Überlegungen setzen eine gewisse Kenntnis der Maschinen, der Kunden und der Fehlleistungsrisiken voraus. Selbst vom Wetter können Entscheidungen darüber, welche Arbeit der einzelne Arbeiter zuerst verrichten soll, beeinflußt werden. Alle diese in Wechselbeziehung stehenden Faktoren richtig einzuschätzen, erfordert kühles Urteilsvermögen selbst dann, wenn der Stand der Aufträge und der Arbeitsanfall genau bekannt sind. Um ohne Übereilung oder schwerere Fehler in diesen Fragen entscheiden zu können, muß man die Faktoren irgendwie vor sich „sehen". Dies geschieht gewöhnlich über eine „Erledigungstafel" oder über irgendeine andere graphische Darstellung. Es bestehen hierfür verschiedene Systeme, wobei in jedem Fall von Hilfskräften solche Vorarbeiten wie die Anlegung von Arbeitskarten durchgeführt werden. Die graphische Darstellungsweise ist für den Vor150
arbeiter besonders wertvoll. Doch gleichgültig, welche Methode gewählt wird, der Vorarbeiter muß durch sie in die Lage versetzt werden, die Arbeitszuteilungen im voraus, etwa zwei- bis dreimal im Tag, planen zu können. Ein Zuteilungssystem funktioniert dann gut, wenn jeder einzelne Arbeiter bei Fertigstellung einer Arbeit bereits die für die nächste notwendigen Materialien, Werkzeuge, Instruktionen und Abnahmewagen an der Maschine vorfindet. Der Vorarbeiter kann sich dieser Aufgabe nur dann erfolgreich entledigen, wenn ihm eine „Arbeitsordnung" oder eine Zusammenstellung der nach ihrer Wichtigkeit gereihten Arbeiten zugeht. Diese Übersicht ist auf Grundlage der Lieferzusagen erstellt und enthebt den Vorarbeiter der Verantwortung für die Lieferung, sofern er sich an diese Aufstellung hält. Die individuellen Arbeitskarten, die einen Teil des Erledigungssystems bilden, dienen auch noch manchem anderen Zweck. Sie gehen an den Arbeiter und stellen den offiziellen Auftrag zur Durchführung der Arbeit dar; sie werden vom Arbeiter unterschrieben, womit festgestellt wird, daß er die Verantwortung für die Arbeit übernommen h a t ; auf ihnen ist der Zeitpunkt des Arbeitsbeginns und der Arbeitsbeendigung vermerkt, so daß die tatsächlichen Lohnkosten der betreffenden Arbeit genau festgehalten werden. In Fällen, wo ein Arbeiter auf Arbeit warten muß, werden hierfür Wartezeitkarten ausgegeben. Solange bis die Werkmeister wirklich zu der Auffassung bekehrt sind, daß die Wirtschaftlichkeit an erster Stelle kommt, stehen sie der Registrierung von Wartezeit mit Mißtrauen und Furcht gegenüber. Dies veranlaßt sie, stets „auf den Füßen zu sein" und Wartezeit dadurch zu vermeiden, daß sie sich versichern, daß ein ausreichender Arbeitsvorrat vom vorhergehenden Arbeitsgang zu ihnen kommt. Von der Literatur über Betriebsführung Der vorangegangene Abschnitt zeigt in kürzester Form ein umfassendes Verfahren zur Vermeidung von Verschwendungen auf. Als Beweis dafür, wie kurz dieser Abriß ist, brauchen wir bloß zu erwähnen, daß 80 bis 90 technische Betriebsleiter gemeinsam an der Herausgabe des „Production Handbook" 1 ), eines Werkes von fast 1650 Seiten, gearbeitet l
) Ronald Press, unbearbeitete Auflage, 1944.
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haben. Unserer Beschreibung der Produktionskontrollsysteme, die wir in ein paar Absätze teils unter „Arbeitszuteilung" im vorliegenden Kapitel, und teils unter „Richtige Verteilung der Arbeitslast" im siebenten Kapitel zusammengedrängt haben, entsprechen fast 100 Seiten in dem obenerwähnten Handbuch. Dieses Werk gehört in jede Betriebsbibliothek. Die äußerst wertvollen Zeitschriften, die von den verschiedenen Vereinigungen für Betriebsführung herausgegeben werden und meist nur ein paar Dollar im Jahr kosten, helfen den Männern vom GPK, sich über die sich rasch verändernden Theorien auf dem Gebiet der Betriebsführung auf dem laufenden zu halten und vermitteln ein besseres Verständnis für die anerkannten Methoden der Betriebsführung. Die einschlägige Literatur über dieses Gebiet ist bereits so umfassend und die Forschungsarbeiten auf diesem Gebiete so mannigfaltig, daß es oft einfacher und zweckmäßiger sein dürfte, sich an einen Lehrer für Betriebsführung an der nächsten Universität oder an einem betriebswissenschaftlichen Institut zu wenden. Er wird vielleicht nützliche Anregungen hinsichtlich bestimmter Probleme geben können oder eine sofort anwendbare Lösung für ein spezielles Problem zur Hand haben. Viele Probleme, vor denen das GPK steht, können ziemlich rasch gelöst werden, wenn dasselbe es versteht, die richtigen Leute (richtig vom Standpunkt der Aufgaben und der Temperamente der einzelnen Personen) unter einem tüchtigen Vorsitzenden zusammenzubringen. Ist aber das Problem besonders kompliziert und wird nur wenig oder überhaupt kein Fortschritt erzielt, dann dürfte Hilfe von auswärts oder das Beispiel anderer willkommen und angebracht sein. In solchen Fällen mag den Männern vom GPK das Bewußtsein helfen, daß die Schwierigkeiten, denen sie gegenüberstehen, die gleichen sind wie die anderer, die an der Entwicklung der Gemeinschaftsarbeit interessiert sind, und daher keine Ausnahme bilden. Ferner ist es wichtig und vorteilhaft, einigen Einblick in die Arbeit anderer Unternehmungen zu gewinnen. Häufig ist ein Besuch in einer anderen Fabrik, in der ein ähnliches Problem gelöst wurde, sehr aufschlußreich. Der noch unschlüssige Betriebsfunktionär wird vielleicht bereit sein, einen bestimmten Plan zu billigen, wenn er oder seine erprobten Vertreter einen ähnlichen Plan in Durchführung sehen, oder wenn er von einem befreundeten Funktionär einer anderen Fabrik darüber verläßliche Auskunft erhält. 152
X.
KAPITEL
Der
Anfang
Um den Anfang zu machen, ist nicht ein und dieselbe Verfahrensweise für alle GPKs in gleicher Weise anwendbar. In manchen Betrieben wird die Initiative dazu von der Betriebsführung, in anderen von der Gewerkschaft ausgehen. Wieder in anderen Fällen kann die Atmosphäre bereits so vorbereitet sein, daß es sich schwer feststellen lassen würde und auch ziemlich ohne Bedeutung wäre, wer die Initiative ergriffen hat. In manchen Fabriken ist es besser, ein gemeinsames Produktionskomitee zu gründen und es zu ermächtigen, nach eigenem Ermessen zu arbeiten; in anderen wieder wird es vielleicht mit einem speziellen Problem in Funktion treten. Im folgenden Beispiel wollen wir von der Annahme ausgehen, daß ein bestimmtes Problem bereits die Situation beherrscht, und zeigen, wie dieses Problem dazu verwendet werden kann, das GPK in Gang zu bringen. Initiative
der
Betriebsführung
Nach Überprüfung ihrer Möglichkeiten sind Betriebsführung und Gewerkschaft vielleicht zur Ansicht gekommen, daß eine vorläufige Gruppe von etwa zehn bis fünfzehn Arbeitern und Vertretern der Betriebsführung das beste Mittel darstellt, unter den gegebenen Umständen vorwärtszukommen. Indem wir das Beispiel möglichst vereinfachen, stellen wir uns vor, daß der oberste Betriebsleiter bei der ersten Zusammenkunft dieser Gruppe seine Ansichten wie folgt darlegt: „Meine Herren, wir haben uns über die Zukunftsaussichten unseres Unternehmens mancherlei Gedanken gemacht und uns auch mit einer Reihe von Fragen beschäftigt, die ihrer Natur nach ebenso das Wohlergehen der Arbeiter und Werkmeister wie die Interessen der Leitung des Unternehmens berühren. Einige dieser Probleme bestehen nur in diesem Unternehmen. Andere wieder sind jenen nicht unähnlich, denen 153
in unserer Branche auch andere Gesellschaften gegenüberstehen, da letztere ganz allgemein von einer Reihe gleichgelagerter Probleme in ungefähr derselben Weise berührt werden. Von den Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, sind im Einzelbetrieb jene, die in den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen begründet sind, unserer Einflußnahme entzogen. Daneben gibt es jedoch noch eine Reihe anderer Faktoren, bei denen Betriebsführung und Belegschaft sehr gut etwas unternehmen können. Zumindest bestehen, wie die anderweitig gemachten Erfahrungen zeigen, auf verschiedenen Gebieten gewisse Möglichkeiten zu Verbesserungen. Diese Faktoren nun wirken sich nicht nur auf das Gedeihen des Unternehmens, sondern auch auf uns alle unmittelbar aus, die wir hier unseren Lebensunterhalt verdienen. Um deutlicher zu sein haben wir dort auf der Tafel in runden Zahlen ausgedrückt, was wir meinen. Schauen wir uns einmal die einzelnen Posten in Kolonne 1 an, aus der der Geschäftsgang des letzten Jahres ersichtlich ist. Unsere Verkaufserlöse beliefen sich auf 1,200.000 Dollar, unsere Produktionskosten auf 760.000 Dollar und unsere Verkaufskosten auf knappe 400.000 Dollar. Unser Reingewinn betrug 40.000 Dollar, wovon wir entsprechend dem Beschluß der letzten Generalversammlung an die Aktionäre eine 5%ige Dividende ausschütteten. Vom Standpunkt der Arbeiter war das nichts Außergewöhnliches. Die letzten zwei Zeilen der Kolonne 1 zeigen Ihnen, daß im vergangenen Jahr die Fabrik im Durchschnitt nur 200 Tage arbeitete und daß der Verdienst der Arbeiter durchschnittlich 1500 Dollar pro J a h r betrug. Das ist alles oder das glaubten wir lange Zeit. Nun haben wir aber die Sache noch einmal bedacht, und es scheint uns nun, daß, wenn man alle Seiten der Angelegenheit betrachtet, es vielleicht doch nicht alles ist. G PK-Arithmetik Nehmen wir beispielsweise an, wir könnten unseren Verkaufspreis um 10% senken. In dieser Absicht fragten wir unseren Verkaufsleiter, Herrn Price, der heute hier anwesend ist, um wieviel wir nach seiner Ansicht mehr verkaufen könnten. Seine Berechnung ergibt, daß wir mit den niedrigeren Preisen unter Berücksichtigung zusätzlicher Verkaufskosten im laufenden J a h r um 30% mehr verkaufen könnten. 154
Aber damit allein ist die Geschichte noch nicht vollständig, denn die ganze Sache liegt nicht so einfach. Um nämlich eine 30%ige Steigerung des Verkaufsvolumens zu erreichen, müssen wir die entsprechenden Ersparungen durch eine mindestens 10%ige Senkung der Einheitskosten in der Fabrik erzielen. Dies kann zum Teil durch Verminderung der-Verluste entstehen, die auf das Stillstehen von Maschinen zurückzuführen sind; der Rest muß jedoch im Fabriksbetrieb erspart werden. Und da beginnt die Aufgabe von euch Werkmeistern und Arbeitern! Schauen wir uns einmal Kolonne 2 an. Dort haben wir das Geschäft eines Jahres auf der Grundlage eines um 30% erhöhten Produktions- und Verkaufsvolumens zusammengestellt: Kolonne 1
$ Verkaufserlöse Kosten: Allgemeine Unkosten Materialien und Lieferungen Löhne Gesamte Produktionskosten Verkaufskosten Gesamtkosten Rücklagen und Überschuß Dividenden Durchschnittliche Zahl der Arbeitstage . . . Durchschnittlicher Jahreslohn
Kolonne 2
$
1,200.000
1,404.000
280.000 280.000 200.000
315.000 339.000 239.000
760.000 400.000
893.000 450.000
1,160.000 20.000 20.000
1,343.000 31.000 30.000
200 1-500
250 2.001
(5%)
av 2 %)
Die erhöhten allgemeinen Unkosten laut Kolonne 2 sind fast zur Gänze auf höhere Zinsen, Abschreibung und Versicherung für neue und leistungsfähigere Maschinen im Werte von 300.000 Dollar zurückzuführen. Wir rechnen damit, beim Material etwa 25.000 Dollar einsparen zu können, wenn wir möglichst billig und in großen Mengen einkaufen. Mit Ihrer Hilfe glauben wir, die Arbeitskosten pro Einheit insgesamt um 21.000 Dollar senken zu können. Mit den zusätzlichen Arbeitstagen werden jedoch, wie die letzte Kolonne zeigt, Ihre durchschnittlichen Jahresverdienste um etwa 33% höher liegen als heute. Dies sieht ganz danach aus, als ob wir beide dabei gewinnen könnten, Sie und wir. 155
Sie werden indessen verstehen, daß wir dies ohne Ihre Mitarbeit nicht unternehmen können; es ist zu riskant! Wenn wir jedoch ein gemeinsames Produktionskomitee gründen, um unter uns eine bessere Gemeinschaftsarbeit zu erzielen, wie dies mit Erfolg in anderen Betrieben geschehen ist, dann glauben wir, gemeinsam dieses Problem lösen zu können. Sie können auch sehen, daß die Vorteile der -Zusammenarbeit sowohl für die Gesellschaft wie auch für die Arbeiterschaft ganz wesentliche sind. Aber selbst damit ist nach meiner Auffassung noch immer nicht jener Lebensstandard erreicht, den die Arbeiter dieses Betriebes schließlich imstande sein sollten, zu erreichen. Wenn wir z. B. einmal bei der praktischen Durchführung sind und mehr Erfahrung in der Gemeinschaftsarbeit gesammelt sowie auch Gelegenheit gehabt haben, die steigende Kurve der Produktivität zu messen und das Verkaufsvolumen abzuschätzen, mit dem wir voraussichtlich rechnen können, dann glaube ich, werden wir noch mehr unternehmen wollen. Abgesehen von einem volleren Arbeitsjahr — das einem Jahresverdienst näher kommt — und abgesehen von den Grundarbeitslöhnen, auf die wir uns von Zeit zu Zeit einigen werden, dürfte es möglich sein, eine zusätzliche prozentuelle Erhöhung des Lohnes jedes einzelnen im proportionalen Verhältnis zur prozentuellen Steigerung unserer Gesamtproduktion zu erreichen. Außer der Steigerung des Verdienstes jedes einzelnen sollte damit die Möglichkeit gegeben sein, von dem kostspieligen und wenig befriedigenden Leistungssteigerungssystem wegzukommen, das wir in diesem Betrieb übernommen haben und für das bisher noch kein befriedigender Ersatz gefunden wurde. Um all das erreichen zu können, müssen wir einmal irgendwo einen Anfang machen. Wenn wir auf dem Wege über das GPK die notwendige Gemeinschaftsarbeit erzielt haben, um all das durchführen zu können, dann haben wir nach unserer Ansicht gleichzeitig den Weg für eine Zukunft frei gemacht, die besser sein wird, als irgendeiner von uns im gegenwärtigen Augenblick voraussehen kann. Wie Sie wahrscheinlich schon wissen", so fährt der Chef der Betriebsführung fort, „habe ich diesen Gegenstand mit Ihrem lokalen Gewerkschaftsführer, Herrn Jones, der heute unter uns weilt, besprochen, und ich hoffe, daß wir von jetzt ab die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zusammen untersuchen werden. Herr Jones wird zu diesem Thema wahrscheinlich auch selbst noch einiges zu sagen haben." 156
Initiative der Gewerkschaft Herr Jones: „Sie, meine Arbeitskameraden, die Sie hier versammelt sind, werden sich erinnern, daß wir uns bei verschiedenen Gelegenheiten in unseren lokalen Versammlungen und bei anderen Besprechungen über die Frage einer Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung unterhalten haben. Wir haben darüber in der Arbeiterpresse gelesen, gelegentlich auch in verschiedenen Büchern und Schriften und manchmal — wenn auch nicht allzu häufig — in der Wirtschaftspresse. Unsere Gewerkschaftsfunktionäre haben oft mit Betriebsführern an vielen Besprechungen teilgenommen und haben auf die Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit hingewiesen, sofern die Vorbedingungen gegeben sind, die eine derartige Zusammenarbeit möglich machen. Vielen von uns schien dies alles oft in weiter Zukunft zu liegen, denn es ist für Arbeiter — aus ihrer eigenen Erfahrung heraus — schwierig, die Möglichkeiten einer Gemeinschaftsarbeit mit der Betriebsführung unter den der letzteren am besten bekannten Bedingungen abzuschätzen. Unsere Arbeiter werden sich vielleicht auch erinnern, daß damals, als ihre Gewerkschaft gegründet und von der Betriebsführung anerkannt wurde, fast alle von ihnen der Meinung waren, daß es sich dabei einzig und allein um die kollektive Aushandlung von Löhnen, Arbeitsstunden und Arbeitsbedingungen handle. Mit zunehmender Erfahrung begannen wir jedoch zu erkennen, daß es um viel mehr ging. Gerade aus dieser vielerorts gewonnenen Erfahrung heraus hat sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Betriebsführung im Laufe der Jahre immer mehr durchgesetzt. Die Zusammenarbeit löst viele von den Problemen, denen ein Arbeiter bei der Arbeit gegenübersteht. Auch trägt sie sehr zur Verbesserung seines Verhältnisses zur Betriebsführung, zu Vorarbeitern und Werkführern bei, und noch mehr, sie bessert das Verhältnis zu seinen Arbeitskameraden. Bei der Behandlung der vielen Probleme, die sich für das G P K ergeben, werden Sie entdecken, daß die Lösung jedes einzelnen Problems etwas weniger schwierig sein wird, als es jetzt den Anschein hat, wo alle Probleme zusammengeballt vor Ihnen aufscheinen. Ich bin, wie viele von Ihnen bereits wissen, auf dem Gebiet der Entwicklung einer besseren Zusammenarbeit zwischen Betriebsführung und Gewerkschaftsführung praktisch tätig gewesen und ich freue mich, 157
daß die Zusammenarbeit funktioniert, denn ich habe sie selbst funktionieren gesehen — sehr gut sogar — , dort wo Betriebsführung und Arbeiter dies ernstlich versucht haben. Ich glaube, dasselbe wird sich in Ihrem Betrieb zeigen, wo sich Betriebsführung und Gefolgschaft von T a g zu T a g immer weiter von einem Zustand ständiger Spannung über Kleinlichkeiten und unbedeutende Dinge entfernen und die Ansichten und Aufgaben der anderen Seite kennenlernen. Bei einer vorausschauenden Betriebsführung und einer verständigen Arbeiterschaft erscheint der W e g für größere Erfolge als dies je vorher möglich gewesen ist, freigelegt. Wenn Sie sich allen Ernstes an die Aufgabe heranmachen, dann werden Sie im Lauf der weiteren Entwicklung entdecken, daß Sie sich nicht nur einen besseren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch die auf Ihnen lastende Nervenspannung gemildert haben, die aus den Enttäuschungen in Ihrer täglichen Arbeit erwächst. Darüber hinaus werden Sie in vieler Hinsicht die körperliche Anstrengung verringert und ein besseres Arbeitsmilieu geschaffen haben. Das bedeutet größere Gesundheit und ein im allgemeinen besseres Leben für jeden, der hier arbeitet. Wie ich Sie kenne, bin ich überzeugt, daß Sie, wenn Sie sich allen Ernstes daran machen, diese Gelegenheit voll und ganz auszunutzen, in ein oder zwei Jahren erstaunt sein werden, wieso Sie jemals unter den alten Verhältnissen arbeiten konnten, denn so groß ist nach unserer Auffassung der Unterschied zwischen der alten und der neuen A r t zu arbeiten und zu leben. Die schwierigste Aufgabe liegt darin, das G P K einmal auf die Beine zu bringen. Ist dies einmal geschehen, dann werden Sie gemeinsam mit der Betriebsführung neue Wege zur Lösung vieler Probleme entdecken, die Sie heute verwirren. Die Gewerkschaft wird natürlich immer gerne bereit sein zu helfen. Ich bin aber fest davon überzeugt, daß Sie, wenn Sie einmal über das Anfangsstadium in der G P K Organisation hinaus sind, selbst auf dem Wege über Ihr gemeinsames Produktionskomitee in diesem Betriebe die Lösung für die meisten Probleme finden werden, und je früher Sie den Anfang machen, desto besser." Die provisorische Gruppe „ I c h danke Ihnen, Herr Jones", erklärt der Chef der Betriebsführung. „ I c h darf vielleicht noch hinzufügen, daß, da der Anfang der schwierigste Teil der Aufgabe ist, Herr 158
Jones und ich gemeinsam zu der Überzeugung gekommen sind, in unserem Fall sei diese provisorische Gruppe — die ja den Grundstein legen soll — am besten geeignet, den Anfang zu machen. Eine weitere Anregung, die wir geben möchten, ist die, daß Sie als Teil Ihres Programms eine Art Memorandum oder Entschließung über das Gemeinsame Produktionskomitee ausarbeiten. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß ein solches Memorandum, wenn es auch nicht immer notwendig ist, dazu beiträgt, unsere beiderseitigen Rollen abzugrenzen. Nach unserer Ansicht sollte dieses Memorandum hinsichtlich des Aufbaues und der Verfahrensweisen des GPK nicht zu enge gezogen sein. Sie werden ohne Zweifel wünschen, daß das GPK von den im Lauf der Zeit gewonnenen Erfahrungen vollen Gebrauch macht. Indem Sie dieses Memorandum so abfassen, daß es mehr als Richtschnur denn als starre Vorschrift dient, können Sie sich besser die erforderliche Handlungsfreiheit für künftige GPK-Aufgaben sichern1). Da Sie wahrscheinlich alles Für und Wider werden erörtern wollen, bevor Sie mit Ihrem Programm beginnen, haben wir eine Stenographin hierher beordert, die die Fragen und Antworten aufnehmen wird, auf die Sie dann in Ihrer Arbeit zurückgreifen können. Letzten Endes wird es jedoch Ihre Aufgabe sein, das Programm für ein ständiges GPK aufzustellen, das selbstverständlich noch der Zustimmung der Betriebsführung und der Gewerkschaft bedarf. Ist einmal Ihr Plan im einzelnen gebilligt, dann übernimmt es die Betriebsführung, alle Weisungsorgane von seinen Vorteilen zu überzeugen, genau so wie die Gewerkschaft es als Teil ihrer Aufgabe übernimmt, die Arbeiter davon zu überzeugen. Das sind alles Einzelheiten, die sich im Lauf der Zeit regeln lassen. Es wäre jedoch für Ihre Gruppe zweckmäßig, sich einen ungefähren Zeiteinteilungsplan zurechtzulegen, in welcher Reihenfolge diese Zusammenkünfte stattfinden sollen, da sich daraus der Zeitpunkt erkennen lassen wird, wann sich Betriebsführung, Werkmeister und Arbeiter zu einer oder mehreren Sitzungen zur endgültigen Aufstellung des GPK zusammenfinden können. Um Sie in Ihrer Arbeit zu unterstützen, haben wir uns einige einschlägige Literatur beschafft, die Sie sicher sehr interessieren wird. ') Das Muster einer Entschließung ist in den Anhängen wiedergegeben.
159
Nun möchten wir Ihre Meinung dazu hören. Wir werden selbstverständlich unser Bestes tun, alle Fragen zu beantworten, doch bedenken Sie bitte, daß wir sie nicht alle beantworten können, da es sich hierbei um zukünftige Dinge handelt, und wir im Augenblick vielleicht nicht die beste Antwort darauf wissen. Aber gerade diese Tatsache sollte für Sie einen Anreiz bilden, diese Probleme bei der Aufstellung des Programms durchzudenken." Die
Planung
des
GPK
Mit ihren Antworten auf die gestellten Fragen übernehmen weder der Betriebsführer noch der Gewerkschaftsführer für Angelegenheiten, die eines Beschlusses durch die provisorische Gruppe — oder das künftige gemeinsame Komitee — bedürfen, irgendeine Verantwortung. Der Gruppe selbst bleibt es überlassen, dem GPK die gewünschte Form zu geben, nachdem die Zustimmung der zuständigen Personen eingeholt ist, und niemand ist Prophet genug, um ihre Feststellungen voraussagen zu können. Auf diese Weise wird das größtmögliche Interesse geweckt, denn damit erhält die Gruppe Vertrauen und Verantwortungsgefühl, und alle werden angespornt, im Interesse der gemeinsamen Anstrengungen ihr Bestes zu tun. Die provisorische Gruppe spricht dann selbst die Angelegenheit nach allen Seiten hin durch und holt sich, wenn erforderlich, bei anderen Bat. Sie bestimmt die Größe des GPK und bereitet ihre Empfehlungen vor. Die
formelle
Sitzung
Nehmen wir nun an, die Gewerkschaft hat formell dem Plan zugestimmt, letzterer ist von den Werkmeistern studiert und von beiden Seiten sind Abänderungsvorschläge gemacht worden, damit er dem betrieblichen Arbeitsvorgang besser angepaßt ist. Dann wird die gemeinsame Sitzung, der der gesamte Betriebsstab beiwohnt, abgehalten, um das GPK voll in Aktion treten zu lassen. Diese Sitzung wird von der Betriebsführung einberufen und eventuell vom obersten Betriebsführer geleitet. Auch Funktionäre der Gewerkschaft und der Betriebsführung können mit der provisorischen Gruppe auf der Bednertribüne Platz nehmen. Bei dieser Sitzung werden die Mitglieder des ständigen gemeinsamen Produktionskomitees vorgestellt, und gedruckte 160
Mitteilungen, eventuell unter Anschluß eines Diagramms, das den Aufbau und die Aufgaben des G P K aufzeigt, unter sämtliche Anwesenden verteilt. Das GPK
beginnt seine Tätigkeit
Damit ist für das G P K die Grundlage zur Aufnahme seiner Tätigkeit geschaffen. Betriebsführung und Gewerkschaft haben darauf geachtet, daß beide mindestens durch einen Mann mit Ideen vertreten sind, von dem eine schöpferische Leistung erwartet werden kann. Die Vorbesprechungen haben vielleicht (wie dies oft geschieht) das eine oder andere seit langem bestehende schwierige Problem an die Oberfläche gebracht, das bisher unlösbar schien und das nach Ansicht des G P K durch ein eigenes, besonderes Verfahren gelöst werden kann. Die schnelle Lösung irgendeines dieser Probleme kann in einem viel höheren Grad als Beispiel für die Wirkungsmöglichkeiten des G P K dienen, als es irgendwelche weitreichenden Pläne zu tun vermögen, die mehr Zeit zu ihrer Lösung erfordern. Die Pionierarbeit
des GPK
Die Pionierarbeit des G P K auf dem Gebiet der menschlichen Beziehungen erfolgt in verschiedenen Richtungen. Da eine K e t t e nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied, untersucht das G P K jedes Glied in der langen K e t t e der Alltagsbeziehungen der Menschen, um die schwachen Glieder so umzuschmieden, daß sie den stärksten gleichkommen. Damit leistet es Pionierarbeit im wahrsten Sinne des Wortes, und zwar dort, wo sie am meisten ins Gewicht fällt — nämlich im Betrieb — , wo Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen und neue Formen der Zusammenarbeit finden müssen. Seine führenden Männer sind in demselben Sinne Pioniere wie jene ersten Amerikaner, die unsere politischen Einrichtungen formen halfen, ohne deren Freiheiten wir nie unsere hervorragende Stellung unter den Völkern der Erde hätten erreichen können. Heute sind viele der Ansicht, daß der Fortbestand der Produktionskraft Amerikas und seine hervorragende Stellung als demokratische Nation von unserer Fähigkeit abhängen, praktische Lösungen für unsere Alltagsbeziehungen zwischen Betriebsführung und Belegschaft zu finden. Gelingt eine Lösung dieser Probleme nicht, dann könnte uns dies ver11 Lever
161
anlassen, die Fehler anderer Völker zu wiederholen, die unweigerlich zur Diktatur und zum Kriege geführt haben. Soll Amerika seine führende Rolle beibehalten, dann müssen die Mitglieder des Gemeinsamen Produktionskomitees und alle jene, die fördernd hinter ihnen stehen, für Betriebsführung und Belegschaft, wie auch für unser ganzes Volk, ein besseres Leben erstreben. Denn letzten Endes hängen die Mittel zum Leben vornehmlich von der Produktion ab. Und gerade die Schwierigkeiten und die Vorurteile, denen sie begegnen, werden sie zu Höchstleistungen anspornen und in ihnen die Überzeugung stärken, daß sie einen neuen Weg bahnen, der dazu bestimmt ist, eine breite Straße zu werden, nach der sie selbst und alle anderen, die ihren Spuren folgen, ihr Verhalten ausrichten. Präsident Herman W. Steinkraus von der Bridgeport Brass Company hat einmal erklärt 1 ): „Wir alle wissen, daß die letzten 50 Jahre glänzende Fortschritte auf dem Gebiet der industriellen Technik und der industriellen Erzeugung gebracht haben, wodurch die Menschen in den Genuß eines immer größeren materiellen Komforts und immer besserer Einrichtungen zu immer niedrigeren Preisen gekommen sind. Ich glaube, daß in den kommenden Jahren der größte industrielle Fortschritt auf dem Gebiet erzielt werden wird, das man als die Technik der menschlichen Beziehungen, als die Erforschung der unbegrenzten Möglichkeiten bezeichnen könnte, die sich den Menschen beim Eintreten für eine gemeinsame Sache auf dem Weg über gegenseitiges Verstehen, Achtung und Gemeinschaftsarbeit eröffnen." x
162
) Abgedruckt in Modern Industry,
15. Jänner 1944.
ANHANG I
Erste Ankündigung
von der Gründung
eines
GPK
Hier folgt der Entwurf einer vorläufigen Erklärung, die (mit Abänderungen entsprechend den lokalen Verhältnissen) von der Betriebsführung und der Gewerkschaft verwendet werden kann, um das Interesse für die Bildung eines GPK zu wecken. Sie kann im Anschlagkasten ausgehängt, in den Betriebs- oder Gewerkschaftsmitteilungen veröffentlicht oder als Flugblatt an alle Angestellten verteilt werden. Gründung
eines Gemeinsamen
Produktionskomitees
Die Betriebsführung der Gesellschaft und die Vertreter der Gewerkschaft untersuchen gegenwärtig die Möglichkeiten, ein Gemeinsames Produktionskomitee zu gründen. Zu diesem Zweck haben Betriebsführung und Gewerkschaft je eine gleiche Anzahl von Vertretern ausgewählt, die gemeinsam diese Frage studieren und einen Plan vorlegen sollen, der den Aufbau und die Funktionen des vorgeschlagenen Gemeinsamen Komitees enthält. Die Namen der Mitglieder der provisorischen Gruppe sind: Vertreter der Betriebsführung:
Vertreter der Gewerkschaft:
(Name und Titel bzw. Abteilung:)
Was ist ein Gemeinsames
Produktionskomilee?
Ein Gemeinsames Produktionskomitee besteht gewöhnlich aus mehreren von der Betriebsführung gewählten und diese vertretenden Organen und einer gleichgroßen Zahl von durch die Arbeiter gewählten Vertretern. Ein derartiges Gemeinsames Komitee ist beratendes Organ der Betriebsführung und fungiert als Prüfungsstelle zur Verbesserung der Produktion und zur Lösung vieler Probleme, die sich für Bell* 163
triebsführer, Werkmeister und Arbeiter in ihrer täglichen Arbeit ergeben; es dient ferner der Entwicklung einer besseren Gemeinschaftsarbeit. Das Komitee überprüft folgende Fragenkomplexe und schlägt die entsprechenden Lösungen vor: Vorschläge und Verbesserungen, Verbesserung der Qualität, Schonung des Materials, Pflege von Werkzeugen und Maschinen, Bessere Zusammenarbeit, Schulung und Beförderung, Betriebshygiene und Betriebssicherheit, Innerbetriebliche Transporteinrichtungen, Ordnung und Reinlichkeit im Betrieb, Verwertung der Abfälle. Allgemeine
Beteiligung
Ein Gemeinsames Produktionskomitee macht die Bahn frei und gibt jedem, der für die Gesellschaft arbeitet, die Möglichkeit zu uneingeschränkter Mitarbeit, indem er seine Gedanken darüber zum Ausdruck bringt, wie die Produktion am besten gesteigert, Zeitersparnis erzielt und die Erzeugnisse der Gesellschaft verbessert und eine wirksame Zusammenarbeit entwickelt werden könnten. Funktionsbeginn
des
Komitees
Der endgültige Plan für das Gemeinsame Produktionskomitee wird nicht ohne Zustimmung von Betriebsführung und Gewerkschaft durchgeführt. Sobald er beschlossen ist, wird er allen Betriebsmitgliedern zur Kenntnis gebracht, wobei dann Fragen beantwortet und Einzelheiten der Durchführung geklärt werden. Mithilfe
Bis dahin können Sie bei der Ausarbeitung des Planes mithelfen, indem Sie Ihre eigenen Ansichten und Gedanken beisteuern, die dazu beitragen würden, ein starkes und wirksames Gemeinsames Produktionskomitee im Interesse aller Beteiligten zu schaffen. Diese Anregungen können dem Vorsitzenden oder irgendeinem Mitglied der provisorischen Gruppe oder Ihrem Betriebsrat übermittelt werden. Weitere Mitteilungen erfolgen, sobald die provisorische Gruppe ihren endgültigen Bericht ausgearbeitet hat. 164
ANHANG
II
Entschließung Für Fälle, wo dies beiden Teilen annehmbar erscheint, wird im folgenden in Vorschlagsform eine Zusammenstellung jener Punkte gegeben, die in ein Kollektivvertrags-Akkommen oder in einen Zusatz dazu bzw. in eine gesonderte E n t schließung aufgenommen werden könnten. Entschließung In Erkenntnis der Bedeutung der Gemeinschaftsarbeit und zur Förderung des Gedeihens des Unternehmens und aller darin Beschäftigten sind Betriebsführung und Gewerkschaft übereingekommen, ein Gemeinsames Produktionskomitee ins Leben zu rufen. Zweck. — Aufgabe des Gemeinsamen Produktionskomitees ist es, als untersuchendes und beratendes Organ der Betriebsführung dahin zu wirken, daß die Gemeinschaftsarbeit entwickelt und gefördert wird, Fehlleistungen vermieden werden und die Beteiligung aller an der Erhöhung der Produktivität gesichert wird. Zusammensetzung. — Das Gemeinsame Produktionskomitee setzt sich aus . . . Vertretern der Betriebsführung und . . . Vertretern der Gewerkschaft zusammen. Das GPK h a t einen Vorsitzenden und einen Sekretär, wobei jede der beiden Gruppen einen der beiden Funktionäre stellt. Ausschüsse. — Unterausschüsse, in denen Betriebsführung und Gewerkschaft in gleicher Weise vertreten sind, werden vom GPK je nach Bedarf eingerichtet, und zwar: 1. Abteilungsausschüsse. 2. Stehende oder Sonderausschüsse oder Arbeitsgruppen für folgende Fragen: a) Gedanken und Vorschläge — um Vorschläge zur Verbesserung der Qualität, zur Einsparung von Zeit, zur sparsamen Verwendung von Material, sorgsamen Be165
handlung von Werkzeugen und Maschinen, zur Verwertung des Abfalls usw., anzuregen und zu erfassen; b) Betriebshygiene und Betriebssicherheit, innerbetriebliche Transporteinrichtungen, Unterbringung, Schulung und Weiterbildung sowie Erziehung zu besserer Gemeinschaftsarbeit. Ausschußsitzungen. — Zur Beschleunigung seiner Arbeit und der Arbeit seiner Untergruppen setzt das G P K regelmäßige Zusammenkünfte und Sondersitzungen fest. Bei allen Sitzungen wird ein Protokoll geführt, das allen Interessenten zur Einsichtnahme zur Verfügung steht. Jeder Betriebsangehörige kann über Einladung an den Sitzungen des G P K teilnehmen, falls dadurch die Arbeit des letzteren gefördert werden kann. Für die zur Teilnahme an den Sitzungen aufgewendete Zeit erhalten die Mitglieder des G P K und sonstigen Angestellten eine Vergütung. Mitteilungen. — Die Tätigkeit des G P K ist in jeder Hinsicht auf Zusammenarbeit abgestellt. Alle einschlägigen Tatsachen und Mitteilungen sind ihm von allen Beteiligten zu übermitteln, um die Arbeit des Komitees nach der T a t sachenseite hin zu ergänzen. Erfindungen. — Zum Schutz der Erfinder von neuen und daher patentfähigen Ideen wird v o m G P K ein entsprechender Beschluß gefaßt und ins Protokoll aufgenommen. Die Vergütungen für Erfindungen und ihre Verwertung werden im gegenseitigen Einvernehmen festgesetzt. Über Ersuchen des Erfinders wird ihm bei der Patentierung Unterstützung gewährt. Schulung und Weiterbildung. — Zur Entwicklung der Fertigkeit aller Arbeiter im Produktionsvorgang wird ein Unterausschuß für Schulungswesen gebildet, dem es obliegt, alle Möglichkeiten zu untersuchen, ein entsprechendes Schulungsprogramm in Vorschlag zu bringen und nach seiner Annahme an seiner Durchführung mitzuarbeiten. Beschwerden — werden zur Behandlung an den Beschwerdeausschuß und die Betriebsführung weitergeleitet. Mitarbeit der Betriebsleitung. — U m die Arbeit des G P K möglichst wirksam zu gestalten, ist die oberste Betriebsführung in dem gemeinsamen Komitee durch befugte Funktionäre vertreten. Die Betriebsleitung wird alle Weisungsorgane sowie das übrige Aufsichtspersonal veranlassen, mit dem gemeinsamen Komitee und seinen Vertretern im Betrieb aufs engste zusammenzuarbeiten. Mitarbeit der Gewerkschaft. — Da für das G P K zum Teil die Gewerkschaft verantwortlich ist, wird sich die Tätigkeit 166
der Arbeitervertreter darin im Rahmen der allgemeinen Gewerkschaftspolitik halten. Gleichzeitig werden die Arbeitervertreter bei der Durchführung von GPK-Aufgaben und -Pflichten mit der Betriebsführung aufs engste zusammenarbeiten. Verdienstentgang und Sondervergütungen. — Wenn auch vom GPK in dieser Hinsicht manches geändert und viel ersprießliche Arbeit geleistet werden kann, so bleibt doch die von beiden Parteien anerkannte Tatsache bestehen, daß in den Befürchtungen und in der unsicheren Stellung der Arbeiter der Grund für die NichtVerwirklichung einer vollständigen und uneingeschränkten Mitarbeit zu suchen ist. Um die notwendigen Voraussetzungen für eine gesunde Betriebsmoral zu schaffen, wird folgendes vereinbart: 1. Keinem Arbeiter darf ein Verdienstentgang dadurch erwachsen, daß auf Grund von GPK-Empfehlungen neue Ideen durchgeführt oder Änderungen in den Arbeitsmethoden vorgenommen werden. 2. In Anerkennung von Verdiensten um von der Betriebsführung gebilligte Vorschläge können entsprechende Sondervergütungen vom G P K ausgesetzt werden. 3. Die Frage der Entlohnung aller Arbeiter für ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Erhöhung der Produktion unter der Leitung des G P K wird nach dem üblichen Verfahren bei den Kollektivvertragsverhandlungen einvernehmlich geregelt. Zur Verbesserung der Gemeinschaftsarbeit haben derartige Entlohnungen so zu erfolgen, daß die Belegschaft als Ganzes daraus Nutzen zieht. (Unterschrift) Für die Gesellschaft
Für die Gewerkschaft
Datum
167
ANHANG
III
Wie der Anfang gemacht und das Interesse arbeit gefördert werden kann Das Gemeinsame
an der
Mit-
Produktionskomitee
Seine Organisation Leitung Vertreter der Betriebsführung
Der Vorsitzende Der Sekretär
Vertreter der Belegschaft
(Unterausschüsse oder Gruppen, die jeweils aus Arbeitern und Leitungsorganen zusammengesetzt sind) Stehende oder Sonderausschüsse f ü r :
Abteilungen:
Vorschläge und Verbesserungen Erziehung zur Gemeinschaftsarbeit Betriebshygiene u. Betriebssicherheit Schulung und Weiterbildung Innerbetriebl. Transporteinrichtungen Schonung des Materials
Maschinenhalle Gießerei Formerei Konstruktionsbüro Lager Instandhaltung Büro usw.
Der Beginn Sobald das GPK organisiert ist, ist es am besten, sämtliche Angestellten des Betriebes durch ein einfaches Schriftstück sowie durch Aushang im Anschlagkasten zur Mitarbeit aufzufordern. Überzeugen Sie sich, daß jeder einzelne weiß, was das GPK t u t und warum es das tut, und wer für jede Tätigkeit verantwortlich ist. Zweitens überprüfen Sie die gegebenen Produktionsprobleme des Betriebes. Entscheiden Sie darüber, welcher Engpaß als der wichtigste anzusehen ist, und bearbeiten Sie diese Frage zuerst. Manche Probleme können in der entsprechenden Abteilung behandelt werden, andere er168
fordern eine den ganzen Betrieb umfassende Regelung. Bestellen Sie und unterweisen Sie das Team und veranlassen Sie es, an das GPK zu berichten. Absteckung
der
Verantwortlichkeit
Eine wirkliche Veranlassung zu einer irrtümlichen Vermengung der Gruppen besteht nicht. Die Verantwortung jeder einzelnen Gruppe wird vom GPK selbst festgelegt. Jedes Abteilungskomitee vertritt das GPK innerhalb seines Wirkungskreises. Auf diese Weise löst es seine eigenen Probleme oder leitet sie an das GPK zur Prüfung weiter. In Fällen, wo sich Probleme ergeben, die zwei oder mehrere Abteilungen betreffen, kann ein den ganzen Betrieb umfassendes Team die Verantwortung übernehmen. Mit zunehmender Erfahrung entwickelt sich das GPK zu einer Stromlinienorganisation, wo jeder die persönlichen und sachlichen Probleme versteht. Aufforderung
zur
Mitarbeit
Fördern Sie die Entwicklung neuer Ideen. — Fordern Sie die Arbeiter auf, ihre Ideen über Fragen wie die folgenden vorzulegen: Bessere Gemeinschaftsarbeit; bessere Methoden zur Verrichtung einer bestimmten Arbeit; Verbesserung der Qualität; Zeitersparnis; Pflege der Werkzeuge; bessere Abstimmung von Vorarbeit und Fertigung; Schonung des Materials; Betriebshygiene und Betriebssicherheit; verbesserte Pflege der Werkanlagen; Schulung und Weiterbildung; Verwertung des Abfalls; Erziehung zu besserer Gemeinschaftsarbeit usw. Stellen Sie sofort Nachforschungen an. — In kleinen Betrieben kann das GPK aus den eigenen Reihen eine Gruppe dazu bestimmen, neue Vorschläge anzuregen und diese zu überprüfen. In großen Betrieben geschieht dies am besten durch eine eigene Gruppe in jeder Abteilung. Derartige Vorschläge sind rasch zu überprüfen oder zum weiteren Studium und zur Stellungnahme durch das GPK weiterzuleiten. Sprechen Sie Ihre Anerkennung für neue Gedanken aus.— Viele Anregungen können ziemlich rasch gutgeheißen werden. Andere wieder erfordern eine weitere Überprüfung durch das GPK, die Betriebsingenieure oder Betriebsleiter. Gehören leitende Organe dem GPK an, dann können Ent169
Scheidungen schneller getroffen werden, sobald alle einschlägigen Tatsachen bekannt sind. Schicken Sie ein Anerkennungsschreiben jedem, der eine annehmbare Anregung macht. Machen Sie durch Aushang oder in Betriebs- oder Gewerkschaftsmitteilungen solche gebilligten Anregungen allgemein bekannt. Begründen Sie Ablehnungen. — Ist ein Vorschlag praktisch undurchführbar oder kann er aus irgendeinem anderen Grund nicht aufgegriffen werden, dann machen Sie dem Arbeiter, der ihn eingebracht hat (und der natürlich an dem Ergebnis interessiert ist), auf schriftlichem Weg und in einer freundlichen Art den Grund für die Ablehnung klar und wünschen Sie ihm für das nächste Mal besseren Erfolg. Helfen Sie den Erfindern. — Ab und zu hat wirklich jemand eine ganz neuartige Idee, die dann auch patentfähig ist. Um derartige Urheber zu schützen, sollte ein Antrag in die Sitzungsprotokolle des GPK aufgenommen werden, wonach dem Urheber (gegebenenfalls) der Patent- oder Prioritätsrechteschutz verbürgt wird. Das GPK kann auch Schritte unternehmen, um den Erfinder bei der Erlangung eines Patentes zu unterstützen. Ein solcher Schutz ist nur recht und billig, fördert neue Ideen und verleiht ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Sparen Sie nicht mit Anerkennung. — Für Anregungen kann man auf verschiedene Weise Anerkennung zollen. Ein Anerkennungsschreiben an jeden, der eine Anregung beisteuert, ist vielleicht das Naheliegendste und das Mindeste, was getan werden kann. Darüber hinaus kann in einfacher und verständlicher Form Anerkennung gewährt werden, indem periodisch eine gesellschaftliche Veranstaltung durchgeführt oder ein Essen gegeben wird, bei welchem Anlaß gute Ideen in lobender Weise erwähnt oder bekanntgemacht werden. Auch mit Barvergütungen kann man einen Versuch machen, wenngleich sie nicht immer den gewünschten Erfolg zeitigen und öfter eher Uneinigkeit unter den Arbeitern hervorrufen als sie zu besserer Gemeinschaftsarbeit zusammenzuführen. Generelle Vergütungen. — Ein richtig gewähltes, generelles Vergütungssystem scheint den größten Erfolg zu versprechen, da bei ihm jeder weiß, daß er — gemeinsam mit allen anderen — um so mehr erhält, je mehr er arbeitet —, wodurch die Selbstdisziplin gehoben wird. Ein Betrieb hat mit Erfolg ein sehr einfaches System eingeführt, wonach bei Erhöhung der Produktivität um einen bestimmten Hundertsatz über 170
die feststehenden Lohnsätze hinaus der Verdienst jedes einzelnen automatisch um den gleichen Prozentsatz steigt. In Verbindung mit der wirksamen Arbeit des GPK hat dieses Verfahren seither die Produktivität wie auch den Verdienst des einzelnen auf ein hohes Niveau gebracht. Die Arbeitsmoral hat ein neues Hoch erreicht und Betriebsführung, Arbeiterschaft und Gewerkschaft sind mit dem erzielten Fortschritt und den künftigen Möglichkeiten zufrieden.
171
ANHAN G
Vorschläge für ein
IV
Ausbildungsprogramm
Die im folgenden gemachten Anregungen können als Richtlinien dienen, nach denen ein spezialisiertes betriebliches Schulungs- und Weiterbildungsprogramm entwickelt werden kann. Angesichts der Bedeutung und des Umfanges des Gegenstandes erhebt dieser Entwurf keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er baut jedoch auf dem Prinzip einer engen Zusammenarbeit aller auf, durch die die laufenden (oder neuen) Fertigkeiten, die in dem Betrieb erforderlich sind, in einer wirksameren Weise als bisher neuaufgenommenen oder älteren Arbeitern, die zur Versetzung oder Vorrückung auf einen anderen Arbeitsplatz bestimmt sind, vermittelt werden können. Auf diesem Wege konnten im Anfangsstadium des Krieges manche Betriebe rascher erweitert und die neuaufgenommenen Arbeiter für ihre neue Arbeit geschult werden. I. Zur Ausarbeitung eines Programms für die Entwicklung der im Betrieb erforderlichen Fertigkeiten sämtlicher Arbeiter wird ein gemeinsamer ständiger Schulungsausschuß unter der Führung des GPK gebildet. Seine Aufgaben wären etwa die folgenden: a) Die im Betrieb erforderlichen Fertigkeiten sowie die Zahl der in jeder Kategorie benötigten geschulten Arbeiter zu untersuchen und festzustellen. b) Alle verfügbaren Arten von Arbeitskräften einschließlich körperbehinderter Kriegsteilnehmer und anderer Arbeiter ausfindig zu machen, die für die Arbeit im Unternehmen ausgebildet werden können, unter Berücksichtigung der dem Unternehmen auf Grund der bestehenden Entlohnungsbestimmungen und Versicherungsvorschriften erwachsenden Verpflichtungen. II. Der Ausbildungsausschuß hätte ferner: a) bei der Auswahl der Kandidaten für die Ausbildung sowie b) bei der Auswahl jener Personen (je einer pro Abteilung oder Arbeitsstelle) mitzuwirken, die die Schulungsteilnehmer zu beaufsichtigen haben. 172
c) Die Schulungsteilnehmer unter die Aufsicht eines erfahrenen Arbeiters zu stellen, der (neben der eigenen Arbeit) für den Fortschritt derselben verantwortlich ist. Der Schulungsteilnehmer wird in der Handhabung einer Maschine oder in irgendeiner anderen Art von Arbeit neben dem Ausbildner unterrichtet, der für die Ausbildung soviel von seiner Arbeitszeit verwendet als erforderlich ist. Die hierfür aufgewendete Zeit wird einem „Schulungs-" oder einem anderen hierfür in Betracht kommenden Konto angelastet, um den Ausbildner für den Zeitverlust bei der eigenen Arbeit schadlos zu halten. d) Die in der Ausbildung tätigen Arbeiter zu veranlassen, in allen Fragen der Schulungsziele und -methoden sowie der Disziplin der Schulungsteilnehmer mit den Aufsichtsorganen zusammenzuarbeiten. III. Die Ausbildungsteilnehmer können wie andere Arbeiter nach dem üblichen Verfahren oder auf eine andere noch zu bestimmende Art und Weise bezahlt, eingestuft und versetzt werden bzw. an für sie geeignete Stellen vorrücken. IV. In Fällen, wo die Größe des Programms eine spezialisierte Überwachung erfordert, kann die Betriebsführung zur Sicherung seiner wirksamen Durchführung einen eigenen hauptberuflichen Schulungsinspektor bestellen. V. Für Facharbeiterstellen sollte der Ausschuß gemäß den Richtlinien des bundesstaatlichen Komitees für Lehrlingsausbildung (Federal Committee on Apprenticeship) ein Lehrlingsschulungsprogramm aufstellen. (Dort, wo ein von dem bundesstaatlichen Komitee für Lehrlingsausbildung genehmigtes oder ein ähnliches Programm bereits durchgeführt wird, kann dieses als Teil in das gesamtbetriebliche Schulungsprogramm einbezogen werden, wobei jedoch weiterhin die Betonung auf der Lehrlingsausbildung zu liegen hätte.) VI. Nach Überprüfung des Berichtes des Schulungsausschusses hat das GPK seine endgültigen Empfehlungen an die Betriebsführung zu erstatten.
173
Register Absatzforschung 142 ff. Abteilungen, Verhältnis der — zueinander 83, 130 f., 139 f. „Advanced Management" 33 Akkordarbeit 107 ff. — Antreiberei 115 f. — Ansichten über — bei ihrer Einführung 91 f. — Definition der 91 — Einstellung der Arbeiter zur 45, 90 f., 98 f., 100 ff. — Einwände gegen 97 ff., 116,121 — Ersetzung der 92, 130 ff. — Garantierung der Lohnsätze 106 — G P K und 91 f., 107 — Lohnkürzungen und 94 und Gewerkschaft 104 — Richtigkeit der Akkordlohnsätze 93 f. in der Textilindustrie 99 Anerkennung 125, 170 Arbeit, Befriedigung an 38, 108 — Sicherheit der 45 Arbeiter 27, 36 — und Betriebsführung 15 f., 101 f., 110 — und G P K 37 ff., 48 f., 55, 75, 101 — und Gewerkschaft 17 f., 100 — Gewinnung des Interesses der 24, 30 f., 55, 67 ff., 130 ff. — im mechanistischen Betrieb 25 — sehnen sich nach Aufgaben 23, 71 Arbeitsmoral 24, 108, 121 f., 149 Baltimore- and Ohio-Plan 11, 131 Begeisterung, eine unberechenbare K r a f t 98 Beherrschung 19, 78, 89 Beispiele, Ingangsetzung des G P K 193 ff. — Leistungstafeln 111 ff., 118 174
Beispiele, Maschinenraum 109 —• Neuankömmlinge in der Industrie 67 — Ofenfabrik 88 — Politik im Betriebe 82 f. — Schleifen der Turbinenschaufeln 119 f. — siehe auch GPK, Fälle Beschwerden 30, 35, 38, 128 Besuch eines anderen Betriebes 1, 152 Betriebsführung 17, 25 — Bedeutung der Unterstützung durch 30 f., 48 f., 50 f., 70, 124 — und Gemeinschaftsarbeit 89 ff. — in Unkenntnis der demoralisierenden Wirkung der Akkordarbeit 103 — Literatur über 151 f. — Stellung der — zum GPU 22 f., 27 ff., 72 f., 89, 133 f. Betriebsvorschriften, Revision der 131 Bewegungsstudien 145 f. Bewertungsarbeit, Analyse der 100 ff. Budgetkontrolle 88, 139 f. Bundesstaatliches Komitee f ü r Lehrlingsausbildung 173 Carey, Patrick J . 68 Clark, Wallace 123 Cock, Morris L. 83 Disziplin, Betriebs- 35, 131 Eignung f ü r Komiteearbeit 48 f. Einstellung, aufgeschlossene 51 f., 65, 70 ff. — Barprämien beeinträchtigen •— 51 f., 98 f., 103 — Bedeutung einer 26, 51 — „Belehren — nicht befehlen"78 Emerson, Harrington 110 Erziehung durch die T a t 27
Fabrik eine „Schule" 31 Fiedrich, Carl 103 „ G a n t t Chart, T h e " 123 Gantt, H . L. 123, 137 G P K (Gemeinsames Produktionskomitee), Akkordarbeit und 91, 107 — Arbeiter und 37 ff., 44, 49 f., 55, 75, 101 — Aufgaben des 51, 72 ff. — Auswahl der geeigneten Vertreter 48 f. — Befugnisse des 23 — beratende Punktion des 22 — eine Dauereinrichtung der Industrie 35 — Betriebsführung und 22 f., 27 ff., 72, 89, 133 — Definition des 25 — Entschließung 165 — Erfolgsbeispiele 11, 29, 40, 46, 60 ff., 130 f. — Erklärungen des 50 f., 70 ff., 90, 159, 163 — Gewerkschaft und 23, 42 ff., 75 f., 89 f., 166 f. — Ideen f ü r das 42 f., 127 f., 145, 154, 164, 169 f. — Ingangsetzung des 70, 153, 168 f. — das kleinere Unternehmen und 22, 43 f., 112 — Kosten des 34 — Leistungstafeln und 125 — Mißtrauen das größte Hemmnis 53, 70 — Mittel und Möglichkeiten des 62 — Organisation des 168 — Personalfunktionen des 24, 189 — Pionierarbeit des 105, 161 f. — die,.Politikim Betriebe" u. 86f. — Qualitätskontrolle und 120 — Tätigkeit des 127 f. — Überprüfung der Leistungen des 73 — Verfahrensweisen 127 f., 134, 143 ff., 158 f., 168 f. — vervollständigt Organisation 20, 33, 37 f. — Vorteile des 15, 20, 22, 24, 27, 29 f., 68, 128, 134, 157 f. — Werkmeister und 22, 31, 34 ff., 50 f., 66, 72 — Zusammensetzung des 22, 54
G P K , Zweck des 22, 165 Gemeinschaftsarbeit 27, 73 ff., 108 ff. — der Appell bestimmt das Echo 19 f. — Schädigung durch Akkordarbeit 97 ff., 115, 121 — die übliche Organisation ungeeignet f ü r 19 — unerkannte Möglichkeiten zur 31, 40 — Wille zur 44, 82 Gewerkschaft, Akkordarbeit und 104 f. — angebliche Aneignung von Leitungsprärogativen durch 133 — Führungsrolle der 18, 82, 89 f., 104, 197 f. — die in USA 16 — Stellung der — zum G P K 23, 42 f., 74 f., 89 f., 166 f. — Vollproduktion nur mit Hilfe der — möglich 69 — Zugehörigkeit zur — kein Hindernis für Gemeinschaftsarbeit 33 — f ü r Zusammenarbeit mitverantwortlich 48, 70 f. Gewinnbeteiligung 32 Gleichgültigkeit — eine Schutzhülle 108 Golden, S. Clinton 31 ff., 67 Gruppe, die provisorische 153, 158 ff. Gruppenprämie 97 Hedges, Marion H . 46 „ H u m a n Leadership in I n d u s t r y " 31 Instandhaltung 131, 144 f. International Association of Machinists 46 Jahreslohn 44 Kollektivverhandlungen 157 — Ausreifen der 35 — auf einem Kartellmarkt 42 — Neubewertung 42 — Schwergewichtsverlagerung bei 15, 43 Kontrolle 61, 117 f., 147 Kosten stillstehender Maschinen 137, 154 Kriegsproduktionsamt (War Production Board) 12
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Lageraufzeichnungen, ständige 144 Lagerkontrolle 131, 145 Lao Tse 56 „Leadership in a Free Society" 83 Leistungstafeln 108 ff. — administrative Förderung der 124 — und Antreiberei 115 f. — Definition der 108 — in kleinen Betrieben 113 — Kostensenkung durch 111 ff. — statt Akkordarbeit 125 — über Qualität 117 ff. — und die Verteilung der Arbeitslast 122 ff. Leiter der Verständigung 65 Lohnniveau nicht durch Akkordarbeit bestimmt 104 Mißtrauen 53 ff., 66, 73, 133 „Modern Industry" 162 Murray, Philip 83 „New Belief in the Common Man" 103 Organisation und Planung 83 Organisationen, Definition 25 Personalabteilung und GPK 24, 149 Planung 48, 139, 149 f. — umfassende 137 ff. Politik im Betriebe 37, 79 ff. — Definition 82 — Heilmethoden für 87 — Symptome der 57 ff. — Ursachen der 82, 87 „Production Conference" 58, 149 „Production Handbock" 151 Productrol 123 Produktion, Steigerung der 15 ff., 117 — erhöht Sicherheit 27, 115 — Unterproduktion 29 Produktionsforschung 143 ff. Produktionserfordernis 20, 109, 143 Protokolle, Führung der 64 f., 166 „Psychology for Executives" 82 Qualitätskontrolle 119 f. •— erfordert Mitarbeit seitens der Arbeiter 120 „A Rebel Yells" 149 Revisor 64 Rock Island Arsenal 11
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Rogers, Will 52 Ruttenberg, Harold J. 67 Schadloshaltung bei Zusammenarbeit 66, 109 Schulung 148 f., 172 f. Sekretär, der — des GPK 63 Sitzungen — Beiziehung von Nichtmitgliedern zu 56 f. — Erzielung positiver Resultate in 57 ff. — Führung der Protokolle 64 f. — Häufigkeit 22 f. — Tagesordnung der 55 — Vorbereitung der 55 Smith, E. D. 82 Steinkraus, Herman W. 162 Studium des Arbeitsprozesses 145 f. Teilnahmslosigkeit 59 Transportwesen, innerbetriebliches 130, 146 f. TVA (Tennessee Valley Authority) 47 Unterkomitees 11, 67 f., 165, 168 Verbindungsweg 22, 38 Vereinigte Stahlarbeiter Amerikas 32, 40 Verschwendungen, Analyse der 136 Vorschlagskasten 24, 74 f. Vorschlagssysteme 74 ff. Vorsitzende, der — des Komitees —• Aufgaben des 55 ff. — und die Entscheidungen des GPK 55 ff. — Erforderliche Eigenschaften 57 ff. — Informationen des 58 — Unparteilichkeit 58 Werkmeister 26 f. — Akkordarbeit und — 102 — und GPK 23, 32, 34 ff., 50 ff., 66 f., 72 — Zuteilung der Arbeit durch 98 Werkzeugkonstruktion 129 Werkzeugkontrolle 131, 145 Wilkie, H. F. 149 Wolf, Robert B. 79, 104 Wolff, Jack L. 59, 148 Whitehead, T. N. 82 Zuteilung der Arbeit 149 f.