Die Zulässigkeit vergleichender Werbung aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben: Das Leitbild des mündigen Verbrauchers und die Öffnung der nationalen Märkte [1 ed.] 9783428485994, 9783428085996


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German Pages 213 Year 1996

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Die Zulässigkeit vergleichender Werbung aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben: Das Leitbild des mündigen Verbrauchers und die Öffnung der nationalen Märkte [1 ed.]
 9783428485994, 9783428085996

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TIMOTHY KRÜGER

Die Zulässigkeit vergleichender Werbung aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 25

Die Zulässigkeit vergleichender Werbung aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben Das Leitbild des mündigen Verbrauchers und die Öffnung der nationalen Märkte

Von

Timothy Krüger

DUßcker & Humblot · Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Krüger, Timothy: Die Zulässigkeit vergleichender Werbung aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben : das Leitbild des mündigen Verbrauchers und die Öffnung der nationalen Märkte I von Timothy Krüger. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 25) Zugl.: Potsdam, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08599-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-08599-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Meiner Großmutter, der diese Dinge immer viel zu wichtig waren, und die sich daher um so mehr gefreut hätte.

Vorwort Die Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam im Sommersemester 1994 als Dissertation vor. Neu erschienene Literatur konnte noch bis einschließlich September 1995 berücksichtigt werden. Ich danke Herrn Professor Dr. Harald Herrmann ftir die Erstellung des Erstgutachtens und Herrn Professor Dr. Reinhard Weiter filr die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Professor Dr. Siegfried Magiera und Herrn Professor Dr. Dr. Detlef Merten sowie dem Verlag Duncker & Humblot, Berlin, danke ich für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Schriften zum Europäischen Recht". Besonderen Dank schulde ich Herrn Axel "Doc Bob" Schreier fiir seine kompetente Unterstützung in schwerer Stunde und Herrn Carstens "Maurice" Liersch filr einen goldenen praktischen Tip. Schließlich denke ich, daß sich mein Dad mindestens zwei l'ours-Punkte für die Fron des Korrekturlesens verdient hat. Berlin, im November 1995 Timothy Krüger

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung I. Der Einfluß gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ............................................. 11. Abgrenzung zu anderen Werbeformen.... ...... ........ ................. ............................. I. Bezugnahme.................................................................................................... 2. Herabsetzung und die Abgrenzung zur anlehnenden Werbung.......................

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur kritisierenden bezugnehmenden Werbung in der Bundesrepublik I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts .. ............................................................

I. Der Wandel der Rechtsprechung des Reichsgerichts von der grundsätzlichen Zulässigkeit bezugnehmender kritisierender Werbung hin zu ihrem grundsätzlichen Verbot.................................................................................................... a) Zulässige vergleichende Werbung.............................................................. b) Der Wandel zur Unzulässigkeit.................................................................. 2. Ausnahmen ...................................................................................................... a) Abwehrvergleich........................................ ................. .................. ........ ...... b) Systemvergleich ......................................................................................... aa) Grundsatz ....................... ..................... ............................. .................... bb) ausnahmsweise herabsetzende Bezugnahme....................................... (I) beim Fortschrittsvergleich........ ...... .......... ....................................... (2) aufgrund besonderer Umstände....................................................... c) Auskunftsvergleich..................................................................................... 3. Zusammenfassung und Stellungnahme............................................................

11. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs...................................................... I. Einleitung........................................................................................................ 2. Ausnahmebereiche........................................................................................... a) Forderung der objektiven Wahrheit............................................................ b) Abwehr- und Auskunftsvergleich............................................................... aa) Abwehr................................................................................................. bb) Auskunft .................................. ............. ............................................... c) Systemvergleich.......................................................................................... aa) Grundsatz .......... ............................................... .................................... bb) wirtschaftlicher Vorteil .......................................... :............................. (l) Keine Kontinuität mit dem RG ........ ............ ........ .................. ......... (2) Herleitung des neuen Ausnahmebereichs........................................ d) Aufklärungsvergleich ................................................................................. aa) Das Reichsgericht und der Aufklärungsvergleich................................

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Inhaltsverzeichnis bb) Der Bundesgerichtshof........................................................................ (1) Leben und Gesundheit..................................................................... (2) Preisklarheit und Markttransparenz......... ........... ............................. (a) indirekte Bezugnahme ................................................................ (b) direkte Bezugnahme................................................................... (3) Technisches Neuland ..................................... :................................. (a) Ausgangssituation ...................................................................... (b) Abgrenzung zum Systemvergleich zur Darstellung eines wirtschaftlichen Vorteils................................................................... (4) IrrefUhrende Werbung..................................................................... 3. Keine Änderung der Rechtsprechung durch das Cola-Test-UrteiL................ a) Kein Fall kritisierender Werbung ............................................................... b) Kein Bruch mit der früheren Rechtsprechung ............................................ c) Ergebnis...................................................................................................... d) Bestätigung durch Folgerechtsprechung..................................................... 4. Analyse und Einschätzung............................................................................... a) Die Unterschiede zur Rechtsprechung des Reichsgerichts ......................... b) Die Struktur der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs......................... c) Stellungnahme............................................................................................ C. Die Auswirkung des Art. 30 EGV auf die Rechtsprechung zur bezugnehmenden kritisierenden Werbung in Deutschland

I. Anwendungsbereich des Art. 30 EGV auf das Verbot der bezugnehmenden kritisierenden Werbung....................................................................................... 1. Dassonville - Die weite Definition der Maßnahme gleicher Wirkung............. 2. Ansätze zur Eingrenzung des Begriffs der Maßnahme gleicher Wirkung ....... a) Diskriminierung.......................................................................................... b) erhebliche Nachteile/ Binnenmarktvergleich.............................................. 3. Cassis de Dijon ................................................................................................ a) Inhalt........................................................................................................... b) Werbeverbote als Maßnahme gleicher Wirkung ........................................ aa) EuGH................................................................................................... bb) Kommission......................................................................................... cc) Lehre.................................................................................................... c) Der einfache Binnenmarktbezug - Keine Beschränkung auf grenzüberschreitende Werbung................... ........ .... ..................... ............................... d) Ergebnis...................................................................................................... 4. Keck - Die Begrenzung des Begriffs der Maßnahme gleicher Wirkung.......... a) Ursprungslandprinzip - Die Werbung auf Verpackung und Etikett............ b) Verkaufsmodalitäten................................................................................... aa) Tätigkeit im Ausland - Der doppelte Binnenmarktbezug (EuroMarketing) ............................................................................ ............ ... bb) Tatsächliche Diskriminierung.............................................................. c) Ergebnis................................................... ....................... ............................

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Inhaltsverzeichnis 11. Inhaltsbestimmung der immanenten Schranken Verbraucherschutz und Lauterkeit des Handelsverkehrs des Art. 30 nach nationalem oder Gemeinschaftsrecht? .................................................................................................................. 1. Problemstellung ............................................................................................... 2. Argumente für einen nationalen Definitionsvorbehalt.... ...... ........................... 3. Begründung des gemeinschaftsrechtlichen DefinitionsvorbehaIts................... 4. Bestätigung durch den EuGH .......................................................................... 5. Der Standpunkt des Rates................................................................................ 6. Kein tOderatives Element der Gemeinschaft.................................................... 7. Die immanenten Schranken des Art. 30 EGV im Vergleich zu denen des GG 8. Ergebnis........................................................................................................... a) Kein Definitionsvorbehalt der Mitgliedstaaten........................................... b) Prüfungsfolge ............................................................................................. c) Grundlagen der Auslegung ...... ...... ............................................................. aa) Gemeinschaftsfreundliche Auslegung und die Bedeutung von Art. 2 EGV...................................................................................................... bb) Sonstige Quellen, insbesondere Programme des Rates........................ III. Die Inhaltsbestimmung des Verbraucherschutzes auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts ........................................................................................... 1. Gemeinschaftsrecht ................................................................... :...................... a) Keine Anhaltspunkte im EGV .................................................................... b) Die Etikettierungsrichtlinie, die Richtlinie zur irreführenden Werbung und die Richtlinie über die Werbung fUr Humanarzneimittel. Das Verbot der Irreführung des Verbrauchers .............................................................. c) Die Verbraucherschutzprogramme ............................ ................................. aa) Das Erste Verbraucherschutzprogramm............................................... (1) Das Verbrauchergrundrecht auf Unterrichtung ...................... ......... (2) Grenze der IrrefUhrung.................................................................... (3) Ergebnis .......................................................................................... bb) Das Zweite Verbraucherschutzprogramm. Anlehnung an das Erste Programm und Betonung der Preistransparenz........................... d) Ergebnis...................................................................................................... 2. Die Rechtsprechung des EuGH ....................................................................... a) Das Gebot wahrer und nicht irrefUhrender Informationen für den Verbrauch er..................................................................................................... b) Kongruenz der Werberechtsprechung des EuGH mit den Verbraucherschutzprogrammen ..................................................................................... aa) Zugabeverbot und Buet........................................................................ (1) Zugabeverbot .................................................................................. (2) Buet................................................................................................. (3) Ergebnis .......................................................................................... bb) GB-Inno und Yves Rocher .................................................................. cc) Ergebnis........................................................................... .................... c) Die Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung zum Eigenpreisvergleich auf die vergleichende Werbung................ .................... ............ ................. d) Ergebnis......................................................................................................

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Inhaltsverzeichnis 3. Die herrschende Lehre - Art. 30 EGV als Schutznorm der wirtschaftlichen Informationsfreiheit ..................... ............................. ............ ............ .............. 4. Der mündige europäische Verbraucher............................................................ a) Der Gegensatz zu § 3 UWG........................................................................ b) Keine Deckung durch Art. 7 der Richtlinie zur irreflihrenden Werbung.... c) Ergebnis....................................................................................................... 5. Ergebnis...........................................................................................................

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IV. Die Inhaltsbestimmung der Lauterkeit des Handelsverkehrs auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts..................................................................................... 1. Art. 60 § 1 EGKSV und die Präambel des EGV ............................................ 2. Angemessenheit.............................................................................................. a) Die Abwägung zwischem der nationalen Wertvorstellung und der Warenverkehrsfreiheit .......................................................................................... b) Marktöffnung ............................................................................................. aa) Markttransparenz und Informationsökonomie ..................................... bb) Marktzugang........................................................................................ cc) Ergebnis ............................................................................................... c) Vorrang des Verbraucherschutzgedankens .... .............. ............................... d) Ergebnis......................................................................................................

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V. Gewerbliches und kommerzielles Eigentum iSd. Art. 36 EGV .......................... 1. Keine Rechtfertigung durch das Warenzeichenrecht...................................... 2. Bestätigung durch die Markenrichtlinie .........................................................

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VI. Ergebnis.............................................................................................................

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VII. Konsequenzen ................................................................................................... 1. Zulässigkeit vergleichender Werbung in anderen Mitgliedstaaten................ a) Der südeuropäische Rechtskreis - Griechenland, Spanien und Portugal.... aa) Griechenland .................. .......... ........ ...... .................................... ... ....... bb) Spanien................ ................................................................................ cc) Portugal................................................................................................ b) Italien.......................................................................................................... c) Frankreich................................................................................................... aa) Entwicklung der Rechtsprechung ........................................................ bb) Gesetzliche Regelung .......................................................................... d) Die BeNeLux-Staaten................................................................................. aa) Luxemburg........................................................................................... bb) Belgien................................................................................................. cc)Niederlande.......................................................................................... e) Der angelsächsiche Rechtskreis - Großbritannien und Irland .............. ....... aa) Großbritannien ..................................................................................... bb) Irland................................................................................................... f) Das skandinavische Recht - Dänemark....................................................... g) Ergebnis...................................................................................................... 2. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Beurteilung der bezugnehmenden kritisierenden Werbung nach der Rechtsprechung des BGH und der Anwendung des Art. 30 EGV ....................................................................................

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Inhaltsverzeichnis a) Kein Unterschied bezüglich der erforderlichen Vollständigkeit................. aa) Krankenkassen-Fragebogen ................ ......... ............ .............. ...... ........ bb) Preisvergleichsliste ..................... ......................................................... cc) Vergleiche ohne Preisangabe ............... ........... .............. .......... ... .......... b) Verkaufsstellen................................................................ ........................... c) Preisvergleiche............................................................................................ aa) Der Vergleich identischer Produkte ..... ..................... ................. .......... bb) Der Vergleich nicht identischer Angebote........................................... d) Nicht informative Vergleiche ..................................................................... e) Ergebnis ......................................................... ............................................. 3. Inländerdiskriminierung .................................................................................. a) Keine Abwehrmöglichkeiten im EGV ......... ........... ..... ..... ..... ..................... aa) Art. 30 EGV ..................... ...... ............... ........... ............... ..................... bb) Art. 6 EGV .......................................................................................... cc) Der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz ....................................... dd) Ergebnis............................................................................................... b) Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG........................................................ c) Ergebnis......................................................................................................

D. Der Richtlinienvorschlag der Kommission zur vergleichenden Werbung

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I. Das Wesen der Richtlinie in Abgrenzung zu den anderen Handlungsinstrumentarien der EU ......................... ............ .............................. ............ .................. ... .....

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11. Die Vorgeschichte des Richtlinienvorschlags zur vergleichenden Werbung .......

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III. Der Richtlinienvorschlag zur vergleichenden Werbung ..................................... 1. Gründe............................................................................................................. 2. Zulässige vergleichende Werbung...................................................................

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IV. Reaktion von Staat, Wirtschaft und Lehre auf den Richtlinienvorschlag........... 1. Bedürfnis nach einer EU-weiten Regelung der vergleichenden Werbung....... 2. Kritik am Richtlinienvorschlag im Besonderen ........ ..... ................. ................. a) Tatbestandsmerkmale ...................................... ............ .................... ...... ..... b) Vergleich persönlicher Eigenschaften........................................................ c) Redaktionsversehen .................................................................................... d) Art. 7 Abs. 2 ............................................................................................... e) Verfolgungsbehörden ................................................................................. f) Ausnahmen für freie Berufe, Arzneimittel und den Versandhandel............ g) hauptsächlich - Das Verhältnis zur anlehnenden Werbung........................

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V. Stellungnahme der Ausschüsse............................................................................ 1. Wirtschafts- und Sozialausschuß ..................................................................... a) Ausnahmen auch für Tabakwaren und Kinder............................................ b) Verbot der indirekten Bezugnahme............................................................ 2. Ausschuß für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik................................. 3. Ausschuß rur Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz .. .......

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VI. Das Europäische Parlament und der Gipfel von Edinburgh ....... ........................

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Inhaltsverzeichnis

VII. Kein Vorbehalt aus Gründen des Subsidiaritätsprinzips gegenüber dem Richtlinienvorschlag .................................................................................................. 188 VIII. Der geänderte Richtlinienvorschlag zur vergleichenden Werbung .............. ....

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IX. Ergebnis..............................................................................................................

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E. Fazit

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I. Zusammenfassung................................................................................................

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11. Ausblick ............... ............................................................... .................................

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Literaturverzeichnis .................................................................................................. Sachwortverzeichnis ...... ................... ........ .......... ......... ....... ....... ...... .................... .....

197 211

Abkürzungsverzeichnis ABI Abs. Art. Artt. AWD BB Bd. BDI BG BGB BGH BGHZ BVerfG BVerfGE BVerwG c.d.c. DB DIHT EG EGV EU EuGH EuGRZ EuropaR EuZW EWG EWGV EWS

f.

ff. gern. GG GRUR GWB Hrsg. i.d.S. Int iSd.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Artikel Artikel (Plural) Außenwirtschaftsdienst (Beilage des BB) Betriebs-Berater Band Bundesverband der Deutschen Industrie Berufungsgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht cour de cassation Der Betrieb Deutscher Industrie- und Handelstag Europäische Gemeinschaft Vertrag der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäische Zeitschrift rur Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend folgende gemäß Grundgesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Herausgeber in diesem Sinne International im Sinne des

16 JuS JW JZ KG lit. MA MuW Nr. RabelsZ RG RGZ RIW Rn. RTDE S. s. s.o. SEW Sig. Sig. Cassis u.a. UWG v. vgl. VO WRP z.B. z.T. ZAW ZfVP ZGR ZHR Ziff. ZIP ZLR ZRP ZVgIRWiss

Abkürzungsverzeichnis Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht litera Der Markenartikel Markenschutz und Wettbewerb Nummer Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtswissenschaften Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts Recht der internationalen Wirtschaft (Beilage des BB) Randnummer Revue trimesterielle du droit europeen Seite siehe siehe oben Sociale Economische Wetgeving Entscheidungssarnmlung des Europäischen Gerichtshofs Die Cassis-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften unter anderem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von vergleiche Verordnung Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel zum Teil Zentralausschuß der Werbewirtschaft Zeitschrift für Verbraucherpolitik Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften

A. Einleitung Der vorliegenden Arbeit liegt die Verknüpfung zweier höchst aktueller Themen zugrunde. Es sind dies als materiell-rechtliches Problem die (Un-) Zulässigkeit der bezugnehmenden kritisierenden Werbung nach dem UWG und dem EGV sowie als strukturelles Problem das Verhältnis nationaler Regelungen wie der des UWG zu denen des EGV. Um die sich aus dem EGV fUr die deutsche Rechtsprechung zur vergleichenden Werbung ergebenden Konsequenzen zu verdeutlichen, bedarf es zuerst einer Darstellung und Analyse dieser Rechtsprechung. Diese steht der kritisierenden Bezugnahme seit nunmehr über 60 Jahren (!) grundsätzlich ablehnend gegenüber. Trotzdem gehen Gewerbetreibende, die sich der vergleichenden Werbung bedient haben, noch immer durch alle Instanzen bis zum BGW. Dies allein zeigt die ungebrochene Aktualität der Thematik, der wohl auch die andauernden Veröffentlichungen zu verdanken sind2 Die Angriffe der Lehre auf die Rechtsprechung des BGH wurden immer auf der Grundlage des deutschen Rechts geftlhrt. Insoweit sind die Argumente ausgetauscht und hinreichend bekannf. Auf eine (nochmalige) Auseinandersetzung mit Ihnen wird daher bewußt verzichtet. Mit der vorliegenden Arbeit sollen vielmehr die Konsequenzen verdeutlicht werden, die sich fUr die Rechtsprechung zur vergleichenden Werbung aus dem Europarecht ergeben. Die EinfUhrung dieses Aspekts in die Diskussion um die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung drängt sich angesichts der im Zuge der Vollendung des Binnenmarktes seit dem l.0l.1993 geöffneten Grenzen und dem Vertrag zur Schaffung einer Europäischen Union vom 7.02.1992 4 geradezu auf.

I Aus letzter Zeit: BGH Generikum Preisvergleich, 30.03.1989, GRUR 1989, 668; Preisvergleichsliste, 20.06.1991, GRUR 1992, 61, 62. 2 In jüngster Zeit Meyer, Werbung; Hudelmeier, Praxis. 3 Gegen das grundsätzliche Verbot der vergleichenden Werbung werden insbesondere der Umkehrschluß aus § 14 UWG und Art. 5 GG angeftihrt. - V gl. hierzu aus jüngerer Zeit insbesondere Meyer, Werbung, 43 ff. (zu § 14 UWG) und 129 ff. (zu Art. 5 GG), sowie Baumbachl Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 334 zu § 1 und Hudelmeier, Praxis, 65 ff. 4 ABI 1992C 191 vom 29.07.1992.

2 Krüger

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A. Einleitung

I. Der Einfluß gemeinschafts rechtlicher Regelungen 1. Beworben werden Waren und Dienstleistungen. Folglich kommen als gemeinschaftsrechtliche Ansatzpunkte die Warenverkehrs- (Art. 30 EGV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EGV) in Betracht. Die vorliegende Darstellung überprüft das grundsätzliche Verbot der vergleichenden Werbung explizit nur an Art. 30 EGV, da zum Bereich der Warenverkehrsfreiheit eine wesentlich umfangreichere Rechtsprechung und Literatur existiert als zur Dienstleistungsfreiheit. Dies resultiert wahrschemlich aus dem Umstand, daß dem grenzüberschreitenden Warenverkehr auch in der Praxis (noch) eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als dem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr . Auch dieser Umstand legt die vorrangige Überprüfung der deutschen Rechtsprechung am Maßstab des Art. 30 EGV nahe.

Die zur Warenverkehrsfreiheit gefundenen Ergebnisse lassen sich allerdings auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen. Denn beide Grundfreiheiten vermitteln bis auf geringfilgige Ausnahmen denselben Freiheitsschutr. Daher kann die Dienstleistungsfreiheit wie die Warenverkehrsfreiheit als fundamentaler Grundsatz des Vertrages nur durch zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls eingeschränkt werden7• 2. Aufgrund der Verbindung der Thematik der vergleichenden Werbung mit gemeinschaftsrechtlichen Regelungen wird die vorliegende Arbeit zwangsläufig auch zu einem Beitrag zur Entwicklung eines gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutz- und Lauterkeitsverständnisses. Gerade dieser Aspekt wird in der europarechtlichen Literatur seit geraumer Zeit immer ausgiebiger diskutiert'. Dabei tritt immer mehr das Bewußtsein in den Vordergrund, daß die S Reuter (Expansion, 721) spricht insoweit von der Warenverkehrsfreiheit als "Herzstück" des EGV. 6 Wilmowsky, Warenverkehr, 416 -- Die Dienstleistungsfreiheit kann stärker eingeschränkt werden als die Warenverkehrsfreiheit. Dies betrifft jedoch lediglich den Bereich der öffentlichen Gewalt (Art. 59 Abs. 2 iVm. Artt. 66, 55 Abs. I EGV) und gern. Art. 90 Abs. 2 EGV "Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben." Der Übertragbarkeit der zu Art. 30 EGV gefundenen Ergebnisse zur vergleichenden Werbung stehen diese Vorschriften somit nicht entgegen. 7 EuGH Sig. 1980 (18.03., Debauve), 833, 857 (15. Entscheidungsgrund); 1981 (17.12., Webb), 3305, 3325 (17. Entscheidungsgrund); Troberg in Groeben, Rn. 22 zu Vorbemerkung zu Artt. 59-66; Schweitzerl Hummer, Europarecht, 290 f.; Bleckmann, Europarecht, 483 (Rn. 1165); Reuter, Expansion, 722. I In 1988 nur Reich, Werbung! in 1990: Hauschka, Verbraucherschutz; Meier, Einschränkung; Möllering, Europal in 1991: Chrocziel, EG-Ausländer; Funke, Wettbewerbsrecht; Leisner, Verbraucher; Streinz, Verkehrsauffassung! in 1992: Bernhard, Kollisionsrecht; Piper, Auswirkungen! in 1993: Meyer, Verbraucherleitbild; Schotthö-

11. Abgrenzung zu anderen Werbeformen

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unterschiedlichen lauterkeitsrechtlichen und verbraucherpolitischen Regelungen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht ohne liberalisierenden Einfluß auf das UWG bzw. seine Auslegung durch die deutschen Gerichte bleiben können. Dies gilt umso mehr, als auch der EuGH ganz offensichtlich von einem sehr viel mündigeren Verbraucher als der BGH ausgeht. Die Begründung der sich hieraus ergebenden grundsätzlichen Zulässigkeit der kritisierenden bezugnehmenden Werbung mit wahren Informationen bildet einen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Damit stellt sich gleichzeitig die Frage nach der Weitergeltung der diesem Ergebnis entgegenstehenden nationalen Rechtsprechung und der dahinter stehenden Wertungen. Auch dieser Aspekt wird seit langem ausgiebig diskutiert. Gerade rur den Bereich der Werbung erfuhr diese Diskussion eine weitere Intensivierung durch die jüngste teilweise Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen "Keck" und "Hünermund"9. Die Einordnung dieser (neuen) Rechtsprechung und der daraus in Verbindung mit der grundsätzlichen gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit kritisierender bezugnehmender Werbung mit wahren Informationen folgenden Konsequenzen filr das deutsche Wettbewerbsrecht bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. Der letzte Teil schließlich wird sich - gewissermaßen als Ausblick - mit dem Richtlinienvorschlag der Kommission zur vergleichenden Werbung 'O befassen.

ll. Abgrenzung zu anderen Werbeformen Mit dem Schlagwort der "vergleichenden Werbung" soll in Übereinstimmung mit seiner allgemein üblichen Verwendung vorliegend nur die kritisierende" Bezugnahme auf einen Mitbewerber bezeichnet werden. fer, Werberecht; Meier, Lauterkeit; Steindorff, System; Tillmann, Grenzüberschreitend; Hohmann, Auslegung; Heerrnann, Auswirkungen; Köhler, Wettbewerbsrecht; Keßler, Verbraucherinformation; Leisner, Wahrheit. 9 EuGH vom 24.11.1993 (Keck), Slg. 1993, 6097ff. = GRUR Int. 1994, 56f. und vom 15.12.1993 (Hünerrnund), Slg. 1993, 6787ff. = NJW 1994, 78lf. vgl. hierzu in 1994: Kisseler, Wettbewerbsrecht; Petschke, Rechtsprechung; Joliet, Wettbewerb; ders., Keck; Wiebe, Umweltwerbung; Sack, Wettbewerbsrecht; Stuyck, Wettbewerb; Arndt, Warenverkehrsfreiheit; Steindorff, Binnenmarkt; Schricker, Deregulierung; Fezer, Europäisierung; Möschel, Kehrtwende; Ackermann, Verkaufsmodalitäten; Meyer, Anmerkung clinique; ders., Anmerkung! in 1995 u.a. Dauses, Werbefreiheit. 10 RichtIinienvorschlag der Kommission, ABI 1991 C, 180/14 ff. und geänderter RichtIinienvorschlag ABI C 136/4 vom 19.05.1994. 11 Hierfür wird synonym auch der Begriff "herabsetzend" verwandt.

A. Einleitung

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1. Bezugnahme

Die Bezugnahme meint, daß der Werbetreibende den angesprochenen Verkehrskreisen einen Konkurrenten erkennbar macht. Mangels Bezugnahme auf einen Konkurrenten sind hiervon weder der Vergleich mit frUheren eigenen Preisen noch der Vergleich mit frUher selbst hergestellter Ware l2 erfaßt. Des weiteren wird auch die Alleinstellungs- und Spitzengruppenwerbung nicht nach den Kriterien der bezugnehmenden kritisierenden Werbung beurteilt, solange kein Konkurrent erkennbar ist 13 • Denn grundsätzlich kann es einem Gewerbetreibenden nicht verwehrt sein, lediglich auf seine eigenen V orzüge hinzuweisen l4 • Eine hieraus resultierende theoretische Vergleichswirkung gegenüber allen, aber nicht gegenüber bestimmten Konkurrenten, muß als "sekundäre Nebenfolge" von der Konkurrenz hingenommen werden lS • Dasselbe gilt ftlr die Werbung mit Warentests. Erst wenn der Werbetreibende hierbei einen Konkurrenten erkennbar macht, ist von einer bezugnehmenden kritisierenden Werbung auszugehen l6 • Trotz gegebener Bezugnahme zählt die sogenannte persönliche Bezugnahme nicht zum Thema der Arbeit. Hierbei wird nicht auf die Leistung des Konkurrenten, sondern auf seine persönlichen Eigenschaften Bezug genommen. Dies kann den geschäftlichen l7 , insbesondere aber den privaten Bereich betreffen 18. Beispiele hierftlr sind der Hinweis auf die Konfession, die Ehe- oder Kinderlosigkeit des Konkurrenten 19. Da sich nach dem Wesen des Wettbewerbs die bessere Leistung im Kampf um den Kunden durchsetzen soll, wird die persönliche Bezugnahme unstreitig als wettbewerbsfremd und daher unlauter angesehen. Bei der sogenannten offen anlehnenden Werbung schließlich ist die Bezugnahme ebenso wie bei der bezugnehmenden kritisierenden Werbung gegeben20 • Der Unterschied folgt hier jedoch aus dem Merkmal der Herabsetzung. BGH 29.03.1960, GRUR 1961, 237, 240 TOK Band. BGH 15.11.1960, GRUR 1961, 85, 90 Pfiffikus-Dose. 14 Nordemann, Wettbewerbsrecht, 167 (Rn. 313). IS Baumbach! Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 81 zu § 3 UWG; Jungbäck, Wettbewerbsordnung, 15. 16 Meyer, Werbung, 38 ff.; Baumbach! Hefermehl, Rn. 420 zu § I UWG. 17 BGH 30.04.1954 GRUR 1954,404,405 Fachmann; Baumbach! Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 437 zu § 1. 11 Einteilung nach Nordemann, Wettbewerbsrecht, 172 (Rn. 328). 19 Baumbach! Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 432 zu § 1. 20 Baumbach! Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 548 zu § 1. 12 13

11. Abgrenzung zu anderen Werbefonnen

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2. Herabsetzung und die Abgrenzung zur anlehnenden Werbung

Während das Wesen der kritisierenden Werbung darin besteht, sich vom Konkurrenten zu unterscheiden, zielt die anlehnende Werbung auf eine Gleichstellung des eigenen Produkts mit dem des Konkurrenten ab21 • Schwierigkeiten in der Abgrenzung ergeben sich, wenn eine Werbung sowohl gleichstellende als auch kritisierende Merkmale enthält. Diese Konstellation ist zumeist dann anzutreffen, wenn die gleiche Qualität zweier Produkte nicht zum selben Preis filhrt. Hierbei bieten sich drei theoretische Lösungsmöglichkeiten an: Entweder wird eine solche Werbung pauschal als kritisierende oder anlehnende Werbung eingestuft. Die dritte Alternative bietet eine Entscheidung nach dem Schwerpunkt der Werbung: je nachdem, ob nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise die Aussage der Gleichwertigkeit oder der Überteuerung im Vordergrund steht, ist die Werbung als kritisierend oder anlehnend zu beurteilen22 Die pauschale Zuordnung wird nur als Gesamterfassung unter dem Aspekt der anlehnenden Werbung vertreten23 • Hierfllr ist aber ebensowenig wie filr eine pauschale Zuordnung zur kritisierenden Werbung eine plausible BegrUndung ersichtlich. Zudem würde eine starre Zuordnung den Vorteil einer Generalklausel, nämlich die flexible Entscheidungsmöglichkeit, stark relativieren. Daher ist eine einzelfallbezogene, am Schwerpunkt der Werbung orientierte Zuordnung vorzunehmen. Diesen Weg geht auch die Rechtsprechung, wie sich anhand dreier Fälle bezugnehmender Werbung filr Arzneimittel verdeutlichen läßt. a) Im Fall Bioäquivalenz-Werbung wurde in der Werbung daraufhingewiesen, daß "die im Rahmen der Bioverfllgbarkeitsstudie überprüfte Verträglichkeit des Prüfpräparates ... im Vergleich zum Standard keinen Unterschied" brachte24 • Da die Werbung keinerlei kritisierende Merkmale enthielt, wurde sie als anlehnende Bezugnahme eingestuft25b) Im Fall Bromural hingegen wurden neben der Identität des "bisherigen Patentpräparates" mit dem neu auf den Markt getretenen Medikament auch die Preisvorteile des letzteren betonf6 • Zusätzlich wies der Werbetreibende darauf 21 BGH 5.06.1956 GRUR 1957, 23, 23 Bünder Glas; Meyer, Werbung, 21; Jungbäck, Wettbewerbsordnung, 15; Baumbachl Hefennehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 548 zu § 1; v. Garnm, Wettbewerbsrecht, 416 f. (Rn. 6). 22 Meyer, Werbung, 22. 23 v. Garnm, Wettbewerbsrecht, 422 (Rn. 13). 24 BGH 30.03.1989 WRP 1989, 572, 573 Bioäquivalenz-Werbung 25 BGH 30.03.1989 WRP 1989, 572, 575 Bioäquivalenz-Werbung 26 RG Bromural, 13.02.1934, RGZ 143,362,363.

22

A. Einleitung

hin, daß die Herstellung seines Medikaments nach einem "bisher patentierten Verfahren" erfolge. Damit unterstrich er die Identität seines Medikaments mit dem "schon 20 Jahre in der Praxis eingeführten" Medikament des Klägers27 • Das RG stufte die Werbung trotz des Preisvergleichs nicht als kritisierende, sondern als (unzulässige) anlehnende Werbung ein28 • c) Im Fall Generikum-Preisvergleich schließlich wurde nach Ablauf des Patentschutzes der Preis dieses Medikaments mit dem eines identischen billigeren Medikaments verglichen29 • Die Werbung enthielt nur solche Angaben, die zur Identifizierung des Medikaments des Erstanbieters erforderlich waren. Darüberhinausgehender Angaben oder Hinweise auf den Ruf des Erstanbieters hingegen enthielt sich der Werbetreibende völlig. Der Schwerpunkt dieser Werbung lag also nicht auf der Rufausbeutung, sondern auf der "Anprangerung"30 des Warenzeichenprodukts als überteuert. Demgemäß stufte der BGH die Werbung als (unzulässige) kritisierende Bezugnahme ein. d) Die Abgrenzung zwischen anlehnender und kritisierender Bezugnahme erfolgt also grundsätzlich danach, ob die Werbung eine Gleichstellung oder eine Unterscheidung enthält. Liegen beide Elemente vor, so entscheidet der Schwerpunkt der Werbung. Dieser liegt dann in der kritisierenden Aussage, wenn die Bezugnahme lediglich zur Identifikation des Vergleichsobjektes erfolgt. Nur diese Fälle sollen von der vorliegenden Untersuchung umfaßt werden.

RG Bromural, 13.02.1934, RGZ 143,362,367. RG Bromural, 13.02.1934, RGZ 143,362,367 f. 29 BGH Generikum Preisvergleich, 30.03.1989, GRUR 1989, 668. 30 KG (27.11.1984), Alternative zur Marke, GRUR 1985, 228, 230. 27 28

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur kritisierenden bezugnehmenden Werbung in der Bundesrepublik I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts 1. Der Wandel der Rechtsprechung des Reichsgerichts von der grundsätzlichen Zullssigkeit bezugnehmender kritisierender Werbung hin zu ihrem grundsitzlichen Verbot

a) Zulässige vergleichende Werbung

Das RG ging zunächst von der Zulässigkeit vergleichender Werbung aus. Voraussetzung war, daß die gemachten Angaben der Wahrheit entsprachen.· Ausnahmsweise konnte sich nach dieser Rechtsprechung eine Unlauterkeit in Zusammenhang mit der Bekanntgabe wahrer Tatsachen nur "unter besonderen Umständen" ergeben2• Als solche kamen insbesondere die Form und die Art der Kritik3 in Betracht, als deren Grenze die Verunglimpfung eines Wettbewerbers· angesehen wurde. Diese Grenze war jedoch großzügig bemessen: Im Fall Pomril' vertrieb die Beklagte unter der Bezeichnung "Wormser Weinmost" einen naturreinen Traubensaft. In einer Werbeanzeige hatte sie ihr Getränk als besonders geeignet zur Traubenkur und zur Blutreinigung empfohlen. Des weiteren hieß es in dieser Anzeige: "Vollwertiger, edler Traubensaft ist kein alkoholfreies Ersatzgetränk, wie z.B. billiges, aber gehaltarmes Backobstwasser (pomril, ApfelblÜInchen usw.)." Die Klägerin war Herstellerin des Getränkes Pomril, einer aus getrockneten Äpfeln durch ein besonderes Verfahren hergestellten Art von Apfelsaft. • Bäckenneister, 08.04.1907, JW 1907, S. 333, Nr. 11; Pomril, 11.06.1908, JW 1908, Seite 482, Nr. 15; Warenhausbetrieb, 16.06.1911, GRUR 1911, 240 ff.; Ding an sich, 02.01.1912, MuW 1911112, Seite 376; Sunlight-Seife, 26.11.1912, MuW 1912/13, Seite 337 f.; Essigessenz, 20.03.1914, GRUR 1916, 186 f; Kraftfuttennittel, 16.03. 1917, MuW XVII, S. 82. 2 Essigessenz, 20.03.1914, GRUR 1916, S. 186. 3 Warenhausbetrieb, 16.06.1911, GRUR 1911, 240, 242. 4pomril,I1.06.1908, JW 1908, Seite 482, Nr. 15. s Pomril, 11.06.1908, JW 1908, Seite 482, Nr. 15.

24

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

Das RG wies die Klage mit der Begründung ab, daß die Angaben der Beklagten der Wahrheit entsprochen hätten und die Anzeige das Produkt der Klägerin nicht verunglimpft habe. Denn die Anzeige habe nicht zum Ausdruck gebracht, daß das Produkt der Klägerin schlecht oder schädlich sei. Nicht unter den Begriff der Verunglimpfung fiel auch die sogenannte "reklamehafte Übertreibung"6. Hierunter wurden "marktschreierische Anpreisungen ohne tatsächlichen Hintergrund'" verstanden, die die Verbraucher als "erkennbare Übertreibung"a bzw. "offenbare Karikatur"9 einordnen: Die Firma AMBI hatte in einer Margarinezeitschrift mit der Gegenüberstellung ihres fugenlosen Kübels und eines herkömmlichen Kübels mit Fugen geworben. Infolge der in jeder Beziehung strahlenden Sonne (mit Gesicht) im Hintergrund floß aus dem herkömmlichen Kübel die Margarine durch die Fugen, wohingegen der fugenlose Kübel die Margarine hielt. Das RG hob die einstweilige Verfügung gegen die Anzeige auf. Dabei betonte es, daß " ... bei Kübeln mit Fugen bei all ihrer Brauchbarkeit es vorkommen kann und auch vorgekommen ist, daß durch die Wirkung der Hitze die Margarine aus den Fugen heraustritt. Besitzen aber die AMBI-Kübel keine Fugen, so kann dieser Mißstand bei ihnen nicht eintreten, ... ". Maßgeblich war also allein die Wahrheit der Anzeige. Eine Abwertung der herkömmlichen Kübel mit Fugen verneinte das RG mit dem Hinweis auf die Erkennbarkeit der Übertreibung, welche wiederum erst die Basis des Werbeeffekts gebildet habe. b) Der Wandel zur Unzulässigkeit

Einen ersten Schritt weg von der grundsätzlichen Zulässigkeit vergleichender wahrer Werbung hin zum grundsätzlichen Verbot des Vergleichs tat das RG mit der Entscheidung "Konsumverein"lo: Ein Konsumverein (Beklagter) hatte durch Zeitungsanzeigen zur Besichtigung seiner Betriebs- und Lagerräume aufgefordert. Bei dieser Besichtigung stellte der Konsumverein 24 Proben der am meisten von ihm verkauften Lebensmittel den Proben gleichartiger Waren gegenüber, die in drei anderen Geschäften gekauft worden waren. In einer an die Besucher verteilten Zusammenstellung war auf die gegenüberge-

Vgl. auch die Definition in Odol, 18.09.1931, MuW 1931, S. 570. 'Odol 1,12.12.1930, RGZ 131,75,77. I Kaffee-Hag, 30.06.1931, GRUR 1931, 986, 987; Sparstifte, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 753. 9 AMBI-Kübel, 26.11.l924, MuW XXV, S. 246. 10 Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116,277 ff. 6

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

25

stellten Proben Bezug genommen. Am Ende wurden die Preise der Proben zusammengerechnet: "Obige am 4. September eingekauften 24 Artikel kosten: im Bezirkskonsumverein: 14,79 M bei Sch. & F.:

15,58 M, mithin mehr 0,79 M oder 5,34 %

bei Br.:

15,79 M, mithin mehr 1 Moder 6,76 %

beiH.:

13,99 M (bei 17 Artikeln-7 fehlen; im Bezirks konsumverein kosten diese 11,83 M, bei H. mehr 2,16 Moder 18,26 %)"

Das RG gab der Klage eines Vereins filr gewerblichen Rechtsschutz statt. Das Klagbegehren war auf die Verurteilung des Konsumvereins zur Unterlassung unrichtiger Darstellungen über Preisunterschiede und Preisbemessung zwischen seinen Waren und denen der anderen Firmen gerichtet. In seiner Begründung stellte das RG den Grundsatz auf, daß " ... eine sogenannte persönliche Reklame, der Hinweis auf besondere Vorzüge der eigenen Leistungen gegenüber denjenigen bestimmter Konkurrenten, im allgemeinen zu vermeiden und nur in bestimmten Fällen zulässig" seill. Diese ausnahmsweise Zulässigkeit war nach Ansicht des RG nicht gegeben, da nicht "sämtliche Waren unter Mitwirkung aller beteiligten Geschäfte" ausgewählt und gegenübergestellt worden seien 12 • Zudem sei die "Bildung eines objektiven Urteils" für die Verbraucher insofern unmöglich, da sich der Konsumverein mittels der Auswahl der zum Vergleich gestellten Ware "zum Richter in eigener Sache aufwirft" 13 • Mit der berühmten Hellegold-Entscheidung l4 festigte das RG dann diese Rechtsprechung: Die Parteien stellten unter den Namen "Hellegold" (Klägerin) und "Lindomalt" (Beklagte) Backmalzextrakte filr Bäckereien her. In einem als Werbematerial verbreiteten Prospekt der Beklagten fanden sich u.a. vergleichende Angaben über gewisse Bestandteile in den Erzeugnissen der namentlich genannten Parteien, deren Menge nach Ansicht der Beklagten filr die Güte maßgebend war. Das RG ging wohl von der Wahrheit der Angaben aus, die sich auf die Analysen eines chemischen Labors stützten. Trotzdem erachtete es die Angaben filr unlauter. Zwar habe " ... jeder Gewerbetreibende das Recht, die VorzüKonsumverein, 11.03.1927, RGZ 116, 277,280. Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116,277,280. 13 Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116,277,281. 14 Hellegold, 06.10.1931, GRUR 1931,1299 ff.

Il

12

26

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

ge der eigenen Ware gebührend zu beleuchten." Jedoch umfasse dieses Recht nicht die Anmaßung eines Richteramtes in eigener Sache, wie dies durch den vorliegenden Vergleich geschehen sei. Zudem bräuchten es sich die Mitbewerber selbst bei geringerer gewerblicher Leistungsfllhigkeit nicht gefallen zu lassen, "... in den fremden Anpreisungen als Mittel zur Erhöhung der eigenen Leistungsfllhigkeit des Anpreisenden verwendet zu werden." Schließlich müsse " ... die Abwägung etwa bestehender Beschaffenheitsunterschiede zwischen den Waren verschiedener Hersteller trotz gleichen oder sogar höheren Preises ... dem Verkehr selbst überlassen bleiben"ls. Wie schon in der Entscheidung Konsumverein bezog das RG eine etwaige informative Wjrkung der Werbung überhaupt nicht in seine Überlegungen mit ein. Dabei hätte dies aufgrund der vorgelegten chemischen Analysen noch näher gelegen als in der Konsumverein-Entscheidung. Denn während der Verbraucher einen Preisvergleich noch selbst durchfllhren kann, steht ihm diese Möglichkeit im Bereich der chemischen Eigenschaften eines Produkts nicht zur Verftlgung. Dennoch stützte das RG seine gesamte weitere ablehnende Rechtsprechung auf die dargestellte BegrOndungstrias l6 . Die Frage der Wahrheit der Angabe stellte sich daher nur noch filr die Abgrenzung zu den §§ 14, 15 UWG und im Bereich der ausnahmsweisen Zulässigkeit vergleichender Werbung. 2. Ausnahmen

Das RG entwickelte Ausnahmen zum grundsätzlichen Verbot der vergleichenden Werbung mittels wahrer Tatsachen. Für diese Ausnahmen bestand naturgemäß erst nach der Wendung des RG I7 weg von der grundsätzlichen Zulässigkeit vergleichender wahrer Angaben ein Bedürfnis. Denn zuvor war diese Werbung ja nicht unlauter. Dies tritt auch ganz klar in den Entscheidungen "Warenhausbetrieb"IB und "AMBI-Kübel"19 zutage: Beide hätten unter dem Aspekt einer der vom RG anerkannten Ausnahmen, nämlich dem Systemvergleich, diskutiert werden können. Maßgeblich filr die Urteile jedoch war allein u Hellegold, 06.10.1931, GRUR 1931,1299,1300/1301.

16 Paraffinkerzen, 25.11.1932, GRUR 1933,249,250; Gesenkhammer, 02.12.1932,

GRUR 1933, 256, 257; Konfektionswatte, 04.05.1934, GRUR 1934, 473, 476; Teerpapiermaschinen, 10.01.1936, GRUR 1936,982, 985; DIWO-Ofen, 09.05.1936, GRUR 1937, 230, 232; MacholI, 07.07.1936, MuW 1937, 76, 79; Klischees, 25.09.1936, GRUR 1937, 237, 238; Madaus, 03.11.1936, GRUR 1938, 53, 55/56; P 3,03.01.1938, GRUR 1938, 926, 929; Verkaufshelfer, 01.07.1939, GRUR 1939, 982, 986; Kondensatableiter, 20.09.1939, GRUR 1940, 30, 34; Spezialrad, 16.01.1941, GRUR 1941, 125, 129; Förderpumpen, 01.04.1942, GRUR 1942, 364, 366. 17 Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116, 277 ff. 11 Warenhausbetrieb, 16.06.1911, GRUR 1911, 240 ff. 19 AMBI-Kübel, 26.11.1924, MuW XXV, 246.

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

27

die Frage, ob wahre Angaben vorlagen, die nicht durch ihre Fonn und Art gegen die guten Sitten verstießen20 . Nachdem die Konsumverein-Entscheidung ergangen war, begann die Entwicklung der Ausnahmebereiche. Das RG entwickelte den Abwehr-, Auskunfts- und den System- bzw. Fortschrittsvergleich. Dabei sah es sich jedoch nicht an bestimmte Fallgruppen gebunden, sondern ging davon aus, daß je "nach Lage der Sache"21 zu prüfen sei, ob nicht ausnahmsweise kein Verstoß vorliege22 . a) Abwehrvergleich

Ein Abwehrvergleich betrifft die Fallgestaltung, daß sich ein Gewerbetreibender einem wettbewerbswidrigen Verhalten eines Konkurrenten gegenübersieht. Bereits in der Entscheidung "Buchgemeinschaft" betonte das RG, daß " ... ein Mittel, das ohne den Abwehrzweck aus dem Rahmen des erlaubten Wettbewerbs herausfallen würde, als Abwehrmaßnahme statthaft sein"23 kann. Hierbei muß die gewählte Maßnahme dem Abwehrzweck entsprechen und darf nicht den Rahmen sachlicher Aufklärung verlassen24 . Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so handelt es sich im Grunde wieder um einen Angriff. Die Sachlage ist dann der des nicht mehr gerechtfertigten Notwehrexzesses im Strafrecht vergleichbar. Die Abwehrmaßnahme entspricht dem Abwehrzweck, wenn sie " ... das Maß des Notwendigen einhält, sich also darauf beschränkt, drohende Beeinträchtigungen zu verhindern, nicht aber darauf ausgeht, die eigene Lage auf Kosten

20 Warenhausbetrieb, 16.06.1911, GRUR 1911,240,242; AMBI-Kübel, 26.11.1924, MuW XXV, 246, 246. 21 BromuraI, 13.02.1934, RGZ 143, 362, 365. 22 s. auch Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 813, 816. 23 Buchgemeinschaft, 13.03.1928, JW 1928, 1572; so auch Toschi-Etemit I, 20.07. 1937, MuW 1937,416,419. 24 Buchgemeinschaft, 13.03.1928, JW 1928, 1572; Paraffinkerzen, 25.11.1932, GRUR 1933, 249, 251; Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 754; Teerpapiermaschinen, 10.01.1936, GRUR 1936, 982, 985; Spezialrad, 16.01.1941, GRUR 1941, 125, 129/130.

28

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

des Angreifers zu verbessern"2s. Angriff und Abwehnnaßnahme dürfen also nicht beziehungslos nebeneinander stehen26 . So konnte sich ein Unternehmen nicht unter Berufung auf eine beabsichtigte Abwehr rechtfertigen, da es zur Bekämpfung eines Konkurrenten dessen zum Verkauf angebotene Bücher u.a. als "alte Scharteken" und "Konservenbüchsen" bezeichnete. Denn diese Äußerungen waren zum einen nicht sachlich gehalten und verfehlten auch den geltend gemachten Zweck der Abwehr: Sie sollte sich nämlich gegen die angeblich falschen oder zumindest mißverständlichen Angaben des Konkurrenten über dessen Organisationsform (gemeinnütziger Verein oder kaufmännisches Unternehmen) richten27 . Gegenüber der Bezeichnung des eigenen Produktes als "ungeheures Verschwendungsobjekt" und "größte Vergeudung von wertvollem Material" hingegen ist zur Abwehr die Charakterisierung des Konkurrenzproduktes als "sogenannter Sparstift" und "Bluff' zulässig. Dies ergibt sich daraus, daß beide Äußerungen nicht strikt sachlich gehalten sind und sich beide auf den wirtschaftlichen Vor- bzw. Nachteil der Produkte beziehenlI. Kaum lösbaren Beweisschwierigkeiten schließlich kann der Abwehreinwand im Rahmen eines langjährigen Konkurrenzkampfes begegnen, da sich Aktion und Reaktion kaum noch zuordnen lassen werden29. b) Systemvergleich

Der Systemvergleich betrim den Vergleich von Systemen, wie z.B. dem Warenverkauf mit und ohne Zugabe30 oder als Abzahlungs- oder Barverkauf'1 oder auch verschiedene Arten der Lagerung von Kfz-Motoren32 • Des weiteren unterfallen diesem Schlagwort auch Sachverhalte, die man als Vergleich verschiedener Warenarten einstufen kann, wie z.B. die Gegenüberstellung eines gewöhnlichen Holzbleistifts mit einem Bleistift mit auswechselbarer Miene33

2S Teerpapiermaschinen, 10.01.1936, GRUR 1936, 982, 985; so auch Spezialrad, 16.01.1941, GRUR 1941, 125, 129/130. 26 Toschi-Etemit 11, 20.07.1938, MuW 1938, 384, 388/389; Verkaufshelfer, 01.07.1939, GRUR 1939, 982, 987/988. 27 Buchgemeinschaft, 13.03.1928, JW 1928, 1572. 21 Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 754. 29 Ramschware, 13.12.1929, JW 1930, 1711, 1712. 30 Zugabe, 15.01.1932, GRUR 1932, 468 ff. 31 Kaufsystem, 20.10.1931, GRUR 1932, 316 f. 32 Floating Power, 20.04.1937, GRUR 1937, 941 ff. 33 Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748 ff.

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

29

oder von Backsteinen mit Schlackenbeton-Hohlblock-Steinen34 . Denn diese Warenarten stellen sich bezogen auf den angestrebten Erfolg letztlich wiederum als verschiedene Systeme zur Erreichung dieses Erfolges dar. Daher sind die Grenzen zwischen eigenständigen Fallgruppen des Warenarten- und Systemvergleichs kaum sinnvoll zu bestimmen. Folglich behandelte das RG beide Vergleichsarten nach denselben Grundsätzen. aa) Grundsatz

Das RG erklärte zunächst den bloßen Vergleich zweier Systeme filr zulässig, da es in diesen Fällen an einer erkennbaren Bezugnahme auf einen bestimmten Wettbewerber fehlte 35 . Unzulässig konnte ein solcher Vergleich nur dann sein, wenn aufgrund zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis unwahre Angaben verwandt wurden36 . Das RG begründete dies damit, daß die Forderung nach der zweifelsfreien Beweisbarkeit der Wahrbeit der kundgebenen Ansicht, " ... die Möglichkeit der Zulässigkeit der Kritik in den meisten Fällen ausschließen"37 würde. In späteren Entscheidungen stellte das RG noch klar, daß der Systemvergleich natürlich auch keine ehrverletzenden Angriffe enthalten dürfe 3s .

Somit war ein Systemvergleich grundsätzlich nur dann zulässig, wenn •

keine erkennbare Bezugnahme auf einen Mitbewerber erfolgte



die Angaben der Wahrheit entsprachen oder dem Vergleichenden allenfalls leichte Fahrlässigkeit bezüglich der Unwahrheit der gemachten Angaben zur Last fiel und



die vergleichende Werbung keine ehrverletzenden Angriffe enthielf 9 •

34 Dahmit, 09.11.1934, GRUR 1935, 382 ff. 35 Kaufsystem, 20.10.1931, GRUR 1932, 316, 316; Zugabe, 15.01.1932, GRUR

1932,468,470; Edeka, 01.07.1932, MuW 1932,448 ff. 36 Edeka, 01.07.1932, MuW 1932,448,451. 37 Zugabe, 15.01.1932, GRUR 1932, 468, 471;; Edeka, 01.07.1932, MuW 1932, 448,451; Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934,748,753; Toschi-Etemit 1,20.07.1937, MuW 1937,416,419. 38 Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 753; Dahmit, 09.11.1934, GRUR 1935, 382,384; Gummistrumpf, 23.02.1937, GRUR 1938,443,445; Melkfette, 26.01.1938, MuW 1938, 175, 176; Gummibänder, 31.08.1938, GRUR 1939, 205, 208; Förderpumpen, 01.04.1942, GRUR 1942,364,366. 39 Für alle drei Voraussetzngen: Kaufsystem, 20.10.1931, GRUR 1932, 317, 317; Zugabe, 15.01.1932, GRUR 1932, 468, 470; Edeka, 01.07.1932, MuW 1932,448,451;

30

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

In der Entscheidung "Gummibänder"40 schließlich wurde noch hervorgehoben, daß der Vergleich sich nicht nur auf die einseitige Darstellung der Nachbzw. Vorteile eines Systems beschränken dürfe, da dies nicht dem Erfordernis der streng sachlichen Erörterung entspreche; der Vergleich müsse "gegenständlich" bleiben41 . Eine Werbung war also dann unter dem Aspekt des Systemvergleiches erlaubt, wenn " ... sie sich ihrem Inhalt nach auf eine rein sachliche Gegenüberstellung von technischen oder wirtschaftlichen Möglichkeiten beschränkt"42. Die einzige Besonderheit des Systemvergleiches stellte somit die Einordnung einer nur leicht fahrlässigen unwahren Angabe als nicht unlauter dar. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Ausnahme gegenüber dem Verbot der vergleichenden Werbung mit wahren Angaben, sondern vielmehr um eine Ausnahme gegenüber dem Grundsatz, daß die im Rahmen der Werbung gemachten Angaben - schon im Interesse der Verbraucher (vgl. § 3 UWG) - wahr sein müssen. Die erkennbare Bezugnahme hingegen blieb untersagt. Zudem wurde der Gefahr der Anmaßung eines Richteramtes in eigener Sache (mittels der Auswahl der in der Werbung verglichenen Positionen)43, welches dem Verbraucher die Möglichkeit nehme, sich ein eigenes (objektives) Bild zu machen, durch das Erfordernis einer streng sachlichen Erörterung und die Eingrenzung des Vergleichsumfanges begegnet. Dementsprechend betonte auch das RG, daß dem "eigentlichen"44 Systemvergleich gerade das Element fehlt, was " ... die vergleichende Reklame zu einer unerlaubten Wettbewerbshandlung macht, die Anpreisung der eigenen Ware auf Kosten und unter Herabsetzung der Ware eines bestimmten anderen Mitbewerbers"45.

Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 753; Dahmit, 09.11.l934, GRUR 1935, 382, 384; Gummistrumpf, 23.02.1937, GRUR 1938, 443, 445; Floating Power, 20.04.1937, GRUR 1937,941,946; Melkfette, 26.01.1938, MuW 1938, 175, 178; Toschi-Etemit H, 20.07.1938, MuW 1938,384,387; Gummibänder, 31.08.1938, GRUR 1939, 205, 208; Verkaufshelfer, 01.07.1939, GRUR 1939, 982, 986/987; Kondensatableiter, 20.09.1939, GRUR 1940, 50, 52; Dextropur, MuW 1940,21.02.1940, 150, 152; Spezialrad, 16.01.1941, GRUR 1941, 125, 130; Förderpumpen, 01.04.1942, GRUR 1942, 364,366. 40 Gummibänder, 31.08.1938, GRUR 1939, 205, 208. 41 Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 753. 42 Kondensatableiter, 20.09.1939, GRUR 1940, 50, 53; s. auch Edeka, 01.07.1932, MuW 1932, 448, 450; Sparstift, 10.07.1934, GRUR 1934, 748, 753; Gummibänder, 31.08.1938, GRUR 1939, 205, 208; Spezialrad, 16.01.1941, GRUR 1941, 125, 130; Förderpumpen, 01.04.1942, GRUR 1942, 364, 366. 43 s.o. B.,I., I.,b). 44 Floating-Power, 20.04.1937, GRUR 1937, 941, 945. 45 Dahmit, 09.11.l934, GRUR 1935, 382, 384; s. auch Kaufsysteme, 20.10.1931, GRUR 1932, 316; Vitamin D 2,17.04.1944, GRUR 1944,154,155.

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

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bb) ausnahmsweise herabsetzende Bezugnahme (1) beim Fortschrittsvergleich

Der Fortschrittsvergleich als Sonderfall des Systemvergleiches betrifft die Fallgestaltung, daß die Gegenüberstellung nicht lediglich zum Vergleich zweier Systeme erfolgt, sondern gleichzeitig noch einen Fortschritt verdeutlichen will. Es geht also um eine Verbesserung und nicht nur um die Darstellung, daß ein System besser sei. Auch ftlr den Fortschrittsvergleich gilt, daß die Angaben der Wahrheit entsprechen sollen oder dem Vergleichenden allenfalls leichte Fahrlässigkeit bezüglich der Unwahrheit der gemachten Angaben zur Last fallen darf"6. Daher muß z.B. im Falle der Werbung mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und Erkenntnissen eine Klarstellung erfolgen, wenn nicht die gesamte Wissenschaft, sondern nur ein Teil zu den angeführten Ergebnissen gelangt ist47 • Des weiteren darf natürlich auch die Werbung im Rahmen des Fortschrittsvergleiches keine ehrverletzenden Angriffe enthalten48 . Der Gefahr der Anmaßung eines Richteramtes in eigener Sache wird im Prinzip ebenso wie beim eigentlichen Systemvergleich dadurch begegnet, daß der Umfang der verglichenen Positionen durch den Zweck des Vergleiches vorgegeben ist: dem "Fortschritt von Technik und Wirtschaft"49 zu dienen. Der bedeutende Unterschied gegenüber dem eigentlichen Systemvergleich besteht jedoch darin, daß das strikte Verbot der herabsetzenden Bezugnahme zumindest aufgelockert wurde: Im Fall "Gesenkhammer" ergab sich die (indirekte) Bezugnahme auf die Klägerin aus dem Umstand, daß die Klägerin die bedeutendste Vertreterin des kritisierten Systems war. Das RG stützte seine Begründung der Zulässigkeit des vorgenommenen Vergleichs auf die Überlegung, daß ein technischer Fortschritt kaum ohne den Hinweis auf den bisherigen Stand der Technik darstellbar ist. Zwar muß der Werbende "bestrebt sein", die Erkennbarkeit des Mitbewerbers zu vermeidenso. Im Umkehrschluß ergibt 46 Dahmit, 09.11.1934, GRUR 1935, 382, 384; Gummistrumpf, 23.02.1937, GRUR 1938,443,445; Melkfette, 26.01.1938, MuW 1938, 175, 176. 47 Vitamin D 2,17.04.1944, GRUR 1944,154,155. 48 Dahmit, 09.11.1934, GRUR 1935, 382, 384; Gummistrumpf, 23.02.1937, GRUR 1938,443,445; Melkfette, 26.01.1938, MuW 1938, 175, 176. 49 Gummistrumpf, 23.02.1937, GRUR 1938, 443, 445; s. auch Gesenkhammer, 02.12.1932, GRUR 1933,256,258; Dahmit, 09.11.1934, GRUR 1935, 382, 384; Floating Power, 20.04.1937, GRUR 1937, 941, 946; Melkfette, 26.01.1938, MuW 1938, 175, 176; Kondensatableiter, 20.09.1939, GRUR 1940, 50, 54; Dextropur, 21.02.1940, MuW 1940,150,152. so Gesenkhammer, 02.12.1932, GRUR 1933,256,258.

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B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

sich aus dieser Fonnulierung aber, daß - sofern es für die Darstellung des Fortschrittes unabdingbar ist - auch eine direkte Bezugnahme auf den Mitbewerber erfolgen darf. In diese Richtung äußerte sich das RG auch in der Entscheidung "Bromural"sl. Im Jahre 1937 entschied das RG dann den Fall "Floating Power"S2, in dem es um den Vergleich von "Floating Power" und "Pendelastic", zwei Systemen zur Motorlagerung, ging. Fraglich war, ob die Verwendung des Begriffes "Floating Power" in den Augen der angeprochenen Verkehrskreises3 eine Bezugnahme auf ein bestimmtes Unternehmen darstellte oder ob der Begriff inzwischen zu einer Beschaffenheitsangabe geworden war. Hintergrund der Angelegenheit war, daß "Floating Power" ursprünglich für ein bestimmtes Lagerungssystem für Motoren stand, welches zunächst nur von einem bestimmten Unternehmen gebaut wurde. Mit der Zeit aber wurde der Begriff insbesondere in der Fachliteratur auch für andersartige elastische Motoraufhängungen verwandt, ohne daß sich das nunmehr klagende Unternehmen dagegen verwahrt hatte. Zwar ging das RG davon aus, daß Sachverständigen der Rückschluß auf das ursprünglich allein solche Motoraufhängungen produzierende Unternehmen möglich sei. Demgegenüber betonte es jedoch wiederum die alleinige Darstellbarkeit des Fortschritts mittels der Abgrenzung zum bisher Vorhandenen. Eine in diesem Sinne unvenneidbare Erkennbarkeit eines Mitbewerbers bezeichnete das RG als "unerheblich", also als lauter4 • Entscheidend für die (Un-) Zulässigkeit des Vergleichs ist also nicht die herabsetzende Bezugnahme als solche, sondern vielmehr ihre Erforderlichkeit für die Darstellung des Fortschritts. Diese Rechtsprechung bestätigte das RG in den folgenden Entscheidungenss . (2) au/grund besonderer Umstände In einem einzigen Fall ordnete das RG außerhalb des Fortschrittsvergleiches einen bezugnehmenden Systemvergleich nicht als unlauter ein: In der Entscheidung "Toschi-Eternit"S6 war die Klägerin ausdrücklich genannt worden, um dem Umworbenen eine Vorstellung vom kritisierten System (Asbestzement gegenüber Hohlsteinziegeln bezüglich der Konstruktion von Rauchabgaszügen) zu geben. Das RG nahm trotzdem einen zulässigen Systemvergleich an. Dies Bromural, 13.02.1934, RGZ 143,362,365. Floating-Power, 20.04.1937, GRUR 1937, 941 ff. S3 Die Ingenieure der Konstruktionsabteilungen der Kraftfahrzeugfabriken. S4 Floating-Power, 20.04.1937, GRUR 1937,941,946. ss Toschi-Etemit 11, 20.07.1938, MuW 1938, 384, 387; Kondensatableiter, 20.09. 1939, GRUR 1940, 50, 53; Dextropur, 21.02.1940, MuW 1940, 150, 152; Vitamin D 2, 17.04.1944, GRUR 1944,154,154. S6 Toschi-Etemit 1,20.07.1937, MuW 1937,416 ff. SI

S2

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

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begründete es letztlich mit dem Bekanntheitsgrad der MarktsteIlung des klagenden Unternehmens: Da die Adressaten der Werbung ohnehin um die Herstellung von "Toschi"-Asbestzement durch die Klägerin wüßten, sei die ausdrückliche Bezugnahme unerheblich57 • Folgerichtig betonte das RG, daß die ausnahmsweise Zulässigkeit unter diesem Gesichtspunkt nie in Fällen eines bezüglich seines Wissenstandes und seiner Menge nicht eindeutig bestimmbaren Kreises von Adressaten gegeben sein könne5B • Wenn aber der Umworbene zwangsläufig aufgrond des angestellten Systemvergleiches diesen auf einen Mitbewerber bezog, so war es nach der Rechtsprechung des RG auch nicht unzulässig, wenn der Werbende diese (herabsetzende) Bezugnahme gleich selbst vornahm. c) Auskunftsvergleich

Die Fallgruppe des Auskunftsvergleiches ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Wettbewerber einem Interessenten Informationen über einen Konkurrenten gibt. Dies ist nur dann zulässig, wenn es auf Aufforderung des Interessenten erfolgf9. Dabei darf die Frage nicht vom dann Auskunft Gebenden provoziert sein, sondern muß auf einem autonom gefaßten Entschluß des Interessenten beruhen60 • Ein Vergleich der eigenen Leistung mit der des Wettbewerbers ist nur dann vom Auskunftsvergleich gedeckt, wenn der Interessent diesen Vergleich ausdrücklich nachgefragt hat61 . Größte Vorsicht und Zurückhaltung ist bezüglich des Umfanges der erteilten Auskunft geboten: die Antwort muß sich streng an der Fragestellung orientieren und darf "... die Grenzen des hiernach Erforderlichen und Zulässigen nicht"62 überschreiten. Denn verläßt der Gewerbetreibende den durch die Frage des Interessenten gedeckten Bereich des Auskunftsvergleiches, so befmdet er sich selbst im Falle wahrer Auskünfte wieder im Bereich der verbotenen vergleichenden Werbung63 .

Toschi-Eternit 1,20.07.1937, MuW 1937,416,418. Toschi-Eternit I, 20.07.1937, MuW 1937,416,418; bestätigt in Verkaufshelfer, 01.07.1939, GRUR 1939, 982, 987. 59 Handfeuerlöschapparate, 21.01.1930, JW 1930, 1710; Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 813, 815; Madaus, 03.11.1936, GRUR 1938, 53, 57; P 3, 05.01.1938, GRUR 1938,926,929; Dextropur, 21.02.1940, MuW 1940, 150, 153. 60 Dextropur, 21.02.1940, MuW 1940, 150, 153. 6\ Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 813, 816. 62 Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 813, 816. 63 Klischees, 25.09.1936, GRUR 1937,237,240. 57 58

3 Krüger

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

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Besondere Zurückhaltung schließlich ist einem Gewerbetreibenden auferlegt, der sich in unmittelbarer Konkurrenz zum nachgefragten Mitbewerber um Aufträge des Interessenten befmdet. Dabei ging das RG sogar so weit, eine Verpflichtung des befragten Gewerbetreibenden zum Verweis des Interessenten an " ... eine zur Auskunftserteilung berufene, unbeteiligte Stelle"64 zu erwägen. Hiervon distanzierte sich das RG aber wiedet5• Schließlich müssen die gegebenen Auskünfte auch der Wahrheit entsprechen. Hierfilr ließ das RG noch in der Entscheidung "Holzimprägnierungsmittel"66 die subjektive Überzeugung des Werbetreibenden von der Richtigkeit der gemachten Angaben ausreichen. Dies bezog sich sowohl auf Werturteile als auch auf Tatsachen. Im Ergebnis hätte eine solche Einschätzung zu einer wesentlichen Erweiterung des Ausnahmebereichs ,,Auskunftsvergleich" gefUhrt. Denn abgesehen von der Schwierigkeit, eine rein innere Überzeugung zu widerlegen, wird ein Gewerbetreibender regelmäßig auch von der Überlegenheit seiner Ware überzeugt sein. Daher berichtigte das RG in der Entscheidung "Madaus" seine Auffassung dahingehend, daß der Auskunftsvergleich nur solche Äußerungen deckt, die eine Nachprüfung gestatten. Die Überzeugung von der Richtigkeit des Werturteiles reicht also nicht mehr aus. Vielmehr mußte der die Auskunft erteilende Gewerbetreibende die Gründe angeben können, die ihm die Überzeugung von der Richtigkeit seines Urteiles verschaffi: hatten67 • Zweifel an den Grundlagen seiner Urteilsbildung verpflichteten den Gewerbetreibenden zur diesbezüglichen Nachforschung61 • Eine herabsetzende Bezugnahme auf einen Wettbewerber war also unter dem Gesichtspunkt des Auskunftsvergleiches dann gedeckt, wenn •

allein der Interessent die Initiative zur Nachfrage ergriffen hatte



die Antwort sich in dem durch die Frage vorgegebenen Rahmen hielt und



der die Auskunft erteilende Gewerbetreibende die Gründe filr seine Überzeugung darzulegen vermochte.

64 Klischees, 25.09.1936, GRUR 1937, 237, 240; vgl. auch Handfeuerlöschapparate, 21.01.1930, JW 1930, 1710. 65 siehe bereits Dextropur, 21.02.1940, MuW 1940, 150, 153; ausdrücklich dann in Förderpurnpen, 01.04.1942, GRUR 1942, 364, 366. 66 Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 8B, 816; vgl. auch Eulemann, Anmerkung zu RG Holzimprägnierungsmittel, 2869. 67 Madaus, 03.11.1936, GRUR 1938, 53, 57. 61 Förderpurnpen. 01.04.1942, GRUR 1942, 364, 366.

I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

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3. Zusammenfassung und Stellungnahme

a) Das RG ging zunächst von der Zulässigkeit bezugnehmender kritisierender Werbung aus. In den Jahren 192769 bis 1931 70 vollzog das RG dann die Kehrtwendung hin zum 'grundsätzlichen Verbot. Dies begründete es mit dem Gedanken des "Richteramtes in eigener Sache", welches dem Verbraucher die eigenständige Möglichkeit zur Abwägung zwischen den verschiedenen Waren nehme. Hinzu kam die Überlegung, daß es sich ein Gewerbetreibender nicht gefallen zu lassen brauche, filr die Werbung eines Konkurrenten benutzt zu werden. Zu diesem grundsätzlichen Verbot erkannte das RG im wesentlichen drei Ausnahmen an, die es aber nicht als abschließend ansah: den Abwehr-, Auskunfts- und Fortschrittsvergleich. Der Abwehrvergleich rechtfertigt den herabsetzenden bezugnehmenden Vergleich als Reaktion auf einen wettbewerbswidrigen Angriff eines Konkurrenten. Seine Grenze fmdet der zulässige Abwehrvergleich im zur Abwehr des Angriffs Erforderlichen. Der Auskunftsvergleich rechtfertigt den herabsetzenden bezugnehmenden Vergleich als Reaktion auf die Frage eines Interessenten. Er ist durch den Umfang der Frage beschränkt. Selbst im Falle der Unwahrheit der gemachten Angaben sah das RG die Grenze zur Unlauterkeit dann noch nicht überschritten, wenn dem Gewerbetreibenden diesbezüglich allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last fiel und er die Gründe angeben konnte, die ihm die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Vorstellung verschafften. Der Fortschrittsvergleich wurde aus dem Systemvergleich entwickelt. Dieser ist mangels Bezugnahme nicht vom grundsätzlichen Verbot erfaßt. Die aktive herabsetzende Bezugnahme ist im Rahmen des Fortschrittsvergleichs erlaubt, sofern sie filr die Darstellung einer Verbesserung notwendig ist. Im Falle der Unwahrheit der gemachten Angaben wurde das Verhalten des Gewerbetreibenden dann noch als lauter angesehen, wenn ihm bezüglich der Unwahrheit allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last fiel. Allen Ausnahmen gemein ist schließlich, daß sie keine ehrverletzenden Angriffe enthalten dürfen. b) An der Rechtsprechung des RG fällt zunächst auf, daß sich das Gericht überhaupt nicht mit der Abkehr von der grundsätzlichen Zulässigkeit der vergleichenden Werbung mit wahren Angaben auseinandersetzte. Des weiteren fanden auch mögliche wettbewerbsfördernde oder den Verbraucher informie69 70

Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116,277 ff. Hellegold, 06.10.1931, GRUR 1931, 1299 ff.

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

36

rende Aspekte der vergleichenden Werbung keinen Eingang in die Überlegungen des Gerichts. Dies erklärt sich aus dem Verständnis des vom UWG geschützten Bereichs: Geschützt werden sollten "in erster Linie"71 nicht die Verbraucher, sondern die "ehrbaren Geschäftsleute"72. Die Unlauterkeit einer vergleichenden Aussage ergab sich daher bereits aus ihrer Eignung 73 oder ihrem Zweck7" die Verbraucher von der Abnahme der Leistung eines Konkurrenten abzuhalten. Der Nachweis einer Täuschung der Verbraucher war zur Begründung der Unlauterkeit nicht erforderlich7S • Vielmehr war umgekehrt selbst eine Täuschung des Verbrauchers nicht unlauter, sofern dem Gewerbetreibenden im Bereich des Fortschritts- und Auskunftsvergleichs bezüglich der Unwahrheit der von ihm gemachten Angaben allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last fiel. Hieraus folgt, daß auch die Ausnahmebereiche nicht etwa im Interesse der Verbraucherinformation entwickelt wurden. Hinzu kam, daß mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten keine anderthalb Jahre nach dem richtungsweisenden Hellegold-Urteil zunehmend die "Volksgemeinschaft"76 als Schutzgegenstand des UWG propagiert wurde. Diese umfaßte zwar sowohl die Verbraucher als auch die Wettbewerber; jedoch defmierte sie sich nicht nach deren Interessen, sondern nach der "nationalsozialistischen Rechtsanschauung"77. Zudem begannen die Nationalsozialisten sofort nach der Machtergreifung mit der Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft ft1r Kriegszwecke. Auf der Grundlage des Zwangskartellgesetzes vom 15.07.1933 78 wurden von Juli 1933 bis Dezember 1936 etwa 120 Zwangskartelle errichtet sowie angesichts der drohenden Zwangskartellierung ca. 1600 neue Kartellvereinbarungen unterzeichnet19 Auch diese Entwicklung wird dazu beigetragen haben, daß das RG allgemein verbraucherinformative oder marktöffnende Aspekte der vergleichenden Werbung weitgehend unberücksichtigt ließ.

71 RG vom 23.12.1926, RG St61, 58, 61.

Kaffee Hag, 30.06.1931, MuW 1931, 521, 522; RG vom 23.12.1926, RG St 61, 58,61; Callmann, Wettbewerb, Ein!. B V, S. 43; Donig, Wettbewerb, Anm. 1 zu § 1; Becker, Wettbewerb, 8. 73 Konsumgenossenschaft, 19.02.1932, MuW 1932,229,231. 74 Warenhausbetrieb, 16.06.1911, GRUR 1911, 240, 241. 7S Konsumverein, 11.03.1927, RGZ 116, 277, 281; Hellegold, 06.10.1931, GRUR 1931,1299,1301; DIWO-Ofen, 09.05.1936, GRUR 1937,230,234. 76 Elster, Wettbewerb, 3. 77 Elster, Wettbewerb, 3. 71 RGBI I, S. 488. 79 Müller-Uri, Kartellrecht, 20. 72

11. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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ll. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 1. Einleitung

Der BGH behielt die vom RG entwickelte Systematik bei. Er ging also auch von der grundsätzlichen Unzulässigkeit kritisierender bezugnehmender Werbung aus. Dies stellte der BGH bereits in der Entscheidung "Dauerdose"l0 klar. Wie das RG I1 sieht auch der BGH keinen numerus clausus der Ausnahmebereiche gegeben: Er stellt darauf ab, ob ein ,,hinreichender Anlaß"·2 für die Annahme einer Ausnahme gegeben ist. Anstelle des "hinreichenden Anlasses" verwandte der BGH auch die Formulierungen "berechtigtes Interesse"l3, "besondere Umstände, die ... ausnahmsweise rechtfertigen"l4, "rechtlich anzuerkennender Anlaß"as, "unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig"B6 und "schutzwürdiges Interesse"·7 oder stufte das "berechtigte Interesse" als Unterfall des "hinreichenden Anlasses" ein". In der Sache ergab sich hieraus jedoch keine Änderung. Des weiteren geht auch der BGH davon aus, daß gewisse reklamehafte Übertreibungen den angesprochenen Verkehrskreisen als solche erkenntlich und daher nicht unlauter sindl9 • Das Publikum ist an den "blumenreichen Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1951,416,417. Holzimprägnierungsmittel, 19.06.1936, GRUR 1936, 813, 816; Madaus, 03.11. 1936, GRUR 1938, 52, 56. 82 Fleischbezug, 17.03.1953, GRUR 1953, 293, 294; Konsumgenossenschaft, 26.06. 1959, GRUR 1959,488,490; Betonzusatzmittel, 14.07.1961, GRUR 1962, 45, 48; Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963,371,374; Bodenbeläge, 30.10.1963, GRUR 1964,33,34; Rum-Verschnitt, 15.06.1966, GRUR 1967, 30, 33; Favorit 11, 07.06.1967, GRUR 1968,382,385; 400/0, 23.02.1968, GRUR 1968, 443, 445; Schornsteinauskleidung, 04.12.1968, GRUR 1969,283,285; gema-frei 11,29.05.1970, GRUR 1970, 521, 522; Motorjacht, 27.11.1970, GRUR 1971, 159, 160; Raziol, 06.02.1976, GRUR 1976, 375, 376; Vorsatz-Fensterflügel, 20.02.1986, GRUR 1986, 618, 620; Dachsteinwerbung, 27.02.1986, GRUR 1986,548,549; BioäquivaIenz-Werbung, 30.03.1989, WRP 1989,572,575; Generikum-Preisvergleich, 30.03.1989, GRUR 1989, 668, 66913 Sprechstunden, 08.04.1952, GRUR 1952, 582, 584; Mampe, 26.02.1960, GRUR 1960, 384, 387; Weizenkeimöl, 21.02.1964, GRUR 1964, 392, 394; Backhilfsmittel, 30.11.1966, GRUR 1967, 308, 310/311. 14 Fernsehinterview, 09.10.1963, GRUR 1964,208,210. u Maßkleidung, 26.10.1966,360,362. 16 Leserstrukturanalyse, 19.06.1981, GRUR 1981, 748, 749. 17 Ecclesia-Versicherungsdienst, 19.06.1981, GRUR 1981, 823, 826; Charterfluggesellschaften, 04.04.1984, GRUR 1984, 823, 824. 81 Betonzusatzmittel, 14.07.1961, GRUR 1962, 45, 48; Tauchkühler, 03.04.1970, GRUR 1970,422,424; Bioäquivalenz-Werbung, 30.03.1989, WRP 1989,572,575. 19 Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963, 371, 376. 10 11

38

B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

Sprachgebrauch"90 gewöhnt, so daß "nicht jede ironisierende Ausdrucksweise wettbewerbsfremd"91 ist. Denn schließlich sind sich die Verbraucher des Sinnes und Zweckes einer Werbung bewußt und erwarten daher keine völlig neutrale Beurteilung seitens des Werbenden92 . Die Grenze bilden pauschale Abwertungen93 , die selbst ohne erkennbare Bezugnahme auf einen MitbewerbeTH gegen § 1 UWG verstoßen. Schließlich fordert auch der BGH, daß die Vergleiche sachlich gehalten sind95 und die fllr die Werbung verwandten Angaben nicht aufgrund ihrer Auswahl und Zusammenstellung seitens des Gewerbetreibenden ein verzerrtes Bild ergeben96 • 2. Ausnahmebereiche

Der BGH behielt die vom RG entwickelten Institute des Abwehr-, Auskunfts-, System- und Fortschrittsvergleiches bei.

90 Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963, 371, 375. 91 Favorit 11, 07.06.1967, GRUR 1968,382,386; vgl. auch Lavamat 11,05.02.1965,

GRUR 1965, 365, 367. 92 Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1952, 416, 417. 93 Der sanfte Bitter, 24.11.1972, GRUR 1973,270,271; Probierpreis, 13.06.1973, GRUR 1973, 658, 660; Ecciesia-Versicherungsdienst, 19.06.1981, GRUR 1981, 823, 826; Charterfluggesellschaften, 04.04.1984, GRUR 1984, 823, 824; Großer Werbeaufwand, 11.07.1985, GRUR 1985, 982, 983; Gastro-Kritiker, 20.03.1986, GRUR 1986, 812,814. 94 Der sanfte Bitter, 24.11.1972, GRUR 1973, 270, 271; Probierpreis, 13.06.1973, GRUR 1973, 658, 660; Ecciesia-Versicherungsdienst, 19.06.1981, GRUR 1981, 823, 826; Großer Werbeaufwand, 11.07.1985, GRUR 1985, 982, 983. 95 Konsumgenossenschaft, 26.06.1959, GRUR 1959, 488, 491; Zahnbürsten, 19.12. 1960, GRUR 1961,288,289; Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963,371,374; Pelzversand, 10.01.1968, GRUR 1968, 645, 647; Schomsteinauskleidung, 04.12.1968, GRUR 1969, 283, 285; Mehrwert 11, 25.10.1972, WRP 1973, 88, 90; Probierpreis, 13.06.1973, GRUR 1973,658,660. 96 Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1952,416,417; Odol, 28.02.1958, GRUR 1958, 485, 486; Weizenkeimöl, 21.02.1964, GRUR 1964, 392, 395; Richtpreiswerbung 11, 09.02.1966, GRUR 1966, 333, 335; Rum-Verschnitt, 15.06.1966, GRUR 1967, 30, 33; Kuppelmuffenverbindung, 15.03.1967, GRUR 1967, 596, 599; Westfalen-Blatt 11, 15.11.1967, GRUR 1968, 433, 437; 40 %,23.02.1968, GRUR 1968,443,445; Leserstrukturanalyse, 19.06.1981, GRUR 1981, 748, 749; Dachsteinwerbung, 27.02.1986, GRUR 1986, 548, 549; Krankenkassen-Fragebogen, 03.02.1988, GRUR 1988, 764, 767. Dies ist jedoch letztlich eher eine Frage des § 3 UWG.

11. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Eine wesentliche Erweiterung der Ausnahmebereiche schaffie er durch die Anerkennung des Aufklärungsvergleiches und die Ausweitung des zulässigen bezugnehmenden Systemvergleichs. a) Forderung der objelctiven Wahrheit

Andererseits engte der BGH die Ausnahmebereiche gegenüber dem RG auch ein: Das RG ging davon aus, daß die Rechtfertigung auch dann noch zu bejahen sei, wenn dem Werbenden lediglich leichte Fahrlässigkeit bezüglich der Unwahrheit seiner Angaben zur Last flillt. Im Bereich des Auskunftsvergleiches mußte der Werbende zusätzlich noch die Gründe angeben können, die ihm die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Vorstellung verschaffi hatten. Der BGH stellte anfangs unter Hinweis auf das RG ebenfalls auf die "subjektive Überzeugung" des Gewerbetreibenden von der Wahrheit seiner Angaben ab97 • Bereits in der Radschutz-Entscheidung jedoch wies der BGH ausdrücklich darauf hin, daß "nichts Unwahres"91 behauptet werden dürfe. Allerdings traf den Werbenden in diesem Fall bezüglich der Unwahrheit der Angaben zumindest grobe Fahrlässigkeit, so daß auch das RG die Werbung als unlauter eingestuft hätte. In der Odol-Entscheidung aber dann verschärfte der BGH gegenüber dem RG ausdrücklich die Anforderungen an die Wahrheit der im Vergleich gemachten Angaben: Das RG ging noch davon aus, daß eine Werbung mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen im Falle eines diesbezüglichen Streits in der Wissenschaft den Eindruck einer gesicherten Erkenntnis vermeiden müsse99 • Demgegenüber betonte der BGH in der Odol-Entscheidung, daß die Wahrheit einer Werbung in einem solchen Fall nur angenommen werden kann, " ... wenn sie bewiesen wird" 100. Die Frage der Fahrlässigkeit hingegen entschied nunmehr über das Verschulden als Voraussetzung des Anspruches auf Schadensersatz lol • Nur diese Systematik entspricht auch dem unterschiedlichen Wesen des Unterlassungs- und des Schadensersatzanspruches. Die vom RG geforderte KlarsteIlung wäre also zur Vermeidung des Vorwurfs der Unlauterkeit nicht ausreichend gewesen lO2 • Vielmehr kann nur der Beweis der Wahrheit der eigenen Vorstellung den Gewerbetreibenden aus dem Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1952, 416, 418. Radschutz, 12.03.1954, GRUR 1954, 337, 342. 99 Vitamin D 2, 17.04.1944, GRUR 1944,154, 155. 100 Odol, 28.02.1958, GRUR 1958, 485, 486; so auch Schomsteinauskleidung, 04. 12.1968, GRUR 1969,283,286. 101 Rippenstreckmetall, 17.11.1960, GRUR 1961,189,190. 102 Droste, Anmerkung zu BGH Odol, 487. 97

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B. Die Entwicklung der Rechtsprechung

Bereich der Unlauterkeit herausbringen. Es kam also nicht mehr "... auf die subjektiven Vorstellungen ... (des Gewerbetreibenden), sondern nur darauf an, ob die Angaben objektiv unrichtig und irreftlhrend waren"103. Zur Begründung verwies der BGH in RG-Tradition auf den Interessenbereich der Mitbewerber: in diesen dürfe allenfalls mit nachweisbar wahren vergleichenden Angaben eingegriffen werden lO4 • Die sich anbietende Einbeziehung des Verbraucherschutzes zur Begründung hingegen ließ der BGH außer Acht. Denn damit hätte er letztlich die Gleichberechtigung dieses Aspekts mit dem des Schutzes der Mitbewerber anerkannt. Die Beweislast rur die Wahrheit der gemachten Angaben schließlich trifft denjenigen, der sie zur Werbung verwendetlOs. Denn die objektive Wahrheit ist eine der Voraussetzungen, die die ausnahmsweise Zulässigkeit der vergleichenden Werbung rechtfertigt. b) Abwehr- und Auskunftsvergleich

Bis auf die soeben dargestellte Verschärfung der Anforderungen an die Wahrheit des Vergleiches behielt der BGH die vom RG filr diese Fallgruppen entwickelten Grundsätze bei. aa) Abwehr Der BGH stuft den Abwehrvergleich aufgrund der ihm innewohnenden Selbsthilfe als ultima ratio und damit als Ausnahme gegenüber der vorrangigen Backhilfsmittel, 30.11.1966, GRUR 1967, 308, 311. Schornsteinauskleidung, 04.12.1968, GRUR 1969,283,286: Diese Entscheidung betraf ebenso wie die Entscheidung Konsumgenossenschaft (26.06.1959, GRUR 1959, 488 ff.) einen Auskunftsvergleich. In der Entscheidung Konsumgenossenschaft, die nach der Odol-Entscheidung erging, hatte es noch - wohl in RG-Tradition und insofern mißverständlich - geheißen: "... auch muß der Befragte sie (Anm. d. Verf.: die Angaben) auf ihre sachliche Richtigkeit prUfen, sich von der Richtigkeit überzeugt haben und in der Lage sein, die GrUnde für seine Überzeugung darzulegen" (491). Man könnte daher annehmen, daß die Erfordernisse für die Zulässigkeit des Auskunftsvergleiches niedriger seien, da aus der zitierten Passage durchaus eine subjektive Komponente herausgelesen werden kann. Gegen eine solche Interpretation spricht jedoch bereits, daß das RG ja gerade an die Zulässigkeit des Auskunftsvergleiches höhere Anforderungen gestellt hatte (s.o. B.,I.,2.,c)) Jedenfalls stellte der BGH mit der zu dieser Fußnote zitierten Passage klar, daß auch für den Auskunftsvergleich nunmehr ein objektiver Maßstab anzulegen sei. lOS Schornsteinauskleidung, 04.12.1968, GRUR 1969, 283, 286; Motorjacht, 27.11.1970, GRUR 1971,159,160. 103

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11. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Inanspruchnahme der Gerichte ein lO6 • Bereits in der Entscheidung "Dauerdose"107 betonte das Gericht, daß es am Verbot der vergleichenden Werbung festhalten wolle und als eine Ausnahme wie das RG den Abwehrvergleich ansehe 101. In den folgenden Entscheidungen ging der BGH dann auch von denselben Voraussetzungen wie das RG bezüglich der Zulässigkeit des Abwehrvergleiches aus: Eine Abwehr setzt einen wettbewerbswidrigen Angriff voraus lO9 • Dabei muß die Abwehrhandlung als solche so in Zusammenhang mit dem wettbewerbswidrigen Angriff stehen, daß sie "... als ein taugliches und adäquates Mittel zur Abwehr dieses Angriffes angesehen werden"l1o kann. In konsequenter Befolgung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes forderte der BGH zudem den Einsatz des schonendsten Mittels lll • Das Maß des zur Abwehr Erforderlichen ergibt sich aus der Art und Weise des Angriffs 112. Im Rahmen eines Abwehrvergleichs kann daher selbst eine "scharfe Entgegnung"ll3 noch erlaubt sein. Diese Grundsätze beherrschen die gesamte Rechtsprechung des BGH zum Abwehrvergleich 114 • Schließlich kann das Institut der Abwehr sogar solche Beeinträchtigungen decken, die einem dritten Wettbewerber aus einer berechtigten Abwehrmaßnahme im Kampf zweier anderer Wettbewerber entstehen llS • Insofern ist die Situation der des aggressiven Notstands iSd. § 904 BGB ähnlich, ohne daß jedoch eine dem § 904,2 BGB vergleichbare Konsequenz vorgesehen wäre.

Vennögensberater, 16.02.1989, GRUR 1989,516,518. Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1952,416,417. 101 So auch Sprechstunden, 08.04.1952, GRUR 1952, 582, 584. 109 Ladenschlachtervereinigung, 20.05.1952, GRUR 1953, 37, 40. 110 Radschutz, 12.03.1954, GRUR 1954,337,340. 111 Versandbuchhandel, 21.11.1958, GRUR 1959, 244, 247; Backhilfsmittel, 30.11. 1966, GRUR 1967,308,312. 112 siehe insbesondere Kuppelmuffenverbindung, 15.03.1967, GRUR 1967, 596, 598 und Favorit 11, 07.06.1967, GRUR 1968, 382, 384 f. 113 Betonzusatzmittel, 14.07.1961, GRUR 1962,45,48. 114 Dauerdose, 13.11.1951, GRUR 1952, 416, 417; Ladenschlachtervereinigung, 20.05.1952, GRUR 1953, 37, 40; Radschutz, 12.03.1954, GRUR 1954, 337, 340; Bünder Glas, 05.06.1956, GRUR 1957,23,24; TOK-Band, 29.03.1960, GRUR 1961, 237, 241; Zahnbürsten, 19.12.1960, GRUR 1961, 288, 289; Betonzusatzmittel, 14.07.1961, GRUR 1962,45,48; Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963, 371, 376; Weizenkeimöl, 21.02.1964, GRUR 1964, 392, 395; Backhilfsmittel, 30.11.1966, GRUR 1967, 308, 310; Kuppelmuffenverbindung, 15.03.1967, GRUR 1967, 596, 598; Favorit 11, 07.06.1967, GRUR 1968, 382, 385; Vennögensberater, 16.02.1989, GRUR 1989,516, 518. l1S Wäschestärkemittel, 18.01.1963, GRUR 1963, 371, 375. 106 107

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B. Die Entwicklung der Rechtsprechung bb) Auskunft

Der BGH nahm schon in der Entscheidung "Bünder Glas"116 auf die Rechtsprechung des RG zum Auskunftsvergleich Bezug. Dabei geht der BGH wie das RG davon aus, daß der Umfang der vergleichenden Antwort durch die gestellte Frage bestimmt wird ll7 • Folglich ergibt sich aus einer allgemeinen Anfrage bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit nicht die Rechtfertigung fUr vergleichende Aussagen über einen Konkurrenten lll . Grundsätzlich sah auch der BGH die Antwort auf eine provozierte Frage als nicht mehr vom Institut des Auskunftsvergleiches gedeckt Eine Ausnahme ließ er nur in einem Fall zu, bei dem ein Gewerbetreibender im Rahmen eines Gespräches mit einem Architekten betreffend eines eingestürzten Schornsteins von sich aus auf die Unterschiede zwischen seinem Angebot und der zu erneuernden bisherigen AusfUhrung zu sprechen kam, woraufhin der Architekt dann weitere detailliertere AusfUhrungen erbat. Der BGH ordnete das Verhalten des Gewerbetreibenden im Gespräch nicht als unzulässige Provokation einer (Nach-) Frage an, sondern stellte sich auf den Standpunkt, daß jedes andere Verhalten seitens des Gewerbetreibenden "lebensfremd" gewesen wäre 119. Diese Prinzipien zur Beurteilung des Auskunftsvergleiches behielt der BGH bei l20 •

c) Systemvergleich Die Fallgruppe des Systemvergleichs erfaßt weder den Vergleich gleichartiger Waren 121 noch den verschiedener eigener Waren l22 •

116 Bünder Glas, 05.06.1956, GRUR 1957, 23, 24. Konsumgenossenschaft, 26.06.1959, GRUR 1959, 488, 49l. 111 Bünder Glas, 05.06.1956, GRUR 1957,23,24; so auch Konsumgenossenschaft, 26.06.1959, GRUR 1959,488,491: eine allgemeine Kritik aus dem Kreise der Mitglieder an der Preisgesta1tung berechtigt nicht zur Vornahme eines Preisvergleiches mit örtlichen Einzelhändlern; Fernsehinterview, 09.10.1963, GRUR 1964, 208, 210: Auf eine Frage bezüglich des Mißtrauens des Verbrauchers gegenüber niedrigen Preisen darf nicht mit einem Vergleich eigener Preise mit denen der Mitbewerber geantwortet werll7

den.

119 Schornsteinauskleidung, 04.12.1968, GRUR 1969, 283, 285; s. aber unten B.,I1.,2.,bb),(I) zum Aufklärungsvergleich. 120 Vorsatz-Fensterflügel, 20.02.1986, GRUR 1986,618,620. 121 Radschutz, 12.03.1954, GRUR 1954, 337, 341; Odol, 28.02.1958, GRUR 1958, 485,486. 122 Rippenstreckmetall, 17.11.1960, GRUR 1961,189,191/192; Westfalen-Blatt 11, 15.11.1967, GRUR 1968, 433, 437.

11. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Im Gegensatz zum RG erwähnte der BGH den Warenartenvergleich l23 ausdrücklich. Jedoch behandelte er ihn ebenso wie das RG nach den fUr den Systemvergleich geltenden Grundsätzen 124. aa) Grundsatz Wie das RG ordnete auch der BGH den nicht bezugnehmenden Systemvergleich als ohnehin schon nicht unter das Verbot der vergleichenden Werbung fallend ein l25 • Die Zulässigkeit eines solchen Vergleiches ist folglich nicht vom Eingreifen eines Ausnahmetatbestandes abhängig. Die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Bezugnahme im Rahmen eines Systemvergleiches erkannte der BGH wie auch das RG zunächst nur im Falle des Fortschrittsvergleiches an 126, sofern die Bezugnahme fUr die Darstellung des Fortschritts unabdingbar war l27 • Jedoch erweiterte der BGH diese Ausnahme beträchtlich. bb) wirtschaftlicher Vorteil Die Entwicklung zu einer Erweiterung der Ausnahmen im Bereich des Systemvergleiches begann mit der Entscheidung "Wäschestärkemittel'