Die Zonenenteignung: und ihre Zulässigkeit in Preußen. Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen Interesse [1 ed.] 9783428561827, 9783428161829


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Die Zonenenteignung: und ihre Zulässigkeit in Preußen. Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen Interesse [1 ed.]
 9783428561827, 9783428161829

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Die Zonenenteignung und ihre Zulässigkeit in Preußen Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen Interesse Von Johann Viktor Bredt

Duncker & Humblot reprints

Die

Zonenenteignung und

ihre Zulässigkeit in Preußen. Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen Interesse.

Von

Joh. Victor Bredt, Dr. jur. et phil.

Leipzig, V e r l a g von D u n c k e r 1909.

und H u m b 1 o t.

A l l e

Rechte

vorbehalten.

Altenburg, S.-A. Pierer sehe Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.

Meiner treuen Mutter

H e n r i e t t e B r e d t geb. Koll gewidmet im Jahre 1909.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Vorwort W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g Frankreich Belgien D i e Niederlande Ü b e r b l i c k ü b e r die Gesetzgebung anderer Staaten Öffentliches Interesse u n d E n t e i g n u n g i n der preußischen Gesetzgebung Rechtliche K o n s t r u k t i o n der b i s h e r i g e n E n t e i g n u n g Theoretischer B e g r i f f des öffentlichen Interesses . . . . . . .

VII 1 18 29 39 69 80 110 122

Öffentliches Interesse u n d k o m m u n a l e B o d e n p o l i t i k Die Königliche Verordnung R e c h t l i c h e B e d e u t u n g der Z o n e n e n t e i g n u n g f ü r Preußen . . .

172 208 227

Vorwort. Der K i e l unseres Staatsschiffes rauscht zurzeit im Fahrwasser des sozialen Fortschrittes. Die deutschen Städte wetteifern miteinander in der Schaffung neuer Institutionen zur Reform der sozialen Verhältnisse und der Verteilung von Einkommen und Besitz. M i t dem Grundeigentum hat man begonnen, von den daraus folgenden Konsequenzen für das Kapital sind erst die ersten Anfänge bemerkbar. M i t Wucht aber folgen sich die einzelnen Maßnahmen, welche bezwecken, das Grundeigentum auf Kosten privaten Besitzes der Allgemeinheit dienstbar zu machen. Anliegerbeiträge auf Grund des Baufluchtengesetzes, Grundsteuer nach dem gemeinen Wert auf Grund des Kommunalabgabengesetzes, Wertzuwachssteuer bilden die eine Reihe; nebenher läuft eine andere, welche begann mit der Aufschließung von Baugelände durch kommunale Straßenbauten, und fortgesetzt wurde mit Straßendurchbrüchen im Innern, dann Aufkaufen von Baugelände zwecks Wiederveräußerung, endlich Versuchen mit Erbbaurecht. So befinden sich unsere Städte auf einem Wege, der in gerader Richtung zu einem [[schon erkennbaren Ziele hinführt: Vergesellschaftlichung des Grundeigentums. Wie weit sie diesen Weg noch weiter verfolgen werden, ob und wann sie vielleicht Halt machen oder umkehren, ob sie vielleicht nach rechts oder gar nach links einmal abbiegen, ist eine andere Frage, mit der sich die Politiker befassen mögen. Uns genügt hier die Registrierung der Tatsache, daß die Städte sich auf diesem Wege befinden.

VIII

Vorwort.

Ich behaupte nun: die nächste Etappe auf diesem Wege ist aller Voraussicht nach die Zonenenteignung. Sie ist in Deutschland in der Jurisprudenz und Praxis überhaupt noch nicht, in der Theorie und Wissenschaft erst in sehr geringem Maße bekannt. Das heißt aber keineswegs, daß w i r sie nicht auch bekommen werden. Man muß unsere Bodenpolitik nicht nur vom verwaltungsrechtlichen Standpunkte aus betrachten, sondern auch im Sinne des Entwicklungsgedankens. Und weil ich aus diesem Grunde glaube, daß wir in Deutschland mit der Zonenenteignung bald rechnen müssen, habe ich mich entschlossen, eine Studienreise nach Holland und Belgien zu machen, um die Rechtsinstitution kennen zu lernen und mit bezug auf deutsche Verhältnisse juristisch und wissenschaftlich behandeln zu können. Wissenschaftlich, das heißt lediglich in der Weise, daß ich trachte, das Wesen und die Bedeutung des Institutes klarzustellen und über seine rechtliche Zulässigkeit zu entscheiden. Keineswegs gedenke ich für die Sache Propaganda zu machen, wie es heute leider allzuoft geschieht, indem die Grenzen wissenschaftlicher Forschung und politischer Agitation verwischt werden, und nicht in der Erfassung und dem Begreifen des Seienden, sondern der Schilderung und Forderung eines Sein-Sollenden die Aufgabe der Wissenschaft gesucht und gefunden wird. Derartiges liegt mir fern. Wenn ich mich vielmehr mit der Frage der Zonenenteignung befasse, geschieht es wesentlich im Anschlüsse an meine früheren Arbeiten über Wertzuwachssteuer und das kommunale Bauverbot. Über Wertzuwachssteuer habe ich ausgeführt, daß hier die öffentliche Jurisprudenz einen Schritt getan habe, der mit der bestehenden Rechts- und Wirtschaftsordnung nicht in Einklang stehe, und daß auf diese Weise ein neues Prinzip in unser wirtschaftliches Leben hineingetragen werde, das zu den weitgehendsten Konsequenzen führen müsse. I n der g e m e i n s a m m i t Dr. P i u t t i verfaßten Schrift über das

Vorwort.

IX

kommunale Bauverbot wurde juristisch ausgeführt, daß hier eine Praxis Platz gegriffen habe, welche mit dem Gesetze nicht zu vereinigen sei. Hier in dieser Frage halte ich gewissermaßen die Mitte zwischen beiden und w i l l eine Stelle zeigen, an der das Gesetz und das wirtschaftliche Leben sich decken. In dieser Forschungsmethode liegt meiner Überzeugung nach heute die wichtigste Aufgabe der Verwaltungsjurisprudenz. Nicht die einzige, aber die wichtigste. Das materielle Verwaltungsrecht hat sich allmählich ins Ungemessene vermehrt, und wenn wir über den unzähligen Einzelheiten den Überblick über das Ganze nicht verlieren wollen, bedürfen wir eines festen Standpunktes, von dem aus das Gewirre sich als Ganzes darstellt. Diesen Standpunkt gibt uns eine Erkenntnis der jeweiligen Ziele des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Dieses wird heute von der herrschenden Richtung der Wissenschaft allgemein betrachtet im Sinne des Entwicklungsgedankens. Wenn w i r also das Verwaltungsrecht als seine Begleiterscheinung auffassen, ergibt sich hierfür dieselbe Anschauungsweise, aber mit dem Unterschiede, daß die Entwicklung des Verwaltungsrechts sich der Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens anzupassen hat. I n keiner juristischen Disziplin tritt der Z w e c k so scharf hervor, wie im Verwaltungsrecht. Es gibt selten strikte Vorschriften, sondern regelmäßig nur Vollmachten, die es ermöglichen, die Wohlfahrtszwecke der Gesamtheit zu verfolgen und kollidierende Interessen auszugleichen. Wenn man so häufig klagt über den Bürokratismus in der Verwaltung, meint man j a doch nichts anderes, als daß die Verwaltung das Gesetz obenan stelle, anstatt in ihm nur eine Dienerin wirtschaftlicher und allgemein menschlicher Bedürfnisse zu erblicken. Wie nun aber die Ziele und Zwecke des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sich ständig fortbilden, so muß das Recht versuchen, ihnen Schritt zu halten. Es ist weniger eine natürliche, als eine

X

Vorwort.

künstliche angepaßte Entwicklung. Nur auf diese Weise aber ist es möglich, das Bedürfnis nach dem „richtigen Recht" zu befriedigen. Was Franz v. Liszt kürzlich für das Strafrecht sagte 1 : „ I n der empirisch gegebenen Entwicklungsrichtung des im Staate organisierten gesellschaftlichen Lebens erblicke ich das Kennzeichen des richtigen Rechts" — das gilt zum mindesten ebenso für das Verwaltungsrecht. „Der Begriff der Entwicklung gibt uns die Synthese des Seienden und Seinsollenden." Diese Aufgabe, das Recht dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben anzupassen, kann in erster Linie gelöst werden vom Gesetzgeber, und tatsächlich sehen wir j a auch beinahe täglich neue Verwaltungsgesetze, zum mindesten Vorschriften, entstehen. Dennoch aber ist die Gesetzgebung allemal nur die ultima ratio. Es muß zunächst immer geprüft werden, ob nicht schon mit einer entsprechenden anderen Handhabung der bestehenden Gesetze auszukommen ist. Auch der Gesetzgeber ist sich regelmäßig von vornherein bewußt, daß er der späteren Rechtsprechung einen großen Teil der wirklichen Rechtsgestaltung überlassen muß, wie Zitelmann mit Recht hervorhebt 2 . U n d tatsächlich kann man es auch beobachten, daß dies auf dem Gebiete der Verwaltung geschieht — es braucht nur auf die Polizei hingewiesen zu werden. Nicht weniger aber als die Praxis kann auch die wissenschaftliche Forschung es beanspruchen, an der Auffindung des richtigen Rechts und an der zweckdienlichen Ausgestaltung des schon bestehenden mitzuwirken. Die positiven Unterlagen für solche Arbeit gewinnt die Rechtswissenschaft zunächst aus einer Erkenntnis der jeweiligen Entwicklungsrichtung der menschlichen Wirtschaft und Gesellschaft. Hier muß sie ihre Kenntnisse von der Nationalökonomie entlehnen und sich auf deren Forschungs1 Z e i t s c h r i f t f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft, B d . X X V I , . S. 93. - D i e K u n s t der Gesetzgebung, 1904.

Vorwort.

XI

ergebnisse verlassen. Aber auch ein staatsrechtlicher Einschlag fehlt hierbei nicht, nämlich die Frage nach dem Staatszweck. Z u der Zeit, als das preußische Enteignungsrecht geschaffen wurde, standen noch Macht- und Eroberungspolitik nach Außen, Verfassungspolitik im Inneren im Mittelpunkte des Interesses. Allenfalls die Handelspolitik repräsentierte einen Faktor, mit dem man rechnete. Was aber fehlte, war die Sozialpolitik, heute das A und das 0 alles Verwaltungsrechtes. Was ist die Einführung der Selbstverwaltung in Provinz und Kreis in den 80 er, die große Steuerreform in den 90 er Jahren anders als Sozialpolitik? Was ist die Arbeiterversicherung, dazu die Einführung der unzähligen, den lokalen Verhältnissen angepaßten und differenzierten Zwecksteuern in den Kommunen anders als ein Versuch, die sozialen Gegensätze zu mildern? Wie will man also unser heutiges Verwaltungsrecht verstehen, wenn nicht durch eine Erforschung der treibenden wirtschaftlichen Kräfte und Ideen? Aber dieser soziale Gedanke ist etwas verhältnismäßig neues! Vor 30 Jahren noch völlig latent und nur einigen utopistischen Theoretikern bekannt, hat er heute unser ganzes öffentliches Leben mit Macht ergriffen, unser ganzes Denken und Empfinden umgestaltet. Und doch soll heute zum großen Teile noch mit denselben Gesetzen verwaltet werden, die eine manchesterliche Zeit erfand und ihren wirtschaftlichen Verhältnissen anpaßte. Daß das nicht ohne weiteres möglich ist, liegt auf der Hand. Die Gesetze müssen anders gehandhabt, und wo dies nach dem Wortlaute nicht möglich ist, umgestaltet werden. Jedenfalls sind die leitenden Prinzipien ethischer, politischer, wirtschaftlicher Natur, nach denen man damals verwaltete und die Gesetze anwendete, größtenteils revidiert, stellenweise sogar direkt obsolet geworden. Aus diesem Grunde sind aber auch die älteren Lehrbücher des Verwaltungsrechtes, auch die vortrefflichsten unter ihnen, heute nicht mehr un-

XII

Vorwort.

bedingt maßgebend. Auch sie müssen dem neuen Geiste angepaßt und auf ihre Ubereinstimmung mit den Anschauungen und Forderungen der Zeit geprüft werden. W i r müssen das ganze Verwaltungsrecht von einem neuen Standpunkte aus betrachten und unter diesem Gesichtswinkel neu aufnehmen. Das ist die Aufgabe, welche unsere Generation zu lösen hat, und der auch diese Arbeit gewidmet ist. Von A d o l f A r n d t stammt der Vorwurf gegen die publizistische Rechtswissenschaft, daß ihr in letzter Zeit „so ziemlich die wichtigsten Erscheinungen des öffentlichen Rechtes entgangen" sind, wodurch sie „an Achtung verloren" habe, und v. M a r t i t z sprach das Wort von der „satten Selbstgenügsamkeit, welche ruhig ihre Zirkel weiter zieht, während das Leben ihrer spottet" 1 ! Ich bin Optimist genug, an die Berechtigung dieser Vorwürfe nicht zu glauben, finde sogar im Gegenteil, daß der Zweck im Rechte, nämlich der, sich den wirtschaftlichen Bedürfnissen anzupassen und ihnen zu dienen, mehr denn j e zur Geltung kommt. Und was A n s c h ü t z gegen die Genannten einwendet: „daß jede dauernde Entfremdung und Entzweiung zwischen Praxis und Theorie nicht sowohl für die erstere, als vor Allem und insbesondere für die letztere vom Übel ist," trifft vollkommen den Nagel auf den Kopf. Nun darf man diese Abhängigkeit des Verwaltungsrechtes vom wirtschaftlichen Leben keineswegs so auffassen, daß jedes wirtschaftliche Bedürfnis ohne weiteres seinen Niederschlag im Rechte finden solle. Dies würde schließlich zur materialistischen Geschichtsauffassung führen, von der ich mich für meine Person weit entfernt halten möchte. Es zeigt sich aber auch allenthalben, daß eine solche Anschauung nicht haltbar ist, und daß nur 1

A n s c h ü t z i n den T ü b i n g e r U n i v . - S c h r i f t e n 1899/1900, S. 29. V o n d o r t h e r s i n d auch die Z i t a t e übernommen..

Vorwort.

XIII

das „Recht" wird, was auch allgemein als „recht" erkannt ist. Darüber, was die Jurisprudenz von wirtschaftlichen Bedürfnissen akzeptieren und gutheißen soll, entscheidet in letzter Linie die Ethik. Dem Zivilrichter ist in den §§ 138 und 242 B.G.B, die Möglichkeit offen gehalten, jedesmal zu prüfen , ob das formale Recht noch in Einklang steht mit den ethischen Forderungen der Zeit. Dem Verwaltungsbeamten stehen solche ausdrücklichen Bestimmungen nicht zur Seite, weil Rücksichten dieser A r t seine ganze Tätigkeit durchdringen sollen wie ein Sauerteig. Es kommt bei ihm viel weniger darauf an, wie er das geltende Recht handhaben k a n n , als darauf, wie er es handhaben w i l l und s o l l 1 . Welche entscheidende Bedeutung die herrschenden ethischen und nationalökonomischen Anschauungen einer Zeit auf das Verwaltungsrecht ausüben, hat sich in klassischer Weise gezeigt auf dem Gebiete der Bodenpolitik. Man braucht allerdings nicht so weit zu gehen wie R e i n in seiner „ E t h i k und Volkswirtschaft", welcher das Bodenproblem dadurch lösen will, daß „Spekulationen . . . nicht zu den Operationen gerechnet werden, die man für anständig hält. Man muß den Spekulanten die ganze Verachtung zeigen, die sie verdienen." Man hat aber recht wohl bei jeder verwaltungsrechtlichen Untersuchung oder Entscheidung zu prüfen, welche Stellung die herrschende ethische Richtung zu der Frage einnimmt, um durch eine Feststellung des jeweiligen Begriffes des „rechten" den Begriff des „Rechtes" herauszuarbeiten. Wenn nun die Rechtswissenschaft auf diesem Wege vorgeht, entsteht für sie die zweite Frage nach den Grenzen des Rechts, d. h. den Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen. Sie steht hier vor einer dreifachen Aufgabe: das Recht muß t e c h n i s c h geeignet sein, seine Zwecke zu erfüllen, es muß e t h i s c h zu rechtfertigen sein, und drittens, 1

K o m m u n a l e s B a u v e r b o t , 8. 56.

XIV

Vorwort.

es muß a u s f ü h r b a r sein. Der erste Punkt ist zu regeln durch eine richtige Abfassung neuer, eine richtige Auslegung alter Bestimmungen. Der zweite macht deshalb kaum Schwierigkeiten, weil unsere ganze Rechtswissenschaft von diesem Prinzip getragen ist. Der dritte dagegen ist deshalb der bedenklichste, weil eine einwandfreie Lösung der Frage nur zu erzielen sein würde durch Experiment. Dieses selbst ist natürlich ausgeschlossen; es gibt dafür aber einen Ersatz: die Rechtsvergleichung. Diese vermag uns nicht nur rein technisch zu zeigen, welche praktischen Schwierigkeiten sich ergeben können, und wie sie zu beseitigen sind, sondern sie vermag uns zugleich ein Führer zu sein auf dem Wege zum richtigen Rechte. „Sie zeigt uns nicht nur mögliches Recht, sie zeigt uns mögliches richtiges Recht, sie weist der Gesetzgebungspolitik Vervollkommnungsmöglichkeiten, praktische Ideale". Diese Worte, welche kürzlich v a n C a l k e r für das Strafrecht ausgesprochen h a t 1 , gelten nicht minder für das Verwaltungsrecht, vornehmlich unsere Frage. Der an sich ziemlich vage Begriff des öffentlichen Interesses erhält seine konkrete Bedeutung erst durch das ganze kulturelle und gesellschaftliche Niveau eines Staates. Wenn wir daher wissen wollen, wie weit seine Tragweite in unserem Staate geht, und welche Ausdehnung er verträgt ohne zu schaden, so bietet sich keine bessere Forschungsmethode als die Vergleichung mit anderen Ländern, welche kulturell auf der gleichen Stufe stehen wie wir. Überhaupt braucht über den wissenschaftlichen Wert der Rechtsvergleichung kaum noch etwas gesagt zu werden. Es sei nur daran erinnert, wie die Arbeit von W e s t e r k a m p uns erst verstehen gelehrt hat, wie ein Bundesstaat wie das Deutsche Reich sich aus einem Staatenbunde ent1

G e s e t z g e b u n g s p o l i t i k u n d R e c h t s v e r g l e i c h u n g , i n der F e s t g a b e

für L a b a n d ,

1908.

Vorwort.

XV

wickeln konnte, indem er auf die Quellen zurückging, die nordamerikanische Union und die Konvention zu Utrecht, ferner wieviel O t t o M a y e r s Theorie des französischen Verwaltungsrechtes dazu beigetragen hat, die meist aus dem Vollen heraus geschaffenen verwaltungsrechtlichen Begriffe wissenschaftlich durchdringen zu lassen. Weiter ist es den rechtsvergleichenden Arbeiten von G n e i s t zuzuschreiben, daß der weitere Ausbau der Selbstverwaltung nach englischem Muster in Preußen zustande kam, und aus neuerer Zeit braucht nur noch der Name J e l l i n e k genannt zu werden, um zu zeigen, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist. I n der Frage der Zonenenteignung vollends drängt alles geradezu auf einen Rechtsvergleich h i n ; denn wo bisher in der deutschen Literatur von ihr die Rede war, geschah es beinahe nur durch Hinweise auf das ausländische Recht. W i r müssen untersuchen, auf welche Weise ein so durchgreifendes Rechtsinstitut im Auslande sich durchgesetzt hat, und dann prüfen, ob dieselben Voraussetzungen formaler, wirtschaftlicher und ethischer A r t auch bei uns vorliegen. So wird es gelingen, zuarbeiten.

das „richtige Recht"

heraus-

Wesen und Begriff der Zonenenteignung. Das Wort „Zonenenteignung" stammt aus dem französischen Rechte und ist eine Ubersetzung des Ausdruckes : expropriation par zones". Man versteht darunter die Enteignung eines bebauungsfähigen Geländestreifens neben dem eigentlichen Straßengelände — eben einer Zone — , also eine Enteignung, die zwar mit der Straßenanlage zusammenhängt, aber sich nicht auf das gerade zu diesem Zwecke notwendige Gelände beschränkt. Diese rein terminologische Auffassung erfährt nun mancherlei Ausdehnung und Verschiebung durch die Zwecke, denen die Zonenenteignung dienen soll. Sie ist unter Umständen ein rein juristisches Mittel, um verwaltungsrechtliche Angelegenheiten zu regeln, die — wie einige Staaten zeigen — auch auf anderem Wege geregelt werden können; sie ist aber auch eine rein ökonomische Maßnahme, welche dazu dient, die Durchführung von gemeinnützigen Unternehmungen finanziell zu ermöglichen; sie kann endlich auch eine Handhabe bieten, um gewisse sozial- und wirtschaftspolitische Ziele zu verfolgen. Welche Seite hauptsächlich in den Vordergrund tritt, das ergibt sich aus den Gesetzen und der Wirtschaftsgeschichte in den einzelnen Ländern. Allgemein aber kann man einige Unterarten von Zonenenteignung unterscheiden, für die ich folgende Bezeichnungen verwende: 1. F i n a n z i e l l e

Zonenenteignung.

Es wird bei Anlage einer oder mehrerer Straßen nicht nur das Straßengelände enteignet, sondern auch Baugelände, um durch dessen Wiederverkauf finanzielle Vorteile zu erB r e d t , Zonenenteignung.

1

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

zielen. Wenn z. B. ein im Stadterweiterungsgebiete gelegenes Gelände durch Straßen erschlossen und hierdurch eine Wertsteigerung hervorgerufen wird, kann es für die Stadtgemeinde große finanzielle Vorteile bringen, wenn sie das Gelände selbst erwirbt und die fertigen Bauplätze zu reifen Preisen veräußert. Sie treibt in solchem Falle Terrainspekulation wie ein Privatmann. Ob allerdings ein solcher Fall in der Praxis leicht möglich ist, bleibt eine andere Frage. W o die Aufschließung eines Geländes mit einer gewissen Sicherheit Gewinn verspricht, setzt regelmäßig die Privatspekulation ein und kommt den Gemeinden zuvor. Wollen die Gemeinden nachträglich doch noch enteignen, so müssen sie die zu erwartende Wertsteigerung schon mitbezahlen. Dennoch haben Gemeinden, deren Leitung in geschickten Händen lag, — Beispiele werden es zeigen — noch große Erfolge erzielt. Was man in solchem Falle unter „Zone" zu verstehen hat, richtet sich nach der Beschaffenheit des Geländes. Regelmäßig ist es natürlich soviel, daß nicht etwa in der Mitte des Baublocks ein Streifen liegen bleibt. Der bisherige Eigentümer würde diesen nicht mehr verwenden können, und daher nach den meisten Enteignungsgesetzen berechtigt sein, die Übernahme des Ganzen zu verlangen. Die enteigneten Zonen umfassen daher regelmäßig den ganzen Baublock. I m übrigen regelt sich die Frage meistenteils dadurch, daß die Baublöcke auf nicht mehr als die notwendige Tiefe eingerichtet werden. 2. S o z i a l p o l i t i s c h e

Z-onenenteignung.

Sie bezweckt, Straßen, deren Bebauung von den Eigentümern hintangehalten wird, auf diese Weise der Bebauung zu erschließen. Sie beruht also auf der Anschauung, daß Baugelände von den Eigentümern gewaltsam von der Bebauung zurückgehalten werde, um seinen Preis in die Höhe zu treiben. I n solchen Fällen greift die öffentliche Gewalt durch Zonenenteignung ein und erschließt das Gelände

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

zwangsweise. Wieviel dabei enteignet wird, ist wesentlich eine finanzielle und technische Frage. Das Gelände muß genügend tief sein, um eine Bebauung zu ermöglichen; mehr aber wiederum ist nicht notwendig. Wenn also noch keine Einteilung in Baublocks stattgefunden hat und ein sehr tiefes Gelände an einer einzigen Straße liegt, genügt es, wenn eine regelrechte „Zone" enteignet wird. Sind schon Baublocks abgeteilt, so müssen diese wie im Falle 1 unter Umständen ganz enteignet werden. 3. T e c h n i s c h e

Zonenenteignung.

Hier handelt es sich um eine Enteignung, welche vorgenommen werden muß, weil ein geplantes Unternehmen nur bei einer einheitlichen Erfassung des Geländes durchführbar erscheint. Am besten zeigt sich dieser Fall bei den Entpolderungen in den Niederlanden. I n deren tief gelegenen Städten kann sich die Stadterweiterung nur dadurch vollziehen, daß Polder aufgefüllt und bebaubar gemacht werden. Immer aber muß ein ganzer Polder gleichzeitig in Angriff genommen werden, da andernfalls neue Dämme und ähnliche Anlagen notwendig wären und die Auseinandersetzung mit den Deichgenossen Schwierigkeiten bereiten würde. Wenn daher eine Gemeinde auch nur den Teil eines Polders für eine Anlage nötig hat, muß sie dennoch den ganzen enteignen. Das nicht gebrauchte Gelände ist nach Möglichkeit zu verwerten. Der Begriff „Zone" ist i n solchem Falle möglichst weit zu fassen. Man kann ihn nur dahin bestimmen, daß überhaupt irgendwelches Gelände neben der eigentlichen Straße enteignet wird. 4. Z o n e n e n t e i g n u n g z u m Z w e c k e d e r Z u sammenlegung zersplitterten Grundbesitzes. Wenn durch ungünstige Form und übergroße Zersplitterung des Grundbesitzes eine Bebauung ausgeschlossen 1*

W e s e n u n d B e g r i f f der Zonenenteignung.

ist, muß entweder eine Neueinteilung, die sich den vorhandenen Straßenanlagen anpaßt, stattfinden oder aber eine Zusammenfassung des Grundbesitzes in einer Hand. So klar und einleuchtend der Gedanke einer Neueinteilung durch Zusammenlegung und Wiederverteilung erscheint, so viele Schwierigkeiten entstehen dem Plane merkwürdigerweise in der Praxis. Es gibt immer einige Grundbesitzer, die entweder wirklich glauben, bei der Neueinteilung beeinträchtigt worden zu sein, oder verdrießlich sind, daß sie keinen Vorteil herauszuschlagen vermögen, und deshalb lieber das ganze Verfahren durch hartnäckigen Widerspruch vereiteln als sich den Interessen des Ganzen fügen. Aber selbst da, wo — wie in Frankfurt a. M. — gesetzliche Mittel vorhanden sind, um den Widerstand Einzelner zu brechen, entstehen noch Schwierigkeiten. Es ist nicht immer gesagt, daß eine Zusammenlegung wirkliche Vorteile zeitigt. Oft ist das Gelände so zersplittert, daß auch bei zweckmäßigster Neueinteilung die Parzellen zu klein sind, als daß sie geeignete Bauplätze abgeben könnten; es kann dann nur Hilfe geschaffen werden, wenn die große Anzahl zu kleiner Parzellen auf eine geringere Anzahl genügend großer Parzellen zurückgeführt wird. Dieser Zweck wird erreicht durch eine Enteignung des ganzen Geländes und anschließende Neueinteilung in ausreichende Bauplätze. I n solchen Fällen würde es an sich zwar genügen, eine „Zone" von genügender Bautiefe zu enteignen, aber regelmäßig muß auch hier, wie in den andern Fällen, der ganze Baublock enteignet werden, damit nicht in der Mitte einige unbenutzbare Parzellen liegen bleiben. Eine andere Einteilung, welche die vorige durchkreuzt, aber legislatorisch meist angewendet wird, ist folgende: a) E n t e i g n u n g u n b e b a u t e n G e l ä n d e s . Hier handelt es sich um sozialpolitische oder um finanzielle Zonenenteignung. Das Gelände wird genommen, um entweder Eigentümer, welche es gewaltsam vom Markte zu-

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

rückhalten, zu einer Verwertung zu zwingen oder um das Gelände nach Anlage der Straßen und sonst notwendigen Anlagen mit Gewinn wieder zu veräußern. b) E n t e i g n u n g b e b a u t e n G e l ä n d e s . Solche Enteignung findet statt, um Straßendurchbrüche zu ermöglichen. Bei diesen werden regelmäßig Grundstücke in unwirtschaftlicher Weise angeschnitten, so daß die Bebauung der Durchbruchstraße meist auf Schwierigkeiten stößt. Dem wird abgeholfen, indem das Gelände an den Seiten in größerem Umfange enteignet wird. Dazu lassen sich durch Weiterveräußerung dieses Geländes Gewinne erzielen, welche die Ausführung des Unternehmens erleichtern. c) E n t e i g n u n g z e r s p l i t t e r t e n G e l ä n d e s . Solche Enteignung erstreckt sich nur auf kleine, im Gemenge mit anderen liegende Parzellen, welche entweder notwendig sind zur Arrondierung eines im öffentlichen Besitze befindlichen Grundstückes, das verwertet werden soll, oder derart an einer Straße gelegen sind, daß sie nur durch Zusammenlegung mit anderen Grundstücken bebauungsfähig gemacht werden können. Es handelt sich mit anderen Worten um sogenannte Neidstücke, welche die Verwertung eines Geländes unnötig verteuern oder gar unmöglich machen. Alle obenerwähnten Arten der Zonenenteignung kommen hier in Frage. Um es gleich vorweg zu nehmen: der Antrag Adickes im Herrenhause betraf ursprünglich nur die Enteignung unbebauten Geländes; die Kommission des Herrenhauses dehnte ihn aber auf bebautes Gelände aus. Der Antrag Glässing in der Zweiten Hessischen Kammer dagegen betraf nur die unter c) genannte Enteignung. Es ist k l a r , daß diese einzelnen Arten der Zonenenteignung etwas grundverschiedenes sind, nicht nur äußerlich, sondern auch ihrem Wesen nach. Was sie gemeinsam haben, ist lediglich der Umstand, daß mehr Gelände enteignet wird, als zur Anlage einer Straße oder eines sonstigen

(5

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

Unternehmens notwendig ist: eben einer Zone. Und wenn wir uns ganz auf den Boden des Problems stellen, auf das es in heutiger Zeit ankommt, können wir sogar kurzweg sagen: Z o n e n e n t e i g r i u n g i s t E n t e i g n u n g v o n B a u gelände! Die obenerwähnten einzelnen Zwecke verschwimmen in der Praxis zu einem untrennbaren Ganzen, und es ist im einzelnen Falle schwer zu sagen, wer gerade der ausschlaggebende war. Dennoch war es notwendig, sie einzeln festzustellen und zu zerlegen, weil das Wesen der Zonenenteignung häufig mißverstanden wird. Die Idee der Zonenenteignung wird heute durchweg zusammengefaßt mit dem Gedanken, welcher der sogenannten L e x Adickes zugrunde liegt, nämlich Zusammenlegung städtischen Baugeländes. Solche Auffassung beruht indes auf einem Mißverständnis, denn keineswegs sind die beiden Begriffe identisch. Zwar kann, wie oben dargelegt, der Zweck der Zusammenlegung auch auf dem Wege der Zonenenteignung erreicht werden, aber dies ist doch nur ein kleiner Unterfall des Ganzen. Man kann sogar das eine sagen: Zonenenteignung in diesem Sinne ist die einzige, welche bis heute noch k e i n e praktische Anwendung gefunden hat. Alle anderen Arten sind in Frankreich, Belgien und Holland schon angewendet worden; diese A r t noch nirgends. Daß sie dennoch in Deutschland die am meisten erörterte A r t der Zonenenteignung ist, muß zurückgeführt werden auf die Propaganda durch Oberbürgermeister Adickes. Dieser hat in seinen juristischen Abhandlungen — ich komme noch auf sie zurück — stets die Zusammenlegung und die Zonenenteignung gemeinsam behandelt, dann aber auch in seinen beiden Gesetzesvorschlägen sie vereint. Praktisch ließ sich dies wohl rechtfertigen, logisch ist es eine Unrichtigkeit. Zonenenteignung und Zusammenlegung sind als logische Begriffe keineswegs zwei Kreise, die ineinanderliegen oder gar sich decken, sondern zwei Kreise von sehr verschiedener Größe, die sich nur in ver-

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

hältnismäßig kleinem Umfange schneiden. Die Zonenenteignung ist der bedeutend weitere Begriff. Die Tatsache, daß unser Rechtsinstitut sich bisher auf deutschem Boden noch kein Heimatsrecht erwerben konnte, ist auch wohl die Ursache dafür, daß es in der deutschen Literatur bisher sehr stiefmütterlich behandelt worden ist. Über das eigentliche Thema finden sich eingehendere Arbeiten noch nicht; zu nennen sind vielmehr nur zwei Aufsätze von A d i c k es und einer von O e r t m a n n . A d i c k es hat die Zonenenteignung zum ersten Male wissenschaftlich behandelt in einem Aufsatze in B r a u n s Archiv (1893, S. 357—383), aber wesentlich vom wirtschaftlichen Standpunkte aus, ohne auf die juristische Seite, auf die es ankommt, einzugehen. Er bezeichnet als den Zweck der Zonenenteignung: 1. die Herstellung zweckmäßiger Baugrundstücke neben den neu angelegten Straßen und Plätzen; 2. eine rationelle Regelung der Deckung der für die neuen Straßenanlagen aufzuwendenden Kosten. I n seinem weiteren Aufsatze im Handwörterbuch der Staatswissenschaften (Bd. V I I , S. 1055 ff.) nimmt er zwar auch zu der Frage der rechtlichen Zulässigkeit Stellung, aber ohne seine Ansicht zu begründen. E r sagt n u r : „ A n sich ist übrigens die Möglichkeit einer Verleihung „des Enteignungsrechtes in Bezug auf das neben den Straßen „gelegene Gelände durch königliche Verordnung in Preußen „rechtlich nicht zweifelhaft." Diese Ansicht wird bekämpft von O e r t m a n n , welcher in der Kommunalen Rundschau vom 31. Januar 1908 in längeren Ausführungen erwähnt, eine Zonenenteignung sei heute rechtlich noch nicht zulässig. Er beschränkt sich dabei auf die wirtschaftliche Seite der Frage, ohne auf die juristische einzugehen. Was

im übrigen

speziell über Zonenenteignung ge-

W e s e n u n d B e g r i f f der Zonenenteignung.

schrieben worden ist, betrifft hauptsächlich die technische Frage der Stadterweiterung. So spricht sich S t ü b b e n in seinem „Städtebau" (S. 285 ff.) für die Zonenenteignung aus. Dasselbe tut er in Gemeinschaft mit R. B a u m e i s t e r und J. C l a s s e n in Heft I I der Denkschriften des Verbandes deutscher Architekten und Ingenieurvereine („Die Umlegung städtischer Grundstücke und die Zonenenteignung"). Dagegen w i l l M e y n in seiner trefflichen Monographie über „Stadterweiterungen in rechtlicher Beziehung" von dem Institut wenig wissen. E r nennt es „einen durch nichts zu rechtfertigenden Eingriff in die bestehenden Grundlagen des Rechts" und meint, wenn die Zonenenteignung keinen anderen Zweck habe, als geeignete Bauplätze zu schaffen, lasse sich dieses Ziel viel einfacher durch eine Zusammenlegung im Sinne von Adickes erreichen. Er gibt im übrigen eine gute Zusammenstellung des bestehenden Rechts auch in historischer Hinsicht, geht aber auf die Frage, wieweit die Zonenenteignung heute in Deutschland als zulässig bezeichnet werden kann, nicht näher ein. Von denjenigen Schriftstellern, die gelegentlich die Zonenenteignung im Rahmen anderer Untersuchungen streifen, ist zuerst G r ü n h u t zu nennen. Dieser meint in seinem „Enteignungsrecht" (S. 83, Anm. 1), es sei eine sehr bedeutende und nicht ungefährliche Ausdehnung dem Begriffe des allgemeinen Interesses dadurch gegeben worden, daß i n einigen neueren Gesetzen die bloße Annehmlichkeit zur Rechtfertigung der Enteignug für genügend erklärt worden sei. E r nennt dann die ausländischen Gesetze, welche die Zonenenteignung betreffen. Zum Schlüsse meint er: „Unter dieser anscheinenden Förderung des allgemeinen Interesses liegt in der Tat eine große Gefahr für das allgemeine Interesse verborgen." Noch schärfer als G r ü n h u t urteilt v. R o h l a n d in seiner Schrift „ Z u r Theorie und Praxis des deutschen Enteignungsrechtes". E r stimmt mit G r ü n h u t darin überein,

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

daß die bloße Annehmlichkeit als Enteignungsgrund nicht genüge, legt dann aber dar, daß hiermit die Bedeutung der von G r ü n h u t genannten französischen Gesetze nicht erschöpft sei. „Das V e r w e r f l i c h e in denselben besteht vielmehr darin, daß mehr Grund und Boden als zur Ausführung des Unternehmens notwendig ist, enteignet werden darf, um aus dem Erlös des wiederveräußerten Überschusses die Kosten der Anlage ganz oder teilweise zu bestreiten" (S. 22, N. 3). Wesentlich derselben Ansicht ist O t t o M a y e r , der auch diese Stelle von R o h l a n d zitiert, in seinem Deutschen Verwaltungsrecht (Bd. I I , S. 13). Er sagt da: „Aber auch gelegentlich der Besorgung von Angelegenh e i t e n der öffentlichen Verwaltung kann die Enteignung „nicht benutzt werden, um Grundstücke zu erwerben, die „nicht dem Unternehmen selber dienen, sondern durch ihre „Weiterveräußerung einen Gewinn abwerfen sollen. Wenigstens ist die normale Enteignung für solche Spekulation „nicht gegeben; die Gesetze gestatten es ausnahmsweise." „Unzulässig ist in diesem Sinne auch die Enteignung, „wenn es sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse „zwischen den Einzelnen zu ändern, so daß das Grundstück „gar nicht an ein öffentliches Unternehmen übergeht. Man „denke etwa an eine Enteignung von Großgrundbesitz zur „Verteilung an die Bauern, oder von Fabriken behufs genossenschaftlicher Unternehmungen der Arbeiter." I m ersten Absatz verurteilt also O t t o M a y e r die finanzielle Zonenenteignung, im zweiten die sozialpolitische. Man kann demnach wohl annehmen, daß er jede Zonenenteignung absolut — losgelöst von den zeitlichen Verhältnissen — für unzulässig erachtet. Einen anderen Standpunkt nimmt G e o r g M e y e r ein, der fast zur selben Zeit (1895), als O t t o M a y e r sein deutsches Verwaltungsrecht herausgab, i n einer kleinen

W e s e n u n d B e g r i f f der Zonenenteignung.

Schrift: „Der Staat und die erworbenen Rechte" zu der Frage Stellung nahm. (S. 34 ff.) Er billigt dort im Prinzip die Zonenenteignung in jeder Hinsicht, auch die finanzielle. Letzteres durch einige Sätze, von denen man annehmen könnte, sie stammten aus einer zwölf Jahre später verfaßten Begründung einer kommunalen Wertzuwachssteuerordnung: „Es ist nicht einzusehen, weshalb die Wertsteigerung, „welche die an einer durch Durchbruch neugeschaffenen „Straße liegenden Grundstücke erfahren, lediglich denjenigen „Personen zugute kommen soll, welche zufällig Besitzer „gerade dieser Grundstücke sind. Ist es nicht billig, daß „ ein Teil dieser Wertsteigerung für die Gemeinde, also für „ die Gesamtheit der steuerzahlenden Bürger in Anspruch „genommen w i r d ? " Leicht entschlossen urteilt hier der Jurist über die schwierigsten nationalökonomischen Probleme, läßt aber leider die juristische Kardinalfrage, um die es sich hier handelt, nämlich ob die Zonenenteignung nach dem heutigen Stande des deutschen Verwaltungsrechtes schon zulässig ist, unbeantwortet. Er billigt die Zonenenteignung nur aus allgemeinen Rechtsprinzipien heraus de lege ferenda. Wesentlich auf demselben Standpunkt steht Fr. J. N e u m a n n in seiner Schrift: „Die Steuer und das öffentliche Interesse." (S. 231.) Obwohl Nationalökonom behandelt N e u m a n n die Frage in einer den Juristen interessierenden Weise, indem er ihre Beantwortung herleitet aus dem allgemeinen Begriffe des öffentlichen Interesses im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Interessen der Einzelnen. E r sagt bei diesen Auseinandersetzungen u. a.: „ J a , es mag, um an sich in besonders hohem Maße „wünschenswerte Unternehmungen ins Leben rufen zu „können, unter Umständen sogar gerechtfertigt sein, eine

W e s e n u n d B e g r i f f der Z o n e n e n t e i g n u n g .

„Vereinigung von Expropriationen und Besteuerung derart „eintreten zu lassen, daß man z. B. zur Herstellung neuer „Stadtviertel in großen Städten auch sogenannte Zonen„expropriationen, d. h. solche Zwangsenteignungen für ber e c h t i g t erklärt, bei denen nicht nur die zum bezüglichen „Unternehmen direkt zu verwendenden Flächen, sondern zur „Erleichterung der Steuerkasse auch diejenigen Terrains „expropriiert werden können, welche in gewissen Grenzen „von den neuen Straßenanlagen Gewinn haben, dementsprechend also später mit Vorteil veräußert werden „können." N e u m a n n also hält ebenso wie G e o r g M e y e r eine Zonenenteignung aus allgemeinen Gesichtspunkten heraus de lege ferenda für zulässig, ohne sich, wie auch nicht anders anzunehmen, über die juristische Seite zu äußern. Ein Buch, in dem man eigentlich eine eingehende Stellungnahme zu unserer Frage erwarten sollte, ist das von L a y e r : „Prinzipien des Enteignungsrechtes". Es findet sich jedoch nichts darin. Aus dem Umstände aber, daß L a y e r das ganze Enteignungsrecht auf soziale Gesichtspunkte stützt, kann man wohl mit Recht annehmen, daß eine Zonenenteignung seinen Beifall finden würde. Bei der Ausführlichkeit seiner Schrift ist es immerhin wunderbar, daß er die Materie nicht auch expressis verbis berührt. Die Literatur über die Zonenenteigung ist hiernach spärlich genug. Eins aber zeigt sie: die Frage ihrer Zulässigkeit nach heutigem Rechte ist nichts weniger als gelöst. Im Gegenteil, der einzige fachmännische Jurist aus unseren Tagen — O e r t m a n n — spricht sich gegen die Zulässigkeit aus. Daß die Juristen früherer Jahrzehnte, G r ü n h u t , v. R o h l a n d , — auch O t t o M a y e r ' s Buch datiert von 1896! — diesen Standpunkt einnehmen, kann nicht wunderbar erscheinen. Denn damals lagen alle derartigen Erwägungen noch fern. Auffallend aber ist es, daß die-

W e s e n u n d B e g r i f f der Zonenenteignung.

jenigen Schriftsteller, welche die Frage nicht vom rein formal-juristischen Standpunkte aus, sondern auf rechtsphilosophischer oder wirtschaftlicher Grundlage betrachten, der Jurist G e o r g M e y e r und der Nationalökonom N e u m a n n , aus diesen allgemeinen Erwägungen heraus einen anderen Standpunkt einnehmen. Sie zeigen, daß hier die wirtschaftlichen Anschauungen den formell-juristischen vorauseilen und etwas für zulässig erklären können, was die eigentliche Jurisprudenz noch nicht acceptiert hat. Hat es nun die Jurisprudenz heute acceptiert? Diese Frage möchte ich dadurch lösen, daß ich das Schicksal der Zonenenteignung in anderen Ländern verfolge. Zuerst Frankreich: Hier ist die Zonenenteignung recht eigentlich erfunden worden. Hier wurde sie zuerst angewendet, aber ohne formell und expressis verbis legis eingeführt worden zu sein. Dann Belgien: Hier hat das französische Recht insofern eine Weiterbildung erfahren, als die Zonenenteignung auch formell eingeführt worden ist. Dann Holland: Hier hat man von jeher gewußt, was Zonenenteignung bedeutete, sie aber zuerst aus allgemeinen Gesichtspunkten heraus für unzulässig erachtet, bis allmählich der Geist der Zeit, das Vordringen des sozialen Gedankens, dem Institut das Bürgerrecht verschaffte. Das Studium der Rechtsentwicklung in diesen Ländern wird uns die Möglichkeit verschaffen, den materiellen — nicht nur den formellen — Stand auch des Preußischen Verwaltungsrechtes in dieser Frage zu beurteilen.

Frankreich. Die Ausbildung eines formellen und juristisch durchgearbeiteten Enteignungsrechtes findet sich zuerst in Frankreich. Es lag im Wesen der Dinge, daß die Revolution, als sie sich damit befaßte, die Rechte des Individuums gegenüber der öffentlichen Gewalt zu präzisieren , auch Grundsätze schaffen mußte, nach denen das Eigentumsrecht sich künftig sollte handhaben lassen. Man begann mit dem bekannten und weit über Frankreichs Grenzen hinaus vorbildlich gewordenen A r t i k e l 17 der Menschenrechte und der Verfassung von 1791 : „ L a propriété étant un droit inviolable et sacré, nul „ne peut en [être privé si ce n'est lorsque la nécessité „publique, légalement constatée, Vexige évidemment et sous „la condition d'une juste et préalable indemnité." Über das Verfahren, insbesondere die Entschädigung, wurden einige Bestimmungen getroffen durch ein Dekret vom 4. A p r i l 1793. Fast genau dasselbe sagt die Verfassung vom 24. Juni 1793 in ihrem A r t i k e l 19: „Nul „propriété „nécessité „condition

ne peut être privé de la moindre portion de sa sans son consentement, si ce n'est lorsque la publique légalement constatée l'exige, et sous la d'une juste et préalable indemnité."

Während also zunächst eine utilité publique verlangt w i r d , tritt noch eine Feststellung dieses öffentlichen

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Frankreich.

Interesses nach Maßgabe eines — noch zu erlassenden! — Gesetzes hinzu. Genauere Bestimmungen ergingen aber nicht; vielmehr macht die Verfassung vom 22. August 1795 einen entschiedenen Schritt zurück, indem sie durch Artikel 5 über das Eigentum die alleinige Bestimmung trifft: „ L a propriété est le droit de jouir, de disposer de ses „biens, de ses revenues, du fruit de son travail et de son „économie." Eine Formulierung, mit der juristisch so ziemlich überhaupt nichts anzufangen ist. F ü r das Verfahren blieb noch in Geltung das Dekret vom 4. A p r i l 1793, durch welches angeordnet wurde, daß der Konvent ein Dekret erlassen müsse, um die Enteignung einzuleiten, und daß unparteiische Sachverständige die Abschätzung vornehmen sollen. A u f Grund dieser Bestimmungen erging auch ein Dekret betr. die Enteignung und Niederlegung eines Gehölzes, das „durch seine nahe Lage zu den großen Straßen den Wanderern gefährlich wurde." I m übrigen hatte man damals andere und wichtigere Sachen zu t u n , als sich mit den Einzelheiten des Enteignungsrechtes zu befassen. Eine genauere Formulierung brachte erst wieder der Code Napoléon in seinem A r t i k e l 545 : „ N u l ne peut être contraint de céder sa propriété , si „ce n'est pour cause d'utilité publique et moyennant une „juste et préalable indemnité." Damit waren wesentlich die alten Voraussetzungen wiederhergestellt. Es fragte sich aber, wie und von wem nun künftig die Enteignungen sollten vorgenommen werden, allein durch die Exekutive oder unter Mitwirknng der Legislative, soweit man unter dem ersten Kaiserreich von einer solchen reden konnte. Der Staatsrat hatte sich mit dieser Frage zu befassen und erließ am 18. August 1807

Frankreich.

ein „Avis du conseil d'Etat sur l'exécution de l'article 545 Code Napoléon", das, wenn es nicht den monumentalen Stil des Kaisers selbst verrät,^ zum mindesten Zeugnis gibt, daß der Staatsrat seine Intentionen begriffen hatte. Ich greife aus dem Schriftstück folgende Sätze heraus: „ L a l o i n'est autre chose qu'une règle commune aux c i t o y e n s : elle é t a b l i t les principes généraux sur lesquels reposent leurs droits politiques et c i v i l s . L e p o i n t de s a v o i r si l a règle a été v i o l é e dans l ' a p p l i c a t i o n au d r o i t d ' u n p a r t i c u l i e r , est une simple question de f a i t ; i l s'agit alors d'exécuter l a règle et n o n d'en créer une nouvelle. L a société a i n t é r ê t à ce que le p r i n c i p e ne soit changé que par l a même a u t o r i t é q u i l ' a é t a b l i ; l ' i n t é r ê t social n'est p o i n t blessé par l'erreur, n i même p a r l ' i n j u s t i c e dans l a décision d u f a i t p a r t i c u l i e r ; c'est u n p r é j u d i c e i n d i v i d u e l . L e s lois les p l u s sages et les plus claires n'empêcheront j a m a i s q u ' i l y a i t des erreurs o u des i n justices dans l e u r a p p l i c a t i o n . O n a toujours regardé comme une garantie p o l i t i q u e que la môme a u t o r i t é q u i f a i t la l o i ne soit pas chargée de l'exécuter. I l est d ' a i l l e u r s impossible que l a l o i i n t e r vienne alors avec sûreté et avec d i g n i t é : avec sûreté, parce que l a question de f a i t dépend le p l u s s o u v e n t de connaissances locales, et que le corps l é g i s l a t i f n'est p o i n t organisé p o u r é c l a i r i r et p o u r j u g e r des questions de f a i t . " etc. etc.

Es ist vielleicht kein Satz in diesem A v i s , der sich nicht mit Gründen des Staats- und Verwaltungsrechtes ad absurdum führen ließe. Die ganze A r t des Schreibens zeigt aber, wie gewaltig großzügig jene Regierung des Kaisers ihres Amtes waltete, und gerade diese immense Sicherheit des Stiles, jenes hohe Darüberstehen über Prinzipien und Tatsachen läßt das Gefühl aufkommen, daß unter dieser Regierung wirklich nur zum öffentlichen Nutzen, dann allerdings auch rücksichtslos expropriiert werden würde. Tatsächlich mögen auch Fälle vorgekommen sein, in denen sich die Regierung über alle Bedenken hinweggesetzt hat; im ganzen aber hat man die Enteignung nicht so gehandhabt, wie man es nach jenem Avis vermuten könnte, sondern man hat im Gegenteil die Enteignung noch weiter durch Gesetze formellrechtlich ausgestaltet. Soviel über die französische Enteignung im allgemeinen.

Frankreich.

Es zeigt sich, daß die allgemeinen Normen und Begriffe, auf denen das Enteignungsrecht sich heute in internationaler Weise aufbaut, wesentlich in Frankreich geprägt worden sind, eine Schöpfung der Revolution. Noch weiter aber den französischen Verfassungen nachzugehen lohnt nicht; sie bringen wesentlich Neues nicht mehr. Sie geben den Sinn des Artikels 17 der Menschenrechte mehr oder minder wortgetreu wieder, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen. Daneben aber sind noch eine Reihe von Gesetzen ergangen, welche unsere Frage direkt berühren, und zu diesen müssen wir uns jetzt wenden. Eine eigentliche Zonenenteignung hat Napoleon nicht geschaffen, aber mehrere Gesetze von ihm ergänzen sich i n einer Weise, daß schließlich doch im wesentlichen das Ergebnis herauskommt. Zuerst das Gesetz vom 16. Juni 1807, die erste Betterment- bzw. Wertzuwachssteuerordnung, wie man mit vollem Rechte sagen kann und wie A d o l f W e b e r 1 zuerst hervorgehoben hat. Es wird hier in A r t i k e l 30 gesagt : „Lorsque, par suite de travaux — par l'ouverture de „nouvelles rues, par la formation de places nouvelles, par la „construction de quais, ou par tous autres travaux publics, „généraux, départementaux ou communaux, ordonnés ou „approuvés par le gouvernement, des propriétés privées „auront acquis une notable augmentation de valeur, ces „propriétés pourront être chargées de payer une indemnité „qui pourra s'éléver jusqu'à la valeur de la moitié des avan„tages qu'elles auront acquis." Hinzu kommt das Gesetz betr. die Austrocknung von Sümpfen vom 16. Sept. 1807, welches, über den Wortlaut der Überschrift weit hinausgehend, in seinem § 53 besagt: „ A u cas, où par les alignements arrêtés, un propriét a i r e pourrait recevoir la faculté de s'avancer sur la voie 1

Ü b e r B o d e n r e n t e u n d B o d e n s p e k u l a t i o n S. 183.

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„publique, il sera tenu de payer la valeur du terrain qui lui „.sera cédé. Dans la fixation de cette valeur, les experts „auront égard à ce que le plus ou moins de profondeur du „terrain cédé, la nature de la propriété, le reculement du „reste du terrain bâti ou non bâti, loin de la nouvelle voie peut „ajouter ou diminuer de valeur relative pour le propriétaire. „ A u cas où le propriétaire ne voudrait point acquérir, „l'administration publique est autorisée à le déposséder de „l'ensemble de sa propriété, en lui en payant la valeur telle „qu'elle était avant l'entreprise de travaux." Aus diesen Gesetzen geht klar hervor, daß Napoleon damals eine Bodenpolitik für rechtlich zulässig hielt, die sich heute in Deutschland erst langsam durchzusetzen beginnt. Betterment, Wertzuwachsabgabe, Enteignung im Dienste der Bodenpolitik und der Grundgedanke der L e x Adickes sind in den genannten Gesetzen enthalten. Es wird das Prinzip aufgestellt, daß die Gemeinde Anteil haben soll am Wertzuwachs des Bodens, die öffentliche Gewalt beansprucht es, den Einzelnen zu zwingen, seinen Bauplatz zu arrondieren, oder ihn abzutreten. Dazu erklärt der Staatsrat, daß nur die Exekutive darüber zu befinden habe ob ein Enteignungsfall vorliege; das Gesetz verlangt nur eine utilité publique. Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß unter Napoleon eine Zonenenteignung möglich war, wenn auch ein Anwendungsfall nicht nachzuweisen ist. U m gleich hier das vorweg zu nehmen, was weiter unten den Kernpunkt meiner ganzen Ausführungen bilden wird : ich folgere die Zulässigkeit der Zonenenteignung aus der Auslegung des Begriffes utilité publique, wie sie durch die beiden Gesetze von 1807 gegeben ist. Wenn eine Bettermentabgabe und eine „Eineignung" — so lautet der heutige terminus technicus — im Interesse öffentlich-rechtlicher Bodenpolitik für zulässig erklärt werden und die B r e d t , Zonenenteignung.

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Enteignung schlechthin aus öffentlichem Interesse zulässig ist, dann muß man folgern können, daß auch eine Enteignung im Dienste öffentlich-rechtlicher Bodenpolitik zulässig ist, und das ist eben nichts anderes als die Zonenenteignung. Die Entscheidung liegt hier wie überall bei der Auslegung des Begriffes „öffentliches Interesse", und hier läßt die Festlegung des Begriffes — mit Bezug auf die Bodenpolitik — durch Napoleon an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die genannten Bestimmungen gelten auch heute noch in Frankreich und in Elsaß - Lothringen -, in ihrer Ergänzung hat die französische Rechtsprechung auch ein R e c h t des Anliegers auf das betreffende Straßenstück herausgebildet. Eine eigentliche Zonenenteignung ist jedoch in den darauf folgenden 30 Jahren, soweit bekannt, nicht vorgekommen. Es liegt aber im Rahmen unseres Themas, den Begriff des öffentlichen Interesses in Bezug auf diesen P u n k t , wie er vom französischen Recht fernerhin herausgebildet worden ist, weiter zu verfolgen, und da ist festzustellen, daß Napoleon selbst seine Ansichten nicht ganz aufrecht erhalten hat. Man geht wohl nicht fehl, wenn man seine häufige längere Abwesenheit und die Notwendigkeit, die innere Verwaltung größtenteils den Ministern und Präfekten zu überlassen, als Grund dafür ansieht, daß er sich dazu entschloß, das Enteignungsrecht mit mehr Kautelen zu versehen und das ordentliche Gericht bei dem Verfahren zu beteiligen. E r leitetè diese A k t i o n ein mit einem von ihm selbst verfaßten Erlaß, d. d. Schönbrunn, 29. September 1809, aus dem folgenden Sätze interessieren: „ O n doit d'abord définir quelles sont les formes qui „constatent l'utilité publique. I l faudrait que ce fût un „sénatus - consulte, une loi ou un décret délibéré en con1

Dalloz,

M e y n S. 44.

Jurisprudence

générale, 1861, I , S. 284, z i t i e r t b e i

Frankreich.

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„seil d'Etat. S'il prend fantaisie à un préfet d'augmenter „la préfecture, la prison ou l'hôpital d'un jardin ou d'une „aile, ce ne doit pas être une raison pour exproprier aucun „citoyen, s'il n'y a d'abord eu de décret. Qui dira que cela „est utile, et qu'en conséquence, les propriétaires seront „tenus de faire la cession de leurs propriétés moyennant les „formes voulues par la loi et les usages? Ainsi le conseil „seul aurait le droit de déclarer les travaux qui seraient „dans le cas de j o u i r de ce privilège." Der Kaiser legt weiter ausführlich dar, welche Bedenken sich ergeben können. E r setzt den F a l l , daß der Eigentümer auf Verlangen des Präfekten den Enteignungsfall als gegeben ansieht und sich zu einer freiwilligen Abtretung entschließt. I n diesem Fall muß ihm eine Garantie gegeben werden, daß er die Entschädigung auch bezahlt bekommt. Dies soll durch eine Beteiligung des Kaiserlichen Prokurators ermöglicht werden. Weiter w i r d der Fall angenommen, daß der Eigentümer nicht einverstanden ist und das Vorliegen eines Enteignungsfalles bestreitet. I n diesem Falle soll es dem Präfekten freistehen, an das ordentliche Gericht zu appellieren, und der Eigentümer soll gehalten sein, sich auf eine Verhandlung einzulassen. Hierbei muß der Kaiserliche Prokurator beweisen, daß ein Beschluß des Staatsrates, wie erwähnt ist, vorliegt. Ist das der Fall, so urteilt das Gericht, daß die Enteignung stattfinden soll, andernfalls wird die Klage des Präfekten ohne Möglichkeit einer Appellation abgewiesen. Es folgen dann noch genauere Ausführungen über Festsetzung und Auszahlung der Entschädigung, die hier nicht interessieren. Ihren gesetzlichen Niederschlag fanden diese Intentionen des Kaisers in dem Gesetze vom 8. März 1810, das in den Rheinlanden bis 1874 in Geltung blieb, in Frankreich selbst durch die folgenden Gesetze aufgehoben wurde. Seine ersten Artikel lauten : 2*

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„1. L'expropriation pour cause d'utilité publique „s'opère par l'autorité de la justice. „2. Les tribunaux ne peuvent prononcer l'exprop r i a t i o n qu'autant que l'utilité en a été constatée dans les „formes établies par la loi. „3. Ces formes consistent: 1. dans le décret impérial „qui seul peut ordonner des travaux publics ou achats de „terrains ou édifices destinés à des objets d'utilité publique; „2. dans l'acte du préfet qui désigne les localités ou territ o i r e s sur lesquels ces travaux doivent avoir lieu, lorsque „cette désignation ne résulte pas du décret même, et dans „l'arrêté ultérieur par lequel le préfet détermine les propriétés „particulières auxquelles l'expropriation est applicable." Man sieht, das Gesetz ist doch anders ausgefallen, als der Kaiser es anfangs vorhatte. E r selbst ist derjenige, in dessen Hand die grundsätzliche Entscheidung liegt, aber dem Gericht ist eine gewisse Mitwirkung zugestanden, indem es formell die Zulässigkeit der Enteignung ausspricht. Uns interessiert hier hauptsächlich die Frage, was unter der utilité publique verstanden wird und da finden wir wieder den bloßen Begriff, ohne irgendwelche Umgrenzung. Dem Kaiser bleibt es überlassen, ihn auf den Einzelfall anzuwenden, und den Gerichten ist lediglich die Prüfung der Frage, ob die Formalitäten beobachtet sind, überlassen. Dieser Zustand hat sich auch für die Folgezeit erhalten. Die Gesetze vom 7. J u l i 1833 und vom 3. Juli 1841 bringen Neuerungen in Bezug auf das Verfahren, die Festsetzung und Auszahlung der Entschädigung (Geschworene) und anderes mehr, lassen aber den eigentlichen Kardinalpunkt, die Zulässigkeit der Enteignung, unberührt. Die ersten Paragraphen der beiden Gesetze sind eine beinahe wörtliche Wiedergabe der entsprechenden aus dem Gesetze von 1810, nur daß an die Stelle des décrét impérial natürlich die ordonnance royale tritt. Ferner wurde bestimmt, daß für

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große öffentliche Bauten, Straßen, Kanäle, Eisenbahnen, Bassins, Docks usw. allemal ein Gesetz erforderlich sei. In den übrigen Fällen sollte Königliche Verordnung genügen. E i n Gesetz von 1848 dehnte die Zuständigkeit der Königlichen Verordnung auch auf Departementalstraßen aus. Unter dem Kaiserreich bestimmten Sénatus-consultes interprétatifs vom 15. Dezember 1852 und vom 31. Dezember 18(31, daß für alle Fälle ein Dekret des Kaisers genügen solle. Nur die Staatsausgaben sollten noch ein Gesetz erfordern. Am 27. J u l i 1870 wurde die Zuständigkeit der Legislative für größere Unternehmungen wieder hergestellt. Unter der Herrschaft des Gesetzes von 1841 erfolgte in Frankreich der eigentlich entscheidende Schritt, der die Frage der Zonenenteignung löste, die Verlängerung der Rue de Rivoli im Jahre 1848. Das diesbezügliche, im Bulletin des lois abgedruckte Dekret der provisorischen Regierung vom 3. Mai 1848 lautet: „Art. 1. Le projet de prolongation de la rue de „Rivoli depuis la place de l'Oratoire jusqu'à la rue Saint „Antoine est approuvé. „ A r t . 2. Son exécution est declarée d'utilité publique. „Art. 3. L a ville de Paris est autorisée à acquérir en „totalité toutes les propriétés qui seront atteintes par le „percement et à revendre les portions qui resteront en dehors „des alignements en les lotissant pour la construction de „maisons d'habitation bien aérées. „Art. 4. Les expropriations seront poursuivies dans les „formes tracées par la loi du 3. Mai 1841. I n diesen Bestimmungen ist geradezu ein Musterbeispiel von Zonenenteignung enthalten, und man muß sich fragen, wie es kommt, daß die provisorische Regierung den Mut fand, so entschieden vorzugehen, und wie sich die Neuerung gerade in dieser Zeit erklärt. Bestimmt gesagt ist es nirgends, es ist aber nicht schwer, sich ein Bild darüber zu machen.

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I m Februar 1848 war die Regierung Louis Philipps gestürzt worden und das sogenannte Provisorische Regiment an ihre Stelle getreten. Dieses bestand keineswegs aus ausgesprochenen Sozialisten, aber seine Richtung ging, wie es die ganze Idee dieser Revolution schon mit sich brachte, der reinen Bourgeoisie entgegen. Und was diese Richtung noch erheblich in ihrer W i r k u n g verstärkte, war die Tatsache, daß Louis Blanc es verstanden hatte, sich als Mitglied dem Provisorischen Regimente anzuschließen. E r war es, der das Recht auf Arbeit proklamierte, und der die Einrichtung der Nationalwerkstätten betrieb, und man geht wohl nicht fehl, wenn man den Plan einer Verlängerung der rue de Rivoli in dieser Form ebenfalls mit auf seine Intentionen zurückführt. Es mußte zu damaliger Zeit einmal darauf ankommen, für neue Arbeit zu sorgen, dann aber auch möglichst wenig Geld auszugeben, d. h. die Arbeit möglichst produktiv zu gestalten. I n solchen Fragen war die Zonenenteignung der gegebene Ausweg. Was juristisch an der Sache bedeutungsvoll scheint, ist die Tatsache, daß man hier mit dem alten Begriffe der utilité publique auskam. Man hat keineswegs neue Rechtsregeln geschaffen oder auch nur neue Prinzipien aufgestellt, sondern man hat einfach die vorhandenen Rechtsregeln dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Zustande angepaßt. Die vorhandene Arbeitslosigkeit, die Ebbe in den öffentlichen Kassen waren mächtiger als alle juristischen Lehren ^und Deduktionen und wandelten den Begriff des öffentlichen Interesses um, vermutlich ohne daß die maßgebenden Personen über die juristische Tragweite ihrer Handlung überhaupt ins Klare gekommen sind. Eine ähnliche A k t i o n erfolgte zwei Jahre später unter der Ägide Louis Napoleons. Es handelte sich um die Beseitigung ungesunder Quartiere in Paris. Z u diesem Zwecke erging ein Gesetz vom 13. A p r i l 1850, welches folgendes bestimmte :

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Die Regierung erhielt das Recht, in Quartieren, deren ungesunde Beschaffenheit auf dauernde Eigenschaften zurückzuführen und nur durch umfassende Maßregeln zu beseitigen war, das ganze Gelände, auf das sich der Sanierungsplan erstreckte, zu enteignen, es durch neue Fluchtlinien zweckmäßig einzuteilen und nach Ausbau der Straßen das übrig bleibende Baugelände weiter zu veräußern. Das sonst den Eigentümern im ordentlichen E n t eignungsverfahren zustehende Vorkaufsrecht auf die Grundstücksreste wurde aufgehoben. Hierin ist auch wohl der Grund zu suchen für die an sich merkwürdige Tatsache, daß man ein neues Gesetz für erforderlich hielt. Das Verfahren richtete sich nach dem vorhandenen Gesetze von 1841. Weiter erging unter dem 26. März 1852 ein Dekret Louis Napoleons, das gewissermaßen die Ergänzung zu dem vorigen Gesetze bildet. Die Regierung erhielt dadurch das Recht, sämtliche Immobilien, welche zur Erbreiterung, Geradelegung usw. von Straßen überhaupt angeschnitten wurden, zu enteignen, sofern die restierenden Grundstücke nicht mehr geeignet erschienen, Bauplätze für gesunde und gute Wohnungen abzugeben. Außerdem sollte alles Gelände enteignet werden können, das notwendig war, um alte öffentliche aber nun für überflüssig erachtete Wege in Bauplätze zu verwandeln. Die in die Fluchtlinien fallenden Geländestreifen, welche in das öffentliche Eigentum gelangt waren, aber keine selbständigen Bauplätze abgeben konnten, sollten nach dem Gesetze vom 16. September 1807 von den Eigentümern der angrenzenden Bauplätze übernommen werden, widrigenfalls die ganzen Bauplätze enteignet werden sollten. Schließlich wurde die Möglichkeit vorgesehen, die Bestimmungen auch auf andere Städte auszudehnen. Letzteres ist auch geschehen, und zwar nicht nur für französische sondern auch für Elsaß-Lothringische Orte. I n Straßburg, Metz und Mülhausen ist das Dekret noch heute i n

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K r a f t 1 ) . Zwei Ausführungsverordnungen vom 27. Dezember 1858 und vom 14. Juni 1876 interessieren hier nicht, weil sie lediglich das Verfahren betreffen. Soweit die französische Gesetzgebung. Sie zeigt uns, daß man das Institut der Zonenenteignung formell niemals eingeführt hat. Man hat sich in Frankreich überhaupt mit diesem Begriffe als solchem kaum abgegeben, er spielt weder in der Gesetzgebung noch in der Literatur eine Rolle. Was aber klar aus der französischen Gesetzgebung und ihrer Handhabung hervorgeht ist die Tatsache, daß man sich nicht gescheut hat, die utilité publique auch da anzuerkennen, wo es sich darum handelte, gesunde Quartiere zu schaffen (sozialpolitische Zonenenteignung) und wo es sich darum handelte, die finanziellen Vorteile einer neuen Straßenanlage der Allgemeinheit zuzuführen (finanzielle Zonenenteigung). Mag auch die Zonenenteignung selten angewendet worden sein, im Prinzip war sie möglich. Das öffentliche Interesse ist den Franzosen kein dialektisch feststehender Begriff, sondern eine Vollmacht für die Exekutive, allemal diejenigen Maßregeln zu ergreifen, die sie für angebracht hält. Nie hat sich letzteres in großartigerer Weise gezeigt als unter der Regierung Napoleons I I I . und der Amtstätigkeit seines Präfekten Haußmann. Dieser hat in den 16 Jahren seiner Amtsführung, 1853—1870, die ganze Stadt Paris in großzügigster Weise umgestaltet. Enge schmutzige Quartiere verschwanden und machten schön und geräumig angelegten Baublöcken Platz; schmale Gassen wurden ersetzt durch breite Straßen, in denen ein Barrikadenbau unmöglich schien. Daß ein solches Vorgehen möglich war, ist nach den angeführten Gesetzen klar. Immerhin etwas zweifelhaft konnte es nur erscheinen, ob das für die Rue de Rivoli aufgestellte Prinzip der finanziellen Zonen1

L e u t h o l d i n H i r t h s A n n a l e n 1879, S. 830, N o t e 3.

Frankreich.

enteignung allgemeine Geltung beanspruchen konnte. Die kaiserliche Regierung hat diese Frage einfach dadurch gelöst, daß sie im gewöhnlichen Verfahren nach den allgemeinen Gesetzen expropriierte. Sie betrachtete die Umgestaltung von Paris als ein Unternehmen der utilité publique und hatte wenig Schwierigkeiten, die vorgesehenen Rechtsmittel, die im Grunde nur auf dem Papiere standen, zu überwinden. Tatsächlich war die Einbeziehung der finanziellen Zonenenteignung auch kaum zu umgehen, wenn das ganze W e r k gelingen sollte. Haußmanns Verwaltung hat das Budget von Paris in dem genannten Zeitraum von 66 auf 225 Millionen Fr. anschwellen lassen. Dazu wurden 848 Millionen F r . Schulden gemacht. Unter solchen Umständen war es k l a r , daß alle Mittel angewendet werden mußten, um weiteres Geld zu schaffen, und so war die finanzielle Zonenenteignung gerade bei diesen Unternehmen eine gegebene Sache. Das beste Beispiel für die Erfolge in dieser Richtung ist der Durchbruch der Avenue de l'Opéra. Dieser war veranschlagt zu 45 Millionen F r . Durch geschickte Enteignung und Wiederveräußerung des erschlossenen Baugeländes wurde ein Gewinn von 12 Millionen Fr. gemacht, und so ermäßigten sich die Kosten des Durchbruchs auf 33 Millionen F r . 1 . Es ist hier nicht der Platz, auf die ganze Boulevardpolitik von Haußmann einzugehen. Sie ist ihrem Wesen nach bekannt und kann in den Einzelheiten hier weniger interessieren. Worauf es uns in juristischer Hinsicht allein ankommt, ist die Tatsache, daß es möglich war, die Zweckbestimmung der schon vorhandenen Enteignungsgesetze soweit auszudehnen, daß eine finanzielle Zonenenteignung möglich war. Nun würde es sich noch fragen, wie die Literatur und die Rechtsprechung sich dazu gestellt haben. Sie verdienen 1

W o c h e n b l a t t f ü r B a u k u n d e 1886, S. 499.

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vornehmlich deshalb hier Beachtung, weil sie berufen gewesen wären, die Sache objektiver Wissenschaft und Jurisprudenz gegenüber kaiserlicher Machtpolitik zu vertreten. Sie haben indes recht wenig geleistet. I n der Literatur haben sich Stimmen für und gegen die Zonenenteignung erhoben. Ihre Gegner scheinen sich aber recht zaghaft nur an die Sache herangemacht zu haben. So sagt z. B. — um einige Schriftsteller zu zitieren, welche während Haußmanns Amtsperiode schrieben — René de Bauny de Récy (Théorie de l'expropriation pour cause d'utilité publique, Paris, 1871): „Nous ne pouvons nous empêcher de protester contre „les extensions journalières d'une mesure aussi grave, et „nous craignons, qu'elles n'aboutissent à de grandes désordres, si Ton continue à envisager l'utilité publique sous „ u n aspect si large. E n y regardant de près, l'on trouve „ l ' E t a t intéressé dans la plupart des actes du citoyen; „l'utilité publique autoriserait donc l'ingérence perpétuelle." L e Loup de Sancy (im Bulletin de la société de législation comparée t. V I , 1877, p. 39) geht auf die Sache ein mit den Worten : „Nous ne devons pas terminer sans dire un mot d'une „extension fort grave que le droit d'expropriation a reçue de „nos jours." Demgegenüber tritt ein bei Fremy-Ligneville (Traité de la législation des bâtiments 1881 I , S. 485) zitierter Schriftsteller sehr energisch für das Prinzip finanzieller Zonenenteignung ein, indem er sagt: „L'exécution d'une rue consiste non seulement dans „l'objet matériel indispensable à son établissement, c'est à „dire dans le terrain sur lequel elle doit être ouverte, mais „encore dans l'ensemble des moyens pécuniaires, soit pour „acquérir ce terrain, soit pour subvenir aux autres dépenses

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„qu'entraîne sa mise en état; voulant le but, il faut autoriser „les moyens d ' y arriver; proposer à une commune sans „ressources de faire des frais qu'elle ne pourrait jamais „supporter c'est exiger l'impossible; c'est empêcher d'une „manière absolue une opération, qu'on suppose cependant „d'utilité générale et urgente, de nécessité même ; c'est moralem e n t lui imposer un obstacle ainsi insurmontable, que si „physiquement on voulait lui faire un canal en remblai sans „chausées ou francs bords, sous prétexte que ces dépendances ne sont pas destinées à un usage public. L ' e x propriation dans un but donné doit porter, non seulement „sur le terrain nécessaire à la chose principale, mais encore „sur celui affecté aux accessoires, sans lesquels cette chose „ne pourrait exister. I c i l'accessoire obligé de la rue, dont „la privation rendrait l'exécution impracticable est le terrain „voisin." I m übrigen scheint unsere Frage der Zonenenteignung auf die französischen Schriftsteller wenig Anziehungskraft auszuüben. Die beiden bekanntesten Bücher, die von Sabattier: (Traité de l'expropriation pour cause d ' u t i l i t é publique, 1860) und Aucoc: (Conférences sur l'administration et le droit administratif, 1879) bringen nichts spezielles, und von weiterer Literatur ist kaum etwas zu verzeichnen Aus letzter Zeit scheint nur die Studie von Noizette vorzuliegen. Aus der Rechtsprechung ist nichts auch nur in etwa hier interessierendes zu berichten, weder aus Sireys Recueil, noch aus Puchelts Zeitschrift für französisches Zivilrecht, noch endlich aus der juristischen Zeitschrift für das Reichsland Elsaß-Lothringen. Die Ursache dafür liegt darin, daß die M i t w i r k u n g des Gerichtes eine bloß formelle ist. Die eigentliche Entscheidung, daß enteignet werden soll, erfolgt durch Dekret der höchsten Stelle oder durch Gesetz, der Umfang der

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Enteignung — dasjenige, worauf es bei der Zonenenteignung ankommt! — durch arrêté de cessibilité des Präfecten (Art. 11 d. G.). Das Enteignungsurteil des Gerichtes (Art. 14 d. G.) hat sich auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob das Verfahren formell in Ordnung ist. Eine Berufung ist nicht vorgesehen, wohl aber der Rekurs an den Kassationshof. E r kann gestützt werden auf die Behauptung von excès de pouvoirs, incompétence, violation de formes. Das eigentlich Entscheidende aber, die Feststellung der utilité publique durch die höchsten Stellen und des Umfanges der Enteignung durch den Präfekten unterliegen der Nachprüfung durch das Gericht nicht, sofern nicht eine formelle Machtüberschreitung nachgewiesen wird. Nur hierauf hat das Gericht zu achten 1 . Und da formelle Fehler, wenn sie wirklich vorgekommen sind, eben redressiert werden, bietet die Rechtsprechung nichts interessantes. „Sachliche Gründe werden bei der freien Würdigung des Vorhandenseins der öffentlichen Nützlichkeit, die dem Staatsoberhaupte zusteht, kaum gefunden werden können 2 ." Allgemein scheint man sich für die Zonenenteignung heute in Frankreich nicht zu interessieren. Man hört von ihr weder praktisch noch theoretisch etwas, und vor allem fehlt das, woran wir am meisten lernen könnten: eine organische Weiterbildung des Rechts ! Dies ist aber wieder insofern nicht allzusehr zu bedauern, als wir hierfür die guten Beispiele von andern Ländern besitzen. Was das französische Recht uns lehren sollte, das haben w i r sowieso, nämlich die auf rechtshistorischer Grundlage beruhende Erkenntnis, wie das ganze Institut der Zonenenteignung überhaupt in die Welt gekommen ist. 1

Cass. v . 9. I V 1877, D a l l o z ,

I , 469, Cass. v . 11. X I 1876.

D a l l o z , I , 70. 2 O t t o M a y e r , F r a n z . V . R . S. 238.

Belgien. Das belgische Enteignungswesen ist vornehmlich deshalb interessant, weil hier auf dem französischen Unterbau das Institut der Zonenteignung weiter ausgebildet und zu einem juristischen — nicht bloß tatsächlichen — Abschluß gekommen ist. Belgien ist dasjenige Land, das die Zonenenteignung bewußt und mit voller Klarheit über ihre Konsequenzen eingeführt hat, im Gegensatz zu Frankreich, wo sie nur gelegentlich und durch eine extensive spätere Auslegung der Gesetze zur Geltung gekommen ist. I n dem heutigen belgischen Rechte muß man vier Entstehungsperioden unterscheiden: die vorfranzösische, die französische, die niederländische und die belgische Zeit. Aus vorfranzösischer Zeit interessieren uns hier keine Gesetze; die französische dagegen hat die heute noch geltende Grandlage des Enteignungsrechtes geschaffen. Die erwähnten Gesetze vom 16. September 1807 und vom 8. März 1810 sind in den damalig französischen Landesteilen, welche das heutige Belgien bilden, naturgemäß zur Einführung gekommen und haben ihre Geltung auch nach der Vereinigung der Länder mit dem Königreiche der Niederlande behalten. Eine Königliche Verordnung vom 25. Dezember 1816 bestimmte sogar ausdrücklich, daß allen Enteignungen auch weiterhin das in Geltung bleibende Gesetz vom 8. März 1810 zugrunde zu legen sei. I m übrigen hat die niederländische Zeit keine Neuerungen auf dem Gebiete der Enteignung geschaffen. Die nachfolgende belgische Zeit beginnt mit der Ver-

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fassung von 1831, welche in ihrem den Menschenrechten nachgebildeten Artikel 11 über Eigentumsentziehungen sagt: „ N u l ne peut être privé de sa propriété que pour cause „d'utilité publique dans les cas et de la manière établie par „la loi, et moyennant une juste et préalable indemnité. 44 U m diese Grundsätze in möglichster Vollkommenheit auch juristisch durchzuführen, erging unter dem 17. A p r i l 1855 ein Gesetz, welches das von 1810 in einigen Punkten abändert. Die Entschädigungsfrage wird näher geregelt und die Mitwirkung des Gerichtes in Bezug auf diesen Punkt genauer bestimmt. Mit dem Begriffe der utilité publique befaßt das Gesetz sich weiter nicht. Die Gesetze haben später noch eine Abänderung erfahren durch ein Gesetz vom 27. A p r i l 1870, welches aber nur die Vereinfachung des Verfahrens betrifft. Nun speziell zur Zonenenteignung. Wie diese in die Belgische Gesetzgebung hineingekommen ist, linden wir auseinandergesetzt bei M. del Marmol*), nämlich durch eine wachsende Ausdehnung des Begriffes öffentliches Interesse. Man gab ursprünglich dem Artikel 11 der Verfassung nur die Auslegung, daß Grundstücke, welche für einen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind, dem Eigentümer entzogen werden dürfen. Dies waren in erster Linie die Straßenflächen. Dann aber ging man einen Gedanken weiter. Man kam zu der Überzeugung, daß dem öffentlichen Interesse oft nicht Genüge geschehen ist, wenn ausreichende Straßen gebaut werden, sondern auch Fälle denkbar sind, in denen obrigkeitliche Sorge getragen werden muß, daß gute und gesunde Gebäude an ihnen entstehen. Dieser gesundheitspolizeiliche Standpunkt veranlaßte 1858 die Regierung, einen Gesetzentwurf einzubringen, welcher die Möglichkeit vorsah, eine Zone neben dem eigentlichen Straßengelände zu ent1 T r a i t é de l ' e x p r o p r i a t i o n B e l g i q u e . T . I N r . 93 if.

pour

cause

d'utilité

publique

en

Belgien.

eignen, um einwandfreie Wohnungen darauf zu errichten. Die Motive zu diesem Gesetzentwurf besagen : „ I I ne suffit pas, en effet, pour assainir les quartiers „malsains, où se concentre la population ouvrière, de percer „des rues à travers les habitations entassées dans des ruelles „ou impasses privées d'air et de soleil; i l faut que ces rues „soient bordées de maisons salubres . . . I l est donc d'intérêt „public que le droit d'expropriation, pour certains travaux „d'utilité communale, soit étendu à des immeubles situés en „dehors des alignements de la voie publique, lorsque cette „extension se justifie par des motifs de salubrité." So entstand das Gesetz vom 1. Juli 1858, das erste generelle Zonen en teignungsgesetz der Welt. Dasselbe gestattete nicht nur die Enteignung des Grund und Bodens, der notwendig war, um die im gesundheitlichen Interesse unternommenen Straßenanlagen, Durchbrüche und Regulierungen dnrchzuführen, sondern darüber hinaus auch die Enteignung einer bebauungsfähigen Zone neben den Straßen, um auf diese Weise eine gute Bebauung sicher zu stellen. Das Gelände sollte wieder veräußert werden an Erwerber, welche sich verpflichteten, die Grundstücke in vorschriftsmäßiger, den Anforderungen des Gesetzes entsprechender Weise zu bebauen. Dieser Aufgabe aber konnte das Gesetz nicht gerecht werden aus folgenden Ursachen. Die Rechtsprechung beschränkte die Anwendung der Enteignung auf diejenigen Grundstücke, welche selbst zu den ungesunden gehörten, ließ sie aber nicht zu für diejenigen, welche zwar nicht selbst zu den ungesunden gehörten, aber doch von diesen mit beeinflußt wurden und dabei notwendig waren für die Durchführung einer vollständigen Sanierung des Quartiers. A u f diese Weise war es unmöglich, den eigentlichen Zweck des Gesetzes zu erreichen, und der Absicht des Gesetzgebers war nicht zu genügen. Man sah demnach ein, daß ein Gesetz in dieser Fassung nicht aus-

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reichte und entschloß sich eine Novelle vorzulegen. Motive des Senates besagen hierüber:

Die

„Les considérations qui justifient cette décision peuvent, en définitive, se résumer ainsi: la loi du 1 juillet 1858 „était insuffisante, i l importe de la compléter. La loi „nouvelle qui nous est soumise est nécessaire ; elle aidera à „prévenir le rétour de calamités funestes. Elle sera bienfaisante, en favorisant ce que réclament impérieusement les „besoins de la santé publique en permettant de ménager, „pour toutes les classes et dans toutes les situations, les „avantages de la salubrité, en rendant possibles aussi toutes „les améliorations importantes, que pourra réclamer l'intérêt „général. Elle est juste en excluant un privilège sans „fondement, en attribuant à la masse des contributions les „bénéfices à récueillir, après avoir supporté les frais. Elle „offre, pour l'exercice de la faculté qu'elle accorde, toutes les „garanties nécessaires. Elle ne présente aucun danger pour „les droits légitimes à sauvegarder. Elle assure à la propriété „qui subit le sacrifice une juste et complète indemnité. Avec „ces éléments, i l convient de l'adopter, comme la Chambre „des représentants n'a point hésité à le faire." Der Entwurf erlangte auch Gesetzeskraft unter dem 15. November 1867, und wurde mit dem Gesetze von 1858 vereinigt durch Königliche Verordnung vom selben Tage. Dieses Gesetz in solcher Fassung ist dasjenige, auf Grund dessen heute in Belgien die Zonenenteignungen vorgenommen werden. Es zählt 12 Artikel, von denen ich nur den ersten mit der Überschrift des Ganzen hier wörtlich anführe : „Lois dj. 1 juillet 1858 et du 15 novembre 1867, sur „l'expropriation par zones, pour travaux d'utilité communale. Art. I . „Lorsqu'il s'agit d'un ensemble de travaux ayant pour „objet d'assainir ou d'améliorer en totalité ou en partie, un

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„ancien quartier, ou de construire un quartier nouveau, le „gouvernement peut, à la démande du conseil communal, „autoriser, conformément aux lois du 8 mars 1810 l'exprop r i a t i o n de tous les terrains destinés aux voies de communic a t i o n et à d'autres usages ou services publics, ainsi qu'aux „constructions comprises dans le plan général des travaux „projetés. Über den Inhalt und die Tragweite der übrigen A r t i k e l ist ferner folgendes zu bemerken. Es muß sich um ein kommunales Unternehmen handeln ! Der Staat kann für sich nicht expropriieren. E r kann höchstens*) das Gesetz dadurch umgehen, daß er die Gemeinde enteignen läßt und dann von ihr die Grundstücke zum Erwerbspreise übernimmt. Es ist nicht notwendig, daß die Errichtung der Bauten auf öffentlichem Wege geschieht. Die Enteignung ist auch zulässig, wenn Privatleute bauen. Der ursprünglich vorgesehene Ausdruck „travaux publics" ist mit Absicht gestrichen und nur „travaux" stehen gelassen worden 2 . Wenn die zu enteignenden Grundstücke einem und demselben Eigentümer gehören oder wenn sich die Eigentümer von mindestens der Hälfte des Geländes zusammenschließen, können sie verlangen, das geplante Unternehmen selbst ausführen zu dürfen, wenn sie die mit der Enteignung verbundenen Sanierungszwecke ebenfalls zu erfüllen bereit sind, ihre Pläne genau nach den Vorschriften der Regierung aufstellen und die erforderlichen Mittel nachweisen. Wenn bei Neuanlage eines Quartiers Straßen eingezogen oder verlegt werden, haben die Eigentümer das zwischen ihrer Grenze und der neuen Straße gelegene ehe-

1

Erkenntnis

des Z i v i l t r i b u n a l s v o n G e n t , d. d. 12. M ä r z 1890.

2

M i n i s t e r i a l e r l a ß v o m 16. N o v e m b e r 1867. B r e d t , Zonenenteignung.

3

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malige Straßengelände zu erwerben. Sind sie hierzu nicht bereit, kann ihr ganzes Gelände enteignet werden. Die Enteignung erfolgt auf Grund Königlicher Verordnung. Soweit die gesetzlichen Bestimmungen. Man sieht, sie lassen der Verwaltung den weitesten Spielraum und haben in dieser Richtung sogar noch eine Ausdehnung durch Praxis und Rechtsprechung erfahren. Diese Absicht wurde von vornherein vom Gesetzgeber verfolgt. Z. B. wurde bei Beratung des Gesetzes von 1867 die Frage aufgeworfen, ob auch bloße Verschönerung (embellissement) die Enteignung rechtfertigen könne. Der Berichterstatter d'Elhoungne verneinte sie, indem er sagte: „Dans la pensée de la Section centrale, l'embellissement „qui serait dégagé de tout caractère d'amélioration d'une „ville, n'est pas autorisé par la loi." Auch der gesetzgebende Körper lehnte es ab, eine solche Bestimmung i n das Gesetz hineinzubringen mit dem Schlagwort: L'embellissement n'est pas d'utilité publique!! Nichtsdestoweniger wurde von vornherein anerkannt, daß die Verschönerung als eine Folge der Enteignung mit ins Gewicht falle, und daß man im einzelnen Falle schwer sagen könne, wie weit eine „amélioration" zugleich ein embellissement sei. So kam die Verschönerung später wenigstens als mitbestimmende Ursache in das Gesetz hinein. Was man damals überhaupt unter der utilité publique verstanden hat, zeigen folgende Worte des Senators Baron d'Anethan: „ L e mot utilité publique n'a point un sens absolu, „rigoureux, exclusif. L'utilité, au contraire, est une chose „relative; ce qui est ici considéré comme un objet de „nécessité peut n'être ailleurs qu'un objet de pur agré„ment I l est donc certain, que l'utilité publique

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„raisonnablement entendue, comprend la satisfaction de tous „les besoins légitimes de la société!!" I n dieser Weise wird heute in Belgien verfahren. Es w i r d bei neuen Straßenanlagen soviel Gelände enteignet, als man für die eigentliche Freilegung und die anschließende Bebauung notwendig findet. Was aber allmählich erst in die Absicht des Gesetzgebers hineingetragen worden ist, das ist der finanzielle Zweck der Zonenenteignung. Dieser spielte bei Beratung des Gesetzes eine nebensächliche Rolle, was schon daraus hervorgeht, daß man den Eigentümern das Recht zugestand, die Anlage selbst zu machen. Was man ursprünglich im Sinne hatte, war nur eine Sicherstellung der Sanierung, und allmählich erst merkte man, daß der finanzielle Vorteil des Zonenenteignungsinstitutes der wichtigste war. Nun muß man dabei in Belgien eins bedenken : man kennt dort keine Anliegerbeiträge wie bei uns nach § 15 des Baufluchtengesetzes. Zwar verlangt die Gemeinde von Unternehmern, welche in spekulativer Absicht ein Gelände der Bebauung erschließen wollen, daß sie zuerst die Straße fertig stellen und ihr übereignen. Sie kann aber nicht bei einer Straße, die sie selbst baut, die Anlieger zu Beiträgen heranziehen. W i r würden das in Preußen ausdrücken: es gibt nur „Unternehmerstraßen" und solche, die den „historischen" Straßen gleichstehen, aber keine eigentlichen „neuen" Straßen. I n Preußen kann man selbstverständlich bei einem Straßendurchbruch die Anlieger, wenn sie an der neugeschaffenen Straße bauen, zu den Kosten heranziehen, in Belgien geht das nicht. Aus diesem Grunde spielt dort gerade bei den Straßendurchbrüchen und solchen Neuanlagen, welche durch ein zersplittertes Gelände vieler Eigentümer gehen, die Zonenenteignung eine wichtige Rolle. Sie allein ermöglicht es in vielen Fällen, daß das Unternehmen ohne übermäßige Belastung der Steuerzahler zustande kommt. 3*

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Belgien.

Daß hier der Hauptwert der Zonenenteignung liegt, gilt heute in Belgien als selbstverständliche Wahrheit, und daß ihre Zulässigkeit für solche Zwecke keinem Zweifel mehr unterliegt, braucht kaum erwähnt zu werden. Was mir überhaupt in Brüssel hauptsächlich auffiel — ich kam von Holland aus dorthin — war das gewisse Staunen über mein Interesse an der Zonenenteignung. Man fand das ganze Verfahren so selbstverständlich, daß man kaum begriff, wie man von einer so im Wesen der ganzen Dinge begründeten Einrichtung noch so viel Aufhebens machen konnte. I n Brüssel werden heute in der Nähe der Kathedrale St. Gudule einige große Durchbrüche gemacht; außerdem ist ein großer Durchbruch in der Nähe des Rathauses in Arbeit. Wenn man dort an Ort und Stelle geht, so sieht man sofort, worum es sich handelt, und es fällt dem, der einen Blick für diese Dinge hat, auf, daß hier die niedergelegten Gebäude eine regelmäßige Zone bilden, welche zweckmäßig arrondiert ist, anstatt daß die Grenzen der notwendig angeschnittenen Grundstücke allein maßgebend sind. Das glänzendste Beispiel belgischer Zonenenteignung ist der Boulevard Central, eine der schönsten Straßen Brüssels, schon in den 60er und 70er Jahren angelegt, und zwar gerade mit Hilfe der Zonenenteignung, welche es ermöglichte, die gewaltigen Kosten zu decken. Dieses Beispiel führte auch der Abgeordnete Virchow 1874 bei Beratung des preußischen Enteignungsgesetzes an, indem er daraufhin die Einführung der Zonenenteignung empfahl. I n Antwerpen, um noch eine Stadt zu nennen, liegen die Dinge ebenso. Man plant dort augenblicklich einige größere Durchbrüche mit Zonenenteignung in der Nähe des Place de Meir. Der Grund, weswegen die Eigentümer von ihrer Befugnis, ihrerseits das Unternehmen auszuführen, so gut wie nie Gebrauch machen, ist einfach und schon im vorhergehenden gegeben: es ist der Mangel an Anliegerbeiträgen.

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Man muß nicht denken, daß die Städte bare Überschüsse bei der Zonenenteignung erzielen, sondern sie vermindern nur ihre Ausgaben. Sie bekommen nur einen Teil der für die Straßenbauten aufgewendeten Gelder wieder heraus. Durchbrüche machen sich nur in den seltensten Fällen bezahlt und werden, wie auch in Deutschland, meist nur aus Sanitäts-, Verkehrs-, oder allgemeinen Polizeirücksichten unternommen. Deshalb liegt in der Übernahme solcher Arbeiten für die privaten Eigentümer nur selten ein Reiz. Sie können regelmäßig darauf rechnen, trotz Wiederveräußerung des wertvoller gewordenen Geländes dennoch mit einem Minus abzuschneiden, und das Äquivalent, dessentwegen die Gemeinden ein solches Minus auf sich nehmen, die utilite publique, fehlt bei ihnen. Die Zonenenteignung ist und bleibt daher eine Einrichtung für die Gemeinden. Diese sparen durch die Zonenenteignung Gelder, welche sie auf andere Weise nicht wieder hereinbekommen können. Müßten die Anlieger die Straßenbaukosten auch dann bezahlen, wenn die Stadt einen Durchbruch auf eigene Regie unternimmt, würden sie vermutlich des öfteren ihren Vorteil in der eigenen Übernahme finden. Was nun die wissenschaftliche Behandlung der Zonenenteignung angeht, so weist die belgische Literatur eine Anzahl Monographien auf. Es seien hier genannt die Namen: Beernaert, Bidart, de Laveleye, Bochart, Collinet, del Marmol, Laurent, Montigny, Olin, Voituron. Das Beste und Umfassendste sind jedoch die Pandectes Beiges, welche einen eigenen Artikel „expropriation par zones" 1 enthalten. E r gibt den neuesten Stand von Literatur und Rechtsprechung wieder. A u f ihn sei hier ausdrücklich verwiesen. Die Literatur bietet im übrigen deshalb wenig Bemerkenswertes für unsere Frage, weil in Belgien die Frage der Zulässigkeit von Zonenenteignungen gesetzlich entschieden ist. 1

Brüssel 1892, B d . 41.

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Wissenschaftliche Streitpunkte von irgendwelcher Bedeutung gibt es nicht mehr. Was die Literatur am meisten interessiert, sind vielmehr Einzelheiten in bezug auf das Verfahren und auf die Entschädigung. Hierauf einzugehen würde natürlich über den Rahmen unseres Themas hinausgehen. Nun möchte ich weiter diesem belgischen Rechtszustand den holländischen gegenüberstellen, um zu zeigen, wie die Zonenenteignung ebenso wie durch Gesetz auch allein durch erweiterte Auslegung der bisherigen Bestimmungen eingeführt werden kann. I n Holland ist die Zonenenteignung heute ebenfalls heimatberechtigt, aber sie hat ihr Heimatrecht auf gänzlich andere Weise erlangt wie in Belgien. Diesem Prozeß, der natürlich nicht annähernd so einfach ist als der belgische, wollen wir jetzt nachgehen.

Die Niederlande. I m niederländischen Staatsrecht ist die Zonenenteignung ausdrücklich niemals eingeführt worden, j a man kann sagen, daß sie eine völlig unbestrittene Anerkennung auch heute noch nicht gefunden hat. Sie ist nicht mehr als eine Abund Unterart der allgemeinen Enteignung. Auch diese aber ist in den Niederlanden keine Rechtseinrichtung, deren Wesen, Zweck und Zulässigkeit ohne allen Zweifel feststeht. Sie ist vielmehr nur unter den größten Kautelen allmählich in das Staats- und Verwaltungsrecht eingeführt und auch heute noch nicht in ihrem rechtlichen Umfange und ihrer Ausdehnungsmöglichkeit genau umgrenzt. Nicht nur die jeweilig wechselnden wirtschaftlichen Bedürfnisse und die daraus resultierenden Anschauungen, sondern auch die rein parteipolitischen Strömungen tragen dazu bei, die festen Umrisse eines einheitlichen Enteignungsbegriffes zu verwischen und ihm eine stellenweise extensive, stellenweise restriktive Bedeutung zu verleihen. Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt schwankt der Begriff hinsichtlich seines Zweckes und seiner Zulässigkeit. I n der Verfassung von 1814 und dem zugrunde liegenden Entwürfe von Hogendorp ist der Enteignung noch mit keinem Worte gedacht. Eine zwangsweise Entziehung oder Beschränkung des Eigentums war damals noch in keiner Weise vorgesehen. Allein schon in der Verfassung von 1815 wurde dies nachgeholt. Zwar wird die Unverletzlichkeit des Eigentums grundsätzlich festgelegt, dabei aber in Artikel 164 gesagt:

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D i e Niederlande.

„Jeder Eingesessene wird geschützt in dem friedsamen „Besitz und Genuß seines Eigentums. Niemand kann von „einem T e i l desselben entsetzt werden, es sei denn zum allgemeinen Besten, in dem Falle und auf die A r t und Weise, „die im Gesetze bestimmt sind und gegen gehörige Schadlos„ Stellung."

Durch die Verfassungsrevision von 1848 wurde der Anfang weggelassen und der zweite Satz in A r t i k e l 147, Abs. 1 und 2, etwas anders gefaßt: „Niemand kann von seinem Eigentum entsetzt werden, „es sei denn zum allgemeinen Nutzen gegen vorhergehende „Schadlosstellung. — Das Gesetz erklärt zuvor, daß der „allgemeine Nutzen die Enteignung fordert" : Unter dem 28. August 1851 erging das Gesetz betr. „Enteignung zum allgemeinen Nutzen", ergänzt bezw. neugefaßt durch Gesetze vom 1. Juni 1861, 29. März 1877 und 22. Juni 1901. Sein Bestehen hatte zur Folge, daß bei der folgenden Verfassungsrevision von 1887 die Einrichtung der Enteignung auch in der Verfassung etwas ausführlicher zur Erwähnung kam. Schon 1883 hatte die Staatskommission sich eingehender mit der Frage befaßt und wesentlich ihrer Anregung ist es zuzuschreiben, daß in die revidierte Verfassung von 1887 folgende Bestimmung aufgenommen ist (Artikel 151): „Niemand kann seines Eigentums entsetzt werden , es „sei denn nach voraufgehender Erklärung durch Gesetz, daß „der allgemeine Nutzen die Enteignung fordert und gegen „eine im voraus erhaltene oder im voraus sichergestellte „Entschädigung, das eine und das andere gemäß den Vorschriften eines allgemeinen Gesetzes." „Dieses allgemeine Gesetz bestimmt auch die Fälle, in „denen die voraufgehende Erklärung durch das Gesetz nicht „verlangt wird."

D i e Niederlande.

„Die Anforderung, daß die geschuldete Schadloshaltung „im voraus gezahlt oder sichergestellt sei, gilt nicht, wenn „Krieg, Kriegsgefahr, Aufruhr, Brand oder Wassersnot eine „unverzügliche Inbesitznahme fordert." Die Verfassung also nimmt Bezug auf ein vorhandenes Enteignungsgesetz, eben jenes von 1851, mit Nachträgen von 1861, 1877, 1901. Um gleich ein mehrfach geäußertes Bedenken zu entkräften, kann man es als selbstverständlich bezeichnen, daß die Bestimmungen, nach denen enteignet werden kann, das Gesetz von 1851 in seiner letzten Fassung und die j e w e i l i g e Verfassung — heute die von 1887 — sind. Allerdings ist das Enteignungsgesetz zustande gekommen unter der Herrschaft der Verfassung von 1848, keineswegs aber ist diese nun ein für allemal maßgebend. Die neue Verfassung muß vielmehr schon deshalb Platz greifen, weil sie selbst sich auf das Gesetz bezieht und weil überhaupt — vornehmlich bei einer Verfassung — allemal die letzten Bestimmungen maßgebend sind. Als trotzdem einmal derartige Zweifel in den Kammern laut wurden, fanden sie ihre Erledigung durch folgenden Passus in einem Beschluß der Ersten K a m m e r 1 : „Bei dem für jede Enteignung besonders notwendigen „Gesetz muß, auch ohne daß das Gesetz von 1851 genannt „wird, mit A r t i k e l 151 der Verfassung, wie er nach der „letzten Revision lautet, und nicht mit A r t i k e l 147 der Verfassung von 1848, die in Kraft war, als das Gesetz zustande „kam, gerechnet werden." Über die Zulässigkeit der Enteignung stellt die Verfassung sowohl 1848 wie 1887 folgende Erfordernisse auf: 1. Erklärung des allgemeinen Nutzens durch Gesetz, 2. Schadloshaltung des Eigentümers. 1

V e r h a n d l u n g e n 1893/4 blz. 221.

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Durch die Verfassung von 1887 sind dazu Fälle vorgesehen, in denen von Erlaß eines Gesetzes Abstand genommen werden kann. Dieser Disposition schließt sich auch das Enteignungsgesetz in seinen neuesten Fassungen an. Es schickt zunächst „Allgemeine Bestimmungen", eine A r t Einleitung, voraus. Dann folgt Titel I über „Enteignung im gewöhnlichen Falle". Von seinen vier Hauptstücken handelt das erste von „demjenigen, was der Erklärung des allgemeinen Nutzens voraufgehen muß", die anderen von demjenigen, was nachfolgen muß, oder kann, nämlich der Endanweisung der zu enteignenden Parzellen (2), dem Enteignungsprozeß (3), und endlich der Auszahlung der Entschädigung (4). I n den folgenden Titeln werden diejenigen Enteignungen aufgeführt, die ein Gesetz nicht erfordern. Es sind zunächst: Enteignungen für Festungsbau, Anlage, Herstellung oder Unterhaltung von Deichen (Titel I I Hauptstück 1). Bei ihnen genügt ein Beschluß des Königs nach Anhörung des Staatsrates. Ferner Enteignung bei Ansteckungsgefahr. (Titel I I Hauptstück 2.) Hier genügt ein Königlicher Beschluß, und, falls nur eine Provinz in Frage kommt, ein Beschluß der Deputierten Staaten. I n sehr eiligen Fällen können die Gemeindebehörden allein und ohne weiteres dazu übergehen, wenn sie binnen zweimal 24 Stunden den Deputierten Staaten davon Kenntnis geben. Titel I I I redet von Enteignung bei K r i e g , Brand oder Wassersnot. I n diesen Fällen kann die Enteignung von der höchsten zivilen oder militärischen Obrigkeit, bei Wassersnot auch von den Gemeindebehörden vorgenommen werden. Titel I V endlich, der erst durch Gesetz vom 22. Juni 1901 eingeschoben ist, redet von einer so grundlegenden Materie, daß die betreffenden A r t i k e l hier wörtlich angeführt werden müssen, nämlich der Wohnungsfürsorge: „ A r t . 77: Ohne voraufgehende E r k l ä r u n g durch Gesetz, daß der a l l g e m e i n e N u t z e n die E n t e i g n u n g f o r d e r t , k a n n z u m Z w e c k e der Wohnungsfürsorge Enteignung stattfinden:

D i e Niederlande. 1. Z u r R ä u m u n g v o n Oberflächen, a u f denen i n f o l g e u n g e nügender Z u f ü h r u n g v o n L i c h t u n d L u f t oder M a n g e l v o n anderen zur B e w o h n b a r k e i t n o t w e n d i g e n Erfordernissen, w e g e n des Zusammenhanges u n t e r e i n a n d e r oder der L a g e der Gebäude genügende V e r besserung der W o h n u n g e n a u f anderem W e g e s c h w e r l i c h ausführb a r ist. 2. Zur B e s e i t i g u n g v o n einer oder mehreren W o h n u n g e n , b e i denen genügende Verbesserungen w e g e n i h r e r L a g e z u e i n a n d e r oder m i t R ü c k s i c h t a u f andere W o h n u n g e n oder P a r z e l l e n s c h w e r l i c h ausführbar ist. 3. Z u r B e s e i t i g u n g v o n einer oder mehreren W o h n u n g e n oder Parzellenbenutzungen, d i e , w e n n sie auch w e d e r zur B e w o h n u n g geeignet, noch z u r B e w o h n u n g b e s t i m m t sind, v e r h i n d e r n , daß nahe dabei gelegene W o h n u n g e n i n b e w o h n b a r e n S t a n d g e b r a c h t w e r d e n können. 4. U m die V e r f ü g u n g s g e w a l t z u b e k o m m e n ü b e r e i n bebautes oder unbebautes Gelände z u m Z w e c k e einen i m Interesse der W o h n u n g s f ü r s o r g e aufgestellten B a u p l a n , oder einen gemäß § 6 des Wohnungsgesetzes aufgestellten S t a d t e r w e i t e r u n g s p l a n ausführen z u können. I n den g e n a n n t e n F ä l l e n geschieht die E n t e i g n u n g n a c h Maßgabe der folgenden A r t i k e l . A r t . 78. D i e E n t e i g n u n g geschieht a u f den N a m e n der Gemeinde oder v o n V e r e i n e n , Genossenschaften oder S t i f t u n g e n , die ausschließlich i m Interesse der W o h n u n g s f ü r s o r g e t ä t i g s i n d u n d i n dieser E i g e n s c h a f t d u r c h U n s , n a c h A n h ö r u n g der D e p u t i e r t e n Staaten a n e r k a n n t sind. D i e Erfordernisse der A n e r k e n n u n g w e r d e n d u r c h a l l g e m e i n e B e s t i m m u n g der O b r i g k e i t näher festgesetzt. A r t . 79. E n t e i g n u n g z u m Z w e c k der W o h n u n g s f ü r s o r g e findet außer i n dem F a l l e des A r t . 87 s t a t t d u r c h Gemeinderatsbeschluß, der d u r c h U n s , n a c h A n h ö r u n g des Staatsrates g u t g e h e i ß e n w i r d . I n diesem F a l l des A r t i k e l 77 Z. 1 b r i n g t die Gesundheitsk o m m i s s i o n , die a u f G r u n d des Gesundheitsgesetzes eingesetzt i s t , einen m i t G r ü n d e n versehenen B e r i c h t e i n ü b e r den Z u s t a n d der W o h n u n g e n , m i t A n g a b e der z u enteignenden Gebäude, w e l c h e i h r e r A n s i c h t nach g e g e n w ä r t i g den f ü r die B e w o h n b a r k e i t z u stellenden A n f o r d e r u n g e n genügen."

Folgen ausführliche Bestimmungen über die D u r c h führung der Enteignung. A r t i k e l 87 besagt, daß Vereine und Stiftungen, deren Antrag auf Enteignung ein Gemeinderat ablehnt, sich unmittelbar an den König wenden können.

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I m Ganzen also zeigt das Gesetz folgende Dreiteilung, die auch für unsere Zwecke von grundlegender Bedeutung ist: 1. Fälle, in denen auf Grund eines Gesetzes enteignet werden kann, 2. Fälle, in denen ohne Gesetz enteignet werden kann, weil der allgemeine Nutzen ohne weiteres klar ist, (Festungsbau, Deichanlagen, Bekämpfung ansteckender Krankheiten), 3. Fälle, in denen ohne Gesetz enteignet werden kann, weil es sich um Sozialpolitik handelt. (Wohnungsfürsorge.) Es wäre im Interesse einer richtigen Systematik sicherlich besser, 2. und 3. als Unterabteilungen desselben Falles „Enteignung ohne Gesetz" zu behandeln. Allein der dritte Fall verdient doch eine besondere Behandlung, weil er etwas gänzlich neues ist: äußerlich, weil er erst 50 Jahre später in das Gesetz eingefügt wurde; innerlich, weil er einen gänzlich neuen Charakter, den charitativen, in das sonst starre Rechtsgebilde hineinträgt. Insofern unterscheidet er sich auch begrifflich von 2., wo nur die schlechterdings gegebene Notwendigkeit die Vereinfachung des Verfahrens ermöglicht. Fall 2 kann hier ohne weiteres ausscheiden, denn eine Zonenenteignung im eigentlichen Sinne kann hier nicht wohl vorkommen. „Zone" ist insofern ein relativer Begriff, als er sich auf eine Straße oder ähnliches (Canal etc.) beziehen muß, die sie wie ein Gürtel einfaßt und damit ist schon ein terminologisches Hindernis gegeben, hier von Zonenenteignung zu reden. Sodann aber fehlt hier auch der Anreiz, mehr zu enteignen als notwendig. Weder ein Festungsbau noch die Verseuchung eines Quartiers mit anschließender Desinfektion sind sonderlich geeignet, den Wert des umliegenden Geländes zu erhöhen, und selbst eine Deichanlage, die gewiß neue Werte schafft, kommt keineswegs dem nächstgelegenen Boden (einer „Zone") mehr zu Gute als dem weiterabgelegenen Gelände desselben Polders. Eine

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finanzielle Zonenenteignung hätte hier also gar keinen Raum. Eine technische vielleicht eher, da in solchen Fällen unter Umständen nur ein umfassendes Vorgehen zum Ziele führen kann. Tatsächlich scheint sie aber nicht vorzukommen ; wenigstens habe ich von keinem einzigen Falle gehört. Und wenn doch einmal, so würde der einzige Unterschied darin bestehen, daß kein Gesetz notwendig ist. Fall 3 macht eine eigene Behandlung notwendig. Es handelt sich bei ihm im Grunde um nichts anderes als eine Zonenenteignung, auf die gesondert einzugehen ist. Als solche bezeichnet wird sie nicht. Was man in Holland unter „Zonenenteignung" versteht ist der Fall 1. Also Enteignung zum allgemeinen Nutzen auf Grund eines Gesetzes, aber ohne Beschränkung auf das zur Ausführung des Werkes selbst notwendige Gelände. Um auch einige Definitionen von maßgebender niederländischer Seite zu geben sei folgendes angeführt: Der Minister Röell n e n n t : 1 „Eine Enteignung, bei der man mehr enteignet, als allein „für das dem öffentlichen Zweck bestimmte Werk selbst soll „gebraucht werden, mit dem ausgesprochenen Zweck, daß „durch den Wiederverkauf des Uberschusses das Unternehmen zum allgemeinen Nutzen — z. B. Verbreiterung „oder Durchlegung einer Straße — vom finanziellen Standp u n k t aus durchführbar sei." I n der Zweiten Kammer wurde unser Rechtsinstitut einmal bezeichnet a l s 2 : „Zonenenteignung in dem gewöhnlichen Sinne, daß die „Zonen enteignet werden nicht als unabtrennbarer Bestandt e i l des Werks, das den Hauptgrund für die Enteignung 1 I n den B e i t r ä g e n z u r K e n n t n i s der Staats- P r o v i n z i a l - u n d G e m e i n d e v e r w a l t u n g i n N i e d e r l a n d , D l . X X V I (1884) S. 3. 2 V o r l ä u f i g e r B e r i c h t aus den A b t e i l u n g e n der Z w e i t e n K a m m e r . B e i l a g e n der V e r h a n d l u n g e n 1892/3 N r . 124.

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„gibt, sondern als selbständiger Nebenzweck, meistenteils als ^Mittel, um die Kosten für das Hauptwerk zu bestreiten." Also beidesmal die finanzielle Zonenenteignung, offenbar in den Niederlanden der Kardinalpunkt, an den man bei dieser Sache denkt. Tatsächlich werden auch wohl ziemlich bei jeder Zonenenteignung finanzielle Ziele verfolgt, auch wenn es sich um eine technische handelt. Diese letztere kommt in Holland vornehmlich dann in Frage, wenn Polder-Gelände vorliegt. W i r d für irgend einen öffentlichen Zweck der Teil eines Polders gebraucht, so ist es in den seltensten Fällen möglich, sich auf dessen Enteignung zu beschränken. Einmal ist es technisch nur m i t großem Aufwände möglich einen Polder zu teilen und halb aufzuhöhen, halb bestehen zu lassen; sodann aber bietet auch das Genossenschaftsrecht, nach dem die DeichLasten und Rechte sich regeln, oft große Schwierigkeiten, wenn nicht durch summarische Enteignung des Ganzen die Frage ausgeschaltet wird. Auch in diesem Falle Aber bleibt der Gesichtspunkt, daß gleichzeitig eine gute Finanzoperation gemacht werden kann, wenn man gleich den ganzen Polder enteignet und trocken legt, selten außer Betracht. Selbst wenn es sich um eine sozialpolitische Zonenenteignung handelt, scheidet der finanzielle Gesichtspunkt selten aus, wie denn die Sozialpolitik, wie männiglich bekannt, ohne Geld überhaupt schwer durchzuführen ist. Nun würde es sich weiter fragen, welche A r t Zonenenteignung nach Niederländischem Staats- und Verwaltungsrecht zulässig ist und bis zu welcher Ausdehnung. Die Beantwortung dieser Frage ist durch das oben gesagte schon gegeben: Die praktischen Holländer haben sich gesetzlich überhaupt keine Schranken gesetzt. Sie haben alle und jede Enteignung, gleichviel wie und wozu, möglich gemacht, aber die Kontrolle derjenigen Stelle, welche die meiste Garantie gegen jeden Mißbrauch bieten muß, vorbehalten: den Generalstaaten. Ein solches Verfahren ist

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in dem kleinen Holland recht wohl möglich. Daneben hat allerdings die Krone ihr Mitwirkungsrecht, da sie das Gesetz einzubringen hat. I m übrigen haben die wenigen formellen Bestimmungen, an welche eine Zonenenteignung gebunden ist, nur geringe Bedeutung. Es sind folgende: Nach der Verfassung von 1887 wird für die Zulässigkeit jeder Enteignung allein der „allgemeine Nutzen" gefordert. Welche Objekte der allgemeine Nutzen im einzelnen betreffen kann, w i r d nicht gesagt. Als aber der Artikel in der zweiten Kammer beraten wurde, warf man