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German Pages [288] Year 2000
W I L H E L M DILTHEY · GESAMMELTE S C H R I F T E N XVIII. BAND
WILHELM DILTHEY GESAMMELTE SCHRIFTEN Von Band XVIII an besorgt von Karlfried Gründer und Frithjof Rodi
XVIII. BAND
V&R V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N
DIE WISSENSCHAFTEN VOM MENSCHEN, DER GESELLSCHAFT UND DER GESCHICHTE VORARBEITEN ZUR EINLEITUNG IN D I E G E I S T E S W I S S E N S C H A F T E N
(1865-1880)
Herausgegeben von Helmut Johach und Frithjof Rodi
2., durchgesehene Auflage
V&R V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Dilthey, Wilhelm: Gesammelte Schriften /Wilhelm Dilthey. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. Von Bd. 18 an besorgt von Karlfried Gründer und Frithjof Rodi. Teilw. im Verl. Teubner, Stuttgart, und Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen NE: Gründer, Karlfried [Hrsg.]; Dilthey,Wilhelm: [Sammlung] Bd. 18. Die Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und der Geschichte : Vorarbeiten zur Einl. in d. Geisteswiss. (1865 bis 1880) / hrsg. von Helmut Johach u. Frithjof Rodi. - 2. Aufl. - 2000 ISBN 3-525-30323-8
© 2000 Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
INHALT
Vorbericht der Herausgeber A. F R Ü H E P L Ä N E U N D E N T W Ü R F E (ab ca. 1865/66) 1. Übör das Studium des Menschen und der Geschichte Einige Erörterungen über das Studium geschichtlicher Erscheinungen. Einleitende Bemerkung Über die Methoden der Wissenschaften des Geistes
IX 1 1 1 1
2. Einleitung in das wissenschaftliche Studium des Menschen, der Gesellschaft und Geschichte "Philosophischer und wissenschaftlicher Geist ;: "Die Psychologie und die Wissenschaften der Kultur ' O r d n u n g der Wahrheiten in den moralisch-politischen Wissenschaften Ordnung der Systeme, d. h. stetigen Verbindungsformen, in die sich die Gesellschaft gliedert
2 2 5 10 11
"Die Erforschung des psychischen Lebens in seiner Verteilung über das Erdganze
12
"Zusammenhang geistiger Tatsachen
15
B. VORARBEITEN ZUR A B H A N D L U N G V O N 1875 „ÜBER DAS STUDIUM DER G E S C H I C H T E DER WISSENS C H A F T E N VOM M E N S C H E N , DER GESELLSCHAFT U N D DEM STAAT" (ab 1871)
17
1. Untersuchungen zur Begründung einer generellen Wissenschaft des Menschen und der Geschichte
17
"Philosophie und Erfahrungswissenschaft
17
2. "Die Wissenschaften vom handelnden Menschen "•Übersicht über Theorieentwicklung "Stellung des Erkennens zu seinem Gegenstand ""Über induktive und deduktive Methode "Das Naturrecht *Die gemeinsame Wurzel der Wissenschaften vom handelnden Menschen
19 19 22 24 27 35
Inhalt
VI
C. E I N L E I T U N G E N Z U U N T E R S U C H U N G E N ÜBER D I E G E S C H I C H T E DES N A T U R R E C H T S (um 1874) 1. E i n l e i t u n g in die Geschichte der egoistischen T h e o r i e n
38 vom
Menschen, der Gesellschaft, d e m S t a a t u n d d e r Geschichte in d e m 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t
38
Vorrede
38
2. Ü b e r das S t u d i u m d e r Geschichte d e r T h e o r i e n v o m Menschen, der Gesellschaft u n d d e m S t a a t
40
Anfang
40
3. Ü b e r das N a t u r r e c h t d e r S o p h i s t e n . E i n l e i t u n g
42
I. "Historische Forschung in philosophischer Absicht II. Mittel der Forschung und Methode III. Möglichkeit einer Erkenntnis IV. Abhängigkeitsverhältnis der Wahrheiten innerhalb der Geisteswissenschaften
42 49 53
D. F O R T S E T Z U N G E N D E R A B H A N D L U N G V O N 1875 (um 1876) .
57
1. A n f a n g
55
57
2. [ M a n u s k r i p t I ] Ü b e r das S t u d i u m d e r Geschichte der Wissenschaften Menschen, der Gesellschaft u n d d e m S t a a t Schluß
vom
I. ^Besonderheiten der Wissenschaften vom Menschen und der Gesellschaft II. " Analyse als Ausgangspunkt der Untersuchung III. "Beschreibende Psychologie IV. ^Klassifikation der psychischen Tatsachen
58 58 58 67 70 72
3. [ M a n u s k r i p t I I ] Erstes Buch: D i e E r f o r s c h u n g d e r Tatsachen
78
Einleitung Erstes Kapitel: Der psychophysische Zusammenhang der Geschichte Zweites Kapitel: Grundzüge der Wahrnehmungen psychischer Zustände im Bewußtsein Drittes Kapitel: 1. Einteilung der Gemütszustände analog der Einteilung in Wahrnehmungen und Vorstellungen. 2. Die Wahrnehmung der Gemütszustände anderer und die Erinnerung unserer eigenen. 3. Unbestimmtheit der Wahrnehmungen der Zustände anderer, wie sie aus bloß angenommenem Verhältnis von Zeichen und Sache entspringen
78 80 87
91
Inhalt
VII
[Zusatz:] Drittes Kapitel: Analysis der äußeren und inneren Wahrnehmung und Entwicklung elementarer Sätze über die Beziehungen der Bestandteile der Wahrnehmung zu dem angenommenen Realen . Viertes Kapitel: Die Verschiedenheit des Vermögens, dieses psychophysische Ganze der menschlichen Gesellschaft in Wahrnehmungen aufzufassen und in Vorstellungen zu erinnern Fünftes Kapitel: Erster szientifischer Prozeß mit diesen W a h r n e h m u n gen und Vorstellungen: Bildung eines Systems von Individuis. Wert dieser Betrachtung f ü r Geisteswissenschaften. Wert derselben überhaupt Sechstes Kapitel: Methoden der allgemeinen Erfassung des Individuellen Siebentes Kapitel: Auslegung von Charakteren Achtes Kapitel: Auslegung von schriftstellerischen und Kunstwerken (Hermeneutik) Neuntes Kapitel: Geschichtsschreibung u n d Dichtung 4. Z w e i t e s Buch: A u f g a b e dieser A n a l y s i s
103
105 107 109 109 109 110
Erstes Kapitel — drittes Kapitel: Der Zusammenhang der Methoden der Wissenschaften des Menschen und der Gesellschaft, welche abstrakte Wahrheiten aufstellen
E. A U S A R B E I T U N G D E R D E S K R I P T I V E N (ca. 1880)
97
110
PSYCHOLOGIE 112
1. E n t w u r f der A b h a n d l u n g über die M a n n i g f a l t i g k e i t des psychischen Lebens und ihre Einteilung 2. D i e M a n n i g f a l t i g k e i t des psychischen Lebens und ihre Einteilung I. Die Kontinuität des psychischen Lebens, der status conscientiae und die Abgrenzung psychischer Akte und Vorgänge II. Das Mannigfaltige des Seelenlebens und seine Zurückführung auf eine möglichst geringe Zahl f u n d a m e n t a l e r Unterscheidungen . . . I I I . Die f u n d a m e n t a l e Unterscheidung IV. Das Vorkommen der drei elementaren Funktionen in allen Bewußtseinszuständen V. Die drei Bewußtseinszustände VI. Korrespondenz dieser psychischen Tatsachen der drei elementaren Funktionen und ihrer lebendigen Einheit mit physiologischen Tatsachen V I I . Die auf dem Grunde dieses Zusammenhangs der drei elementaren Funktionen erfaßbare Stufenfolge oder Entwicklung des psychischen Lebens in der aufsteigenden Reihe komplexerer tierischer O r ganismen und die Korrespondenz in der Stufenfolge der psychischen Differenzierung und Kombinationen und der physiologischen Struktur-Differenzierung
112 117 117 122 136 146 158
166
168
Inhalt
VIII
VIII. Unterscheidungen innerhalb dieser Verbindung der elementaren Funktionen und Aufstellen psychischer Klassen zweiter Ordnung. Die empirische Gleichförmigkeit der Koexistenz und Sukzession der im Denken isolierbaren Teilinhalte des psychischen Lebens . . . IX. Psychische Klassen dritter Ordnung oder die geschichtlichen Bewußtseinszustände. Gesetze des psychischen Lebens innerhalb der Gesellschaft und Geschichte X. Entwicklung der unter 1) aufgestellten Gleichförmigkeiten . . . Schlußabhandlung 3- Das fundamentale Gesetz der Geschichte
F. ERKENNTNISTHEORETISCHE FRAGMENTE (1874/79) . . . .
169
172 173 181 183
186
1. Übersicht über die Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des Empirismus, durch welche die Einsicht in die Objektivität der Erscheinungen begründet würde
186
2. Versuch über Philosophie der Erfahrung und Wirklichkeit im Gegensatz zu dem Empirismus und der Spekulation
193
G. A N H A N G : FRÜHE APHORISMEN AUS DER BERLINER ZEIT (vor 1860)
203
Zur Psychologie, in ihrem Verhältnis zur Geschichte
203
Anmerkungen
213
Personenregister
244
V O R B E R I C H T DER HERAUSGEBER
I. Im Leben Wilhelm Diltheys bedeuten die Jahre in Breslau (1871 bis 1882) nicht den äußeren Höhepunkt; diesen erreichte er mit der Berufung auf Lotzes Lehrstuhl in Berlin, vielleicht sogar erst mit dem „Durchbruch", den der Erfolg des Buches Das Erlebnis und die Dichtung von 1906 ab brachte. Aber zweifellos stand er in jenem Jahrzehnt auf der Höhe seiner produktiven Kraft. Nach der Unrast der Jahre in Berlin, Basel und Kiel begann in Breslau die Zeit der Konzentration auf den allmählich Gestalt gewinnenden Plan, der mit dem Titel Einleitung in die Geisteswissenschaften nur unzureichend bezeichnet ist. Zwar steigerte sidi damals noch die Hektik der publizistischen Tätigkeit, deren Ertrag jetzt in den Bänden X V — X V I I dieser Ausgabe gesammelt vorliegt 1 . Daneben aber entstand im stillen die Masse der systematischen Entwürfe und Arbeiten, von denen er nur zögernd Vereinzeltes in Druck gab: 1875 Teile der Abhandlung Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat und 1877 Über die Einbildungskraft der Dichter2. Mit dem Erscheinen der Einleitung in die Geisteswissenschaften (1883) — gleichsam krönender Abschluß der Breslauer Zeit — ist nur der quantitativ geringere Teil jener Arbeiten publiziert. Die Hauptmasse der größtenteils fragmentarischen Manuskripte blieb Werkstatt-Material für die von nun an immer neu einsetzenden Versuche einer Fortsetzung der Einleitung, wie sie im ersten Band angekündigt war: 1 Allein die Bibliographie der von D. in Westermanns Monatsheften besprochenen Schriften umfaßt 5 0 Seiten. Vgl. Ges.Schr. X V I I , 4 7 1 — 5 2 0 . 2 „Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften v o m Menschen, der Gesellschaft und dem S t a a t " , die „Abhandlung von 1 8 7 5 " , erschien in zwei Folgen in den Philosophischen Monatsheften, 11. Bd., S. 1 1 8 — 1 3 2 und S. 2 4 1 — 2 6 7 . Sie wurde abgedruckt in Ges.Schr. V, 3 1 — 7 3 (vgl. audi Ges.Schr. V, 4 1 9 ) . G e m ä ß den für die Fortsetzungsreihe der Ges.Schr. von Band X V ab geltenden Grundsätzen (vgl. X V , viii f.) wird die A b handlung in diesem B a n d nidit noch einmal abgedruckt. — „Über die Einbildungskraft der Dichter" erschien in der Zeitschrift für Völkerpsychologie, 10. Bd., S. 4 2 — 1 0 4 .
χ
Vorberidit der Herausgeber
„Der zweite Band wird zunächst dem geschichtlichen Verlauf in das Stadium der Einzelwissenschaften und der Erkenntnistheorie nachgehen und die erkenntnistheoretischen Arbeiten bis zur Gegenwart darstellen und beurteilen (drittes Budi). Er wird dann eine eigene erkenntnistheoretische Grundlegung der Geisteswissenschaften versuchen (viertes und fünftes Buch)." 3 Der hier vorgelegte und der folgende Band unserer Ausgabe machen dieses Material nun zugänglich. Es ist in der Dilthey-Literatur erstmals erwähnt worden im Vorwort von Bernhard Groethuysen zu Band I der Gesammelten Schriften und dann ausführlicher im Vorbericht zu Band V, mit dem Georg Misch die erste Erschließung des Gesamtwerkes leistete \ Im Quellennachweis zu jenem Vorbericht 5 konnte Misch, gestützt auf Vorarbeiten von Bernhard Groethuysen und Arthur Stein6, jene Fragmente nach innerer Zugehörigkeit, Chronologie und Fundorten im Nachlaß kennzeichnen. Die damals geprägten Namen sind auch für unsere editorische Arbeit noch leitend geblieben: „Plan der Abhandlung von 1875", „Breslauer Ausarbeitung" und „Berliner Entwurf", das sind in der Dilthey-Literatur schon Begriffe geworden, für die in unserer Ausgabe nach über fünfzig Jahren nun endlich die Textgrundlage geliefert werden soll. Es ist zu vermuten, daß bei den ersten Herausgebern der Gesammelten Schriften, also vor allem bei Groethuysen und Misch, ursprünglich die Absicht bestand, die Breslauer Schriften im Rahmen der Ausgabe zu veröffentlichen. Dafür spricht die sorgfältige Vorbereitung der Transkriptionsarbeiten durch Groethuysen, die erkennen lassen, daß hier nicht einfach Stücke des Nachlasses transkribiert, sondern zugleich editionsgerecht angeordnet werden sollten. Spätestens um 1923, also zur Zeit der Vorbereitung von Band V, scheint dieser Editionsplan aufgegeben zu sein; denn Misch hätte im Vorbericht wohl kaum so ausführlich aus den Fragmenten zitiert, wenn eine Edition der Texte beabsichtigt gewesen wäre. Auch fehlt im Quellennachweis jeder Hinweis auf einen solchen Plan. So wird man annehmen dürfen, daß in den Jahren unmittelbar nach Diltheys Tod (1911) im Zuge der Neuherausgabe der Einleitung die Sichtung der Materialien aus dem Umkreis dieses Werkes vorübergehend Ges.Schr. I, xix. Vgl. Ges.Schr. I, vi, und V, vii—cxvii. 5 Ges.Schr. V, 428—439. • Der Freundlichkeit von Prof. Dr. Arthur Stein, Bern, verdanken wir ausführliche briefliche Mitteilungen über die Arbeiten am Nachlaß in den Jahren unmittelbar nach Diltheys Tod. 3
4
Vorberidit der Herausgeber
XI
zum Plan einer Aufnahme der Texte in die Ausgabe geführt hatte, der dann aber bald wieder fallen gelassen wurde. Hierbei mag eine Rolle gespielt haben, daß die eindeutige Akzentsetzung, die Groethuysen durch die Herausgabe und Misch durch die ausführliche Interpretation 7 der späten Fragmente von Band V I I vornahmen, mit einer gleichzeitigen Wendung zum Dilthey der ersten Breslauer Jahre nur schwer vereinbar gewesen wäre. Es wäre zwar falsch zu sagen, daß in den ersten acht Bänden der Dilthey-Ausgabe der frühe und mittlere Dilthey nicht zu Wort gekommen wäre. Aber es lag in der N a t u r der Sache, daß die Dilthey-Schüler aus dem Wissen um das jahrelange Ringen des „rätselhaften Alten" 9 mit seinen sich auftürmenden Manuskripten die Verpflichtung ableiteten, die Dilthey selbst nicht mehr gelungene Abrundung des Lebenswerkes durch die Heraushebung der späten Schriften nachzuholen. Von hier aus erhalten die in die ersten acht Bände aufgenommenen Texte der frühen und mittleren Zeit einen bestimmten Stellenwert: sie markieren den Weg zum späten Dilthey hin und lassen in der Regel erkennen, daß Konzeptionen, mit deren Ausführung Dilthey im letzten Jahrzehnt seines Lebens beschäftigt war, schon die Anfänge seiner philosophischen Entwicklung bestimmten. Mit dem wachsenden historischen Abstand nicht nur zu Dilthey selbst, sondern audi bereits zu der Generation seiner unmittelbaren Sdiüler hat sich nun namentlich in den letzten zehn Jahren ein deutlich erkennbarer Wandel des Interesses ergeben, der audi in der Fortführung der Gesammelten Schriften seinen Niederschlag f i n d e t Z w e i Momente kommen hier zusammen. Zum einen drängt die Beschäftigung mit dem „Klassiker" zu einer beständigen Verfeinerung der Fragestellungen und damit zur Verbreiterung der Quellenbasis. Längst schon sind die privaten Dokumente und Briefe nicht mehr der sorgsam gehütete Schatz der Familie, sondern „Forschungsmaterial" in den Archiven. Aber auch die einzelnen Entwicklungsphasen des Philosophen werden von einer stärker sich ausdifferenzierenden Forsdiung in ihrer Eigenständigkeit erkannt. So ist es philosophiegeschichtlich von selbständigem Interesse, das Zusammenwirken der Einflüsse des englisdien Positivismus, der deutschen Völkerpsychologie und der Schriften von Beneke, Brentano und Waitz, 7 Vgl. Misch, Lebensphilosophie und Phänomenologie. Eine Auseinandersetzung der Diltheyschen Richtung mit Heidegger und Husserl. 3. Aufl. Darmstadt 1967. 8 Vgl. Misch, Wilhelm Dilthey als Lehrer und Forscher. In: Vom Lebens- und Gedankenkreis Wilhelm Diltheys. Frankfurt a. M. 1947. S. 56. • Vgl. K. Gründer, Vorwort zur Fortsetzung der Gesammelten Schriften Wilhelm Diltheys. Ges.Schr. X V , viii.
XII
Vorbericht der Herausgeber
Ribot, Hamilton und Bain aus den Papieren eines von der Historischen Schule geprägten deutschen Gelehrten exemplarisch zu rekonstruieren. Hinzu kommt ein zweites. Die Intensivierung des Interesses an wissenschaftstheoretischen Fragestellungen, namentlich an der Logik der Sozialwissenschaften, hat hierzulande seit den sechziger Jahren auch auf die Dilthey-Rezeption zurückgewirkt. Es kann nicht Aufgabe eines solchen Vorberichtes der Herausgeber sein, einen bestimmten rezeptionsgeschichtlichen Stand durch eine Auseinandersetzung mit der neuesten Literatur 10 gleichsam festzuschreiben. Doch sollte die besondere geschichtliche Situation, aus der heraus diese Edition erfolgt, insoweit festgehalten werden, als damit zugleich auch leitende Gesichtspunkte der Herausgeber kenntlich gemacht werden können. Hierher gehört das Bewußtsein von einer gewissen geistigen Zeitgenossenschaft gerade des Breslauer Dilthey mit unserer Zeit. Wenn man heute in der deutschen Philosophie damit beschäftigt ist, eine kritisch-produktive Konfrontation zwischen den aus der empiristisch-positivistischen Tradition beiderseits des Atlantik erwachsenden Wissenschafts- und Sprachtheorien und gewissen, der kontinentaleuropäischen (vorzugsweise hermeneutischen) Tradition verpflichteten Positionen durchzuführen, so ist dies ein Thema, das vor hundert Jahren nicht unbekannt war und für das es in diesem Band zahlreiche Variationen gibt. Damals wie heute trat der „handelnde Mensch" bzw. die Reflexion der Wissenschaften vom handelnden Menschen in den
10 W ä h r e n d der editorischen Arbeiten an diesem B a n d erschienen u . a . : P. Krausser, K r i t i k der endlichen Vernunft. Wilhelm Diltheys R e v o l u t i o n der allgemeinen Wissenschafts- und H a n d l u n g s t h e o r i e . F r a n k f u r t a. M. 1968. — ]. Habermas, Erkenntnis und Interesse. F r a n k f u r t a. M. 1968. — U. Herrmann, Bibliographie Wilhelm D i l t h e y . Q u e l len und L i t e r a t u r . Weinheim-Berlin-Basel 1969. — F. Rodi, Morphologie u n d H e r m e n e u tik. Z u r M e t h o d e v o n Diltheys Ästhetik. S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1969. — M. Riedel, Einleitung z u r Taschenbuch-Ausgabe der A b h a n d l u n g Diltheys „ D e r A u f b a u der geschichtlichen W e l t in den Geistes Wissenschaften". F r a n k f u r t a. M. 1970; f e r n e r mehrere A u f s ä t z e . — U. Herrmann, Die P ä d a g o g i k Wilhelm Diltheys. I h r wissenschaftstheoretischer A n s a t z in Diltheys Theorie der Geisteswissenschaften. G ö t t i n g e n 1971. — B. Peschken, Versuch einer germanistischen Ideologiekritik. Goethe, Lessing, N o v a l i s , Tieck, H ö l d e r l i n , H e i n e in Wilhelm Diltheys u n d J u l i a n Schmidts Vorstellungen. S t u t t g a r t 1972. — K. Sauerland, Diltheys Erlebnisbegriff. Entstehung, G l a n z z e i t u n d V e r k ü m m e r u n g eines literaturhistorischen Begriffs. B e r l i n - N e w Y o r k 1972. — H. Johach, H a n d e l n d e r Mensch u n d o b j e k t i v e r Geist. Z u r Theorie der Geistes- u n d Sozialwissenschaften bei Wilhelm Dilthey. Meisenheim a. Gl. 1974. — H.-J. Lieber, K u l t u r k r i t i k u n d Lebensphilosophie. Studien zur Deutschen Philosophie der J a h r h u n d e r t w e n d e . D a r m s t a d t 1974. — H. Ineichen, Erkenntnistheorie u n d geschichtlich-gesellschaftliche Welt. D i l t h e y s Logik der Geisteswissenschaften. F r a n k f u r t a. M. 1975. — R. A. Makkreel, D i l t h e y . Philosopher of the H u m a n Studies. P r i n c e t o n 1975. — Chr. Zöckler, D i l t h e y u n d die H e r m e n e u t i k . Diltheys Begründung der H e r m e n e u t i k als „Praxiswissenschaft" u n d die Geschichte ihrer Rezeption. S t u t t g a r t 1975.
Vorbericht der Herausgeber
XIII
Vordergrund des Interesses, weil hier ein Bereich der Überschneidung von analytisch-empirischen und verstehend-phänomenologischen Verfahren gegeben ist. Die Arbeiten der Breslauer Zeit scheinen insofern besonders geeignet, die gegenwärtige Diskussion zu bereichern, weil sie einerseits auf eine Systematik der Handlungswissenschaften auf der Basis einer „Erforschung der psychischen Tatsachen" und ihrer Gesetzmäßigkeiten abzielen, andererseits die Frage nach diesen Gesetzmäßigkeiten von der für Dilthey offenkundigen Verkürzung der positivistischen Ansätze freizuhalten versuchen. Stärker als im Spätwerk wird aus den Manuskripten der siebziger Jahre deutlich, daß die Geisteswissenschaften nicht nur historisch-philologische, sondern auch und vor allem „moralisch-politische" Wissenschaften sind, wie noch die Terminologie des Aufsatzes von 1875 Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat erkennen l ä ß t I h r Kern liegt im Bereich der alten „praktischen Philosophie" 12, von der Dilthey schon in seiner Habilitationsschrift (Versuch einer Analyse des moralischen Bewußtseins, 1864) ausgeht. Weiterführend befassen sich die vorliegenden Manuskripte mit den Wissenschaften von Moral, Ökonomie, Recht und Staat, zu denen die damals neu aufkommende Soziologie 13 hinzuzurechnen ist. Dilthey konstatiert ein bleibendes „praktisches Interesse" in diesen Wissenschaften, das auch durch die wachsende Differenzierung zwischen beschreibend-erklärender Wissenschaft und Lebenspraxis nicht aufgehoben werden kann. Es ist demnach unmöglich, die moralisch-politischen Wissenschaften rein als System deskriptiver Sätze nach dem Vorbild der nomologisch-empirischen Wissenschaften aufzufassen. Vielmehr steht Regelgebung, Normierung des praktischen Handelns in ihnen zumindest gleichrangig neben der Erklärung faktischer Handlungsvollzüge aus psychischen und sozialen Gesetzmäßigkeiten. Dilthey erkennt die Schwierigkeit, die mit dem Versuch verbunden ist, normative Aussagen wissenschaftlich zu begründen, lehnt es jedoch ab, im positivistischen Sinne Tatsachen und Entscheidungen rigoros zu trennen. Er sieht es vielmehr als seine Aufgabe an, aus der Analyse der Kul11 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß D. in einem der hier veröffentlichten Entwürfe (s. u. S. 221) das Wort „Geisteswissenschaften" in „moralischpolitische Wissenschaften" umänderte. 12 Vgl. M. Riedel, Einleitung d. Hrsg. zu: W. Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Frankfurt a. M. 1970, S. 21. 13 Vgl. u. a. Ds. Rezensionen in Westermanns Monatsheften zu Comte, Schäffle, Spencer, Marx und Gumplowicz, jetzt in Ges.Sehr. X V I I .
XIV
Vorbericht der Herausgeber
turideale und „Beziehungsformen der praktischen Welt" in historischpraktischer Selbstbesinnung für das soziale Handeln in der Gegenwart fruchtbare Vorbedingungen zu schaffen; denn Zweck des Menschen ist Handeln, wie es schon in der Basler Antrittsrede14 heißt. Die historisch-philosophische „Anschauung aller Formen des menschlichen Daseins" 15, von der Dilthey in seinen frühen Aufzeichnungen spricht, muß daher zum „handelnden Leben" der Gesellschaft in Beziehung gesetzt werden und ist nidit als kontemplativer Selbstgenuß mißzuverstehen. Dies zu unterstreichen erscheint als eine wichtige Funktion dieser Ausgabe der Breslauer Schriften. II. Die Zusammenstellung der Fragmente aus den siebziger Jahren schließt insofern an den vorausgehenden Band X V I I dieser Ausgabe an, als dort die aus den gleichen Jahren stammenden umfangreichen Beiträge Diltheys zu Westermanns Monatsheften abgedruckt sind. Während diese Beiträge jahrelang fast die einzigen (noch dazu anonymen) Veröffentlichungen waren, Dilthey sich also der Fachwelt gegenüber in Schweigen hüllte, füllte er Schubladen und Schränke mit seinen Manuskripten. Warum hat er so weniges davon abgeschlossen und veröffentlicht? Lag es an der von Bernhard Groethuysen bezeugten „Ungeduld darüber, den Gedanken festlegen zu müssen" "? Lag es an der mit Eifer betriebenen, nach eigenem Zeugnis höchst erfolgreichen Lehrtätigkeit? Vermutlich liegt der eigentliche Grund in der Art, wie Dilthey mit seinen Projekten umging. Um seine Situation damals in der Breslauer (aber audi später in der Berliner) Zeit richtig zü verstehen, muß man vor Augen haben: nicht eingelöst blieb in all den Jahren das Versprechen einer Fortsetzung der Schleiermacher-Biographie, deren erster Band 1870 erschienen war. Äußerungen über Projekte sind deshalb in der Regel mit dem Vorbehalt verbunden: „wenn erst das Schleiermacher-Buch vollendet ist". So heißt es in einer Eingabe an das Ministerium vom 28. Mai 1872: „Der vornehmste Plan meines Lebens, sobald die Biographie Schleiermachers ihren Abschluß gefunden, ist eine Geschichte der abendländischen Ges.Schr. V, 25. Der junge Dilthey. Ein Lebensbild in Briefen und Tagebüchern 1852—1870, zusammengestellt von Clara Misch geh. Dilthey. 2. Aufl. Göttingen 1960, S. 88 (Tagebuch 1859). " B. Groethuysen, Wilhelm Dilthey. In: Deutsdie Rundschau, 39. Bd. Berlin 1913, S. 69. 14
15
Vorbericht der Herausgeber
XV
Philosophie in ihrer Wechselwirkung mit den positiven Wissenschaften und dem Fortgang der europäischen Kultur seit der Wiederherstellung der Wissenschaften." 17 Gegen Ende desselben Jahres schreibt er an Schwester und Schwager Usener: „Alles, was in den nächsten Jahren zu leisten ist, steht mir so deutlich vor Augen, daß ich nur wünschen will, es möge gelingen, es auch nur halb so durchzuführen, wie es vor mir steht. Dies Buch und der Schleiermacher, wenn erst der erste Band in ganz umgearbeiteter Ausgabe neben dem zweiten da sein wird, enthalten dann — meine Ansicht der Entwicklung europäischer Kultur seit der Renaissance in zwei großen, wie ich hoffe mit der Zeit audi auf die Gemüter praktisch wirkenden Bänden." 18 Die beiden Projekte sind also eng miteinander verflochten, setzen einander voraus und — stehen sich gegenseitig im Wege. In der Vorrede zur Einleitung schreibt Dilthey: „Dieser Versuch erscheint, bevor ich eine alte Schuld durch die Vollendung der Biographie Schleiermachers abgetragen habe. Nach dem Abschluß der Vorarbeiten für die zweite Hälfte derselben ergab sich bei der Ausarbeitung, daß die Darstellung und Kritik des Systems von Schleiermacher überall Erörterungen über die letzten Fragen der Philosophie voraussetzten. So wurde die Biographie bis zum Erscheinen des gegenwärtigen Buches zurückgelegt, welches mir dann solche Erörterungen ersparen wird." 19 Damit ist die „alte Schuld", die bekanntlich zu Lebzeiten Diltheys nicht mehr abgetragen werden sollte, um ein Versprechen vermehrt, dessen Einlösung damals greifbar nahe vor ihm zu stehen schien, dann aber doch, zusammen mit den weiteren Arbeiten an der SchleiermacherBiographie, die sich immer mehr ausweitende Aufgabe während der zweiten Lebenshälfte Diltheys wurde. Wie die Dinge sich keineswegs planvoll ineinanderschoben, zeigt andeutungsweise die Korrespondenz der Breslauer Zeit. An Rudolf Haym schreibt Dilthey Anfang Januar
1873: „Hoffentlich sind Sie dem Abschluß einer Arbeit näher als ich. Denn mich hat vorherrschend beschäftigt, zu einiger erträglichen Reife mit
17 Gehorsamstes Gesuch des ordentlichen Professors der Philosophie Wilhelm Dilthey in Breslau, einen R u f nach Würzburg betreffend. Sammlung Darmstaedter. 18 An Hermann und Lilly Usener. Weihnachten 1872. Dilthey-Nachlaß Göttingen. " Ges.Sdir. I, xx
XVI
Vorbericht der Herausgeber
meinen systematischen Gedanken zu gelangen. Das ist denn wohl bis zu einem gewissen Grade gelungen, so weit wenigstens, daß ich von mir aus angesehen nun den 2. Band des Schleiermacher, zu welchem ich vieles vorgearbeitet habe, definitiv schreiben könnte. Doch hat sich mir eine historisch-philosophische Arbeit zwischeneingedrängt, welche den historischen Zusammenhang, in welchen unsere Philosophie seit Kant eintritt, mir aufschließen sollte und an der ich nun zu schreiben begonnen habe. Ich habe nunmehr begonnen, meine Vorlesungen mehr zurücktreten zu lassen, und hoffe in zweijähriger Arbeit das kleine in Frage stehende Buch und den Schleiermacher zu vollenden." 20 Ein halbes Jahr später, wiederum an Rudolf Haym: „Ich suche jetzt aus meinen Untersuchungen einige Hauptpunkte schreibend in einem gewissen Zusammenhang herauszulösen, damit ein paar Freunde wie Sie, und vielleicht auch ein paar in ähnlichen Wegen forschend, die ich nicht bisher kenne, einmal wieder sehen, wie idi midi plage, größere geschichtliche Kausalzusammenhänge aus genauen Detailstudien festzustellen. Ist dies geschrieben und zwei systematisdie Abhandlungen, eine erkenntnistheoretische und eine zur Ästhetik der Musik (von der letzteren aber ist erst der Anfang der Untersuchungsreihe da), dann will ich den Schleiermacher fertig schreiben." 21 Diese brieflichen Äußerungen sind nun zu den Entwürfen, die im Nachlaß vorliegen, in Beziehung zu setzen. Bei dem „kleinen, in Frage stehenden Buch" handelt es sich offensichtlich um die Fortführung früherer, ab etwa 1865 zu datierender Aufzeichnungen zu einer systematischen Erörterung wissenschaftstheoretischer Probleme der Geisteswissenschaften. Es ist im engeren Sinne jenes Projekt, das Misch als „Plan der Abhandlung von 1875" bezeichnete. Unklar ist, ob die im zweiten Brief an Haym erwähnte systematisdie Abhandlung zur Erkenntnistheorie mit diesem ersten Projekt zusammenfällt oder ob Dilthey eine eigene, rein erkenntnistheoretische Untersuchung vorhat. Auch hierzu finden sich Ansätze in den Aufzeichnungen vor 1875 in Gestalt einer Auseinandersetzug mit Kant und dem Empirismus. Gleichzeitig mit den wissenschäfts- und erkenntnistheoretischen Arbeiten verfolgt Dilthey den Plan, „größere geschichtliche Kausalzusammenhänge aus genauen Detailstudien festzustellen", also „historische Forschung in philosophischer Absicht" zu betreiben. Dieser Plan, den er an zwei Schwerpunkten, den Naturrechtstheorien der An-
20 E. Weniger (Hrsg.), Briefe Wilhelm Diltheys an Rudolf H a y m 1861—1873. Abhandlungen d. Preuß. Akad. d. Wiss., Jahrgang 1936, Philos.-Hist. Klasse Nr. 9, S. 33 f. » A.a.O., S. 35.
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tike und des 16./17. Jahrhunderts, konkretisieren will, weitet sich ihm unter der Hand aus zu einem eigenen großen Projekt, das den Rahmen der Abhandlung sprengt. Dilthey berichtete nämlich im Dezember 1875, nachdem die beiden ersten Folgen der Abhandlung in den Philosophischen Monatsheften erschienen waren, seinem Freund Wilhelm Scherer, er hoffe, in wenigen Wochen den Schlußaufsatz und eine Abhandlung über Einbildungskraft fertig zu bringen, „so daß ich midi dann ganz auf das erste Buch der großen Arbeit, das sophistische Naturrecht, konzentrieren kann" 22. Dieser neue Plan entspricht der Ankündigung, die Dilthey in einer Anmerkung zum Titel der Abhandlung von 1875 gemacht hatte: „Diese Bemerkungen sollen geschichtliche Untersuchungen einführen, deren erste, über die Grundlegung des Naturrechts der Sophisten, in den nächsten Heften dieser Zeitschrift erscheinen wird." 23 Die „große Arbeit", in die dann tatsächlich der Abschnitt „Das Naturrecht der Sophisten als eine atomistische Metaphysik der Gesellschaft und die Gründe seiner Unfruchtbarkeit" eingegangen i s t i s t die Einleitung in die Geisteswissenschaften. Es ist nun festzuhalten, daß hier, Ende 1875 in dem Brief an Scherer, nicht mehr davon die Rede ist, daß noch gewisse erkenntnistheoretisch-methodologische Fragen zu klären seien, bevor die Arbeit am Schleiermacher weitergehen könne. Vielmehr hat nun das neue Projekt, eben die Einleitung, das frühere verdrängt, und zwar nicht im Sinne einer systematischen Vorabklärung der Methodenfragen, sondern jetzt primär als ein neues, historisches Unternehmen, von dem sich Dilthey hinreißen läßt und das auf Kosten nicht nur der Schleiermacher-Biographie, sondern auch der systematischen Arbeiten, die jenes Buch hätte fördern sollen, geht. Die Anlage unseres Bandes soll die Phasen, in denen diese Planungen und Umdispositionen vor sich gingen, deutlich machen. Herausgehoben werden zunächst Frühe Pläne und Entwürfe, die noch bis in die erste Berliner Zeit zurückgehen. Hieran schließen sich Vorarbeiten zur Abhandlung von 1875 — Arbeiten aus den ersten Breslauer Jahren, als Dilthey die älteren Pläne sichtete und die Hauptgedanken im Hinblick auf das „kleine Buch" neu ordnete. Diese Arbeiten sind der Sache nach in der Abhandlung von 1875 aufgegangen, können als unmittelbare Vorstufen
2 2 Brief an Wilhelm Scherer v. 20. Dezember 1875. Sdierer-Nadilaß, Zentrales Akademie-Archiv d. Akad. d. Wiss. d. D D R , Berlin. 2S Vgl. Ges.Sdir. V, 419. 2 4 Ges.Schr. I, 219 ff.
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jedoch zum genetischen Verständnis jener Abhandlung und im weiteren Sinn des ganzen Unternehmens der Einleitung in die Geisteswissenschaften beitragen. U m das J a h r 1874 hat sich der Plan schon so weit ausdifferenziert, daß von mehreren Projekten zu sprechen ist. D a ist einmal die „Abhandlung über Einbildungskraft". Sie ist in diesem Band nicht berücksichtigt, da innerhalb der Ausgabe ein eigener Band den Vorstufen des Goethe-Aufsatzes aus dem Buch Das Erlebnis und die Dichtung vorbehalten ist. Die Einwirkungen dieses Projekts auf die Fortsetzung der Abhandlung von 1875 wird jedoch kurz zu skizzieren sein (vgl. unten S. X X V I I ) . D a ist ferner der in diesen Jahren Gestalt gewinnende Plan, die Geschichte des Naturrechts „in philosophischer Absicht" zu behandeln.
In den Einleitungen
zu Untersuchungen
über die Geschichte
des
Natur-
rechts wird erkennbar, wie eng die einzelnen Pläne miteinander verwoben sind, so daß man (mit Georg Misch) auch diese Fragmente in einem weiteren Sinn zum Plan der Abhandlung von 1875 rechnen kann. Schließlich ist die Fortsetzung der Abhandlung selbst wieder ein Projekt für sich, das nun nicht, wie die Naturrechtspläne, in den historischen Teil der späteren Einleitung in die Geisteswissenschaften hineinführt, sondern die psychologisch-erkenntnistheoretisch-methodologische Grundlegung zum Ziel hat. Die Fortsetzungen der Abhandlung von 1875 lassen erkennen, daß hier zwei Anläufe zu unterscheiden sind. Manuskript I enthält die direkte Fortsetzung der Abhandlung über die gedruckte Fassung von 1875 hinaus und zeigt den (von Dil they zunächst nicht weiter verfolgten) Weg in die Psychologie, der dann in der Ausarbeitung der deskriptiven Psychologie („Die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung") wieder aufgenommen wird. In einem zweiten Anlauf wird 1876 unter Verwendung von Teilen aus Manuskript I noch einmal der Versuch gemacht, die Abhandlung abzuschließen. Diesmal sollte der Weg nicht zur Analyse der psychischen Gleichförmigkeiten, sondern umgekehrt zum Problem der Auslegung des Singularen, also zur Hermeneutik, führen. D a ß beides sich nicht gegenseitig ausschließt, zeigt die Tatsache, daß die psychologischen Partien aus Manuskript I zwar dem hermeneutischen Ansatz in Manuskript I I geopfert, dafür jedoch wenig später in dem Fragment über die „Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens" wieder aufgenommen werden. Die erkenntnistheoretische Thematik schließlich, die Dilthey schon 1874 in einer „Übersicht der Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des Empirismus, durch welche die Einsicht in die Objektivität der Erscheinungen begründet würde" in Angriff nimmt, wird 1879 im Gliederungsentwurf eines Buchs mit dem Titel: „Versuch einer Philosophie der Erfahrung und
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Wirklichkeit im Gegensatz zu dem Empirismus und der Spekulation" wieder aufgenommen; die Materialien zu diesem Buch stammen größtenteils aus früherer Zeit. Beide Projekte sind als Erkenntnistheoretische Fragmente als Abschluß der in diesem Band gesammelten Vorarbeiten zur Einleitung abgedruckt. Es folgen Frühe Aphorismen aus der Berliner Zeit, die in den A n h a n g gesetzt sind, da sie nicht mehr im eigentlichen Sinne zu den Vorarbeiten gehören. Von der Erkenntnistheorie einerseits, der deskriptiven Psychologie andererseits f ü h r t der Weg dann weiter zur Breslauer Ausarbeitung des 2. Bandes der Einleitung, in der sowohl eine Analysis der „Tatsachen des Bewußtseins" geleistet als auch ihr Bezug zur Realität erörtert wird. Dieser Text wird zusammen mit dem „Berliner E n t w u r f " in Band X I X dieser Ausgabe herausgegeben. III. Gegen Ende des Jahres 1862 e r w ä h n t Dilthey in einem Brief an den Bruder erstmals einen „Entwurf einer A r t Wissenschaftslehre" 2 5 , zu dem ihn vermutlich die deutsche Übersetzung von / . St. Mills „System der deductiven und inductiven Logik" angeregt hat. G u t zwei Jahre später, bereits als Privatdozent in Berlin, teilt er dem Vater mit, er habe vor, im Anschluß an die Habilitation ein „bis in viele Einzelheiten durchdachtes kleines Buch ,über die sociale und moralische N a t u r des Menschen'" 2 ' auszuarbeiten, das bald darauf abgelöst wird von einem Entwurf mit dem Titel „Über das Studium des Menschen und der Geschichte" Es ist das erste erhaltene Manuskript, in dem wir, wie Misch formuliert, „den Keim seines 20 J a h r e später erschienenen systematisch-historischen H a u p t w e r k s zu erblicken haben" Z 8 . Ihm folgen weitere „Untersuchungen über den Menschen und die Geschichte" M , die sich schließlich zum Plan einer historisch-philosophischen Grundlegung der Geisteswissenschaften verdichten. U m den Einsatzpunkt von Diltheys f r ü h e n E n t w ü r f e n deutlich zu machen, bedarf es einer kurzen Skizze der damaligen Zeitsituation und der leitenden Einflüsse, die sein Denken bestimmten. 25
Der junge Dilthey, S. 178. Der junge Dilthey, S. 197 (Brief vom März 1865). " Der junge Dilthey, S. 218 (Brief vom Juli 1866). 28 G. Misch, Dilthey versus Nietzsche. Eine Stimme aus den Niederlanden. I n : Die Sammlung, 7. Jahrg. (1952), S. 392. 29 Der junge Dilthey, S. 230 (Brief vom Januar 1867). 26
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Während der Jahre des Studiums in Heidelberg und Berlin nimmt Dilthey vor allem die Tradition und Arbeitsweise der Historischen Schule in sich auf. Von ihr sind die geplanten theologischen Studien „Zur Geschichte der mittelalterlichen Weltanschauung" 30 und die frühen Arbeiten über Schleiermacher und die Hermeneutik geprägt. Daneben macht sich zumindest zeitweise ein starkes Interesse an der politischen Geschichte bemerkbar. Diltheys frühe Aufzeichnungen offenbaren ein charakteristisches Schwanken zwischen Geistesgeschichte und Politik 31 , das zum Teil persönliche Gründe in Diltheys Biographie, d. h. vor allem in seiner Herkunft aus einem protestantischen Pfarrhaus hat, zum Teil aber auch durch die politisch unbefriedigende Lage des Bürgertums nach der gescheiterten Revolution von 1848 mitbedingt ist. Er nimmt Anfang der sechziger Jahre lebhaften Anteil an der Tagespolitik und steht mit Politikern und Publizisten der Fortschrittspartei und der Nationalliberalen in regem Gedankenaustausch. Seine Mitarbeit bei den Preußischen Jahrbüchern, in denen er u. a. seinen Schlosser-Aufsatz (1862) erscheinen läßt, und in mehreren liberalen Zeitungen ist der äußere Beleg für dieses Interesse. Angesichts der mangelnden Durchsetzungskraft liberaler Ideen vor der Realität des preußischen Staates unter Bismarck setzt dann etwa ab Mitte der sechziger Jahre eine Abwendung von der Tagespolitik und verstärkte Konzentration auf wissenschaftliches Arbeiten ein. In Berlin lebt Dilthey in engem wissenschaftlichen und persönlichen Kontakt u. a. mit Bernhard Erdmannsdorf er, Hermann Usener und Wilhelm Scherer. Ihnen ist audi der erste der hier veröffentlichten Entwürfe gewidmet. In diesem Kreis wird — was ihn von der älteren Historikergeneration unterscheidet — vor allem eine ernsthafte Rezeption des westeuropäischen Positivismus geleistet. 1860 erscheint H. Th. Buckles „Geschichte der Zivilisation in England" in der Übersetzung von A. Rüge, die bei den deutschen Historikern eine heftige Diskussion auslöst. In seinen Rezensionen 32 setzt sich Dilthey mit der Anwendung der Statistik und der Behauptung von Geschichtsgesetzen auseinander. In der Folgezeit
30
Der junge Dilthey, S. 84 (Tagebuch vom April 1859). Vgl. den Tagebucheintrag vom 14. N o v . 1860 („daß mein Beruf ist, das Innerste des religiösen Lebens in der Historie zu erfassen und zur bewegenden Darstellung zu bringen in unseren von Staat u. Wissenschaft ausschließlich bewegten Zeiten", Der junge Dilthey, S. 140) mit dem Brief an den Vater vom März 1862 („Endlich, daß die Politik midi beschäftigen muß", ebd. S. 172). 32 Ges.Schr. XVI, 51—56, 100—106. 31
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studiert er besonders Mills „System der deductiven und inductiven Logik" und den „Cours de philosophie positive" von Comte33; von der Auseinandersetzung mit beiden Schriften, insbesondere mit Mills „Logik", sind die vorliegenden Entwürfe durchgehend bestimmt. Als weitere Anregung für die frühen Arbeiten Diltheys verdient die Völkerpsychologie von H. Steinthal und M. Lazarus besonders hervorgehoben zu werden. Dilthey ist mit Lazarus zeitweilig befreundet und verfolgt mit lebhaftem Interesse die Gründung der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft; er bezieht von dort entscheidende Anregungen, und wenn er audi den Mangel an fundierten anthropologischen Kenntnissen kritisiert 34 , so wird doch sein späterer Grundgedanke, die Psychologie mit vergleichender Kulturgeschichte zu verbinden, durch die Völkerpsychologie zumindest bestärkt. Ähnliche Tendenzen findet Dilthey im „Mikrokosmus" von Lotze und in der „Anthropologie der Naturvölker" von Th. Waitz. Im Einklang mit diesen gleichzeitigen Bestrebungen, dazu angeregt durch die in den Naturwissenschaften von H. Helmholtz, O. Liebmann und F. A. Lange eingeleitete Rückbesinnung auf Kant, faßt Dilthey schon früh den Plan, den er in der Basler Antrittsrede 1867 so formuliert: „Kants kritischen Weg zu verfolgen, eine Erfahrungswissenschaft des menschlichen Geistes im Zusammenwirken mit den Forschern anderer Gebiete zu begründen" 35. Dilthey geht aus vom Faktum selbständiger Einzelwissenschaften, die ihren gemeinsamen Bezugspunkt in der durch menschliches Handeln konstituierten gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit haben. Die Geisteswissenschaften — den Terminus entnimmt er der Schielsdrten Übersetzung des VI. Buches von Mills „Logik" („On the Logic of the Moral Sciences") — sind „Wissenschaften des handelnden Menschen". Dies ist, neben der von Mohl übernommenen Bezeichnung als „moralisch-politische" Wissenschaften, die in der Abhandlung von 1875 durchgängig verwendet wird, die bedeutendste terminologische Variante der Vorarbeiten zur „Einleitung", an der sowohl die Herkunft der Geisteswissenschaften aus der praktischen Philosophie als auch ihr Schwerpunkt bei den — später erst terminologisch ausdifferenzierten — Sozialwissenschaften deutlich wird.
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Der junge Dilthey, S. 185 (Brief vom Juli 1864). Vgl. Der junge Dilthey, S. 69 (Brief vom Frühjahr 1859), u. S. v. d. Schulenburg (Hrsg.), Briefe an Bernhard und Luise Scholz. Sitz. Ber. d. Preuß. Akad. d. Wiss., Jahrgang 1933, Philos.-Hist.-Klasse Nr. 10, S. 442 (Brief vom Februar 1860). 35 Ges.Schr. V, 27. 34
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Bereits in den ersten Manuskripten klingt das große Thema einer „Neugestaltung der Wissenschaften des Geistes" an. Dilthey vergleicht ihre Lage mit der der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert, in dem Galilei und Kepler die Astronomie auf eine neue empirische Grundlage stellten, Leibniz und Newton die Physik mathematisch unterbauten. Den Geisteswissenschaften fehlt, seit sie sich von der praktischen Philosophie gelöst und als empirische Wissenschaften konstituiert haben, eine ähnlich sichere Grundlage. Die Versuche von Comte, Mill und Buckle, naturwissenschaftliche Methoden auf sie zu übertragen, können bei allem Verständnis, das Dilthey diesen Versuchen entgegenbringt — wie sich nicht zuletzt in seinem eigenen Bestreben zeigt, Gesetze der Koexistenz und Sukzession aufzustellen —, doch seine Billigung nicht finden. Was ihnen fehlt, ist die spezifische Verknüpfung des Studiums des Menschen mit dem der Geschichte, die Dilthey als Verdienst der Historischen Schule ansieht und die er selbst in seinen biographischen Studien zu praktizieren sucht. In den theoretischen Grundlegungsschriften ergibt sich daraus eine doppelte Konsequenz: einmal die Aufnahme der Wissenschaftsgeschichte in die Logik der Geisteswissenschaften, sodann die Frontstellung gegen einen ungeschichtlichen, vom isolierten Individuum ausgehenden Begriff vom Menschen, wie er in der Anthropologie des Naturrechts und der Aufklärung seinen Niederschlag gefunden hat. Die Pläne zu größeren Untersuchungen über das „Naturrecht der Sophisten" und die „Geschichte der egoistischen Theorien vom Menschen, der Gesellschaft, dem Staat und der Geschichte in dem 16. und 17. Jahrhundert" 3 6 , deren Einleitungen hier abgedruckt sind, finden in diesem Zusammenhang ihren Ort. Bei aller Kritik am „natürlichen System" verwahrt sich Dilthey jedoch gegen eine einseitig abwertende Beurteilung der naturrechtlichen Theorie durch konservative Rechtshistoriker wie F. J. Stahl. Seine wissenschaftshistorischen Untersuchungen sind vielmehr getragen von dem Impuls, den Nachweis eines durch das Naturrecht ermöglichten theoretischen Fortschritts zu erbringen. In der Abhandlung von 1875 gibt Dilthey als Leitthema seiner Untersuchungen „historische Forschung in philosophischer Absicht" an, als eine bestimmte Klasse von „exakten Forschungen in philosophischer Absicht" 37. Der Sinn dieser Formulierung wird aus den Vorarbeiten deutlich. Dilthey verwahrt sich gegen den Anspruch der „Systemschmiede", 3
· Vgl. unten S. 38 ff. Ges.Sehr. V, 35.
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das genuine philosophische Bedürfnis nach einer Totalansicht der Welt und des menschlichen Lebens durch geschichtsphilosophische Konstruktionen zu befriedigen. An die Stelle spekulativer Gesamtdeutungen hat exakte Einzelforschung zu treten, die in neuerer Zeit allein die Basis wahrer Philosophie sein kann. Der erfahrungswissenschaftliche Ansatz in den Geisteswissenschaften bleibt f ü r das Selbstverständnis der Philosophie insofern nicht folgenlos, als er vom philosophischen Forscher die Beherrschung exakter Methoden, sei es im Bereich der mathematisch-physikalischen oder der historisch-politischen "Wissenschaften verlangt. Unbegreiflich sei die „philosophische Eitelkeit", welche von einer „Suprematie über die Einzelwissenschaften" träume, notiert sich Dilthey schon 1859 ins Tagebuch 3 8 . Die gegenseitige „Durchdringung der empirischen Wissenschaften und der Philosophie" galt ihm damals schon als charakteristisch f ü r seine Epoche. N ä h e r wird dies in den Vorarbeiten dahingehend ausgeführt, d a ß die Philosophie die „Feststellung eines über die einzelnen positiven Wissenschaften hinausreichenden Zusammenhanges und die Behandlung der einzelnen Untersuchungen von einem solchen Zusammenhang aus" zu leisten habe. Zwischen Philosophie und Einzelwissenschaft besteht demnach kein Gegensatz, sondern ein K o n t i n u u m : „Philosophischer Geist oder Philosophie ist nichts anderes als eine weitere Steigerung des wissenschaftlichen und hat demnach selber Grade. Überall wird ein Zusammenhang gesucht und rückwärts von ihm aus erklärt. Dieser Zusammenhang m u ß Wissenschaften miteinander v e r k n ü p f e n in eine höhere Potenz und von dieser V e r k n ü p f u n g aus erklären" 3 9 . Erscheint diese zunächst rein umfangslogische Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Wissenschaft ebenso wie das immer wieder hervortretende Bemühen, ein „System der Abhängigkeit von W a h r heiten" aufzustellen, auf den ersten Blick nur wie eine bloße Rezeption des enzyklopädischen Grundgedankens der „Philosophie positive" von Comte, so gibt Dilthey mit dem Plan einer „Kritik der reinen V e r n u n f t auf G r u n d unserer historisch-philosophischen Weltanschauung" 40 doch schon f r ü h das Stichwort zu einer weitergehenden, der Transzendentalphilosophie verpflichteten Begründung der Geisteswissenschaften. Ihr geht es nicht nur um methodologische Klärung, sondern um grundlegende erkenntnistheoretische Reflexion des Verhältnisses von Realität und
38 39 40
Der junge Dilthey, S. 81 (Tagebuch vom März 1859). Vgl. unten S. 2. Der junge Dilthey, S. 120 (Tagebuch vom April 1860).
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Erkennen. Wie Kant f ü r das Gebiet der Naturerkenntnis, so sucht Dilthey f ü r Gesellschaft und Geschichte das zugrundeliegende Apriori aufzudecken. Dies liegt f ü r ihn in der Vernunftstruktur des erkennendhandelnden Subjektes, die es befähigt, „sich selber und die von ihm geschaffene Gesellschaft und Geschichte zu erkennen" Die damit eingeführte historisch-dynamische Erkenntnistheorie wird auf „Selbstbesinnung" begründet — ein Grundbegriff, den Dilthey zuerst in der Auslegung Schleiermachers42 entwickelt und von dort in seine eigene Systematik übernimmt. Für die Selbstbesinnung stellt Dilthey in Anknüpfung an die Tradition der praktischen Philosophie mehrere Forderungen auf: sie müsse den ganzen Menschen, das „wollend fühlend vorstellende Wesen" zum Ausgangspunkt nehmen, sie müsse geschichtlich vorgehen und ebenso gut die Grundlagen für das Handeln als die für das Denken l e g e n G e g e n ü b e r einer intellektualistisch verengten Erkenntnistheorie bezeichnet Dilthey es als Grundgedanken seiner Philosophie, die „ganze, volle unverstümmelte Erfahrung" dem Philosophieren zu Grunde zu legen 4 *. Damit sind Stichworte genannt, die f ü r die Theorie der Geisteswissenschaften insofern von zentraler Bedeutung sind, als diese den Menschen nicht nur als erkennendes, sondern zugleich als gesellschaftlich-geschichtlich handelndes Wesen zum Gegenstand haben.
IV. Mit dem Begriff der Selbstbesinnung greifen wir über die in diesem Band vereinigten Schriften freilich schon hinaus zur „Breslauer Ausarbeitung" und zum „Berliner E n t w u r f " . In den vorliegenden Arbeiten ist das Thema begrifflich noch stärker bestimmt von der direkten Auseinandersetzung mit dem westeuropäischen Positivismus und der deutschen psychologischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Literatur. Im Zuge der Versuche einer Fortsetzung der Abhandlung von 1875 vollzieht sich hier eine Konzentration auf die Frage des Gegebenseins von Fremdpsychischem, die sich in verschiedener Richtung ausdifferenziert. Ausgehend von der Problematik eines dogmatischen Empirismus, der aus 41
Ges.SAr. I, 116. Leben Schleiermachers, 2. A u f l . hrsg. v. (Ges.Schr. X I V , 1, 464). 43 Vgl. Breslauer Ausarbeitung, C 32 II: 97. 44 Ges.Schr. V I I I , 171 (um 1880). 42
H. Mulert,
Berlin-Leipzig 1922, S. 149
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vorschnell erreichten Generalisationen deduktiv zu Gesetzen des Geistes zu gelangen versucht, erfolgt die Skizzierung einer beschreibend-analysierend vorgehenden Wissenschaft von den geistigen Tatsachen, die einerseits hinsichtlich ihrer Gleichförmigkeiten und gesetzmäßigen Verknüpfungen, andererseits in ihrer Singularität und Geschichtlichkeit zu erforschen sind. Die einzelnen Manuskripte lassen deutlich das Schwanken Diltheys zwischen einer eher positivistisch zu nennenden Position, die sich bei allen Vorbehalten doch an Mills Begriff der „laws of mind" orientiert, und einer eher dem Geist der Historischen Schule verpflichteten „anschauenden" Methode erkennen. So finden wir als Aufgabe der Wissenschaften des Geistes hervorgehoben, „den gesetzmäßigen Aufbau von Elementen und Gleichförmigkeiten, welcher die geistigen Tatsachen begreifen möchte", zu entfalten. Denn: „Die Kunst der Darstellung psychischer und gesellschaftlicher Zustände lassen wir hinter uns: sie zu ordnen, zu erklären ist die Aufgabe." 45 Gleichzeitig aber betont Dilthey: „Schließlich ist ja der letzte Zweck aller Arbeit unseres Erkennens nicht die Erkenntnis der Vergleichbarkeit und Gleichförmigkeit in den Tatsachen, sondern der uns gegebenen Welt als eines Einmaligen, Singulären, welches als solches durch keine Gesetze erreicht, sondern nur in der Anschauung erfaßt werden k a n n . " " Eine Kette singulärer Anschauungen, so sagt er in diesem Zusammenhang, mache „Anfang und Ende des Erkenntnisprozesses" aus. Die Schwierigkeit, beides zusammenzubringen, d. h. das Gewebe der Gleichförmigkeit nicht als das quantitativ bestimmbare Ganze, sondern nur als „Eine Seite in dem sinnvollen Charakter des Weltganzen, zu welchem gerade Individualität und Schönheit gehören" " zu nehmen, bestimmt die Arbeit an der Fortsetzung der Abhandlung von 1875. Das in den frühen Aphorismen notierte Bild vom Weltrad, durch dessen Speichen man nicht nach der Achse greifen könne, um sie zu betasten, macht deutlich, worum es geht: „Wenn die gewöhnliche Bildung das Ewige in der Gestalt des menschlichen Gemütes fassen möchte, so ist zu erwägen, daß alles Höchste in diesem singular, wie das Erdganze selber ist, mit welchem es verwoben." 48 Dies ist die Vorwegnahme des späteren, berühmt gewordenen Wortes: „Was der Mensch sei, sagt ihm nur seine Geschichte."49 Alle Bemühungen um die Gleichförmigkeit der menschlichen Natur haben unter dieser Voraussetzung zu ge45
Unten S. " Unten S. 47 Unten S. 49 Unten S. " Ges.Sehr.
67. 105 f. 196. 195. VIII, 226 (vgl. IV, 528; V, 180; VII, 279 usw.).
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schu hen, daß man das Weltrad nicht anhalten kann, um die anthropologische Konstante gleichsam im Laboratorium zu analysieren und von hieraus dann die Gesetze von Gesellschaft und Geschichte zu deduzieren. Vielmehr hat die Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und Geschichte zirkelhaft in der Weise zu geschehen, daß aus dem Ganzen der gegebenen Lebenswirklichkeit einzelne Komponenten nur unter Vorgabe der Wechselwirkung, in der sie mit anderen stehen, heraus;.;rhoben werden können. Die Formulierung aus der „Schlußabhandlung" der Ausarbeitung über die „Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens", die hier anzuwendende Methode sei „ein vergleichendes Studium der großen Zweige des gesellschaftlich-geschichtlichen Lebens und eine Kombination desselben mit psychologischem Befund und Ableitungen aus demselben" 50 , spricht dieses zirkelhafte Verfahren der Grundlegung, in dem sich alle einzelnen Methoden wechselseitig voraussetzen, in einprägsamer Abbreviatur aus. Die Rekonstruktion zweier von Dilthey später ineinander gearbeiteter Manuskripte zur „Fortsetzung" in diesem Band (womit die Herausgeber vom dem sonst f ü r die Ausgabe geltenden Grundsatz abweichen, Manuskripte im Bearbeitungsstadium letzter H a n d zu edieren) soll die Schwierigkeiten der Grundlegung deutlich machen. Sie zeigt, wie die Arbeit am Schluß-Aufsatz der in zwei Folgen schon veröffentlichten Abhandlung von 1875 im ersten Anlauf zur Skizze einer beschreibenden Psychologie führt, dann aber abgebrochen wird (Manuskript I). Der zweite Versuch einer Fortsetzung, in dem Dilthey auf das Manuskript I zurückgreift, verwertet bezeichnenderweise gerade nicht die Partien über Psychologie und die Klassifikation psychischer Tatsachen. Vielmehr wird hier die andere Linie fortgeführt, die (schon im Manuskript I) einsetzt mit der Frage nach dem „großen, für Ethik und Ästhetik grundlegenden Vorgang der Sympathie, der Mitempfindung, des Mitleids" 51. Hier sollten die ersten Ansätze zu einer Verstehenstheorie, die der veröffentlichte Teil der Abhandlung 5 2 enthielt, weiterentwickelt werden. Dilthey spricht in diesem Zusammenhang von dem „großen Phänomen des Miterlebens, Nacherlebens der psychischen Welt, welches alle geistigen Operationen auf geschichtlichem Gebiet sondert von denen des Naturerkennens" Der Begriff des Erlebens hat hier noch nicht das terminologi-
50 51 52 53
Unten S. 238. Unten S. 94. Vgl. Ges.Sehr. V, 60 ff. Unten S. 95.
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sehe Gewicht, das ihm später in der hermeneutischen Theorie, vor allem in der Trias Erleben, Ausdruck und Verstehen, zukommt. Vielmehr handelt es sich hier, wie auch vor allem bei dem kleinen Diktatstück M , das vielleicht die erste Skizze dieses Gedankens mit Hilfe des Begriffs „Nacherleben" darstellt, um ganz unsystematische Versuche, das Phänomen des verstehenden Nachvollzugs zu umschreiben: „Wunderbare Fähigkeit des Menschen! In sich Gestalten aufleben zu lassen, die ein eigenes Leben in seinem Innern führen, gleichsam Personen, in welche sein bewußtes Dasein sich teilt." 55 Deutlich erkennbar sind hier Anklänge an den gleichzeitig geschriebenen Aufsatz Über die Einbildungskraft der Dichter, der allerdings erst 1878 aus Anlaß des Erscheinens von Herman Grimms Goethe-Buch in der Zeitschrift für Völkerpsychologie als Rezension erschien 5e. Wir wissen aus dem oben zitierten Brief an Scherer, daß dieser Aufsatz schon im Winter 1875/76 hätte abgeschlossen werden sollen. Nimmt man den 1877 in Westermanns Monatsheften erschienenen Dickens-Aufsatz 57 hinzu, vergegenwärtigt man sich ferner, daß 1876 von dem Erscheinen des ersten Teils von Fechners „Vorschule der Ästhetik" ein neuer Impuls ausging, so wird die Verlagerung des Interesses während der Arbeit an der Fortsetzung leicht erklärbar. Das Problem des Gegebenseins von Fremdpsychischem wird in zunehmendem Maße am Modell des Verstehens von Dichtung entwickelt. Für das Vorhaben der Grundlegung der Geisteswissenschaften bedeutet dies zweierlei: auf der einen Seite die Intensivierung des psychologischen Interesses durch die neuerliche Beschäftigung mit der dichterischen Einbildungskraft 58 , zugleich aber auch die Relativierung des psychologisch-klassifikatorischen Ansatzes durch die Hereinnahme der hermeneutischen Fragestellung. Erst durch diese Ausdifferenzierung erhielt das Unternehmen der Grundlegung jenen Grad von Verwickeltheit, der dann zum Abbruch des Versuchs einer Fortsetzung der Abhandlung von 1875 beziehungsweise zum Aufgehen dieser Arbeiten in dem größeren Plan der Einleitung führte. Nicht übergangen werden sollte schließlich der Anstoß, den Dilthey in jenen Jahren von der Beschäftigung mit Franz Brentanos „Psychologie Unten S. 66 f. Unten S. 66. 5« Vgl. Anm. 2. 5 7 Charles Dickens und das Genie des erzählenden Dichters. Zuerst erschienen in Westermanns Monatsheften, Februar und März 1877. Abgedruckt in: Wilhelm Dilthey, Die große Phantasiedichtung und andere Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte. Göttingen 1954. — 5 8 Vgl. Der junge Dilthey, S. 256. 54
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v o m empirischen S t a n d p u n k t e " (1874) erhielt. Wichtig ist nicht n u r , d a ß Brentanos Versuch einer Klassifikation der psychischen Phänomene Diltheys eigene Versuche (zunächst im M a n u s k r i p t I der „Fortsetzung") mit veranlaßt haben d ü r f t e . Von größerer Bedeutung erscheint die A n regung, die von dem Kapitel „Von der Einheit des Bewußtseins" ausgegangen ist. Wenngleich auch hier Dilthey letztlich andere Wege ging, so ist es doch nicht zufällig, d a ß er in sein Exemplar des Budies die Skizze einer eigenen Untersuchung eintrug, deren zweites Kapitel (nach einem einleitenden über „Äußere u n d innere E r f a h r u n g " ) den Titel tragen sollte: „Die in der inneren E r f a h r u n g gegebene Totaltatsache des Lebens als der w a h r e Ausgangspunkt einer Erfahrungsphilosophie und der Psychologie auf ihrem Standpunkte." 59 Der damit übernommene A n s a t z p u n k t einer deskriptiven Bewußtseinsphänomenologie wird modellbildend sowohl f ü r Diltheys wenig spätere Analysen zum „Innewerden" als „festem P u n k t " in der Breslauer A u s a r b e i t u n g , 0 als auch f ü r die späteren, von Husserls „Logischen Untersuchungen" beeinflußten Ausführungen über die Struktur des „Erlebnisses" in Band V I I .
V. In den erkenntnistheoretischen Fragmenten, die der Breslauer Ausarbeitung voraufgehen, erscheint dieser der Psychologie Brentanos verpflichtete A n s a t z p u n k t noch nicht als der dominierende, vielmehr setzt sich Dilthey hier vor allem mit der Transzendentalphilosophie u n d dem Empirismus auseinander. Dabei scheint sich der Blickwinkel allmählich zu verändern: w ä h r e n d das erste Fragment auf eine „konsequente Gestaltung des E m p i r i s m u s " abzielt, setzt D i l t h e y im zweiten die angestrebte „Philosophie der E r f a h r u n g " in ausdrücklichen Gegensatz zum Empirismus 61. Der scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man berücksichtigt, d a ß Dilthey sich nur gegen jene Spielart des Empirismus wendet, die E r f a h r u n g auf beobachtbare Sinnesdaten u n d deren Feststellung und Messung in Koexistenz und Sukzession beschränkt. Mit dem
5 * In Ds. Exemplar, das zum Bestand des Göttinger Dilthey-Nadilasses (Cod. Ms. W. Dilthey, 51) gehört. Auf S. 106 die Randbemerkung: „Den Ausgangspunkt muß der psychische Zustand eines Individuums bilden, nicht ein Teilinhalt desselben; erst von diesem Befund aus können dann einzelne Teilinhalte für sich durch Abstraktion festgestellt werden" usw. Breslauer Ausarbeitung, C 32 II: 42ff. el Vgl. unten S. 193.
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Stichwort: „Empirie und nicht Empirismus" wird eine Abgrenzung gegen den Empirismus Millsdier Observanz, der in der Tendenz diesen eingeschränkten ErfahrungsbegrifT vertritt, vollzogen. Nicht abgelehnt wird dagegen ein Empirismus, der auch innere Erfahrung für zulässig hält, wie ihn unter den Zeitgenossen Diltheys vor allem Friedrieb Überweg 62 vertritt. Im Anschluß vor allem an ihn formuliert Dilthey im ersten Fragment als Aufgabe der Wissenschaftslehre, „in der Durchführung des empiristischen Standpunktes den Objektivismus zu erreichen" e3. Die Ausführung dieses Programms führt in eine Auseinandersetzung mit Kant und dem erkenntnistheoretischen Idealismus. Auch hier handelt es sich, ähnlich wie bei der Auseinandersetzung mit Mill, teils um modifizierte Übernahme von Argumenten, teils um kritische Abgrenzung. Dilthey teilt mit K a n t den Standpunkt der modernen Bewußtseinsphilosophie seit Descartes, daß alles Erkennen sich direkt „mit den Vorstellungen und Zuständen unseres Selbst beschäftigt und unsere Vorstellung verbleibt" e4, daß also Gegenstände zunächst nur als Tatsachen des Bewußtseins gegeben sind, wie es die Breslauer Ausarbeitung im „Satz der Phänomenalität" 65 ausführt. Ferner bejaht Dilthey das transzendentalphilosophische Argument, daß eine Analyse der Leistungen des Erkenntnissubjekts erforderlich sei, um wissenschaftliche Erkenntnis zu begründen. Der transzendentalphilosophische Gesichtspunkt kommt im „Versuch über Philosophie der Erfahrung" besonders deutlich zum Ausdruck in einem Fragment unter der Kapitelüberschrift: „Das Studium der Natur und seine Grenzen", in dem es heißt, daß Formen und Begriffe, die „in unserem eigenen Wesen gegeben sind", die unaufhebbaren Voraussetzungen aller Gegenstandserkenntnis bilden e '. Schließlich begrüßt Dilthey es als einen „wahren Fortschritt" der 2. Auflage der „Kritik der reinen Vernunft", daß Kant in der transzendentalen Synthesis der Apperzeption den Bedingungsinbegriff der Erscheinungen aufgewiesen habe. Jede Theorie der Erfahrung muß auch nach ihm die synthetisierende Leistung des Erkenntnissubjekts berücksichtigen. „Hier liegt die Stärke des Kantschen Kritizismus" , 7 . Wenn Dilthey trotzdem gegen Kant das Programm des Empirismus verteidigt, so hat dies vor allem zwei Gründe: einmal erscheint ihm Vgl. Z u m Andenken an Friedrich Überweg ( 1 8 7 1 ) , Ges.Schr. X V , 1 5 0 — 1 6 0 . •3 Vgl. unten S. 186. " Vgl. unten S. 193. 62
Breslauer Ausarbeitung, C 34 I I : 1 9 6 f f . Vgl. unten S. 197. •7 Vgl. unten S. 197.
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Kants letztlich agnostizistische Konsequenz bezüglich des „Ding an sich" aus dem transzendentalphilosophischen Ansatz nicht absolut zwingend zu folgen, zum andern ist er der Meinung, daß auch Kant einem verkürzten Erfahrungsbegriff erlegen sei, der der Realität, mit der es die Geisteswissenschaften zu tun haben, nicht entspreche. So kommt er zu der Forderung, eine „viel umfassendere Benutzung der Erfahrung" einzuführen, „als sie in Kants Untersuchungen sich findet" ββ. Diltheys Auseinandersetzung mit Kants Raum-Zeit-Theorie ist im Zusammenhang mit seinem eigenen Versuch zur Begründung einer Erfahrungsphilosophie zu sehen. Während seine Zeitauffassung den Erlebnischarakter der Zeit unterstreicht und damit auf eine ähnliche Unterscheidung zwischen erlebter Zeit und quantitativ-physikalischem Zeitintervall wie bei Bergson hinausläuft, stützt sich Dilthey in seinen Ausführungen über den Raum vor allem auf Helmholtz' optisch-physiologische Untersuchungen. Ihm geht es nicht um eine glatte Entscheidung des Streits um die Erkennbarkeit oder Unerkennbarkeit der räumlichen Realität der Dinge an sich, sondern um den Nachweis der Korrelativität von räumlicher Ordnung und psychischem Geschehen, ein Problem, das „die Nervenphysiologie präzisiert, aber nicht a u f l ö s t " e 9 . Während die Naturwissenschaften an einer „Untersuchung der räumlichen Verhältnisse in ihrer Realität", d. h. ohne subjektive Perspektive, interessiert sind, fassen die Geisteswissenschaften den Raum als Korrelat menschlicher Sehkraft und Bewegung, als „Raum für psycho-physische Wesen" 70 . Mit diesem Ansatz schlägt Dilthey bereits eine Richtung ein, die, ähnlich wie seine späteren Beiträge zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres
Glaubens
an die Realität
der Außenwelt
und seinem Recht (1890) von
der reinen Erkenntnistheorie zu einer umfassenderen pologie hinführt.
Erkenntnisanthro-
Ein weiterer Gedanke aus den erkenntnistheoretischen Entwürfen sei schließlich noch erwähnt: während die Analysis der „inneren Erfahrung" in die deskriptive Psychologie bzw. Bewußtseinsphänomenologie mündet, gibt Dilthey mit „Sprache, Gebärde und Handlung" im Empirismus-Fragment 71 ein Stichwort, das auch in einem anderen T e x t a b schnitt als Kapitelüberschrift vorkommt: „Gebärde und Sprache als die Mittel der Gemeinschaft zwischen psychischen Individuen.'" 72 Hier liegt M
" 70 71 72
Ges.Schr. X V , 156. Vgl. unten S. 191. Vgl. unten S. 192. Vgl. unten S. 189. Vgl. unten S. 15.
Vorberidit der Herausgeber
XXXI
ein Ansatzpunkt zu einer hermeneutischen Theorie, die im Unterschied zu den Ausführungen in Manuskript I I der Fortsetzung der Abhandlung von 1875 nicht sosehr auf das Verstehen von Dichtung, sondern mehr auf die pragmatische Funktion der Alltagssprache abzielt. Leider hat Dilthey diesen Gedanken, von dem aus sich eine neue Perspektive audi für die Erkenntnistheorie der Geisteswissenschaften hätte ergeben können, in den vorliegenden Manuskripten nicht näher ausgeführt. Insgesamt ergibt sich aus den systematischen Entwürfen nach 1875 der Eindruck, daß erkenntnistheoretische, psychologische und hermeneutische Gedankengänge jeweils ein Stüde weit verfolgt werden, ohne jedoch zu einem einheitlichen Ansatz integriert zu sein. Nicht zuletzt in dieser mangelnden konzeptionellen Einheit dürfte der Grund dafür liegen, daß Dilthey die Manuskripte damals nicht veröffentlidiungsreif ausarbeitete und sie audi im 1. Band der Einleitung aussparte. Erst Anfang der neunziger Jahre unternahm er mit dem Berliner Entwurf einen neuen Versuch, die Einleitung in die Geisteswissenschaften abzuschließen. In den etwa gleichzeitigen Beiträgen zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt und seinem Recht (1890), den Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie (1894) und den Beiträgen zum Studium der Individualität (1895/ 96) haben sich erkenntnistheoretische, psychologische und hermeneutische Ansatzpunkte bereits soweit ausdifferenziert, daß sie jeweils ein eigenes Thema bilden, dessen gemeinsamer Bezug zur Einleitung in die Geisteswissenschaften kaum mehr erkennbar ist.
VI. Im Anhang dieses Bandes ist ein Aphorismen-Heft mit dem Titel „Zur Psychologie, in ihrem Verhältnis zur Geschichte" abgedruckt, das mit großer Wahrscheinlichkeit in Diltheys Studienzeit vor 1860 zu datieren ist. Es wurde in diese Sammlung mit aufgenommen, weil es offensichtlich die Exzerptgrundlage für Notizen bildet, die im „Versuch über Philosophie der Erfahrung", also fast 20 Jahre später, unter der Kapitelüberschrift „Metaphysische Wahrheiten" 73 wieder aufgenommen sind. Die Aphorismen sind zu einem großen Teil religionsphilosophischen Inhalts; im einzelnen finden sich Aufzeichnungen etwa zur frühchristlichen Gnosis, zur antiken und klassischen Poesie und bildenden Kunst, 73
Vgl. unten S. 197 ff.
XXXII
Vorberidit der Herausgeber
zur Entwicklung der Sprachwissenschaft sowie zu einer Typologie der Weltanschauungen, auf deren frühe Wurzeln Groethuysen anhand der Tagebücher Diltheys aufmerksam gemacht hat 7 4 . Im Blick auf den späteren Plan einer Grundlegung der Geisteswissenschaften sind die Stellen, die auf Diltheys Psychologie verweisen, besonders bedeutsam. Dilthey zitiert zwar Herbarts Absicht, „eine Seelenforschung herbeizuführen, welche der Naturforschung gleiche" 75 , und spricht noch unbefangen von psychologischer Erklärung, wo er später eine Grenze zwischen naturwissenschaftlichem Erklären und geisteswissenschaftlichem Verstehen zieht; seine psychologische Erklärung basiert jedoch wesentlich auf Einfühlung und „Kongenialität" 76 mit dem handelnden Menschen, nicht auf naturwissenschaftlicher, den Gegenstand objektivierender Methode. In den frühen Aufzeichnungen zum letzten Kapitel des Erfahrungsbuchs heißt es weiter: „Geheimnis der Welt, positiv ausgedrückt, ist Individualität, unzerlegbar und unauflösbar. Es sind gegebene Naturbedingungen, welche zu einem individuellen Gebilde die Geschichte machen, auch die geistige". — „Aus den Eigenschaften der Teilchen folgt das Gewebe der Gleichförmigkeiten. Dies aber ist nur eine Seite in dem sinnvollen Charakter des Weltganzen, zu welchem gerade Individualität und Schönheit gehören, Mysterien für die kausale Erkenntnis, die allein dem anschauenden Geiste des Dichters und Denkers offenbar sind" 71. Dilthey sieht einen wachsenden Gegensatz zwischen dem quantifizierenden, kausal erklärenden Vorgehen der neuzeitlichen Wissenschaft und dem Bedürfnis nach Sinndeutung, das sich in religiös-methaphysischen Systemen und in der Kunst niederschlägt. Am Zentralbegriff der Erfahrung erläutert er die Aporien einer Erkenntnistheorie, die entweder empiristisch Erfahrung reduziert auf quantifizierbare Außenweltdaten oder idealistisch das Subjekt der Erfahrung verabsolutiert. Die Trennung von innerer und äußerer Erfahrung besiegelt nach Dilthey das Auseinanderbrechen des menschlichen Erkennens in eine „mechanische Weltansicht" des „Erfahrungen ordnenden Verstandes" 7 8 einerseits und eine rein spekulative Deutung der Welt und des Lebens andererseits, die kraft „intellektueller Anschauung" ins Wesen der Dinge einzudringen meint, 74 76 7e 77 78
Ges.Schr. VIII, vii. Vgl. unten S. 202. Vgl. unten S. 209. Vgl. unten S. 196 f. Vgl. unten S. 196, 194.
Vorberidit der Herausgeber
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aber empirisch nicht ausgewiesen werden kann. Beiden Vereinseitigungen gegenüber besteht Dilthey auf der Einheit der Erfahrung und der Analysis ihres ganzen Tatbestandes, in dem sowohl quantitativ wie qualitativ Erfaßbares, Gleichförmigkeit wie Individualität, enthalten sind. Von grundlegender Bedeutung für Diltheys Philosophie ist ferner das in Auseinandersetzung mit Spinoza entwickelte Theorem von der Positivität der Welt: „Strenge Aufhebung des Satzes: omnis determinatio est negatio. Das Weltall als ganz positiver Inbegriff von Qualitätten. Das Denken als nachgeboren und nicht imstande, das Wesen dieses Positiven aufzulösen, da die Elemente des Positiven immer in der Zersetzung zurückbleiben, wie im chemischen Prozeß. Es gibt keine Zersetzung der Welt in Begriffe." 79 Von hier aus ergibt sich eine direkte Verbindungslinie zum späteren lebensphilosophischen Grundaxiom: „Hinter das Leben kann das Denken nicht zurückgehen" eo. Der Satz von der Positivität der Welt nennt die entscheidende Voraussetzung, unter der Erfahrung und Denken stehen. Diese umfaßt nicht nur Formen und Begriffe des Verstandes, sondern ebenso die Gegebenheit der äußeren Welt mit ihren natürlichen, geschichtlichen und somatischen Bedingungen. Es gibt also, wie später ausgeführt wird, keine voraussetzungslose Philosophie, sondern nur eine „allmählidie Aufklärung der Voraussetzungen, unter welchen das Denken arbeitet" 81. Es widerspricht nur scheinbar dem antimetaphysischen Grundzug in Diltheys Denken, wenn der Satz von der Positivität der Welt unter der Überschrift „Metaphysische Wahrheiten" eingeführt wird. Vergleicht man die Aussage des Erfahrungsbuchs: „Alle menschliche Erkenntnis ist nur Analysis der Erfahrung" 82 mit der an Aristoteles und Kant gewonnenen Bestimmung in der Einleitung, Metaphysik ergänze das in der Erfahrung Gegebene „durch einen objektiven und allgemeinen Zusammenhang, welcher nur in der Bearbeitung der Erfahrung unter den Bedingungen des Bewußtseins entsteht" so sind metaphysische Sätze von der genannten Art zwar nicht im strengen Sinne Erkenntnisse; sie sprechen vielmehr eine „Grundansicht" der Welt und des Lebens aus, die nicht erst der Erfahrung entstammt, sondern ihr bereits zugrundeliegt. Andererseits suchen sie jedoch nicht den Erfahrungszusammenhang 79 80 81 82 83
Vgl. unten S. 198 f. Ges.Sdir. V, 5. Breslauer Ausarbeitung, C 32 I I : 113. Vgl. unten S. 193. Ges.Sdir. I, 130 f.
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Vorbericht der Herausgeber
zu transzendieren zu einem in sich geschlossenen Gedankensystem, das der Erfahrung nicht mehr bedarf, sondern bezeichnen ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Erfahrung und dem, was sie möglich macht. Sie sind m. a. W. Voraussetzungen, die sich an der Erfahrung dessen, was später das „Leben selbst" heißt, bestätigen.
Der vorliegende Band basiert, wie eingangs erwähnt, auf den Vorarbeiten von Georg Misch, Bernhard Groethuysen und Arthur Stein. Vor allem Groethuysen hat, wie aus zahlreichen, in den Nachlaß Diltheys eingefügten Notizen mit dem Signum „Gr." hervorgeht, eine genaue Sichtung der in Frage kommenden Faszikel vorgenommen, die Blätter nach ihrem ursprünglichen Zusammenhang teilweise umgeordnet und Anweisungen für eine herzustellende Abschrift gegeben. Auf diesen Anweisungen basierte auch noch die erste Textfassung, die im Zuge der editorischen Arbeiten für diesen Band hergestellt wurde. Es lag allerdings in der Natur der Sadie, daß mit den oben begründeten Akzentverlagerungen im Lauf der Bearbeitung ein neuer Text entstehen mußte, der die Genese dieser Breslauer Schriften deutlicher erkennbar macht. Abänderungen und Ergänzungen der ersten Konzeption ergaben sich audi durch das Auffinden neuer Manuskripte und Manuskriptteile. Schließlich erbrachte auch die Sichtung des Nachlasses auf das in den folgenden Bänden zu edierende Material hin neue Gesichtspunkte. Hinzugefügt wurden Überschriften zu den einzelnen Projekten und Zwischentitel zur Gliederung größerer Textabschnitte, da Diltheys eigene redaktionelle Überschriften aus den siebziger Jahren („Zur Schlußabhandlung", „Entwurf des Hauptteils" usw.) für eine Gliederung des Bandes nicht aussagekräftig genug erschienen. Von uns eingefügte Titel sind durch * kenntlich gemacht. Die Handschrift Diltheys und der Zustand der Papiere bringt es mit sich, daß zahlreiche Stellen, vor allem Bleistiftnotizen und Randbemerkungen, nicht mehr mit Sicherheit entziffert werden konnten. Einzelne nicht lesbare Wörter wurden durch [ . . . ] gekennzeichnet, bei größeren Auslassungen wurde eine Anmerkung hinzugefügt. Nidit mehr rekonstruierbare Randbemerkungen wurden weggelassen, Einfügungen Diltheys in ein laufendes Diktat wurden kenntlich gemacht, stark lückenhafte Texte in die Anmerkungen gesetzt, um den Haupttext gut lesbar zu halten. Zahlreiche Notizen, Dispositionen usw. vor allem im Anmerkungstteil sind grammatisch nicht ausformuliert. Glättende Eingriffe — etwa Ergänzung fehlender Verben oder Artikel — wurden von uns nur vorge-
Vorbericht der Herausgeber
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nommen, wo es unbedingt notwendig erschien. Stilistische Eigentümlichkeiten Diltheys (wie die häufige Verwendung von „welcher" und „derselbe", Betonung von „Ein" durch Großschreibung etc.) wurden beibehalten, Zeichensetzung und Orthographie im übrigen den heutigen Regeln angeglichen. Im ganzen erfolgte die äußere Gestaltung von Text- und Anmerkungsteil in Anlehnung an die Editionsprinzipien der ersten Herausgeber. Es war nicht unsere Absicht, eine Ausgabe zu machen, die strengsten textkritischen Ansprüchen genügt. Eine solche würde schon durch das eigene Kürzelsystem Diltheys und die zahlreichen Durchstreichungen und Korrekturen erhebliche satz- und lesetechnische Schwierigkeiten mit sich bringen. Der Text sollte vielmehr in der von Dilthey hinterlassenen Endfassung möglichst wortgetreu wiedergegeben werden. Von diesem Prinzip wurde nur in begründeten Einzelfällen abgewichen. Um den in verschiedenen Fassungen zu schreibenden Text haben sich Frau Marianne Gathmann, Tübingen, und Frau Line Wittel, Münster, sehr verdient gemacht. Frau Irmgard Linke, Bochum, ist für ihre Mitwirkung bei der mühseligen Arbeit des Entzifferns und Kollationierens sehr zu danken. Frau Christiane Kammler, Bochum/Tübingen, hat jahrelang für Kontinuität und Erfolg der redaktionellen Arbeit, vor allem am Anmerkungsteil, gesorgt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat durch ihre großzügige Förderung der Dilthey-Forschung das Erscheinen auch dieses Bandes ermöglicht. Die gute Zusammenarbeit mit den Archiven war die Voraussetzung für Fortgang und erfolgreichen Abschluß der Arbeit. Wir danken der Leiterin des Zentralen Akademie-Archivs der Akademie der Wissenschaften der D D R , Frau Dr. Christa Kirsten, und ihren Mitarbeitern für die während unserer Arbeiten im Archiv und durch mannigfache Korrespondenz bewiesene, stetige Hilfsbereitschaft. Unser Dank gilt schließlich dem Leiter der Handschriftenabteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Herrn Dr. Klaus Haenel. Die Herausgabe der Manuskripte Diltheys erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Zentralen Akademie-Archivs der Akademie der Wissenschaften der D D R , Berlin. Nürnberg/Bochum, September 1976
Helmut Johach, Frith jof Rodi
Α. F R Ü H E P L Ä N E U N D
ENTWÜRFE
(ab ca. 1865/66)
1. Über das Studium des Menschen und der Geschichte Einige Erörterungen über das Studium geschichtlicher Einleitende Bemerkung
Erscheinungen
Daß die Wissenschaften des Geistes einer Neugestaltung entgegengehen, der zu vergleichen, welche die Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert erfuhren, ist wohl für wenige von denen, welche durch historische und philosophische Bildung den ganzen Kreis dieser Studien, philosophischer und historischer, zu überblicken imstande sind, zweifelhaft. Audi unbedeutende Arbeiten sind als Zeichen dieses in Frankreich, England und Deutschland zugleich hervortretenden Geistes wichtig; inzwischen treten audi bedeutende hervor. Mich dünkt nun, die Erörterung der formalen Stellung der Wissenschaften des Geistes zueinander überwiegt selbst in den letzteren mehr als billig. Es nützt nichts, das Messer immer feiner zu wetzen, das Holz ist da, aus welchem geschnitzt werden soll. Daß Buckle so tapfer zuschnitt, hat ihm in der Wirkung eine solche Überlegenheit gegeben. Die Brauchbarkeit von Methoden ergibt sich aus ihrem Gebrauch, wie ein Messer versucht sein will, ob es schneide. Oder, was dasselbe besagt: die Theorie folgt der Praxis \ Und so mag denn dem folgenden Versuch nur was unumgänglich ist von allgemeiner Theorie, um seine Obersicht verständlich zu machen, vorausgeschickt werden.
Über die Methoden der Wissenschaften des Geistes Man stößt in der intellektuellen Geschichte auf manche rätselhafte Erscheinungen 2. Eine solche liegt in der Tatsache, daß die Logik, welche in ihrer ersten Gestalt eine Abstraktion aus den Tatsachen eines dialektischen Philosophierens war, da sie sich später erweiterte, die Naturwissenschaften hineinzog, aber sich nie der Prüfung der Tatsachen der Wissen-
2
Frühe Pläne und Entwürfe
Schäften des Geistes unterwarf. Mills große Reform ist nidits als Übertragung der [dort] gebildeten Methoden auf Geschichte, ununtersucht, ob diese Methoden die ihr eigentümlichen seien. Wir beginnen mit einer solchen Prüfung. Diese Abhandlung beabsichtigt daher keineswegs, die Methoden der Wissenschaften des Geistes aufzustellen. Dies wird erst möglich sein, nachdem das solchen vorliegende Material durchgegangen ist. Sie beabsichtigt nur, den Standpunkt zu gewinnen, auf welchem die Art, in welcher uns hier ursprünglich die Erscheinungen gegeben sind und in den ersten Operationen verarbeitet werden, gewürdigt wird, damit die Wissenschaften des Geistes den Boden erkennen, wo sie stehen. Diesen werden wir dann prüfen. Endlich, das Bauverfahren auf ihm, die Methoden können erst den Schluß bilden 3 .
2. Einleitung in das wissenschaftliche Studium des Menschen, der Gesellschaft und Geschichte *Philosophischer
und wissenschaftlicher
Geist
Philosophischer Geist oder Philosophie ist nichts anderes als eine weitere Steigerung des wissenschaftlichen und hat demnach selber Grade. Uberall wird ein Zusammenhang gesucht und rückwärts von ihm aus erklärt. Dieser Zusammenhang muß Wissenschaften miteinander verknüpfen in eine höhere Potenz und von dieser Verknüpfung aus erklären. So [besteht] Zusammenhang zwischen allen Zweigen unserer Naturerkenntnis. Andererseits habe ich hier es mit allen den Arbeiten zu tun, welche den Zusammenhang aller Zweige des Studiums des menschlichen Geistes in seiner praktischen Richtung umfassen — diese bilden eine bestimmte Klasse, welcher die Grotius, Machiavelli etc. angehören. Von anderer, höherer philosophischer Stiftung von Zusammenhang ist alsdann das Umfassen aller Geisteswissenschaften. Eine Stiftung von Zusammenhang höheren Grades umfaßt alle von allen Klassen von Wissenschaften untersuchten Tatsachen — es wäre zu eng, zu sagen: alle Erkenntnis überhaupt; denn die Tatsachen des Gemüts, ob sie gleich auch in Erkenntnisse gefaßt werden können, sind für sie nicht bloß als Erkenntnis ein Element, sondern hier Kantscher Standpunkt. Ob es daher lauter philosophische Probleme seien, die hierin Gegenstand, ist ein müßiger Wortstreit. Die Klasse von hervorragenden, tief
Einleitung in das wissensdiaftlidie Studium etc.
3
in den Gang des Fortschritts in Europa eingreifenden Forschern besteht — und Arbeiten derselben von einer bestimmten Klasse mache ich mir zum Gegenstande. Die zwei großen Hilfsmittel f ü r das Studium des Zusammenhangs der von den Geisteswissenschaften behandelten Tatsachen sind Logik als Wissenschaftslehre und Psychologie. Für die psychologische Methode ist entscheidend, d a ß wir die einfachen Elemente kennen, auch die Gesetze derselben — und d a ß es sich nur einerseits um die Reduktion, andererseits um Tragweite der Anwendung handelt (danach auch Epochen) *. Unterscheide die monographische Arbeit oder Einzeluntersuchung, welche mit einer mehr oder weniger wahrscheinlichen Aufstellung eines Zusammenhangs endigen wird. Psychologie im ganzen als erklärende Wissenschaft ist unmöglich wegen der Kumulation der Hypothesen, welche sie herbeiführen muß. Jeder wahre Philosoph ist es durch seine Methode. Diese aber ist nichts Ausgeklügeltes, sondern ist die aus dem Uberblick entsprungene O r d nung, die Probleme zu stellen und die Mittel zu ihrer Lösung an den einzelnen Punkten zu konzentrieren. Anwendung hiervon auf historische Erklärung: die Abhängigkeiten der Wahrheiten voneinander auf gesamtem Gebiet bilden ein Totum etc. Das Neue in meiner Methode liegt in der Verknüpfung des Studiums des Menschen mit dem der Geschichte. Hieraus entspringt 1) ein Ubersichtsfeld, welches v e r l a n g e d a ß die Wahrheiten, welche f ü r das Studium der Geschichte benützt werden, mindestens dieselbe Evidenz als diese haben. Dies ergibt meinen moderierten Skeptizismus 5 . 2) Daraus ergibt sich, d a ß auf Erklärung verzichtet werde — daß stets neue Anfänge der Forschung an den verschiedenen Knotenpunkten gemacht werden, in welche dann nur Teilwahrheiten eingehen (vergleiche dieses mit dem f ü r Naturwissenschaft von Comte festgestellten Verhältnis und kritisiere sein eigenes und Mills analoges Verfahren). 3) D a ß die Tatsachen aller A r t an jedem Knotenpunkt zur Lösung versammelt werden. 4) Die Geschichte gibt uns einen tatsächlichen Leitfaden durch die Art, wie [ . . . ] ' Die Wechselwirkung stellt sich in der menschlichen Welt dar als H e r vorgehen der individuellen Leistungsfähigkeit aus der Gesellschaft und
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Frühe Pläne und Entwürfe
Rückwirkung auf diese zur Verstärkung. Dazwischen liegen Individualität, Biographie. Langsamer Gang einer Umänderung von Naturformen, Veränderlichkeit des Psychischen [ . . . ] 7 . Die Gesetze, welche wir finden, sind nicht einfach abgeleitet, sie sind Gesetze einer zweiten Ordnung. Sie gelten zwischen Individuen in ganz verschiedenen Kreisen; was im kleinen, gilt auch im größeren 8. Zentrale Untersuchung: Verhältnis der Inhalte unseres Bewußtseins einerseits zur Außenwelt, andererseits zu unserem Selbst. Eine solche Untersuchung Synthese durch eine Art Identitätssystem. Aber es existiert für uns gar keine Außenwelt als solche; es handelt sidi nur um das Verhältnis der O r d n u n g d e r E m p f i n d u n g e n i n K o e x i s t e n z u n d S u k z e s s i o n , welche wir objektive Welt nennen, weil sie unabhängig von Standort und Kommen und Gehen der Individuen ist, zu dem Totum psychischer Inhalte. 1. Die Beziehung der Inhalte zu dieser Ordnung bringt ein bei allen gleiches Weltbild hervor. 2. Die Gefühlswelt beruht auf der Art der Verknüpfung von Empfindungen und Bedingungen derselben zu Gefühlen und folgerecht Bedingungen der Gefühle. Im handelnden Leben regelt der Erfolg die Gefühle, indem er solche zweiter Ordnung (der sozialen) entfaltet, welche allen gemeinsam sind. Daher in Ehre, Gewissen etc. eine O b j e k t i v i t ä t d e r G e f ü h l e e r r e i c h t w i r d , objektive Sittlichkeit, welche sich dann auch in Institutionen darstellt. — Dagegen in künstlerischer Imagination entwickelt sich gerade die im Individuum n a t u r w ü c h s i g e V e r b i n d u n g zwischen den G e f ü h l e n und den V o r s t e l l u n g e n . Naivität und Ursprünglichkeit aller großen Poesie im Gegensatz zum Konventionellen. Wahrheit ist hier nicht Allgemeingültigkeit und Ubereinstimmung, sondern Gegenteil davon. D i e s e Beziehung, die Hauptformen derselben etc. sind Gegenstand der Poetik. Pfleiderer 9 : Ergebnis des Empirismus, daß alle höheren geistigen Potenzen geleugnet werden. Lotze, Streitschriften 10 , Seite 12 f.: daß die geistigen Inhalte nur teilweise von der Welt abhängen, zum andern Teil direkte Wurzeln in der N a t u r des Geistes selbst haben. Auf dieser unmittelbaren Tiefe unserer geistigen N a t u r beruhen die denknotwendigen Grundsätze, die ästhetischen Gefühle und das Bewußtsein ethischer Verpflichtungen. Hiermit erneuert er auf psychologischer Grundlage den
Einleitung in das wissenschaftliche Studium etc.
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Apriorismus Kants. Aber methodisch unterscheidet er sich von demselben, indem er zweifelt, „ob es überhaupt gelingen werde, die still fortwirkenden Antriebe unserer tiefsten Natur anderswo deutlich zu gewahren als in den größeren Erfolgen, welche sie im Ganzen der menschlichen Bildung hervorgebracht h a b e n " " . Es fragt sich, ob es notwendig sei, hier dem Parteistreite zu verfallen, es fragt sich, ob nicht gerade der Empirismus allen Tatbeständen genugtun könne, welche audi die freieste Betrachtung zu sehen vermag. Denn er ist nicht die Annahme vom Ursprung der psychischen Inhalte aus purer Erfahrung; er ist überhaupt keine Annahme, vielmehr die Regel, die Tatbestände ohne die trügerische Absicht von Erklärungen festzustellen. Die bisherige Psychologie entwickelt Formen und Gesetze des geistigen Geschehens und kann auch Klassifikationen in sich aufnehmen. Die Inhalte des psychischen Geschehens, welche in erster Linie über die Bedeutung unseres Daseins entscheiden, sind von ihr ausgeschlossen. Indem wir nun weder annehmen, daß dieselben aus der Erfahrung stammen, noch daß sie a priori gegründet seien, machen wir diese Inhalte zum Gegenstand der Untersuchung. Das kann aber nur heißen, da diese Inhalte in geschichtlicher Bewegung durch die Individuen hindurchgehen, daß wir in gewisser Weise die Tendenz der Phänomenologie des Geistes wieder aufnehmen. Die Frage ist abstrakt: welche gesetzlichen Verhältnisse können in Betreff dieser Inhalte aufgezeigt werden. Dieselben sind außerordentlich mannigfaltig. In Bezug auf die Welt der Gefühle finden wir an bestimmte Vorstellungsinhalte bestimmte Gefühle gebunden. In Bezug auf den Willen finden wir Urteile, Ideale usw. Alsdann finden wir im geschichtlichen Verlaufe bestimmte regelmäßige Sequenzen, variable und nicht variable Inhalte. Die Psychologie oder Anthropologie hat alle diese Tatbestände festzustellen mit Verzicht auf ihre definitive Erklärung. Diese Tatbestände ganz empiristisch aufgefaßt, enthalten in sich alles das, was je eine idealistische Philosophie geltend zu machen vermochte, ausgenommen die deduktiven Trugschlüsse.
Die Psychologie und die Wissenschaften
der
Kultur
Der Gegenstand der Psychologie in dem Stadium ihrer gegenwärtigen Ausbildung sind: erstens Unterscheidung der Tätigkeitsweisen, welchen wir zwar nidit K r ä f t e substituieren, die aber sich als Wirkungen deutlich voneinander abheben; zweitens die Gesetze dieser Tätigkeitsweisen
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Frühe Pläne und Entwürfe
und des Zusammenwirkens derselben, drittens Anfänge einer Klassifikation der Ergebnisse derselben nach den in 1) und 2) gewonnenen Einteilungsgründen. Das Seelenleben ist hierdurch nicht erschöpft; zunächst finden sich außer den auf alle Individuen sich beziehenden Gleichförmigkeiten solche, welche für einen engeren Kreis zusammengehöriger Individuen stattfinden. Diese Gleichförmigkeiten erklären die voneinander sich abhebenden Gestalten des psychischen L e b e n s D i e Phantasie des Dichters, das Genie des abstrakten Denkers. Dieselben lassen sich nicht nach dem gegenwärtigen Zustande der Psychologie deduzieren, sondern sie müssen induktiv erforscht werden. Geschichte und Lebenserfahrung tun dies beständig. Das Geschäft der Wissenschaft ist darum nie gefördert [worden], weil man sich nicht zu induktiver Behandlung entschließen mochte. Zweitens: die psychischen Inhalte sind nicht erklärt, indem man die Verfahrungsweisen und ihre Gesetze entwickelt. Diese Inhalte bilden gegenwärtig den Gegenstand der Ästhetik, Ethik, Logik, des Naturrechts und der Politik. So entwickelt die Logik Sätze, welche allem Schließen zugrundeliegen, die Ethik Urteile des sittlichen Gefühls über Handlungen und Motive des Willens, welche beide unabhängig von dem psychologischen Verlaufe erscheinen. Die Ästhetik entwickelt Verknüpfungsarten des Wohlgefallens mit Eindrücken und Vorstellungen. Zwei Auffassungen sind bisher diesen Tatsachen gegenüber geltend gemacht worden. Der Idealismus entwickelt diese Inhalte als den unabhängigen Gehalt der einzelnen Seele. Seine logisch vollendetste Gestalt empfing er durch Kant, welcher diesen unabhängigen Gehalt als das Apriori aus den Merkmalen der psychischen Phänomene entwickelt 13 ; aus dem der Notwendigkeit und Allgemeinheit eine apriorische Ordnung von Funktionen der Intelligenz und Grundsätzen derselben; aus dem Anspruch des Schönen, zu gefallen ohne Interesse und ohne Begriff, die im Schönen vorliegende Beziehung -der Form auf unser Gefühl und die damit notwendig gegebene Beziehung von Naturformen auf das Ubersinnliche. In der Ethik die Analyse, aus welcher als Merkmale das Sollen usw., wozu als Grund Spontaneität und Sittengesetz als apriorischer Bestand zu denken. Diese Inhaltlichkeit der geistigen Phänomene erschien dem auf Kant folgenden Geschlecht durch seine Untersuchung in zu arme Merkmale eingegrenzt, und es war ein großer Teil seiner Lebensarbeit, sie in freierer Weise zu entwickeln. Die Strenge der Beweisführung verlor, was der Reichtum der Auffassungen gewann. Die Demonstrationen sdiwanden, die Offenbarungen traten hervor.
Einleitung in das wissenschaftliche Studium etc.
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Gegenwärtig macht Lotzes Mikrokosmus den Versuch in anderer Weise; p. 15 der Streitschriften: „Ich hegte Zweifel daran, ob es überhaupt gelingen werde, die still fortwirkenden Antriebe unserer tiefsten Natur anderswo deutlich zu gewahren als in den größeren Erfolgen, welche sie im Ganzen der menschlichen Bildung hervorgebracht haben. Mißtrauisch, ihre unscheinbaren Keime auffinden zu können, hätte ich sie gern aus der Gestalt der vollen Baumkrone erraten, zu der sie sich ausgebreitet. So erschien mir die Philosophie der Geschichte als die notwendige Ergänzung der Psychologie, und hieraus entstand der Plan, den Versuch einer Anthropologie zu wagen, welche die ganze Bedeutung des menschlichen Daseins aus der vereinigten Betrachtung des individuellen Lebens und der Kulturgeschichte unseres Geschlechts zu erforschen suchte." Der Empirismus der Engländer versuchte, aus den psychischen Gesetzen der Geistestätigkeiten in ihrem Zusammenwirken mit den von der Außenwelt gelieferten Inhalten den ganzen geistigen Lebensgehalt zu erklären 14. Heute treffen nach langer, im wesentlichen abgeschiedener Entwicklung beider Ansichten die Arbeiten der Nationen zusammen. Eine tiefere Stellung der ganzen Frage ist nur möglich, wenn man die Grenzpfähle der bisherigen Einzelwissenschaften des Geistes nicht achtet und die Kleinstaaterei auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften aufhebt. Alsdann stellt sich der innere Zusammenhang, das n a t ü r l i c h e S y s t e m der A b h ä n g i g k e i t von W a h r h e i t e n auf diesem Gebiete folgendermaßen [dar]: Kultur ist der Inbegriff der geistigen Inhalte und der zu ihnen in Abhängigkeitsverhältnis stehenden geistigen Tätigkeiten im Menschengeschlechte I5. Demgemäß handelt es sich um das Verhältnis der in der Psychologie entwickelten Tätigkeiten und ihrer Gesetze zu der K u l t u r . G e s c h i c h t e ist der Inbegriff der geistigen Tatsachen, welche in ihrer Aufeinanderfolge und Koexistenz die Kultur bilden. Die Wissenschaft derselben begann als Festhaltung einzelner, die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehender Ereignisse im Gedächtnis. Sie entwickelte sich als künstlerische Vergegenwärtigung; heute ist sie einerseits beschäftigt mit der Sammlung und kritischen Feststellung aller aus der Vergangenheit und dem Schiffbruche der Erinnerungen noch zu rettenden Tatsachen und Verknüpfungen von Tatsachen, andererseits ihrer Ergänzung zu einem erschlossenen Zusammenhang. Die vollendete Wissenschaft der Geschichte wäre die Darstellung und Erklärung des Zusammenhanges der menschliche Kultur. Auf die Methoden angesehen, würde dieser Standpunkt folgendes bedingen: Erklären heißt, zu einer Tatsache ihre Ursachen, zu einem Satz
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Frühe Pläne und Entwürfe
die Bedingungen seiner Denkbarkeit hinzudenken. So komplizierte Tatsachen als Denkformen, Denkgesetze etc. erklären, würde heißen, sie auf einfachere als ihre Ursachen zurückführen. Die Kultur könnte jedenfalls nicht psychologisch, weder in Kants noch der Empiristen Weise, erklärt werden, sondern eben nur durch die historischen Mittelglieder. Der höhere Geistesinhalt bildet Kulturtatsachen. Jedoch gestatten die Tatsachen sowohl die empiristische als die idealistische Auslegung. N u n ist sicher sehr wertvoll, den Versuch zu machen, solchen einfachen Annahmen die verwickelten Tatbestände zu unterwerfen, und die in diesem Sinne gemachten Versuche werden immer weiter fortgebildet werden müssen. Aber die Entscheidung zwischen ihnen wird am sichersten herbeigeführt werden, indem man den Weg verfolgt, welcher eben durch das gegenwärtige Bedürfnis der Wissenschaft vorgeschrieben wird. Dieser Weg ist induktive Feststellung der Tatsachen und gewisser Gruppen von Verbindungen derselben durch Verknüpfung aller hierfür in Geschichte und Kulturwissenschaften und Psychologie gegebenen Hilfsmittel. Hiermit empfängt allerdings der Inbegriff der Wahrheiten auf diesem Gebiet eine eigentümliche Gestalt. Ich frage mich, ob die physikalischen Wissenschaften zu irgendeiner Zeit eine ähnliche zeigten. Nachweis hiervon. Wir haben kein homogenes Ganzes, und für den Genuß eines größeren Publikums ist eine solche Gestalt der Wissensdiaft nicht. Auch kaum für den höheren Unterricht, welcher einen solchen Einfluß auf die Gestalt der philosophischen Wissenschaften erlangt hat. Die so entworfene Wissenschaft ist sehr esoterisch. Der Fortgang dieses Kreises von Wissenschaften besteht aber weiter in einer E n t w i c k l u n g d e r H y p o t h e s e n , welche sich im L a u f e der E n t w i c k l u n g mehr den T a t s a c h e n a n p a s s e n . Hier liegt ein der darwinistischen Theorie entsprechendes V e r h ä l t n i s von durchschaubaren U r s a c h e n , d. h. Kausalitätssystem vor. Möglichkeit, diese Hypothesen einer Klassifikation zu unterwerfen: Innerhalb der empiristischen Hypothese gibt es eine geringere Zahl und weniger bedeutende Möglichkeiten von Variation. Variabilität der H y pothesen bewegt sich in engeren Grenzen. Denn der Ausgangspunkt ist bestimmt und schließt daher in seiner Anpassung an die Tatsachen eine geringere Zahl von Möglichkeiten der Abänderung in sich. Andererseits zeigt sich hier klarer das Verschwinden von aus der fortschreitenden Erkenntnis der Tatsachen nicht einstimmig zu erhaltenden Hypothesen, vergleichbar dem von bestimmten Klassen organischer Wesen: so die
E i n l e i t u n g in das wissenschaftliche S t u d i u m etc.
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von bloß körperlichen Elementen, welche das psychische Leben repräsentieren, alsdann das Verschwinden der Erklärung aus bloßen Tatsachen der Selbsterhaltung. Wo Knotenpunkte sind, d. h. wo ein induktiver Prozeß neuen Tatsachenreihen eine theoretische Grundlage schaffen muß, da ist jedesmal für Varietäten ein Sitz. Theorie der Entwicklung, Theorie, daß alle psychischen Prozesse psychophysisch 1β , der Vererbung etc. lösen allmählich Knoten, welche [sonst] durchhauen werden müßten. Diese H y p o t h e s e n u n t e r s c h e i d e n sich d a d u r c h von n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n , daß die U r s a c h e n wirklich r e a l i t e r g e g e b e n s i n d ; es handelt sich nur um ihre Tragweite zur Erklärung, nie um ihre Richtigkeit. Das Zusammenbestehen von Individuen neben- und nacheinander bringt neue Formen psychischer Vorgänge hervor. Denn ohne dasselbe bestünden weder Sprache, Sätze und logisches Denken noch das Merkmal der Ubereinstimmung aller in Vorstellungen, auf welchen Wissenschaft und Wahrheit beruht. Ohne dasselbe bestünden nicht Geselligkeit, Kunst usw. Die Grundformen des psychischen Lebens zwischen Individuen sondern sich gemäß den drei Grundklassen psychischer Tätigkeiten: für die Erkenntnis sind es Übereinstimmung und Übertragung, Widerstreit und der Gegensatz geistiger Bewegungen. Das Gefühl ist nicht einfach übertragbar; vermittelst des aus ihm Entsprungenen wird es wieder hervorgerufen, oder es wird vermöge seiner Verkettung mit anderen psychischen Zuständen durch diese erregt; das erste kann als direkte, das zweite als indirekte Erregungsweise bezeichnet werden. Willensakte werden übertragen vermöge der Lust, welche mit ihrer Anschauung verknüpft ist. Oder sie werden infolge der Übereinstimmung mit ihrem Zwecke aufgenommen, öfter aber rufen sie als Ausdruck der Selbsterhaltung eine Gegenwirkung der Selbsterhaltung hervor. V e r h ä l t n i s s e von
Willen
Als Herbart die Verhältnisse von Willen zueinander untersuchte, baute er darauf die sittlichen Ideen. Hobbes baute auf sie das Naturrecht. Beides ist in ihnen gegeben, es bedarf einer allseitigen Erwägung der möglichen B e z i e h u n g e n v o n W i l l e n u n t e r e i n a n d e r , um die praktische Welt zu begreifen.
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Frühe Pläne und Entwürfe
Das Stetige in diesen Beziehungen als Organisation der Willen bezeichnen wir als die Beziehungsformen der praktischen Welt.
*Ordnung der Wahrheiten in den moralisch-politischen Wissenschaften In dem Zusammenhange mit den praktischen Strebungen erwachsen nun die moralisch-politischen Wissenschaften, und dieser Zusammenhang bedingt ihre Grundgestalt, indem Erkenntnis dessen, was ist, und Entfaltung des dem Willen Vorschwebenden in ihnen miteinander verknüpft ist. Hierdurch kompliziert sich das Problem ihrer Geschichte. Wir nehmen aber das Problem von neuem auf, in der entwickelten Gestalt, welche die bisherige Erörterung ihm gibt. Wenn irgendwo strenge, objektive Geschichte möglich ist (das Ziel der Anstrengung aller edit historischen Köpfe), dann wird sie in der Geschichte der Wissenschaften sich realisieren. Der Fundamentalsatz aber, von welchem aus allein eine solche strenge Wissenschaft entwickelt werden kann, ist: die Erforschung der Kausalbeziehungen in dem Gewirr der geschichtlichen Tatsachen stellt sich auf diesem Gebiete dar als Studium der Abhängigkeit der Wahrheiten voneinander sowohl in der Koexistenz von Wahrheiten als in ihrer Aufeinanderfolge. Dieser Satz läßt das Studium der Systeme einzelner Köpfe hinter sich, er betrachtet die Entwicklung eines Zweiges von Wissenschaften als eine Ordnung von Wahrheiten, für welche die Individualität ihrer Urheber zunächst gleichgültig i s t " . Wir formulieren ihn als Gesetz folgendermaßen: Es gibt eine Ordnung der Wahrheiten, welcher gemäß sie nebeneinander auftreten und einander folgen, die unabhängig ist von allen anderen Faktoren, sei es der Gesellschaft oder der Individualität, und allein bedingt durch das Verhältnis der Abhängigkeit dieser Wahrheiten voneinander. Wenn die Erklärung des Einzelnen aus dem Uberblick über das Ganze als philosophisch bezeichnet zu werden pflegt, so mag man eine solche Betrachtungsweise der Geschichte der Wissenschaften als philosophisch ansehen. Die Grundlage dieses Verhältnisses ist in der Tatsache, daß Wahrheiten von einem Individuum auf das andere adäquat übertragen werden können, und das System dieser Wahrheiten besteht daher nur in dem Zusammenhang derjenigen Kulturstufen, welche eine solche adäquate Übertragung ermöglichen. Dies ist der Grund, aus welchem Wahrheiten irgendeiner Klasse lange Zeiten hindurch nicht übertragen werden, sondern nur in der schriftlichen Aufzeichnung ruhen. Solche Epodien
Einleitung in das wissenschaftliche Studium etc.
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können selbstverständlich kein Glied in der Ordnung der Wahrheiten bilden. Ein anderes aber ist Fortbildung oder Fortschreiten in dieser Ordnung; dieses ist nicht einfach durch die Tatsache der Übertragung bedingt, sondern von der Ordnung der Wahrheiten im großen Ganzen abhängig. Wahrheiten einer bestimmten Klasse können übertragen sein, ohne fortentwickelt werden zu können, weil die Möglichkeit ihrer Fortentwicklung in dem Auftreten bestimmter Wahrheiten einer anderen Klasse gegründet ist. Ein zweites Gesetz ist daher: die Bedingung für den Fortschritt in der Ordnung der Wahrheiten ist ihre adäquate Übertragung auf eine Generation, und soweit die Kultur hierfür bedingend ist, ist die Verwirklichung der Ordnung der Wahrheiten von den Zuständen der Kultur abhängig. Innerhalb dieses Systems ist nun den Zuständen der Kultur und der Macht der Persönlichkeit ein weiter Spielraum geöffnet. Was aber erst den vollen Einblick in die Struktur der Gesdiichte gerade dieser moralisch-politischen Wissenschaften eröffnet, ist: die Ordnung der Wahrheiten als gebunden an die Erfahrung und näher bestimmt durch die Abfolge und allmähliche Ansammlung des moralisch-politisdien Erfahrungskreises, aus welchem sie abstrahiert werden. Und da Wahrheiten und Ideale in diesen Wissenschaften sich verknüpfen, besteht eine Ordnung der Ideale, welche gegründet ist in den praktischen Bestrebungen der einzelnen Generationen. Es mag hier ununtersucht bleiben, ob hier ebenfalls eine gesetzmäßig erkennbare Ordnung waltet, da zur Zeit ein solches Problem kaum lösbar ist. Endlich aber wirken nun weiter innerhalb dieser Gliederung die unberechenbaren Gewalten der geschichtlichen Gliederung der Kultur und der von ihr bedingten Individualitäten.
Ordnung der Systeme, d. h. stetigen in die sich die Gesellschaft
Verbindungsformen, gliedert
I Einzelpsydiologie II Das Zusammenwirken der Individuen nach Gesetzen zur Hervorbringung der Formen der Kultur. III Ordnung der Systeme von Verbindungsformen.
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Frühe Pläne und Entwürfe
1. Begriff der stetigen Verbindungsformen bei Wechsel der Individuen. 2. Solche Verbindungsformen sind a) durch Institution konstituierte, b) freie (wie ζ. B. Tradition der Kunst etc.). Jede solche ein Organ der Gesellschaft. 3. Der Leitfaden ihrer Ordnung liegt in den Formen der Kultur. D . h . sie sind kollateral, koexistent, aber als V e r b i n d u n g s f o r m e n der Klasse a, d. h. als Institutionen zweigen sie sich erst allmählich ab, und daher haben sie ein natürliches System. ökonomische Ordnung, Rechtsordnung und Staatsgewalt bedingen einander: man kann nicht sagen, daß eine vor der anderen — sie sind die v e r s c h i e d e n e n Seiten derselben Tatsache: Macht, welche dem Rechte die Regelung der Sphären im Frieden ermöglicht, innerhalb deren die Familien oder Individuen ihre wirtschaftliche und persönliche Entwicklung realisieren. Grundproblem des geschichtlichen Fortschritts Inwieweit kann durch vergleichende Anthropologie bis zu einer gewissen Grenze das Invariable an den Elementen festgestellt werden, auf welchem dann Fortschritt [aufbaut]. Kants Griff Großer Gedanke, daß Anlagen, die im Individuum gelegen, nur in Gattung sich entwickeln, und zwar durch den gesellschaftlichen Antagonismus 1β.
*Die Erforschung des psychischen Lebens in seiner Verteilung über das Erdganze 19 [I] Ich beginne diese Darlegung mit dem Bilde des psychischen Lebens in seiner Verteilung über das Erdganze. Die Grenzen desselben verlieren sich unserer Erkenntnis entzogen im Pflanzenbereich; die Stufen desselben, sowohl seiner Intensität als der Höhe seiner Ausbildung, entziehen sidi ebenfalls der Feststellung vermöge der Schwierigkeit des Schlusses von tierischen Lebensäußerungen auf das in ihnen sidi abspiegelnde Geistige. Und auch die Verteilung des psychischen Lebens der menschlichen Rassen auf dem Erdboden ist nur für die Gegenwart und einen geringen Zeitraum rückwärts wenigstens in allgemeinen Zügen erkennbar. Dennoch kann diese Verteilung wenigstens einen Ausgangspunkt der Untersuchung darbieten.
Einleitung in das wissenschaftliche S t u d i u m etc.
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Wenn wir also im folgenden von geistigem Leben reden, so ist dieses eingeschränkt auf die psychischen Äußerungen des Menschengeschlechts. Wir gehen aus von dem Begriff der psychischen Masse oder geistigen Masse, welche das Erdganze in einem bestimmten Momente enthält. Dieser Begriff entbehrt der mathematischen Darstellbarkeit. Er hat keine Analogie mit der Vorstellung räumlicher Massen. Er umfaßt ein System von Intensitäten. Die Intensität eines psychischen Aktes kann als ein Q u a n t u m betrachtet werden und mit einem Bewegungsquantum verglichen werden. Wie die Außenwelt als ein System meßbarer Bewegungen betrachtet wird, so stellt sich die geistige Welt als ein System psychischer Akte dar, welche vermöge ihrer Intensitäten quantitativ betrachtet und demgemäß als ein Ganzes, als eine Masse betrachtet werden können. Diese psychischen Akte aber entspringen aus dem für uns dunklen Grunde der Individuen, welche gewissermaßen Kräftereservoirs bilden. Diese Kräftereservoirs können solche Leistungen entweder vollbringen vermöge der in ihnen vorhandenen psychischen Massen oder vermöge eines Umsatzes physiologischer K r ä f t e in psychische. Demgemäß kann entweder die psychische Masse in einem gegebenen Augenblick gleich sein dem Inbegriff psychischer Akte, oder es kann die Gesamtmasse bestimmt werden als das System psychischer Individua, deren gegenwärtige Äußerungen nur einen geringen Bestandteil ihrer tatsächlichen psychischen K r ä f t e bilden. D a dies so ist, da diese doppelte Auslegung der Tatsachen möglich ist, wird man kritisch genommen nur das System dieser wirklichen Akte als sicheren Ansatz für die psychische Masse des Erdganzen annehmen dürfen. II Ich spreche nicht als Metaphysiker, sondern als empirischer Forscher. Einem solchen muß die Verteilung dieser psychischen Masse in der Aufeinanderfolge der Geschichte, die Veränderung, welche diese Verteilung erfährt, bedingt erscheinen einerseits von dem voraufgehenden psychischen Tatbestande, andererseits von den Ursachen der materiellen Welt. Wie das Entstehen eines einfacheren psychischen Ganzen, einer Wahrnehmung, einerseits bedingt ist durch einen materiellen Tatbestand, der sich von dem Körper zu den ihn umgebenden materiellen Tatsachen erstreckt, andererseits durch die Aufmerksamkeit, welche das Produkt psychischer Faktoren ist, ja möglicherweise durch noch direktere Wirkung dieser psychischen Faktoren durch die Apperzeption, ganz so ist das psychische Leben des Ganzen bedingt durch diese beiden Klassen von Ursachen.
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Frühe Pläne und Entwürfe
III Das Verhältnis dieser Faktoren zueinander kann nidit analog dem zwischen Bewegungsgrößen auf eine einfache Grundlage zurückgeführt werden. Schon darum nidit, weil wir es hier nur mit einem Bruditeil der psychischen Masse des Erdganzen in ihrem weiteren Sinne zu tun haben. Es wäre möglich, daß, wie das Bewegungsquantum unveränderlich ist, so auch das des Psychischen im Weltall jederzeit dasselbe wäre und nur die Formen, in denen es sich äußert, wechseln. Man könnte denken, und durch nichts ist diese Annahme ausgeschlossen, daß der Inbegriff der Intensitäten aller Empfindungen, Antriebe, Vorstellungen im Weltall in jedem Augenblick seiner Existenz derselbe sei und die Formen wechseln. — Aber zwischen den verschiedenen Momenten der geschichtlichen Entwicklung der geistigen Masse des Menschengeschlechtes kann ein solches Verhältnis nicht angenommen werden. Die geistige Masse auf dem Erdboden ist variabel. — Die Grundlage kann hier also nur in einem festen Verhältnis ihrer Veränderungen zu feststellbaren Bedingungen gefunden werden. 1. Die Verteilung des Menschengeschlechts auf dem Erdganzen 20 . Die höhere psychische Tätigkeit ist an bestimmte Organisationen gebunden, welche die Tendenz der Ausbreitung in einer bestimmten Progression besitzen. Diese Tendenz steht aber unter den Bedingungen der Befriedigung ihrer Bedürfnisse, und so folgt der Strom der Bevölkerung der Richtung der leichtesten Befriedigung. Dem Wassernetz vergleichbar, ergießen sich solchergestalt die Ströme der Bevölkerung in den Richtungen der leichtesten Befriedigung der Bedürfnisse über das Erdganze. Es geschah dies aber von bestimmten Zentren aus, und hierin liegt ein zweiter Grund für die Art der Verteilung des Menschengeschlechtes über das Erdganze 2 I . 2.
Hierdurch bedingte genealogische Verzweigung des Menschengeschlechtes. Aus dem dargelegten Verhältnis folgt die natürliche Gliederung des Menschengeschlechtes, welche sozusagen den Boden aller Geschichte bildet. Diese Gliederung schließt sich an die zoologischen Ordnungen an, sie zeigt eine doppelte Seite. Einmal ist sie gemäß den Gesetzen der Vererbung, Entwicklungen usw. ein System von Verwandtschaften und Verschiedenheiten der Organismen.
Einleitung in das wissenschaftliche Studium etc.
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Alsdann ist sie infolge der in ihr bedingten inneren Beziehungen geistig bewegter Organismen zueinander ein System von Verhältnissen der Abhängigkeit, der Liebe, der realen und Gefühlsbeziehung dieser Individuen zueinander. Und zwar stellt dieses System sich dar in der Gliederung von Familien als den elementaren Einheiten eines solchen Systems. Folgen Rassen. 3.
Gebärde und Sprache als die Mittel der Gemeinschaft zwischen psychischen Individuen. 4.
Die einzelnen Organisationen sind geistige Individua, sie durchlaufen die Entwicklungsstadien aller Organismen auch als psychische Individua, entstehen und verschwinden innerhalb dieses Systems. 5.
Das Ganze, das sich so bildet, kann so wenig erklärt werden, als das Ganze der N a t u r etwa durch Physik etc. erklärt wird. Ich lege nun die Frage vor, was denn an der N a t u r erklärt werde. Niemals der komplexe Tatbestand, sondern die Wirkungsweise von Elementen und Kräften wird erkannt, und vermöge ihrer sind Teilinhalte der aufeinanderfolgenden Naturtatsachen erklärt. Auch die Geschichte wird nicht als Ganzes erklärt, und an diesem Punkte zeigt sich am deutlichsten, daß eine Philosophie der Geschichte, d. h. eine Wissenschaft, welche dieses Ganze zum Gegenstande der Erkenntnis macht, eine Chimäre ist. Was aber erklärt werden könne, bildet nunmehr einen neuen Teil der Kritik der historischen Erkenntnis, welche aus der allgemeinen N a t u r dieser Gegenstände und ihrem Verhältnis zu der Erkenntnis folgert 2S .
*Zusammenhang
geistiger
Tatsachen
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Der Gedanke, der Konstitution des Universums sich zu nähern, indem man von dem Zusammenhang der geistigen und geschichtlichen Tatsachen seinen Ausgangspunkt nehme, steht im Gegensatz zu der ganzen bisherigen philosophischen Entwicklung. Zu allen Zeiten hat man, was idi als die naive Anwendung der metaphysischen Auffassung bezeichnen möchte, der Analogien aus dem geistigen Gebiet sich bedient, um die dunklen Abgründe der Natur zu erleuchten und die ungewissen Lichter
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Frühe Pläne und Entwürfe
der Prinzipien von Liebe und H a ß , von νοΰς, von vorstellender Monaden, von Willen zu Leben spielen auf ihr. Aber zu keiner Zeit stellte man sich die Aufgabe, sich von der erdrückenden Macht der auf dem Gebiet der Naturforschung gebildeten Annahmen gänzlich bis in die ersten Wurzeln dieser Annahmen hinein frei zu machen, mit derselben Unbefangenheit und Vollständigkeit die psychischen Tatsachen zu betrachten, welche das einzige methodische Prinzip unbedingter Gültigkeit der N a turwissenschaften gewesen war, und selbst vor den Axiomen nicht zurückzuscheuen, welche die Naturforschung auf ihrem Gebiet gefunden hatte. Gerade Kant zeigt innerhalb der großen Arbeit seiner Kritik überall Einschränkung auf die Kritik der Naturwissenschaft und Metaphysik, und Herbart wie seine ganze Schule zeigen innerhalb ihres psychologischen Aufbaus die methodische Regel, die Voraussetzungen des naturwissenschaftlichen Denkens und das atomistische Grundschema für das Studium des Geistes zu benutzen. Aber allmählich sind die Bedingungen erwachsen, welche einen solchen Standpunkt ermöglichen: die ungeheure Ansammlung von historischen Tatsachen und ihre wissenschaftliche Bearbeitung; die reine Ausbildung der Naturwissenschaft in ihrem Zusammenhang für sich; die immer wachsende Anerkennung, daß keine materialistische Hypothese den Tatsachen genugtue, sondern das Verhältnis der Funktion vorläufig zugrunde gelegt werden müsse, mit Erwartung, wie weit es reichen werde. Begründung eines Zusammenhangs psychologischer Forschung nach streng induktiver Methode, mit Ausschluß jeder präokkupierenden Annahme über den hier stattfindenden Zusammenhang: jeder Schritt auf diesem Wege muß uns einer wahreren Weltansicht entgegenführen.
Β. V O R A R B E I T E N Z U R A B H A N D L U N G VON 1875 „Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat" (ab 1871)
1. Untersuchungen zur Begründung einer generellen Wissenschaft des Menschen und der Geschichte *Philosophie
und
Erfahrungswissenschaft
Der Sprachgebrauch der verschiedensten Völker in bezug auf den Begriff, welchen sie mit Philosophie oder philosophischem Geiste verbinden, stimmt darin überein, daß die Feststellung eines über die einzelnen positiven Wissenschaften hinausreichenden Zusammenhangs als philosophisch und die Behandlung der einzelnen Untersuchungen von einem solchen Zusammenhang aus als philosophischer Geist bezeichnet wird. Sich der Mittel, welche in einem umfassenden Zusammenhange liegen, bedienen und das einzelne Problem zu lösen, dies gilt als das unterscheidende Kennzeichen des philosophischen Kopfes. Und hiermit verknüpft sich folgerecht die Eigentümlichkeit des philosophischen Geistes, daß in ihm die Erkenntnis nicht in dem Dienste irgendeines einzelnen Lebenszwekkes steht, sondern die ideelle Macht eines Gedankenzusammenhanges ihn beherrscht. Daher in diesem natürlichen, aus dem Leben der Wissenschaften selber entspringenden Verstände der philosophische Geist je nach dem Umfang des von ihm beherrschten Zusammenhangs verschiedene Grade zeigt. Wie er in der Verknüpfung aller Zweige der Naturerkenntnis sein Leben haben kann, so auch, und das ist der uns hier beschäftigende Fall, in der Verknüpfung derjenigen Wahrheiten, welche den Menschen und die Gesellschaft zum Gegenstande haben oder derer, welche durch das Ganze der Geisteswissenschaften gebildet werden. Es gibt eine gewisse Klasse hervorragender philosophischer Köpfe, welche in diesem Sinne als Philosophen betrachtet werden können und die auf den Fortgang der eu-
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Vorarbeiten zur Abhandlung von 1875
ropäischen Kultur einen mächtigen Einfluß gewonnen haben. Ich nenne nur Machiavelli und die mit ihm gleichzeitigen Schriftsteller Italiens, nur Hugo de Groot. Die Werkzeuge, deren sich der philosophische Geist auf diesem Gebiete bedient, sind Methodenlehre und Psychologie. Ein Zusammenhang höchsten Grades entsteht, wo beide Klassen von Wissenschaften in einem Kopfe ihre Wahrheiten verknüpfen und wo das, was dem Gemüte als wertvoll, dem Willen als Ordnung seiner Zwecke und Güter erscheint, mit dem, was die Erkenntnis als Zusammenhang der Wahrheiten zu umfassen vermag, zu der Harmonie einer Weltansicht verbunden wird. Zwischen den Wissenschaften, deren Gegenstand der Mensch und die menschliche Kultur ist, und den Veränderungen dieser Kultur selber besteht ein weit tieferer Zusammenhang von Wechselwirkungen als der, welcher zwischen den Naturwissenschaften und den Erfolgen derselben für die zweckmäßige Gestaltung der Außenwelt im Dienste unserer Absichten stattfindet. Nicht, als ob die Bedürfnisse des praktischen Lebens und die technischen Erfindungen nicht wieder zurückwirkten auf den Fortschritt der Naturwissenschaften. Ist doch ein wesentlicher Grund für den raschen Fortschritt der experimentellen Naturwissenschaften in unserer Zeit in dem Übergang der Arbeit auf freie Bürger und der damit gegebenen leichteren Verbindung zwischen ihr und der Erkenntnis zu suchen. Aber auf jenem ersteren Gebiete herrscht das dargelegte Grundverhältnis, welchem gemäß wir innerhalb der Gesellschaft gleichzeitig ein wirkendes Element und dieser unserer Wirkungen uns bewußt sind. Aus diesem Grundverhältnis entspringt, daß wir nach Zwecken handeln, Regeln und Grundsätze feststellen, Ideale zu verwirklichen streben und daß wir andererseits unsere abstraktesten Begriffe auf diesem Gebiet dem entsprechend bilden, was in uns als Handelnden richtig ist. Die Ordnung der Handlungen in der Gesellschaft und der Zusammenhang der Begriffe über die Gesellschaft bedingen einander auf jeder Stufe des Lebens wie der Wissenschaften der Gesellschaft. Jede dieser beiden Ordnungen oder Systeme voneinander abhängiger Elemente ist einerseits durch das frühere Stadium derselben Ordnung bedingt, andererseits eben durch die gleichzeitig vorhandene andere Ordnung. Das System der Wahrheiten, welches den Menschen und seine Kultur umfaßt, empfängt seinen Zusammenhang durch die Abhängigkeit, in welcher die einzelnen Wahrheiten von anderen stehen. Sie bezeichnen als Methoden die Richtung der Erkenntnis auf Feststellung der Wahrhei-
Begründung einer generellen Wissenschaft des Menschen und der Geschichte
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ten nach einer bestimmten Annahme über die Art der Abhängigkeit derselben voneinander. Diese generelle Annahme wird begründet in der Methodenlehre. Sie empfängt tatsächlich in derselben ihre Begründung aus einer vorausgehenden Präsumption, welche aus dem Überblick über das Ganze der hier verknüpften Wahrheiten gewonnen wird. Es ist daher möglich, daß eine solche Methode tatsächlich besteht bei einem Denker, ohne in einer Methodenlehre entwickelt zu sein; ja die Feststellung der Abhängigkeit von Wahrheiten untereinander in dem Gedankenkreis eines bestimmten Forschers wird nicht immer Resultate erlangen, welche mit der Methodenlehre desselben völlig im Einklänge sind. Hiervon ist Aristoteles ein merkwürdiges Beispiel, sowie andererseits Machiavelli für die Tatsache, daß bestimmte Methoden, Probleme zu lösen, vorhanden sein können, ohne zu theoretischer Klarheit zu gelangen. Auf dem Gebiete der Methodenlehre gilt es nun weder skeptisch sich den historischen Wandlungen in der Auffassung dieser Abhängigkeit hinzugeben, noch in dogmatischer Starrheit eine Methode für ein Gebiet als zu allen Zeiten mustergültig aufzustellen. Es ist zudem die Erforschung der historischen Entwicklung, welche die Untersuchenden von Vorurteilen befreit, und zwar verfielen dem ersteren Vorurteil beinahe ausnahmslos diejenigen, welche sich als bloße Historiker mit der Geschidite dieser Wissenschaft beschäftigt haben; dem anderen verfielen die Logiker, wie hiervon Mill ein Beispiel ist. Das Gleichförmige in der Abhängigkeit der Wahrheiten voneinander und das im Laufe der Entwicklung Wechselnde auseinanderzuhalten und zu verknüpfen, hiervon hängt zunächst die Möglichkeit ab, den Zusammenhang der Geschichte dieser Wissenschaften zu erkennen.
2. * D i e Wissenschaften vom handelnden Menschen *Übersicht über
Theorieentwicklung
Die Abhängigkeit der Wahrheiten voneinander und ihre Gliederung kann erst überblickt werden, wenn ein Inbegriff von Wissenschaften definitiv konstituiert ist. Die Wissenschaften des handelnden Menschen befinden sich aber noch in einem Zustande, demjenigen ähnlich, welchen die Naturwissenschaften vor diesem Jahrhundert zeigen. Die Verknüpfungen und die Gesamtgliederung ist noch individueller Natur, und obwohl seit Aristoteles viele Forscher eine Anordnung des Ganzen ga-
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Vorarbeiten zur Abhandlung von 1875
ben, ist doch keine derselben beweisbar. Demgemäß kann auch das Anwachsen der Wahrheiten auf diesem Gebiete noch keineswegs in einer definitiven Gestalt sein. Daher fragt sich, welche Mittel vorliegen, die Wandlungen der Begriffe und Wahrheiten auf ihren Zusammenhang und den in ihnen stattfindenden Fortschritt zu prüfen. Diese Frage soll in den folgenden Untersuchungen inhaltlich zu lösen versucht werden. Die Gesichtspunkte einer solchen Lösung aber liegen naturgemäß in der logischen Erörterung. 1. Abgrenzung des gesamten Gebietes der Wissenschaften des handelnden Menschen. 2. Die Wechselwirkung der Begriffe auf demselben. 3. Was eine historische Bewegung sei, eine Geistesrichtung, ein Fortschritt. Unterschied von praktischen Vorgängen. 4. Auf den Gebieten des handelnden Menschen entwickelten sich zunächst natürliche Systeme zur Regulierung der menschlichen Handlungsweise, welche erst in einem späteren Stadium der Wissenschaft unterworfen werden. 5. Das Schöpferische liegt überwiegend in der Ausbildung dieser natürlichen Systeme. 6. Demgemäß muß der wesenhafte Fortschritt auch auf diesem Gebiete sein Fundament haben. 7. Eine erste unvollkommene Theorie dieses wesenhaften Fortschritts ist von Hegel aufgestellt worden, und diese Aufstellung ist auch leitend geworden für die meisten Aufstellungen positiver Forscher. 8. Dieses natürliche System wird durch die Wissenschaft konstruiert, welche von den Begriffen des Grundes, der Erzwingbarkeit des öffentlichen Nutzens und des sittlichen Urteils ausgeht. 9. Diese Konstruktion ist zugleich Idealausbildung der in der Wirklichkeit vorkommenden Norm 2 4 . 10. Neben dieser konstruktiven Methode müssen zur Ergänzung beobachtend-historische Methoden gehandhabt werden. 2 \ II. 26 Das Verhältnis dieser beiden Methoden zueinander wird von der gegenwärtigen Logik nicht richtig aufgefaßt, und die Jurisprudenz steht unter dem Vorurteil der historischen Rechtsschule. 12. Diese Konstruktion durchläuft konform auf allen diesen Gebieten das Stadium der Begründung einer gegebenen Regelung als eines Institutes auf göttliche Anordnung. Das Stadium der Begründung der Regelung oder Sozialordnung überhaupt auf göttliche Einrichtung, das Stadium der Aufsuchung des Grundes für Erzwingbarkeit und Verbindlichkeit der Sozialordnung. Das Stadium einer Verschmelzung dieser Konstruk-
Die Wissenschaften vom handelnden Menschen
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tionen mit der historischen Beobachtung zu der gegenwärtig vollkommensten unter den zu findenden Methoden. Relativität dieser Fortschritte und Möglichkeit weiterer Stufen. Kritik der Auffassung des Fortgangs bei Comte und Stahl. 13. Der Fortschritt, welcher in den theoretischen Wissenschaften stattfindet, existiert in diesen nicht in derselben Weise vermöge der Verschiedenheit der Natur beider. 14. In allen Wissenschaften wirken zusammen die Induktionen und die Konstruktionen aus Elementen, welche mit Abstraktionen aus der Gesamtheit der Tatsachen gewonnen sind. Reine Deduktionen sind ein Phantasma aus der geometrischen Methode, welche ihre Axiome und Definitionen nur scheinbar zu ihren Prämissen macht, denn in Wirklichkeit sind dieselben durch Induktionen gewonnen und erst später hervorgetreten. Die Induktionen bilden in der Mathematik einen Unterbau unter der Erde. 15. Die Naturwissenschaften erklären aus der Beziehung von Elementen, die Mathematik aus den Beziehungen eines Mannigfaltigen gewisse Seiten der Phänomene. Die Wissenschaften des handelnden Menschen sind einerseits erklärender Natur, vor allem aber regeln sie und entwickeln aus der Beziehung von Elementen die Gründe der Gültigkeit ihrer Regeln und die aus dieser folgende Idealform derselben 16. Logik, Ethik, Naturrecht, Politik und Ästhetik bilden eine absteigende Reihe in Bezug auf die Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit der regelnden Sätze, d. h. ihre gleiche Geltung in ihrer Sphäre. 17. Das große Problem der Moral liegt in der Tatsache, daß in gewissen gesellschaftlichen Ganzen die Urteile über die Handlungen konform in Beziehung auf die Regeln sind, welche ihnen zugrunde liegen oder nach welchen man Handlungen gebildet zu sehen verlangt, während doch die Individuen in ihrem Durchschnitt bei ihren Handlungen keineswegs selber von solchen Urteilen geleitet werden, sondern nur bemüht sind, ihnen äußerlich zu entsprechen. Die Wertschätzung der Güter zeigt nicht dieselbe Konformität, woraus folgt, daß sie den Urteilen nicht zugrunde liegt. 18. Das Recht fixiert sein natürliches System auch äußerlich zu einem national bestimmten Ganzen. Daher positives Recht und Naturrecht sich hier äußerlich scheiden. In den andern Wissenschaften sind die natürlichen Systeme der Analyse nicht in solchen äußerlich und scharf abgegrenzten Organisationen gegeben. Daher hier eine solche Unterscheidung nicht stattfindet. 19. Die Moral entwickelt zuerst das natürliche System von einem gemäß obiger Erörterung induktiv (aus der menschlichen Natur oder aus
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Vorarbeiten zur Abhandlung von 1875
dem System selber) gefundenen Beweggrunde aus, aus dessen freier Wirksamkeit ein System von Handlungen würde, das dem System der Urteile konform wäre, d . h . sich ihm unterordnen ließe, wodurch zugleich eine ideale Konstruktion dieses natürlichen Systems entspringt. In einem späteren Stadium entwickelt sie alsdann direkt den Beweggrund der Urteile selber, aus welchem dann freilich eine ideale Konstruktion des natürlichen Systems nicht abgeleitet werden kann. 20. Es kann gedacht werden, daß die verschiedenen Systeme des menschlichen Handelns aus einem konstruktiven Grunde entwickelt werden könnten vermöge der Einführung von Einzelbeziehungen entweder wie bei K a n t in freierer Weise oder wie bei Schleiermacher durch sich kreuzende Gegensätze, welche aus der Anschauung des Systems selber gewonnen wären. 21. Dieses Verfahren ist aber bis jetzt eine falsche Antizipation eines viel späteren Stadiums des Studiums dieser Wissenschaften. Die strengen Anforderungen, welche an eine solche Zusammenordnung der verschiedenen Elemente gestellt werden müßten, sind in keinem dieser Systeme erfüllt 2 8 .
*Stellung des Erkennens
zu seinem
Gegenstand
Es ist die Absicht dieser Untersuchung, eine einzelne Untersuchungsreihe in Beziehung zu setzen zu demjenigen Problem, von dessen Lösung diese Untersuchungsreihe ein Teil ist. Hierzu ist erforderlich, daß das Problem selber zergliedert werde. Es liegt in dem Vorhergehenden, daß jeder Versuch, es etwa durch eine allgemeine Übersicht lösen zu wollen, ein Spiel der wissenschaftlichen Konstruktion wäre. Wir haben Konstruktionen dieser Art, gute und schlechte genug, und dieselben bilden eine seltsame Gesellschaft neben den Ubersichten von Haupttatsachen der Geschichte einzelner Zweige, wie [sie] hier und da hervorgetreten sind. Exakte Untersuchung in philosophischer Absicht kann selbstverständlich nur eine einzelne Reihe von Arbeiten der Analyse unterziehen, aber die Stellung einer solchen exakten Untersuchungsreihe kann nur aus der Zergliederung des gesamten- Problems festgestellt werden. Welche ist also die Stellung des Erkennens zu seinem Gegenstand auf diesem Gebiet? Die drei bisher aufgestellten Merkmale verbinden sich mit mehr untergeordneten zu der folgenden Gliederung. Die Wissenschaften, von denen hier die Rede ist, analysieren den handelnden Menschen in seiner Einzelgestalt, in der Gesamtwirkung und in dem so ent-
D i e Wissenschaften v o m handelnden Mensdien
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stehenden geschichtlichen Verlaufe. Sie entwickeln, von dieser Erkenntnis getragen, die Regeln seiner Handlungsweise in ihren verschiedenen Zweigen. Diese Wissenschaften haben vor den Naturwissenschaften methodisch genommen nur einen Vorteil 2 9 : die Natur der inneren Wahrnehmung, aus welcher die volle Realität der Erkenntnisse dieser Wissenschaft und die Durchsichtigkeit ihrer Objekte von den Elementen ab folgt; denn auch die äußere Welt ist für diese Wissenschaft nur so, wie sie dem handelnden Willen gilt; demgemäß audi, so weit diese in Frage kommt, bringt sie kein subjektives Element in die Erkenntnis. Die Nachteile sind mehrfach. Der Erfahrungskreis baut sich erst langsam auf und ist noch geringfügig. Die Tatsachen sind höchst kompliziert, so daß Abstraktionen weitergehender Art als in den Naturwissenschaften notwendig sind. Anwendung der Messung von Intensität und Vielheit ist bis jetzt nur auf den Gebieten der physiologischen Psychologie und der Statistik möglich gewesen, endlich das Allerschlimmste: Goethe erklärt einmal die menschliche Seele für das veränderlichste, am meisten erschütterbare Element des Universums; in der Tat können wir in der Naturwissenschaft die Vorgänge, die hier studiert werden, an jedem einzelnen Falle kennen lernen; innerhalb der Welt des handelnden Menschen variiert auch das einfachste Element derart, daß es nicht als stetige Größe behandelt werden kann. Hier liegt das fundamentalste methodische Problem, aus welchem denn audi folgt, daß in der Auffassung der Geschichte in psychologischer Beziehung die am meisten fundamentalen Gegensätze in einem Standpunkte liegen, welchem zu allen Zeiten die menschliche Natur wesentlich gleich war, verglichen mit einem andern, der zuerst die Differenzen sieht. Das Verfahren, dessen wir uns bedienen, beruht auf einer Abstraktion von den Einwirkungen der Leidenschaften und Interessen auf die Theorie. Die Erscheinungen des geschichtlichen Lebens sind allzu kompliziert, als daß es möglich wäre, Grundverhältnisse ohne eine künstliche Isolierung zu erkennen. Was wir übrig behalten, ist die Stellung des Intellektes zu einem Tatsacheninbegriff, und diesem Tatsacheninbegriff kamen, wie wir sahen, zunächst zwei Eigenschaften zu: er baut sich erst auf in dem Verlauf der Geschichte, und vermöge der Natur der inneren Erfahrung werden die Elemente, aus denen er sich zusammensetzt, nicht erschlossen, sondern man wird ihrer gewahr, und die Art ihrer Wechselwirkung kann unmittelbar beobachtet werden. Es wird nun darauf ankommen, das einheitliche Gebiet abzugrenzen, auf welches diese Wissenschaften
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sich beziehen. Wirtschaft, Recht, Sittlichkeit und Staat bilden ein homogenes Ganzes, denn der handelnde Mensch, der Wille nach den verschiedenen Seiten seiner Betätigung, bilden ihren Gegenstand. U n d zwar sind diese verschiedenen Kreise nur verschiedene Seiten eines und desselben Gebietes eben infolge ihres Einheitspunktes. Der handelnde Mensch, sofern er durch die soziale Seite seines Willens Teil eines umfassenden Ganzen ist, ist Gegenstand des Staates. Denn der Staat ist eine Organisation, deren Realität in dieser Seite des Willens aller Individuen beruht. Es besteht ein beinahe scholastischer Streit in bezug auf die Auffassung des Staatsbegriffes, und dieselben Gegensätze, welche sich abstrakt in der Logik geltend gemacht haben, kehren bei diesem scheinbaren Gedankending als bei einem prägnanten Falle wieder. Diese Schwierigkeit löst sich durch die Unterscheidung, welche seit dem Vorbild des Aristoteles schon H u g o de Groot gemacht hat, und welche in dem gesunden Leben der englischen Nation zur herrschenden Theorie geworden ist. D e r moderne Staat im Unterschied von dem der früheren Zeiten umfaßt mit seiner Organisation nur eine Seite aller Individuen.
*Über induktive und deduktive Methode
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Von der Zeit ab, in welcher die europäische Gesellschaft die wirtschaftliche, rechtliche und politische Ordnung des Mittelalters unerträglich zu finden begann und gleichzeitig die politische Wissenschaft der Griechen und die römische Jurisprudenz zu tieferem Verständnis erwachten, tritt in diesen Wissenschaften eine doppelte Methode hervor, welche angelegt w a r in dem methodischen Unterschiede des politischen Forschens der Griechen und des juristischen der Römer, welche aber tiefer gegründet ist in den Möglichkeiten der Erforschung dieses großen Gegenstandes, welche eben zwiefacher N a t u r sind. Erfahrung auf dem Gebiete der politischen Wissenschaften kann gemäß den Gegenständen nie etwas anderes als Vergleichung sein, welche ihr Ergebnis erprobt an dem Studium der menschlichen N a t u r . Eine solche Vergleichung leitete schon Plato. Aristoteles aber, der große Begründer der komparativen Wissenschaften, schuf Politik als eine völlig komparative Wissenschaft. Nichts ist lächerlicher als der Wahn, die Methode der Vergleichung und dementsprechend die der induktiven Forschung auf politischem Gebiet als eine moderne zu betrachten. Die Grenze dieser Methode wie ihre Stärke können an Aristoteles am besten studiert werden; denn hier wirkt nun ein bisher nicht aufgedeckter, funda-
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mentaler Unterschied der logisdien Tragweite der Induktion auf dem Gebiete der N a t u r und auf dem der geschichtlichen Tatsachen. Dasselbe folgt aus dem sdion entwickelten Grundverhältnis, welchem gemäß der Erfahrungsinbegriff der historischen Wissenschaften sich erst gleichzeitig mit der Entwicklung dieser Wissenschaften selber aufbaut. Tatsachen der Natur können einer Induktion unterworfen werden, in welcher der ganze Umfang der für uns auf alle Zeiten in ihr gegebenen Tatsachen durch Fälle repräsentiert ist. Dagegen bilden die Tatsachen, aus welchen wir zu irgend einer Zeit über gesellschaftliche Gebilde Generalisationen gewinnen, nur einen kleinen Teil des wirklichen Erfahrungsinbegriffes, welcher sich in eine unendliche Zukunft erstreckt. Und jede Analyse, welche hier stattfindet, kann nach 100 Jahren schon darum keine Gültigkeit mehr haben, weil die in Frage kommenden Faktoren inzwischen Wirkungen gezeigt haben, welche bis dahin unbekannt waren. Die nächste Schule des Sokrates mußte aus den vorhandenen Tatsachen den Glauben an die dauernde Lebenskraft des lakonischen Staates erschließen; schon eine Generation danach hatte Aristoteles seiner vergleichenden Betrachtung die entgegengesetzte Einsicht unterzulegen. Ähnliche Wandlungen durchliefen die Folgerungen, welche aus dem Studium der englischen Verfassung in neueren Zeiten gezogen wurden. Das logische Verhältnis der Induktion auf diesem Gebiet und dem der Naturwissenschaften ist aber hiermit nur in seiner Grundlage bezeichnet. Wir untersuchen weiter. Wenn die Physiologie die Lebenserscheinung des tierischen Körpers untersucht, so ist für sie im Ganzen und Großen innerhalb der Klasse der höher organisierten Tiere ein Exemplar so gut wie ein anderes; für feinere Fragen [ist] jeder menschliche Organismus ein Einzelfall, welcher für sich beweist. Gibt es nun Gesetze, welche innerhalb des Studiums der Lebensäußerungen und Kräfte von Staaten in derselben Weise an jedem einzelnen Staat studiert werden können? Und wenn es solche gibt, sind sie ebenfalls feststellbar auf dem Wege der Analyse irgendeines politischen Körpers? Wäre dies der Fall, so gäbe es einen besonderen Teil der auf Induktionen gegründeten Wissenschaft von Staaten, welcher nicht nur relative, sondern absolute Wahrheiten enthielte und welcher einen von den Schicksalen und Wandlungen des Erfahrungskreises der Geschichte unabhängigen Fortschritts besäße. In Wirklichkeit gibt es einen solchen nicht oder wenigstens ist ein solcher bis jetzt nicht aufgestellt worden Demgemäß ist die Geschichte der induktiven Methode auf diesem Gebiet zugleich die der relativen und wechselnden Generalisation [en], die Methode auf diesem Gebiete Vergleichung; der Fortschritt auf diesem
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Gebiet Wachstum des Erfahrungsinbegriffs, verbunden mit dem Wachstum der Künste und Hilfsmittel der Bearbeitung dieser Erfahrungen. Piaton, Aristoteles, Thomas, Occam, Machiavelli, Bodin, Montesquieu bezeichnen in viel höherem Grade infolge dieses allgemeinen Grundverhältnisses einen Fortgang des Erfahrungskreises als eine wachsende Feinheit der Methode, ja der unparteiische Beurteiler wird in letzter Beziehung Aristoteles vor ihnen allen den Vorzug geben. Die Wahrheiten, welche sie fanden, repräsentieren nur die Grundverhältnisse der Erfahrungen, aus denen sie schließen durften. In allen Wissenschaften arbeitet eine zweite Methode mit, welche man im Wechsel der Zeiten deduktiv, apriorisch, spekulativ genannt hat, Ausdruck alles für eine zweite Möglichkeit, den U m f a n g unserer Erkenntnis zu erweitern Soll es auf dem Gebiet der moralisch-politischen Wissenschaften strengere uneingeschränkt gültige Wahrheiten geben, so müssen sie auf diesem Wege gewonnen werden. Wie man auch über Kants Grundfrage nach metaphysischen Wahrheiten a priori als den einzigen streng allgemeingültigen denken mag: auf dem Gebiete der hier vorliegenden Wissenschaften ist Kants Einschränkung des Wertes aller Induktionen unanfechtbar. In der T a t haben die Wahrheiten oder die als Wahrheiten betrachteten Sätze dieser zweiten Klasse nicht nur in der europäischen Wissenschaft lange Zeit den Vorrang behauptet, sondern von ihnen ist durch die Geistesgröße gewaltiger Philosophen von H u g o de Groot und H o b bes ab bis auf Rousseau und K a n t die Umgestaltung der europäischen Gesellschaft geleitet worden. Mag man diese Umgestaltung preisen oder mit Stahl beklagen; sie ist zu einem hervorragenden Teil, alle Kundigen stimmen darin überein, das Werk dieses Zweiges der Philosophie; dieser Zweig ist das Naturrecht, oder genauer gesprochen: induktive Psychologie, Naturrecht und deduktive Nationalökonomie haben in dieser großen geschichtlichen Operation zusammengewirkt. Die historische Schule hat nicht nur an den einzelnen Gestalten dieser Wissenschaften ihre Kritik geübt, sondern es gilt audi jetzt als ein zweifelloser Satz, daß wenigstens auf den beiden ersten Gebieten jede Art von konstruktiver Methode unbrauchbar sei. Wäre dies der Fall, so wäre in der Geschichte der Wissenschaften dieses vielleicht der ungeheuerste Fall einer jahrhundertelangen Totalirrung der größten europäischen Genien, doppelt merkwürdig dadurch, daß dieselben großen K ö p f e wie Leibniz und Kant, welchen wir auf andren Gebieten eine solche Fülle fruchtbarster Arbeiten verdanken, alle einstimmig und mit Leidenschaft auf diesem Gebiet sich in einem unfruchtbaren, unkritischen Geschäft
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verloren hätten, doppelt merkwürdig dann dadurch, d a ß wissenschaftliche Irrtümer ein gewaltiger Faktor der rationalen Umgestaltung der europäischen Gesellschaft geworden wären, deren Segnungen doch nur jeder dankbar anerkennen muß. In der Tat haben die zwei am meisten hervorragenden Köpfe, welche die Geschichte der moralisch-politisdien Theorien untersucht haben, Comte und Stahl, diese Ansicht gehabt. Ganz entgegengesetzten politischen Parteien angehörig sind sie einstimmig in der Beurteilung dieser konstruktiven Wissenschaft auf moralischpolitischem Gebiet. U n d zwar betrachtet Comte dieselben als die großen Werkzeuge der Geschichte zur Vernichtung der feudalen und kirchlichen Ordnung einer vergangenen Zeit, welche Vernichtung die unumgängliche Bedingung f ü r die Gestaltung einer neueren naturgemäßeren Ordnung gewesen sei; beiden sind sie falsche Metaphysik, dem einen im Vergleich zu positiver Soziologie, dem anderen im Vergleich zur geschichtlichen Methode. Als K a n t Metaphysik a priori zu verteidigen sich anschickte, war sein erster Schritt, daß er ihr Mathematik als eine andere synthetische Wissenschaft a priori zur Bundesgenossin gab. Comte hat bereits bemerkt, d a ß die Nationalökonomie der deduktiven Schule nur ein Glied dieses großen Ganzen deduktiver Versuche auf diesem Gebiete sei. Sollte sich diese Tatsache als richtig erweisen, so würde sie zeigen, d a ß die methodische Frage keineswegs so einfach liegt, als man heute annimmt, und d a ß die gegenwärtige völlige Verurteilung des Naturrechts vielleicht voreiliger als billig war. Wer die Geschichte der Wissenschaften besonnen studiert, wird schon an sich geneigt sein, von einem Irrtum, an welchem die größten Genien Europas bis tief in unser Jahrhundert teilnahmen, anzunehmen, d a ß Elemente der Wahrheit in ihm sein müssen und d a ß eine spätere Zeit wohl wahrscheinlich auf ihnen weiterbauen wird, Wahrheiten mit ihnen verknüpfend, welche heute in unlösbarem Widerspruch mit ihnen zu stehen scheinen.
•'Das Naturrecht Ehe ich in die Untersuchung der Methode eingehe, erlaube ich mir einen Irrtum zu beseitigen, welcher sonst der Unbefangenheit schaden könnte, mit welcher ich das Folgende aufgefaßt sehen möchte. Man glaubt, das Naturrecht in den Grundbegriffen seiner Konstruktion, dem des Naturzustandes und des Vertrags, einfach damit als abgetan erweisen zu können, d a ß dies ungeschichtliche Vorstellungen seien. Man glaubt al-
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so, daß das Naturrecht den geschichtlichen Ursprung des Rechts und des Staats habe entwickeln können. Nun werde ich in der Tat nachweisen, daß die erste Konzeption des Naturrechts in Griechenland hiervon ausging und daß diese Vorstellung nachgewirkt hat. In Wirklichkeit aber sind dies Elemente einer Konstruktion a priori, welche nicht die Erklärung von Recht und Staat, sondern die juristische Konstruktion derselben sowie der einzelnen Rechtsinstitute zum Gegenstande hat. Diese juristische Konstruktion hat es nicht mit dem Ursprung, sondern mit der konstruktiven Entwicklung des rechtlichen Elementes in seiner idealen Form zu tun. Sie hat also nicht die Entstehung, sondern die ideale Natur des Staates und der Rechtsinstitute zu ihrem Gegenstande. Und es würde eben eine dogmatische Behauptung sein, welche vorläufig noch nicht bewiesen hat, daß die geschichtliche Entstehung und die ideale Natur miteinander eins sei. Auch Aristoteles unterscheidet33 die Entstehung des Staates und die in ihr lebendigen Absichten von dem idealen Staatszweck, und diese Unterscheidung bildet einen von den ihm wichtigsten Grundgedanken. Daher man jede Vorstellung von geschichtlichem Ursprung von sich fernhalten muß, wenn das Naturrecht anhebt, den Rechtsgrund zu entwickeln. Das Bedürfnis, Recht, Gesetz und staatliche Ordnung in Bezug nicht auf ihre Entstehung, sondern auf den unbedingten Grund ihrer Gültigkeit zu erkennen, hat in dem neueren Europa drei Stadien durchlaufen, von welchen zwei auch bei den alten Völkern noch aus den Resten erkennbar sind. Die ältesten Reste politischen Nachdenkens in Griechenland vergegenwärtigen ein Stadium, in welchem [einerseits] die rechtliche und politische Ordnung, andererseits die Sittlichkeit als Institutionen der Götter aufgefaßt werden; und zwar können wir noch an Attika verfolgen, wie dies an die Einteilung in Geschlechter und Stämme und an die städtischen Gemeinden anknüpft. Jede dieser politischen Gruppen führte ihre Entstehung auf Heroen und Götter zurück, in deren Namen gewissermaßen das Recht verwaltet wurde, in deren Auftrag die erste fürstliche Gewalt geübt worden war. Wo die Geschichte sich in die Dämmerungen der Sage verliert, werden Heroen, Göttersöhne und waltende rechtgründende Götter noch in unbestimmten Umrissen erblickt; und der Kultus derselben erhält die Verehrung des göttlichen Ursprungs von Geschlechtern und Städten aufrecht. Die Sagen, welche den Blutbann des Areopag umgeben, sind hiervon eine anschauliche Darstellung. Man wird behaupten können, daß es in Griechenland eine Zeit gab, in welcher das einzelne Rechtsinstitut, dergleichen der Areopag war, und die einzelnen fürstlichen Gewalten als solche in ihrem Einzelbestan-
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de als göttliche Institutionen verehrt und durch diese Annahme geschützt wurden. Denn nichts anderes bedeutete schließlich für das tatsächliche politische Leben die Zurückführung 3 4 großer herrschender Familien auf Götter und Städte gründende Heroen als eine Art göttlicher Einsetzung derselben. Und bis in späte demokratische Zeiten hinein umgibt ein Abglanz dieser Sagen die Häupter der großen Geschlechter, deren Macht in der Nation nun nur noch beruhte auf den Pietätsgefühlen des im Götterglauben immer nodi heranwachsenden Volkes. Der sagenhafte Fluch, welcher auf dem Geschlecht des Perikles lag, wirkte, einer dunklen Schicksalsmacht vergleichbar, mitten hinein in die sonst vom Verstand und den Leidenschaften beherrschte Politik einer ganz demokratischen Zeit. Dies ist das Stadium der griechischen Auffassung von Recht und politischer Ordnung, welches entspricht der uns in genaueren Zügen bekannten Auffassung des Mittelalters der späteren europäischen Nationen. Aber man kann die Grundzüge eines zweiten Stadiums unterscheiden, in welchem dieser Glaube eine gemäßigtere Form annahm. Es ist das ein Zustand der Uberzeugungen, welchem gemäß eine jede staatliche Ordnung als solche ein Ausdruck einer höheren Weltordnung ist und hierdurch eine Dignität besitzt, welche denselben allen gewaltsamen Umänderungen gegenüber heiligt. Das merkwürdigste Dokument eines solchen Stadiums sind die spärlichen politischen W o r t e 3 5 aus dem großen Werke des Herakleitos, welches nach der Aussage der Alten in erster Linie politischer Natur war. Diese Aussage ist bezweifelt worden als im Widerspruch stehend mit dem allgemeinen Gang der griechischen Wissenschaft, die erst in einem späteren Stadium von dem Studium der Außenwelt sich zu dem moralischer Phänomene gewandt hätte. In der T a t fand eine solche Wendung zu der Anschauung und Erörterung von etwas bloß Psychischen in einem viel späteren Stadium statt. Der Grieche der heraklitäischen Zeit kennt keine andere Klasse von Wirklichkeit als welche in der Körperwelt selber erscheint. Auch die Zahlen der Pythagoräer erweisen sich genauerer Forschung als zugleich räumliche Gebilde. Aber nichts anderes war auch der Staat des Heraklit, welcher in der bestimmten Bürgerschaft s e seine körperlich greifbare Existenz hatte, und es ist daher kein Grund zu bezweifeln, daß die Forschungen des Heraklit sich in weitem Umfang diesem Kreise des körperlich Wirklichen zuwandten. Zu derselben Zeit wurden nach dem Zeugnis des Aristoteles die ersten ethischen Begriffsbestimmungen von den Pythagoräern entworfen. Heraklit also nahm an, daß alle menschlichen Gesetze und Verfassungen sich nähren von dem einen umfassenden Weltgesetz, und gründete hierauf
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seine Ansicht von der unantastbaren Rechtskräftigkeit aller bestehenden Institutionen gegenüber den bereits herandrängenden populären Bewegungen. Ihrem Ansturm sollte die bestehende Verfassung wie eine Mauer standhalten. Dasselbe Stadium der Auffassung der Gesetze zeigen die Anschauungen der Pythagoräer in Unteritalien. Es ist bemerkenswert, daß in denselben die Metaphysik als die neue wissenschaftliche [Macht] noch im Zusammenhang steht mit der Kulturmacht der alten Religionen; während sozusagen die unbedingte Autorität des örtlichen Kultus gebrochen ist, tritt diese neue Metaphysik in ein Bündnis mit den uralten Religionen als solchen — ihrem inneren Geiste nach. Es ist dasselbe Stadium der Auffassung von Recht und Staat, welches in dem neueren Europa unter den Stürmen der reformatorischen Bewegungen von Wittenberg, Genf und Zürich eintritt; audi hier wird die unbedingte Gültigkeit der bestehenden religiösen Institutionen erschüttert, aber die religiöse Auffassung als solche bewahrt ihre Macht über die Gemüter, und die ältesten Formen sozusagen einer Metaphysik des Rechtes und des Staates von Hugo de Groot bis auf Pufendorf bewahren dieses göttliche Band einer Rechtsordnung, welche sie nun doch bereits durch den Gedanken begründen. Das Band zerriß. Der Gedanke befreite sich von jeder außer ihm selber gelegenen Autorität, die Sittlichkeit und das Recht suchten ihre Grundlage unabhängig von jeder religiösen Autorität. Dies ist das dritte Stadium, welches die Vorstellungen über die Geltung von Recht und Sittlichkeit bei den Alten wie bei den neueren Völkern durchlaufen haben. Die Sophisten und Demokrit bezeichnen im Altertum diesen Fortgang, Hobbes und Spinoza bei den neueren Völkern. Die Analogie dieser beiden Epochen kann in immer neuen Zügen verfolgt werden; was aber weit mehr überrascht, nicht bloß unser Gedanke gewahrt hier eine Verwandtschaft, sondern die Geschichte selber knüpft dieses Band, die Theorien des Altertums wurden übertragen auf die des neueren Europa, und so entsprang die älteste Form einer selbständigen Moral und eines selbständigen Naturrechts. Hier aber gestatten die Quellen bereits einen Einblick in das feinere Gefüge der griechischen Gedankenbildung, und so vermögen wir hier sowohl das Gleichartige als die unterscheidenden Züge ganz genau und deutlich hinzustellen. Das Verständnis der Methode ist hier die Grundbedingung. Das N a turrecht ist ein einzelner Fall der Anwendung deduktiver Methoden auf Erscheinungen. Diese Anwendung deduktiver Methoden ist der schönste Teil menschlicher Wissenschaft. Der Gedanke und das logische Vermögen
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herrschen hier in königlicher Macht über die Tatsachen. Von Elementen der Tatsachen ausgehend entwickeln sie sich nach ihrem eigenen Gesetz, gewiß, an einem entfernten P u n k t e ihr ganzes Raisonnement durch die nunmehr konstruierte Wirklichkeit bestätigt zu sehen. Mathematik und Mechanik einerseits, das Recht auf der andern Seite sind die gewaltigsten Schöpfungen dieser höchsten Eigenschaft menschlicher Intelligenz. Man kann sagen, d a ß die C h a r a k t e r e der Forscher von den Methoden, deren sie sich bedienen, ihre Gepräge empfangen, und die Macht des abstrakten Gedankens verkörpert sich in den großen Beispielen deduktiver Methode. Hier aber besteht einer der großen Zusammenhänge der Philosophie mit den höchsten Leistungen des menschlichen Geistes. Diese Zusammenhänge, die mächtige Stellung der Philosophie in der Entwicklung des europäischen Geistes leugnet niemand als eine historische Tatsache; aber die von den Geschichtsschreibern der Philosophie unter dem Einfluß von Hegel geschaffene angebliche Übersicht der Leistungen der Philosophie ist ein ersonnenes Phänomen, welches alsdann natürlich keiner richtigen E r k l ä r u n g u n t e r w o r f e n werden kann. Der Philosoph ist nichts anderes als ein wissenschaftlicher Forscher, welcher sich der beiden großen Hilfsmittel: einerseits der Erkenntnistheorie und Logik, welche ich am liebsten als Logik im weitesten Sinne bezeichnen würde, andererseits der Psychologie und der in ihr gegründeten ästhetischen [und] ethischen Erkenntnisse bedient. Philosophie ist nichts anderes als H a n d h a b u n g zweier der mächtigsten Instrumente zur Erweiterung der menschlichen Erkenntnis, der Logik und Psychologie, beide in ihrem weitesten Verstände genommen. Ich mache hiervon eine A n w e n d u n g auf den vorliegenden Gegenstand. A n w e n d u n g induktiver Methoden ist eine Kunst. Dies hat schon H e r r von Liebig bei Gelegenheit Bacons erkannt, wenn er auch die Tragweite dieses Gedankens in Rücksicht auf die Bedeutung einer induktiven Logik überschätzt hat. Aber im Ganzen genommen ist es mehr der intime Verkehr mit einem Umkreis von Tatsachen und ein instinktives Treffen von Hilfsmitteln, sich ihnen zu nähern, als verstandesmäßige Ausbildung, was selbst die genialen Forscher auf dem Gebiet der experimentellen Wissenschaften macht. H i e r also findet kein Zusammenhang mit der Philosophie statt, und hier ist audi der Sitz der Abneigung gegen die Macht, welche die Philosophie in allen Epochen besessen hat. Dagegen ist die Erfindung neuer Anwendungen der deduktiven Methoden zu allen Zeiten eng verbunden gewesen mit der Ausbildung der Logik und mit der Klasse von Forschern, welche sich ihrer als ihres Instrumentes bedienen. So sind die großen Wendungen in der Geschichte der Mathematik, des Naturrechts, die Begründung einer deduktiven
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Nationalökonomie von Philosophen ausgegangen. Die Wissenschaften aber, welche deduktiv die moralisch-politischen Probleme behandeln, sind dann weiter auch durch das Band der moralischen Wissenschaften, wie man dies zu A d a m Smith' und Humes Zeiten in England nannte, der Psychologie, wie wir es bezeichnen, verbunden. Ich unterscheide zwei Klassen von Anwendung der deduktiven Methode 37 in ihrem legitimen Gebrauch. Die deduktive Methode beruht auf der Aussonderung bestimmter Elemente gleichartiger N a t u r aus einem Teil der Wirklichkeit und besteht alsdann in dem Studium der Eigenschaften dieses durch Abstraktion gewonnenen Inbegriffs von Elementen, in der Entwicklung eines Systems derselben und in der Erklärung der verwickelten Tatsachen der Wirklichkeit aus diesem System. Der Grund der Berechtigung dieser Methode liegt nicht nur, wie die englischen Logiker annahmen, in einer zu großen Komplikation der Ursachen auf einem Gebiete, so daß infolge hiervon Experimente ausgeschlossen werden; diese Annahme macht das eine der beiden Hilfsmittel des menschlichen Geistes, den schließenden Verstand, zur bloßen Aushilfe des anderen. N u n gibt es zwei Klassen von Problemen, welche naturgemäß ganz verschiedenen Methoden der Forschung unterworfen werden müssen. Der fundamentale Gegensatz, welcher artbildend ist im Inbegriff deduktiver Methoden, ist nicht der von N a t u r - und Geisteswissenschaften, sondern von theoretischen und praktischen Wissenschaften. Es gibt eine Klasse von Wissenschaften, welche die Regelungen, denen unser Wille den Ablauf der Ereignisse unterwirft, gleichviel ob diese Ereignisse in oder außer uns vorgehen, und zwar seinen Zwecken gemäß unterwirft, der Analyse unterzieht. Solche Wissenschaften sind Logik, Moral, Naturrecht, Politik, Pädagogik; so weit in ihnen deduktives Verfahren anwendbar ist, unterscheidet es sich von dem auf anderen Gebieten. Die Grundform der menschlichen Willensbetätigung ist Realisierung von Zwecken durch ein System von Mitteln, und zwar ist die höhere Form hier überall darin gegründet, daß allgemeine Regeln zu Mitteln der Zwecktätigkeit werden, wodurch eine höhere Form von Herrschaft des Zweckes entspringt. Diese Verwirklichung von Zwecken durch ein System von Mitteln, welche allgemeingültige Regeln sind, bringt der N a tur der Sache gemäß überall ein synthetisches Ganzes von Gesetzen als die ihm zukommende Form hervor. Dieser Grundform der synthetischen realen Ganzen des Rechtes, der Erziehung, der Wirtschaft 3 8 entspricht die Methode einer abstrakten, wissenschaftlichen Konstruktion der in der Praxis wirksamen Zwecktätigkeit.
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Eine bestimmte Klasse dieser Konstruktionen ist das Naturrecht. Die bisherigen Erörterungen reichen hin, die Auffassungen des Naturrechts, eines der größten Phänomene der europäischen Geschichte, wie sie gegenwärtig herrschend ist, einigermaßen zu modifizieren. Die Auffassung Comtes war durch zwei Fehler seiner allgemeinen Auffassung bestimmt, einmal durch seinen unbestimmten Begriff der Metaphysik, welchem er als der radikalste aller bisherigen Empiristen Psychologie und Logik einordnete, alsdann durch das völlige Übersehen der N a t u r der Konstruktion eines juristischen Begriffs oder eines Rechtsinstitutes. Die Kritik Stahls, welche gegenwärtig beinahe für alle Juristen als ein sicherer Bestand betrachtet wird, beruht auf der Verkennung der Berechtigung deduktiver Methoden im Gebiete der Auffassung von Recht und Staat; sie ist gegründet in der merkwürdigen Gegensetzung abstrakter und geschichtlicher Philosophie und Wissenschaft, die das spätere Schellingsche Denken beherrschte 39 . Gemeinsam sind zunächst beiden Epochen die Allmählichkeit des Überganges der Moral, des Naturrechts und der Politik zur Mündigkeit und Unabhängigkeit von religiösen Anschauungen und der Macht des Glaubens. Diese Umwälzung vollzog sich in Griechenland in dem Zeitalter des Anaxagoras und des Empedokles. Die Metaphysik erschien zuerst frei von der Macht des Glaubens, lange schwankte die Richtung der Politik in dieser Beziehung in den griechischen Staaten, wie noch der Prozeß gegen den Alkibiades zeigt. Die Moral erscheint bei Demokrit zuerst unabhängig, während zu derselben Zeit dieselbe in Athen bei Sokrates noch eng verbunden mit religiösen Vorstellungen erscheint. Bei Euripides gewahrt man am besten, welches Interesse in dieser Zeit die Tendenz der Aufklärung erregte. Schwankungen noch stärkerer Art finden in dem neueren Europa statt 4 0 . Aber ein unterscheidender Grundzug liegt in der höheren Stufe, welche diese Wissenschaften durch die Einfügung des römischen Rechtes jetzt bei den neueren Völkern empfangen. H u g o Grotius unterscheidet nach Stahl 4 1 Naturrecht, Moral, Politik und positives Recht als koordinierte Glieder eines größeren Ganzen. Aristoteles hatte das Verhältnis der Ethik und Politik viel tiefer gefaßt als irgendein Denker des 17. oder 18. Jahrhunderts. Ihm fehlte nur die Unterscheidung des Rechtslebens und des Staates. Recht und Moral erscheinen darin verwandt, daß sie zunächst Regelungen des Lebens durch ein Gedankenmäßiges, Objektives sind, welches in der Moral als sittliche Gewohnheit und sittliches Urteil einen Zwang übt, welcher nur für denjenigen gilt, der in der Sphäre sittlicher Bezie-
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hungen unangefochten zu beharren das Bedürfnis hat, während das Recht eine äußere Erzwingbarkeit besitzt; beide aber in ihrem Gebiet entwickeln zunächst einzelne Normen des Handelns. Es ist Iherings Verdienst, genau nachgewiesen zu haben, wie die Entstehung der juristischen Begriffe, Einteilungen, Institute und Gesetze das Ergebnis von scharf verstandesmäßigen Operationen, keineswegs von einem Rechtsinstinkt gewesen ist. Die romantischen Begriffe von der Rechtsentstehung sind damit vernichtet. Ich halte die Entstehung der Sitte, der gewohnheitsmäßigen Sittlichkeit, kurz der nicht durch den wissenschaftlichen Gedanken geregelten Sittlichkeit einer Nation für von derselben Natur. Und der Verstand hat in dieser Sphäre, weldie man allein den Empfindungen zuschreiben möchte, ebenfalls eine gewaltige Rolle gespielt. Die ältere Rechtsbildung kann man mit der Ausbildung der Mathematik vergleichen: auf beiden Gebieten ging man von Sätzen engeren Umfanges aus, Gliederungen traten hervor, und erst lange danach fand man zu dem Inbegriff empirischer Wahrheiten die ersten fundamentalen Begriffe und Axiome, die Schlußfolgerungen und ihre strenge Verkettung, die Gliederung durch ein zusammenhängendes System von Einteilungen. Für das Verständnis der natürlichen Moral und des Naturrechts bieten sich nun zwei Ausgangspunkte, ein geschichtlicher und ein methodischer. Geschichtlich genommen fallen diese Unternehmungen in den Inbegriff eines Systems natürlicher Wissenschaften, deren erste, die natürliche Theologie, bereits an dem Ausgang des 13. Jahrhunderts sich entwickelte. Der Gedanke ist hier überall, unabhängig von der geschichtlichen und religiösen Einschränkung aus den Elementen des reinen Gedankens eine allgemeine gültige und notwendige Wahrheit zu entwickeln, welche Grundlage einer von der Tradition unabhängigen Kultur zu werden vermöchte. Dieser Gedanke konnte unmöglich verwirklicht werden durch Entwicklung eines Gemeinsamen aus Vergleichung individueller Formen. Denn noch gab es keine hinlänglich gesicherte Erkenntnis dieser Gestalten durch historische Forschung. Noch herrschte der aristotelische Gedanke, daß keine Induktion zu allgemeinen Wahrheiten zu führen vermöchte, und dem Drang nach einem gedankenmäßig Notwendigen tat kein vergleichendes Verfahren genüge. Diese waren die Gründe, aus welchen in Europa, gleicherweise im Altertum, der Gegensatz zwischen den Satzungen und dem Naturgemäßen hervortrat und in den neueren Zeiten die natürlichen Wissenschaften, welche sidi eines deduktiven Verfahrens bedienten. Langsam wuchsen alsdann historische Kritik und Sammlung heran, und der Tag kam endlich f ü r jede dieser Disziplinen, an welchem ein soldier rationaler Zusammenhang als unhaltbar verurteilt und
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von Anschauungen geschichtlicher Gebilde verdrängt wurde, welche nunmehr als die einzige Verwirklichung, die einzige Wirklichkeit den abstrakten Aufstellungen gegenüber betrachtet wurden. Für die Religion kam dieser Tag, als Schleiermachers Reden hervortraten, für das Recht, als die historische Juristenschule auftrat, und diese neue Richtung verbreitete sich über alle Gebiete der Wissenschaften des Geistes. Wie man diesen Vorgang beurteilt, hängt davon ab, welches Urteil man über die Tragweite der Methode hat, deren sich die Denker bis zum Auftreten der historischen Schulen bedienten. Alle Versuche dieser Art lassen sich unter das gemeinsame Problem bringen [ . . . ] 4 2
"Die gemeinsame
Wurzel
der Wissenschaften
vom handelnden
Menschen
Der Zusammenhang der Wissenschaften auf diesem Felde kann derart nachgewiesen werden, daß ihre gemeinsame Wurzel aufgedeckt wird; dagegen kann die Art ihrer Abzweigung noch nicht definitiv festgestellt werden, vielmehr müssen diese Wissenschaften, noch ähnlich wie früher verschiedene Zweige der Physik, abgesondert behandelt werden. Der Unterschied ist hier nur der, daß ihre gemeinsame Wurzel ganz durchsichtig vorliegt, wie aus der obigen Entwicklung des Erkennens auf dem Gebiet der moralisch-politischen Wissenschaften hervorgeht. Aber diese Wissenschaften haben zu ihrem Gegenstande äußerliche Entwicklungen, welche in der praktischen Seite des Menschen gegründet sind. Die Willen in ihren Relationen bringen in ihrem Totum ein System von Handlungen hervor, welches sich unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten läßt. Mohl I, 1 5 7 " : „Stein geht von dem Satze aus, daß das menschliche Leben im Beherrschen von Tatsachen durch die Persönlichkeit zu Zwecken der letzteren bestehe". Für dieses Ganze haben wir keinen Ausdruck (Arnold 4 4 9 0 : bürgerliche Ordnung als Gesellschaft des Volkes). Populär bezeichnet man es als das praktische Leben. Wir vollziehen eine Abstraktion und beziehen uns innerhalb der Relationen der Willen auf Vorstellungen und Gefühle nur, sofern sie Motoren des Wollens, d. h. ursächlich sich zu demselben verhalten, im übrigen Vorstellungen und Gefühle 4 5 ausschließend. Der in Begehren und Befriedigung den Lebenslauf seines Willens vollbringende Mensch bringt Tatbestände außer ihm selber, Sachen oder Personen, in eine Abhängigkeit von sich, vermöge derer sie in den Systemen seiner Begehrungen und Befriedigungen sich dienstbar erweisen kön-
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Vorarbeiten zur Abhandlung von 1875
nen 4e . So entsteht ein Inbegriff von Abhängigkeiten, welcher Gliederung des Besitzes im weitesten Sinne ist, eine Abstraktion, gebildet als BedingungsinbegrifT einer Klasse für Erklärung der Organisation der Macht im'Staate. Dieselben Willen sind in einer von der Familie ausgehenden Gliederung von Abhängigkeit und von Gruppen Verbindung: hier Bedingungsinbegriff einer zweiten Klasse. Dieselben Willen entwickeln durch ihre Handlungen und die Gefühle, welche sie begleiten, Sitten. Denn man lernt mit geringstem Widerstande die Handlungen, welche dem System der Energien entsprechen, realisieren, und das Gefühl der Befriedigung führt durch die Erinnerung zur Wiederholung; mit der Wiederholung entspringt Gewöhnung, welche verstärkt wird durch die leichte Vollziehung alles dessen, welches in seinen Teilen einen schon öfter realisierten und bekannten Verlauf hat. Aus beiden entspringt Überlieferung an Gleichzeitige und Nachfolgende durch Nachbildung. Und dies alles bleibt durch die beständige Reproduktion der hervorbringenden Gefühle und Vorstellungen lebendig. So entspringt Sitte, welche stationär und gleichförmig ist, wo nicht Bedingungen auf Abänderung hinwirken. Das Prinzip der Rechtsordnung liegt teils in Nachahmung der sich Unterordnenden, teils im Beifall des unparteiischen Zuschauers. Wirtschaftliche Ordnung, Familien- und Geschlechterordnung, Sitte und die in ihr gegebenen Abhängigkeiten von Handlungen begründen die Ordnung der Gesellschaft, welche naturgemäß von Anfang an rechtsbildend ist (Lazarus, Schmoller: falsche Abstraktion von Sitte vor Recht), da Regeln des Handelns schon die der Sitte sind und die Erzwingbarkeit innerhalb einer Geschlechtsgenossenschaft schon gegeben ist; sie enthalten den Staat schon in sich, welcher nur eine Machtordnung ist, d. h. eine Gemeinsamkeit, in welcher Machtausübungen im Namen des Ganzen als in seinem Interesse geübt werden. Endlich ist Sittlichkeit darin enthalten als Bewußtsein einer Beziehung von Beweggründen auf vom allgemeinen zustimmenden Urteil Getragenes. So entspringen die Systeme von Staat, Recht und Sittlichkeit. Dieses alles sind Merkmale, welche das Verhältnis solcher Systeme zueinander näher bestimmen als zu einem Ganzen einer praktischen Lebensordnung eines Volksganzen gehörig. Eine Wissenschaft hiervon existiert noch nicht. Versuche wie der von Arnold 4 7 p. 75, welcher zurückgeht auf Knies, aufgenommen auch von Rümelin in Modifikation, Selbstliebe, Rechtssinn und Gemeinsinn als die hervorbringenden Faktoren wie psychische Triebe zu behandeln, sind ebensowenig stichhaltig als die be-
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treffenden am Schluß von Lazarus, Uber die Ideen 4 8 . Sie zeigen nur, daß auch dem Studium der Gesellschaft Probleme und Einsichten sich darbieten, welche geeignet sind, auf die Einzelpsychologie fördernd zu wirken. Aber das Studium dieser bestehenden Systeme von Sitte, wirtschaftlicher Ordnung, Recht, Staat, Sittlichkeit ergibt insofern die Grundlage für das Studium der Geschichte der moralisch-politischen Wissenschaften, als man erkennt, daß die Produktion auf diesem Gebiete der systematischen Wissenschaft voraufgeht, selbst (wie Ihering nachwies) sich bereits im Recht wissenschaftlicher Operationen bedient und der wissenschaftlichen Konstruktion zur Grundlage dient. Diese Einsicht kann näher so gefaßt werden: es gibt schöpferische Organe für die Gestaltung von Recht, Staat und Sittlichkeit, welche notwendig schon der Kunst der Begriffe sich bedienen, bevor noch eine Absicht der Erklärung, d. h. Wissenschaft da ist. Die Begriffe sind hier noch im Dienste der Praxis. So entsprangen die Einrichtungen der Verfassungen, die Tugenden etc. Das Organ der Sittlichkeit ist allein ein freies, es ist das sittlich-religiöse Genie, welches seine Wirkungen übt. Nun fragt sich weiter: wie weit ist die Begriffsbildung auf diesen Gebieten gelangt zu der Zeit, in welcher eine wissenschaftliche Bearbeitung der Systeme eintritt. Unter wissenschaftlicher Bearbeitung verstehen [ . . . ] "
C. EINLEITUNGEN ZU UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DES NATURRECHTS (um 1874)
1. Einleitung in die Geschichte der egoistischen Theorien vom Menschen, der Gesellschaft, dem Staat und der Geschichte in dem 16. und 17. Jahrhundert Vorrede Ich schreibe die Geschichte einer der beiden großen Theorien, welche vom Menschen, der Gesellschaft, dem Staat, dem geschichtlichen Leben aufgestellt sind und die in den Verlauf der europäischen Entwicklung als Faktoren ersten Ranges eingegriffen haben, und zwar in der Zeit der Grundlegung derselben. Von diesen beiden Theorien zeigt die eine, ganz wie die in der Naturauffassung ihr entsprechende, eine stetige, fest aufsteigende Entwicklung; der Atomismus in der Auffassung der Gesellschaft hat wie der in der Auffassung der Natur vermöge der Einfachheit seiner Voraussetzungen einen einfachen und ganz durchschaubaren Fortschritt gezeigt. Begriff schließt sich hier an Begriff, fast als wäre dieses Produkt der Geschichte das eines genialen Kopfes. Diese Theorie ist 5 0 vermöge desselben Vorzuges mit der Denkart der meisten praktischen Politiker Wahlverwandtschaften eingegangen, durch welche sie für den Ausbau der neueren europäischen Staaten ein mächtiger Faktor wurde. Sie hat aus demselben Grunde auf die Gesinnungen der europäischen Bevölkerungen und ihre Literatur einen hervorragenden Einfluß geübt. Diese Theorie verfolge ich, ihre Entstehung rasch überschauend, durch die grundlegende Epodie des 16. und 17. Jahrhunderts. Ich stelle sie weder als Historiker in dem bisher üblichen Sinn dieses Wortes dar, aber auch nicht als einen Teil der Philosophie der Geschichte in dem bisherigen Verstände derselben. Vielmehr ist eben meine höchste Absicht in dieser Darstellung, den wissenschaftlichen Mitforschern und dem Publikum eine einigermaßen abweichende Methode, intellektuelle Phänomene zu behandeln, vorzulegen. Die Einleitung ist dazu bestimmt,
Einleitung in die Geschichte der egoistischen Theorien etc.
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dieser Methode inmitten verwandter, aber durchaus verschiedener Bestrebungen, wie der von Comte, Mill, Buckle, Gervinus, der sogenannten Völkerpsychologie, die generellen Grundlagen aufzuzeigen. Alle diese Bestrebungen unternehmen, dasselbe Problem aufzulösen, welches die gegenwärtige Lage der Geisteswissenschaften als das wichtigste und generellste aufgibt. Probleme dieser Art werden nicht von Individuen aufgeworfen, sondern von der wissenschaftlichen Lage aufgegeben. Ein solches Problem war das von Lionardo, Galilei und Descartes zuerst behandelte der Bewegungsgesetze der äußeren Natur. So ist mir denn auch begegnet, daß 5 1 , bevor ich irgendeinen der philosophischen Versuche kannte, aus der anhaltenden Beschäftigung mit geschichtlichen Phänomenen mir diese Aufgabe für mein Leben sich entwickelte; als Historiker glaubte ich zuerst sie lösen zu können, dann als Philosoph, beides nur nach meiner Art der Behandlung zwei Namen für dieselbe Beschäftigung mit den geschichtlichen Tatsachen. Dann erst fand ich mich mit meinen Beschäftigungen in geschichtlichem Zusammenhang mit mehreren hervorragenden, einigen mir befreundeten Forschern. Die Forschungen, welche zur Lösung dieses Problems einen nur sehr bescheidenen Beitrag geben sollen, haben dann, billigend und streitend, von diesen allen Vieles gelernt. Inzwischen wird man sehen, daß meine Methode es mit sich brachte, daß diese Vorgänger mir keinen Schritt eigener Forschung erspart haben. Die Einleitung wird begründen, warum ich von diesen allen mich unterscheide, als von deduktiven Forschern, welche immer noch nicht gründlich mit den Methoden der alten Philosophie der Geschichte gebrochen haben, und [warum ich] keine Lösung dieses Problems zu bieten habe 5 2 , sondern nur genauere Feststellung der Aufgabe und einen einzelnen Beitrag zur Lösung. Wer mit der Induktion gründlich ernst macht, muß auch mit der Bescheidung gründlich ernst zu machen wissen. Desto höher denke ich von der Bedeutung dieser Forschungen, als eines ganzen erfahrungswissenschaftlichen Gebietes, für die Fortschritte der Menschheit. Die Geisteswissenschaften sind gemäß einem Grundverhältnis, das Comte zuerst als Gesetz entwickelt hat, der am spätesten zur strengen Wissenschaft heranreifende Teil der europäischen Wissenschaft. Daher ist es gekommen, daß die Naturforschung jetzt das Übergewicht erlangt hat und dem Zeitalter ein sozusagen materialistisches Gepräge aufdrückte. Daher ist es gekommen, daß der Staat, welcher seine Hoffnung überall dem zuwendet M , was schon Anwendbarkeit erlangt hat, am stärksten an den deutschen Universitäten, die Naturwissenschaften vorherrschend begünstigt hat und so die natürliche Neigung der Sache
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Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschichte des Naturrechts
nodi künstlidi verstärkt hat; daher denn jetzt große europäische Autoritäten der Naturwissenschaften durch die Gedankengeschlossenheit und Ruhm die Augen des europäischen Publikums auf sich ziehen und seine Stimmung in eine sozusagen materialistische Bahn leiten. Die idealistischen Strömungen werden durch keine Wiederbelebungsversuche der religiösen Ansichten in der Nation sich dem allem gegenüber befestigen; vielmehr nur, indem der Zusammenhang der geschichtlichen Erscheinungen in seiner Tiefe verstanden wird und demgemäß die Männer, welche von diesen ideellen Tatsachen getragen sind, neben die großen Autoritäten der Naturwissenschaften treten. Historiker, welche den Kreis soldier Gedanken von sich ausschließen, werden doch in den Forschungen, die ich hier darbiete, eine Ergänzung ihrer eigenen Arbeiten finden. Die Geschichtsschreibung zeigt in der Regel, wo sie sich den intellektuellen Phänomenen nähert, sich nicht gerade in ihrer Stärke. Dies ist darin gegründet, daß überhaupt, nadi der N a t u r der Sache, die geschichtlichen Phänomene eines Erfahrungskreises nur von denen wirklich beherrscht werden, welche diesen Erfahrungskreis kennen. Man versteht geschichtlich nur, was man in lebendiger Erfahrung versteht. Ein bestimmter G r a d politisch selbständigen Denkens ist Voraussetzung politischer Geschichtsschreibung. Eigene Arbeit auf dem Gebiet der Erforschung von Gesetzen ist notwendig, damit man intellektuelle Phänomene erfasse. So werden die politischen Historiker mit Dank Ergänzungen ihrer eigenen Forschungen hier finden, wenn sie zu einer kulturhistorischen Übersicht voranzuschreiten das Bedürfnis haben.
2. Über das Studium der Geschichte der Theorien vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat Anfang
Die Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft, dem Staat und historischem Fortschritt ist noch weit entfernt von der Durchsichtigkeit, welche die Geschichte der Naturwissenschaften besitzt, und doch hat gerade diese Geschichte einen Wert ersten Ranges für die Lösung von Problemen, welche die wichtigsten menschlichen Angelegenheiten betreffen. Die Wissenschaftslehre hat in der neueren Zeit für die Aufstellung der Methoden bemerkenswerte Fortschritte gemacht durch Berücksichtigung des in der Geschichte der Naturwissenschaften vorlie-
Ü b e r das S t u d i u m der Geschichte der Theorien v o m Menschen etc.
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genden großen Erscheinungszusammenhangs; dagegen sucht man vergebens nach dem Einfluß der anderen Gruppe von Wissenschaften, welche ich der Kürze wegen als Geisteswissenschaften zusammenzufassen mir erlaube, [und man vermißt] eine wirkliche Förderung. Hiermit hängt zusammen, daß die wichtigsten methodischen Fragen innerhalb dieser Wissenschaften in ihrer Bearbeitung noch weit zurück sind; ich nenne die Frage nach dem Erkenntnisgrunde für die Gestaltung der fundamentalen Begriffe des Zivilrechts, nach der Methode der Entwicklung desselben, nach der N a t u r des juristischen Beweises. Indem eben diese Wissenschaften der Ethik, Jurisprudenz, Nationalökonomie und Politik unmittelbar und durch ihren Einfluß auf die Praktiken sowie auf die öffentliche Meinung in allen Stadien der europäischen Gesellschaft sowohl die gesetzliche Regelung ihrer Zustände geleitet haben als auch ein hervorragender Bestandteil in den Triebfedern gewesen sind, welche auf Veränderungen in Reformen oder Revolutionen hineingewirkt haben, sind ihre Tatsachen wichtige Bestandteile in dem realen Aufbau der Wissenschaften der Gesellschaft und des Staates. Schon hierdurch nimmt ihre Geschichte eine ganz andere Stellung ein zu den Wissenschaften selber, als dies auf dem Gebiet der Naturwissenschaften der Fall ist. Endlich aber knüpfen sich unsere höchsten Hoffnungen auf die Gestaltung einer sittlichen Lebensansicht, welche die europäische Gesellschaft wirklich zu bewegen imstande wäre, in einem wichtigen Teile an die Möglichkeit, einen geschichtlichen Fortschritt nachzuweisen; ein wichtiger Teil dieses Nachweises aber liegt in dem Nachweis eines allgemeinen intellektuellen Fortschritts und der Abhängigkeit der voranschreitenden Erziehung aller gesellschaftlichen Gefühle und Strebungen von dem Fortschritt in den leitenden sittlichen und politischen Ideen. Andererseits ist die Verkettung der Individuen untereinander, die völlige Abhängigkeit des Individuums vom sozialen Ganzen und seine daraus entspringenden Pflichten gerade von dieser Seite gar nicht einer genauen Begründung zu unterwerfen. In diesem Chaos einen Leitfaden suchend, fand ich, daß Eine Theorie einen stetigen Fortschritt zeigt, schrittweise sich die verschiedenen Kreise der Geisteswissenschaften zu unterwerfen strebt und zugleich ein einfaches Verhältnis zu den Impulsen der europäischen Gesellschaft zeigt Innerhalb der Philosophie besteht immer noch ein Vorurteil gegen solche monographischen Untersuchungen, welche wirklich unternehmen, Vorbedingungen für die Lösung der wichtigsten Probleme zu schaffen. Als ich den ersten Teil meiner Untersuchungen über Schleiermacher veröffentlichte, welche den Versuch machten, die Entwicklungsgeschichte
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Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschichte des Naturredits
eines Philosophen in Zusammenstellung mit den gleichzeitigen Strebungen und deren Bedingungen aufgrund der gleichen Situation genauso zu behandeln, schien dies ein Abweg auf ein anderes Gebiet. Es muß einmal wieder gesagt werden: nicht die Systemschmiede sind die Philosophen. Exakte Forschung in philosophischer Absicht kann allein das Ziel sein etc. [ . . . ] "
3. "Über das Naturrecht der Sophisten. Einleitung I. *Historische Forschung in philosophischer
Absicht
Die Untersuchung über das Naturrecht der Sophisten ist ein Teil einer Untersuchungsreihe, welche die Gesamtentwicklung der Theorien zum Gegenstand hat, die aus der Selbsterhaltung den Inbegriff der Gemüts- und Willensbewegungen des Individuums ableiten [und] aus diesem die Entstehung der Gesellschaft, des Rechts und des Staates. Diese Theorien bilden den wichtigsten Teil derjenigen, die das Recht ableiten aus den zusammentretenden Ansprüchen der Individuen, im Gegensatz zu denen, welche es auf irgendeinen über ihnen stehenden Anspruch gründen, sei es der einer göttlichen Macht oder einer vernunftmäßigen Ordnung der Sache selber oder eines größeren realen Ganzen. Sie bilden alsdann die geschichtliche Grundlage derjenigen Theorien, welche aus der Konkurrenz selbstsüchtiger Individuen die Gesetze des wirtschaftlichen Lebens ableiten zu können glauben. Denn die Theorie war bei Adam Smith nicht gedacht als Durchführung einer absichtlichen Abstraktion, welche absähe von den übrigen hervorbringenden Faktoren; sondern sie entsprach dem damaligen Stande seiner Auffassung des Menschen, welche in Übereinstimmung war mit den alle Vorgänge des Gemüts und Willens aus dem Egoismus ableitenden Theorien. Auch so stellt sie sich dar als eine Theorie entsprechend den elementaren Theoremen der Mechanik, welche Fälle einfachster Wirkung von Kräften vorstellig machen, die in der Erfahrung nirgend bestehen, aus ihr auch noch gar nicht vollständig abgeleitet werden können, da die Widerstände sich bis jetzt dem Kalkül entziehen; aber ein anderes ist eine Abstraktion dieser Art, welche nur Störungen annimmt, die aus derselben Klasse wirkender Kräfte entspringen; ein anderes eine Theorie, welche nur die gesetzmäßige Wirksamkeit einer Klasse von wirksamen Kräften auf einem bestimmten Gebiet von Phänomenen annimmt mit Ausschluß anderer in
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ihr tätiger wirksamer Kräfte, dergleichen vor allem die gesetzliche Fixierung der Grundverhältnisse in der Rechtsordnung ist. Sie bilden weiter die geschichtliche Grundlage für die Theorien, welche das Recht der politischen Gewalten entweder auf das Recht der Macht oder auf die Übertragung durch die Individuen begründen. Beide Theorien sind revolutionärer Natur, und wenn die erstere von ihnen in Zeiten gewaltsam geübter absoluter Herrschaften von Individuen oder von Klassen von Theoretikern als ein konservatives Hilfsmittel gebraucht worden ist, so hat die Wissenschaft [nie] ein zweideutigeres Geschenk an die Gewalt gegeben; denn diese Theorie ruft in den Unterdrückten das Selbstgefühl der eigenen Stärke wie mit Absicht hervor und erteilt wie mit Absicht dem gewaltsamen Gebrauch derselben die Anerkennung des Rechtes; unter allen Theorien ist sie die revolutionärste. Endlich hat folgerichtig diese Theorie sich auch zu einer langen Reihe von Auffassungen der großen geschichtlichen Vorgänge ausgebildet. Dieser Zusammenhang zeigt: wenige philosophische Theorien haben einen stärkeren Einfluß als diese auf die Geschicke der europäischen Gesellschaft gewonnen. In allen revolutionären Erschütterungen nicht nur des neueren Europa, sondern, wie ich nachweisen werde, auch der alten Mittelmeerstaaten sind sie ein gewaltig mitwirkender Faktor gewesen. Auf die Gesinnungen der europäischen Bevölkerungen und ihre Literatur hat sie einen hervorragenden Einfluß gewonnen, und dieser Einfluß ist in einem beständigen Steigen begriffen. Niemand 5 8 würde mit den Schwierigkeiten einer solchen Untersuchung ringen, welche Vorgänge aus den verschiedensten Zeiten umfaßt, Bedingungen des Verständnisses aus den verschiedensten Gebieten entnehmen muß, wäre seine Absicht die, zu erzählen, was geschehen ist, denn die Vollkommenheit einer Darstellung, welche aus dem Mitleben eines Schriftstellers mit den Personen und Werken eines eingegrenzten Zeitraums entspringt, kann bei dieser Art von Untersuchungen unmöglich erreicht werden. Aus der Entwicklung der deutschen Philosophie nach K a n t , aus dem stürmenden Verbrauch großer K r ä f t e in ihr o h n e feststellbare, k l a r e E r g e b n i s s e ist die methodische Erkenntnis entsprungen, daß eine befriedigende Weltansicht nur aus e x a k t e n Einzeluntersuc h u n g e n gewonnen werden kann. Was ich hier gebe, ist h i s t o r i s c h e U n t e r s u c h u n g in p h i l o sophischer Absicht". S o 5 9 stellten sich diese Untersuchungen unter einem anderen Gesichtspunkt als historische Untersuchungen in philosophischer Absicht
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Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschidite des Naturredits
dar, als welche überhaupt zu exakten Forschungen in philosophischer Absicht gehören. Die leidige Art, Geschidite der Philosophie zu schreiben, welche aus der Hegeischen Systemsucht entsprang, möchte Arbeiten solcher Art immer nur als Vorarbeiten für das demnächst zu erbauende System gelten lassen. Allerdings, sie sind die Bausteine, aber zu dem allmählich in langen Zeiträumen sich realisierenden System. Sie verfälscht die Geschichte der Philosophie nach einem vorgefaßten Begriff, um aus ihr rückwärts Schlüsse auf diesen Begriff zu machen. Der griechische Denker konnte noch den Inbegriff der gesamten Wissenschaften der Zeit zu einem Ganzen vereinigen; seit der Wiederherstellung der Wissenschaften hat sich ein anderes Verhältnis gestaltet. Aus dem Bedürfnis großangelegter Individuen, eine solche Totalansicht zu entwickeln, treten durchgeführte Arbeiten hervor, exakte Forschungen in philosophischer Absicht, d . h . in Verfolgung seines großen Lebensplans gelangt es zu wesentlichen Entdeckungen. Aber von einem gewissen Punkte der Forscherbahn ab ist dann alles Versuch, Bruchstück, vorläufiger persönlicher Abschluß, für sich, für die Freunde, für mündliche Mitteilung, als Grundlage künftiger exakter Durcharbeitung. So wenigstens steht die Sache bei den meisten hervorragenden Denkern. Dies festzustellen braucht man nur die nach dem Tode veröffentlichten Entwürfe von Vorarbeiten bei einem Leibniz abzusondern, das aus Vorlesungen Gedruckte bei denen, welche Professoren waren. Die Verkleisterung der Lücken täuscht über dieses Verhältnis. Wir müssen unsere Vorstellungen vom philosophischen Kopf und der philosophischen Arbeit reformieren nach der N a t u r der Sache, mit der dann auch die Arbeitsweise der großen Denker wohl übereinstimmt. Untersuchungen auf diesem Gebiet fallen demnach unter den allgemeinen Begriff, den ich bezeichnen möchte als: historische Untersuchungen in philosophischer Absicht, wie diese unter den noch allgemeineren: exakte Untersuchungen in philosophischer Absicht. Solche unterscheiden sich gar sehr von „Systemen, die auf Erfahrung gegründet". Aber die Geschichte der Philosophie in ihrer heutigen Ausbildung hegt einen Irrtum, der aus dem falschen systematischen Geist entsprungen ist und wieder auf ihn zurückwirkt. Das 5 " innere Bedürfnis jedes philosophischen, das heißt auf die Totalität einer Weltansicht gerichteten Kopfes wird sich nur befriedigen in irgendeiner Totalansicht der Welt und des menschlichen Lebens. Hier aber scheint mir leicht ein verhängnisvoller Irrtum obzuwalten. Die alten Denker waren in einer anderen Lage: sie konnten leicht eine Gesamtansicht aus dem Inbegriff der gesamten vorhandenen Kenntnisse gestalten. Mit der Spezialisierung der Wissenschaften ist dies in dem alten Sin-
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ne nicht mehr möglich gewesen. Und hier stellt sich ein eigentümliches Verhältnis heraus. Weitaus die meisten großen schöpferischen Arbeiten sind entsprungen in dem Bedürfnis des Individuums, eine solche Totalansicht anzubahnen oder zu realisieren. Die nähere Analyse des Lebensganges einiger der größten unter den europäischen Forschern zeigt, wie sie in der Verfolgung dieses "Weges zu hervorragenden Untersuchungen und Entdeckungen gelangten, wie aber von einem gewissen Punkte ihrer Bahn ab alles Bruchstück blieb. Hervorragende Beispiele dieses Lebensganges sind Descartes, Locke, John Stuart Mill. Daher kommt es, daß ein großer Teil der Arbeiten soldier Denker erst aus dem Nachlaß publiziert wurde in einer ganz unreifen Gestalt und eine Ubersicht ihrer Weltansicht so nur aus Arbeiten von zwei ganz verschiedenen Klassen hergestellt werden kann. Ein Schein systematischer Bewältigung aller Phänomene ist dann durch die Veröffentlichung von Vorlesungen hervorragender Denker hervorgerufen worden. So ist in der Geschichte der Philosophie unter dem Einfluß des systematisierenden Geistes der Unterschied zwischen den Teilen in der Weltansicht großer Forscher, welche auf exakte Untersuchung, die zu Ende geführt wurde, gegründet waren und den anderen, in welchen sie nur vorläufig dem Bedürfnis des Abschlusses genug taten, beinahe verwischt worden* 0 . Andererseits w i r d diese Grenze dadurch verwischt, daß man den weit geringeren Grad von Wert, welchen es hat, wenn die gebildeten Klassen irgendeine Art die Welt anzusehen zu ihrer persönlichen Befriedigung mit Begeisterung aufnehmen, nicht unterschied von dem Wert, welchen ein in wissenschaftlicher Strenge entwickelter Beitrag für die Aufstellung einer haltbaren Weltansicht hat. Die meisten großen philosophischen Denker haben unterschieden zwischen ihren Leistungen in dieser letzten Klasse und den, man verzeihe den Ausdruck, Privatansichten, welche sie in mündlicher Mitteilung für Einzelne oder im Unterricht entwickelt haben. Die Exaktheit in allen Klassen von Forschungen macht es aus, ein klares Bewußtsein über die Grade von Evidenz zu besitzen, welche jedem Teile derselben zukommen. Philosophische Gebäude, welche die Lücken verkleistern und die nicht zu bewältigenden Tatbestände ignorieren, vergleichbar den Backsteinbauten, welche Granit zu sein vorgeben und durch eine billige Tünche Säulen und Steinblöcke herstellen, sind nur für eine bestimmte Sorte von Geschmack, der freilich der verbreitetste ist. Wahre Philosphie ist in neueren Zeiten nur gewesen Einzelarbeit in philosophischer Absicht auch gelegentliche Veröffentlichung fundamentaler Hypothesen als solcher. Es gibt daher nur zwei Klassen philosophischer Forscher, diejenigen, welche zugleich mittätig sein können an den Fortschritten der mathematisch-physi-
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kaiischen Wissenschaften, und die anderen, welche es können an denen der Historischen und politischen. E i n " losgelassenes Generalisationsverfahren, welches sich der Ergebnisse der exakten Wissenschaften, viel mehr aber ihrer H y p o t h e s e n , die doch nur als Leitfaden der Forschungen vorläufig Wert haben [bedient], hat sich der Geister bemächtigt; die Erhaltung der K r a f t und Darwins Entwicklungstheorie bringen täglich in England und Deutschland neue Generalisationen hervor. Aber die Erweiterung eines Theorems auf Gebiete, auf denen es vordem nicht gebraucht war, ist ein fruchtbares Hilfsmittel, für eine neue Untersuchungsreihe einen Gesichtspunkt zu gewinnen; es genügt nicht etc.. Merkwürdigstes Beispiel in England Herbert Spencer, dessen neues System über alle Gräben setzt. Eine , s besondere Stellung nimmt die Philosophie zu den Untersuchungen ein, welche Tatsachen des Bewußtseins und historische Tatsachen zum Gegenstande haben. Eine Organisation dieses Gebietes, der vergleichbar, welche die Naturwissenschaften haben, besteht bekanntlich nicht; Nationalökonomie, Rechtswissenschaften, politische und historische und Kunstwissenschaften sind von positiven Forschern, zuweilen auch von philosophischen bearbeitet worden; gewisse Prinzipien in Psychologie, Ethik, Naturrecht, Philosphie der Geschichte gehören der Philosophie" 4 . Die Versuche, eine Organisation dieser Wissenschaften als eines Ganzen herbeizuführen, sind in ihrem Erfolg durch die Unvollkommenheit der in Frage kommenden Wissenschaften zur Zeit eingeschränkt gewesen. Das Unterscheidende aber bleibt, daß die Philosophie in hervorragender Weise auch Trägerin der die Erfahrungen selber zu Gesetzen bearbeitenden Einzelforschungen auf diesen Gebieten ist. Daher muß wohl im Verlauf der Entwicklung den philosophischen Forschern, welche Tatsachen der Geschichte als Mitforschende bearbeiten, ein wachsender Einfluß zuteil werden. Heute ist dieser noch dadurch gehemmt, daß falsche klassifikatorische Methoden auf einem Teil dieser Gebiete, wie in Ethik und Ästhetik, bisher gewaltet haben. Bis auf weiteres sind denn diese Wissenschaften einem verdienten Dunkel verfallen: erst wenn die Ethik die Motive entwickeln wird, welche den Willen wirklich bewegen, wenn die Ästhetik den Inbegriff der das Gemüt bewegenden Anschauungen in seinen Elementen darlegen wird, welcher den ästhetischen Eindruck ausmacht und weit komplizierter ist als die Ästhetik bisher entwickelt: werden diese Wissenschaften wieder aus ihrem Dunkel hervortreten. Diese Neubildung ist aber bedingt durch die Einführung nicht nur physiologisch-psychologischer Gesetze, sondern auch historischer Tatbestände.
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I n 6 5 dem gegenwärtigen Stadium, in welchem diese Wissenschaften sich befinden, scheint mir nur wenig förderlich jede Art von Versuch, ein Ganzes zu konstituieren; am wenigsten die, welche auf ein Ganzes von sogenannter Philosophie der Geschichte gerichtet sind. Ohne Zweifel wird, gemäß obiger Darstellung, der philosophische Forscher selber eine Vorstellung von der Zukunft dieser Wissenschaften als Bild der sozusagen vollendeten Wissenschaft in sich tragen. Auch wird keinem Bedenken unterliegen, daß er hiervon etwas mitteile. Realen Wert aber haben nur exakte mit dem ganzen Material ausgestattete Untersuchungen. H i e r " aber liegt nun ein Feld unermeßlicher Arbeiten, welche schrittweise eine wahrhafte Wissenschaft des Geistes begründen werden. Denn noch sind diese Wissenschaften in einem Stadium, vergleichbar der Epoche, in welcher Galilei auftrat für die Naturwissenschaften. Die Neigung* 7 zu vorschnellen „Schöpfungen" von Wissenschaften macht bei Franzosen und Engländern sich heute besonders geltend. Comtes und Littres, Mills, Spencers, Buckles Aufstellungen eines Systems der Sozialwissenschaften sind Arbeiten, welche einen einzelnen Teil der Grundverhältnisse, welche die Historie und Psychologie darbieten, verwerten, einen rasdien Bau zu errichten. Es gibt auch eine wilde Konstruktionssucht der Erfahrungswissenschaften. Ihre zwei Hilfsmittel sind Generalisation, welche die Grenzen des durch Tatsachen Bewiesenen überschreitet, und deduktive Anwendung einzelner Wahrheiten oder einer Gruppe derselben zur Erklärung von Gebieten, welche viel komplizierter sind. Im 6 8 ganzen [bin ich] nicht sehr für solche verbreitete Untersuchung, dieses Notsystem. Es nützt nichts, das Messer der Methode immer feiner zu wetzen, das H o l z ist da, aus welchem geschnitzt werden soll. D a ß Buckle so tapfer zuschnitt, hat ihm in der Wirkung eine solche Überlegenheit gegeben. Die Brauchbarkeit einer Methode ergibt sich aus ihrem Gebrauch, wie ein Messer versucht sein will, ob es schneide. „Während wir über das Leben nachdenken, geht das Leben vorüber Der Inbegriff 7 0 von Resten, der von dem drängenden Leben vieler aufeinanderfolgender Generationen uns Kunde gibt, — unsäglich einsilbig im Vergleich zu der langen Abfolge gewaltiger Arbeiten und Leiden, bildet den einen Teil des Erfahrungsinbegriffes, welchen wir für die Probleme der Gesellschaft und des Menschen besitzen; der andere liegt in dem, was jedes Individuum im Ablauf seines Lebens von Menschlichem erfährt. Es ist nun eine armselige Ansicht zu denken, die Hauptoperation mit diesem unermeßlichen Tatsacheninbegriff bestünde darin, ein künstlerisches Bild irgendeines [ · · · ] "
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Die Tatbestände dieses wissenschaftlichen Verlaufs sind mit Beweggründen, d. h. Gemütsbewegungen, Leidenschaften und Institutionen in anderer Art verkettet als die der Geschichte der Naturwissenschaften. Daraus folgt, daß die Erforschung derselben Elemente in Rechnung ziehen muß, welche diese lange Geschichte einschließen darf 7 2 . Wir beginnen mit dem Primitivsten 73 . 1. Allgemeinste Tatsache: die Kontinuität und die in ihr liegende Steigerung. Der intellektuelle Fortschritt ist gegründet in dem psychischen Grundverhältnis der Intelligenz, welches Übertragung ist. Vorstellungen können übertragen werden. Hierdurch fundamentaler Unterschied von den Gebieten, in denen Wille oder Phantasie [herrschen]. Dieses allgemeine Verhältnis geschichtlich modifiziert durch die Fähigkeit der Aufnahme. Völker werden in ihren wissenschaftlichen Institutionen vernichtet. Daher meine Auffassung von zwei Generationen von Völkern, Renaissance 74. 2. Der Begriff der Generation ist zunächst der von gleichzeitig Geborenen. Läßt sich veranschaulichen durch Lebenslinien. Annahme der gleichen Anzahl von Talenten in derselben. Übertragung. Graphische Darstellungen. 3. Derselbe erfährt durch Berücksichtigung des Totalen eine Modifikation. Ich 75 habe schon früher auf die Wichtigkeit des Begriffs einer Generation aufmerksam gemadit. Ein Individuum kann nur studiert werden, indem aufgrund der gemeinsamen Bedingungen dieselben Individuen, welche in bestimmten Jahren dieselben fruchtbaren Eindrücke empfangen haben, ins Auge gefaßt werden. Es gibt gewisse wissenschaftliche oder gesellschaftliche Ereignisse, deren Kombination bestimmend wirkt auf Individuen innerhalb eines gewissen Lebenszeitraums, welcher die Fähigkeit, Vorstellungen durch Affekte auszubilden und dadurch produktiv zu werden, umschließt 7 *. Dadurch bildet sich der wichtige Begriff einer Generation. Seine fundamentale Annahme ist also, daß gewisse anregende Kräfte in Vorstellungen und Zuständen die koexistierenden Forscher auf dem ganzen Gebiet innerhalb gewisser Altersgrenzen determinieren. Die Ansicht wäre unhaltbar, fände sich ein solches Vorwiegen nicht, von welchem dann dependiert zeitweise Pause in der Produktivität 7 7 . 4. Hieraus folgt dann, daß gewisse Bedingungen in der Geschichte der Gesellschaft und ihrer Wissenschaft generationsweise die Talente des ganzen Generationsgebietes — die am meisten sich anpassenden — an sich ziehen. Ferner, daß es in einer bestimmten Richtung geschieht 7β . 5. Wir haben nun für diesen weiten Tatbestand wiederum ein e x a k t e s M i t t e l . Dieses ist Statistik der Bücher. In den Untersuchungen,
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die ich der Reihe nach zu veröffentlichen im Begriff bin, ist mir gelungen, wichtige Schlüsse aus dieser etc. Beispiel Spinozas Affektentheorie. Ich kann Nachweis liefern 7 e . 6. Richtungen und ihr Begriff. Falsche Vorstellung von Repräsentanten, die Durchschnitt von Zeitaltern in sich darstellen etc. Schlechte abgelegte Häute von Philosophen. — Historische Bedingungen muß man behandeln wie die entsprechenden in Naturwissenschaft; zusetzen, abbrechen etc.. Allgemeines Grundverhältnis, daß die psychischen Ursachen in den Folgen sichtbar enthalten sind. Daher sind sie repräsentiert 80.
II. Mittel der Forschung und
Methode81
Die 9 2 Wissenschaften des Menschen und der Gesellschaft haben vor denen der Natur den Vorteil voraus, daß die Phänomene, welche sie studieren, so sind, wie sie sich der Auffassung darstellen; denn der Zweifel Kants an der Realität der zeitlichen Folge in ihnen enthält einen Widerspruch in sidi selber, welcher ihn auflöst. Unser anschauendes Vermögen als Form unseres inneren Sinnes vermag nur dann die Vorstellung der Zeit und der Veränderung den Dingen mitzuteilen, wenn es selber eine Folge von Veränderungen in sich ist; alsdann aber ist die zeitliche Sukzession an einem Punkte ein Reales in der Welt psychischer Phänomene, welches hier genügen mag. D a ß aber die Beschaffenheit der Naturphänomene im Räume uns unerkennbar ist, verringert die Vollkommenheit der Erkenntnis der geschichtlichen Welt keineswegs, da für den handelnden Menschen all diese Phänomene das sind, was sie ihm scheinen. Daher wir hier und hier allein eine objektive Erkenntnis der realen Faktoren besitzen. H i e r a u s ω entspringt ein wichtiger methodischer Vorteil: Wir sind im Begriff der Elemente, welche die geschichtliche Welt ausmachen, keinem Zweifel preisgegeben. Die Individuen liegen als Elemente derselben, als nicht weiter zerlegbare und reduzierbare 8 3 1 Einheiten vor uns da. In der Natur dieser Individuen liegt ein zweites methodisches Hilfsmittel der Forschung. Die Gemüts- und Willenskräfte in ihnen sind so gleichartig, so sehr der mannigfachsten Entwicklung fähig, daß wir durch einen Vorgang der Phantasie die Motivation für eine jede Art von Handlungen nachzubilden imstande sind. Indem wir nacherleben, verstehen wir, und so vermögen wir erstlich die dürftigen Nachrichten aus der Vergangenheit wieder zu beleben. W i r vermögen alsdann mit
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großer Sicherheit von einer gegebenen Tatsache aus rückwärts Beweggründe, vorwärts Folgen zu rekonstruieren 84 . Dies alles von einem gesetzmäßigen Verhältnis aus: wir bedürfen bei psychischen Vorgängen in sehr vielen Fällen nicht der Kenntnis des Gesetzes, um aus einem gegebenen psychischen Zustande Voraussetzungen oder Folgen desselben zu erschließen 85 . Dieses tatsächliche Verhältnis bildet die Grundlage für einen wichtigen Teil der Tätigkeit des Geschichtsschreibers, welcher dem Mißverständnis sehr ausgesetzt ist. Man meint wohl, daß derselbe als ein guter Psychologe aus vorliegenden Daten ein -Bild der Handlungsweise und des Charakters der Personen entwerfe, welche das Drama seiner bewegten Geschichtsdarstellung ausmachen. Die psychologische Wissenschaft aber hat nichts mit diesem Vorgang zu tun, und die größten Historiker haben von dieser Wissenschaft gar keine Ahnung gehabt. Audi ist die Psychologie noch gar nicht zu einer solchen Feinheit der Analyse gelangt, daß dieselbe die künstlerische Tätigkeit des Historikers irgend erheblich mit zu unterstützen vermöchte. Wohl aber kommt umgekehrt dieses Verhältnis des Forschers zu jeder Art von psychischen Vorgängen all denjenigen methodischen Operationen zu Hilfe, welche historische Tatbestände in philosophischer Absicht erforschen. Über 8 ' diese Lage der Sache hinaus würden wir nun fruchtbare Hilfsmittel dieser Untersuchung besitzen, gäbe es für die Phänomene, welche hier vorliegen, eine fundamentale Wissenschaft 87 , aus welcher alsdann deduktiv gesetzliche Verhältnisse mehr spezieller Art abgeleitet und schließlich Phänomene erklärt werden könnten. Dieser Glaube ist so alt als die politischen Wissenschaften selber. Doch ist eine fruchtbare Anwendung dieser Uberzeugungen zuerst von Adam Smith gemacht worden, welcher psychologische Grundgesetze den einfachsten Gesetzen des wirtschaftlichen Lebens zugrunde legt. In der neueren Zeit hat ein so hervorragender Forscher wie John Stuart Mill sichtbar unter dem Einfluß dieses großen Beispiels der Nationalökonomie auf diese Annahme den berühmten Abschnitt über die Logik der Geisteswissenschaften in seinem System der Logik gegründet. Und zwar nimmt er in der ihn überall bezeichnenden Ubereinstimmung mit dem wirklichen Tatbestande der angewandten und anwendbaren Hilfsmittel auf dem betreffenden Gebiete einen dreifachen Untersuchungskreis für die gesellschaftlichen Erscheinungen an: fundamentale psychische Gesetze, alsdann die empirischen Gesetze der Charakterbildung, welche er als Ethologie zusammenfaßt und welche die Wirkungen der einfachen Gesetze des Geistes in ver-
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wickelten Kombinationen verfolgen soll, endlich den Inbegriff von Phänomenen. Es ist offenbar, daß das Wirken psychischer Ursachen inmitten ihrer Bedingungen hier gewissermaßen in drei Stadien oder in verschiedenen Graden von Abstraktion studiert w i r d : Die einfachen Grundverhältnisse, die Wirkungsweise unter einfach gedachten Bedingungen, welche alsdann vervielfacht werden können, bis zu dem komplexen Tatbestande des wirklichen Lebens, endlich die Tatbestände dieses Lebens selber. Doch beruht dieser ganze Plan kurz gesagt auf einer Täuschung der Klasse englischer Denker, welcher Mill angehörte. Die Phänomene unserer Leidenschaften, unseres Willens und unserer sittlichen Ideen sind eins der schwierigsten Gebiete der menschlichen Forschung, und John Stuart Mill irrt gründlich, wenn er glaubt, daß sein Vater, Bain und Herbert Spencer die Gesetze dieser Erscheinungen auch nur einigermaßen festgestellt hatten. Auch drückt er selber sich darüber ziemlich vorsichtig aus. Der Irrtum wird aber noch durchsichtiger, wenn man die gänzliche Verschiedenheit der Ergebnisse dieser Forscher und der deutschen Psychologen, von denen ja auch einige solche Hoffnungen gehegt haben, nebeneinander stellt. Legt man nun aber Wert auf die audi von ihm hervorgehobenen Einschränkungen in bezug auf die Ausdehnung unserer reellen psychologischen Kenntnisse der Erscheinungen des handelnden Menschen, so muß man, wie ich denke, hieraus einen augenfälligen Schluß ziehen. Deduktiver Gebrauch psychologischer Erkenntnisse, welche noch gar nicht das handelnde Leben eines Individuums in seinem ganzen Umfange erklären, mag ein helles Licht auf manches interessante Phänomen der Gesellschaft und der Geschichte werfen; geistreiche Erörterungen, audi belehrende, wird er möglich machen; aber als methodisches Mittel zur Erklärung irgendeines Teils der Vorgänge, welche die Geschichte ausmachen, ist er nicht nur unzureichend, sondern geradezu schädlich und verwirrend, denn da in jedem Teil solcher Vorgänge der ganze gesetzliche Zusammenhang unserer Handlungen wirksam ist, so verkürzt die Erklärung notwendig den Reichtum des Vorganges eben um diejenigen Bestandteile, welche die Erkenntnis von Gesetzen fordern würden, die bisher nicht festgestellt sind. Und dies ist in der Tat überall der Fall gewesen, von Buckles Werk ab bis zu den neuesten Arbeiten über älteste Kultur, welche in anderer Beziehung auf die Sammlung von Tatsachen so schätzbar sind. Verglichen mit der musterhaften Methode in dem großen Werke von Waitz 8 8 sind diese Arbeiten eben durch die schnelle Einmischung unzureichender psychologischer Erklärungsgründe mangelhaft, ja geradezu verwirrt. Einen noch kühneren Weg in Beziehung auf die deduktive Anwendung einer allgemeinen Wissenschaft auf gesellschaftliche,
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politische und historische Tatsachen hat in Deutschland Herbart eingeschlagen in einem berühmten Abschnitt seiner Psychologie, in England verfolgt ihn gegenwärtig Herbert Spencer. Beide suchen Gesetze aufzustellen, von welchen auch die psychologischen nur eine Anwendung wären und die eine Art von Statik und Mechanik, Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte in der Gesellschaft und Bewegungslehre der Gesellschaft bilden würden. Audi Comte, welcher zur Psychologie kein Zutrauen hat, verfolgt diesen Weg. Niemand hat weitsichtiger das Erfahrungsgebiet, aus welchem die psychologische Wissenschaft ihre Schlüsse zu ziehen hat, bestimmt als Herbart. Von den Phänomenen des tierischen Lebens ab bis zu denen der Gesellschaft dehnt er es aus. Das Individuum kann nur vollständig aufgefaßt werden in der Geschichte89. Wir können Erfahrungsgegenstände nicht aus ihren einfachen Bestandteilen zusammensetzen, so daß wir erst diese studieren, alsdann die zusammengesetzen Formen, und in Folge dieses Sachverhältnisses können wir nicht psychologische Tatsachen einfach zugrunde legen für das Verständnis der Bewegungen in der Gesellschaft 9 0 , vielmehr können viele psychologische Tatsachen nur an dieser Bewegung der Gesellschaft studiert werden. Beide sind Fälle einer Statik und Mechanik, welche alle inneren Bestimmungen irgend welcher Gegenstände umfaßt, sofern dieselben untereinander entgegengesetzt sind und dergestalt zusammentreffen, daß sie nach dem Maße dieses Gegensatzes einander hemmen, daß ihr Gehemmtes sich zu einem Zurückstreben zum vorigen Zustande verwandle und daß die noch ungehemmten Reste zu Gesamtkräften verschmelzen 81 . Die genialen Entwicklungen Herbarts haben schon darin ein außerordentliches Verdienst, daß sie das Kraftverhältnis aller in irgendeinem gegebenen Momente überhaupt in Wechselwirkung befindlichen gesellschaftlichen Kräfte als Fundament für jede Erklärung eines einzelnen gesellschaftlichen Zustandes, wie ζ. B. der Verfassung irgendeines einzelnen Staates, erkennen. Hierin berührt sich die theoretische Auffassung Herbarts mit den umfassenden Gesichtspunkten Rankes, welcher den Druck der Wechselwirkungen äußerer Politik bei Entstehung und Abänderung auch innerer Zustände von Staaten überall zum Ausgangspunkt nimmt. In der Tat würde man sich ζ. B. von der Macht der Verfassungen, die Parteien zu bändigen, eine sehr übertriebene Vorstellung machen, wenn man den Druck hinwegdächte, welchen die Wechselfälle der äußeren Politik und die Gefahren und Befürchtungen, die im Krieg aller Staaten gegeneinander liegen, nicht in Rechnung zöge: diese wirken sehr mächtig auf das Zusammenwirken der Parteien im Interesse des Staatswohls. Aber auch die Theoreme Herbarts
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sind weit entfernt von einem G r a d e der Evidenz, welcher sie zu einer Grundlage der Wissenschaften der Gesellschaft und der Geschichte geeignet machte. Es bedarf heute keines besonderen Beweises hierfür, und diese Erinnerung wünscht vielmehr gerade das hervorzuheben, daß in diesen Arbeiten ein ebenso berechtigter A n f a n g zur Entwicklung einer solchen fundamentalen Wissenschaft vorliegt als in der bisherigen Psychologie. Ein anderer Versuch wird gegenwärtig in derselben Richtung von Herbert Spencer ausgeführt' 2 . Dieser Versuch ist ein merkwürdiges Beispiel der jetzt in England herrschenden Neigung, durch Verallgemeinerungen von Ergebnissen der Erfahrungswissenschaft eine Weltansicht zu gestalten. D a s Gesetz der Erhaltung der K r a f t und des Umsatzes führt zu analytischen Folgerungen. Hiervon unterscheidet er die besondere Synthesis in allen Phänomenen. Diese natürlich eine Spezifikation der in jenem Gesetz analytisch gelegenen Gesetze. D a s G a n z e ein lebendiges Beispiel der Unfruchtbarkeit und Unsicherheit eines solchen deduktiven Verfahrens
III.
Möglichkeit einer
Erkenntnis94
W ä h r e n d 9 5 die Naturwissenschaften sich in einer natürlichen inneren Dependenz aller Wahrheiten voneinander teils schon darstellen, teils der Darstellung annähern, existiert innerhalb der Geisteswissenschaften eine solche nicht. Hiervon ist die Folge, daß keine aus der N a t u r der Sache fließende O r d n u n g ihrer Entwicklung deduktiv aus der N a t u r dieser Wissenschaften selber gefolgert werden kann Ü b e r h a u p t 9 7 erscheint ein deduktives Verfahren dieser Art hier unmöglich. Ich nehme einmal an, irgendeines der aufgestellten psychologischen Systeme wäre berechtigt, die von ihm aufgestellten Gesetze als Grundlage für Deduktionen zu benutzen. Alsdann würden erstlich nur Formverhältnisse aus ihm folgen. Denn selbst ein so einfaches inhaltliches Verhältnis als das der gesellschaftlichen Neigung des Wohlwollens, der Wahrhaftigkeit, des Rechtsgefühls ist, kann in keiner Weise als eine stetige Größe psychologisch begründet werden. Seinem Inhalt wie seiner Stärke nach ist es viel mehr ein P r o d u k t der menschlichen Gesellschaft und ihrer Entwicklung als des individuellen Geistes 9 8 . Noch ganz anders steht es mit den Inhalten, welche sonst das wirkliche reale Leben eines Individuums ausmachen: sie treten in das Individuum ein, entwickeln und
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Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschichte des Naturrechts
umformen sich in ihm unter der Wirkung seiner Umgebung und der Gesellschaft. Ich habe daher bei einer anderen Gelegenheit 9 9 hervorgehoben, daß die Grundlage, welche wir für Geschichte und tätiges Leben von der Wissenschaft erwarten, nur in einer Anthropologie gegeben werden könnte, welche eine viel breitere Basis haben müßte als die unserer Psychologie 10°. Dieselbe würde gar nicht die Abstraktion des Einzelmenschen vollziehen, sondern ausgehend von dem in Wechselwirkung mit der Außenwelt und der Gesellschaft lebenden Individuum aufsteigen zu denjenigen Wahrheiten vom Menschen, welche Menschenkenntnis und ethische Untersuchungen vorbereitet haben. Aber auch den Bestand einer solchen Wissenschaft vorausgesetzt, erkläre ich immer noch ein deduktives Verfahren dieser Art für unmöglich. Die Entwicklungen der Menschheit, welche unsere Erkenntnis umfaßt, bilden sozusagen ein Individuum, welches sich in Teilganze gliedert. Die Bedingungen, welche jede dieser Entwicklungen hervorgebracht haben, sind an sich zu verwickelt, um, falls sie auch unserer Beobachtung vorlägen, aus ihrem Zusammenwirken mit dem menschlichen Gesamtcharakter eine Deduktion zu geben 101 . Wirklich deduzieren läßt sich also kein Phänomen. Aber auch das möchte sein, wenn sich nur Grundzüge der Phänomene deduzieren ließen. Auch das muß ich bestreiten. In der Aufeinanderfolge der Generationen häufen sich Wirkungen besonderer Umstände in unberechenbarer Weise an; Genies treten auf, welche einer Stufe der inhaltlichen Entwicklungen ein unberechenbares Übergewicht geben. Gewiß, aus dem Stoff der Menschenfakten webt sich dies alles, aus dem Stoff der Gemütsbewegungen, die wir kennen, der Leidenschaften, deren Gesetze wir studieren, des gesetzlich geregelten Vorstellungsablaufs; aber heißt das denn deduzieren: finden was wir wissen, daß dies alles darin sei? Deduzieren heiße das Ubergewicht der besonderen Richtung als notwendig aus den Bedingungen der menschlichen N a t u r ableiten. Ich wähle ein Beispiel, eines der wichtigsten für diese Wissenschaften. Eine fundamentale Frage ist das natürliche Recht und seine Gliederung. Wir haben eine voranschreitende naturrechtliche Theorie. Sie ist nur Abstraktion aus römischem Recht 1 0 2 . Auch 103 die Entwicklung der Geisteswissenschaften wird sich derselben Methode bedienen müssen. Die Abhängigkeit der in ihr bündigen Hauptbegriffe und Hauptwahrheiten voneinander bildet die wichtigste, reale Voraussetzung der zeitlichen Entwicklung dieser Wahrheiten. Dieses sachliche Verhältnis bleibt bestehen, wenn auch ein solches System
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von Dependenzen infolge des unvollkommenen Zustandes dieser Wissenschaften noch nicht dieselbe Sicherheit besitzt. Es würde nur dann ungültig sein, wenn in Wirklichkeit gar keine Wahrheiten irgendeines Zweiges der Geisteswissenschaften die Erkenntnis von Wahrheiten eines andern Zweiges zu ihrer Voraussetzung hätten.
[IV.J Abhängigkeitsverhältnis der Wahrheiten der Geisteswissenschaften
innerhalb
Dieses Verhältnis kann in doppelter Weise vorgestellt werden, dabei ist zu unterscheiden erstens: die Abhängigkeit der Tatbestände voneinander, welche als Inbegriff das Totum aller voneinander abhängigen Tatsachen in ihrer Koexistenz und Sukzession ausmacht. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist einmal die Abhängigkeit folgender Tatbestände, späterer Tatbestände von früheren, alsdann die gegenseitige Abhängigkeit gleichzeitiger Tatsachen voneinander, wonach dieselben ein Homogenes ausmachen. Zweitens: die Abhängigkeit der das Leben der Gesellschaft regelnden Begriffe und Gesetze zu irgendeiner Zeit. Die privatrechtlichen, staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Begriffe, gegründet auf gewisse zu einer Zeit gültige philosophische Begriffe, bilden ein Ganzes von größerer oder geringerer Folgerichtigkeit. Dieses Ganze steht in einem freieren Verhältnis zu herrschenden historischen, ethischen und psychologischen Begriffen. Es ist nicht ein Erkenntnisinbegriff in Bezug auf irgendeinen Kreis von Tatsachen, sondern ein Inbegriff von Regeln zur Leitung aller Handlungen innerhalb der Gesellschaft. Historische Gelehrsamkeit kann die zugrunde liegenden Ideale bedingen, so wie audi philosophische Weltansicht es kann. Aber das System dieser Begriffe, Sätze und Regeln ist in den einzelnen voneinander abhängigen Gliedern nur durch seine Aufgabe, Handlungen zu regeln, bedingt. Drittens: das System voneinander abhängiger Wahrheiten, welche den Menschen, die Gesellschaft und den Staat in ihrem Zusammenhang erkennen wollen. Dieses System hat die Erforschung des unter I Dargelegten zu seinem Gegenstand. Viertens: die Aufstellung eines neuen, durch ein verändertes Ideal bedingten Zusammenhangs ohne Regeln für die Handlungen innerhalb der Gesellschaft. Dieses unterscheidet sich von II nur dadurch, daß jenes eine Ordnung gültiger Gesetze ist, dieses Anweisung zur Entwicklung neuer Gesetze enthält. Die Abhängigkeit von Tatsachen oder Wahrheiten kann in einer doppelten Form entwickelt werden: deduktiv oder induktiv.
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Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschichte des Naturrechts
Es ist ein Vorurteil anzunehmen, daß es irgendeine Wissenschaft gegeben habe, die jederzeit deduktiv gewesen sei. Auch die strengst deduktiven Wissenschaften der Mathematik und Logik durchlaufen eine induktive Epoche. Denn audi wo der menschlidie Geist aus einfachen Prämissen Erkenntnisse ableitet, sind diese Prämissen ihm erst durch eine induktive Operation von mittleren Wahrheiten aus bewußt geworden. Die Gesetze der räumlichen Welt, das Produkt der am frühesten in uns tätigen geistigen Operationen, welche unbewußter N a t u r sind, gelangen in geometrischen Wahrheiten nur zu einer bewußten Entwicklung; trotzdem sind ihre ersten Prämissen in einer langen induktiven Epoche, gefunden von Euklid, festgestellt worden, und die neuere Mathematik ist unablässig bestrebt, die von ihm aufgestellten Prämissen auf mehr fundamentale zurückzuführen. Derselbe Vorgang findet in allen Geisteswissenschaften statt; audi die Nationalökonomie durchlief eine lange induktive Epoche, bevor sie durch A d a m Smith einer Deduktion aus fundamentalen Wahrheiten unterworfen wurde. Aber das oben aufgestellte Schema zeigt ein eigentümliches Verhältnis, welches in den sozial-politischen Wissenschaften als dem wichtigsten Teile der Geisteswissenschaften zwischen Wahrheiten und zwischen Regeln des Handelns waltet. Die ersten Regeln des Handelns für den Einzelnen, Regeln des Handelns von Seiten der Gesellschaft zur Einschränkung des Einzelnen, mochten sie der Gesetzgebung in ziviler oder krimineller oder politischer Beziehung angehören, wurden entwickelt, bevor wissenschaftliche Wahrheiten auf diesem Gebiete da waren. Aus diesen Regeln erst entwickelten sich wissenschaftliche Operationen, die dann wieder auf neue Regelungen hinwirkten. Auf dem Gebiet dieser Wissenschaften waren demgemäß die Wahrheiten bedingt durdi die praktischen Richtungen. Dies unterscheidet zuerst die methodischen Entwicklungen von Wahrheiten auf diesem Gebiete gänzlich von denen auf andern. Hieraus 1 0 4 folgt, daß älter als die Induktion auf diesem Gebiete Abstraktion aus vorhandenen Gesetzgebungen ist.
D. FORTSETZUNGEN DER ABHANDLUNG VON 1875 (um 1876)
1. Anfang Die einführende Untersuchung 105 stellte zunächst das äußere Gerüst fest, alsdann stellte sich das Problem, die Kausalität und Gesetzmäßigkeit auf diesem ganzen Gebiet zu erforschen. Wir erkannten, daß dieses System von Abhängigkeiten nicht nach Analogie der Naturwissenschaften [aufgebaut ist]. Es wurde die Kausalität zerlegt in eine Reihe von einzelnen Tatbeständen. Der wichtigste war die innere Abhängigkeit der Wahrheiten voneinander. Um auf dem Gebiet das Problem sich klarzumachen, grenzten wir den Zusammenhang der Wissenschaften des praktischen Lebens ab. Stellung des Erkennens zu den drei Klassen von psychischen Tatsachen. Hierbei ergab sich als eine Grundeigenschaft der Zusammenhang des praktischen Geistes mit der Theorie auf diesem Gebiet 10*. Daraus ergab sich weiter die dargelegte Art dieser Wissenschaften. Wissenschaftslehre und praktisches Ideal. Welches ist das innere Band? Übersicht über die Wandlungen dieses Verhältnisses. Die Art der Abhängigkeiten auf diesen beiden Gebieten in den drei Zweigen bildet nun also das Problem. Naturwissenschaft geht von dem Erreichen des Systems der Abhängigkeiten aus. Wir können das nicht. Aber doch gewisse Grundlinien. Es handelt sich um die Verzweigung von Psychologie durdi Ethik, Politik zu Nationalökonomie, Jurisprudenz etc. 107 . Abhängigkeiten Dieses praktische Interesse erforscht die Grundzüge der hier entwickelten Wissenschaften, aber nicht nur in ihrem Beginn; vielmehr bleibt tatsächlich hier eine Abhängigkeit. Die Uberzeugungen werden im Laufe der Jahrhunderte in dem Maße weniger abhängig von den praktischen Interessen, als die Sätze dieser Wissenschaften eine gewisse Klarheit erlangen. Die Organisation der Wissenschaften strebt immer klarer, die Wissenschaftslehre und die praktischen Ideale auseinanderzuhalten. Aber
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
diese abnehmende Einwirkung ist audi heute noch so stark, daß Spencer mit Recht hierin ein Hauptunterscheidungszeichen sieht, und für die Erklärung der bisherigen Geschichte liegt in den Erschütterungen der politischen und sozialen Welt ein überall wirkender Faktor. Hieraus ergibt sich eine ungemeine Schwierigkeit für das Studium der Bewegung auf diesen Gebieten der praktischen Wissenschaften. Sie dependieren in ihrer Entwicklung nicht nur von dem System der Abhängigkeiten der Wissenschaften voneinander und den wachsenden, für die E r kenntnis wechselnden Tatbeständen. Dieses Problem fordert zu seiner Lösung, daß wir in allgemeinere Fragen zurückgehen loe . Es fragt sich, wie dieses fundamentale Verhältnis, welchem gemäß diese Wissenschaften Systeme von Tatsachen bearbeiten, welche von Idealen regiert werden, einwirke auf den Gang der Entwicklung dieser Wissenschaften. Der T a t b e s t a n d : Das Handeln in der Gesellschaft ist jederzeit von Vorstellungen geleitet. Wie im Individuum innere Vorstellungen Bewegungen auslösen, so in Gesellschaft. Im Individuum sind vermittelnd die Bewegungsvorstellungen, Lust und Unlust, Streben, Ideale etc. In der Gesellschaft wirken entsprechend Theorien nur, insofern sie mit einem Bewegungsvorbilde in stetigen Zusammenhang treten. Demgemäß wirken Wahrheiten nur durch etc. Umgekehrt erhalten Begehrungen in der Gesellschaft nur dadurch einen Einfluß auf Theorien, daß die Evidenz der Theorien Lücken oder Mängel hat und so die Wissenschaftslehre leidet — oder daß die Ideallehre bestimmt wird. Der eine Einfluß ist illegitim, der andere legitim.
2. [Manuskript I] Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat Schluß109 "7. Besonderheiten der Wissenschaften Menschen und der Gesellschaft
vom
In der Wildnis der Ideen über den Menschen, die Gesellschaft, das Recht und den Staat, welche der Fortgang der Wissenschaften in Europa im Zusammenhang mit den Bedürfnissen und Bewegungen der euro-
Manuskript I — Uber das Studium .
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päischen Gesellschaft hervorbrachte, einen P f a d , ein den Zusammenhang erleuchtendes Licht zu entdecken, kann als ein hoffnungsloses Unternehmen erscheinen. Erst seitdem die Logik sich zur Theorie der Methoden und der Wissenschaften fortzuentwickeln begonnen hat, vermag ein solches Unternehmen überhaupt in Angriff genommen zu werden. Unmöglich wäre es, alle Arbeiten auf diesen Gebieten auch nur mit flüchtigem Blick umspannen zu wollen. U n d unfruchtbar wäre es auf der anderen Seite, auf diejenigen Theorien, welche Bestandteile sogenannter philosophischer Systeme sind, den Überblick zu beschränken. Was ist denn der bisherigen Geschichte der Philosophie gelungen in Bezug auf das Verständnis dieser ganzen Entwicklung? Es ist ein Anderes, Denker zugänglich machen, indem man Ubersichten über ihre Werke, Auszüge aus denselben gibt; ein solches Unternehmen dient einem praktischen Bedürfnis. Ein Anderes, die Kausalbeziehungen in irgendeinem Zweige geistigen Geschehens zu erforschen. Das erste taten die älteren Historiker von Brucker ab zum Teil auf eine musterhafte Weise. Die hervorragendsten unter den Historikern der Philosophie setzten sich in unserem Jahrhundert das andere zum Ziel; indem sie von Hegels geschichtlicher Auffassung ausgingen, konstituierten sie einen Zusammenhang zwischen den einzelnen metaphysischen Standpunkten und mochten so leicht der Massen des Stoffs entraten; aber diese Konstruktionen halten nicht stand vor der induktiven Prüfung des wirklich stattfindenden Zusammenhangs. So macht sich denn auch überall bereits Unsicherheit in Bezug auf die Grenzen des Gegenstandes einer solchen Geschichtsforschung bemerkbar; selbst kürzere Handbücher wie Überweg und Erdmann ziehen Erscheinungen wie Machiavelli, Bodin etc. in ihren Bereich, da doch offenbar ist, daß diese der Philosophie nur in einem weiteren Verstände angehören. Es ist der Geist der Anerkennnung einer anderen Art des Philosophierens, der sich hier ohne bestimmte klare Abgrenzung Bahn bricht. Philosophischer Geist und Philosophie sind überall nichts anderes als eine die Grenzen der abgesondert bearbeiteten positiven Wissenschaften überschreitende Richtung auf die Verallgemeinerung und Verknüpfung. Aus diesem Wesen desselben folgt erst als sein Merkmal, daß er sich zu den einzelnen Wissenschaften als Wissenschaft derselben verhält, als ein anderes nicht minder charakteristisches Merkmal, daß er von dem Zusammenhang des Ganzen aus die einzelnen Fragen zu lösen unternimmt. Philosophie ist die Richtung auf Wahrheiten von einem höheren Grade der Allgemeinheit als die, welche die einzelnen Wissenschaften darbieten, und philosophischer Geist in der Behandlung einer einzelnen Wissenschaft ist die Stellung und Lösung der Einzelfragen von einem umfassen-
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
den Zusammenhang aus und mit den Mitteln desselben. Mit diesem Zusammenhang operieren dem einzelnen Problem gegenüber, dies ist überall das Kennzeichen des echten philosophischen Geistes. Demnach wird an die Stelle des einfachen Unterschiedes zwischen der Philosophie und den positiven Wissenschaften eine Reihenfolge von Graden der philosophischen Verallgemeinerung zu setzen sein. Es ist ohne Frage philosophisch, alle Zweige unserer Naturerkenntnis zu einer Wahrheit von möglichster Allgemeinheit zu umfassen. Es ist andererseits ein Geschäft des philosophischen Geistes, den Zusammenhang der Wissenschaften vom Menschen und seiner Kultur zu umspannen. Aber audi das Studium des menschlichen Geistes in seiner praktischen Richtung wird schon als philosophisch bezeichnet. Forscher dieser Richtung bilden eine bestimmte Klasse, zu der ein Grotius, Machiavelli, Bodin gehören, welche bereits das Bürgerrecht in den neuesten Ubersichten der Geschichte der Philosophie erlangt haben. Andererseits besteht ein Zusammenhang letzten Grades, welcher die Wissenschaften des Geistes wie die der Natur umfaßt und den wir als Metaphysik bezeichnen; diese letzte Klasse von Generalisationen wurde in Deutschland lange ausschließlich als Philosophie bezeichnet. Freilich lief dabei manche Inkonsequenz mit unter, indem man in dieser Geschichte der Philosophie auch eine Reihe von Köpfen mit aufzählte, welche sich ausschließlich mit dem Studium psychischer Tatsachen beschäftigt hatten. Als 1 1 0 die Wissenschaften in Europa entstanden, war wissenschaftliche Forschung eine Einheit, welche von der Orientierung im Raum, der geographischen, astronomischen und mathematischen, ausging und sich von dem hervorbringenden ersten Zustande oder ersten Ursachen eine Vorstellung zu bilden suchte; wo nicht technische Aufgaben die wissenschaftlichen Beschäftigungen einschränkten, wie in der Medizin, der politischen Vorbildung etc., wo Wissenschaft um ihrer selbst willen gesucht ward, blieb sie als Philosophie ein Ganzes, bis die Ausbreitung derselben in der Epoche der alexandrinischen Wissenschaft die einzelnen positiven Wissenschaften gesondert hervortreten ließ. In dieser Zeit bildeten die Philosophenschulen nicht etwa eine Ergänzung der Schulen der positiven Wissenschaften, sondern sie waren die Vertreter einer von dem Ganzen aus in Begriffen arbeitenden, umfassenden wissenschaftlichen Richtung. An die Stelle dieser Schulen trat im Mittelalter die verwandte Konstruktion, und es blieb der Grundzug von Philosophen im Unterschiede von empirischen Forschern, daß sie von dem Uberblick über das Ganze aller Probleme ausgingen. Daher diejenigen Fächer, welche sich nur in diesem Zusammenhang behandeln ließen, nach Lage ihrer Methoden Zweige der
Manuskript I — U b e r das Studium
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Philosophie blieben. Seitdem die induktive Methode auch hier fortgeschritten, verringert sich beständig die Zahl der so behandelten Fächer. Heute ist audi die Psychologie im Begriff auszuscheiden, Naturrecht ist ausgeschieden etc. 111 Die Logik als Methodenlehre bildet immer deutlicher das Bindeglied zwischen den philosophischen Köpfen beider Klassen. Und in demselben Maße, in welchem die Philosophie der geistigen Tatsachen und die der N a t u r sich zu sondern gezwungen werden, da nur sehr selten in einem K o p f e diese Wissenschaften noch vereinigt werden können, steigt diese Bedeutung der Wissenschaftslehre; sie wird zur Vermittlerin der Methoden, welche in einer Klasse von Wissenschaften sich gebildet haben, an die anderen; insbesondere ist heute ihre Aufgabe, den Bearbeitern der Geisteswissenschaften die Ergebnisse der Naturwissenschaften für [ihre] Methoden zu überliefern. Die Psychologie ist das reale Bindeglied zwischen der Erforschung des Lebens nach seiner körperlichen Seite und der psychischer Tatsachen. Diese beiden Wissenschaften sind die wichtigsten Hebel, welche die Philosophie zur Lösung der ihr eigentümlichen Aufgaben umfassender Generalisation heute ansetzt. Ist dies das tatsächliche Verhältnis, welches für jede Unterscheidung von Operationen positiver Wissenschaft und von philosophischen Operationen die Grundlage abgibt, so ergibt sich hieraus die naturgemäße Auffassung des Unterschiedes philosophischer Leistung auf den Gebieten der Wissenschaften des Menschen, der Gesellschaft und des Staates von den Leistungen des Juristen, des Nationalökonomen, des Vertreters der Staatswissenschaften. N u r diejenigen Arbeiten gehören dem Gang der philosophischen Entwicklung an, welche von dem Zusammenhang der ganzen Gruppe von Wissenschaften des praktischen Menschen ausgehen. Insbesondere wird es also für eine solche Richtung entscheidend sein, daß ein tieferes und selbständiges Studium der menschlichen Natur die Grundlage ausmacht. Arbeiten aber, welche von einem solchen selbständig erforschten Zusammenhang ausgehen, sind philosophisch, gleichviel, ob sie auf Generalisationen höchster Klasse, welche innerhalb der Gruppe dieser Tatsachen möglich sind, ausgehen, oder ob sie mit Hilfe dieses Zusammenhangs einzelne hervorragende Probleme zu lösen unternehmen. Die Begründung der Nationalökonomie durch Adam Smith, die Begründung des Staatsrechts und Völkerrechts durch H u g o de Groot waren hervorragende Taten des philosophischen Geistes. J a , niemals feiert dieser Geist mehr dauernde und wahrhaft große Triumphe, als wenn er in irgendeinem Teil von Tatsachen zuerst gesetzlichen Zusammenhang entdeckt. Glänzender treten uns die Gestalten eines Spinoza und Kant ent-
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
gegen als die eines Hugo de Groot, Pufendorf, Smith, Fechner, Wilhelm v. Humboldt; aber an fruchtbarer Größe braucht die zweite Klasse hinter der ersten nicht zurückzustehen. Indem der metaphysische Geist die letzten Enden all unseres Tuns und Denkens, die Wahrheiten der Wissenschaften, die Werte und Ideale unseres Gemütes, die Güter und Ordnungen, welche der Wille geschaffen hat, in eins zusammenfaßt als die gewaltige Harmonie eines Dreiklanges, gibt er den Persönlichkeiten, welche seine Träger sind, eine einzige und erhabene Vollendung: Charakter, Gemüt und Intelligenz sind eins in ihnen; sie denken, was sie leben, sie leben, was sie denken. Das Problem, das sie bewegt, ist das menschlichste aller Probleme, die Lösung desselben übersteigt jedes Menschen K r ä f te. Hierin liegt die einzige Größe, durch welche sie das Gemüt ergreifen, wie die Schwäche, durch welche sie den Spott der Gemütlosen herausfordern. So ziehen sie ihren Weg mitten durch zwischen ungemessener Bewunderung und ungerechtem Tadel. Der philosophische Geist, welcher in einem engeren Bezirk seine Wirkungen konzentriert, hat an solchem überwältigenden Zauber, aber auch an solchen Gefahren einen geringeren Anteil; sein Einfluß ist positiver, seine Ergebnisse sind dauernder. Philosophie 1 1 2 oder besser Metaphysik in diesem Sinne ist das zusammenfassende Bewußtsein oder die Besonnenheit über das Leben und die Welt. Dies war jederzeit ihr eigen, im Unterschied von Spezialwissenschaften, daß sie auf dieses „höhere Bewußtsein" als solches gerichtet war. Daher der Wille und das Gemütsleben keine von dieser Metaphysik gesonderte Existenz führen; die Werte für das Gemüt, die Zwecke für den Willen gehen in ihr mit der Wahrheit für das Handeln ganz in eins zusammen. Und dann ist sie zunächst von dem „höheren Bewußtsein" des Religiösen nicht verschieden. W i r dürfen also als philosophisch alle Leistungen zusammenfassen, welche entweder den Menschen und die Gesellschaft in ihrer praktischen Richtung umfassen, oder diesen Zweig von den allgemeinen Gesichtspunkten der Geisteswissenschaften überhaupt behandeln, oder endlich, welche von dem Zusammenhang der Natur- und Geisteswissenschaften aus ihn bearbeiten. Nimmt man alle diese Arbeiten zusammen, so bilden sie ein klar umgrenztes Gebiet, innerhalb dessen eine ganz bestimmte Klasse von Leistungen liegt. Diese Leistungen bauen sich auf dem Grunde der Einzelwissenschaften dieses Zweiges auf. Sie können daher nur im Zusammenhang mit dem Fortschritt derselben verstanden werden, aber eine abgesonderte Darstellung derselben ist möglich, ja sie allein verspricht einen Überblick über den Ablauf der Begebenheiten auf diesen Gebieten des geistigen Lebens. Dies ist gegründet in einem besonderen
63
Manuskript I — Über das Studium
Verhältnis, welches in den Gebieten der Wissenschaften zwischen Wahrheiten von
geringerer und
denen
von
größerer Allgemeinheit
besteht,
einem Verhältnis, welches allein die Bedeutung der Geschichte des philosophischen Geistes f ü r das Verständnis der Geschichte der menschlichen Intelligenz überhaupt zu erklären v e r m a g . D i e Wahrheiten beschränkten U m f a n g s sind in denen von weiterem enthalten, und daher repräsentieren sie dieselben. H a n d e l t es sich also um die Übersicht über große Zeiträume geistiger Entwicklung, so ist eine solche nur möglich, indem man diese repräsentativen Personen und Arbeiten zum Mittelpunkte macht. Dies ist das Gebiet einer solchen Geschichte. E s f r a g t sich nun aber, ob eine O r d n u n g in dem G e w i r r e einander b e k ä m p f e n d e r , heute noch unentschieden schwankender Theorien, welche in jeder Generation eine andere Wendung, in jedem L a n d e eine andere Physiognomie zeigen, aufgefunden werden kann. Dieser F r a g e w a r die vorliegende einleitende U n tersuchung das
113
Gerüst
gewidmet. des
Sie
Verlaufs
beschäftigte
geistiger
sich zuerst
Bewegungen
mit
und
den
Mitteln,
wissenschaftlicher
Leistungen exakter zu machen; dann aber w a n d t e sie sich von außen nach innen, zu dem fundamentalen Problem, f ü r die feststellbaren T a t bestände in diesem Zweig der Geschichte, f ü r ihr Nebeneinanderauftreten wie f ü r ihre A b f o l g e das System der Ursachen zu erkennen. Ist es möglich,
einen
solchen
Kausalzusammenhang
und
damit
zugleich
die
wahre N a t u r und F o r m des V e r l a u f s f ü r diesen Zweig geistiger Bewegungen
festzustellen?
Als die A u f g a b e dieser einleitenden
Abhandlung
erschien die Zergliederung des Problems v o m K a u s a l z u s a m m e n h a n g
in
der Geschichte der moralisch-politischen Wissenschaften. Im Gegensatz gegen C o m t e , Mill u. a., im Einverständnis mit dem Geiste
deutscher
Geschichtsforschung
zeigen
sich
die
Geisteswissenschaften
und ihre Geschichte als ein G a n z e s von wesentlich abweichender Konstitution, verglichen mit den Wissenschaften der N a t u r und ihrer Entwicklung. Die Z u k u n f t der Geisteswissenschaften liegt weder in der D e d u k tion ihrer Wahrheiten aus solchen des Naturerkennens, noch in der Anpassung der in dem Gebiet der Naturwissenschaften entwickelten Methoden an sie. D a s logische Problem dieser Wissenschaften ist freilidi bisher im Geiste unserer deutschen Richtung noch nicht in Angriff worden. Die besondere Stellung des Erkennens zu seinem
genommen Gegenstande
auf diesem Gebiet ist noch nicht mit den Mitteln der gegenwärtigen L o gik untersucht worden. Die Einsichten, welche sich so ergeben,
müssen
die G r u n d l a g e auch f ü r das Verständnis der Entwicklung dieser Wissenschaften bilden.
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
Daher überblickte die Abhandlung Felder von Tatsachen, welche in diesem Ganzen von Wissenschaften miteinander verbunden sind, um das Unterscheidende in der Stellung des Erkennens zu seinem Gegenstande auf diesem Gebiete aufzufassen. Die psychologischen Deduktionen aus einer Mehrheit von Trieben mußten verworfen werden, in den W e c h selwirkungen der I n d i v i d u e n i n d e r G e s e l l s c h a f t ist der Ausgangspunkt zu nehmen; bestimmte W e i s e n der B e z i e h u n g , welche beim Auf- und Untergang der Individuen verharren, stellen sich als Systeme dar. Und zwar k e n n e n w i r a l l e E l e m e n t a r v o r g ä n g e , welche das gewaltige Ganze der Ges e l l s c h a f t u n d G e s c h i c h t e b i l d e n , v o n i n n e n w i e sie a n s i c h s i n d , i n i h r e r v o l l e n R e a l i t ä t ; dies ist der erste und entscheidende Grundzug für die logische Konstitution des Zusammenhangs der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und der Kultur. Und 114 zwar — ein zweiter unterscheidender Grundzug — die E i n h e i t e n , deren Weisen der Wechselwirkung als Sitte, Recht, Wirtschaft, Staat uns umgeben, s i n d I n d i v i d u a , psychophysische Ganze, d e ren jedes vom anderen unterschieden, jedes eine Welt ist, die wieder lauter I n d i v i d u e l l e s in sich schließt. Keine Zerlegung kann hier hypothetisch angewandt werden, welche Klassen gleichförmiger letzter Teilchen enthielte, aus denen wir eine berechenbare Ordnung aufzubauen vermöchten. Wir konstruieren die Ordnung der Ursachen unserer Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle aus gleichförmig gedachten Elementen, jene selber aber, wie sie in uns gegeben sind, sind jedes für sich von einer besonderen Bestimmtheit. Ein Satz, der in der Metaphysik eine wichtige Rolle zu spielen bestimmt ist, da die Welt ein individuelles Ganzes ist, welches alle Regeln des Gleichartiges messenden Verstandes gänzlich übersteigt. Wir zerlegen die Ordnung unserer Empfindungen einmal, indem wir sie auf Gegenstände beziehen und als Natur zu erklären versuchen, alsdann aber, indem wir sie als psychische Zustände aufTassen und die Gründe ihres Zusammenhangs in unserem geistigen Leben aufzufassen suchen. Alsdann sind wir selber, die erkennenden Individuen, gleichzeitig Elemente in der Wechselwirkung der Gesellschaft, in bewußter Willensrichtung und -handlung auf die Einwirkungen derselben reagierend; und demgemäß wird in dieser Welt das Spiel der bloßen wirkenden Ursachen abgelöst durch das Spiel der Motive oder Zwecke; wir verhalten uns also zu dem Menschen und der Gesellschaft nicht bloß erkennend, auch nicht nur von außen gemäß unseren Bedürfnissen vermöge der in der Erkenntnis gegebenen Mittel umbildend, sondern von innen eine Ordnung ihrer
Manuskript I — Ober das Studium .
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Zwecke in freier Willenstätigkeit erstrebend, dieses Streben als unser Ideal, als den Zweck dieses Ganges, dessen Triebfedern in uns walten, anschauend. D a s System dieser Wissenschaften verk n ü p f t die E r k e n n t n i s dessen, was ist, mit der dessen, was sein soll; die aus dem Willen entsprungenen Ordnungen werden in diesen Wissenschaften nicht nur erkannt als das, was sie sind, sondern audi geregelt in dem Sinne ihrer Zwecke. Dies alles bestimmt zunächst eine Art von intellektuellem Interesse, welche den psychischen Tatsachen im Unterschied von Naturtatsachen zukommt. Der elementarste Unterschied des Erkennens, wenn es bloßes Wahrnehmen hinter sich läßt, ist Richtung auf die Feststellung eines einmal gegebenen Zusammenhanges von Tatbeständen und Richtung auf Vergleichung des Gleichartigen in ihnen zum Zweck der Aufstellung von Wahrheiten, welche Gleichförmigkeiten ihres Nebeneinanderbestehens oder ihrer Sukzession aussprechen. Beschreibung das Eine, Erklärung das Andere. Wie auch in aller entwickelteren Erkenntnis die beiden Arten von Erkennen sich mischen: es erscheinen dann eben nur Zusammensetzungen derselben. Bald tritt die erste Operation in den Dienst der zweiten, bald, wie bei der Aufstellung einer Konjektur, der Festellung einer historischen Tatsache, umgekehrt. Denken ist ein Beziehen von Vorstellungen auf Gegenstände; das Erkennen wollen und die Setzung eines von uns unabhängigen Gegenstandes sind nur die beiden Seiten derselben Tatsache, deren erste Gestalt das Unterscheiden des Empfindungsinhaltes von uns selber ist. Daher ist gegenständliches Denken, das fälschlich Anschauung genannt wird als ob es ein bloß geistiger oder sinnlicher Vorgang wäre, die eine bleibende Form alles Erkennens. 1 1 5 Vorstellungen 1 1 β , auch in ihrem wissenschaftlichen Zusammenhang, werden gebildet um des Interesses willen, das sie begleitet. Dieses Interesse kann in irgendeinem objektiven Zweck gelegen sein oder auch in dem Willen, sie der Tatsache entsprechend zu machen; das unmittelbarste Interesse aber bleibt doch immer dasjenige, welches der Vorstellung an und für sich genommen eignet. Jede Art von Tätigkeit, dies darf als ein Fundamentalsatz betrachtet werden, dessen mögliche Erklärung weiter rückwärts liegt, erregt, sofern sie dem Tätigen angemessen ist, Lust. Daher schon dem Wechsel der Vorstellung eine solche Lust zukommt. Eine viel intensivere Lust aber tritt dann auf, wenn alle Seiten des psychischen Lebens zusammenwirken, einerlei, ob es sich um Ersonnenes oder Geschehenes, um Dichtung oder Geschichte handelt. Von dem In-
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Fortsetzungen der A b h a n d l u n g von 1875
dianer und seinem Lagerfeuer bis zu dem modernen Geschichtsschreiber ist der Grund der gewaltigen, unmittelbaren Wirkung aller Erzählung immer derselbe. D a ß nach den Gesetzen der Assoziation die Saiten klingen, welche in unserem Innern in Lust und Schmerz, in Anspannung des Willens zu klingen vermögen, unterscheidet von allem Naturerkennen. Geht man nun näher in die Analyse und Klassifikation der Elemente, welche solchergestalt sich zu den psychischen Seiten von Erzählungen zusammensetzen, ein, so muß dies Ergebnis verglichen werden mit den entsprechenden Klassifikationen auf anderen Gebieten. Schon die Terminologie für Gemütszustände zeigt, wie es kein großer U m f a n g von unterscheidbaren Klassen ist, aus welchem sich das über die Vorstellungen hinausgreifende psychische Leben zusammensetzt. Der physiologische Zusammenhang in körperlichen Gefühlen und in Gebärden erweitert einigermaßen das so sehr enge Gebiet. Die Fähigkeit der Unterscheidung, welche in dem Reichtum des Gemütslebens gegründet ist, die hier so wichtige Fähigkeit des Ausdrucks, bilden die Grundlage für die auszeichnende Organisation derjenigen Menschen, welche Gemütszustände aufzufassen und darzustellen im Gebiet ihrer Aufgabe haben. So 1 1 7 erklärt sich das Gemeinsame in der Organisation des Geschichtsschreibers, des Dichters, des Schauspielers, mächtiger die Gefühle und Willensakte, die Affekte und Begeh rungen, deren Komplikationen die Welt beherrschen und welche die Adern des gesellschaftlichen Körpers durchrinnen, in sich durch Assoziationen hervorzurufen. Dies ist ihre fundamentale Fähigkeit. Zu Vorstellungen, und wenn es die abstrakten Vorstellungen eines Denkers wären, die Gefühle und Antriebe hinzufügen, welche erst diese toten Begriffe belebten, das heißt nacherleben. Dieses Nacherleben ist nichts anderes als ein Sich-Verwandeln in den fremden Genius. Denn sollen wir es nicht Sich-Verwandeln nennen, wenn an einem Inbegriff von Vorstellungen von einem Individuum oder audi einem Zustande der Kultur Gefühle und Antriebe zwar in vermindertem Grade, doch aber dem Wesen nach ganz so sich anschließen, wie sie an die Vorstellungen unseres eigenen Körpers es tun. Wunderbare Fähigkeit des Menschen! In sich Gestalten aufleben zu lassen, die ein eigenes Leben in seinem Inneren führen, gleichsam Personen, in welche sein bewußtes Dasein sich teilt. U n d gegründet doch auf den einfachen Tatbestand, daß Gefühle und Antriebe in uns nicht als gleichgültige Vorstellungen reproduziert werden, sondern ihren Charakter bewahren, und daß sie mit
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Manuskript I — Uber das Studium
gewissen Vorstellungen und W a h r n e h m u n g e n gesetzmäßig verkettet sind. Besonders augenfällig ist diese V e r w a n d l u n g der Person im Schauspieler, weil in ihm die spezifische Befähigung h i n z u t r i t t , nicht nur die Vorstellungen von einer Person, die er sich aus der L e k t ü r e eines D r a m a s bildete, zu ergänzen durch die Antriebe u n d G e f ü h l e in ihr, sondern auch der leichtesten Assoziation zwischen diesen G e f ü h l e n u n d A n t r i e ben u n d ihrem Ausdruck in Mienen, G e b ä r d e n und T ö n e n ohne alle Reflexion, welche das innere Leben zerstören w ü r d e , mächtig zu sein. Auf dem Unwillkürlichen, Unreflektierten in diesen Assoziationen, welches doch zugleich ganz individualisiert u n d charakteristisch ist, b e r u h t seine W i r k u n g . Es ist eine Welt von geistigen W i r k u n g e n , welche sich hier a u f schließt, weit abliegend von den O p e r a t i o n e n der N a t u r e r k e n n t n i s . D a s enge B a n d , welches einige Wissenschaften mit der K u n s t v e r k n ü p f t , tritt hier h e r v o r .
II. * Analyse
als Ausgangspunkt
der Untersuchung
118
Den gesetzmäßigen A u f b a u von Elementen u n d Gleichförmigkeiten, welcher die geistigen Tatsachen begreifen möchte, e n t f a l t e n nun auf dieser G r u n d l a g e die Wissenschaften des Geistes. Die K u n s t der Darstellung psychischer und gesellschaftlicher Z u s t ä n d e lassen wir hinter uns: sie zu o r d n e n , zu erklären ist die A u f g a b e . Festgestellte Gleichförmigkeiten sind W a h r h e i t e n . Abhängigkeit der W a h r h e i t e n v o n e i n a n d e r auf diesem weiten Gebiet ist unser P r o b l e m . Diese Abhängigkeit w i r d auf unserem Gebiet bedingt sein durch die entwickelten unterscheidenden G r u n d z ü g e neben ihrer Bedingtheit durch die N a t u r alles Wissens. Unsere Frage k a n n n u r den gegenwärtigen T a t bestand festgestellter Abhängigkeit betreffen. Bei der U n v o l l k o m m e n heit der Geisteswissenschaften k a n n ihre B e a n t w o r t u n g nicht einen so w e i t t r a g e n d e n E r f o l g f ü r das Verständnis der Geschichte dieser Wissenschaft haben als die entsprechende Frage f ü r die Geschichte der N a t u r wissenschaften. Nichtsdestoweniger m u ß wenigstens das f u n d a m e n t a l e P r o b l e m a n g e f a ß t w e r d e n , welches in der ganzen Richtung des hier stattfindenden Systems von Abhängigkeiten gelegen ist. Gleichförmigkeiten der T a t b e s t ä n d e (Klassifikationen) u n d ihres Verhaltens (Gesetze) in ihrer A b h ä n g i g k e i t v o n e i n a n d e r (diese an Stelle der inhaltlichen Kausalbeziehung): dies ist das Gemeinsame jeder Wissenschaft. W e n n nun die O r g a n i s a t i o n u n d E n t w i c k l u n g der Gesellschaft im Z u s a m m e n h a n g mit der O r g a n i s a t i o n u n d Entwicklung ihrer Elemen-
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
te, des Menschen, erkannt werden soll: dann fragt sich, in welcher Ordnung von Wahrheiten dieses geschehen könne. Wenn die Antwort stockt, so ist hiervon nicht der Grund, daß [ . . . ] wir zu reich an verschiedenen erfolgreichen Methoden sind, sondern daß noch keine der Methoden so sicher in ihren Resultaten ist, daß die Waagschale durch das Gewicht des Erfolgs auf ihre Seite sänke. Wir gehen aber von der bleibenden Stellung des Gegenstandes zum Erkennen aus, aufgrund des bisher Entwickelten. Eine ganze Zahl von Wissenschaften breitet sich hier für sich aus; wir aber sehen nur natürliche Abhängigkeit von Wahrheiten untereinander und suchen sonach nur das natürliche System dieser Wahrheiten, im Gegensatz zu der Gestalt, welche die Sonderung der Fachstudien, die Universitätseinteilungen etc. hervorbrachten, und welche für den Gebrauch der positiven Wissenschaften ihr volles Recht hat. Ein System psychophysischer Organisationen, natürlich verflochten durch Generationsreihen, in stetigen Verbindungsformen geordnet, in Wechselwirkung mit dem Erdstrich, auf welchem er seine Lebensbedingungen vorfindet: dies ist von der Horde bis zum Kulturstaat die Natur einer menschlichen Gesellschaft. Alle Analyse trifft also hier auf zwei Klassen von Bedingungen: die Natur der Elemente, welche die Gesellschaft zusammensetzen, und den rückwärts von dem Physiologischen zur N a t u r gehenden Bedingungszusammenhang. Hier tun wir nun einen weiteren Schritt, der später auch an größerem Zusammenhang sich bewähren wird. Keine Wissenschaft vermag ein individuelles Ganzes, dergleichen eine bestimmte Gesellschaft oder ein bestimmter Zustand derselben ist, exakt zu erklären; nur darstellen in seinen Teilen kann sie dasselbe. Daher Geschichtsschreibung auch an diesem Punkte als ein unentbehrlicher, hochwichtiger Teil unseres Studiums der Menschenwelt sich darstellt, aber als ein soldier, der nie ganz in erklärende Wissenschaft aufgelöst werden kann. War ihr erster Grundcharakter ihre Verwandschaft mit der Kunst, so erscheint hier als ihr zweiter, daß Feststellung der Tatsachen in ihrem stattgefundenen Nebeneinander und ihrer stattgefundenen Folge ihr fundamentales Geschäft ist, und ein Geschäft, welches nie abgelöst werden kann durch das System der Kausalverknüpfungen; denn nie reicht dies dazu, das Individuum zu erfassen. Verhält es sich etwa anders mit unserer ganzen Erkenntnis der Welt? Wie Elemente aufeinander wirken, nach welchen Gesetzen, welche Gleichförmigkeiten so entstehen, dies können wir erfassen und so an jedem Punkte der N a t u r die Wirkung einer Gesetzmäßigkeit erfassen: aber wir können keinen Teil der Natur wirklich deduzieren. Das Ganze, dieses wun-
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derbare Individuum des Erdganzen ist nur unserer Anschauung gegenwärtig, es ist für erklärende Wissenschaft ein Unauflösbares. Daher Anschauung der Formen dieses Ganzen, morphologisches Studium im weitesten Sinne ein Geschäft bleibt, das jederzeit neben der Erklärung seinen Wert behält. Dies wird nur zu oft vergessen. Was also können wir von Kausalzusammenhängen in diesen Individuis der sich verändernden gesellschaftlichen Gebilde erkennen? Unterscheide völlig und nur teilweise vergleichbar Tatsachen- und mathematische Wissenschaften. Wir können Tatsachen miteinander vergleichen und in Bezug auf das ihnen Gemeinsame als Klassen behandeln, das Gleichartige in dem ihnen Vorhergehenden und Folgenden erkennen, das Gleichartige in ihren Teilen und der Art ihrer Zusammensetzung, andererseits in den Verknüpfungen, welche sie eingehen. Wo für eine Klasse von Tatsachen Gleichförmigkeiten in jeder Verbindung, welche diese Klasse von Tatsachen eingeht, wirksam sein müssen; sie können also deduktiv als Erklärungsgründe gebraucht werden. Jeder wirkliche Tatbestand nach allen seinen Seiten genommen enthält für die Erklärung eine unendliche, d. h. nie exakt auflösbare Aufgabe. Dagegen jede Seite an einem Tatbestand, soweit sie kann einer Klasse eingeordnet werden, nimmt an der erkennbaren Gesetzmäßigkeit des Verhaltens dieser Klasse teil und ist insoweit erklärbar. Folglich ist die Analyse der Ausgangspunkt der Untersuchung. Die Analyse der Gesellschaft kann nun in sehr verschiedenen Richtungen vollzogen werden und zeigt alsdann ganz verschiedene Klassen von Tatsachen, deren Verhalten dem Studium unterworfen werden kann. Gibt es nun für den Gang dieser Analyse eine jetzt schon erkennbare, aus dem Verhältnis des Erkennens zu diesem Gegenstande ableitbare Ordnung der Abhängigkeit der hier erkennbaren Gesetze voneinander? Diese Analyse stellt zusammengehörige Tatsachen als Teilganze fest, geleitet von Sprache und Praxis. Solche sind Verwaltung, Recht, Erziehung, Wissenschaft, Kunst, dann wieder Behörden, Volksversammlung, das Schöne etc. Fortgesetzt bis zur Analyse der einzelnen Seiten des Individuums entspringt so ein Zusammenhang, dessen Art und Weise nun der Untersuchung unterzogen werden muß. U m diesen Zusammenhang zu erkennen, muß zuerst die Psychologie der Untersuchung unterzogen werden, denn die Gesellschaft ist ein Ganzes, dessen Einzelteile wir realiter kennen, und in den Gleichförmigkeiten der offenliegenden Tatsachen des psychischen Lebens haben wir eine mittlere
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
Region gesicherter Wahrheiten, die wir im Leben überall zur Erklärung anwenden, und die auch für die Wissenschaft Ausgangspunkt [ist].
III. * Beschreibende Psychologie
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Die Psychologie macht hier den Anspruch einer fundamentalen Wissenschaft. Eine solche aber hat jeden Anspruch auf Fülle der Erkenntnisse dem ihrer Evidenz zu opfern. Diese Evidenz aber ist nur erreichbar, wenn die Psychologie den gegenwärtig noch immer aufrechterhaltenen Anspruch, die psychischen Vorgänge zu erklären, vollständig aufgibt und sich mit der B e s c h r e i b u n g der einzelnen Tatsachen wie der Gleichförmigkeit von Tatsachen begnügt. Gewiß unterscheidet sich das Studium psychischer Erscheinungen von dem von Naturvorgängen in einem Punkte, welchem J . St. Mill nicht hinlänglich gerecht wurde. Die Ursache, ein in den Wissenschaften der N a t u r fremder, nur übertragbarer Begriff, ist hier einheimisch; wir erkennen hier psychische Vorgänge erstlich, wie sie an sich sind; alsdann aber ist unter ihnen die Tatsache des Motivs in seinem weitesten Umfang genommen, d. h. der psychischen Ursache. Daher hier die Möglichkeit für die fortschreitende Forschung vorliegt, einen Teil von Tatsachen, wie sie an sich selber sind, aufzufassen: wovon dann eine große Wirkung auch auf die Wissenschaften der Natur geübt werden müßte. Aber die Methode der Forschung kann nur sein [und] erstes methodisches Bedürfnis ist, den Vermögensbestand einer beschreibenden psychischen Wissenschaft gänzlich auseinanderzuhalten von dem einer erklärenden. Der Unterschied der rationalen Tendenz der Wissenschaften, das Sichere vom Hypothetischen zu sondern: Psychologie als ein Fall von Wissenschaft, welche nur auf diesem Weg gefördert werden kann. Auch besteht [ein] unwiderstehlicher Antrieb, Erklärungen einzumischen. A b e r es k a n n j e d e T a t s a c h e v i e l f a c h e r k l ä r t w e r d e n . Erst wenn ein f e i n v e r z w e i g t e s S y s t e m von T a t s a c h e n da i s t , h a t es e i n e n W e r t , d i e b e s s e r e n u n d s c h l e c h t e r e n A u f f a s s u n g e n zu v e r g l e i c h e n . B l e i b e n d e r , s e l b s t ä n d i ger Wert der K o n s t r u k t i o n . Der Unterschied 1 2 0 ist analog dem von mathematischer und experimenteller Physik, insofern auch hier dieselben Klassen von Tatsachen einer verschiedenen Methode unterworfen werden und die so entstehenden Wissenschaften sich allmählich einander annähern. Beide Arten der psychologischen Forschung gründen sich selbstverständlich auf Tat-
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Sachen. Aber es sollen auseinandergehalten werden diejenigen Wahrheiten, welche nächst den Tatsachen am meisten fundamentaler Natur sind, die nächsten Verallgemeinerungen von den Tatsachen aus, welche nur Gleichförmigkeiten ausdrücken und die daher völlige Evidenz und Sicherheit besitzen, alsdann diejenigen Wahrheiten, welche ein hypothetisches Element der Erklärung einführen. — Gegründet aber ist diese Unterscheidung darin, daß die Tatsachen der Psychologie in ihrer empirischen Gestalt Tatsachen des Bewußtseins sind; diese aber sind immer schon komplizierterer N a t u r ; ihre Analyse, welche Elemente, aus denen sie sich zusammensetzen I 2 1 , aufstellt, ist demgemäß jederzeit hypothetisch und zwar in einem sehr hohen Grade, da lange nicht festgestellt werden kann, ob, wovon Beneke ausging, psychische Elemente in den Zusammensetzungen, Ursachen in den Wirkungen unverändert fortdauern, oder, wie Herbart annahm, ein — um mit Mill zu reden — dem diemischen analoges Verhältnis zwischen den Elementen und ihren Produkten im psychischen Leben obwaltet. Die Psychologie geht andererseits von den einfach gegebenen Tatsachen des Bewußtseins zu den komplizierteren voran, in dem Bestreben, die geistigen Inhalte auf diese einfacheren Elemente zurückzuführen. Und hier, auch in Beziehung auf den näheren Teil derselben, wird sich beschreibende Psychologie von erklärenden Hypothesen unterscheiden. Sie wird darauf verzichten müssen, bereits deduktiv vorgehen zu wollen; induktive Erforschung und Einzeluntersudiung tritt für sie in jedem wichtigeren Punkte als ein besonderer Forschungskreis wieder auf, ähnlich wie dies in den physikalischen Wissenschaften geschehen ist. Es sind Tatbestände von einem mittleren Grade von Verwicklung, welche den Ausgangspunkt der psychologischen Forschung bilden, diejenigen Tatbestände, welche als Assoziationsgesetze sich darstellen: zu einfacheren rückwärts, zu komplizierteren vorwärts wendet sich die beschreibende Psychologie. Die Verwicklung 1 2 2 der Hypothesen, welche der Psychologie zugrunde liegen, läßt sich schon an zwei fundamentalen Punkten feststellen. Die Zusammensetzung einheitlicher psychischer Vorgänge aus einer weiter zurückliegenden Mehrheit, ζ. B. der Aufmerksamkeit, des Willens usw., kann durch keinen exakten Beweis festgestellt werden. Ebensowenig kann die Ergänzung des im Bewußtsein vorliegenden Tatbestandes durch unbewußte Vorstellungen bewiesen werden, vielmehr leistet vorläufig für die Erklärung die Annahme von physiologischen Dispositionen ganz ebensoviel als die von psychischen unbewußten Tatbeständen (welche man freilich nicht als Vorstellungen bezeichnen darf). Indem nun solche
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Hypothesen sich komplizieren, entsteht eine Komplikation, welche einen nicht gering zu veranschlagenden Erklärungswert hat. A b e r gerade d a ß die u n b e f a n g e n und o b j e k t i v f e s t g e s t e l l t e n T a t b e s t ä n d e an d i e T h e o r i e g e h a l t e n w e r d e n , g i b t e i n e G a rantie objektiven Voranschreitens der Wissens c h a f t 12S .
IV. *Klassifikation der psychischen Tatsachen
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Die fundamentale Frage für die Anordnung der Geisteswissenschaften muß in der Klassifikation der psychischen Tatsachen gesucht werden. Denn die Unterschiede verschiedener Klassen psychischer Tatsachen im Individuum setzen sich notwendig in allen zusammengesetzten Gebieten fort 1 2 5 . Diese Frage stellt sich nun also gleich hier so: ist ein strenger Beweis für eine Aufstellung des inneren Zusammenhangs der verschiedenen Klassen psychischer Erscheinungen erreichbar, oder müssen wir eine Klassifikation der sich im Bewußtsein eben vorfindenden Tatbestände als das Fundamentale, evident Gegebene ansehen? Vielmehr kann nur eine Unterscheidung von drei Klassen psychischer Tatsachen aufgestellt werden als eine der deskriptiven Wissenschaft angehörige Klassifikation. Dagegen den Wert von Erklärungen hat diese Unterscheidung nicht, und es bleibt den Hypothesen überlassen, ihrerseits allmählich den Kreis von so erklärten Tatsachen zu erweitern; dagegen als Grundlage von psychischen Untersuchungen kann nur eine Klassifikation eingeführt werden. Und zwar ist diese keineswegs einfach. Das Hauptproblem liegt in der richtigen Abgrenzung. Erklärende Hypothesen sind im Lauf der psychologischen Wissenschaft eine große Anzahl hervorgetreten. Man könnte glauben, sie auf einfache Fälle einschränken zu können. Aber in Wirklichkeit gibt es so viele, als Gruppen zugrunde gelegt werden. Ob man nun das [ . . . ] Wollen an zwei verschiedene, als fundamental angesehene Gruppen heftet, entscheidet hierbei gar nichts; sind die zugrunde liegenden Gruppen verschieden, so haben wir es mit verschiedenen Gruppen zu tun 1 2 e . D a ß alle diese Hypothesen nach der heutigen Lage der Wissenschaften nicht bewiesen werden können, erhellt deutlich aus dem kritischen Überblick über jeden bisherigen Versuch. Die Methoden für den Beweis der verschiedenen Klassen von Hypothesen mußten naturgemäß verschiedene sein. Der einfachste Satz wäre, daß die in unserem Bewußtsein gegebe-
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nen verschiedenen Klassen von Tatsachen auf einer ursprünglichen Verschiedenheit unserer psychischen Funktionen gegründet seien. Dieser Satz kann als die Theorie der Seelenvermögen bezeichnet werden. Cohen 1 2 ' hat recht, wenn er es ablehnt, diese Theorie K a n t zuzuschreiben, als welcher ausdrücklich ζ. B. die Möglichkeit offenließ, daß die Vorstellungshypothese für die Erklärung sich einmal bewahrheiten werde, wonach er unmöglich in diesem Sinne der Anfänger der Vermögenstheorie sein könnte. Wohl aber unter den Verteidigern seiner Theorie erscheint ζ. B. Meyer 128 p. 115 und sonst als ihr Vertreter. Der Beweis dieses Satzes kann nicht auf dem Weg von Lotze und Hamilton geleistet werden. Wir können nur jede der psychologischen Klassen (in der Ordnung Vorstellung — Gefühl — Wollen aber, denn auch ein Begehren ohne Gefühl ist für uns nicht vorstellbar) gesondert denken, d. h. zur Vorstellung kommt in den Gefühlen ein neues von ihnen ablösbares Element, ebenso zum Gefühl im Begehren und Fliehen — zunächst ist hingegen zu erinnern, daß sich dieser Methode gemäß viel mehr Klassen unabhängiger Elemente, die zu den vorigen hinzutreten, zeigen , 2 e . Zunächst ist das tatsächliche Verhältnis nicht das der Unabhängigkeit dieser Klassen voneinander, vielmehr daß in jeder Klasse ein von der früheren unabhängiges Element hinzutritt. So kann ein rein vorstellendes Wesen gedacht werden, dagegen tritt im Gefühl ein von Empfindung und Vorstellung Unabhängiges zum Vorstellen hinzu, wogegen es selber nur auf der Grundlage des Vorstellens für uns denkbar ist. Begehren und Fliehen vermögen wir ohne die Grundlage insbesondere der Unlust nicht zu denken. Dagegen kommt aber ein neues Element hinzu, welches wir als unabhängig von dieser Grundlage aufTassen müssen. Denkbarkeit bezieht sich hierbei auf das in dem Zusammenhang der psychischen Tatsachen Vorstellbare. An sich, wenn man mit den bloßen Elementen des Psychischen rechnet, wären natürlich je zwei Elemente immer vorstellbar, an denen nicht das eine als in dem anderen enthalten festgestellt werden kann. Eine zweite Abänderung dieser Hypothese müßte dann dahin vorgenommen werden, daß noch viel mehr 1 3 0 Klassen in diesem eben dargestellten Verhältnis zueinander aufgefaßt werden müßten. So tritt in dem Urteil zu der Vorstellung etwas in ihr noch nicht Enthaltenes hinzu, ebenso in der Einbildungskraft. Aus diesem ganzen tatsächlichen Verhältnis kann nun aber nichts für die Annahme von drei psychischen Funktionen gefolgert werden. Nicht einmal Herbart in seinem wahren Verstände kann daraus widerlegt werden. Denn das sah natürlich er auch; [ . . . ] Noch viel weniger aber
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kann ein Beweis des Satzes selber darin gesehen werden. Denn die Voraussetzung, daß psychische Elemente nie gleich den chemischen in gewissen Verbindungen neue Eigenschaften zeigen könnten innerhalb des Bewußtseins, welche vordem nicht bewußt sichtbar wären, kann gegenwärtig selber nicht bewiesen werden m . So also bleibt von diesem Satze nur die Tatsache der beschreibenden Psychologie übrig, daß unter gewissen.zu untersuchenden Bedingungen zu Empfindungen und Vorstellungen Gefühl hinzutritt, unter anderem aber zu diesen beiden ein Begehren oder Fliehen. Dies ist gar keine Tatsache, welche als Erklärung betrachtet werden dürfte, und audi Lotzes Auseinandersetzungen können nur, wenn sie streng auf diese Fassung eingeschränkt werden, zu recht erhalten werden. Keine andere Art von Beweis ist bis heute in der Psychologie durchgeführt worden. Es ist offenbar, daß das gesetzliche Verhalten für diese Klassen von psychischen Zuständen einmal das wichtigste methodische Hilfsmittel werden wird, zwischen den verschiedenen Hypothesen zu unterscheiden. Allzulange ist die Assoziation der Vorstellungen einseitig der Untersuchung unterworfen worden. Wenn aber Spinoza einen bewundernswürdigen Anfang machte, die Vorstellung der Gemütszustände, worunter er sowohl Willens- als Gefühlszustände versteht, zu erforschen, so litt die Brauchbarkeit dieser Unternehmungen für die Zwecke der feineren psychologischen Analyse, welche er ja gar nicht hatte, darunter, daß die Assoziation der Vorstellungen nicht mehr für sich erforscht worden war. Alle andere psyologische Arbeit aber, insbesondere die der Herbartischen Schule, führt alles auf Assoziation von Vorstellungen einseitig zurück. Der weitere Verlauf dieser Untersuchung wird zeigen, aus welchen Gründen Untersuchungen über die Abfolge der Willens- und Gefühlszustände heute nur noch in einfachen Anfängen bestehen. Soweit entfernt sind wir davon, schon die Mittel in der H a n d zu haben, aus diesem Verhalten weittragende Schlüsse ziehen zu können. Verhält es sich aber etwa anders mit denjenigen Versuchen, welche die der inneren Wahrnehmung gegebenen drei Klassen auf zwei oder auf eine zurückführen? Beide Arten von Erklärung haben eine lange Genealogie hervorragender Analysen für sich und heute geistvolle Verteidigungen. Die erste von ihnen wird in den lange nicht ganz gewürdigten Werken von Steinthal tiefer begründet und über Herbart bedeutend fortgeführt. Kritik. Die andere lehnt sich vorwiegend an unser heutiges Bild von der Struktur unseres Nervensystems. Hamilton, Bain. Kritik. Sonach ist die positive Gestaltung der Psychologie in ihrem gegenwärtigen Stadium abhängig von der Durchführung einer klaren Klassifikation
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dieser psychischen Erscheinungen, welche die Erforschung der gesetzlichen Verhältnisse der verschiedenen Klassen ermöglicht. Es erscheint als der natürlichste Satz, d a ß dem inneren Wahrnehmen und dem Erinnern diese Klassen sich als ganz verschieden voneinander abheben. Diesem Satz entspricht, d a ß heute jeder diese drei Klassen aus seinem inneren Wahrnehmen heraushebt. Aber es fragt sich doch, ob nicht denselben unsere übliche Begriffsteilung, Sprache und Terminologie diese Teilung unterlegen, was durch die Tatsache des späteren Ursprungs dieser Dreiteilung im 18. J a h r h u n d e r t wahrscheinlich gemacht werden könnte. Analysieren wir also: F a r b e m p f i n d u n g ist von Tonempfindung, diese wieder von abstrakten Vorstellungen, diese wieder von einem Urteil oder Schluß ganz verschieden, d. h. sie zeigen auch der Analyse keine gemeinsamen Teile. Hier also liegt nicht, was gerade zum Entwerfen dieser Klassen berechtigt. Klassen haben nun, wenn man sich klar gemacht hat, d a ß sie k e i n e n o b j e k t i v e n G r u n d h a b e n , i h r e n G r u n d n u r in dem wissenschaftlichen Bedürfnis, solche Erscheinungsgrenzen zu b i l d e n , w e l c h e dem dermaligen wissenschaftlichen Studium sich als angem e s s e n z e i g e n . Das heißt also nur, d a ß die Aufstellung von Gleichförmigkeiten gerade nach der Zusammenstellung in diese Klassen sich erfolgreich erweise. Hierbei geht die Forschung naturgemäß an dem Leitfaden des Augenscheinlichen voran, und wenn die Forschung sich nicht genötigt sieht, diesen Weg zu verlassen, so entfaltet sich aus der K l a s s i f i k a t i o n e i n n a t ü r l i c h e s S y s t e m d e r T a t s a c h e η ζ w e i g e, welches alsdann Erklärungen e r m ö g l i c h t . Es ist dies das schon oben berührte Stadium, in welchem nach dem gesetzlichen Verhalten der den verschiedenen Gruppen angehörigen Tatsachen die Gliederung stattfindet. Die Regel der Forschung wird sein, so lange mit Verbindungen von Tatsachen zu Gruppen zu wechseln, bis eine solche feste Grundlage gewonnen ist, und hierin liegt das höchst Provisorische einer solchen Klassifikation ,33. — Jedoch kommt hier ein anderes hinzu. Selten untersucht man den Zusammenhang solcher elementaren psychologischen Probleme mit den großen Tatsachen der K u l t u r ; gerade diese Untersuchung wird uns aber zeigen, d a ß wir es in diesen drei Klassen mit den Grundlagen deutlich gesonderter großer Zweige unserer K u l t u r zu tun haben, und dies gibt [ . . . ] 134 einen hohen G r a d von Wahrscheinlichkeit, d a ß diese Klassifikation sich fähig erweisen wird, ein natürliches System zu werden. Wir erwägen also etwas näher, was diese Klassifikation als die am meisten angemessene erscheinen läßt, womit zusammenhängt, in welcher genaueren Fassung sie es ist.
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Wie unsere beschreibende Methode sich zur erklärenden verhalte, zeigt gleich der erste Satz. Lotze, Wundt u. a. gehen davon aus, daß jede Empfindung, jede Vorstellung einen Gefühlston habe, ja Wundt entwickelt ebenso Qualität etc. und als eine weitere hinzutretende Eigenschaft den Gefühlston. Ich behaupte nicht, daß diese Annahme widerlegt werden könne; aber indem die Lehre vom Gefühl in diesem Satz anhebt, ist [sie] sofort anstatt auf sichere deskriptive Grundlage auf eine ganz hypothetische, erklärende gestellt. Ein Bewußtseinsinhalt vorstellender Natur ist bestimmt durch seine Qualität, mit welcher sich räumliche Bestimmtheit verbinden kann, und seine Intensität. Der gesamte Bewußtseinsinhalt eines jeden Moments hat einen Gefühlston. D a ß dieser immer da sei, wenn er audi im einzelnen Augenblick wegen einer anderen Richtung der Aufmerksamkeit nicht zu gesondertem Bewußtsein gelangt, kann daraus bewiesen werden, daß die Erinnerung ihn unter allen Umständen, in welchen sie wirklich tätig ist, aufzufassen vermag. Denn da sie ihn nicht schaffen kann, muß sie ihn vorfinden. In welchem Sinne eine Reproduktion von Gefühlen angenommen werden kann, vermag nur durch eine genauere Analyse der einzelnen Gefühlszustände selber genauer begründet zu werden. Es gibt kein Gefühl ohne einen Vorstellungsinhalt, dieser audi von Kant aufgestellte elementare Satz muß durch die nähere Bestimmung der Terminologie erläutert werden, soll seine Evidenz eingesehen werden. Unter Gefühl verstehen wir hier die Reihe der Erregungsgrade, welche vom Nullpunkt aus positiv und negativ wächst. Ununtersucht bleibt hierbei zunächst eine unabhängig von Einzelinhalten gegebene Verschiedenheit dieser Gefühle, welche über den Erregungsgrad hinausgeht. Aber die sonstigen qualitativen Inhalte, wie sie mit diesem Erregungsgrade verbunden sind, heben wir heraus und unterscheiden sie unter dem Namen von Vorstellungsinhalt, Vorstellung im weitesten Sinn genommen. Dies tun wir, weil für das Bewußtsein in der Mehrzahl der Fälle dieser Erregungszustand von dem Vorstellungsinhalt ablösbar ist. Wir tun es, obwohl in anderen mehr elementaren Fällen eine solche Ablösung nicht möglich ist, überall nämlich da, wo nicht der Zustand von einem Gegenstand unterschieden wird, positiv, wo der Vorstellungsinhalt nicht auf anderes außer uns bezogen wird, sondern als Zustand unseres eigenen Wesens gewahrt wird, sonach von der Erregung nicht abgesondert wird. Was aber nicht abgesondert im Bewußtsein vorkommen kann, kann auch in keinem freien Vorstellen voneinander abgelöst werden. Eine andere Terminologie bezeichnet den Erregungszustand plus Vorstellungsinhalt in solchen elementaren Fällen als Gefühl; so Gefühl eines körperlichen Schmerzes irgendeines unangenehmen oder angenehmen Zu-
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stands. Sonach bilden die mit Vorstellungsinhalt verbundenen Erregungszustände eine Reihenfolge, in welcher der Erregungszustand sich sukzessiv von dem Vorstellungsinhalt mehr loslöst in dem Maße, als der letztere eine klarere Fassung als Objekt erhält, und ordnen die Sinneseindrücke demgemäß in einer aufsteigenden Linie. Indem wir nun diese Reihe überblicken, fragen wir, inwiefern Reproduktion von Gefühlen vorkommen könne. Dies heißt aber nichts anderes, als inwiefern Vorstellungsinhalte reproduzierbar sind und bei ihrer Reproduktion ihren Erregungszustand notwendig mit sich führen. Zunächst müssen in dem ganzen Bezirk, in welchem beide unlösbar miteinander verbunden sind, alle hier stattfindenden Reproduktionen einfach die Verbindung zurückführen. Es kann gefragt werden, ob alle solchen Verbindungen reproduzierbar sind und in welchem Grade; wenigstens gehört eine dauernde physiologische Disposition dazu, körperliche Schmerzen mit genauer Klarheit zu reproduzieren. Es fragt sich alsdann, inwieweit Vorstellungsinhalte, welche auf lösbare Weise mit einem Gefühlszustand verbunden waren, bei der Reproduktion sich verhalten. Die Aufeinanderfolge von Gefühlen kann vorläufig nur ganz empirisch studiert werden, und auf jede Aufstellung eines eine größere Gruppe von Tatsachen erklärenden Gesetzes wird vorläufig verzichtet werden müssen. Dies wird klar, indem wir die Schwierigkeiten erwägen. Zwei Klassen gemeinsamen Verhaltens verschiedener Zustände unterscheiden wir zunächst. Jeder Lebensmoment ist von Gefühl begleitet. Analysieren wir denselben, so können wir sagen: es gibt psychische Tatbestände, welche von einem Gefühlszustand regelmäßig begleitet sind. Diese Tatbestände dürfen nicht durch den einzelnen Moment und seinen Inhalt definiert werden, sondern sie können sich auch als Zusammenhänge darstellen. Es wird nicht behauptet, daß diese Gefühle hervorrufen, noch weniger, w λ s in ihnen es tut, sondern eben nur diese regelmäßige Verbindung. Und zwar können dieselben vorläufig [nicht] 135 unter eine Bestimmung gebracht werden, vielmehr sind mehrere Klassen zu unterscheiden: Gefühle, die körperliche Zustände begleiten, solche, welche mit einem Vorstellungszusammenhang verbunden sind (denn isolierte Vorstellungen gibt es nicht). Kritisiere die Klassifikation von Wundt 1 3 e . Hiervon unterscheide ich die Fälle der R e p r o d u k t i o n v o n G e f ü h l e n . Zwei Klassen wie bei Vorstellungen. Mit gegenwärtigen Gefühlen verschmelzen die früheren desselben Inhaltes. Andere können im Vorstellungsablauf wieder auftreten. Sie sind dann Vorstellungen sozusagen von Gefühlen.
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Die Bedingungen, unter welchen dies geschieht, sind in unabtrennbaren und trennbaren Komplexen verschieden. Bei trennbaren hängt es von der Gesamtlage des Bewußtseins ab, ob sie als Ganze reproduziert werden, mit ihrem Gefühlsinhalt oder nicht. Dies kann zunächst so vorgestellt werden: wo getrennt war durch irgendeinen Vorgang in der Assoziation, da wird das Gefühl nicht mitreproduziert. Das Gegenteil aber kann nicht behauptet werden. Vielmehr kann audi Richtung der Aufmerksamkeit eine Trennung herbeiführen. Psychische Ganze, weldie einen Willensvorgang in sich schließen, bilden die nächste Gruppe 1 3 ? .
3. [Manuskript II] Erstes Buch: Die Erforschung der Tatsachen Einleitung138 Die Zergliederung des Problems vom Kausalzusammenhang in der Geschichte der moralisch-politischen Wissenschaften ist im letzten Grunde eine Frage der echten Logik, der Wissenschaftslehre, und diese bildet für die Geschichte der Wissenschaften in derselben Weise das Fundament wie die Nationalökonomie für die Einsicht in den inneren Fortgang wirtschaftlicher Zustände, wie die Wissenschaft des Kriegs für die Geschichte desselben. Bestimmte Wahrheiten oder Ordnungen von Wahrheiten können nur festgestellt werden aufgrund vorhergegangener Feststellung bestimmter anderer Wahrheiten, und dieses Verhältnis von Abhängigkeit der Wahrheiten untereinander gemäß ihrem Inhalte, das wichtigste Grundverhältnis der Geschichte einer Wissenschaft, kann nur aus den Beziehungen des Erkennens zu einer bestimmten Klasse von Tatsachen abgeleitet werden. Eine solche Untersuchung läßt nun, im Gegensatz gegen J . St. Mill, im Einverständnis mit dem Geiste deutscher Geschichtsforschung, in den Geisteswissenschaften ein Ganzes von einer logischen Konstitution erblicken, die wesentlich von derjenigen abweicht, welche die Naturwissenschaften in so imponierender und fruchtbarer Weise entwickelt haben. Die Zukunft der Wissenschaften des Geistes liegt weder in der Deduktion ihrer Wahrheiten aus denen der Natur, noch in der Anpassung ihrer Methoden an die der exakten Wissenschaften. Die Erkenntnistheorie dieser Wissenschaften ist in Deutschland noch niemals behandelt worden, ob sie gleich eine wesentliche Ergänzung der hervorragenden deutschen er-
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kenntnistheoretischen Arbeiten zu gewähren verspricht. Sie enthält gleicherweise die Grundlage für das Verständnis derselben und für den Aufbau ihres Systems. Die Zukunft einer tieferen von Einseitigkeit freien Auffassung des Lebens und der Welt beruht darauf, daß die Alleinherrschaft der naturwissenschaftlichen Methoden endige, daß die Geisteswissenschaften aus der Stellung mürrischen Protestierens gegen diese Alleinherrschaft heraustreten und sich ihrer festen unantastbaren Grundlagen und ihrer weittragenden Mittel bewußt werden. Die Isolierung der Geschichtswissenschaft und der philosophischen Analysis der psychischen Tatsachen gegeneinander hat allzu lange die siegreiche Konstituierung der Geisteswissenschaften als eines auf unerschütterlichen Fundamenten beruhenden, der bloßen Phänomenalität der Naturtatsachen gegenüber mindestens ebenbürtigen Ganzen gehindert. Sie hat in dem Gegensatz der historischen und der konstruktiven Schulen hemmend bis in die Einzelwissenschaften gewirkt. Sie hat insbesondere in das Gebiet der moralischen Analyse den Skeptizismus getragen. Sie hat die langsam erwachsenen, tiefgegründeten analytischen Untersuchungen der Philosophie gehindert, den entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Wissenschaften der Gesellschaft zu gewinnen, der ihnen zufallen muß, und die Ergebnisse der historischen Forschung unfruchtbar gemacht für die Weiterführung der philosophischen Erforschung der menschlichen Natur, als welche schließlich der Schlüssel unseres ganzen theoretischen Weltverständnisses sein muß. Und so ist es gekommen, daß eine fruchtbare Hypothese der beschreibenden Naturwissenschaft in Deutschland wie eine metaphysische Weltformel gehandhabt werden konnte, daß man aus dem bloßen leeren K a m p f um die Existenz den unendlichen Gehalt derselben herausklauben zu können vermeinte. So ist es gekommen, daß zwischen den theoretischen Uberzeugungen und den aus tieferen Zeiten erhaltenen Maximen des Handelns ein R i ß entstanden [ist], der das Mark unserer Nation angreift. Denn nie wird unser Volk, in der Art der Engländer, Theorie und anständige Übereinkunft über Grundsätze des Wollens und der Gesellschaft trennen können; die armselige Anpassung des in seinem Innersten von den Einsichten einer mechanischen und egoistischen Weltansicht behaglich durchdrungenen Individuums an das Urteil der Gesellschaft, diese tiefste Selbstentwürdigung des Individuums würde in Deutschland nur kurze Zeit hindurch standhalten. Wir begehren zu denken und zu leben aus einem Guß und ganz und ungeteilt dazustehen, wenn die Konflikte des Lebens Entscheidungen von uns verlangen und wenn wir diese Entscheidungen vor unserer Selbstachtung aufrechterhalten sollen. Ganz und ungeteilt: aus der Einheit des H a n delns entspringt allein in Deutschland von Luther bis Lessing und Kant
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
(welchen freilich albernes Raisonnement ebenfalls in seiner Ganzheit und großen Geschlossenheit angezweifelt hat), von diesen weiter bis zu den großen handelnden Kräften der Gegenwart die Gewalt der Wirkung. Allein indem die Geisteswissenschaften im Bewußtsein ihrer unerschütterlichen Grundlagen und ihrer ebenbürtigen Stellung sich aufbauen, indem sie hierdurch auf die theoretische Weltansicht den, erkenntnistheoretisch genommen, ihnen zukommenden Einfluß gewinnen, kann diese Einheit der deutschen Weltansicht hergestellt werden.
Erstes
Kapitel
Der psychophysische Zusammenhang der Geschichte139 Wie sich das menschliche Individuum und sein Leben einerseits als ein Zusammenhang physiologischer Tatsachen darstellt, andererseits als ein soldier von psychischen, so auch die Geschichte, welche die Verkettung der menschlichen Individuen in Zeit und Raum ist. Diese beiden Systeme von Tatsachen, das physiologische und das psychische, sind miteinander schlechterdings nicht vergleichbar. Zwischen der Wirkung einer Vorstellung auf meinen Willen und einer Bewegung im Raum besteht gar keine Art von Ähnlichkeit oder Vergleichbarkeit. Zwar entspringt unsere Kenntnis von dem Zusammenhang der materiellen Welt ganz aus demselben Inbegriff von Wahrnehmungen, welcher einen hervorragenden Teil der psychischen Tatsachen ausmacht und daher auch zu einem großen Teil für unsere Kenntnis der geistigen Welt die Grundlage bildet. Die Gesichtswahrnehmungen eines Menschen an irgendeinem Tage können unter Umständen für die Vervollständigung seiner Kenntnis der Außenwelt verwertet werden, oder sie können unter anderen Umständen einen Beitrag zu der Kenntnis seines geistigen Lebens gewähren. Der geistige Vorgang jedoch, durch welchen das eine Ergebnis gewonnen wird, ist ganz verschieden von demjenigen, der zu dem anderen führt. [1.] 140 Wir analysieren den ersten Vorgang. Gegenstände sind für uns nur vermöge unserer Gesichtswahrnehmungen und Tastwahrnehmungen vorhanden; von der Art, wie der sonst zurückgedrängte Sinn des Getastes in Blindgeborenen sich ausbreitet, haben wir eine Reihe hinlänglich gesicherter Erfahrungen; wie sich bei Abwesenheit beider Sinne unser Vorstellen gestalten würde, wissen wir nicht. Die psychische Tatsache einer Gesichtswahrnehmung ist als solche zugleich Gegenstand. Wie weit wir auch den Inhalt einer Wahrnehmung oder die Vorstellung einer Wahrneh-
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mung zerlegen mögen in Teilinhalte, welche noch vorgestellt werden können: audi der einfachste vorstellbare Teilinhalt ist nicht das, was die physiologische Psychologie als Empfindung bezeichnet 141 , ist vielmehr gegenständlich. Die denkbar elementarste Vorstellung von Farbe stellt sich uns in unbestimmten Grenzen flächenhaft und in irgendeinem Teile des Sehraumes gegenüber. Ebenso breitet sich jede Vorstellung einer Tastempfindung in irgendeinem räumlichen Umfang aus. Diese klare Tatsache unseres Bewußtseins genügt uns an dieser Stelle. Dahingestellt lassen wir die Hypothesen von reinen Empfindungen als ursprünglichsten Zuständen, „welche von allen Beziehungen und Verbindungen losgetrennt wären, die das entwickelte Bewußtsein immer ausführt" 142 und denen nur Intensität und Qualität als nähere Bestimmung zukäme, dahingestellt die Hypothese eines Vorgangs von Projektionen dieser Empfindungen; diesen H y p o thesen kommt gegenüber der Annahme, daß unter der Bedingung der Erregung unseres Gesichtssinnes gegenständliche Wahrnehmungselemente entstehen, immer noch keine Evidenz zu. Also wir finden in unserem Bewußtsein: die psychische Tatsache einer Gesichts Wahrnehmung ist als solche zugleich Gegenstand. Der Glaube oder die Affirmation, welche nun diesen unseren Wahrnehmungen eignet, ist eine Beschaffenheit des Wahrnehmungsvorgangs selber, wie wir ihn soeben beschrieben haben, er ist mitenthalten in dem Tatbestand, daß die Wahrnehmung unserem Bewußtsein Gegenstand ist, er ist im Unterschiede von dem Vorstellen mit den Wahrnehmungen verbunden; an sich in dem Zustand des Wahrnehmens enthalten und sonach intuitiv, stellt er sich im diskursiven Denken durch Wahrnehmungsurteile dar, in der metaphysischen Abstraktion durch die Kategorie der Substanz, welche nichts anderes als diese Gegenständlichkeit unserer Wahrnehmungen ist, gleichviel ob wir uns selber Gegenstand werden oder Gegenstände außer uns gewahren. Auch hiermit soll nur ein Tatbestand in unserem Bewußtsein ausgesprochen sein, in dessen Grenzen wir uns hier halten dürfen. Dahingestellt bleibt abermals, welchen Anteil an diesem Glauben haben mag, daß für alle Schlüsse, durch welche wir uns im Räume orientieren, die Annahme einer Außenwelt die umfassende Voraussetzung bildet, welche also durch die Übereinstimmung des so entstehenden Systems der Außenwelt einen hohen Grad von Evidenz empfängt. Vorstellungen (d. h. erinnerte Wahrnehmungen oder Teile derselben, oder Verknüpfungen dieser Teile) beziehen sich auf Wahrnehmungen. Wenn die Wahrnehmung vorübergegangen ist und andere Eindrücke ihr Vorstellungsnachbild verdrängt haben, entsteht, gemäß den inneren Bedingungen des Bewußtseins, wie man es wohl ausdrücken mag: durch einen
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
inneren Reiz, die Vorstellung, welche sich zunächst auf den Gegenstand bezieht und nun im Verlauf mannigfacher psychischer Vorgänge sich von ihm loslösen mag und umgeformt in den freien R a u m spielender Bilder der Phantasie eintritt. Der Vorstellung in ihrer einfachen Gestalt eignet die Beziehung auf die Wahrnehmungen, deren Erinnerung oder Zusammenfassung sie ist. Solange nur im Wahrnehmen selber ein Gegenstand vor unser Bewußtsein tritt, nachher aber als ganz uninteressant aus demselben bis zur Rückkehr der W a h r n e h m u n g verschwindet, behält er, wenn er nur einmal von innen reproduziert wird, die Beziehungen auf die Wahrnehmungsakte sehr bemerkbar. Diese schwinden in dem Maße, als die durch inneren Reiz im Vorstellungsablauf angeregte Vorstellung desselben zwischen die Wahrnehmungsvorgänge öfter eintritt; der Gegenstand wird alsdann zu einem von den Beziehungen auf einzelne Wahrnehmungen unabhängigen Teile unseres intellektuellen Lebens; er wird in diskursivem Denken innerlich durchgearbeitet, und so bezieht seine Vorstellung sich nicht mehr auf einzelne Wahrnehmungsakte, sie wird f ü r einen weiten Inbegriff von Wahrnehmen und Denken repräsentativ. So viel w i r k t die Stärke des Interesses. Dagegen sind freie Bilder der Phantasie, denen keine Realität zugeschrieben wird, ein spätes P r o d u k t des sich komplizierenden geistigen Lebens; alle älteste Poesie bezieht sich auf Wirklichkeiten, M y then und Sagen, die geglaubt und im freien Spiel der Phantasie dichterisch anschaulich [ . . . ] 143 [ . . . ] einfachen Bewußtsein der Realität der Einstimmung einer Vorstellung mit dem Gegenstande, auf welchen sie sich bezieht und der in den Wahrnehmungen gegenwärtig ist, dies ist der ursprüngliche Sinn, in dem wir von wahr und Wahrheit sprechen; wo eine Differenz entdeckt wird, bezeichnen wir die Vorstellung als falsch. U n d wie wir Vorstellungen mit Wahrnehmungen vergleichen, lernen wir Wahrnehmungen unter wechselnden Umständen aneinanderzuhalten, und die unter den günstigsten Umständen vollzogene bewahren wir wie eine A r t von N o r m a l w a h r n e h mung a u f ; wir schreiben ihr einen höheren G r a d von Wahrheit zu. Substanzialität war nichts anderes als eine Abstraktion aus dem Tatbestande, daß gewisse Klassen von Wahrnehmungen in unserem Bewußtsein nur gegenständlich erscheinen und in ihren kleinsten im Bewußtsein vorstellbaren Elementen gegenständlich verbleiben. Realität, Sein, Existenz ist folgerecht nichts anderes als die Eigenschaft unserer Vorstellungen, vermöge deren sie den Wahrnehmungen = Gegenständen entsprechen. Erkennen ist nichts anderes als das Ausbilden unserer Vorstellungen entsprechend den Gegenständen. So bildet Glaube an Wahrnehmungen, Vergleichung derselben untereinander, Beziehungen von Vorstellungen auf sie
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als auf Gegenstände den natürlichen H o r i z o n t unseres Denkens und Erkennens, unseres Fürwahrhaltens und falsch Erkennens. Die Ausarbeitung unserer Erkenntnis der Außenwelt brauchen wir f ü r unseren Zweck nicht genauer zu verfolgen. Zwei Klassen von Erkenntnis führen über den geschlossenen Kreis des dargestellten Sinnenglaubens hinaus: die positiven Wissenschaften und die Analyse des Bewußtseins durch die Philosophie. Indem die Naturwissenschaften die Tatsachen in ihrer regelmäßigen Beziehung zueinander studieren, vermögen sie einerseits bestimmte Arten von Bewegungen als die N a t u r v o r g ä n g e festzustellen, welche als Bedingungen unserer Wahrnehmungen sich darstellen; eine abstrakte Welt von Bewegungsverhältnissen im R a u m erscheint als das Antecedens des Systems unserer Wahrnehmungen und somit als Außenwelt oder N a t u r . Indem sie andererseits die N a t u r des Wahrnehmungsvorgangs analysieren, schaffen sie vermöge der Einsichten, deren Grundlagen Müller als Lehre von den spezifischen Energien hinstellte, die Einsicht in die Subjektivität der Qualitäten oder Inhalte der Sinneswahrnehmungen und liefern damit f ü r die Einschränkung ihrer Naturbegriffe auf Bewegungsverhältnisse eine negative Begründung. So entsteht die Außenwelt der Naturwissenschaft, welche von der des Sinnenglaubens ganz verschieden ist. — Indem die Philosophie auch diese, samt dem Raum, in welchem sich ihr Schauspiel abspielt, als phänomenal erkennt, empfängt diese Außenwelt den C h a r a k t e r eines bloßen Inbegriffs von Erscheinungen. U m sonst ist es dann, Phänomena und N o u m e n a , Erscheinung und Ding an sich, in Begriffen zu unterscheiden; wo wir nicht vergleichen können, vermögen wir auch nicht zu erkennen; da diese Erscheinungen niemals als etwas unabhängig von ihnen Erkanntes gehalten werden können, erscheint [es] unmöglich, den Streit über das Reale in ihnen je zum Abschluß zu bringen. N u r der volle Sinn dieser Phänomenalität sei herausgehoben, da derselbe v e r k a n n t zu werden pflegt, und diese Verkennung alsdann Irrtümer über die Tragweite des in den Naturwissenschaften entwickelten Bildes der Außenwelt zur Folge hat. Denn hier sind schließlich die falschen Übertragungen von Prinzipien und Methoden aus diesem Gebiete in das der Geisteswissenschaften begründet. Wir finden die qualitativen Inhalte unserer Wahrnehmungen durch einen Vorgang in dem Sinnesorgan bedingt, und diesen rückwärts durch einen Vorgang jenseits desselben; soweit wir diese Vorgänge erkennen, stellen sie sich uns als Bewegungsvorgänge dar. Aber von der inneren Beziehung dieser Vorgänge untereinander wissen wir schlechterdings gar nichts. Es liegt also gar kein G r u n d vor, die Bewegungsvorgänge, welche wir festzustellen im Stande sind, als dasjenige
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anzusehen, welches die Wahrnehmung hervorrufe. Es liegt gar kein Grund vor, die Möglichkeit auszuschließen, daß in diesen Vorgängen etwas ganz anderes mitenthalten sei, welches Grund der qualitativen Inhalte unserer Wahrnehmungen sei. Der Mechanismus der N a t u r ist, was der Verstand erkennt. Wir können nur Größen miteinander ohne Rest vergleichen, und es ist nur ein Ausdruck dieser Tatsache, wenn wir die N a t u r als System von Bewegungsgrößen auffassen. Die mechanische Weltansicht ist gegründet in den Grenzen unseres erkennenden Vermögens. Dieser Satz ergänzt das Ergebnis Kants, daß alle diese Bewegungsgrößen nur phänomenal sind und wir gar nicht wissen können, welches das Verhältnis dieser Erscheinungen zu dem von unserem Erkennen Unabhängigen ist, welches sie bedingt. [2.] Wir analysieren nunmehr den anderen Vorgang, vermöge dessen eine Kenntnis der psychischen Tatsachen entsteht, so weit, daß die völlige Heterogenität der so gewonnenen Tatsachen, mit denen der Außenwelt verglichen, begreiflich wird. Die Darlegung dieses Vorgangs in seinen einzelnen Stadien wird dann später der wichtigste Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Indem wir uns psychischer Tatsachen bewußt sind, erscheinen uns dieselben, werden von uns wahrgenommen, und da im Grunde alles psychische Tatsache ist und für uns gar nichts anderes existiert, scheint die sogenannte innere Wahrnehmung den Inbegriff von Allem zu umfassen, was in unserem Bewußtsein gegeben ist. Jedoch ist hier ein durchgreifender Unterschied zu machen, welcher durch das Dargelegte schon bedingt ist. Was in unserem Bewußtsein erscheint, tritt ihm gegenüber wie dem Blick ein Gegenstand und wird so substantiiert. Entweder so, daß es als Gegenstand dem Selbst gegenübertritt oder so, daß es als ein Zustand, eine Veränderung in diesem substantiierten, auf der Grundlage unseres im Raum angeschauten Körpers substantiierten Selbst wahrgenommen wird. Einen nicht geringen Teil des in unserem Bewußtsein Gegebenen fassen wir unmittelbar und direkt als Zustand dieses Selbst auf; einen anderen, der uns als diesem gegenüberstehende Gegenstände gegeben ist, können wir durch einen Akt der Aufmerksamkeit auf den Vorgang, vermittelt durch Reflexion, als ebensolchen Zustand auffassen. Die philosophische Analyse unserer Bewußtseinsinhalte übt uns darin, alle in unserem Bewußtsein gegebenen Tatbestände als Tatsachen unseres Bewußtseins zu erkennen. Als solche sind sie so, wie sie uns erscheinen, erscheinen sie so, wie sie sind. Eine Farbenwahrnehmung, ein Schmerz ist als Tatsache unseres Be-
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wußtseins unmittelbar gegeben. Der Inbegriff der Tatsachen, wie sie Erinnerung vergegenwärtigt und wie sie unser inneres Leben ausmachen, bildet ein Ganzes, welches in unserem Bewußtsein realiter existiert hat oder existiert. Die gegenständliche psychische Welt des Einzelbewußtseins ist also nicht erst zu erforschen, sie ist unmittelbar gegeben. Ihre Teile, individuelle Tatsachen, sind in einem Nebeneinander und einer Abfolge gegeben, durch welche die Möglichkeit der Erforschung ihres inneren Zusammenhanges vorliegt. [3.] Das innere Verhältnis beider Klassen von Tatsachen zueinander kann hiernach festgestellt werden. Die physiologischen Tatsachen sind Tatbestände der sinnlichen W a h r nehmungen, die organische K ö r p e r zum Gegenstande haben. Feststellung des Gleichförmigen in der Aufeinanderfolge von Zuständen und Veränderungen organischer Körper. Der innere Zusammenhang dieser Tatsachen stellt sich dar in den logischen Formen, welchen gemäß Gegenstände oder ihre Elemente nach dem Verhältnis von Bedingungen und Bedingtem im Erfahrungskreis zu einem widerspruchslosen System, d. h. einer Einheit des Mannigfaltigen unserer Wahrnehmungen verbunden sind. Diese allgemeinen Grundverhältnisse, in welchen wir vorstellen und denken, welche unsere Konstruktion der Außenwelt gemeinsam hat mit der Konstruktion unseres geistigen Lebens, sind selber dem Angriff des Skeptizismus nicht entzogen, vielmehr hat dieser die Annahme von Gegenständen in Zweifel gezogen und die logische V e r k n ü p f u n g , welche wir zwischen den Vorstellungen von ihnen herstellen, z w a r nicht f ü r subjektiv erklären dürfen 143a , was dogmatisch wäre, wohl aber d u r f t e er sie als problematisch hinstellen. W ä h r e n d auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften diese Schwierigkeiten sich heben, bleiben sie f ü r unser Studium der Außenwelt nicht durch strengen Beweis lösbar. Was die Tatsache der Außenwelt betrifft, so ist sie die weitaus wahrscheinlichere unter den beiden Möglichkeiten, die Art, in welcher uns Tatsachen gegeben sind, zu erklären. Was aber dieses Erklären selber betrifft, d. h. das Aufsuchen eines widerspruchslosen Zusammenhangs von Bedingungen f ü r unsere Wahrnehmungen: hier wird ein f ü r allemal jene Argumentation statthaben, welche seit Descartes ein Gegenstand des Spottes geworden ist. Jedoch stammt sie nicht von Descartes; sie ist die einzige mögliche Verteidigung gegenüber dem Skeptizismus und daher, seit dieser sich entwickelte, mitentwickelt, wie denn Schleiermachers Dialektik noch zuletzt diesen Gedankengang gründlich dargelegt hat.
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Fortsetzungen der Abhandlung von 1875
Ganz gesondert von diesen Grundverhältnissen unseres Vorstellens und Denkens überhaupt sind die besonderen Grundlagen unseres sinnlichen Wahrnehmens. Bewegungsvorgänge im Raum sind diese. Aber die Bewegung ist relativ, nicht nur erscheint dem einen Vorstellen als ruhend, was einem [anderen] als rascher oder langsam bewegt erscheinen kann. Nein: alles kann man als ruhend betrachten, alles als sich bewegend. Der Raum ist phänomenal. Die Zerlegung von Gegenständen räumlicher Art in Elemente führt auf Widersprüche. Und so verbleibt die Weltauffassung der Außenwelt gänzlich phänomenal; selbst wenn man, wie die neuere Richtung ist, ursächliche Verhältnisse und materielle Substanzen aus ihr ausschließt: man schließt widerspruchsvolle Annahmen aus, aber behält problematische Grundverhältnisse. Da somit die physiologischen Tatsachen nur phänomenal sind, gehört die ganze Feststellung der Beziehungen zwischen ihnen und den psychischen Tatsachen dem G e b i e t des b l o ß e n Studiums v o n E r s c h e i n u n g s w e l t a n . Die große Frage nach dem Verhältnis von Geist und Körper ist g a r k e i n e m e t a p h y s i s c h e F r a g e , sondern eine Frage der Beziehungen der Tatsachen der Erscheinungswelt zueinander. Es wäre ein ödes Spiel mit Hypothesen, in der heutigen Lage der Wissenschaft, nun noch auf irgendeine mögliche Hypothese über die Natur der Außenwelt eine mögliche Hypothese über die Natur der Verbindung von organischen Körpern in ihr mit psychischen Tatsachen aufzubauen. Wer wäre nicht satt einer solchen Darstellung der Weltkomödie, in welcher mit jedem Schritt die Unwahrscheinlichkeiten sich häufen. Es ist, als ob man auf die Vermutung hin, daß der Charakter Shakespeares der eines ruhigen Biedermanns gewesen, nun eine Vermutung aufstellt, wie es wohl kam, daß er mit so wenig soliden Gesellen zusammen kam, als sie in seinen Tragödien geschildert sind. Dieses Verhältnis von körperlichen zu psychischen Tatsachen ist erst von Fechner in diesem Sinn der Feststellung von exakten Beziehungen untersucht worden. Er hat selber hervorgehoben, warum das so spät geschah und mit so großen Schwierigkeiten verbunden ist. Immer nur einer von beiden Erfahrungskreisen tritt in die unmittelbare Erfahrung, während der andere unter der Decke bleibt. Während wir unserer Empfindungen und Gedanken unmittelbar bewußt sind, können wir nichts von den Bewegungen im Gehirn wahrnehmen. Während wir Körper der Untersuchung unterwerfen, vermögen wir nichts unmittelbar von den psychischen Tatsachen, welche mit ihnen verbunden sind, zu erfahren.
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Zwischen beiden Klassen von Tatsachen besteht ein funktionelles Verhältnis, und es sind die Forschungen von Weber, Fechner, Meynert u. a., welche dasselbe in steigendem Maße aufhellen. Mehr als Untersuchungen dieser Art sind vorläufig nicht gedenkbar. Aber dasselbe Grundverhältnis stellt sich, wie Piaton in einem ähnlichen Falle sagt, wie mit größerer Schrift dar in den Beziehungen des physischen Zusammenhangs, welcher die Grundlage des Ablaufs der Menschengeschichte bildet, und des Zusammenhangs psychischer Tatsachen, welcher auf dieser Grundlage sich erhebt. Es ist nicht das Verhältnis wie zwischen einem Fluß und dem Bette, in dem er sich vorandrängt, welches hier stattfindet: vielmehr ein funktionelles Verhältnis, welches eine ganz andere Gruppe von Forschungen in sich faßt, parallel denen, die Fechner machte, sozusagen eine g e n e r e l l e o d e r t e l l u r i s c h e P s y c h o p h y s i k . Bedeutende Anfänge sind für diesen Zweig von Forschung gemacht. Die Arbeiten Ritters über das Verhältnis der Bodenentwicklung zur Kultur. Die Arbeiten über den Einfluß der Ernährung etc. Komplikation dieses funktionellen Verhältnisses, Versuch einer Analyse. Für das Studium der Geschichte liegt an diesem Punkte eine Grenze weittragender Art. Es handelt sich in ihm nur um die psychischen Tatsachen in ihrem Verhältnis zu materiellen Bedingungen und materiellen Wirkungen. Beispiel: Macht in der Gesellschaft gegründet in psychischen Motiven. Zerlege: a) Einfluß von Vorstellungen der Natur. Für deren Erkenntnis ist Erkenntnis der Natur nicht nötig. Wie die Natur erscheint dem Menschen, so kommt sie hier ja allein in Frage, b) in jeder übrigen Beziehung handelt es sich um das funktionelle Verhältnis, welches durch Gesetze dargestellt wird. Erkenntnis höherer Art ist hier verschlossen.
Zweites
Kapitel144
Grundzüge der Wahrnehmungen psychischer Zustände im Bewußtsein 1. So also haben wir es mit Reihen von Tatsachen von Außenwelt und von psychischen Tatsachen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften zu tun. Die Methode, durch welche die Tatsachen auf dem ersteren Gebiet bearbeitet werden, ist von den Naturwissenschaften zu großer Feinheit entwickelt worden, und die Logik ist seit langem in der Lage, aus den großen Leistungen die Regeln und den Verlauf der Methode zu abstrahieren. Dagegen für die Tatsachen des psychischen Lebens ist wenig geschehen. Hiervon war die Folge, daß unsere ganze Erkenntnistheorie wesentlich un-
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ter dem Einfluß der Methoden und Tatsachen der ersteren Klasse sich entwickelt h a t ; und doch wird sich zeigen, wie die der anderen Klasse vollständig ebenbürtig sind. Zugleich liegt hier der Schwerpunkt aller geschichtlichen und gesellschaftlichen Tatsadien, wenn auch jede Ansicht, welche diese auf die psychischen Grundverhältnisse zurückführen möchte, einseitig ist. Diese Einseitigkeit tritt sowohl in der Arbeit von Mill als in der Herbarts und der Völkerpsychologie hervor. D a h e r im Studium des Psychischen logisches Problem der Geschidite. 2. U n d hier handelt es sich nun zunächst darum, unabhängig von den Grenzen
der Untersuchung
vom Verhältnis
des Psychischen
und
Phy-
sischen in der Geschidite, die A r t festzustellen, wie psychische Tatsachen gegeben sind. 3. Erster Kardinalsatz der Geistes Wissenschaften: D e r H o r i z o n t von bloß inneren Tatsachen ist in den eigenen, bewußten, psychischen Zuständen gegeben. Dieses ist das einzige unmittelbare Erfahrungsganze psychischer T a t sachen, welches das Material für alle mittelbaren Erfahrungen enthält. Z w a r erscheint es uns, als blickten wir unmittelbar auch in das geistige Leben anderer, oder auch in die Tiefe unseres Charakters. Das sind aber dieselben Täuschungen, welche ζ. B. auf dem Gebiete der Gesichtswahrnehmungen stattfinden. An sich U 5 , wenn diese Untersuchungen für ihre Grundlegung in die N a tur der Fragen und Methoden der Wissenschaften des Menschen und der Gesellschaft so eingehen müssen, daß auch wenigstens ihr fundamentaler Gedanke, die gänzliche Verschiedenheit der naturwissenschaftlichen Arbeit und der Arbeit und Ziele der Geisteswissenschaften, gegenüber der herrschenden Strömung zur Darlegung kommt, so wird das nicht unwillkommen sein. Das mürrische Protestieren gegen die Alleinherrschaft der naturwissenschaftlichen
Methoden muß einem positiven A u f b a u der mensch-
lich-geschichtlichen Wissenschaften, aus der inneren N a t u r der hier vorliegenden Stellung des Erkennens zu seinem Gegenstande, P l a t z machen. D i e Zukunft einer tieferen Auffassung des Lebens und der Welt beruht darauf, d a ß die hier in Frage kommenden Wissenschaften ihre Stellung bloßen verdrossenen Zurückhaltens aufgeben. Zunächst
kann
nun
zusammengefaßt
für die
Wissenschaften
schaft
die
ihnen
Tatsachen
hervortreten,
die für
werden,
in
welcher
des M e n s c h e n und der gegeben
ihre
sind
wissenschaftliche
Art
Gesell-
und welche Züge Bearbeitung
an
hervor-
ragende Folgen haben. Das Nebeneinanderbestehen und die Aufeinanderfolge in der Zeit, in welcher einerseits psychische Tatsadien
gegeben sind, andererseits
phy-
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sische, zeigt Unterschiede, vermöge deren aller Forschung mit den Mitteln geschichtlicher Tatsachen schon bestimmte, fördernde und hemmende Bedingungen mitgegeben sind. Entwicklung als eine Eigenschaft des N a turganzen kann nur hypothetisch erschlossen werden, als eine Eigenschaft der Gesellschaft ist sie, wenn auch durch Vermittlungen mannigfacher Art, in Tatsachen gegeben und kann so als eine Ordnung von Tatsachen zusammengestellt werden. So ist Evolution eine Hypothese in Betreff des N a turganzen, ein Tatsachenbegriff in Betreff des geschichtlichen Ganzen. Wir übertragen erst eine geschichtliche Ansicht von dem letzteren auf das erstere, und so eingeschränkt auch das Bruchstück der Zeitfolge psychischer Ereignisse ist, welches im Lichte der Erinnerung unseres Geschlechts vorliegt, es ist genügend, um der Art und Weise der Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft gewahr zu werden. — Andererseits baut sich dies Bruchstück erst zugleich mit dem Nachdenken über den Menschen und die Gesellschaft auf, und so arbeitet jedes spätere Stadium dieser Wissenschaften mit ganz neuen Massen von Tatsachen. Diese Tatsachen werden alsdann schärfer wahrgenommen, brauchbarer für die Wissenschaft beobachtet, genauer aufbehalten, eben weil das Nachdenken aufgrund der früheren Tatsachen die Methoden des Studiums verbessert hat. Ein zweites Grundverhältnis in Bezug auf die Tatsachen des gesellschaftlichen Verlaufs liegt darin, daß die Einheiten, aus welchen sich diese Entwicklung zusammensetzt, uns als Tatsachen gegeben sind. Daher das Studium des Menschen und das der Gesellschaft sich zunächst wie das eines Ganzen und der Einheiten, aus denen es sich aufbaut, verhalten. Die Elemente des Naturganzen erschließen wir; das Ganze der Gesellschaft zerlegt sich in Einheiten, welche sich realiter voneinander gesondert vorfinden; und wenn diese Individua einer weiteren Analyse unterworfen werden, so gelangen wir zu Individuis zweiten Grades, welche als einfachste Tatbestände in unserem Bewußtsein gegeben sind, wie eine Vorstellung, ein Denkakt, ein Antrieb u. s. w. Somit sind auch diese weiter zurückliegenden Elemente oder Teile (wenn vorläufig dieser Ausdruck gestattet ist) als Tatsachen in der Wahrnehmung gegeben. Erst wenn die Analyse über das im Bewußtsein Gegebene hinausstrebt [und] das in diesem als ein Einfaches Gegebene als ein Zusammengesetztes betrachtet und weiter zerlegt, verläßt sie das Gebiet der Tatsachen, des in Wahrnehmung Aufgefaßten, und betritt das Schattenreich erschlossener und nicht gegebener Elemente und elementarer Vorgänge. Und zwar nehmen wir alle Klassen einfachster im Bewußtsein gegebener Vorgänge in uns selber wahr; ihre Stärke, Verknüpfung, individuale Weise in der Breite des geschichtlichen Verlaufs erschließen wir vermöge der Analogie: psychische Vorgänge und wahrnehm-
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bare körperliche Veränderungen sind miteinander verkettet, und, vermöge der Gewöhnung, diese zwei Klassen von Elementen miteinander verbunden zu sehen, entweder durch bloße Assoziation oder durch ein mitwirkendes Urteil, werden äußere Vorgänge, ob sie gleich gar keine Ähnlichkeit mit inneren haben, in Folge dieses gesetzmäßigen Zusammenhangs als die Darstellung dieses Inneren angesehen, ja wir glauben, in das Innere solchergestalt durchschauenden Auges zu blicken. Die Sprache verhüllt nur mit leichtesten Schleiern das bewegte Innere, und der Buchstabe gibt dem Ausdruck desselben Dauer. Dieser Verlauf kann erst an einer späteren Stelle näher erörtert werden; das Verhältnis im Ganzen aber ist, daß wir diese Elemente gewahren oder aus Wahrgenommenem ergänzen. Und zwar sind diese Elemente des Ganzen der Gesellschaft und Geschichte, gleich den Ganzen, in welchen sie, System dem System untergeordnet, enthalten sind, Individua, deren jedes von dem anderen unterschieden ist. Wir zerlegen die uns gegebene Wirklichkeit auf doppelte Weise; denn Zerlegung ist ihr gegenüber das große Geschäft der Wissenschaften, im Gegensatz zu der Anschauung des Ganzen in Spekulation, Kunst, Dichtung und Religion. Indem wir f ü r unsere Wahrnehmungen eine Bedingung außer uns im Räume annehmen, die Natur, zerlegen wir diese in Atome, welche wir in einer Anzahl von Eigenschaften einander gänzlich gleich denken, um die Natur solchergestalt der Messung zu unterwerfen. Indem wir dagegen den Inbegriff des vom Bewußtsein Umfaßten als Zustände unseres Selbst in seinen Teilen wahrzunehmen unternehmen, finden wir Teile anderer Art, welche sich zu dem Ganzen, in dem sie begriffen sind, ganz anders verhalten, selber aber sich als Individua darstellen, von denen jedes vom anderen unterschieden ist; es gibt nicht zwei Tonwahrnehmungen oder zwei kleinste Teile von Gesichtswahrnehmung, welche einander gänzlich gleich wären; der Satz des Leibniz, das principium indiscernibilium, und die darauf gebaute Theorie der Monas haben hier ihre genaue Wahrheit. Und welchen Weg dann auch weiter hypothetische Zerlegung dieser im Bewußtsein gegebenen einfachen Tatsachen einschlage, diese totale in der Wahrnehmung gegebene Verschiedenheit geistiger Tatsachen von den Denkgebilden der Naturforschung muß ihre Folgen für jede Theorie haben, die nicht den Tatsachen des geistigen Lebens zugunsten der Naturerkenntnis und seiner Ergebnisse Gewalt antun soll 14e .
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Drittes Kapitel147 1. Einteilung der Gemütszustände analog der Einteilung in Wahrnehmungen und Vorstellungen. 2. Die Wahrnehmung der Gemütszustände anderer und die Erinnerung unserer eigenen. 3. E i n z u f ü g e n . Unbestimmtheit der Wahrnehmungen der Zustände anderer, wie sie aus bloß angenommenem Verhältnis von Zeichen und Sache entspringen. 1. Der 1 4 8 Horizont von Tatsachen des eigenen Bewußtseins schließt alles ein, was dem Menschen in direkter und unmittelbarer innerer Wahrnehmung gegeben ist. 2. Auf dem Gebiet des Studiums der Außenwelt unterscheiden wir zwischen Wahrnehmungen und Vorstellungen. U n d zwar wurden Wahrnehmungen direkt durch äußere Reize hervorgerufen, dagegen Vorstellungen entstehen durch einen inneren Reiz, d. h. entweder durch das Verhältnis einer gegenwärtigen Wahrnehmung zu einer mit ihr verbundenen Vorstellung oder durch ein anderes irgendwie verwickelteres Verhältnis, in welchem ebenfalls eine Beziehung oder V e r k n ü p f u n g v o n z w e i p s y chischen T a t s a c h e n als i n n e r e r Reiz w i r k t . Das Verhältnis ist auf dem Gebiet der inneren Wahnehmungen nicht ganz dasselbe. Es sind die Gemütszustände, welche hier als eine Klasse von besonderer Schwierigkeit auftreten. Vorstellungstatsachen und ein Gemütszustand können in einer direkten Verbindung miteinander stehen, d. h. einer unmittelbaren. D. h. e i n Z u s t a n d m e i n e r V o r s t e l l u n g e n s t e h t m i t e i n e m G e m ü t s ζ u s t a η d e in d i r e k t e r Verbindung, d e r A r t , d a ß d i e s e r V ο r s t e 11 u η g s ζ u s t a η d a l s e i n T e i l des Z u s t a n d e s m e i n e s S e l b s t , d. h. auf m e i n S e l b s t bezogen, unmittelbar und direkt mit einem Gemütszus t a n d e v e r k n ü p f t i s t , d. h. e i n e n s o l c h e n h e r v o r b r i n g t . Oder dies ist nicht der Fall, und alsdann entspringen die Gefühle der Zustände anderer sowie die Erinnerungen an die eigenen Gefühle. Beide haben miteinander gemeinsam, daß es nicht ein Zustand des gegenwärtigen Selbst ist, welcher hier zugrunde liegt, woraus eine andere N a t u r dieser Gefühle folgt. Andererseits kann man indirekte und direkte Gemütszustände sondern, bloße Vorstellungen von Gemütszuständen und Gemütszustände. 3. U n d zwar entspringt der Zusammenhang der Zustände unseres inneren Lebens in der Verbindung aller dieser Zustände. So entstehen sowohl Beobachtungen als innere Bilder 149 .
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4. Der indirekte Vorgang stellt sich als analog dem Prozeß der äußeren Sinne in Bezug auf den Schein der Unmittelbarkeit dar. D a h e r e r s e h r g e e i g n e t i s t , j e n e P r o z e s s e zu e r l ä u t e r n . Verdeutlichen 150 wir uns zunächst, was unter solchen psychischen Zuständen zu verstehen sei. Fast alle unsere Vorstellungen bilden ein weites, außerordentlich spezialisiertes Reich teils von Einzelvorstellungen, teils von Allgemeinvorstellungen oder Begriffen. Einzelne psychische Zustände von Gefühl oder Streben können nur von uns selber in dem Gedächtnis aufbewahrt werden, in deutlicher Gestalt, oder etwa von solchen Individuis, welche sich sehr tief selber offenbart haben, besonders also von — dramatischen Personen. Klassen solcher psychischen Zustände sind nur wenige. Es sind hauptsächlich die mit Gefühlen und Trieben assoziierten Vorstellungen von Gestalt, Gebärde, Antlitz, Ton und Worten, sowie dann die von Handlungen, welche unseren Erfahrungen psychischen Lebens ihre Mannigfaltigkeit verleihen. Unterscheide die Grade der Abstraktion, welchen auch die Abschwächung des Gefühlsinhalts entspricht, an dessen Stelle dann Verstandesbestimmungen treten, z.B. die verstandesmäßigen Relationen zu Vorstellung, Wille, Unlust, kurz den anderen Klassenbegriffen. Das Verhältnis der Unterordnung der einzelnen Lustgefühle. Der Inhalt der Vorstellung Lust als solcher kann nur wahrgenommen werden durch Hervorrufen dieser Erregung selber; aber derselbe kann auch bloß formal bestimmt werden durch klassifikatorische Einordnung. Ist 151 dies die unterscheidende Natur der Wahrnehmung unserer eigenen psychischen Vorgänge, so fragt sich nun weiter, wie sich die Vorstellung derselben in der Reproduktion vermittelten Auffassung solcher Zustände zu den entsprechenden Vorgängen in der Auffassung von Naturtatsachen verhalte 152 . Ein psychischer Zustand 153 , der nicht nur Wahrnehmung ist, kann außer dem einfachsten Fall, in welchem er durch unsere Wahrnehmungen oder Vorstellungen unmittelbar im Bewußtsein hervorgerufen wird, in drei andere, kompliziertere Verhältnisse eintreten; er kann reproduziert werden vermöge seiner Beziehung zu anderen, oder (was auch von manchen Psychologen als ein besonderer Fall dieses allgemeinen Verhältnisses aufgefaßt werden wird) er kann aufgrund von äußeren Wahrnehmungen von Gebärden oder Tönen ergänzt, nach dem Verhältnis von Ausdruck oder von Bezeichnung zu einem psychischen Inhalt ergänzt werden. Diese Ergänzung vollzieht sich natürlich ebenfalls vermöge der Assoziation dieser zwei Klassen von Elementen untereinander. Jedoch ist die Art verschieden, in welcher dort ein psychischer Zustand, wie er war, vermöge seiner Ver-
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bindung mit anderen psychischen Tatbeständen, zurückgerufen wird, hier dagegen ein psychischer Zustand in einem anderen Wesen gemäß den Verknüpfungen von solchen Zuständen mit äußeren Tatsachen, welche ihre Zeichen sind, hergestellt wird. Von diesen beiden Arten, wie psychische Zustände, die nicht nur Wahrnehmungen sind, in andere Formen, als die einfachen inneren Gewahrwerdens sind, eintreten, ist dann zu unterscheiden die Umsetzung in eine Allgemeinvorstellung oder einen Begriff, welche eine Klasse von psychischen Zuständen repräsentieren. Man untersuche den ersten Fall. Ein psychischer Tatbestand, der mehr als Wahrnehmungselemente enthält, wird vermöge seiner Verbindung mit anderen zurückgerufen. U m zu erproben, ob hier mehr als eine bloße gleichgültige Vorstellung des Zustandes vorliegt, wird man jede Möglichkeit ausschließen müssen, daß dieses Mehr durch besondere Umstände herbeigeführt sein könne. Solche könnten in einer Nachwirkung des Zustandes in der Gegenwart oder in einem Hervorrufen von anderen als Vorstellungselementen durch diese Vorstellungselemente liegen. Wenn ich also eben erst von einem Affekt von Zorn oder Schrecken erschüttert war und nunmehr mir ihn vorzustellen suche, so werden die physiologischen Wirkungen desselben noch fortdauern und sich als affektive Zustände spiegeln. U n d wenn ich, nachdem ich gestern einen teuren Menschen verlor, mir heute die Gefühle, unter denen das geschah, vorstellen will, ja zu welcher späteren Zeit es auch sei, so werden die Vorstellungselemente die mit ihnen verbundenen affektiven Elemente wieder hervorrufen. Doch audi so unterliegt die Beobachtung nur neuen Schwierigkeiten, welche aus den Beziehungen der reproduzierten Elemente stammen. Die Todesnachricht war falsch, und ich gedenke an den Zustand, in den sie midi brachte, einige Zeit später, so daß auch die ersten Nachwirkungen der Gemütsbewegung gänzlich vorüber sind. K a n n ich alsdann den Kontrast zwischen den damaligen Zuständen und diesem gegenwärtigen ausschließen? Die Beziehung auf das freudige Gefühl, ihn noch zu besitzen, ausschließen? So übergoldet ein gegenwärtiger ruhiger, glücklicher Zustand die Erinnerungen an vergangenes Leid, wirft sein reflektiertes Licht auf diese Erinnerungen, daß sie in heiterem Glänze leuchten. U n d umgekehrt: dulce et [decorum est pro patria mori] 1 5 4 , nessun maggior dolore che ricordarsi [del tempo felice nella miseria] 155 . Dagegen das infandum, regina, iubes renovare dolorem 15 ®: Man sieht, wie schwer es ist, auch nur den Tatbestand in wenigen Fällen herzustellen, welcher die Art der Reproduktion unverdunkelt zeigt. Wie die reproduzierten Wahrnehmungen, je nach Individuen und wechselnden Bewußtseinszuständen, sich als eine Reihe zeigen, welche sich der
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sinnlichen Augensdieinlidikeit der Wahrnehmung selber annähert, so bilden die reproduzierten Gefühle und Willensakte Reihen, welche sich der N a t u r des gegenwärtigen Gefühls, des gegenwärtigen Willensaktes annähern. Wie Fechner Erinnerungsnachbilder in Bezug auf ihre Lebendigkeit von Erinnerungsbildern unterschied, so wird dieser Unterschied audi stattfinden in Bezug auf Gefühle und Willensakte. Diese Tatsache wird verdeutlicht, wenn wir sie mit den Tatsachen in Beziehung setzen, welche die Analyse der zweiten Klasse von vermitteltem Auftreten komplizierterer psychischer Erscheinungen zeigt. Durch Zeichen für psychische Erregungen, welche entweder dem Gesichts- oder dem Gehörssinn, entweder in unwillkürlichen Äußerungen oder in Darstellungen erscheinen, werden diese psychischen Zustände hervorgerufen. Unterscheiden wir noch genauer, da hier eine Fülle von Fällen einbegriffen ist. Einfachster Fall ist: Gemütsbewegungen, Willensvorgänge bewirken körperliche Bewegungen, Mienenspiel, Handlungen, Laute, und so assoziieren sich miteinander beide Klassen von Tatsachen; rückwärts ruft also auch die Wahrnehmung körperlicher Bewegungen ein — Erinnerungsbild der psychischen Zustände hervor. Ich sage zunächst: ein Erinnerungsbild. Dieses ist nicht eine Vorstellung, sondern eine Reproduktion des psychischen Zustandes, welche in ansteigender Reihe dem psychischen Zustande selber sich annähert. Hier zuerst stoßen wir auf eine Frage, auf deren Beantwortung wir vorläufig verzichten müssen, deren völlige Klarlegung aber die Beantwortung wird vorbereiten können. Ist der große, für Ethik und Ästhetik grundlegende Vorgang der Sympathie, der Mitempfindung, des Mitleids aus dem angegebenen psychologischen Grundverhältnis erklärbar, welchem gemäß die Reproduktion von Gefühlen in ansteigender Reihe sich dem Gefühl selber annähert, sind aufgrund hiervon die Assoziationen zureichend, dies Phänomen zu erklären, oder liegt hier ein neuer, von dem Entwickelten unabhängiger Grundzug unserer Organisation vor? Einen solchen psychologischen Grundzug begnügten sich Adam Smith etc. anzunehmen; Schopenhauer u . a . wandelten ihn in einen metaphysischen; das eben aufgestellte Verhältnis zwischen Gefühlen, welche direkt durch Vorstellungen, und solchen, welche indirekt durch solche hervorgerufen werden, anders ausgedrückt: die Verschiedenheit der Reproduktion von psychischen Akten, welche nur Vorstellungen enthalten, und solchen, die mehr enthalten, könnte ermöglichen, auf die Grundverhältnisse der Reproduktion und Assoziation den Tatbestand zurückzuführen. Denn es findet in jedem solchen Vorgang zugleich eine Reproduktion aller eigenen verwandten psychischen Zustände statt, und deren Gewalt kann dann eine sehr große werden.
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Die Frage bleibt hier offen. Unser Ziel liegt in der Erwägung des zweiten Falles in seinem Zusammenhang mit den vorhergegangenen. Worte, Töne, Gestalt, räumliche Abbildung dienen zur Abbildung in mannigfacher Art. Zunächst können Abbildungen und Töne Ausdrucksbewegungen, ausdrückende Tatbestände abbilden und solchergestalt durch zwei Glieder von Assoziation die Vorstellungen psychischer Zustände reproduzieren. Hierdurch wird künstlerische Darstellung ermöglicht. Ein besonders interessanter Fall ist der Fall, welcher Töne betrifft u. s. w. Anders aber verhält es sich, wenn Worte unmittelbar assoziiert sind mit dem, was man als Vorstellungen psychischer Zustände bezeichnet. Damit treten wir in die Grundlagen aller Darstellung psychischer Zustände in jeder Art von Geschichtsschreibung und psychischer Wissenschaft ein. Dem angegebenen Grundverhältnis gemäß setzen durch diese Ausdrücke von Klassen psychischer Tatbestände Bilder zusammengesetzter psychischer Zustände sich nicht als bloße Vorstellungsinhalte zusammen, vielmehr treten sie in dem nachbildenden Bewußtsein in verschiedenen Graden der Annäherung an das direkte Bewußtsein eines unmittelbar stattfindenden psychischen Zustandes heran. Und hierauf beruht nun das große Phänomen des Miterlebens, Nacherlebens der psychischen Welt, welches alle geistigen Operationen auf geschichtlichem Gebiet sondert von denen des Naturerkennens. Geschidite, Poesie, Darstellung psychischer Zustände sind toto capite verschieden von der Prozedur in allem Naturerkennen. Die Mächtigkeit des Vorstellens auf diesem Gebiet ruht in einem machtvollen tiefen Gemüt 1 5 7 . Drei 1 5 8 Phänomene sind hier miteinander verkettet, das Mitleid und die Menschenliebe, die Macht der Dichtung, ja der Kunst überhaupt und Nachverstehen, Nachbilden der Charaktere im Leben und in der Wissenschaft. Sie alle ruhen darauf, daß zwischen der Verknüpfung von Gefühlen mit den Vorstellungen, welche um unser Selbst sich versammeln, und der Verknüpfung der Gefühle und Antriebe mit einem von unserem Selbst unabhängigen Vorstellungskreis nur ein sekundärer Unterschied besteht. Wir erzeugen die Triebe und Gefühle, welche sich an einen uns fremden Vorstellungskreis anschließen, als herabgeminderte Gefühle, herabgeminderte Antriebe, aber nicht als gleichgültige erregungslose objektive Vorstellungen. Die Vorstellung des Schmerzes, welche wir hinzu erzeugen, wenn wir ein Tier leiden sehen, ist selber Schmerz. Mitleid nennen wir sie, weil die Vorstellungsgruppe, welche für uns dies Tun ist, sich abhebt in unserem Innern von dem Bezirk der um unsere eigene Selbsterhaltung gruppierten Vorstellungen. Dies erhellt auch daraus, daß es ganz dasselbe
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bleibt, ob, wir es wissen, daß ein solches Wesen gar nicht wirklich existiert, sondern nur in Wort oder Stein vor uns hingestellt 159 wird, oder ob wir das pulsierende Leben in ihm leiden sehen. Ganz dasselbe bleibt es in Bezug nämlich 160 auf den entscheidenden Punkt, daß, was hinzu erzeugt wird, nicht erregungslose, sozusagen blutleere Schatten derselben. N u r das System der Assoziation ist es, welches hier die durchgreifenden Unterschiede hervorbringt, wie sie das Leben zeigt. O f t ist das Geheimnis berührt worden, daß es Zustände der Wehmut und Trauer gibt, welche wir nicht ohne weiteres fliehen, sondern sogar aufsuchen, und die Süßigkeit des Schmerzes ist ein oft von den Dichtern behandeltes Rätsel des menschlichen Gemütes. Dies aber beruht darauf, daß die schmerzlichen Gefühle in uns, wie sie mit einer Vorstellungsgruppe verbunden sind, sich von richtigen Lustgefühlen abheben, welche mit einer anderen Gruppe verkettet sind und vermöge dieser Sonderung getrennt fortexistieren. Die Süßigkeit des Mitleids beruht teils auf dem gehobenen Gefühl der inneren Beziehung erregter Gemüter zueinander, teils auf dem, helfen zu können, nicht selten leider audi auf der Steigerung des eigenen Lebensgefühls durch die Vergleichung oder auf dem Machtgefühl des über einem Schmerze Stehenden gegenüber dem in demselben Begriffenen. Die Freude am Tragischen beruht auf der Erweiterung der Seele, welche durch große Charaktere und Handlungen hervorgerufen wird. Umgekehrt aber ist es erst der eintönige, unausgeglichene Schmerz, wo der ganze Bezirk unserer Vorstellungen, wie er sich um unser Selbst gruppiert, mitergriffen wird von der schmerzlichen Erregung, welche sich fortpflanzt durch alle Ketten unserer Vorstellungen, und je mehr alles in diesem Selbst, Vergangenheit und Zukunft und jeder Kreis unseres Daseins mitergriffen wird, mit einer desto gewaltigeren Eintönigkeit tritt der Schmerz auf. Physiologische Wirkungen verketten sich damit wohl fortdauernd, wenn auch die Aufmerksamkeit zeitweise abgelenkt wird. Aber gibt es nicht eine gleichgültige Vorstellung schmerzlicher Zustände? Sie kann nur auftreten, wo die Unlust neutralisiert wird durch gleichzeitige Lustempfindungen oder wo diese so übermächtig sind, daß sie die Unlust nicht zur Geltung gelangen lassen. Das Phänomen der Grausamkeit beruht entweder auf einer Rohheit, welche Gefühle in einem anderen Wesen gar nicht hinzudenkt, oder auf einer Stumpfheit, welche sie nur schwach erzeugt, oder auf einem übermächtigen egoistischen Selbstgefühl, welches die Gruppe von Vorstellungen, die ein anderes Wesen betreffen, gar nicht zur Geltung gelangen läßt, oder gar auf dem Übergewicht der Lustempfindung, wie sie im Gefolge der Vergleichung des eigenen Zustandes mit dem fremden, oder im Gefolge der Erfahrung schrankenloser Macht über andere Individuen auftritt. Diese beiden letzten Motive wir-
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ken in einem geringen Grade auch in dem edelsten Menschen und vermindern in ihm das Schmerzliche in dem Mitleid und der tragischen Empfindung. [Zusatz:] Drittes Kapitel161 Analysis der äußeren und inneren Wahrnehmung und Entwicklung elementarer Sätze über die Beziehungen der Bestandteile der Wahrnehmung zu dem angenommenen Realen 1. Die Empfindungen und ihre Beziehungen zum Seienden 1β2 . E r s t e r S a t z . Alle Wahrnehmungen stellen entweder vermittelst der Sinne äußere Gegenstände vor oder sie machen uns die eigenen Zustände als innere Gegenstände bewußt. Es sind nicht zwei verschiedene Klassen von psychischen Tatbeständen, welche hier unterschieden werden, sondern der Inbegriff meiner psychischen Zustände kann auf mein Selbst als Gegenstand bezogen werden, ein Teil derselben aber kann auf äußere Gegenstände bezogen werden, welche hierdurch f ü r uns da sind. So sind innere und äußere Wahrnehmung, also Wahrnehmungen eines Äußeren oder eines Inneren, zwei verschiedene Richtungen in der Auffassung derselben psychischen Zustände, und unter den Gesichtspunkt der inneren Wahrnehmung können alle psychischen Zustände genommen werden. A n m e r k u n g 1 . Fähigkeit zum Fenster hinausblickend ein bloßes Bild vor sich zu haben, ohne Beziehung auf eine äußere Welt oder auf das Selbst. Alsdann nimmt das Perspektivische ab, weldies ein Konstruieren des Gegenstandes an einer Stelle im Räume ist, keineswegs eine unableitbare und primäre Sinnestatsache. A n m e r k u n g 2 . So ist uns im Grunde nur Eine Welt gegeben, und die erste Richtung ihrer Auslegung ist die Konstruktion der äußeren Welt. Was in dem Material unserer Zustände hierzu unverwendbar ist, wird zunächst als Residuum, als subjektiver Zustand empfunden, vergleichbar den Gefühlen l e 3 .
Z w e i t e r S a t z . Die Grundlage bilden die Gefühle, welche überall an Nervenerregungen gebunden scheinen. Empfindung entsteht erst, wo bestimmte Endapparate auftreten, welche die Reize in ihrer Sonderung aufzunehmen organisiert sind. Nerven mit solchen Endapparaten nennen wir Sinnesnerven. Die Erregungen in den Sinnesnerven der fünf Sinne enthalten eine stetige und genau geordnete Beziehung auf die N a t u r der hervorrufenden Reize der Außenwelt. Die Leistung oder Funktion dieser Endapparate kann mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Struktur derselben und dem in der Wahrnehmung vorliegenden Ergebnis, in welchem diese Funktion mit mehreren anderen Faktoren verbunden ist, abgeleitet werden.
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1. A l l g e m e i n e s B i l d d e r N e t z h a u t ; Helmholtz 1 β 4 , p. 12: „Der Sehnerv ist ein fein zylindrischer Strang, der sehr feine Nervenfasern, zusammengefaßt und geschützt in starker sehniger Scheide, dem Augenapfel zuführt und an der Hinterwand desselben, etwas nach der N a senseite hin, in ihn eintritt. Die Fasern des Sehnerven strahlen dann von ihrer Eintrittsstelle nach allen Richtungen in die vordere Fläche der Netzhaut. Sie sind, wo sie enden, mit eigentümlichen Endgebilden verbunden, zunächst mit Zellen und Kernen, wie sie auch in der grauen Nervensubstanz des Gehirns vorkommen, schließlich findet sich an der hinteren Seite der Netzhaut, das Ende der Nervenleitung ausmachend, ein regelmäßiges Mosaik aus feinen zylindrischen Stäbchen und etwas dickeren flaschenförmigen Gebilden, den Zapfen der Netzhaut gebildet, alle dicht aneinandergedrängt, und jedes mit einer Nervenfaser verbunden, die Stäbchen mit Fasern der allerfeinsten Art, die Zapfen mit etwas dickeren. Dieses Mosaik der Stäbchen und Zapfen ist, wie sich durch bestimmte Versuche zeigen läßt, die eigentliche empfindende Schicht der Netzhaut, d. h. diejenige, i n w e l c h e r a l l e i n die Lichteinwirkung eine Nervenerregung hervorzubringen imstande ist." Ε r k e η η t η ist h eο r et isc h e r S c h l u ß aus dieser Beschreibung: Demnach sind Lichtempfindungen eine Funktion von Nervenreizungen, an welchen gerade die Sonderung charakteristisch ist; somit sondert der Apparat des Gesichtssinns die Eindrücke. 2. Er vermag dies aber nur durch die Kombination dieser Einrichtung mit einem vor der Netzhaut liegenden A p p a r a t , d e r d i e F u n k t i o n e i n e r c a m e r a o b s c u r a h a t . Diese camera obscura wird gebildet aus der Kugel des Augapfels, welche von der Aderhaut schwarz austapeziert ist; diese Kugel ist mit durchsichtiger, wasserhaltiger Flüssigkeit gefüllt. Die gewölbte Hornhaut und die Kristall-Linse vertreten die Stelle der in der camera obscura angebrachten Glaslinse; und wie diese verschoben werden kann, je nach der Entfernung des Gegenstandes, so kann die Wölbung der Kristall-Linse je abgeändert werden. Vermöge dieser Einrichtungen werden Lichtstrahlen, welche von einem leuchtenden Punkte, dem Objektpunkt ausgegangen sind, wie in der camera obscura so gebrochen, daß sie sich hinter der Linse wieder in einem Punkte vereinigen, im Blickpunkte (Helmholtz p. 14). So wird also jeder Zapfen der Netzhaut nur von dem Lichte getroffen, welches ein entsprechend kleines Flächenelement des Gesichtsfeldes aussendet; die aus dem Zapfen entspringende Nervenfaser wird also nur vom Lichte dieses einen entsprechenden Flächenelements in Erregung versetzt und empfindet nur dieses (Helmholtz 15).
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3. V e r a l l g e m e i n e r u n g durch Hinzuziehung der Tast- und Gehörsempfindung. Dieser T a t b e s t a n d erweitert den obigen e r k e n n t n i s theoretischen Schluß und bestätigt ihn. Der Augenvorgang überliefert gesonderte Erkenntniselemente, und Herstellung einer solchen zweckmäßigen Sonderung, in w e l c h e r Z u s t ä n d e o b j e k t i v e r F l ä c h e n e l e m e n t e ( p h ä nomenal ausgedrückt) Lichtemρfiηduηgeη korrespond i e r e n , ist die b e s o n d e r e K u n s t dieses A p p a r a t e s , w e l che s c h o n f ü r sich ein g e n e r e l l e s V e r h ä l t n i s z w i s c h e n Tatbeständen und Erkentnissen vorausahnen läßt. D r i t t e r S a t z . 1. Das wahrnehmende und vorstellende Bewußtsein vergleicht Wahrnehmungen untereinander; ja es bestimmt ihren Empfindungsinhalt mit durch Vergleichung. Es vergleicht Wahrnehmungen mit Vorstellungen und modifiziert sie beide gegenseitig durcheinander. Indem aber die Wissenschaften der Natur sich ausbilden, entstehen zwei neue Arten von Vergleichung. Wir vergleichen unsere Wahrnehmungszustände mit denjenigen Antezedentien derselben, welche die wissenschaftliche Abstraktion festgestellt. Unser Wahrnehmungszustand ist zunächst bedingt durch einen Vorgang, welcher sich von den Nervenreizungen der Sinnesapparate bis zu den Partien der Zentralorgane, welche denen unserer Sinnesorgane entsprechen, erstreckt. Der hier stattfindende Erregungsvorgang ist uns nur unvollkommen bekannt. Die weiter zurückliegenden Antezedentien sind für die höheren Sinne die von der Physik festgestellten Bewegungstatsachen, wie sie den Licht- und Schalleindrücken voraufgehen, für die niederen Prozesse anderer Natur, wie diemische, welche sich die Wissenschaft ebenfalls gewöhnt hat, auf Bewegungstatsachen zurückzuführen. Hierdurch gelangte die Naturwissenschaft zu einer Bestätigung der Unterscheidung des Demokrit, zu Lockes Aufstellung der sekundären Eigenschaften, zu der heutigen Ansicht, daß die in den Antezedentien von uns abstrakt festgestellten Bewegungsvorgänge als Ursache der Empfindungsvorgänge die Wahrheit der N a t u r seien, im Gegensatz zu welcher die Empfindungen eine Welt des Scheins darstellten. Diese Betrachtungsweise übersieht jedoch zweierlei: Da die Bewegung im Raum ebenfalls phänomenal ist, ebenfalls in unserer sinnlichen Wahrnehmung gegeben und aus ihr in ihrer abstrakten mathematischen Darstellung nur herausgelöst ist, liegt nur die Aufeinanderfolge zweier Phänomene, die für uns Phänomene sind, vor, dennoch ist über den wirklichen
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Vorgang, welcher als Reiz wirkt, uns gar nichts bekannt, wir kennen nur, wie die drei Glieder der Kette in unseren Sinnen erscheinen. D a scheint denn eine Transformation von der ersten Klasse von Bewegungen in die Nervenbewegungsvorgänge, von diesen in die Empfindung stattzufinden. Andererseits und zweitens begehen wir den Fehler, das uns von dem Antecedens Bekannte als das Verursachende für die Empfindung zu halten; was aber in dem Antecedens inhaltlich als Reiz wirkt, könnte ja der Empfindung weit näher stehen, ja es könnte mit ihrem Inhalt sich geradezu decken und die Bewegungsprozesse könnten nur phänomenal oder, wenn real, gar nicht das als Reiz Wirkende sein. Die Naturwissenschaft vergleicht alsdann die Abfolge von Reiz und Empfindung in der Art, daß sie die Beziehung zwischen der Mannigfaltigkeit der Reize und der Mannigfaltigkeit der Empfindungen ins Auge faßt. So entstand die von Joh. Müller aufgestellte Lehre von den spezifischen Sinnesenergien. Es ist die Natur unserer psychophysischen Sinnesorganisation, welche zur Folge hat, daß dieselben Reize in den Empfindungskreisen der verschiedenen Sinne ausklingen. Andererseits können dieselben Sinnesempfindungen gleicherweise durch einen als Reiz wirkenden Vorgang der Außenwelt und durch innere Zustände des Organismus hervorgerufen werden. Diese Tatsache kann mit der früheren verknüpft, sie kann als besonderer Fall des allgemeinen Verhältnisses vorgestellt werden, nach welchem ein Effekt zweier zusammenwirkender Tatbestände durch beide in seiner Beschaffenheit bedingt wird. Unsere psychophysische Organisation ist keine neutrale Durchgangsstelle von Wirkungen des Unabhängigen-Realen. D r i t t e r S a t z . 2. Diese Vergleichung von einander folgenden Phänomenen kann nicht überschritten werden. Wir verbinden und sondern Wahrnehmungen und ihre Inhalte, Vorstellungen von ihnen, Abstraktionen aus ihnen. Zu dem Entwickelten tritt (und zwar als die am meisten der metaphysischen Tiefe zuführende) Vergleichungsweise nur noch hinzu die von Wahrnehmungen des Inneren und Äußeren und ihren Elementen miteinander. Jedoch ergibt diese nur metaphysische Vermutungen, keine beweisbaren Wahrheiten. Sonach kann das phänomenale Antecedens Bewegung, welches die Raum- und Zeitanschauung in sich schließt, welche beide ebenfalls schweren Bedenken in Bezug auf ihren Erkenntniswert unterliegen, nicht als irgend im Verhältnis zur Empfindung die Wahrheit der Sache enthaltend betrachtet werden. Vielmehr beziehen sich alle fundamentalen Begriffe der Naturwissenschaft nur auf Phänomene.
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D r i t t e r S a t z . 3. Diese Elemente, welche ein objektives Element abspiegeln, sind zunächst physiologische Vorgänge, und die Wahrnehmung, welche sich aus ihnen auferbaut, kann entweder aus ihnen korrespondierenden Empfindungselementen und deren Synthesis im Bewußtsein erklärt werden, oder direkt als Erregungszustand des Bewußtseins in Folge der gegebenen physiologischen Vorgangselemente. Gleichviel: unser Bewußtsein (als Synthesis in allen seinen Operationen) gibt erst den gesonderten Elementen, welche objektive Elemente repräsentieren, ihre Verbindung. A n m e r k u n g . Bei der angedeuteten doppelten Möglichkeit der Auffassung spricht f ü r die erste die Tatsache der R e l a t i v i t ä t u n s e r e r s o g e n a n n t e n Empfind u n g e n . Der Satz der Relativität w u r d e von Reid und Hamilton entwickelt. Er enthält in sich: 1. Jede Wahrnehmung beziehe sich auf das auffassende Vermögen, als durch dasselbe bedingt. 2. Sie ist durch die andern vorhergegangenen oder gleichzeitigen Wahrnehmungen bedingt.
V i e r t e r S a t z . So sind die so entstehenden psychischen Inhalte relativ in doppeltem Sinne. Sie entsprechen den objektiven Elementen nur in ihrer Relation zu der psychophysischen Funktion, deren Ausdruck sie zugleich sind. Und sie tun es nur in der Bedingtheit durch die in derselben Funktion gelegenen, vorher und gleichzeitig erregten Inhalte und sind insofern zugleich der Ausdruck der Relation zu diesen. Lehre von der Relativität der Erscheinungswelt entwickelt durch Reid — fortgebildet durch Hamilton. Verwandtschaft mit [Johannes] Müllers Lehre von den Sinnesenergien. F ü n f t e r S a t z . Das Bewußtsein kann solche Inhalte nur besitzen, indem es sie verbindet. Indem man alle so entstehenden Verbindungen miteinander vergleicht, bildet man den Begriff von Verbindungsformen. Indem ich einsehe, daß Verbindung Funktion des Bewußtseins ist, folgt daraus, daß schon der Begriff des Gegenstandes, ja der Welt als einer Einheit, ein Ausdruck der Funktion meines Bewußtseins ist. Dagegen die V e r s c h i e d e n h e i t der Verbindungsformen darf nicht ohne weiteres als Funktionsmannigfaltigkeit meines Bewußtseins betrachtet werden, sondern ebenso gut als Kant recht haben kann, kann audi diese Mannigfaltigkeit der Mannigfaltigkeit objektiver Grundverhältnisse entsprechen, welche alsdann vermöge der Grundform der Verknüpfung im Bewußtsein als diese Funktionsmannigfaltigkeit dargestellt werden. S e c h s t e r S a t z . Die Erfahrungsinhalte sind in den verschiedenen Sinnen gegeben. Jeder Sinn hat W a h r n e h m u n g e n , diese Wahrneh-
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mungen zerlegt die Wissenschaft, und die so gefundenen Elemente bezeichnen wir als Empfindungen; Empfindungen zeigen verschiedene Seiten: Intensitätsgrad, Qualität und räumliche Bestimmtheit. Diese letztere, weil ich Empfindung noch nicht als ein Ursprüngliches, sondern als einfachen Teil einer Wahrnehmung fasse. Von Empfindungen im ersten Sinne wissen wir nichts. Jeder Sinn hat seinen Umkreis von Qualitäten, welche auf äußere Reize hin zur Empfindung gelangen. Die unvollkommensten Kreise, des Geruchs und Geschmacks, zeigen Gefühl und Qualität in überwiegender Kraft des Gefühles und zusammenhängend damit objektivieren sie am wenigsten. Die Sinne objektivieren alle, da sie einen Zustand als ein Tatsächliches dem gegenübersetzen, dessen Zustand hier vorliegt. Alle, ausgesprochen vier von ihnen, enthalten einen Empfindungskreis; denn der Sinn des Getastes enthält nur, wie die mit ihm zusammen auftretende Auffassung von Temperaturempfindungen (welche letztere aber nicht objektiviert, daher sie nicht Sinn in demselben Sinne ist), einförmigere Gegensätze. Warm und Kalt sind nicht bloß Abstufungen derselben Qualität. Noch weniger die Empfindungen von glatt, flüssig, rauh etc. Alle gehen ferner kontinuierlich ineinander über. So ein Geschmack in einen anderen, ein Geruch. Jedodi eine zu ordnende Reihe bilden erst Gesichts- und Gehörsempfindungen. Jede dieser Empfindungsmannigfaltigkeiten, die Ein Sinn hervorbringt, hat keine Analogie in irgendeinem seiner Elemente mit einem Element einer andern Mannigfaltigkeit. Jede drückt also in ihrer Mannigfaltigkeit Verschiedenheiten eines objektiven Tatbestandes auf eine objektive Weise aus, welche nicht, von der bloßen Empfindung ausgehend, auf die der anderen bezogen werden kann. Die von Johannes Müller aufgestellte Lehre von den Sinnesenergien enthält diese Wahrheit in einer Weise gefaßt, welche sie mit dem Kantschen Idealismus in Verbindung setzt und an der Voreingenommenheit desselben teilnehmen läßt. S i e b e n t e r S a t z . Diese Empfindungskreise sind der Regel nach bedingt durch in der Wahrnehmung enthaltene, durch die Wissenschaft abstrahierte Vorgänge, zu denen sie also in einer regelmäßigen und gesetzmäßigen Beziehung von Abhängigkeit stehen. Der Regel nach werden sie nur ausgelöst, wenn eine bestimmte Klasse von Vorgängen vorhergegangen ist. Dies Verhältnis von Abhängigkeit kann nicht in eines der Ursächlichkeit einfach umgewandelt werden. Denn der Natur der Vorgänge nach besitzen wir kein Bild von einer solchen Umwandlung; es fehlt uns jede Brücke vom einen zum anderen. Und wir können ebensowenig beweisen, daß, weil der Vorgang antezediert, gerade er und nicht ein mit ihm Ver-
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bundenes uns Unbekanntes als eine Ursache hinzustellen sei. Das Verhältnis ist also nur, daß a fest mit α verknüpft, b mit ß, während a, b etc. Reihen angehören, welche miteinander unvergleichbar sind. Ein solches Verhältnis kann als das von Vertretung, von Korrespondenz, von Entsprechen bezeichnet werden. Vertretung 1 ' 5 , Korrespondenz etc. enthalten nichts anderes als diese Tatsache, und nur in diesen Grenzen gefaßt sind die Ausdrücke anwendbar. A c h t e r S a t z . Indem wir aber ein Element aus dem Wahrnehmungsvorgang als Empfindung bezeichnen und nun dieses Element zusammengesetzt finden, Intensitätsgrade und Qualität aussondern: bleibt uns ein anderes Element zurück, die räumliche Bestimmtheit nach Größe, Gestalt und Lage. Gerade das Räumliche und die in ihm und der Zeit gegebene Bewegung erweisen sich als von besonderer Bedeutung.
Viertes Kapitel196 Die Verschiedenheit des Vermögens, dieses psychophysische Ganze der menschlichen Gesellschaft in Wahrnehmungen aufzufassen und in Vorstellungen zu erinnern 1. Das psychophysische Ganze von Tatbeständen, das so in Menschenseelen sich darstellt. 2. Verschiedene Gabe, diese Tatbestände in sich zu haben. Wie1*7 der Mensch ein psychophysisches Ganzes ist, so setzt sich die Geschichte zusammen aus Handlungen der Menschen als körperlichen Vorgängen und aus den geistigen Inhalten, welche diese begleiten. Die Wechselwirkung zwischen körperlichen Bewegungsvorgängen und geistigem Geschehen, in ihrer wesentlichen Grundlage unerkennbar, sehen wir bald aus körperlichen Bedingungen zu geistigen Tatsachen, bald umgekehrt den Weg nehmen. Unmittelbar ist für unser Wahrnehmen von geistigen Tatsachen nur das gegeben, was unser eigenes Bewußtsein umschließt. Was wir hier erleben und was wir von Erlebtem in der Erinnerung bewahren, das allein bildet den Umkreis des direkt und unmittelbar wahrgenommenen Geistigen. Körperliche Vorgänge sind mit geistigen verbunden, und obgleich hier keine Art von Vergleichbarkeit stattfindet, finden wir doch infolge der Verkettung geistiger Tatsachen und körperlicher Vorgänge die einen in den anderen dargestellt und ausgedrückt. In der Sprache aber existiert ein
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Mittel, dem Psychischen Zeichen zu verschaffen, in welchen es seinen Inhalt gewahr werden läßt. Ein durch die Mittel der äußeren Wahrnehmung uns sein Inneres darstellendes Individuum wird, wie wir es ausdrücken, verstanden. Untersuchungen der verschiedensten Art sind darauf verwandt worden, die Art, wie die Außenwelt uns gegeben ist, zu erforschen; mit welchem Grade von Evidenz und Zuverlässigkeit aber das Innere anderer Individuen uns erscheint, ist kaum je der Untersuchung unterzogen worden, u n d d e r E r k e n n t n i s v o r g a n g , i n w e l c h e m d i e s g e s c h i e h t , läßt doch d a s S c h e m a v o n I n d u k t i o n und D e d u k t i o n g ä n z l i c h h i n t e r s i c h und zeigt uns, daß es noch andere Weisen gibt, Wahrnehmungen miteinander zu Erkenntnissen zu verknüpfen, als diejenigen, welche die bisherige Logik darstellt. Der erste und elementarste Vorgang ist, daß wir mit einem Worte oder einer körperlichen Bewegung oder einer Handlung die psychischen Vorgänge verknüpfen, welche bei uns selbst mit ihnen verknüpft sein würden. Dieser elementare Vorgang tritt rein heraus, wo uns ein Individuum fremd gegenübertritt, doch bedarf schon dieser Vorgang einer genaueren Auffassung. Wir reproduzieren erstlich nur gemäß dem Grade und der Richtung unserer Aufmerksamkeit, so daß nur ein mäßiger Teil dieser Vorgänge Reproduktionen der entsprechenden eigenen psychischen Prozesse in uns hervorruft; und wir können auch nur dasjenige reproduzieren, was im Umkreis unserer eigenen Innenwelt liegt. Je mächtiger diese ist und inhaltsvoller, je reicher gegliedert, desto mehr von der psychischen Welt außer ihr vermag sie sozusagen abzuspiegeln. Und je verwandter die ganze Organisation unseres geistigen Lebens mit der eines anderen Individuums ist, desto mehr von ihnen kann reproduziert werden. Daher das Vermögen, die Erscheinungen der psychischen Welt zu gewahren, audi nur einen großen Reichtum der eigenen geistigen Welt, eine Vielseitigkeit und Kraft des inneren Lebens zur Bedingung hat, wie eine solche gar nicht Vorbedingung für Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaft der Außenwelt ist. Daher denn auch Genialität im Gewahrwerden der geistigen Welt eine überaus seltene Erscheinung ist. Und auch das reichste Innenleben spiegelt immer nur gewisse Klassen von psychischen Erscheinungen in voller Mächtigkeit ab, anderen aber versagt es die Möglichkeit, sie in sich wieder lebendig zu machen.
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Fünftes
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Kapitel
Erster 188 szientifischer Prozeß mit diesen Wahrnehmungen und Vorstellungen: Bildung eines Systems von Individuis. Wert dieser Betrachtung für Geisteswissenschaften. Wert derselben überhaupt Aus diesen unterscheidenden Zügen der Geisteswissenschaften folgt zunächst die besondere Stellung, welche die Auffassung des Einmaligen hier besitzt; von ihr muß man ausgehen, um die Berechtigung der historischen Kunst zu verstehen, denn diese historische Kunst will scharf von der Wissenschaft gesondert werden, welche herzustellen ein mächtiger Antrieb in der Gegenwart tätig ist. Die Logik ist bis heute hauptsächlich als Methodenlehre zuerst der losophie und später der Naturwissenschaften ausgebildet worden. Als die historischen Wissenschaften in sie hineinzog, geschah es, um das dium psychischer Tatsachen dem Verfahren zu unterwerfen, welches dem der Tatsachen der Natur ausgebildet worden war.
Phiman Stuauf
Wenn das Erkennen die bloße Wahrnehmung hinter sich läßt, ist sein elementarster Unterschied, daß es entweder auf die Feststellung eines einmal gegebenen Zusammenhanges von Tatbeständen gerichtet ist, oder auf die Vergleichung des in ihnen Gleichartigen, aus welcher dann Wahrheiten über Gleichförmigkeit in ihrem Nebeneinanderbestehen oder ihrer Sukzession folgen. Beschreibung das eine, Erklärung das andere. In jeder verwickelten intellektuellen Operation verknüpfen sich diese beiden Klassen des Erkennens. Die primitive Tatsache alles Erkennens in uns ist, daß wir einen Empfindungsinhalt von uns selber unterscheiden. Dies geschieht in jeder einfachsten Wahrnehmung und ist gar nicht notwendig durch irgendeine Anwendung des Kausalgesetzes bedingt zu denken. Die Beweisführung von Helmholtz setzt einen Bestand der Empfindung als eines bloßen psychischen Zustandes, welche auf gar keinen Gegenstand bezogen würde, voraus, welcher in gar keiner Wahrnehmung gegeben ist und welchen vorauszusetzen keine Nötigung vorliegt. So werden wir durch einen ursprünglichen Vorgang unsere eigenen AfTektionen gewahr. Diese Grundgestalt des Erkenntnisvorgangs entspricht zwar nicht den verwickelten Zwecken unserer Erkenntnis, aber die erste Morgenfrische unseres geistigen Lebens liegt über ihr, und schließlich ist ja der letzte Zweck aller Arbeit unseres Erkennens nicht die Erkenntnis der Vergleichbarkeit und Gleichförmigkeit in den Tatsachen, sondern der uns gegebenen Welt als eines Einmaligen, Singulären, welches als solches durch keine
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Gesetze erreicht, sondern nur in der Anschauung erfaßt werden kann. Von der Gestalt einer Pflanze, vor der wir sinnend stehen, zur geographischen Gliederung des Weltganzen und von der wieder zur Auffassung eines menschlichen Individuums reicht eine Kette singulärer Anschauungen, welche Anfang und Ende des Erkenntnisprozesses ausmachen. Die Anschauung des Künstlers und die des wissenschaftlichen Forschers reichen sidi hier die H a n d , und Goethes Richtung auf das Morphologische ist in diesem Grundzuge begründet. Indem wir aber das Gebiet psychischer Tatsachen betreten, empfängt diese Betrachtungsweise aufgrund der entwickelten Grundverhältnisse dieses Gebietes noch einen besonderen Wert. Psychische Zustände aller Klassen können ebensogut als Bilder der Außenwelt Gegenstand der Wahrnehmung und der Vorstellung werden. John Stuart Mill hat darauf aufmerksam gemacht, daß die als am meisten primitiv angesehene Beobachtung unserer selbst als solche nicht besteht. Vielmehr existiert nur eine Bewußtheit unserer psychischen Akte. Die willkürliche Aufmerksamkeit oder das Interesse könnten sich alsdann diesen Akten mit der Absicht zuwenden, sie als Teile des eigenen psychischen Lebens aufzufassen. U n d zwar ist mit dieser Richtung der Aufmerksamkeit auf den psychischen Akt in soldier Absidit die Fortdauer der großen Mehrzahl psychischer Vorgänge nicht vereinbar. Ein Schlußverfahren, welches selber auf eine Richtung der Aufmerksamkeit zur Feststellung einer Wahrheit gegründet ist, wird notwendig durch den Versuch der Beobachtung aufgehoben, d . h . durch eine andere Richtung der Aufmerksamkeit abgelöst. Ein Vorgang des Willens oder des Affektes, welcher auf der Konzentration aller psychischen Bewegungen auf eine Vorstellungsgruppe beruht, wird jedesmal einen Augenblick unterbrochen, indem wir uns bestreben, ihn gewahr zu werden. Dagegen verträgt die Wahrnehmung es sehr wohl, mit Beobachtung ihrer selber verbunden zu sein, und eignet sich daher in besonderem Grade zu psychologischer Beobachtung. Wenn das nicht der Fall ist, muß die Erinnerung zu Hilfe kommen, d. h. die Vorstellung der nunmehr vorübergegangenen Zustände. Fechner hat auf dem Gebiete äußerer Wahrnehmung Erinnerungsnachbilder von der Erinnerung unterschieden; ein sehr fruchtbarer Begriff, welcher auch auf diese Klasse von Tatsachen Anwendung findet. Es ist etwas ganz anderes, die Vorstellung einer Gemütsbewegung zu haben, welche seit Jahren vorübergegangen ist, oder die einer solchen, welche soeben unterbrochen wurde, auch wenn durch die Wendung des Tatbestandes die Gemütsbewegung selber nicht mehr vorhanden [ist]. Oder, da hier wenigstens die physiologische Nachwirkung fortexistiert, es ist etwas ganz anderes, den Gang
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eines heiteren Gesprächs unmittelbar nach seinem Schlüsse sich zu vergegenwärtigen, oder in einer späteren Zeit. Es besteht ein gradweiser Unterschied vom unmittelbaren Eindruck ab bis hin zu der verschwimmenden, undeutlich gewordenen Vorstellung. Schon wie sich die Wahrnehmung zur Vorstellung verhält, ist keineswegs einfach dahin bestimmbar, daß in dem einen Fall ein Vorgang von dem Sinnesorgan durch seine Endapparate zu unserem Bewußtsein sich erstreckte, in dem anderen Fall aber das Sinnesorgan unbeteiligt sei, und daher der Vorstellung die anschauliche und sinnenfällige Gewalt der Wahrnehmung abgehe. Da wir unter normalen Verhältnissen mit solcher Sicherheit Vorstellung und Wahrnehmung voneinander unterscheiden, muß in dem Akte der Erregung ein durchgreifender Unterschied sein, aber die Erscheinungen des Traums, der Vision zeigen, wie das die Wahrnehmung Bedingende auch von einer zentralen Erregung der betreffenden Partien des Gehirns ausgehen kann, und jeder Versuch, einen Ton mit höchster Deutlichkeit vorzustellen, läßt uns die Stimme versuchsweise andeuten; jeder Versuch, eine bestimmte Gesichtswahrnehmung zu reproduzieren, läßt uns die ganze Muskulatur des Auges zweckentsprechend richten. Wie verhält es sich nun, wenn ein Gefühl oder eine Willenserregung als solche vorüber sind und reproduziert werden? Behalten wir einmal den Ausdrude: Vorstellung bei, und verdeutlichen uns die N a t u r einer solchen Vorstellung von einer vorübergegangenen [ . . . ] " "
Sechstes
Kapitel170
1. Methode, durch welche Individua durch Allgemeinvorstellungen und Begriffe ausgedrückt werden. 2. Methode, durch welche die unbestimmt-bestimmten Individua von psychischen Tatsachen in Anderen in komplexen individuellen Ganzen bestimmt werden. — Wahrscheinlichkeitsrechnung und ihr Verhältnis dazu. — a) Individualganze sind hier real. Verhältnis zu Naturwissenschaft (siehe meine Darstellung in Aufsätzen) 3. Methode, durch welche die ursächlichen Verbindungen, welche ebenfalls Individua sind, festgestellt werden, a) Ursächliche Verbindungen sind hier real, b) Sie sind individuell, c) Sie werden durch Allgemeinvorstellungen ausgedrückt, d) Sie werden durch folgendes Verfahren festgestellt: Und zwar ist nun die Art, wie die einzelnen Klassen psychischer Tatsachen reproduziert werden, aufgrund der mit ihnen verbundenen äußer-
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lieh wahrnehmbaren Vorgänge sehr verschieden, und diese Verschiedenheit erweist sich als von großer Tragweite. Vorstellungen werden leicht reproduziert, Willensakte und Gefühle dagegen können in ihrem genaueren Bestände selbst durch Worte nur schwer umschrieben werden, und ihre Reproduktion ist nur höchst unvollkommen. Hier die Auseinandersetzung über Reproduktionen. Dann weiter: D a her die große Seltenheit von Geschichtsschreibern, welche richtige Gefühle und Willensantriebe darstellen, man muß selber eine große Natur sein, um Großes darzustellen. Aber dieser elementare Prozeß ändert sich, sobald eine Mehrheit von Äußerungen bereits vorliegt. Hier tritt das große Prinzip in Wirksamkeit, daß unser psychisches Leben in allen seinen Teilen aus Individuis besteht. Jedes ist anders in Jedem. Wie wir in einer fremden Sprache nachkonstruieren, da ganz andere Allgemeinvorstellungen hier zugrunde liegen, indem wir uns allmählich durch Verfolgung der Beziehung an den genauen Sinn der einzelnen Worte annnähern, so hat das psychische Innenleben eines jeden Individuums insbesondere größerer Art sein eigenes Idiom, alle Gebilde in ihm sind nur einmal so vorhanden, und wir verstehen es nur, indem wir aus den Möglichkeiten der Bedeutung seiner wahrnehmbaren Äußerungen durch Zusammenhalten des Ganzen derselben diese bestimmen. Der Vorgang ist also ein solches allmähliches Sich-Nähern an den Sinn individueller Teile aus einer vorläufigen Übersicht über das Ganze. Alle Größen sind hier in gewissen Grenzen nur bestimmt, und erst gegenseitig durch ihre Beziehungen bestimmen sie einander zu einer allmählichen Annäherung an die Auffassung des individuellen Ganzen. Die Auffassung von diesem allen ist nun aber für sich selber schon eine Erkenntnis höchsten Wertes. Welchen Operationen man auch individuelle Ganze noch weiter unterwerfen mag, ihre freie Anschauung ist eine Aufgabe von unendlicher Schwierigkeit und von unsäglichem Interesse. In der Natur suchen wir das Gleichförmige, in der Welt des geistigen Geschehens zieht den gesunden Sinn das Eigentümliche, die Macht der individuellen Tatsachen mit immer neuem Reiz an. Anschauung des einmal Dagewesenen oder Intuition ist für den unverkünstelten Menschen der Menschenwelt gegenüber von immer neuem Reize. Auch die Natur ist nicht nur für unsere Analyse da und wird nicht nur durch diese erschöpft, aber das Ganze, welches wir hier gewahren, bleibt für uns unverständlich, dagegen strebt unser gesamtes moralisches Vermögen, streben die schönsten und höchsten Fähigkeiten in uns zu der Erweiterung unseres Selbst hin in dem Nachverständnis fremder geistiger Individualitäten. Es gibt im Verhältnis des Men-
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sehen zu der Gesellschaft, in welcher er lebt, einen durchgreifenden Unterschied. Wie der von Tagesgeschäften eingenommene Mensch in den Bäumen und Gebäuden, an denen er vorüberschreitet, nur Zeichen seines Weges hat, so verhält sich der von persönlichen Interessen, sei es des egoistischen Willens oder der praktischen Absichten, erfüllte Mensch zu der Gesellschaft, in welcher er lebt; [dagegen:] freie Ansicht.
Siebentes Kapitel172 Auslegung von Charakteren Kritik von Auslegungen. Historische Beispiele berühmter Charakteristiken. Deduktiv eingeführte Tatsachen. Uber Motive ist der Mensch selbst im Zweifel. Die Handlungen sind das wirkliche Ergebnis des Verhältnisses von Motiven zueinander. Aber nur da, wo sie nicht unter dem Einfluß des momentanen Impulses stehn. Zusammenordnung der Handlungen in ihrem Verhältnis zu den vorliegenden Bedingungen und Aufgaben ist die grundlegende induktive Operation. Wo der Charakter k l a r ist, ergibt diese ein sicheres Resultat. Wo die Motive nicht etc., da kann die Rechnung nur ein irrationales Resultat ergeben. Die Art, wie ein Charakter anderen erscheint, ist trügerisch.
Achtes Kapitel Auslegung von schriftstellerischen und Kunstwerken (Hermeneutik) Daß in einem Kunstwerk mehr als was Erkenntnisinhalt. Das Schöne ist wahr. Aber Wahrheiten sind nicht schön = in der Schönheit ist mehr als in Wahrheit. Neuntes Kapitel Geschichtsschreibung und Dichtung
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4. Zweites Buch: Aufgabe dieser Analysis Erstes Kapitel — drittes Kapitel Der Zusammenhang der Methoden der Wissenschaften des Menschen und der Gesellschaft, welche abstrakte Wahrheiten aufstellen 1. Diese Wahrheiten sollen für die Praxis leitend sein, dürfen daher mit keiner Metaphysik gemischt sein, sondern gehören der Klasse der exakten Wissenschaften an. 2. Und zwar sind die Methoden derselben, welche bisher aufgestellt worden, in Deutschland zu spekulativ, in England zu roh. Leitend muß der Gesichtspunkt sein, d a ß es ü b e r h a u p t k e i n e K o m b i n a tion von Methoden an sich in e i n e r n o c h nicht konstituierten Wissenschaft g i b t . Geltung des geschichtlichen Standpunktes. Geschichte der Wissenschaft als reinigende Macht gegenüber dem englischen Methodenaberglauben. Methode aus Leistungsfähigkeit in Gegenwart und nächster Zukunft 1 7 3 . 3. Lösung des Problems abhängig von zwei Fragen: 1) [der] gegenwärtigen Tragweite der Psychologie, 2) der Analyse der geschichtlichen Wirklichkeit. Die Analysis des solchergestalt Gegebenen ist auf die Entdeckung der Gesetze der Gesellschaft und Geschichte, d. h. der Koexistenz und Sukzession von Individuen gerichtet. Diese Gesetze wirken zusammen, um das Totalphänomen hervorzubringen, gleichwie die Gesetze der organischen Welt das Totalbild der Tatsachen über lebende Wesen vermöge eines bestimmten Totaleffektes hervorbringen. Diesen Totaleff'ekt hat Darwin in seiner Ansicht von den gesetzlichen Ursachen der Entwicklung der Schöpfung zusammengefaßt. Was er zu begründen hatte, war das sukzessive Hervortreten von Organismen; was dagegen meine Wissenschaft zu begründen hat, ist einerseits der Tatbestand des g e s c h i c h t l i c h e n F o r t s c h r e i t e n s (welcher sich auf immanentem Standpunkt auflöst in den Tatbestand eines stetigen Systems von Zwecken = Gütern der Generationen und in den ihrer sukzessiven Realisation: sonst müßte man entweder annehmen, daß das Menschengeschlecht gegen seinen Willen und sein Bewußtsein von sich selbst einen Zweck realisiere (Kant), oder daß ein solcher entweder nicht stetig existiere oder der, welcher existiere (Glückseligkeit etc.) nicht erreicht werde). Andererseits ist es aber das g a n z e innere Gefüge der geschichtlichen Bewegung und die Stellung der I n d i v i d u e n z u d i e s e m G e f ü g e . Auch hier werden wir die Analysis nicht überschreiten durch die Feststellung
Zweites Buch: Aufgabe dieser Analysis
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von Zwecken und Idealen, solange wir unseren S t a n d p u n k t festhalten, den ich als den p s y c h o l o g i s c h e r I m m a n e n z bezeichne, d. h. keine Analysis k a n n aus irgendwelchen generellen Prämissen ein Ideal der Stellung des Individuums im Gesamtgefüge entwickeln, w e l c h e s e t w a s A n d e r e s a l s h ö h e r e s d. h. g r ü n d l i c h e r e s Bewußtsein des Individuums über seinen eigenen psychischen Inhalt wäre. Diese Analysis hat zu ihrem höchsten Ziel nur kompliziertere, wahrere Grundverhältnisse festzustellen, welche die Entwicklung der menschlichen Individua in der Kette der Generationen durchsichtig machen. Auf diese Weise würde endlich die Wissenschaft des Geistes konstituiert. Diese Arbeit f a ß t in sich das Feststellen der Bewegungskräfte, mit Einsicht in die Gesetze, nach denen sie wirken. Andererseits das Zurückführen der Tatbestände auf dieselben. Wäre dies geleistet, so ließe sich audi die Z u k u n f t voraussehen. Dies ist die wahre Unterscheidung der methodischen Vorgänge; die Sonderung philosophischer Fächer, wie sie sich in der Neuzeit gebildet hat, entsprach zu keiner Zeit der Arbeit von K ö p f e n , welche das Ganze der Geisteswissenschaften umfassen wollten, und entspricht ihr audi jetzt nicht. Es ist Analysis und Synthesis, welche zu unterscheiden. Jede Prozedur Comtes ist zunächst, rein genommen, ebenfalls Analysis. D e r T a t s a ch e η i η b e g r i f f d i e s e r A n a l y s i s ist d e r s e l b e f ü r p s y c h o logische, soziale und historische Forschung. Verschied e n s i n d n u r d i e E l e m e n t e , d. h. d i e K r ä f t e , z u s a m t m i t ihren Gesetzen, welche gefunden werden sollen. Die B e w e g u n g s k r ä f t e der G e s c h i c h t e sind k e i n e s w e g s die i n E i n z e l p s y c h o l o g i e gefundenen K r ä f t e und ihre Gesetze. Die Einzelpsychologie geht von der Betrachtung des Individuums als einer E i n z e l k r a f t aus. Dieser Gesichtspunkt m u ß auch den Wert der Einteilungen und Gesetze bestimmen. Psychologie diene nicht mehr der müßigen Selbstbeschauung allein: sie werde Studium der Einzelkraft. N u r soviel ist w a h r an der Vermögenstheorie, als hiermit in Einstimmung ist. Das allgemeine Problem, welches, nachdem die historische Welt anschaulich a u f g e f a ß t ist, n e b e n dieser Auffassung sich darbietet, ist: d e r ursächliche Zusammenhang, in seinen allgemeinen B e z i e h u n g e n , d. h. a l s e i n S y s t e m v o n G e s e t z e n der W i r k u n g e n . Hierin liegt, d a ß in dieser Forschung Alles als Effekt oder K r a f t betrachtet werden muß. Die Effekte dieser K r ä f t e sind nicht (nur) Bewegungen, sondern psychische Inhalte. Sonach unterscheiden sich diese K r ä f t e gänzlich von den mechanischen 174 .
Ε. AUSARBEITUNG DER DESKRIPTIVEN PSYCHOLOGIE (ca. 1880)
1. Entwurf der Abhandlung über die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung I. Die Kontinuität des psychischen Lebens, der status conscientiae und die Abgrenzung psychischer Akte und Zustände. II. Die Zurückführung dieser Mannigfaltigkeit auf psychologische Klassenbegriffe. Begriff eines Bestandteils, der überall als derselbe wiederkehrt, daher verallgemeinert wird. So blau, bestimmter Ton, Zorn, Genügen etc. Das Problem muß ebenfalls genetisch behandelt werden und ist für die bloß mechanistische Psychologie unauflöslich. Die psychischen Akte beginnen nicht mit den bestimmten Unterscheidungen, welche wir als die psychischen Einzeltatsachen im ausgebildeten Bewußtsein vorfinden und kennen: das Kind hört überhaupt Ton, empfängt [ . . . ] Lichteindrücke, schmeckt, und die ersten Spezifikationen sind mehr die des Widrigen und des Angenehmen als die abgegrenzten sinnlichen Qualitäten. Es bedarf langer Übung und Gewöhnung an Unterscheidungen, soll in das Chaos dieser Sinneseindrücke Licht kommen. Daher bilden gewisse unbestimmte Vorstellungen die Ausgangspunkte der psychischen Erfahrung. Man ist gewöhnt, sie mit den nachgebildeten Allgemeinvorstellungen zu verwechseln, weil diese letzteren sich an die ersteren alsdann anschließen. Wollen, Hassen oder Gnade beweisen, angenehm-widrig, Sehen, Hören, Riechen etc., das sind solche unkonkrete Vorstellungen. Sie bilden den Stamm, an welchem alsdann die genaueren Eindrücke angeschlossen werden. Unterscheide ich alsdann die einzelnen Töne, die besonderen Arten von Schmerzgefühlen, zunächst diese Arten sinnlichen Schmerzgefühls, so lehnen sich solche Unterscheidungen nur an diese Stammvorstellungen an. Dies ist der Erklärungsgrund der Tatsache, daß diese unbestimmten Vorstellungen die Grundlage bilden und die deutlich abgesonderten nur als ihre Spezifikation erscheinen.
Entwurf der Abhandlung über die Mannigfaltigkeit
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G a n z anders verhält es sich da, wo eine nachträgliche Abstraktion weiter zurückgeht zu dem Gemeinsamen, was zunächst von diesen unbestimmten Vorstellungen aus geschieht. So entstehen Allgemeinvorstellungen wie die des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens (deren abstrakter Begriff aus der unbestimmten Vorstellung von Lust und Schmerz abstrahiert ist, während Wille etc.). Es sind sonach ganz verschiedene Ursachen, welche die Ausbildung von Allgemeinvorstellungen auf diesem Gebiete ermöglichen. Der Ausdruck Klassenbegriffe hat etwas Inadäquates, da es sich hier teilweise um eine Spezifikation auf der Basis der unbestimmten Vorstellungen handelt. Ich unterscheide 1. die unbestimmten Vorstellungen, was die Tatsache der Generalisation zur Folge hat, 2. die Tatsache, d a ß Denken das W a h r nehmen voraussetzt, sonach Ein Begriff, der ihm angehört, W e h m u t der Lust und Unlust etc. 3. die Tatsache der Unvergleichbarkeit der drei elementaren Funktionen. Endlich kehren auch die unbestimmten Modifikationen von blau etc. immer wieder, und haben daher eine A r t von Allgemeinheit. Alles was Qualität ist, d. h. jede Modifikation des Psychischen, ist per se ein Wiederkehrendes. Hier gibt es also überhaupt nichts schlechthin Einzelnes. N u r was aus solchem zusammengesetzt wird, ist schlechthin einzeln, dagegen die Komponenten nicht. D a h e r auch was uns als neue Qualität gegenübertritt, uns nicht ein Singuläres ist, sondern ein sich neu darbietendes Allgemeines. I I I . Die f u n d a m e n t a l e Unterscheidung und die drei elementaren psychischen Funktionen. Zu den übrigen Beweisen tritt der von der Verschiedenheit des Verhaltens der drei elementaren Funktionen, welche sich in den Gesetzen des Intellekts, des Gefühls und Wollens ausdrückt [ . . . ] Die Auffassung als Beziehungen der Inhaltlichkeit im Bewußtsein (Brentano) 175 ist nicht haltbar. 1. Sie intellektualisiert den ganzen Prozess. Denn sie sieht von der Inhaltlichkeit aus das Seelenleben an; diese Inhaltlichkeit aber bildet nicht den Kern desselben. 2. Bewußtsein ist doch etwas Reales, zu welchem Inhaltlichkeit in Beziehungen stehen könnte. Setzt man d a f ü r das Selbst, Ich etc., zu welchem Inhalte in Beziehung stehen, ist phänomenologisch richtig, d a ß das Selbst sich diese Inhaltlichkeit als Wirklichkeit im Vorstellen gegenübersetzt. Aber man kann dann nicht sagen, d a ß Vorstellen eine Beziehung zu dieser Inhaltlichkeit wäre: sie wird ja erst im Vorstellen. Vorstellen ist das H a b e n und Gegenüberstellen dieser Inhaltlichkeit.
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Ausarbeitung der deskriptiven Psychologie
Auch Beziehung nirgends aus der [Inhaltlichkeit]. Brentano intellektualistisch-thomistisdi. — Fasse im Gegensatz vom Gefühl aus einmal. Und zwar entspricht dem Vorstellen der Gegenstand. Das Problem des Gegenstandes aber ist die Orientierung im Raum. Ich will nicht sagen die Ausdehnung. Dies der Fehler von Bain 176 (p. 38). Alles was in räumliche Beziehung und Orientierung eintritt, ist dadurch vorgestellt. Im Gegensatz zu dem Innewerden eines Willensaktes oder Gemütszustandes, welcher ohne Vorstellen stattfinden kann 177. Die drei Bestandteile sind verschieden und lassen sich nicht aufeinander zurückführen. Der Sinn hiervon ist nicht, daß der eine Bestandteil nicht kann so zugrunde gelegt werden, daß die anderen aus ihm abgeleitet würden. Denn in diesem Sinne kann auch aus Wahrnehmung nicht Reproduktion, aus dieser nicht Denken abgeleitet werden. "Wenn ich vom Fühlen ausgehe, so kann ich das Mitleid nidht ableiten, das Rechtsbewußtsein auch nicht. Kurz, eine ganze explizite Organisation müßte ich so annehmen. Entweder man versteht unter Ableiten Angabe der Bedingungen, unter denen a regelmäßig in b übergeht. Alsdann kann dies geleistet werden. Denn eine Inhaltlichkeit im Bewußtsein tritt unter bestimmten Umständen in die Beziehung des Willensaktes b c etc. Oder man versteht unter Ableiten ein Erklären. Man verlangt zu wissen, wie Vorstellungen etc. es machen, um in Gefühle überzugehen. Alsdann findet man sich überhaupt einer, wie wir gesehen haben, unlösbaren Frage gegenüber. Zwar können wir die Bedingungen angeben, unter denen der menschliche Sehapparat rot, blau sieht, aber warum er unter diesen Bedingungen zu einer anderen Qualität übergeht, ist unerfindlich. Geht man nun, absehend von den Inhalten, auf die Tätigkeitsweise, dann ist Schamgefühl, Zorn, jedes etwas Qualitatives. Wir könnten uns nun eine Seele denken, welche lauter Gefühl der Selbsterhaltung, wie sie Spinoza konstruiert hat. N u n ist kein Zweifel, daß er nicht darlegen konnte, wie diese es macht, unlustig zu sein. Man könnte sich eine Seele denken unbewußt. Problem Rechtsgefühl. Man könnte usw. IV. Das Vorkommen der drei elementaren Funktionen in allen Bewußtseinsständen. Sonach stellen sich diese drei elementaren Funktionen als der psychische Lebensprozeß selber nach seinen verschiedenen Seiten dar. Jede psychische Tatsache ist nur ein Bestandteil dieses Lebensprozesses, so jeder Gemütszustand, den ein Durchschnitt zeigt etc.
Entwurf der Abhandlung über die Mannigfaltigkeit.
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Es gibt also nicht außerhalb dieses Lebensprozesses Bewußtseinstatsachen, sondern diese sind Momente, Teile des Lebensprozesses selber. Die von H e r b a r t ausgehende Hypothese w a r Zurückführung dieses in uns erfahrbaren Lebensprozesses auf angenommene Elemente, die konstant und unvergänglich. H e r b a r t bediente sich einiger auffallender Tatsachen der Erinnerung, um die sonderbare Hypothese zu wagen, d a ß jede Vorstellung unvergänglich sei. In Wirklichkeit gehören die psychischen Prozesse dem Entstehenden und Vergehenden an. Dieses sind in der N a t u r o r d n u n g die Formen der Bewegung. Der Lebensprozeß ist nicht diesen, wie die Naturalisten wollen, unterzuordnen, aber er ist koordiniert und analog. Wie audi Hegel [ . . . ] : auch die reproduzierbaren Vorstellungen sind eine Art von Leben oder Bewegung, nicht tote kleine Substanzen. So schließt sich die Anschauung des psychologischen Prozesses an die des physiologischen. Für diese Lehre k a n n überhaupt nur ein P u n k t infrage kommen; er bildet die einzige bedeutende Instanz gegen dieselbe. Willensakte treten innerhalb des Bewußtseins auf und verschwinden und sie scheinen voneinander getrennt durch Zeiträume, in denen der Wille sozusagen zu ruhen, zu pausieren scheint. Man hat diese Tatsache benutzt, um einen willensfreien Intellekt zu schildern etc.. Die erinnernde Beobachtung des eigenen Innern, hier das einzige Hilfsmittel der Entscheidung, beweist, d a ß in der T a t Willensakte in uns durch solche Zeitteile unterbrochen werden, in welchen Beobachtung des Erinnerungsbildes keine Willensaktion mehr zu entdecken vermag. N u n könnte man z w e i H y p o t h e s e n bilden. Entweder man nimmt an, d a ß in der T a t nicht nur die Willensaktion, sondern der Bestandteil des psychischen Lebens, den wir Willen nennen, pausiert, d. h. gar nicht mehr da ist und erst wieder entsteht. Eine solche Hypothese w ü r d e einschließen, d a ß dieser als Wille bezeichnete Bestandteil eine Folgeerscheinung sei, die an einem von ihr verschiedenen Zusammenhang a u f träte. Möchte nun dieser Zusammenhang als ein psychischer, etwa ein Vorstellungsinbegriff, oder als ein physiologischer gedacht werden: es würde das folgerichtig den Willen, im Widerspruch mit dem tiefsten menschlichen Erlebnis, tief herabmindern. Unvereinbarkeit mit dem Empirischen. Die andere Auffassung, welche etwas der Willensaktion zugrunde liegendes Gleichartiges auch in solchen Momenten f o r t d a u e r n d denkt, findet sich mit Tatsachen in Übereinstimmung, welche schwerlich sonst eine Erklärung finden würden. Was wir Realität nennen, ist nichts anderes als ein Bewußtsein der Einschränkung unseres Selbst durch eine Außenwelt, welche zu-
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nächst im Druck auf eine unmittelbare Weise erlebt wird m . Daher unterscheidet sich durchaus dieses Bewußtsein, mit welchem wir ein Kunstwerk betrachten oder die ursprüngliche Gestalt ästhetischer Stimmung (denn nur sekundär lernen wir Menschen und Natur wie ein Kunstwerk betrachten) von der Erfahrung der Wirklichkeit gegenüber durch die Freiheit, welche wir dem Objekt gegenüber empfinden. Diese so oft betonte ästhetische Verfassung erklärt sich zunächst hieraus. Es gibt alsdann solche Zustände, in welchen wir unter Einwirkungen von Reizen der Wirklichkeit oder der Kunst stehen — wie ein Anhören eines Musikstückes — , in welchem wir sozusagen fortgezogen werden; dies geschieht aber, ohne daß wir uns unter einem drückenden Zwang fänden; vielmehr ist ein Streben nach Veränderungen der Vorstellungen in der begonnenen Art, d. h. also nach Fortdauer dieses Wechsels angenehmer Vorstellungen vorhanden; so ist in uns ein leises Verlangen, sich dem erstbesten Eindruck entgegenstrekkend: daher kommt, daß, solange dieser Zustand dauert, er noch nicht neutralisiert ist, das Aufhören der Eindrücke als gegen unseren Willen eintretend von uns empfunden wird. Es gibt wieder andre Zustände, in denen ebenfalls ein eigener Willensakt nicht stattfindet, dagegen ein sich gegen das Zwingende der Verhältnisse Stemmen in uns innegeworden wird. D a ß Wille nicht bloß im Akt vorkommt, zeigt ζ. B. die Stupefaktion, in welcher wir gar nicht wahrnehmen, sonach gar nicht durch einen Akt konstruieren, audi selbstverständlich nicht wollen. Dennoch ist in diesem Zustande die Anwesenheit des Willens nachzuweisen. Denn dieser Zustand, in welchem ich von der Gewalt des Eindrucks erschüttert bin, wird nicht bloß als Mißverhältnis zwischen Reiz und Fassungsvermögen gefühlt, sondern die Gewalt eines Einwirkenden wird im Willen erfahren. Hiervon ist der Beweis das Erschrecken, das mit dem Zustande verbunden ist und dessen Beschaffenheit demjenigen ganz analog ist, welches eine Gefahr für unsere Selbsterhaltung in sich faßt und mit ihr entspringt. Denn niemand kann dies Erschrecken daraus künstlich erklären, daß wir gewohnheitsmäßig das Bewußtsein von Gefahr mit solchen plötzlichen Eindrücken verbinden. So oft auch diese Assoziation hinzutritt, sie ist nicht das Primäre! V. Die drei elementaren Funktionen konstituieren die Bewußtseinszustände, welche Gruppen bilden, die unmerklich ineinander übergehen und deren am meisten charakteristische Gestalten als Intelligenz, Gefühlsleben, Wille a potiori bezeichnet werden. Das Verhältnis dieser drei elementaren Funktionen zueinander innerhalb dieser verschiedenen status c o n s c i e n t i a e i s t n i c h t direkt e r k e n n b a r ; jedoch ist es a l s E r l e b n i s da, wir werden seiner inne
Die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung
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und verstehen von i h m a u s d e n f u n d a m e n t a l e n Z u s a m m e n h a n g in a l l e m L e b e n d i g e n . Das eigentliche Ergebnis muß noch näher bestimmt werden. Hiermit stimmt überein, daß in allen psychologischen Konstruktionen eine Wahrheit ist, nur einseitig verallgemeinert. Denn jede Art, das innere Verhältnis dieser drei Elementaren zu konstruieren, ruht auf Erlebnis, Erfahrung. Wir verstünden nicht, wie es in einer andern Seele zugeht, käme sie uns nicht zu Hilfe. Daher können diese Standpunkte benutzt werden, den Inhalt der Erfahrung sich zu verdeutlichen. Die Poesie selber stellt diese inneren Übergänge, zumal im Drama, in diesem besonders im Monolog, dar. Der Standpunkt, welcher vom Gefühl den Willen bestimmen läßt, scheint dem zu widersprechen, welcher die Einsicht 179 den Willen leiten läßt. Beiden steht die entgegen, die das Gefühl zu einer bloßen Bewußtseinsform von Willenszuständen macht.
2. Die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung I. Die Kontinuität des psychischen Lebens, der status conscientiae und die Abgrenzung psychischer Akte und Vorgänge Ich nehme Fragen wieder auf, welche uns durch die vorhergehenden Untersuchungen 180 begleitet haben und für deren Beantwortung in diesen nunmehr neue Hilfsmittel gewonnen sind. — Unter den Bedingungen des Bewußtseins stehen mannigfache wechselnde Zustände, Vorgänge, Tatsachen. Indem wir diese Zustände zergliedern und miteinander vergleichen, gelangen wir zu einfacheren Elementen und Formen des psychischen Lebens. Indem wir ihre Koexistenz und Aufeinanderfolge auf allgemeinere Formen von Beziehung, ja womöglich Gründe derselben zurückzuführen suchen, finden wir die Regelmäßigkeiten des inneren Zusammenhangs, die im psychischen Leben walten. Elemente, Formen, Gesetze dieser einzelnen Tatsachen des psychischen Lebens, deren individueller Charakter uns zunächst bei dem Gewahrnehmenden gefangen nimmt, suchen wir. Analysis ist unsere Operation. Etwas anderes wäre, eine Entwicklungsgeschichte des psychischen Lebens, gestützt auf das vergleichende Studium der Tierwelt, der niederen Kulturstufen, der Entwicklungsanfänge des Menschen zu ver-
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suchen. Dies würde über die Aufgabe der deskriptiven Psychologie und ihr Hilfsmittel, die Analysis, in die der erklärenden Psychologie und in die Methode einer Ableitung aus Hypothesen der Metaphysik hinüberführen. Gerade diese Untersuchung wird die Gründe einer solchen Zurückhaltung entwickeln, im Gegensatz zu der herrschenden Tendenz der gegenwärtigen Psychologie. Die erste Frage am Eingang dieser neuen Untersuchungen ist auf die Abgrenzung dessen, was als ein Mannigfaltiges uns im psychischen Leben gegeben ist, gerichtet. Es kann nicht ausreichen, wenn die im Leben gebildeten Vorstellungen von Akten, Zuständen, Vorgängen, Tatsachen des psychischen Lebens zugrunde gelegt werden. Wir knüpfen an die Untersuchungen über die Einheit des Bewußtseins und den Begriff des psychischen Aktes [an], um zu wissenschaftlich bestimmten Begriffen zu gelangen. Die herrschende Psychologie bedarf dieser Untersuchung nicht. Denn wie sie von dem Studium der Beziehung zwischen dem Reiz und dem innerpsychischen Vorgang ausgegangen ist, hat sie den Begriff der Empfindung als eines dem Reizelement Korrespondierenden gebildet. Die Empfindung legt sie als Element zugrunde. Aus Empfindungen baut sie das Seelenleben auf. Dieser Begriff bezeichnet aber kein psychisches Erlebnis. Sein Wert als Abstraktion bleibt zu untersuchen. Denn was als Reiz im Endapparat des Sinnesorgans gesondert vorliegt, dem entspricht darum noch nicht im psychischen Lebensprozeß eine absonderbare psychische Tatsache: Empfindung. Die innerpsychische Einheit ist dasjenige Ganze, welches in der Einheit des Bewußtseins verbunden ist. D a nun im Fortgang des Lebens vorwärts Bestandteile in diese Einheit eintreten, nach rückwärts aber sich in Dunkel verlieren, so ist in der Kontinuität des Lebensprozesses kein Abgesondertes; nur die Inhalte grenzen sich voneinander ab, welche das Bewußtsein enthält. Diese Einheit des Bewußtseins bildet empirisch in einem gegebenen Augenblick den psychischen Zustand. Diesen Zustand nennen wir Lebensmoment, da das Leben durch den im Selbstbewußtsein gegebenen Gegensatz von Ich und Welt gesetzt ist. Als Erfahrungstatsache, nicht als Abstraktion erfüllt er eine Zeit, in welcher der Blick der Aufmerksamkeit die eigene Zuständlichkeit ergreift. Somit nähert er sich nur bis auf einen gewissen Punkt der Abstraktion eines Querdurchschnittes durch das Leben. Was in ihm gegeben ist, nennen wir status conscientiae. Diese status conscientiae bilden ein Totum. Aber wir können aus ihnen so wenig das Leben zusammensetzen, als aus Punkten die Linie. Wenn die Untersuchung die Tatsachen des Bewußtseins zergliedert, so kann sie nur
Die M a n n i g f a l t i g k e i t des psychischen Lebens u n d ihre E i n t e i l u n g
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in einfachere Tatsachen des Bewußtseins zergliedern. Sie kann also nicht äußere Tatsachen als solche zum Ausgangspunkte nehmen, um Elemente innerer durch sie zu bestimmen. Dies ist der Grundfehler der von der Psychophysik geleiteten Psychologie. Die einfachsten Tatsachen des Bewußtseins sind aber diejenigen, welche ausgesondert und f ü r sich vorgestellt werden können. Solche k a n n man als einfache Vorstellungen unterscheiden Ιβ1 . Ich unterscheide also T a t s a c h e n d e s B e w u ß t s e i n s , d i e f ü r sich vorgestellt werden können, von solchen, die f ü r s i c h e x i s t i e r e n k ö n n e n . Über diese zwei Klassen von Elementen k a n n nicht zurückgegangen werden. Die einen, die einfachen Vorstellungen, sind aber nur einfache Tatsachen der Abstraktion, die andern, die Durchschnitte des lebendigen Bewußtseins, sind einfache Tatsachen der Wirklichkeit, da sie ein in der Einheit des Bewußtseins verbundenes T o t u m enthalten. Daher beginnt der I r r t u m , indem man die einfadie Vorstellung als einen Bewußtseinsakt betrachtet. W a s in e i n e m Bewußtseinsakte absichtlich gesondert werden kann und so vorgestellt [wird], das bildet deswegen nicht überall e i n e n B e w u ß t s e i n s a k t . H i e r ist der Fehler, d a ß man die Identität der Inhaltlichkeit als eine Identität des Bewußtseinsaktes behandelt. Jedoch besteht auch in dem Fall absichtlicher Isolierung nicht der Ton als solcher f ü r sich, sondern im Zusammenhang eines Willensaktes ist er vorgestellt. U n d andererseits: stellt m a n sich ein Musikstück vor, so können, ja müssen in ihrer Beziehung mehrere Töne zusammen vorgestellt werden in einem psychischen Akte. Aus diesem Verhältnis ergibt sich das Grundgesetz f ü r die Beziehungen solcher einfachen Vorstellungen zueinander, d. h. d i e r i c h t i g e A u f f a s s u n g d e s A s s ο ζ i a t i ο η s g e s e t ζ e s. Die Vorstellungen als solche sind nur Bestandteile psychischer Akte, und sonach r u f t der Bestandteil, welcher als Inhalt im neuen psychischen A k t e ausgesondert wird, den früheren psychischen A k t zurück, d. h. die Vorstellung ist nur der identifizierte Bestandteil, welcher die Reproduktion vermittelt; d. h. Reproduktion beruht gar nicht auf dem, was man als Assoziation bezeichnet. Sonach ist es unmöglich, die einfachen Vorstellungen als psychische Elemente zu behandeln. Wir haben weder in den Empfindungen noch in den einfachen Vorstellungen Einheiten, welche analog dem Atom zugrunde gelegt werden d ü r f t e n . Wir haben in ihnen nur Abstraktionen. U n d sonach finden wir uns genötigt, wenn die Frage realer Elemente des psychischen Lebens aufgeworfen wird, von dem status conscientiae auszugehen
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und diesen klaren Begriff in Beziehung zu den früheren Erörterungen über die Einheit des Bewußtseins und den psychischen A k t zu setzen. Verbleibt man ganz auf dem Standpunkte der Auffassung des psychischen Vorgangs selber, s o s e t z t d i e s e r z w a r Einheiten, aber er b e s t e h t n i c h t a u s E i n h e i t e n . Das Vorstellen unterscheidet voneinander einzelne Einheiten, Dinge, Qualitäten, je nach seiner Richtung, jedoch ist es nicht, indem es das tut, aus solchen Einheiten bestehend. Dies geht daraus hervor, daß der Vorgang des Unterscheidens nur durch ein Vergleichen, also ein Beziehen im Bewußtsein stattfindet, ebenso die gezählte Mehrheit ist ja ein Zusammenfassen, in welchem U n terschiedenes gesetzt wird. Ich vernehme die Schläge einer U h r ; hier geht die Kontinuität des Bewußtseins von Eindruck zu Eindruckslosigkeit in der Gegenwart mit Einschluß des Eindrucks in die Einheit des Bewußtseins voran; es ist eine Sache des Bewußtseins, wieviel dasselbe in seine Einheit faßt. Sigwart richtig I I , 3 1 : „Wir können eines der hier gedruckten Wörter als Eins ansehen, indem wir eine Mannigfaltigkeit von Buchstaben doch in einem abschließenden Akte zu einem Bilde vereinigen und es von den benachbarten Bildern trennen, wir können es als Vielheit ansehen etc." 1 8 2 Diese Unterscheidung tiefer zu begründen, bestimmen wir zunächst das Verhältnis der Empfindung als eines Teilinhaltes, der sich different abhebt von anderen, zu dem Bewußtseinsvorgang. Die Empfindung als solche, welche sich im Bewußtsein von einer anderen abhebt, ja der Empfindungszustand α im Moment a, der sich von dem β im Moment b abhebt, bildet nicht einen besonderen Akt des Bewußtseins; es ist nicht ein in sich beschlossener Bewußtseinsakt, vermöge dessen der Empfindungszustand a des Momentes a konstituiert wird, im Gegensatz zu β in b. Ich lausche auf den Gesang eines Vogels; hier trenne ich vermöge der ineinandergezogene Töne gar nicht die Töne voneinander, sondern innerhalb des Umfangs von Einheit des Bewußtseins b e s t e h t n u r e i n Eindruck. Dagegen wo Töne in längeren Zwischenräumen scharf abgehoben wie auf der Orgel sich folgen, wird in den meisten Fällen jeder eine Einheit bilden. Ich durcheile eine philosophische Seite, in welcher die Wortbilder mir vertraut sind: hier bildet nicht der einzelne Buchstabe einen einzelnen Eindruck, während dies, wenn ich einen Druckbogen korrigiere, der Fall sein kann. A l s o n i c h t j e d e m U b e r g a n g v o n e i n e r Empfind u n g in e i n e v o n i h r in d e r P e r z e p t i o n u n t e r s c h i e d e n e e n t s p r i c h t der Beginn eines neuen psychischen A k t e s . Wir unterscheiden zwischen dem möglichen, ein Minimum von Vorstellung enthaltenden Bewußtseinsakte und dem in ihm enthaltenen und durch Aufmerksamkeit sozusagen isolierbaren Vorstellungsminimum. Die-
Die Mannigfaltigkeit des psydiisdien Lebens und ihre Einteilung
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ses Minimum bildet die Grenze des Vorstellens und kann daher in gewissem Sinne als Element bezeichnet werden. Aber da das Vorstellen vermöge der immer in ihm vorhandenen Aufmerksamkeit, also Willensaktion in der Beziehung von Inhalt und Umfang variabel ist: so kann im Moment a ein Vorstellungsakt ein solches Minimum = α enthalten, in dem b breitet sich das Vorstellen über einen viel größeren Umfang aus. Sonach ist der Vorstellungsinhalt, den ein Akt befaßt, variabel. Wir versuchen nunmehr, das schwierigere Verhältnis zu bestimmen, welches zwischen dem psychischen Vorgang und der Setzung der Einheit eines Gegenstandes stattfindet. An diesem Punkte hat Sigwart, mit welchem sich in Widerspruch zu wissen stets sehr verdächtig machen muß, den Akt als dasjenige, was die Einheit des Gegenstandes konstituiert und abgrenzt, betrachtet. „Alles was wir im sinnlichen Gebiete als Eins setzen, scheidet sich ja durch einen solchen abschließenden und zusammenfassenden Akt erst aus dem Kontinuum aus; der einzelne Ton aus dem Kontinuum der Zeit, die einzelne Gestalt aus dem Kontinuum des Raumes" 183. Ein solcher Akt müßte sich als solcher abgrenzen von dem folgenden Akte. Dies kann in der Tat, wie wir sehen werden, unter gewissen Umständen eintreten. Aber die Tatsache der Setzung eines Einen setzt dies nicht voraus. Ich durchlaufe eine Reihe von Soldaten. Alsdann ist ein kontinuierlicher Ubergang des Aktes von einer Gestalt zur andern. Auch wenn ich den einen vom anderen trenne, ist in dem Vorgang eine solche Trennung nicht. Vielmehr kommen Momente in ihm vor, welche eben diesen Ubergang in sich enthalten, ja eben das Trennen ist der Inhalt desjenigen Momentes, in welchem das Bild in seiner Umzeichnung durchlaufen ist und der entsprechende und doch koexistierende Arm oder Fuß des nächsten Soldaten in den musternden Blick der Aufmerksamkeit tritt; hier beziehe ich, indem ich unterscheide. Aber den Schein, auf dem eine solche Ineinssetzung beruht, begünstigt, daß in demjenigen Akte, vermöge dessen wir eine Gestalt zuerst mustern, als Einheit fassen und einer Allgemeinvorstellung als Eines unterordnen, ein Abschluß in dieser Ineinssetzung, Bezeichnung vorliegt, vermöge dessen der Fortgang des Auffassens unterbrochen ist und nunmehr wieder aufgenommen werden muß. Dies leitet auf denjenigen Tatbestand, in welchem, was wir als psychischen Akt bezeichnen können, sich abhebt von dem Bewußtseinszusammenhang. Wir bestimmen nunmehr positiv, welches das Verhältnis im Bewußtsein sei, vermöge dessen ein Akt desselben auftritt. Kontinuität des Bewußtseins war eine Folgetatsache der Einheit des Bewußtseins. Die Zeit ist in der Einheit des Bewußtseins nicht unterschieden und sonach aufgegangen in eine Gegenwart, die aber nicht zeitlos ist,
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sondern das Bewußtsein der Zeit entsteht gar nicht, sondern ist schon in dem Eindruck als solchem. Das Selbstbewußtsein ist eine Korrelattatsache der Einheit des Bewußtseins. Was ihm zugrunde liegt, hat die Einheit des Bewußtseins zur Folge, und die Einheit des Bewußtseins ist die allgemeine Form, in welcher ein Selbstbewußtsein das Mannigfaltige besitzt. Das letzte Wort [zu] dieser einfachen Ansicht des Sachverhaltes kann erst durch die Untersuchung der Zeit und des in ihr gegründeten Begriffes der Gegenwart vorbereitet werden. Die Kontinuität des Bewußtseins erfährt nun eine Unterbrechung, abstrakt genommen, nur durch Zustände der Bewußtlosigkeit, und so angesehen wäre jeder Tag ein neuer Lebensakt 184 . Dagegen wird der Wechsel in der psychischen Lebensäußerung da empfunden, wo ihre gleichmäßige Betätigung entweder ihr Ziel erreicht oder durch eine andere unterbrochen wird, welche den Faden gewaltsam abreißt. Und zwar erreicht die Lebensäußerung ihr Ziel und wird von einer ihr verschiedenen abgelöst in Fällen, die wir zuerst uns einzeln vorstellen, um sie dann zu verallgemeinern. Sooft eine Wahrnehmung Vorstellungen eingeordnet und als Zeichen für sie das Wort innerlich oder äußerlich ausgesprochen wird, pflegt ein gesetzmäßiger Vorgang seinen Abschluß erreicht zu haben: der Wahrnehmungsakt ist geschlossen. Sooft aus Vergleichungen ein Urteil hervortritt und sich in Worten fixiert — und sooft der Antrieb in Bewegung endigt — Erwägung von Antrieben im Entschluß. Wo nun der Bestandteil der Bewußtseinskontinuität ein überschaubares Ganze zeigt, nennen wir, was in ihm so befaßt ist, einen psychischen Akt — indem wir den inneren Antrieb, welcher sich in ihm vollendet, im Wort herausheben. Wo dagegen ein Wechsel von außen herbeigeführt worden ist, eine Vorstellung schwindet, weil eine Wahrnehmung sie verdrängt, eine Wahrnehmung durch den Wechsel der Bewegungen an uns als rascher Eindruck vorübergeführt worden ist: da werden ebenfalls überschaubare Ganze entstehen, die aber einen mehr zufälligen Abschluß in ihren Grenzen besitzen, da sprechen wir von einem Vorgang, einer Tatsache des Bewußtseins. II. Das Mannigfaltige des Seelenlebens und seine Zurückführung auf eine möglichst geringe Zahl fundamentaler Unterscheidungen 185 1. Verschiedenheit des Problems von dem entsprechenden der Naturwissenschaft. Diese Verschiedenheiten können nicht auf quantitative reduziert werden. Die Natur wird so entweder e r k l ä r t oder einer Systematik quantitativer Art eingeordnet und dadurch einer Gesetzgebung für
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äußere Zwecke unterworfen. Weder das eine noch andere ist in bezug auf die Mannigfaltigkeit des Psychisdien vorstellbar. Das Problem der Mannigfaltigkeit in der psychischen Welt ist sehr verschieden von dem in der physischen. Alle diejenigen Forscher, welche an den Wechsel gewisser psydiischer Elemente und ihr Eintreten in verschiedene Bedingungen der Organisation und der äußeren Natur das Spiel der qualitativen Mannigfaltigkeit des Psydiischen knüpfen, stehen unter dem Einfluß einer falschen Analogie, welche die Arbeiten aus dem Gebiet der Naturwissenschaft, die Benutzung der atomistischen Vorstellung, die Entwicklungshypothese darbieten. Wir führen Naturtatsachen, die eine qualitative Verschiedenheit zeigen, aufeinander zurück vermöge einer Reduktion auf das gleichmäßige Element von Bewegungsvorgängen. Gerade die nähere Ausbildung der Theorie von der Erhaltung der Energie stellt hier die Vorstellung vom Naturvorgang vor eine Alternative. Entweder nimmt 188 die allgemeine Theorie der Natur qualitative Veränderungen an: sie betrachtet alsdann die Reduktion auf Bewegungsverhältnisse als ein Hilfsmittel exakter Messung, aber nicht als eine Darstellung des wesentlichen Tatbestandes. Diese Ansicht steht mit der Tendenz der gegenwärtigen Naturwissenschaft im Widerspruch. Die Annahme dieser qualitativen Wandlungen hat Aristoteles und die neuere Naturphilosophie bei ihr in Mißkredit gebracht. Nimmt man inzwischen diese Möglichkeit an, so werden dieselben qualitativen Wandlungen, die auf dem Gebiet der N a tur angenommen werden, auch für das des geistigen Lebens nicht verworfen werden können. Die andere Möglichkeit liegt in der Annahme, daß sich uns in Bewegungsvorgängen und Quantitätsverhältnissen der reale Tatbestand der N a t u r entweder wie er ist, oder symbolisch darstellt. Und daß die qualitativen Wandlungen ein bloßer Schein seien, den die Sinne werfen, diese Annahme setzt ihrerseits voraus, daß das aus dem Reich der N a t u r verbannte Qualitative, die qualitative Existenz und die qualitative Wandlung in dem Reiche des Geistes Geltung habe. Denn den Schein des Qualitativen werfen, das setzt voraus, daß im Bewußtsein ein Übergang von demjenigen Zustande, in welchem eine Qualität perzipiert wird, zu dem stattfinde, in dem eine andere auftritt. N u n aber kann ein solcher Fortgang unmöglich aus bloßen Verschiedenheiten innerhalb eines einfachen psychischen Elementes, wie etwa die Empfindung wäre, die quantitativ wären, abgeleitet werden, denn es müßte sonst wieder ein Bewußtsein hinter das, welchem die Natur erscheint, gesetzt werden, in welchem das geistig Existierende sich spiegelte, wie ja Kant im Grunde angenommen hat. Für dieses Bewußtsein würde dieselbe Unmöglichkeit sich herausstellen — irgendwo in oder außer den Erscheinungen muß der Ubergang aus
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einem qualitativen Zustand in einen anderen, aus den Prinzipien des einen in die 197 des anderen stattfinden. S o n a c h kann das M a n n i g f a l t i g e des p s y c h i s c h e n Lebens nicht auf q u a n t i t a t i v e U n t e r s c h i e d e innerhalb g l e i c h a r t i g e r E l e m e n t e z u r ü c k g e f ü h r t w e r d e n . Fragt man nun nach der Natur von inhaltlich Mannigfaltigem in den psychischen Tatsachen, so ist das M a n n i g f a l t i g e d e s I n h a l t e s v o n d e m des A k t e s w o h l zu u n t e r s c h e i d e n . 2. U n t e r s c h e i d u n g 1 8 8 v o n I n h a l t l i c h k e i t u n d d e m Z u stand oder Tun des Ich, welche das S e l b s t b e w u ß t s e i n in a l l e n p s y c h i s c h e n A k t e n s e t z t , h a t z w e i R e i h e n v o n U n t e r s c h i e d e n zur Folge. A u s d e h n u n g der z w e i t e n . Wenn wir nun die Verschiedenheit innerhalb der Bewußtseinszustände zunächst tatsächlich überblicken wollen, so müssen wir in jedem von ihnen zunächst das Auseinander, die innere Unterscheidung anerkennen, welche das Selbstbewußtsein in ihnen gesetzt hat. In jedem ist eine Inhaltlichkeit, und sie tritt nur in verschiedene Beziehungen zu dem Selbst in dem psychischen Akte oder Vorgang oder Zustand. Es gibt keinen status conscientiae, in welchem das nicht der Fall wäre. Jede Wahrnehmung oder jedes Denken setzt das Objekt dem Subjekt gegenüber und kann mit einem Innewerden des Zustands oder Aktes im Subjekt verbunden sein. Jedes Begehren oder Wollen hat eine Inhaltlichkeit, wie dunkel dieselbe auch in dem ersten erwachenden Triebe vorgestellt sein mag, auf welche der Impuls, die Spannung des Begehrens oder Willens gerichtet ist. Jeder Gefühlszustand wird des eigenen Zustands unter Bedingungen, die eine Inhaltlichkeit bilden, inne. Sonach ist zwischen der Mannigfaltigkeit der Inhaltlichkeit in den psychischen Akten, Zuständen, Vorgängen und der Mannigfaltigkeit dieser letzteren selber zu unterscheiden. Wir fragen, wie weit sich die Verschiedenheit in Bezug auf die letzteren für unsere Auffassung erstreckt. Die äußersten Grenzen werden durch ganz verschiedene Eigenzustände und durch das Ununterscheidbare gebildet. a) D i e V e r s c h i e d e n h e i t d e s p s y c h i s c h e n A k t e s s e l b e r ist uns in einem unmittelbaren Innewerden gegeben. Vermöge desselben unterscheiden wir den Willensakt von dem Vorgang der Wahrnehmung, diesen von dem Urteil. Gleichviel welches der Inhalt dieser psychischen Vorgänge ist, wir werden der Verschiedenheit des Prozesses selber inne. b) Nicht dieselbe Verschiedenheit, welche zwischen dem Willensakt und dem Urteilsakt besteht, finden wir zwischen der P e r z e p t i o n d e r
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r o t e n u n d d e r b l a u e n F a r b e , des Tones einer Geige und einer Posaune 1 8 9 . In diesem letzteren Falle haben wir es nicht mit einer Verschiedenheit des psychischen Aktes, sondern mit einer solchen des Inhaltes zu tun. Dies darf audi nicht als eine eingeschobene und willkürliche psychologische Auslegung betrachtet werden, vielmehr haben wir zugleich das Bewußtsein eines verschiedenen Inhaltes und werden unmittelbar inne der Gleichartigkeit des psychischen Vorgangs, wenn wir nacheinander zwei verschiedene Farben perzipieren. Diese äußersten Grenzen geben einen klaren inneren Befund. Anders aber verhält es sich mit dem Dazwischenliegenden. Oder verhält es sich etwa ebenso, wenn wir die E m p f i n dung eines T o n e s mit der einer F a r b e vergleichen? Ist der Unterschied der Gehörsempfindung und der Gesiditsempfindung nicht demjenigen des Denkaktes und des Willensaktes gleichartig? Ist nicht auch hier eine Verschiedenheit des Aktes, nicht eine des Inhaltes zu gewahren 1 9 0 ? Hier besteht zunächst eine Verschiedenheit des Inhaltes, wie in dem Fall der Vergleichung von zwei Tönen oder Farben Aber zugleich finden wir den psychischen Akt schon vermöge eines Innewerdens der ganz verschiedenen Richtung der Aufmerksamkeit, überhaupt der psychischen Tätigkeit, sowie eine mit dieser verschiedenen topographischen Lokalisation verbundene innere Beschaffenheit des Aktes, dazu abweichende O r gangefühle im Auge und im O h r voneinander verschieden. (Sigwart [ I I ] , 166). Unsere Denkvorgänge gestatten eine klarere Auffassung des psychischen Tatbestandes (Sigwart [ I I ] , 167). Hier ist die Inhaltlichkeit, auf welche sich die Tätigkeit bezieht, schon da, und so hat die Natur selber die Zerlegung nicht nur schon gemacht, sondern hat auch das eine Glied nur außerhalb des Denkens in seiner Inhaltlichkeit wenigstens relativ abgesondert dargeboten. Hier finden wir nun deutlich, daß im Denken selber zwar U n terschiede stattfinden, daß aber dem Wechsel der Inhalte ein Wechsel in der Beschaffenheit des Denkens selber nicht entspricht. Die Zustände des Gemütslebens zeigen unabhängig von den mitvorgestellten Bedingungen eine große Mannigfaltigkeit der psychischen Zuständlichkeit selber. Auch die Gestalten des Willens enthalten nicht bloße U n terschiede der Intensität und des Inhaltes. 3. B e s c h a f f e n h e i t dieser Mannigfaltigkeit, welche e i n e S y s t e m a t i k e r m ö g l i c h t . Es bestehen Grundunterschiede und Spezifikationen derselben. Wenn wir also miteinander dies Mannigfaltige nur in Rücksicht auf das Innewerden einer Verschiedenheit der Akte vergleichen, so finden wir gewisse G r u n d u n t e r s c h i e d e u n d S p e z i f i k a t i o n e n derselben.
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Dieses Verhältnis ist dadurch bedingt, daß das Innewerden des psychischen Vorgangs, wie es sich beständig wiederholt im Spiel der psychischen Mannigfaltigkeit, eine Verwandtschaft zwischen gewissen Vorgängen, Akten zeigt, welche geradezu für einen gewissen habitus in einer Anzahl von Fällen Übereinstimmung enthält. Ich kann in dem psychologischen Begriff des Gewahrwerdens in der Mannigfaltigkeit psychisdier Zustände einen gemeinsamen Zug oder einen Inbegriff von Zügen herausheben, der sich von dem Inbegriff abhebt, der durch den Begriff des Fühlens an dieser Mannigfaltigkeit herausgehoben wird. Wenn ich nun das Innewerden und die äußere Wahrnehmung als Begriffe, die weitere Züge zu dem allgemeineren Inbegriff des Gewahrwerdens hinzufügen, unterscheide, wenn ich alsdann auf diesem Grunde die enger begrenzte Gestalt des Hörens, Sehens verzeichne 1 " 2 : so darf diese psychologische Begriffsbildung niemals den Schein erregen, als sei die Bestimmtheit der Tätigkeit, die wir Sehen nennen, für uns ein Zusammengesetzes; dies gerade liegt in der Mannigfaltigkeit der psychischen Tatsachen besonders deutlich vor Augen, daß was wir so als Sehen, Hören, Liebe, H a ß bezeichnen, als Bestimmungen des Psychischen sich ganz einfach darstellen; so verwickelt die Bedingungen sein können, unter denen sie eintreten: der Affekt des Hasses ist nichts Verwickeltes, die Energie des Sehens ist keine komplexe Tatsache. Aber daß sie so einer Klassifikation eingeordnet werden können, das zeigt: d i e e i n f a c h e p s y c h i s c h e B e s t i m m u n g z e i g t s i c h bei der V e r g l e i c h u n g als mit von ihr u n t e r s c h i e d e n e n z u s a m m e n an einem nun a b z u s o n d e r n d e n G e m e i n s a m e n Anteil habend. 4 [a]. J e d o c h k a n n k e i η p s y c h i s c h e r Z u s t a n d i n d i e B e s t a n d t e i l e , w e l c h e d e n B e d i n g u n g e n g e m ä ß in i h m sind, zerlegt werden. Wir zerlegen auf diese Art nicht in Teile. Niemand kann sagen, daß zu der allgemeinen Tatsache des Affektes im Zorn noch ein ablösbares Besonderes hinzuträte. Es gibt so wenig Affekt als solchen, als es das im Zorn Hinzutretende als solches gibt. Ja niemand kann eine Fuge in der Tatsächlichkeit, die hier verknüpft ist, aufzeigen. W i r z e r l e g e n n u r d u r c h e i n e n A k t v o n A b s t r a k t i o n in B e g r i f f e , w e l c h e b l o ß e Teilinhalte sind. Sonach ist es nicht möglich, inhaltlich die psychischen Zustände so auseinanderzulegen, daß dadurch Klassen und Arten abgegrenzt würden. Ja nur in engerem Gebiet können klare Bilder von Klassen von Bewußtseinszuständen entworfen werden 193.
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Wohl aber können wir die Bedingungen angeben, unter welchen die Energie des Sehens eine rote oder eine blaue Farbe perzipiert. Wir können die Bedingungen angeben, unter denen eine vorhandene Liebe sich in Eifersucht umsetzt, tiefe Enttäuschung im Gefolge hat u . s . w . Leicht glauben Psychologen, d a s i c h d i e p s y c h i s c h e n Z u s t ä n d e a l s s o l c h e n i c h t d e f i n i e r e n l a s s e n , w e i l sie als e i n f a c h e hervortreten, die Bestimmungen, d i e durch die Beding u n g e n ihres E i n t r e t e n s gegeben w e r d e n k ö n n e n , als g ü l t i g e D e f i n i t i o n e n a u f s t e l l e n z u k ö n n e n . In der T a t bildet unsere Phantasie von ihnen aus den Zustand nach. Aber der Zustand liegt nicht in ihnen. Vielmehr die Bedingungen sind ein Reiz, welcher ein einfaches Spezifisches in der Seele h e r v o r r u f t , das erlebt, aber nicht definiert werden kann. Gehen wir von Spinozas Selbsterhaltung aus, so ist die Bedingung ihrer H e m m u n g nur ein Reiz, welcher die Unlust h e r v o r r u f t und daraus, d a ß nun die Vorstellung der Ursache hinzutritt, ist wiederum nur die Bedingung angegeben, unter welcher der H a ß hervortritt. N i e m a n d wird so hölzern sein, den H a ß f ü r einen Schmerzzustand, zu dem die Vorstellung der Ursache hinzutritt, psychisch inhaltlich zu halten. 4b) Die Methoden, die sich so entwickeln, beruhen aber auf einem dritten fundamentalen Verhältnis, welches psychische Tatsachen zeigen, wenn man sie in Rücksicht ihrer Verwandtschaft und U n t e r o r d n u n g der Untersuchung unterzieht. Das erste lag in den qualitativen Verschiedenheiten, die stattfinden, das zweite in ihrer Beziehung zu den wechselnden Bedingungen. Das dritte liegt nun aber darin, d a ß was an sich bei dem Innewerden einfach als qualitative Bestimmung des Aktes erscheint, wenn man vergleichend andere psychische Zustände heranbringt, sich in n i c h t real, aber begrifflich Unterscheidbares auflöst. So ist ja die Reproduktion von dem unmittelbaren A k t e verschieden. Das einfachste Verhältnis dieser A r t ist das einer sinnlichen W a h r n e h m u n g und der reproduzierten Vorstellung dieser Wahrnehmung. U n d der A k t erscheint auch als Vorstellen als ein einfacher. T r o t z d e m enthält derselbe, wenn man die W a h r n e h m u n g vergleicht, daneben etwa Fühlen stellt, entweder eine Tendenz, das einzelne Wahrnehmen, auf das er sich bezog, wieder zu erneuern, ganz wie es w a r : eine Tendenz, die sozusagen nur ihre Grenze findet. O d e r er hat die Tendenz, dem Gemeinsamen bei Absehen [vom Unterscheidenden] die größte Annäherung an die W a h r n e h m u n g zu geben. Kurz, in jedem dieser Fälle finden wir den eigentümlichen Bestandteil: Vorstellen verbunden mit der Tendenz, dem Bestandteil: Wahrnehmen, der seine Grundlage bildet, sich anzunähern.
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5. S o n a c h k ö n n e n d i e s e B e w u ß t s e i n s z u s t ä n d e nur dadurch in deutlich gesonderten Klassen unters c h i e d e n w e r d e n , daß die Inhaltlichkeit mitbenutzt wird. Bei den Wahrnehmungs- und Denkvorgängen ist diese im Inhalt der Akte gegeben, nach welchem gegliedert werden kann. Bei den Gemütszuständen vergleicht man die Bedingungen, unter denen sie auftreten. Bei den Willensakten die Ziele und Effekte, insbesondere in der Außenwelt. U n d zwar lassen sich diese drei Klassen von Inhaltlichkeit als Bedingungen der Wirklichkeit bezeichnen, unter welchen der psychische Vorgang steht. Diese geben dann äußere Stützpunkte für die Anordnung. Denn die Bedingungen stellen sich von selber in gewissen Typen von Beziehungen des Selbst zur Wirklichkeit dar. Spinoza hat solche mit Recht zugrunde gelegt. Wir können dann jedesmal, indem wir mit diesen typischen Bedingungen variieren, die psychische Inhaltlichkeit entstehen lassen und so in uns experimentieren I M . 6. Sonach gründen wir auf beide Reihen die Aufstellung der Grundformen der Bewußtseinszustände, der genauen Angabe der Formen von Bedingungsinbegriffen, unter denen sie auftreten, und so die Einsicht in den inneren Zusammenhang und die Beziehungen dieser Formen von Bewußtseinszuständen untereinander. Beide Reihen sind aber nur der zerlegte, vermöge des Selbstbewußtseins zerlegte Bewußtseinstotalzustand. Wir heben die letzten Grenzen dieser Betrachtungsweisung auf, i η dem wir nunmehr die R e l a t i v i t ä t der Unterscheid u n g d e r I η h a 111 i c h k e i t u n d d e s p s y c h i s c h e n Vorg a n g s e r k e n n e n , wodurch dann die ganze Behandlung dieser Frage, wiefern das Mannigfaltige des psychischen Geschehens unter gewisse Grundbegriffe gebracht werden könne, ihre letzte Gestalt empfängt; denn wer weiß, vielleicht ist dieser Unterschied kein anderer als der von Vorstellen und von Bestimmtheit des Gefühls und Willens? Vielleicht ist die Inhaltlichkeit nur ein anderer Ausdruck für das im Vorstellen Gesetzte, dagegen der Akt oder Zustand nur ein Ausdruck für eine Willens- oder Gefühlsbestimmung? Wir versuchen der Unterscheidung, die wir zwischen Akt und Inhalt gefunden haben, die möglichste Allgemeinheit zu geben. Wenn zwei Inhalte getrennt, wenn eine Tatsache aufgehoben ist, so geschieht jene Trennung durch eine Beziehung, diese Aufhebung ist in einer bestimmten Weise, die Tatsache im Vorstellen, Denken zu behandeln, enthalten. Also in dem Akte selbst wird kein Bestandteil des Aktes aufgehoben, so daß er im Akte
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nicht mehr wäre. In dem Akte findet keine Trennung von Bestandteilen desselben statt. Unser psychisches Leben ist durch die Setzung gebunden, in welcher es Inhaltlichkeit als Realität im Wahrnehmungsvorgang und im Innewerden des Selbst anerkennt. Diese Inhaltlichkeit, als Wirklichkeit, entfaltet sich im Fortgang der Wahrnehmungen. In diese Inhaltlichkeit sind alle Allgemeinvorstellungen, Begriffe, Beziehungen aufgenommen. Sie stehen an ihrer Stelle. Sie gehören dieser räumlichen Ordnung aller Wirklichkeit an, reihen sich in sie ein. Handeln, Denken, Fühlen sind Beziehungen innerhalb des Selbstbewußtseins auf diese Inhaltlichkeit. So sondern sich diese Inhaltlichkeit und die psychischen Akte, durch welche wir denkend, handelnd, fühlend uns auf sie beziehen. So sondern wir audi das Außereinandersein, die Unterschiedenheit in dieser Inhaltlichkeit und unsern psychischen Beziehungsakt, durch welchen wir unterscheiden. Wir sondern, was an der Inhaltlichkeit i s t , und was wir im psychischen Akte t u n . Sonach ist im Vorgang des Selbstbewußtseins gegründet, daß eine Setzung der Wirklichkeit, welche ist, stattfindet, von der diejenigen psychischen Akte ausgeschieden werden, besser: die psychischen Akte i η s o f e r n ausgeschieden werden, als sie nur eine Setzung v e r m i t t e l n , aber nicht eine Setzung sind. Also jede Inhaltlichkeit ist ebenso gut ein Bestandteil der Mannigfaltigkeit der psychischen Tatsachen als jedes Innewerden von psychischen Akten und Zuständen. Wenn wir also Klassen aufstellen, alsdann ist es natürlich eine tatsächliche Verschiedenheit desjenigen Aktes, in welchem rot perzipiert wird, von dem, in welchem grün, was anerkannt werden muß. Es liegt ja gar nichts als die Verschiedenheit des Aktes vor. Aber wir zerlegen die psychischen Verschiedenheiten, indem wir diese eben bezeichnete als eine des Inhaltes gewahren, dagegen kein Innewerden von Verschiedenheit im Vorgang damit verbunden finden. Die nächste Folge der Tatsache, d a ß w i r i m S e l b s t b e w u ß t s e i n das p s y c h i s c h G e g e b e n e in e i n e W i r k l i c h k e i t u n d e i n S e l b s t z e r l e g e n , i s t , d a ß w i r d i e V e r s c h i e d e n h e i t e n , d i e in d i e s e m S e l b s t b e w u ß t s e i n g e g e b e n s i n d , s o f e r n sie n i c h t als solche des V o r g a n g s inne g e w o r d e n w e r d e n , als objektive Verschiedenheiten auffassen. 7. U n d 1 9 5 zwar findet sich doch ein Unterschied in Bezug auf die durch Vergleichung feststellbare spezifische Q u a l i t ä t der einzelnen psychischen Aktionen, Zustände etc., abgesehen von ihrem Inhalt.
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Wir können in Begriffen Bestandteile aussondern, welche zwar nicht für sich vorkommen, jedoch an Akten abgesondert werden können und welche g a r k e i n e V e r g l e i c h b a r k e i t miteinander haben. Dies muß darin gegründet sein, daß sie nichts miteinander gemeinsam haben. Ein soldier Fall liegt vor, wenn ich Vorstellen (nicht eine Vorstellung) mit dem Fühlen vergleiche, welches mit jenem verbunden in den verschiedenen Bewußtseinslagen vorkommt. Die Frage wird also zur fundamentalen in Bezug auf den späteren Fortgang der Untersuchung, w e l c h e u n v e r g l e i c h b a r e n (nicht bloß uηz u r ü c k f ü h r b a r en — Lotze) Ε 1 e m e η t a r b e s t a η d t ei 1 e a u f g e s t e l l t w e r d e n k ö n n e n . Die Tatsache, welche hier vorliegt, ist also nur diese, daß gewisse Unterscheidungen stattfinden, welche gar nichts Vergleichbares darbieten. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß in den einzelnen Fällen oder Klassen derselben, in denen eine solche Unvergleichbarkeit festgestellt wird, die beiden verglichenen Glieder ohne weiteres als allgemeine Tatsache aufgefaßt werden könnten, so daß so drei ganz gleichartige Gebiete entständen. Die psychologische Reflexion findet einen Grundzug, der gänzlich unvergleichbar mit anderen ist, dagegen die mit ihm bezeichneten Glieder der Erfahrungskette in eine Reihe ordnet, ohne daß das Verhältnis ihrer Glieder in Bezug auf die Art und Weise ihrer Verwandtschaft nach bestimmt wäre. Diese Reihen zeigen nun, näher untersucht, bei der Vergleichung eigentümliche Beziehungen. Wahrnehmen, Vorstellen, Urteilen gehören einer solchen Reihe an. Denn stellt man sie dem Fühlen gegenüber, so zeigen sie mit diesem gar keine Vergleichbarkeit, dagegen unter ihnen selber eine Verwandtschaft inne geworden wird. Ich will hier gleich ein Bedenken beseitigen. D a s sinnliche Gefühl, die sinnliche Wahrnehmung, das Begehren enthalten ebenfalls eine Verwandtschaft in sich, dieser Bestandteil von Unmittelbarkeit erscheint unvergleichbar mit dem Bestandteil eines nur ideellen Aktes, der sich auf diesen sinnlichen bezieht, wie er in höheren Gefühlen etc. stattfindet. In der Tat ist auf das Innewerden dieses Unterschiedes die Unterscheidung niederer und höherer Seelenkräfte gegründet worden, welche seit Aristoteles gleichwertig mit jener anderen Unterscheidung von Vorstellen, Fühlen, Wollen (oder wie viele Glieder man dann dieser Unterscheidung gab) gebraucht worden ist. Dennoch besteht eine entscheidende Verschiedenheit zwischen der einen und der anderen Unterscheidung. Eben sie ist geeignet, den Tatbestand
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noch besser aufzuklären. Die Bestandteile, welche in der letzteren Unterscheidung an den Aktionen oder Zuständen bemerkt und einander gegenübergestellt werden, sind nicht einfach irreduzibel und unvergleichbar, sondern der erste bildet einen im zweiten als Voraussetzung enthaltenen, daher wie Hegel treffend über solche Fälle sich ausdrückte, aufgehobenen d. h. in der Abänderung bewahrten Bestandteil. Unsere spätere Untersuchung wird dies ausführlich darlegen, wie im Vorstellen das Wahrnehmen enthalten bleibt, im Denken das Vorstellen. E s w a r e i n e r der tiefgreifendsten Fehler, die Glieder dieses Verh ä l t n i s s e s a b s t r a k t e i n a n d e r g e g e n ü b e r z u s t e l l e n . Dies geschah zuerst in der sokratisch-platonischen Schule und ist der Ursprung eines ganzen Systems von Fiktionen geworden. In jedem Einzelvorstellen ist mit der eigentümlichen Beschaffenheit des Vorstellens, die sich vom Wahrnehmen bei der Vergleichung abhebt, durch die Vergleichung auch sofort die Beziehung auf diese W a h r n e h m u n g und die Tendenz, sich ihr möglichst anzunähern, verbunden. In der Terminologie Kants w a r dies die Beziehung der Vorstellungen auf Gegenstände, welche eine so wichtige Rolle in seinem System spielt. Vergleicht man mit dieser Unterscheidung diejenige, welche ihr auf dem Gebiete des Fühlens an die Seite gesetzt zu werden pflegt, so ist auch von dieser Seite deutlich, wie wenig diese Unterscheidung der, von der wir ausgingen, an die Seite gestellt werden kann. Denn sie läßt sich keineswegs gleichförmig durch die drei Glieder durchführen. Niedere und höhere Gefühle verhalten sich nicht als sinnliches Gefühl und Reproduktion desselben oder Abstraktion aus dieser Reproduktion. Vielmehr ist das höhere Gefühl ein solches, welches sich nicht auf den K ö r p e r und die einfache Selbsterhaltung bezieht, sondern auf die darüber hinausreichenden Bedürfnisse und Zustände des Individuums, deren Verhältnis zu einer w a h r genommenen Wirklichkeit ebenso gut einem höheren Gefühl zugrunde liegen kann als das zu Vorstellungen. Das Gefühl, welches den Tod einer geliebten Person begleitet, nach Aussonderung der niederen Bestandteile, welche die eigene Selbsterhaltung, die Sinne etc. betreffen, ein höheres, wird nicht höher, wenn es die bloße Nachricht von einem solchen Tode begleitet. Nicht anders steht es mit dem Begehren. Sieht man von diesem P u n k t e ab, so findet sich auf dem Gebiet des Fühlens und Begehrens dieselbe Verschiedenheit überhaupt nicht, welche dem des Vorstellens angehört, w e i l es n i c h t e i n f a c h r e p r o d u zierte Gefühle oder Begehrungen gibt. Wohl aber kann, wenn man mit dem ganzen Unterschiede von niederem und höherem Seelenleben bricht, wenn man sich klar macht, d a ß
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derselbe hier selbst für das Wahrnehmen und Vorstellen nicht an seiner Stelle ist, diejenige Verschiedenheit, die wir im Wahrnehmen — Vorstellen aufzeigten, auch in der Welt der Gefühle und Begehrungen aufgezeigt werden. Es ist die Verschiedenheit dessen, was für sich als Vorgang keine weitere Voraussetzung an einem vorhergegangenen Vorgang hinsichtlich seines Kernes hat — denn hinsichtlich der näheren Ausbildung ist keine Wahrnehmung voraussetzungslos — und desjenigen, was als Vorgang sich auf diesen ersteren bezieht und ihn in sich faßt. U n d zwar darf natürlich dies Verhältnis nicht die Inhaltlichkeit dieser beiden Vorgänge betreffen, sondern es muß den qualitativen Gehalt des Fühlens und Begehrens angehen. Die einfadie, irreduzible Elementarfunktion des Begehrens unterscheidet sich von dem Willensentschluß, verbleibt jedodi in ihm als Bestandteil. Ebenso das einfadie sinnliche Gefühl, das einen Ton oder eine Farbe begleiten kann, tritt [zu] einer poetischen Schilderung in weiter Kombination [hinzu]. Sonach dient uns diese Erörterung dazu, indem wir die fallengelassene Frage wieder aufnehmen, die Verwandtschaft näher festzustellen, welche zwischen den Gliedern der bezeichneten Reihe besteht. Vergleichen wir diese Glieder miteinander, dann zeigt sich, daß ihre Verschiedenheiten teils in dem Inhalt mitbedingt sind, der mit der Aktion oder dem Zustand untrennbar verschmolzen ist, teils aber sind wir imstande, eine Verwandtschaft mit Unterschieden des Aktes oder Zustandes als solchen festzustellen. So unterscheidet sich Wahrnehmung von Einzelvorstellung, diese von Allgemeinvorstellung, diese von Urteilen. Hier findet offenbar das schon bezeichnete Enthaltensein statt. Der Akt der Allgemeinvorstellung enthält in sich ein Abstrahieren und doch wieder sich der Wirklichkeit annähern wollen etc. — Kurz, in all diesen Fällen findet die vergleichende Untersuchung in der Tätigkeit selber Unterschiede, welche aber sich auf der Basis der Wahrnehmung aufbauen. In der Welt der Gefühle besteht derselbe Unterschied zwischen den sinnlichen und den aufgrund von Vorstellungen hervortretenden Gefühlen, die man vermöge dieses Merkmals als intellektuelle bezeichnen mag. Die letzteren entstehen auf der Grundlage der ersteren und haben die Tendenz, zur Schärfe sinnlicher Gemeingefühle sich hinsichtlich dieser Grundlage zu fügen 1 9 e . Ebenso verhält es sich mit dem Willen. Das an die Sinnlichkeit gebundene Triebleben bildet die Grundlage moralischer Impulse und Willensentschlüsse. Sonach stellt sich das psychische Leben, vermöge der Methode anhaltender Vergleichung der seine Mannigfaltigkeit bildenden Zustände, dar als
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eine Mehrheit von unreduzierbaren und unvergleichbaren Bestandteilen oder elementaren Funktionen bildend; innerhalb jedes dieser Bestandteile bestehen Reihen, welche eine Verwandtschaft zeigen und innerhalb deren eine Grundlage in den weiteren höheren Bildungen erhalten bleibt. Dies ist der Tatbestand, den Beobachtungen und Vergleichung feststellen. Sonach ist eine natürliche Gliederung in Vorstellen und Sprache entstanden, welche einerseits hiervon geleitet gewesen ist, andererseits anderen Motiven der Klassifikation folgte. Man kann sagen, daß alle Klassifikationen, die sich in der Philosophie entwickelten, hieran sich angelehnt haben. D i e s e r i n n e r e n V e r s c h i e d e n h e i t k o r r e s p o n d i e r t die zeitliche Koexistenz und Sukzession sowie die inneren und äußeren Bedingungen, unter denen die einzelnen Arten von psychischen Akten auftreten. In dieser Korrespondenz liegt d i e V e r i f i k a t i o n dieser natürlichen Gliederung. Wir werden sehen, daß die unreduzierbaren und unvergleichbaren Bestandteile wahrscheinlich gleichmäßig durch das ganze psychische Leben hindurch gehen und in jeder Bewußtseinslage sich finden. Sonach würden diese eigentlichen Komponenten (wenn die Abstraktion gestattet ist) des psyischen Lebens der Bewußtseinslage als solcher, somit dem psychischen Leben überhaupt zukommen. Der inneren Verwandtschaft, welche zwischen den Gliedern in der Reihe dieser Bestandteile besteht, welche die Grundlage bilden von denen, die auf sie gebaut sind, entspricht, daß die zweiten zeitlich auf die ersten gebaut sind und unter den allgemeinen Bedingungen der psychischen Entwicklung auf sie folgen. Diese sind die nächsten und einfachsten Abstraktionen, durch welche die Bestandteile der Bewußtseinslagen näher bestimmt werden. Innerhalb dieser Grundverzeichnung breitet sich die Mannigfaltigkeit des psydiischen Lebens a u s m . Wir leiten nunmehr folgende Sätze ab: 1. Jeder psychische Zustand (status conscientiae) ist eine Tatsache, welche nicht gänzlich auf eine andere zurückgeführt, mit ihr identifiziert werden kann. Dieser Satz darf nicht romantisch mißbraucht werden. Es ist zunächst der Zusammenhang in der räumlich-zeitlichen Anordnung, vermöge dessen er sich unterscheidet. Ob die übrige Bestimmtheit desselben zurückkehren kann, entzieht sich überhaupt der Erkenntnis. Wir haben zuweilen das Gefühl, gerade so schon einmal empfunden zu haben, schon einmal sei dagewesen, was wir nun erleben. Diese Erinnerung trifft gerade außergewöhnliche Momente, deren Erinnerung sich erhalten hat. Sie bezeichnet in erster Linie doch die erinnerte Ähnlichkeit der Bedingungen
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und der Vorstellungsinhaltlichkeit. Der Schluß ist daher nicht berechtigt, weil diese Momente selten sind, eine solche Erfahrung zu einer seltenen Ausnahme zu machen und folgerecht als Schein zu eliminieren. Vielmehr indem ich hier in der Morgenfrühe diese Sätze niederschreibe, brauche ich mir nur zum Bewußtsein bringen, daß gewiß dieser status conscentiae sich nur durch einzelne Inhalte von irgendeinem früheren analogen unterscheide. Jedoch entzieht sich die Feststellung dieses Tatbestandes der Erkenntnis. 2. Jeder status conscientiae kann verschiedene Seiten darbieten, welche an ihm von der Aufmerksamkeit hervorgehoben werden können. So ist die in ihm enthaltene Inhaltlichkeit für sich auffaßbar. Und zwar kann sie ζ. B. einen Wahrnehmungsbestand unterschieden von einem VorstellungsDenkbestand enthalten. Blicke ich nachdenkend über ein Problem aus dem Fenster, so ist dies augenscheinlich. Von dieser Inhaltlichkeit, die für sich auffaßbar ist, ist der psychische Akt oder Zustand unterschieden; aber auch an ihm können durch die Aufmerksamkeit mindestens zwei Seiten gesondert werden. Ein Willensakt kann stattfinden und ich kann seiner inne werden, während ich zugleich einen sinnlichen Schmerz habe. 3. Wir haben früher gesehen, daß eine Teilung dieses status, so daß zwei Richtungen der Aufmerksamkeit stattfänden, nicht stattfinden kann. Das Bewußtsein wirkt sozusagen von einem Zentrum aus in einer bestimmten Richtung mit seiner ganzen Stärke und nimmt ab ringsum in Bezug auf diese. Jedoch kann in demselben status conscientiae ein nicht in den Sinnen gelegener Zustand oder Akt mit sinnlichem Gewahrwerden, Gefühl oder Begehren ä u ß e r l i c h v e r b u n d e n s e i n . Der auf dem V o r s t e l l e n b e r u h e n d e u n s i n n l i c h e Z u s t a n d kann n u r e i n e r s e i n ; d e r s i n n l i c h e k a n n in e i n e ä u ß e r l i c h v e r b u n d e n e M e h r h e i t a u s e i η a η d e r f a 11 e n . 4. Das, was solchergestalt in dem status conscientiae als ganz Ablösbares, sonach als ein in ihm Gegebenes, relativ Selbständiges enthalten ist, stellt sich als ein Einfaches dar, welches nicht durch Zusammensetzung erklärt werden kann. So stellen sich also d i e e i n z e l n e n G e f ü h l e , Affekte, Denkakte, W i l l e n s a k t e als e i n f a c h e Tats a c h e n d a r . Sie für sich genommen würden die Möglichkeit einer Reduktion ausschließen. 5. Das Verhältnis der psychischen Zustände und Akte ist also das einer Gliederung, in welcher unterschiedene, allgemeine Züge aufgrund von Bedingungen sich spezialisieren. Diese Auffassung unterscheidet sich von der herrschenden an zwei Punkten. Einmal erscheint es unmöglich, einen Grundzug, eine Art und Weise des Psychischen zu sein, an den Anfang zu
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stellen. Alsdann kann nicht durch das Hinzutreten von Bedingungen (der Organisation und der Außenwelt) ein folgendes psychisches Phänomen abgeleitet werden, sondern diese Bedingungen enthalten hinzutretende Gründe, unter welchen eine neue, einfache, aus dem Vorigen nicht ableitbare psychische Tatsache a u f t r i t t . Besteht also in der erklärenden Psychologie die Neigung, einen einfachen psychischen Anfangszustand evolutionistisch vermöge der Bedingungen der aufsteigenden Organisation und der sich komplizierenden Außenwelt zu weiteren Wandlungen und komplexen Tatsachen gelangen zu lassen, so fehlt innerhalb der Psychologie jede wissenschaftliche Begründung einer solchen Ansicht. 6. Selbst Erscheinungen, die erst in der Wechselwirkung der Individuen auftreten, wie das Rechtsgefühl, d. h. die psychologische Grundlage des Rechts im Individuum, treten alsdann als einfache Zustände oder Akte auf. 7. So ist das Psychische eine Mannigfaltigkeit von Zuständen, w e l c h e nicht auseinander abgeleitet werden können, deren Systematik jedoch darin besteht, d a ß allgemeinste Züge in psychologischen Begriffen ausgesprochen werden, und d a ß unter den Bedingungen des Bewußtseins, der Organisation und der Außenwelt Spezifikationen derselben eintreten, welche schließlich bis zu der Wirklichkeit der einzelnen psychischen Zustände führen. 8. Die Theorie der Vermögen ist ein unvollkommener Ausdruck dieser Tatsache. Sie bezeichnet das freie Auftreten solcher Grundzüge, welches an keine äußeren Bedingungen gebunden ist und in einer Mannigfaltigkeit von Spezifikationen sich darstellt. 9. Die Systematik dieser Unterschiede unter genauer Angabe der Bedingungen, unter welchen eine Spezifikation a u f t r i t t , bildet die allgemeinste Grundlage der Psychologie. Wie innerhalb ihrer die Glieder miteinander verbunden sind, entzieht sich der erklärenden Theorie. Wenn Lotze jeden Zustand als einen Reiz betrachtet, auf welchen alsdann das Ganze der Seele in einem neuen Zustande reagiert, so ist dies ein dogmatischer Ausdruck des Tatbestandes. Die einzelnen Glieder, d. h. die einzelnen psychologischen Begriffe empfängt die Psychologie zum größten Teile schon aus der Reflexion des Lebens in der Sprache. Diese hat zwei Klassen, die unterschieden werden müssen: Ausdrücke, welche Tatsachen des Bewußtseins bezeichnen, und solche Ausdrücke, welche ihnen zugrunde gelegte Fähigkeiten bezeichnen. N u r die ersteren gehören in diese gültige Klassifikation. Diese f a ß t freilich jede solche Klasse in die Form eines p r o d u k tiven psychischen Vermögens auf und reißt so die verwandten Erscheinungen gänzlich auseinander. So sondert sie Einbildungskraft von Gedächtnis, Anschauungsenergie von Verstand u. s. w..
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10. Die Grenze dieser Systematik bilden diejenigen Bewußtseinszustände oder in denselben enthaltene psychische Einzelzustände oder Einzelvorgänge, welche sich als eine Zusammensetzung erweisen. 11. Die innere Grenze wird dadurch gebildet, d a ß jeder psychologische Begriff nur einen Bestandteil der psychischen Tatsachen ausdrückt. Wo ein solcher Begriff als Fähigkeit auftritt, die ursprünglich ist und unter den Bedingungen der Wirklichkeit die einzelnen psychischen Tatsachen hervorbringt, da überschreitet er seine kritischen Grenzen. 12. Der Zusammenhang in dieser Systematik wird durch die innere Erfahrung gebildet, welche unterstützt ist durch die äußere und ihr bewegliches Hilfsmittel an dem inneren Experimentieren hat. Diese E r f a h rung läßt äußerlich einen ursächlichen Zusammenhang auffassen, vermöge dessen ein Bewußtseinszustand vermöge gewisser in ihm vorliegender Eigenschaften, die er mit anderen gemein hat, denselben Bewußtseinszustand oder Bestandteil eines solchen im Gefolge hat, welcher auch auf die anderen diese Eigenschaften besitzenden Bewußtseinszustände folgt. Dieser Zusammenhang kann dann regelmäßig durch innere Experimente wiederholt werden, indem man sich in der Einbildungskraft in die entsprechende Bewußtseinslage versetzt. Die letztere ist die innere Durchschaubarkeit, von der Beneke redet: er meint, in keinem psychischen Zustande sei etwas, was seine Ursachen nicht hineingegeben hätten.
III. Die fundamentale
Unterscheidung
Unterscheidung von drei Beziehungen der psychischen Inhaltlichkeit aufgrund der Zerlegung im Selbstbewußtsein und der Gliederung der psychischen Tatsachen. Die a l l g e m e i n s t e m ö g l i c h e A r t , sich die B e z i e h u n g e n v o r z u s t e l l e n , w ü r d e auf ein in W e c h s e l w i r k u n g s t e h e n des I n d i v i d u u m , welches mit B e w u ß t s e i n a u s g e s t a t t e t ist, z u r ü c k f ü h r e n . 1. Wir haben die Frage zu beantworten, ob die unableitbaren und nicht vergleichbaren Bestandteile festgestellt werden können, sozusagen die Komponenten des psychischen Lebensprozesses. Zwei Gesichtspunkte der Untersuchung müssen zum Zweck dieser Untersuchung miteinander v e r k n ü p f t werden. Wir müssen die Vergleichung ihrer qualitativen Bestimmtheiten mit der der Umstände verknüpfen. N u n ist nicht zu erwarten, d a ß ihr Hervortreten an einzelne, zerstreut auftretende Bedingungen f ü r Bewußtseinslagen gebunden sei. Dagegen
Die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung
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kann gefragt werden, ob nicht das Bewußtsein konstant unter einer Verknüpfung von Bedingungen steht, die mit seiner qualitativen Verschiedenheit in Verbindung steht. Alsdann würden diese Beziehungen mit dem Ergebnis der qualitativen Analyse zu verbinden sein. Diese Stellung des Problems fordert, daß wir wieder an eine Reihe bisheriger Ergebnisse anknüpfen. Ich fand midi also im Selbstbewußtsein im Zusammen, in der Beziehung von Selbst und Außen, welche das Leben selber ist. Und zwar erhalten hierdurch die Darlegungen des Kapitels über Gliederung der psychischen Tatsachen Inhaltlichkeit und ihre Beziehungen im Bewußtsein einen Ausgangspunkt für eine tiefere Konstruktion. So verdeutlicht sich allmählich das, was den Hauptgegenstand dieses Werkes macht, die Natur des Menschen, vermittels der Untersuchungen. Psychische Einteilungen — dies zeigte der letzte Abschnitt — entstehen durch die Verknüpfung der Angaben der Bedingungen, unter denen Bewußtseinszustände stehen, mit dem Bilde des Zustandes selber. Die fundamentale Einteilung würde sonach aus der Angabe der allgemeinsten Möglichkeiten dieser Bedingungen abgeleitet werden können. Wir sahen: Die Inhaltlichkeit steht unter einer dreifachen möglichen Beziehung und das, was wir als psychische Verschiedenheiten allgemeinster Art innewerden, entspricht als inneres Erlebnis diesen möglichen Stellungen. Wir sahen andererseits, daß das Individuum als Ganzes, in seiner Beziehung zur Außenwelt betrachtet, eine Gliederung seines Gesamtlebensprozesses vermöge dieser seiner Doppelstellung hat. Die im Bewußtsein stehende Inhaltlichkeit wird zunächst in ihrer Beziehung zu dem Selbst, für welche sie ist, im Gefühl erfahren. Dies setzt zunächst voraus einen Prozeß, durch welchen sie für das Bewußtsein da ist. Und es ist andererseits damit ein Prozeß gegeben, in welchem das Selbst f ü r diese Inhaltlichkeit da ist. Dieser letzte bedeutet in bezug auf die innere Welt Aufmerksamkeit und innere Willenserregung, in bezug auf die Inhaltlichkeit als äußere Wirklichkeit den in Bewegung übergehenden Willen. Mit diesen Unterscheidungen und Beziehungen drücken wir nur aus, was in der Tatsache der Wechselwirkung begründet scheint. Denken wir uns irgendeinen Bestandteil der Welt in Wechselwirkung und Innenleben damit verbunden, so haben wir ein Bewußtsein, welches die Einwirkung spiegelt, eine Zuständlichkeit und ein Bewußtsein der Rückwirkung, welche, falls das Element kompliziert ist, zunächst die Zustände desselben selber trifft, alsdann die außerhalb. 2. Jedoch ist diese ganze Ableitung aus den möglichen Beziehungen eben abgeleitet aus der Erfahrung, in welcher die Vorstellung der Ursache sich
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bildet. N u n hat diese aber Willen, Gefühl, Vorstellen in ihrer Eigentümlichkeit zur Voraussetzung und nur, weil diese sind wie sie sind, haben die Begriffe, durch welche wir soeben konstruiert haben, ihre Gestalt. Die Ableitung aus den möglichen Beziehungen enthält aber einen Zirkelschluß. Denn sie leitet aus den Begriffen von Ursache, Einheit, Substanz ab, welche selber Abstraktionen der Wirklichkeit dieser psychischen Elementarfunktionen sind. Zugleich kann diese Ableitung das Verhältnis derselben zueinander nicht erfassen, da diese Begriffe aus einzelnen dieser Elementarfunktionen abstrahiert sind. So aus dem Willen die Kausalität, aus dem Intellekt Eins und Substanz (da diese das in der Zeitreihe Identische, eine Tat ausdrückt). Sonach kann diese ganze Darlegung nur als eine Aufklärung, nicht als eine Beweisführung betrachtet werden. Andernfalls verfiele sie in den vitiösen Zirkel, aus den Begriffen Erfahrungen zu konstruieren, welche selber aus diesen Erfahrungen abstrahiert sind. Dies bleibt für die Aufklärung ein richtiges Verfahren, jedoch nicht für die Beweisführung. 3. Die Beweisführung von Lotze leistet nicht mehr, wie wir schon früher sahen " 8 . Der Grund ihrer Leistungsunfähigkeit kann hier tiefer eingesehen werden. Entweder man versteht unter Ableiten die Angabe der Bedingungen, unter denen a regelmäßig in b übergeht. Alsdann kann eine solche Ableitung, die aus Beziehungen von Vorstellungen Gefühls- oder Willenszustände ableitet, geleistet werden. Denn eine Inhaltlichkeit im Bewußtsein tritt unter bestimmten Umständen in regelmäßige Abfolge zu einem bestimmten Willensakte b oder c. Oder man versteht unter Ableiten ein Erklären. Man verlangt zu wissen, wie Vorstellungen etc. es m a c h e n , um in Gefühle überzugehen. Wir haben dargelegt, daß diese Frage, welcher man sich alsdann gegenüberfinden würde, unlösbar ist. Wohl können wir die Bedingungen angeben, unter denen der menschliche Sehapparat rot, blau etc. sieht; aber wir können nicht sagen, was diesen Übergang innerlich erklärlich macht. Diese selbe Schwierigkeit besteht, wenn man anstatt der Frage nach dem Übergang eines psychischen Zustandes in einen andern, welche inhaltlich verschieden sind, die nach der Art eines solchen Übergangs aufsucht, in welchem die Tätigkeitsweise etwas verschiedenes ist. Die Affekte zeigen eine solche qualitative Verschiedenheit. N u n können wir uns eine Seele denken, die in den einfachen Gefühlen der gehemmten und geförderten Selbsterhaltung lebt. Daß eine solche die Ursache der Hemmung vorstellt und Schmerz zugleich infolge der Hemmung hat, kann angenommen werden, ohne daß doch daraus irgendwie der Affekt des Hasses in seiner qualitativen Bestimmtheit sich ableiten, d. h. erklären ließe. Gewiß gibt Spinoza Bedingungen, unter
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denen er eintritt, in seiner Formel richtig an. Aber den Fortgang selber macht er so wenig f a ß b a r und begreiflich, als wir den Ubergang aus der Einsicht, d a ß eine Person demnächst mit dem Messer unseren K ö r p e r zerstören wird, ableiten können, d a ß Schrecken und Abwehr, kurz Zustände wie Gefühl und Wille erfolgen. Wir können die Bedingungen nur angeben, aber nicht erklärlich finden. Noch viel weniger wird der Affekt der Sympathie oder der des Rechtsgefühls aus den Formeln Spinozas wirklich ableitbar sein. Herstellung einer haltbaren Beweisführung. O b w o h l also das Argument in dieser Form nicht stichhaltig ist, so kann es dodi in folgender, der bisherigen Untersuchung entsprechenden Modifikation gegeben werden. Dasselbe ist nichts anderes als Feststellung der Unvergleichbarkeit gewisser Bestandteile, welche absolut ist und jede Art von Zurückführung ausschließt. Es gibt nur diese Unterschiede qualitativer Art, welche der Aktion oder dem Zustande selber a n h a f t e n und welche kein Verhältnis von Grundlage und Fortbildung in sich schließen, andererseits aber mit einem Wechsel von Inhalten verbunden sind. Gegen das einfache Argument Lotzes ist mit Recht von Brentano eingew a n d t worden, d a ß diese Unzurückführbarkeit auch von dem H ö r e n von zwei verschiedenen Tönen oder einem Ton und einer Farbe gültig ist. Dagegen wie sich die jetzige Fassung aus dem bisherigen Zusammenhang der Untersuchung naturgemäß ergibt, ist sie, soviel ich sehe, keiner Art von Bedenken ausgesetzt.Bestandteile des psychischen Lebens, welche nicht in Beziehung zu einem bestimmten Kreis von äußeren Bedingungen stehen, sondern unabhängig von einem solchen Bedingungskreise der Außenwelt sind, welche andererseits nicht durch Vergleichung als ein ursprüngliches Element in sich enthaltend aufgezeigt werden können, sondern jeder Vergleichung gegenüber als auch im Begriff unzerlegbare Tatsachen sich herausstellen: solche Bestandteile bilden zusammen diejenigen Elementarfunktionen, die zunächst als die Komponenten des psychisdien Lebens zu betrachten sind. Andere Komponenten als sie können nicht angenommen werden. Denn alle anderen sind eben nicht als ein Unzerlegbares in sich schließend anzusehen. Diese Komponenten des psychischen Prozesses enthalten sonadi einen unzerlegbaren, u n r e d u z i e r b a r e n G r u n d z u g , w e n n s i e a u c h ihrer Konstitution nach sich in e i n e r Zusammensetzung von Funktionen entwickeln. So enthält das
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Vorstellen die Beziehung auf Wahrnehmungen, damit die Setzung, alsdann Ineinssetzung, Unterscheidung, Kategorien in sich. U n d zwar sind in diesem Aufbau B e s t a n d t e i l e a u s d e n a n d e r e n K o m p o n e n ten mit w i r k s a m . Als solche stellen sich, wie schon früher gezeigt, Vorstellen, Fühlen, Wollen dar. Unter dem Vorstellen verstehen wir die Funktionen, vermöge deren eine Inhaltlichkeit in räumlichen Beziehungen (welche, wie wir später sehen werden, vom Ich aus orientiert wird) vor uns gestellt ist oder steht. Das Wort ist der richtigste Ausdruck für das Wesentliche des psychischen Vorgangs, welcher ohne eine räumliche Orientierung gar nicht denkbar wäre. Das Wort umfaßt also einen Teilinhalt all derjenigen psychischen Akte und Zustände, in welchen diese Tatsache enthalten ist. Vorstellen ist sowohl in der sinnlichen Wahrnehmung, als dem Vorstellen in engerem Sinne, und dem Urteilen enthalten. Es ist in all diesen Akten nur ein Bestandteil, nicht der ganze Akt. Aber so, wie wir es definiert haben, ist es darin. Es gibt keinen Fall, den wir im gewöhnlichen Leben als Vorstellen bezeichnen und der von dieser Begriffsbestimmung ausgeschlossen würde. Man könnte denken, daß es doch Vorstellungen gäbe, die nichts von räumlichen Beziehungen einschlössen. Ich stelle mir Süßigkeit oder Schmerz oder Tugend vor, und auf den ersten Blick kann es scheinen, als enthielten diese keine Art von räumlicher Beziehung. Doch der zweite genauere Blick zeigt, daß, wie schnell audi solche Vorstellungen durch die Seele gleiten, ihr wenn audi nur dunkel vorgestellter Kern die Anschauung eines leidenden Körpers oder Körperteils, die des schmeckenden Organs, die des Individuums, das handelt oder will, sind. Selbst Relationsworte, welche im Gespräch als Vorstellung verwandt werden, haben in äußerer Anschauung des Redeganzen ihren Ort. Was in der Wahrnehmung so angelegt ist, erhält sich in allen Umgestaltungen, und auch die sogenannte innere Wahrnehmung enthält ein räumlich Orientiertes und Unterschiedenes. — Oder man könnte denken, als enthielten die Vorstellungen des Raumes oder Dreiecks eben nur räumliche Beziehung und keine Art von Inhaltlichkeit. Aber niemand kann die Grenze der Abstraktion erreichen, an welcher jede Raumerfüllung aus den mathematischen Figuren getilgt ist. Dies ist eben die merkwürdige Eigenschaft des Geistes, die wir Abstraktion nennen, daß aus den lebendigen Gebilden Bestandteile herausgenommen werden können, welche alsdann nur Zeichen einer bestimmten Beziehung, sozusagen Stellen im psychischen Prozeß sind, wie Zahlen; damit sie vorgestellt werden können, müssen sie, wie dunkel es auch sei, die Rückbeziehung auf das Wahrnehmen, aus dem sie entstanden sind, an sich tragen.
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Unter Wille verstehe ich nicht den Willensakt als eine Bewußtseinslage, sondern die Aktivität, deren ich inne werden kann und z w a r in ihren verschiedenen Positionen zu dem, wovon sie sich unterscheidet. Ich erfahre mich bald bedingt, gedrückt, unterworfen, bald anstrebend und herrschend. Dies alles sind Modifikationen dieses Willens, und Innewerden dieser Modifikationen. Es gibt einen Sprachgebrauch, welcher alles Innewerden als G e f ü h l bezeichnet. Dieser w ü r d e das Innewerden dieser Modifikation als Gefühl bezeichnen. Jedoch wenn wir Innewerden und G e f ü h l auseinanderhalten, ist zwar diesem Innewerden der Modifikationen des Willens ein G e f ü h l im engeren Sinne beigemischt, welches den Druck unter Umständen als Schmerz empfindet, die Herrschaft als Lust. Aber das Eine k a n n nicht auf das Andere zurückgeführt werden. Denn einerseits wird nicht jede Willensdetermination als quälender Druck gefühlt etc. Andererseits entstehen die Gefühle auch auf andere Weise als Ausdruck soldier Willensmodifikationen, wie sie Spinoza auffassen zu d ü r f e n glaubte. Unter Gefühl verstehen wir ein Innewerden dessen, was abstrakt in Begriffen als Wert oder G u t bezeichnet wird. Dieses als lebendige E r f a h r u n g ist Gefühl. Gesetzt nun, diese Irreduziblen, welche wir als Komponenten betrachten können, wären z w a r so als Erscheinungen im Bewußtsein, jedoch in Wirklichkeit, an ihnen selber wären sie nur eine einartige Tätigkeit, oder nur zwei Arten von solcher bestünden ursprünglich und der Schein entstände durch U m f o r m u n g e n , die sie annähmen: alsdann müßte, da der eine Zustand schlechterdings mit dem andern unvergleichbar ist, d i e s e V e r schiedenheit in ein Medium zurückgeschoben werd e n . Denn hier sind wir an der Grenze unserer Erkenntnis. V e r s c h i e d e n e s , das g a r k e i n e V e r g 1 e i c h b a r k e i t d a r b i e t e t , ist eben f ü r alles E r k e n n e n ein L e t z t e s . U n d steht nun das H e r v o r t r e t e n dieses Letzten gar nicht mit einer bestimmten Bedingungsgruppe in Beziehung, wie dies ζ. B. bei den Farben der Fall ist, alsdann ist dieses Letzte freilich auch nicht, wie Lotze tut, als ein abstraktes a priori aufzufasssen, aber es s t e l l t d i e elementaren Funktionen dar, welche unter den konstanten B e d i n g u n g e n , unter denen unser Ich steht, in d e m s e l b e n a u f t r e t e n . In concreto, ob ohne Widerstand Wille da wäre, ist eine müßige Frage. In dem tatsächlichen Weltzusammenhang ist das Ich Vorstellen, Fühlen, Wollen; diese elementaren Funktionen sind die Komponenten seiner Entwicklungsgeschichte.
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Vorstellen bleibt, was es ist, gleichviel, wie und unter welchen Bedingungen Vorstellungen sich verbinden. Niemals kann auf diese Weise ein Gefühl entstehen, bloß aus Lagen von Vorstellungen in einem rein vorstellenden Wesen. Könnte man bestimmte Bedingungen angeben, unter welchen Gefühl entstünde, alsdann würde doch audi die Art, wie aus a—b unter Bedingung c das d entspringt, nur so weit faßbar sein, als zwischen a, b und d Gleichartigkeit bestünde und die auf der Basis dieser Gleichartigkeit bestehende Differenz in d nur in Beziehung zu Bedingung c gesetzt werden könnte. Dies ist auch in der Tat in bezug auf die Farben rot und grün der Fall. H i e r f ä l l t a l s o d i e V e r s c h i e d e n h e i t des Q u a l i tativen in die B e z i e h u n g z w i s c h e n einer qualitativen G r u n d l a g e und einem Wechsel der Bedingung e n , u n t e r w e l c h e n s i e w i r k s a m i s t . Die Unbestimmtheit, welche hierin liegt, hat in der Deutung der Natur der Bestimmungen die entsprechende Unsicherheit zur Folge. O b bei einer bloß quantitativen Verschiebung in den Bewegungsverhältnissen als Bedingung ein qualitativer Übergang innerhalb der Wahrnehmungselementarfunktion möglich, anzunehmen, plausibel sei: das entzieht sich dem Raisonnement. Gesetzt aber auch es wäre nicht der Fall, sondern die Bedingungen wären ebenfalls qualitative Übergänge: immerhin müßte in dem Spielraum der Natur von Gesichtswahrnehmung, i n d e r Gleichartigkeit des Farbenkreises der G r u n d von der Art von Verschiedenheit und V e r w a n d t s c h a f t gelegen sein, welche die F a r b e n z e i g e n . Dagegen verhält es sich noch anders, wo nicht eine bestimmte Beziehung zu äußeren Bedingungen waltet. Hier kann nur N a tur und Stellung des Ich zu dem umgebenden Mittel erklären. Und zwar muß bei der Vorstellung, die man sich in dem erwähnten Fall von den Farben bildet, erwogen werden, daß nicht aus dem Zustande a unter Bedingung b der Ubergang in c stattfindet. D i e s w ä r e e i n e b l o ß e A b s t r a k t i o n , welche ihre Voraussetzung im Trägh e i t s g e s e t z d e r S e e l e h ä t t e . Vielmehr ist das ganze Wesen der Seele, ihre tätige K r a f t vorhanden und darf hinzugezogen werden, wenn es sich um Erklärung dieses Übergangs, der an eine Bedingung gebunden ist, handelt. Diese Bedingung lockt sozusagen in diesem ganzen Tätigen ein ihm unter dieser Bedingung Nützliches von Äußerung hervor. Eine bloße Umschreibung, aber des ganzen Tatbestandes. 4. Es ist das nicht ruhende Bemühen des menschlichen Geistes, zu einer Einheit voranzudringen. Nur klares kritisches Bewußtsein kann hier die Grenzen ziehen. Die Geschichte der Psychologie zeigt, daß zugunsten dieser Neigung die Totalität des psychischen Lebens beständig verdrängt worden
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ist. Es ist immer wieder versucht worden, die ganze psychische Mannigfaltigkeit auf eine einfache Grundlage zurückzuführen, welche unter der Einwirkung sich vervielfältigender Bedingungen des Organismus und der Außenwelt die psychische Mannigfaltigkeit zur Folge haben soll. Diese Versuche werden eine interessante Bestätigung der entwickelten Lehre von den drei Beziehungen geben, indem sie eine Deteriorierung, eine Verstümmelung des in der menschlichen N a t u r Erlebten zur Folge haben. Verbinden sie sich mit einer evolutionistischen Auffassung, dann soll audi die Vermannigfaltigung der organischen Bedingungen ein Abgeleitetes sein: dann fällt also die ganze Entwicklung aller psychischen Mannigfaltigkeit in die Faktoren einer Dauer und Vermannigfaltigung der Bedingungen des umgebenden Mittels, d. h. der N a t u r und der in ihr gegebenen Kombination der Individuen: alsdann enthält die N a t u r die Sprungfedern f ü r die Entwicklung der geistigen Welt. Die Art der Begründung dieser Theorien zeigt konstante Fehlschlüsse, f ü r deren Auflösung die Formel aus dem bisherigen folgt. Ihre Widerlegung wird sich auf Formeln bringen lassen, unter welche alle einzelnen Ableitungen solcher Art fallen. Da keine Auflösbarkeit besteht, werden alle diese Versuche ausgehen von der Abhängigkeit der qualitativen Abänderungen innerhalb des psychischen Verlaufs von den hinzutretenden Bedingungen, alsdann von der Abhängigkeit des Auftretens der abzuleitenden Funktionen von dem Vorhandensein der angenommenen Elementarfunktionen oder etwa der zwei angenommenen. Indem man also dieses Prius aufzeigt und Bedingungen sichtbar macht, welche auf das Eintreten des Abzuleitenden wirken, ist die erklärende Theorie nach dieser Seite fertig. Sie wird einfach dadurch aufgelöst werden, d a ß man zeigt, wie schon in dem Prius das mitgegeben ist, was abgeleitet werden soll. Alsdann wie Fälle neben diesen angewandten stehen, in denen diese Art von innerer Abfolge gar nicht statthat. Die andere Seite ist, d a ß man der Phantasie überläßt, mühelos den Fortgang von dieser lebhaft geschilderten Bewußtseinslage zu der in ihr angelegten Veränderung zu vollbringen, und so die Täuschung erregt, als wäre in ihr in Wirklichkeit die Erklärung des Fortgangs gegeben. Demgegenüber ist aufzuzeigen, d a ß nur Bedingungen so gegeben sind, d a ß aus ihnen der G r u n d des Auftretens des Zustands nicht herausgelockt werden kann, wenn es nicht schon stillschweigend hineinverlegt war, sowie d a ß eine Verschiebung und Minderung der abgeleiteten Funktionen so eintritt, d a ß der Erfahrungsbestand deterioriert wird.
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Die positive Widerlegung wird gegeben, indem man die große Komplikation der Beziehungen zwischen den Bestandteilen aufzeigt, welcher keine einseitige Ableitung genugtut, und das obige Prinzip entwickelt, welches in dem Irreduziblen die Grenze der Erklärung überhaupt erkennt. a) Keine Zurückführung ist so gründlich und wiederholt durchgeführt worden als diejenige, welche alle psychischen Prozesse aus dem vorstellenden Vermögen ableitet. Sie entspricht der Tendenz, welche, wie wir sehen werden, aufgrund eines naturgemäßen Abstraktionsprozesses die Philosophie zur intellektualistischen Auffassung des Psychischen überhaupt geführt hat. Die Theorie Herbarts 199 , die am meisten vollendete psychologische Theorie, welche wir überhaupt besitzen, hat gezeigt, daß die Ableitung aus Vorstellungen einerseits die Tatsachen des Gefühls und Begehrens intellektualisiert und dadurch in ihrem eigentlichen Gehalte herabsetzt, andererseits doch stillschweigend ein Element von Fühlen und Begehren zu Hilfe ruft, welches dem, der sich gewisse Bewußtseinslagen lebendig vergegenwärtigt, von selber zu Hilfe kommt. Die Grundlage der ganzen Fiktion liegt in der intellektualistischen Auffassung des Selbstbewußtseins und der in ihm gesetzten Wahrnehmungen und Vorstellung einer Wirklichkeit. Konsequent, wie Herbart dieses Verhältnis denkt, verbleibt jeder psychische Prozeß innerhalb des Vorstellungslebens beschlossen. „Alles Wollen trachtet nur dahin, sein Vorgestelltes entweder vollkommen ins Bewußtsein zu bringen oder vollkommen hinauszuschaffen." 200 Dies ist eine Verwechslung zwischen der (dazu falschen) phänomenologischen Betrachtungsweise des Wollens und dem Wollen selber. Der Ursprung in Fichte wirkt hier. Sonach, gleichviel ob Langenbeck Recht hat oder nicht 201 , Herbarts Ausgangspunkt von einem Zustande bloßen Vorstellens ist eine Fiktion. Es gibt keinen solchen Zustand. Es gibt ebensowenig ein Hervortreten von Fühlen oder Begehren aus bestimmten Vorstellungslagen. Von diesem falschen Ansatz ist auch Lotze nicht frei 202, der die psychischen Tätigkeiten von ihm unter bestimmten Bedingungen des wahrnehmend-vorstellenden Bewußtseins auftreten läßt. So könnte man allenfalls audi Herbart verstehen, wie denn Langenbeck ihn so verstanden hat. Das Gefühl entsteht nach Herbart, indem Vorstellungen einander entweder hemmeri, die sich aufarbeitenden Vorstellungen von anderen zurückgepreßt werden oder sie zusammen die Hemmung besiegen 203. Diese Theorie steht in Widerspruch mit den Tatsachen, indem sie zu eng ist. Nach ihr entstünden nur aus den Verhältnissen von Vorstellungen zueinander Gefühle, während sie tatsächlich mit einfachen Eindrücken verbunden sind.
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Und sie m u ß doch eine aus der Seele hinzutretende elementare Funktion im Fühlen in Anspruch nehmen: denn in welche Lage von Pressung oder Freiwerden man audi Vorstellungen anderen Vorstellungen gegenüber versetze, in den Ausdrücken liegt, d a ß dieselben fühlen, wie ihnen zu Mute ist, aber aus dem Vorstellen als solchem folgt es nicht. Daraus, d a ß im Verhalten von Vorstellungen ein Ansatz vorliegt, aus welchem im Leben Gefühl entspringt, folgt noch nicht, d a ß aus dem Vorstellen als solchem sie zu entspringen vermöchten. Zugleich aber tritt in diese Erklärung eine Minderung der Tatsache des Gefühls ein. Denn das Gefühl ist nicht ein Ausdruck f ü r die Lage dieser oder jener Vorstellung in Bezug auf ihre Bewußtheit. Realität des Selbst, E r f a h r u n g der Außenwelt geben ihm sein Leben, seine K r a f t , da in ihm das psychische Leben seine Lage in dem umgebenden Mittel in Bezug auf das in ihm Tätige erfährt. Das Begehren ist f ü r H e r b a r t das H e r v o r t r e t e n einer Vorstellung, welche sich gegen Hindernisse aufarbeitet 204. So arbeitet sich, wenn der Zornige Rache begehrt, die Vorstellung — Minderung des Feindes und sein Weh — gegen alle anderen Vorstellungen in die H ö h e etc. Indem wir diese Begriffsbestimmung im einzelnen Fall nachbilden, ergänzen wir die K r a f t , welche mit einer Gewalt hervortreibt, die ganz anders ist als ein Vorgang passiven Bewußtwerdens einer Vorstellung und mit aktivem Bewußtmachen eben als Willensakt analog, demnach von Begehren verschieden. Wir ergänzen die Richtung dieser Tätigkeit, die nicht Klarheit eines vorgestellten Tatbestandes, sondern Realisation ist. Was wir aber auch hineinlegen: Das Vorstellen wird nicht zu wirklichem Begehren. b) Es ist neuerdings von Horwicz 2 0 5 versucht worden, in dem G e f ü h l die elementare Funktion des psychischen Lebens aufzuzeigen. Dieser Versuch hat nichts Paradoxes: er liegt in der Richtung der Entwicklungslehre, deren Schüler H o r w i c z ist. Dieser Versuch verdient solchergestalt Beachtung etc. etc. Die Grenzen dieser Erkenntnis sind eng genug. Sie enthält nicht die A u f klärung über die G r u n d k r ä f t e , welche die Vermögenstheorie geben zu können glaubte. Sie enthält nur die Tatsache, d a ß wir es hier mit unvergleichbaren Klassen zu tun haben, von denen keine die andere abzuleiten gestattet. Selbst wenn sich zeigte, d a ß die eine regelmäßig auf die andere in der Seele folgt, könnte doch, wo die zweite eintritt, das psychische Leben mit einem in ihm Enthaltenen, das nun so erschiene, wirksam gedacht werden. Doch ist eine solche künstliche Annahme nicht notwendig. In jedem psychischen Akte sind diese drei als Komponenten enthalten.
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Kant hat ausdrücklich die Möglichkeit einer Reduktion auf eine Grundkraft offen gelassen. Diese Erwartung kann von uns nicht geteilt werden, da wir kein Ding an sich hinter Phänomenen in der Seele annehmen. Aber das innere V e r h ä l t n i s d i e s e r d r e i i m b e w u ß t e n psychischen L e b e n a u f t r e t e n d e n Ä u ß e r u n g e n zueinander erkennen w i r a l s jede Erkenntnis überschreitend. Der Grund hiervon liegt schon darin, daß die Begriffe Ursache, Substanz aus einzelnen elementaren Funktionen geschöpft sind: daher sie nicht zugrunde gelegt werden können. Darin ist zugleich enthalten, daß es unkritisch ist, dasjenige, was nicht in unser Bewußtsein fällt, so vorzustellen und zu bezeichnen wie diese im Bewußtsein auftretenden Funktionen. Diesen Fehler begeht schon Kant und in noch gröberer Art begehen ihn Schopenhauer und Hartmann. Diese Unterscheidung kann noch eine Verifikation durch ein Schlußverfahren erhalten, welches aus dem Verhalten dieser Teilinhalte als einem verschiedenen die innere oder wesenhafte Verschiedenheit derselben erschließt 20 ". IV.
Das Vorkommen der drei elementaren Funktionen in allen Bewusstseins [zu] ständen
Wir untersuchen nunmehr die Verbindung dieser Komponenten des psychischen Lebens. Zuerst verfolgen wir dieselben in ihrer Verbreitung durch das psychische Leben. Und zwar zeigt nun die Analysis des psychischen Lebens, daß die drei Komponenten durch die meisten Bewußtseinslagen hindurchgehen. Diese Gegenwart der drei elementaren Funktionen in den meisten Bewußtseinslagen läßt sich in solchem Umfang nachweisen, daß wir uns der Grenze einer allgemeinen Fassung dieses Satzes annähern. Eine solche allgemeine Fassung würde die Gegenwart der drei Komponenten des psychischen Lebens in allen Bewußtseinslagen behaupten. A. D a ß der Komponent: Vorstellen (das Wort im weitesten Sinne genommen, in welchem Wahrnehmen, Urteilen als verwandt und derselben Reihe angehörig eingeschlossen werden) durch alle Bewußtseinslagen hindurchgeht, in jedem status conscientiae nachweisbar ist, dies kann als ein ziemlich allgemein angenommenes Ergebnis der psychischen Analysis betrachtet werden. a) Die Bedenken, welche trotzdem von einigen Forschern erhoben worden sind in Betreff einer der Analyse so klaren Tatsache, werden bei einem
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genauen und definierten Gebrauch der Ausdrücke nicht aufrechterhalten werden können. Ich unterscheide von der Vorstellung den Vorstellungsinhalt, welcher ein Teilinhalt der von der W a h r n e h m u n g zurückbleibenden Vorstellung ist. Vorstellungsinhalt ist jede qualitative Bestimmtheit (ζ. B. blau) oder inhaltliche Beziehung (ζ. B. Lage im Raum), welche von einer psychischen Tatsache eingeschlossen wird. Ich bezeichne mit dem Ausdruck Vorstellen oder dem deutlicheren: Vorstellungsinhalt nicht die psychische Tatsache, welche nach dem Verschwinden der W a h r n e h m u n g von ihr zurückbleibt; diese Tatsache ist selber zusammengesetzt, da sie die im Willen vollzogene Setzung in sich enthält, sondern ich bezeichne denjenigen Teilinhalt, der als Inhaltlichkeit a u f g e f a ß t wird, [als] den Vorstellungsinhalt. Was ein solcher Vorstellungsinhalt in concreto sei, ist klar genug. G r ü n , blau, rund, h a r t : das sind solche. Wir können diesen Vorstellungsinhalt sozusagen nur im Experiment isolieren. Indem wir uns blau vorzustellen vornehmen, tritt diese Farbe vor uns, und obgleich sie im Bewußtseinszustande nicht isoliert existiert, sondern mit dem Willen sie vorzustellen, der Spannung, die Vorstellung hervorzurufen und die Wirklichkeit hervorzurufen, unter allen Umständen verbunden ist, besitzen wir doch zugleich die Unterscheidung. Wenn ein Wahrnehmungs-Vorgang vorübergegangen ist, so bleibt von ihm ein Vorstellungsinhalt zurück. Dies macht man sich am besten klar, wenn man einen Wahrnehmungszustand, etwa den Anblick einer Lampe, sich vergegenwärtigt. Blicken wir eine solche Lampe eine zeitlang scharf an, und schließen dann die Augen, so bleibt mitunter ein N a c h b i l d zurück, welches aber nichts ist, als ein Reiz der Retina. Dieses Nachbild nennen wir nicht „Vorstellung", da es ebensogut noch W a h r n e h m u n g ist, als die W a h r n e h m u n g selbst, insofern beide physische Ursachen haben, und zwar dieselben. Der Reiz der Retina ist derselbe, ob das äußere Objekt noch einwirkt oder nicht. Wenn nun der Reiz von außen und auch der Zustand in den empfindenden N e r v e n , der das Nachbild hervorgerufen hat, vorüber ist, verbleibt alsdann zurück, was wir „Vorstellung" nennen. Vorstellung ist also „Rest der W a h r n e h m u n g " . Man sieht zum Fenster hinaus und hat ein bestimmtes Bild ins Auge gefaßt, nun sucht man, indem man sich umdreht, dieses Bild festzuhalten. Wie ich dies tun will, wird das Bild unsicher, schwankender, blässer. Diesen Zustand nenne ich Vorstellung. Aber davon unterscheidet man den „Vorstellungsinhalt". Dieser ist ein Teilinhalt dessen, was wir als Vorstellung bezeichnet haben. U n t e r V o r s t e l l u n g s i n h a l t versteht man die qualitative Bestimmtheit, welche der Vorstellung innewohnt, und die Beziehung, die sie eingeht in Raum und Zeit. Dieser Vorstellungsinhalt ist in jedem psychischen Zustand
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enthalten. Dies beweist man, indem man die Hauptgruppen psychischer Zustände durchgeht. In bezug auf die Hauptgruppe kann niemand daran zweifeln. In jedem Denkvorgang ist der Vorstellungsinhalt selbstverständlich, in jedem Willensakt setzen wir ein Motiv, welches ja eine Vorstellung ist, also ist in jedem Willensakt ein Vorstellungsinhalt mitenthalten. Schwieriger ist die Sache, wenn wir unsere Aufmerksamkeit den Tatsachen des Gefühls zuwenden. An den Endpunkten desselben scheinen diese Vorstellungsinhalte sich im Gefühl zu verlieren, gleich Nervenfäden, die nicht weiter verfolgt werden können. Wo das Gefühl dunkel und unsicher wird, haben neuere Forscher behauptet, sei der Vorstellungsinhalt geschwunden 207 . Bei einer solchen Auffassung liegt eine Verwechslung vor zwischen Vorstellung und Vorstellungsinhalt. Sicher gibt es Zustände, wo eine Unterscheidung eines Gegenstandes von uns selbst nicht stattfindet. Beim Muskelgefühl, beim Allgemeingefühl ist dies sicher der Fall, aber in all diesen Zuständen findet doch immer eine qualitative Bestimmtheit statt, welche die Lust- und Schmerzempfindungen begleitet. Wenn wir das Gefühl des Brennens oder das Muskelgefühl nehmen, alsdann haben wir doch immer Inbegriffen eine qualitative Bestimmtheit, in vielen Fällen auch eine Ortsempfindung. Brentano 208 [meint] wohl mißverständlich, daß hierin schon Vorstellung von Ursache und Wirkung enthalten sei, dagegen mit Recht, daß eine gewisse räumliche Bestimmtheit des Gefühls [vorhanden sei]. In der Tat gibt es kein Gefühl, das n i c h t r ä u m l i c h o r i e n t i e r t wäre. Dies schließt nicht in sich, daß es das innerhalb unseres Körpers auf spezialisierte Weise wäre. Vielmehr ist a u c h d a s n i c h t i n b e s t i m m t e Organe verlegte körperliche Gefühl räumlich o r i e n t i e r t , wie jeden die eigene Beobachtung lehren kann. Dies betrachte ich als den einfachsten und unwiderleglichen Beweis für die Anwesenheit von Vorstellungsinhalt auch in den dumpfesten sinnlichen Gefühlen. Mehr etwaigen Zweifeln unterworfen ist, daß in Tatsachen wie Brennen, Stechen etc. eine sinnliche Inhaltlichkeit enthalten ist, wie in dem Hören eines bestimmten Tones. In solchen sinnlichen Gefühlen ist der sinnliche Vorstellungsinhalt so mit Lust oder Unlust zu einem scheinbar Einfachen, in welchem das Gefühl vorherrscht, verschmolzen, daß klar umgrenzte Namen für diese sinnlichen Vorstellungsinhalte von uns nicht geschaffen werden. Dieser Vorstellungsinhalt bildet nun eine durch das psychische Experiment von den Verbindungen, in denen er sich der Regel nach findet, isolierbare Tatsache. Man stellt sich wohl vor, daß solchergestalt überhaupt der
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Vorstellungsinhalt isoliert werde. Hierbei verkennt man den Einfluß, welchen das psychische Experiment auf die Tatsachen hat, die solchergestalt entstehen, die Verbindungen in welche das aus seinem gewöhnlichen Verband Isolierte sofort eintritt. Die Isolierung ist nur relativ, ist die Loslösung aus dem Verbände, in welchem dieser Vorstellungsinhalt inniger und für die Analysis dieser einzelnen Tatsache unlöslich verbunden war. Blau ist nunmehr eine Tatsächlichkeit, weldie im Zusammenhang mit dem Willensakte eines herzustellenden psychologischen Versuchs ihr Dasein hat. Dagegen findet sich in dem natürlichen Vorstellungsverlauf kein psychischer Zustand, d. h. keine psychische Tatsache, welche nur von einer solchen Vorstellung gebildet würde. An diesem Punkte kann der Fehler eingesehen werden, vermöge dessen Brentano neben das Vorstellen und unabhängig von ihm das Urteilen als eine elementare Funktion aufstellt, ihm die dritte, da er Wollen und Fühlen in einer Klasse vereinigt. Zunächst wird man gemäß den aufgestellten allgemeinen Grundsätzen der psychischen Klassifikation Bedenken dagegen hegen, das Urteil als eine solche elementare Funktion anzuerkennen. Von jeher ist das Urteil mit dem Vorstellen verbunden worden. Dies ist der Ausdruck der Tatsache, daß man einer Verwandtschaft dieser beiden Tatsachen inne wurde, sooft man sie untereinander und etwa mit dem Gefühl andererseits verglich. Brentano leugnet nun nicht, daß das Urteilen das Vorstellen zu seiner Voraussetzung hat, aber er geht davon aus, daß im Urteil sowie im Begehren eine zweite und ganz neue Art, den Gegenstand der Vorstellung im Bewußtsein zu haben, auftritt. Die Begriffe, welche Brentano dieser Darlegung zugrunde legt, sind nicht die der hier entwickelten elementaren Funktionen. Eine Theorie, welche von der Inhaltlichkeit ausginge als dem Teilinhalt, auf den sich die psychischen Akte beziehen, müßte diesem eine andere Stellung geben, als Brentano tut. Derselbe würde in denjenigen psychischen Akten, welche Ineinssetzen, Unterscheiden und so audi Urteilen sind, und in denen des Fühlens und Wollens gemeinsam sein. Stelle ich aber Vorstellen neben Urteilen, so stelle ich einen Teilinhalt neben eine psychische Tatsache. Denn in der Wahrnehmung ist die Affirmation mitenthalten, welche nach Brentano dem Urteil eigen ist, Vorstellung aber, die nicht eine Möglichkeit behauptet, ist ein ganz s e k u n d ä r e s Produkt. Die Affirmation im Urteil wird im Selbstbewußtsein durch den Komponenten Willen zuerst in die Wahrnehmung gesetzt, alsdann im Urteil neu entwickelt.
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B. Die induktive Betrachtung von psychischen Tatsachen zeigt das tatsächliche Vorkommen von Gefühlen in allen Willensakten, audi beinahe durchgängig in den Denkakten. Auch die Anwesenheit von Gefühlen in den Wahrnehmungen und den sie reproduzierenden sinnlichen Vorstellungen kann in einem weiten U m f a n g nachgewiesen werden. Auch hier bilden die psychischen Tatsachen eine Reihe, in welcher der psychische Komponent (in diesem Falle das Gefühl), abnehmend ist, bis es sich für uns in einer Unmerklichkeit verliert. Für diese ist charakteristisch, daß bei Abänderung von Bedingungen der bloßen Aufmerksamkeit das Gefühl für uns sichtbar wird, so daß die Gesamtheit der Tatsachen es in hohem Grade wahrscheinlich macht, daß Gefühl in irgend einem dem Nullpunkt sich annähernden Grade auch in Tatsachen, in denen es zunächst nicht entdeckt werden kann, anwesend ist. Der Ausdruck Gefühl wird in einem weiteren Sinne gebraucht. Wo eine Sensation sich von dem Selbst nicht loslöst, spricht man von Gefühlen. So Muskelgefühle, Tastgefühle. Dies ist darum nicht ganz unberechtigt, weil in solchen Fällen die Sensation mit Lust oder Unlust verschmolzen ist. Was in diesen beiden Fällen als ein Bestandteil im Zustande enthalten ist, welcher im Begriff als Bezeichnung von Wert oder Gut ausgedrückt werden kann, nennen wir Gefühl 209. Was ist Gefühl? Bei Muskelgefühl versteht man unter Gefühl überhaupt Empfindung. Sollten wir uns für Empfindungen, die nicht objektiviert werden, aber des Ausdrucks „ G e f ü h l " bedienen, so würde Verwirrung entstehen. Von Gefühl sprechen wir nur da, wo Lust und Unlust hervorragende Bestandteile eines psychischen Zustandes sind. Wenn also Kant diese beiden Vorstellungen verwirrt, so ist das ein Hauptirrtum seines Systems. Und ebenso müssen wir im Gegensatz zum Sprachgebrauch das Wort Gefühl in philosophischer Sprache nur im obigen Sinne gebrauchen. In allen psychischen Zuständen nun ist aller Wahrscheinlichkeit nach Gefühl vorhanden. Am deutlichsten zeigen den Gefühlsinhalt die Zustände des Wollens. Wenn wir uns in einem Zustande angespannten oder befriedigten Wollens befinden, so ist das Bewußtsein der Anspannung oder Befriedigung unseres Willens als Gefühl sich darstellend. Wenn man von einer heftigen Begierde ein Objekt zu erlangen erfaßt ist, so stellt [sich] dieser Zustand als Gefühlszustand dar; wenn die Befriedigung eintritt, so ist es wieder ein Schimmer von Lust, der diesen Gesamtzustand übergießt, und der Reiz der Befriedigung liegt in der Lust, welche sich über das Gemütsleben verbreitet. Diese Zustände sind also ganz offenbar von Lust- und Unlustzuständen durchwachsen. Schwieriger stellt sich die Frage, wenn wir uns den intellek-
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tuellen Zuständen zuwenden. In Bezug auf die sinnliche Wahrnehmung pflegt eine noch weitergehende Behauptung bejaht zu werden. Wundt in seiner Psychologie 2 1 0 sagt: Jede Empfindung zeigt zunächst sozusagen zwei Seiten ihrer Existenz, sie besitzt eine Qualität, wie ζ. B. grün eine bestimmte Empfindung ist, und einen Intensitätsgrad, in dem sie auftritt. Das blendende Licht und das weniger starke Licht zeigen dies ganz deutlich. Alsdann hat jede Empfindung vermöge ihrer Beziehung auf das Bewußtsein einen Gefühlston von Lust und Unlust. Dasselbe sagt Horwicz 2 1 1 in seiner psychologischen Analyse und wird auch in vielen anderen Schriften als feststehend angesehen. Goethe hat in seiner Farbenlehre 2 1 2 jene geistreichen Bemerkungen niedergelegt in Bezug auf den Gefühlston, der den einzelnen Farben beiwohnt. Er schlägt den Versuch vor, eine Landschaft durch rotes oder sonstiges farbiges Glas anzusehen. In demselben Sinn hat der Dichter Ludwig einmal mitgeteilt, daß er die Sujets von Dramen gemäß des Gefühlstons in einer verschiedenen Färbung sehe. Kurz, eine jede einzelne Farbe wirkt an und für sich genommen nicht so auf unser Gefühl wie die andern, jede hat eine bestimmte Resonanz in unserm Gefühlsleben. So wirken auch ein hoher oder tiefer Ton, ein schriller oder dumpfer Ton verschieden auf uns. Die Tiefe oder Höhe verhält sich keineswegs indifferent. Jedoch so allgemein gegenwärtig diese Lehre aufgestellt wird: sie bedarf doch einer Einschränkung. Sie ist entwickelt an der Beobachtung und dem Versuch, welche bei Versenkung in eine Farbe einen Gefühlszustand auftretend zeigen. Hieraus kann aber nichts in Betreff der Empfindung in anderen Fällen gefolgert werden. Der Fehler ist auch hier, daß eine psychische Tatsache, die Empfindung blau, als ein Konstantes betrachtet wird, während die Tatsache unter Umständen Gefühle auch verändern, in andere, vorübergleitende überführen kann. Wir können somit wohl allgemein sagen, daß die Elemente unseres psychischen Lebens, soweit sie Empfindungselemente sind, u n t e r Ums t ä n d e n einen Gefühlston haben k ö n n e n . Doch ist diese Behauptung weitergenommen gewagt. Aber audi eine Verneinung läßt sich schlecht wagen. Die Experimente geben keinen absolut sicheren Aufschluß. Wenn wir in die rote Farbe uns versenken, wenn wir dabei ein Gefühl in uns vorfinden, so liegt eine einseitige Versenkung unseres ganzen Selbst in dieses Gefühl vor. Das Experiment will ja gerade diese Versenkung. In der ästhetischen Betrachtung eines Bildes mögen auch aus der Betrachtung der Farben Gefühle entspringen. Aber denken wir uns in einem abstrakten Denkprozeß befindlich, dann ist es doch die Frage, ob den einzelnen Empfindungselementen ein Gefühlston zukommt. Sonach beweist der Versuch
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direkt nur, daß Versenkung in die Empfindung einen Gefühlston wahrnehmbar macht. N u n kann allerdings die Regel benutzt werden, wenn die Gefühle mit denen der Aufmerksamkeit abnehmen, so wird da, wo die Aufmerksamkeit sehr gering ist, doch ein minimales Gefühl angenommen werden dürfen, wenn es auch nicht bemerkt wird. Beim Prozeß des Denkens ist diese Behauptung vielleicht am auffallendsten. Neben den äußeren Wahrnehmungen gibt es aber auch innere Wahrnehmungselemente des Denkens, Wahrnehmungen unseres eigenen Selbst und Wahrnehmungen von dem Innern anderer Personen. Solche innere Wahrnehmungen sind schon eo ipso mit Gefühlszuständen verbunden, denn die Gefühlsgrundlagen müssen dann in uns selbst aufleben. Aber das Kühlste im ganzen Denkprozeß ist doch das Uberzeugungsgefühl und selbst dieses ist Gefühl. Dieses Überzeugungsgefühl ist die subjektive Seite dessen, was als Evidenz angesehen wird. Und das Überzeugungsgefühl ist das einzige, was als Evidenz angesehen werden kann. Sonach ist unser Ergebnis: Der Satz kann also doch nicht unbedingt ausgesprochen werden, daß alle psychischen Zustände eine Gefühlsseite hätten; aber wir können doch sagen, wenn wir diese Gefühlsseite in dem Grade sich verringern sehen, daß sie bis zu einem Minimalgrade herabsinkt, daß wohl doch angenommen werden kann, wenn unsere Selbstbeobachtung sie einmal nicht erfaßt, es sei der geringe G r a d dieser Gefühlsseite der Grund hiervon, aber keineswegs fehle diese Gefühlsseite ganz. Die Theorie von Herbart muß an diesem Punkte als ganz irrtümlich angesehen werden, da diese Theorie behauptet, das Gefühl entstünde immer erst aus dem Verhältnis und den Kombinationen der Vorstellungen zueinander. Im sinnlichen Gefühl liegt nun eine Instanz gegen diese Behauptung vor. Denn das sinnliche Gefühl zeigt in der einfachen Empfindung einen Gefühlszustand, was der gerade Gegensatz zu der Herbartschen Behauptung ist. Sonach sind Gefühle nicht ein Produkt des Verhältnisses von Vorstellungen, sondern sie sind eine Seite des psychischen Aktes, die schon von Anfang an da ist, nicht aus Vorstellungen erst entspringt. In weiterem Kreise ζ. B. von Lotze ist angenommen worden, daß das Gefühl von der Empfindung ausgelöst werde. Dies ist eine Modifikation der Herbartschen Theorie. Die Psychologie hat überhaupt die Entwicklungsgeschichte des Bewußtseins zu wenig in ihren Bereich gezogen. Die einfachste Form psychischen Lebens, wie ζ. B. das psychische Leben der niederen Tiere, stellt sich als ein Zustand dar, den man mißbräuchlich wohl als Gefühl bezeichnet hat, der aber eigentlich drei Teile in sich schließt, den Gefühlszustand, den Inhalt des Gefühls und endlich die Willensregung. In dem Seelenleben der Tiere
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dieser niederen Klasse zeigt sich entweder ein Unlustgefühl oder ein Lustgefühl und diese enthalten auf eine dumpfe Weise etwas Qualitatives und den Anreiz der Bewegungen in sich, wenn wir auf die einzelnen Elemente zurückgehen wollen. Was nun die Theorie Lotzes anlangt, der das Gefühl als eine Auslösung durch den Willen auffaßt, so stellt sich ja der Wille an und für sich mit einem Gefühl verbunden dar. Der Wechsel der psychischen Zustände ist überhaupt ein weit komplizierterer, als Lotze annimmt. Diese Ansicht ganz durchzuführen muß man einige Wendungen zurückweisen. Wohl ist Hamilton und Lotze zuzugeben, daß wir uns ein rein vorstellendes Wesen denken können und daß keine Art von psychischer Chemie einen Sinn hat, welche aus Vorstellung etwas herauslockt, was nicht Vorstellung ist. Aber nicht zuzugeben ist der einseitige Ausgangspunkt vom Vorstellen, welcher zur Folge hat, daß diesem eine Art von psychischem Erstgeburtsrecht zuerteilt wird. Wenn aber Hamilton weiter meint, daß wir uns umgekehrt ein bloß fühlendes Wesen, das kein Vorstellen enthält, nicht vorstellen können und wenn Lotzes Betrachtungsweise hiermit übereinstimmt, so muß ich dieses zweite Faktum in Abrede stellen. Wir haben Momente, in denen die räumliche Orientierung unbestimmt wird und wir uns nur minimal des Inhaltes eines unbestimmten Gefühls bewußt sind. Der Vorstellungsgehalt wird hier beinahe verschwindend. Und daher können wir in unserem Vorstellen von ihm abstrahieren. Verfahren wir etwa bei der Vorstellung anders? Der Fall ist bei ihr ganz derselbe. Denn einen Vorstellungszustand ganz ohne Gefühl haben wir ebenfalls nicht, wohl aber solche, in denen das Gefühl minimal wird. Die Bewußtseinslage, in welcher wir diese Abstraktion vor uns hinstellen, ist wieder eine Bestätigung des von uns aufgestellten wichtigen Satzes über die relative Selbständigkeit von Bewußtseinsinhalten gegenüber dem Akte, in welchem sie besessen werden. W i r stellen eine Trennung von a und b vor durch einen Akt, der sie aufeinander bezieht. So stellen wir uns hier eine Vorstellung ohne Gefühl und Willen in einem Akte vor, in welchem schon die Spannung der Frage und der Aufgabe einen solchen Zusatz von Gefühl und Willen einmischt. Und wir stellen ein Gefühl ohne Vorstellen und Willen in einem psychischen Akte vor, der als Stellung einer Aufgabe sowohl Denken als Wille einschließt. C. Die Verbreitung des Willens innerhalb des psychischen Lebens festzustellen ist schon darum am meisten schwierig, weil die terminologische Abgrenzung des Ausdrucks Wille keine geringe Schwierigkeiten hat; außerordentlich verschieden ist der Gebrauch dieses Wortes; die einen schließen Trieb, Begehren ein, die andern trennen sie ab.
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U m die Tatsache nicht willkürlich aufzufassen, nehmen wir die Entwicklungsgeschichte des Menschen zu Hilfe. So vielen Bedenken die Vergleichung mit Theorien ausgesetzt ist, die Geschichte des Menschen bildet einen fruchtbaren Leitfaden. Nichts ist auffallender in den ersten Zuständen des Kindes als das rastlose Spiel seiner Bewegungen. Wundt betrachtet alle Bewegungen, welche nicht den Nervenzentren von außen mitgeteilt werden, als von den Veränderungen der Zustände des Blutes bedingt. Betrachten wir unbefangen, so stellen diese Rastlosigkeit, diese Unermüdlichkeit des Kindes in der Veränderung der Lage der Glieder die am meisten auffallenden Phänomene dar, wenn wir diese erste Entwicklung des menschlichen Seelenlebens betrachten. Diese ersten Entwicklungsstadien haben ihr Analogon in dem Seelenleben der gering entwickelten erwachsenen Individuen. Hier könnte das ganze zunächst als ein System von Reizen aufgefaßt werden, so daß jede einzelne Bewegung sich als die Auslösung eines Reizes darstellt. Wir würden dann davon ausgehen, daß dieses psychische Leben Ausdruck eines sehr komplizierten Systems von Reizen innerhalb des Organismus wäre. Als eine solche ähnliche Erscheinung stellen sich uns die Reflexbewegungen dar. Doch wir würden falsch urteilen, wenn wir glauben wollten, daß diese Bewegungen bloß durch den Reiz äußerer Wahrnehmungen hervorgerufen seien. Man hat daher als Supplement die automatischen Bewegungen angenommen. Darunter versteht man die Bewegungen, welche von einem eigenen motorischen Zentrum ausgehen, welches durch Veränderungen im Blute angereizt wird. Derjenige Rest aller Bewegungen, der sich nicht aus Reflexbewegungen erklären läßt, ist daher zurückzuführen auf solche automatische Bewegungen. Aber auch das genügt nicht. Die einfachste Erklärung ist die, daß es eine psychische Fähigkeit im Kinde gebe, welche diese rastlose Bewegung hervorbringe, das ist die Willkür, was im Kinde als Eigensinn bezeichnet wird, das ist ein Prinzipium der Bewegung in ihm. Johannes Müller 2 1 3 sagt: Erwägt man die lebhaften, willkürlichen Bewegungen des Neugeborenen, die noch ohne Erkenntnis ihres Erfolges vor sich gehen, so muß man alles Bewußtsein des Ichs aufgeben, um dieses System der Nervenreizungen zu erklären. Es ist eben das Prinzip der Willkür; dasselbe, was wir jetzt mit Willkür bezeichnet haben, bezeichnet Kant und seine Schule mit „Spontaneität". Hiermit übereinstimmend das Überwiegen der Willkür bei den Naturvölkern. Ebenso bei Mikrozephalen. Wir sehen nun ebenfalls bei allen psychischen Akten eine Mitwirkung des Willens. Die Aktivität oder Spannung des Willens zeigt sich zunächst in den Willensakten selbst. Ferner enthält jeder Denkakt eine leise Spannung
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des Willens. D a s gefundene Resultat gleicht der Befriedigung, d a s eifrige Suchen desselben zeigt eine A n s p a n n u n g des Willens. Es könnte nun scheinen, als ob der Wille pausierte bei der Wahrnehmung. Aber nicht nur die A n s p a n n u n g des Willens, auch die Befriedigung, das Bewußtsein, so determiniert zu sein, daß wir nicht anders können, ist ein Willenszustand. U n d dieser Willenszustand liegt implicite in der Wahrnehmung, denn er ist der G r u n d , daß wir das O b j e k t einer Wahrnehmung als real erkennen. M a n muß überhaupt den Willen zurückführen auf die Willkür. Wer den Willen nur bezieht auf die M o t i v e , welche einander gegenüberstehen, und den d a r aus sich ergebenden Entschluß, der betrachtet nicht den Willen in seiner wahren Gestalt, sondern gewissermaßen nur den kultivierten Willen. O c c a m und D u n s Scotus sind hier zu schätzen, die das Wesen des Willens in der Willkür aufgesucht haben. J a sogar bei Aristoteles und den Alten herrschte diese Auffassungsweise. Vorstellung, G e f ü h l und Wille sind nur verschiedene Seiten desselben V o r g a n g s , der eben das psychische Leben ausmacht. G a n z falsch bezeichnet H o r w i c z das psychische Leben bei niederen Tieren als G e f ü h l . E r muß denn Vorstellung und Wille in das G e f ü h l mit eingehüllt denken. D i e Franzosen sagen: „les plus grandes pensees viennent du coeur". Dies w ü r d e gar keinen Sinn haben, wenn nicht alle G e d a n k e n mitbestimmt würden durch das G e f ü h l . O h n e Enthusiasmus, sagt man auch, kann nichts geschehen. Nicht der Verstand allein, es ist das G e m ü t , das einem großen G e d a n k e n Nachdruck und K ö r p e r verleiht. Wir sprechen von einem Wahrnehmungszustand, obwohl wir wissen, daß derselbe begleitet ist von der Regung der A u f m e r k s a m k e i t und des Willens und einem begleitenden G e f ü h l e ; so von G e f ü h l s - und Willensvorgängen, obwohl wir wissen, d a ß der G e f ü h l s v o r g a n g einen Vorstellungsinhalt in sich faßt und von einer Willensregung begleitet ist, und der Willensvorgang notwendigerweise einen Vorstellungsinhalt, ein O b j e k t seiner Richtung haben muß, und daß er heftige Erschütterungen des Gefühlslebens hervorbringt. Wir fassen eben immer nur die am meisten hervorstechende Seite des psychischen Zustandes auf, in dem sich das psychische Leben in einem Augenblicke o f f e n bart, und bezeichnen danach den ganzen Zustand entweder als Vorstellungs-, G e f ü h l s - oder Willenszustand 2 1 4 . Dieses Hindurchgehen durch alle psychischen A k t e wird deutlicher, wenn man die Modifikationen des Willens überblickt. Er ist nicht nur als S p a n nung, sondern auch als Determiniertsein, ohne es ändern zu können, verbunden mit dem Innewerden dieses Zustandes. Positiv stellt sich, was Wille sei, d a r in dem einfachen Bewußtsein des Anderskönnens, als eine spontane K r a f t , welche zu den äußeren wie inneren Reizen ein freies Verhältnis hat.
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In keinem Trieb ist dieses Bewußtsein ausgelöscht. Und zwar ist audi das eine Tatsache unseres Bewußtseins, daß die Willkür, deren wir inne werden, über das ganze Reich unseres Handelns wie unsere äußeren Bewegungen ausgebreitet ist. Derselbe Begriff empfängt bei Kant die Bezeichnung Spontaneität. Wenn er Rezeptivität determiniert als die Fähigkeit, von Gegenständen affiziert zu werden, um dadurch Vorstellungen zu empfangen, so kann diese Lehre folgerichtig nur so entwickelt werden, daß Spontaneität sich nicht nur wirkend und bedingend, sondern audi bedingt findet, und wenn sie das Bedingende vorstellt, so ist doch damit zugleich verbunden, daß sie dasselbe als wirkend, sich aber als bestimmt innewird. Geht so die Untersuchung von der Verfolgung des Vorhandenseins der drei Komponenten des psychischen Lebens aus, so kann auch der ergänzende Weg eingeschlagen werden. Insbesondere in denjenigen geistigen Produktionen, welche als das Ergebnis eines rein intellektuellen Prozesses in der Regel betrachtet werden, ist von entscheidendem Gewicht, den Anteil der anderen Faktoren des geistigen Lebens zu zeigen 21 \ Gegen diese letzte Verallgemeinerung der Ergebnisse der Analyse scheint mir eine Tatsachengruppe überhaupt Einsprache zu tun. Es sind die Zeiten oder doch Augenblicke beglückender Ruhe, welche als willensfreies Erkennen oder Anschauen gepriesen werden. Doch stellen sich dem tiefer blickenden Auge diese nur als Zustand gelingender, leiser wirkender Bewegung oder Moment erreichter Befriedigung dar. Empirisch finden wir gegenüber den Zuständen, in welchen der Wille die Bilder und Vorstellungen wechseln läßt, diejenigen, in denen sie von außen wechseln. Wie ist in diesen letzteren die Gegenwart des Willens zu fassen? Wo von außen das Eindringende unangenehm affiziert, wir sagen: dem Gefühl widerstrebt, da wird es als ein Drude empfunden. Wechseln mich entzückende Töne oder Bilder: dann finde ich midi unaufhaltsam mit fortgezogen oder ganz versenkt. Das sind die Zustände, von denen Schopenhauer, romantisch Denken mit Anschauen verwechselnd, ein Pausieren des Willens aussagt: sie sind auch da, wenn ich den Eindrücken von außen mich beschaulich (was immer mit Lust bedeutet) hingebe: in all diesen Fällen ist aber eine sanfte Hinwendung der Aufmerksamkeit, ja des Willens, welcher die' Fortdauer dieses Spieles wünscht, enthalten. Dies ist bei plötzlichem Aufhören zu bemerken, wo diese Hinwendung sich erschreckt einem Leeren gegenüberfindet. Fassen wir die Entwicklungsgeschichte des psychischen Lebens ins Auge, so bilden den Ausgangspunkt Organismen, welche keine ausgebildeten Sin-
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nesorgane besitzen, die selber weder die Annäherung an eine normale Lage wie die Abweichungen von ihr innewerden. Horwicz verfährt willkürlich, wenn er diesen Zustand als Gefühl bezeichnet. Vielmehr werden wir hier eine Indifferenz anzunehmen haben, in welcher Gewahrwerden, Gefühl und Abwendung noch nicht geschieden sind. Freilich wird man hier auch am einfachsten erkennen, wie das tatsächliche Verhältnis von Herbart auf den Kopf gestellt wird. Denn will man einen entwicklungsgeschichtlichen primären Zustand mit einem Ausdruck bezeichnen, so wird es der des Gefühls sein. Der Steigerung innerhalb der Tierreihe, ja weiter innerhalb der Menschenwelt liegt eine Differenzierung des Nervensystems, in Verbindung mit ihr eine solche der psychischen Leistung zugrunde. Auf dieser Grundlage entwickelt sich alle Willensarbeit innerhalb der Menschen weit; sie ist eine Fortsetzung dieses Differenzierungsvorgangs. Diese Entwicklung bringt die drei Komponenten zu klarer Sonderung voneinander und ermöglicht ihre höheren komplexen Verbindungen. Aber sie bringt sie nicht auf dem Wege einer Herstellung komplizierterer Apparate hervor. Ich behaupte nicht nur, daß nicht der Schatten eines Beweises für eine solche Annahme existiert. Ich behaupte nicht nur, daß wir uns gar keine Vorstellung von einem solchen Übergang einer unvergleichbaren Funktion in eine andere bilden können. Ich behaupte, daß eine solche Annahme mit dem Satze vom Grunde in Widerspruch steht. Sollte man sich anzunehmen gezwungen finden, an einer Stelle dieser Entwicklung — so wie wir irgendwo Vernunft auftreten sehen — eine der elementaren Funktionen erst auftreten zu lassen; alsdann müßte dieses Auftreten aus einer inneren, im Weltgeiste gelegenen Entwicklung abgeleitet werden. Klar ist uns erst unser eigenes Verhältnis. Wo Selbstbewußtsein ist, da sind diese drei Teilinhalte als Komponenten wirksam. Da wir nun erkannt haben, daß dasselbe nidit auf einen Anfang innerhalb der Entwicklung zurückdatiert werden kann: so haben wir für die ganze Lebensentwicklung vom Beginn desselben, und möglicherweise somit für sie vollständig in jedem Akte, in dem Selbstbewußtsein enthalten ist, audi die Komponenten. Dieser Schluß kann als eine Verifikation der eben versuchten Induktion angesehen werden. Leben 2le ist erst da, wo in einem Selbstgefühl sich von dem wirkenden Draußen dasjenige unterscheidet, welches der Einwirkung innewird und Gegenwirkung übt. In dieser Erfahrung liegt erst das, was Leben ausmacht. Denkt man sich nun ein Wesen, welches ein Innewerden hiervon besitzt, so unvollkommen es auch sei: eines muß man ihm zuschreiben. Diese
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lebendige Erfahrung, wie einfach und eintönig diese sei, sie enthält das in sich, was als Gefühl, Wille, Empfindung sich in höher organisierten Wesen so deutlich unterscheidet: Denn ein Gefühl muß man zugleich Empfindung nennen, in welchem das Innewerden eines anderen Widerstehenden enthalten ist. Daher ist jede Lehre irrig, welche aus irgendeinem der entwickelten drei Grundbestandteile die übrigen ableiten möchte. Es ist unmöglich, aus einem dieser Bestandteile den andern abzuleiten. Gewiß wird eine Neigung bestehen, das Gefühl mit der Tatsache der Bewegung zu verknüpfen und so den Willen entstehen zu lassen. In Wirklichkeit jedoch würde so nur ein Bewußtsein abgeleitet werden können, nicht aber das davon ganz unterschiedene Innewerden eines Willensvorgangs.
V. Die drei
Bewußtseinszustände I.
1. Unterscheidung dieser Bestandteile oder Komponenten von den Bewußtseinszuständen selber, deren Teilinhalte sie sind. Wir unterscheiden von der Auffassung der psychischen Bestandteile diejenigen der Bewußtseinszustände, welche in der Regel nach diesen Bestandteilen bezeichnet werden 2 1 7 . Vielleicht hat nichts in der Psychologie so verwirrend gewirkt, als daß sie sich niemals ganz von der Verwechslung derjenigen Bedeutung, in welcher Vorstellen, Gefühl, Wille Bestandteile bezeichnen, mit derjenigen, in welcher sie tatsächliche Bewußtseinslagen ausdrücken, freigemacht hat. In jeder dieser drei Bewußtseinslagen finden wir die Bestandteile verk n ü p f t . Aber diese Verknüpfung ist nicht eine bloße Summation, und wir bezeichnen nicht einfach nach dem Überwiegen eines dieser drei Bestandteile die Bewußtseinslage mit dem N a m e n derselben. Vielmehr findet eine innere Beziehung der Elemente untereinander in der Bewußtseinslage statt. 2. Zwischenformen und Übergänge, welche in Bezug auf die Bestandteile nicht angenommen werden konnten, existieren hier. Wenn wir nun aber drei Typen von Bewußtseinslagen unterscheiden, so gibt es Zwischenerscheinungen zwischen denselben, welche ebenfalls Gegenstand der Aufmerksamkeit zu sein verdienen. Zwischen den drei Bestandteilen, von denen wir sprechen, kann nichts eingeschoben werden, es gibt keine Übergänge zwischen ihnen, denn in ihnen grenzen wir nur im Begriff gegeneinander ab, was die Fülle des Lebens sehr verschieden sehen läßt.
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Aber die Wirklichkeit der psychischen Bewußtseinslagen verbindet durch unmerkliche Ubergänge die ausgesprochenen Typen, um welche sich Zwischenformen lagern. 3. Diese Tatsache stellt nicht nur die Abgrenzung von Willens- und Gefühlszuständen, sondern auch die von Wahrnehmungs- und Gefühlszuständen gegeneinander in Frage. Von dem Gefühl zur Gemütsbewegung und dem Affekt, von diesen zu der Steigerung und dem Trieb geht ein allmählicher Übergang. H a t man diese Tatsache herausgehoben, um in bezug auf Gefühl und Wille die Unzurückführbarkeit und elementare Verschiedenheit in Abrede zu stellen, so finden wir denselben allmählichen Übergang von Gefühl zur andern Seite des psychischen Lebens, dem Intellekt. In unmerklichen Zwischenformen schließt sich an die Gefühle der sogenannte Gefühlssinn, der Tastsinn an, die Betätigung der niederen Sinne steht dann diesem noch nahe genug: denn in Geschmack und Geruch ist Lust mit Wahrnehmung untrennbar verbunden. 4. Durch Vergleichung können aber an jedem dieser Zustände die Bestandteile abstrahiert werden. Würde man sich nun darauf berufen, daß hier eben eine äußere Verbindung vorliege, so ist das Verhältnis durchaus kein anderes als in den Zwischenformen, welche Gefühl und Wille miteinander verbinden. Auch in ihnen läßt sich der Bestandteil, der dem Willen angehört, in der Vorstellung von dem des Gefühls abscheiden, während eine solche Sonderung nicht nur in der Wirklichkeit nicht durchgeführt werden kann, sondern auch im direkten Innewerden selber nicht gelegen ist.
II. 1. Ausgangspunkt der Betrachtung im Selbstbewußtsein. Die Art und Weise, in welcher die drei Bestandteile miteinander in den verschiedenen Bewußtseinszuständen verbunden sind, kann nur von der vorgelegten Deskription des Selbstbewußtseins aus im natürlichen Zusammenhang aufgefaßt werden. D a ß man die eben eingeführte Unterscheidung elementarer Teilinhalte und der Bewußtseinszustände nicht klar machte, daß man infolge davon die letzteren nicht vom Selbstbewußtsein aus betrachtete — wozu freilich eine richtige Deskription dieses Phänomens erst notwendig gewesen wäre — dies hat die Untersuchung, in welche wir nunmehr eintreten, beständig im Kreise umhergetrieben. Im Selbstbewußtsein entsteht im Zusammen der drei Bestandteile die Unterscheidung und Entgegensetzung des Selbst und der Welt.
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Ausarbeitung der deskriptiven Psychologie
So sind in der Wahrnehmung die drei Komponenten wirksam. Von ihr heben wir als einen anderen Zustand das Urteilen und Denken ab, in welchem der Wille stärker hervortritt. Dagegen ist im Phantasievorgang ein mächtigerer Einfluß des Gefühls zu gewahren. In anderen Zuständen findet sich unser Selbst in einem Gefühlszustande, ohne daß durch ein Innewerden der so herbeigeführten Bedingtheit des Willens eine räumliche Orientierung des Sitzes der Gefühle in der Wahrnehmungswelt ausgeschlossen wäre. Zustände des Affektes gehen unmerklich in Willensakte über. 2. Unterscheidung des Problems der psychischen Koexistenz der drei Bestandteile, d. h. ihrer inneren Beziehung zur Einheit, und der psychischen Sukzession, d. h. des Verhältnisses der Abfolge unter ihnen. Zwei Fragen sind aufgrund des Festgestellten zu beantworten: die Art, wie im Selbstbewußtsein in den verschiedenen status conscientiae die drei Elementaren zu einem Ganzen verbunden sind, d. h. die Gleichförmigkeiten, die hierin aufgefunden werden können, also die Gleichförmigkeiten der psychischen Koexistenz; alsdann die Regelmäßigkeit und ihre Aufeinanderfolge: die Gleichförmigkeit der psychischen Sukzession. Indem wir diese Unterscheidung machen, hindern wir eine Konfusion, welche durch dies ganze Problem hindurchgeht. Motiv eines Willensvorgangs kann nie das Gefühl sein, das in ihm enthalten ist, denn er ist ja gleichzeitig da mit ihm, sondern nur ein vorhergegangener Zustand kann die Ursache enthalten, aus welcher eine Willensaktion abzuleiten ist. Denn das, was eine Aktion b in Bewegung gesetzt hat, kann zwar in derselben fortdauern, aber es muß vor ihr vorhanden sein. Nennen wir nun dieses einen Beweggrund oder ein Motiv, so sind diese in dem vorhergehenden Zustande anzunehmen und können nur in dem der Willensaktion als fortdauernd gedacht werden. Hiernach können wir abweisen, das Gefühl in einem Zustande als den Motor des Willens in ihm zu betrachten, womit eine einfachste Ansicht über das innere Verhältnis abgewiesen und ein äußeres Verhältnis von zwei Zuständen dafür substituiert ist.
III. 1. Unterscheidung von Akt und status conscientiae. Die bildende Einheit des Aktes beläßt Material im status conscientiae. Indem wir die Koexistenz ins Auge fassen, bieten sich auch hier zunächst Schwierigkeiten, und die Deskription bedarf festzustellen, wie ein gewisser Unterschied hindurchgeht.
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Wir haben den Unterschied entwickelt, welcher zwischen einem status conscientiae und einem psychischen Akte besteht. Suchen wir nach der Einheit der Elementaren in einem Momente, so besteht diese nur für den A k t ; dagegen kann der status conscientiae neben dem Akt noch Bewußtseinsfatsachen enthalten, die nicht direkt mit ihm verbunden sind. Dies ist dadurch bedingt, daß die bildende Einheit eines psychischen Aktes nicht alles im Bewußtsein ergreift; sonach bleibt ein solcher Unterschied zu berücksichtigen. Wir untersuchen nun die Art, wie die Elementaren im Zustande oder Akte oder status verbunden sind. 2. Keine der Elementaren kann als K r a f t oder Vermögen betrachtet werden. D a s V e r h ä l t n i s d e r d r e i E l e m e n t a r e n i s t a l s o nicht das des N e b e n e i n a n d e r b e s t e h e n s selbständiger Vermögen. Die Art, in welcher diese Bestandteile zu psychischen Zuständen verbunden sind, schließt aus, einen von ihnen als K r a f t oder Vermögen zu betrachten, und doch ist dies der Begriff, unter welchem sie aufgefaßt zu werden pflegen. Unter einer K r a f t verstehen wir das einer Erscheinung oder einer Folge von Erscheinungen zugrunde Liegende, unter einem Vermögen verstehen wir dasjenige, was solche zwar nicht konstant hervorbringt, aber unter Hinzutreten von Bedingungen hervorbringen kann 8 1 9 . In beiden Fällen haben wir es mit einer Tatsache zu tun, welche eine andere zur Folge hat. Es ist sicher eine sehr unvollkommene Weise der Bezeichnung, das, was unter Umständen eine Folge hat, als Vermögen zugrunde zu legen, anstatt eine Formel aufzustellen für den Bedingungsinbegriff, unter welchem diese Folge hervortritt. Aber es ist geradezu ein Trugschluß, das, was den Bestandteil einer Tatsache bildet, als Vermögen gedacht, dieser Tatsache zugrunde zu legen. In Wirklichkeit würde ein Gefühlsvermögen nur für einen Bestandteil der Tatsachen, um deren Erklärung es sich handelt, den Erklärungsgrund enthalten. Die Verwechslung, welche hier vorliegt, ist darin gegründet, daß wir uns in einem doppelten Sprachgebraudi der Ausdrücke Gefühl, Wille bedienen. In dem einen Fall bezeichnen wir mit den Ausdrücken einen Bestandteil, also einen bloßen Teilinhalt einer Tatsache, im andern dagegen die Tatsache selber, für welche dieser Teilinhalt besonders charakteristisch ist. Korrigiert man aber diese Verworrenheit des Sprachgebrauchs, legt-man der ganzen Erscheinung eine K r a f t zugrunde, so müßte diese dasselbe Komplexe in sich behalten, was in der Erscheinung bestand.
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3. Hier erklärt sich das Problematische des Begriffes Vermögen oder K r a f t . Das, was der Erscheinung, die ich als G . bezeichnen will, zugrunde liegt, kann überhaupt nicht einfach ausgedrückt werden. Die Erscheinung G . bedeutet ja nur, daß in einem Tatbestande G . hinzutritt. Sonach handelt es sich gar nicht um eine Erscheinung, welche einträte oder ausbliebe; es handelt sich um das Auftreten des Merkmals G . in der Erscheinung oder das Auftreten anderer Merkmale. Wenn wir nun das Auftreten oder Verschwinden einer gewissen Eigenschaft, z . B . des Geruchs an Blumen, eines gewissen Bestandteiles ζ. B. peripherischer sensibler Nerven in einem Organismus erörtern, so würde jedermann es lächerlich finden, eine K r a f t zu blühen oder eine peripherische Nervenkraft für das Auftreten solcher Eigenschaften oder Bestandteile anzunehmen. U n d doch hat ein hervorragender Forscher den Versuch gemacht, den Begriff von Vermögen wieder in seine Rechte einzusetzen. Indem er das tat, erneuerte er eine Mythologie, die mit psychischen Kräften spielt, und zerstörte die gesunde empirische Grundlage einer wahrhaft deskriptiven Psychologie. Denn erkennt man einmal, daß es sich in der Abfolge von Bewußtseinszuständen um ein Auftreten und Verschwinden von Bestandteilen handelt, alsdann kann die Hoffnung unterhalten werden, daß die Bedingungen, unter denen dasselbe stattfindet, empirisch festgestellt werden können. Wie wir den Wechsel im Auftreten von Farben als von Bestandteilen an Tatsachen, die kommen, verschwinden, einer Regel der Lichtbrechung unterwerfen, so wird eine Regelmäßigkeit bestehen in bezug auf das Auftreten der verschiedenen Bestandteile, welche den psychischen Lebenszustand konstituieren. 4. Auch nicht als das des bloßen Vorherrschens einer dieser Elementaren kann das Verhältnis angesehen werden. Doch erscheint ebensowenig möglich, wenn man Gefühl, Wille als Bestandteile psychischer Akte betrachtet, diese psychischen Zustände so zu konstruieren, daß in der Zusammensetzung ein Bestandteil vorherrscht. Dies würde die einfachste Art sein, in welcher nach Wegräumung des Vermögensbegriffs das Verhältnis gedacht werden könnte. Jedoch ist die Stellung einer Vorstellung in demjenigen Zustande, den ich als Wunsch bezeichne, eine ganz andere als in dem, der einen Schluß ausmacht. In beiden Fällen ist die Vorstellung nur Bestandteil, das heißt, sie ist nicht für sich vollziehbare Tatsache, sie existiert nur in einer Tatsache, aber die Art, wie sie als Bestandteil mit dem Ganzen verbunden ist, fällt nicht unter den Begriff nur quantitativ verschiedener Mischungen, sondern es ist die Verschiedenheit der Beziehung, welche diese Fälle unterscheidet.
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5. Also eine innere Beziehung ist anzunehmen, welche zugrunde liegt. Diese ist aber nicht nach dem einfachen Verhältnis von den Seiten einer Tatsache oder von funktionellem Verhältnis aufzufassen. Wir suchen nunmehr nach einer Formel f ü r die Beziehung, in welcher Vorstellung, Gefühl und Wille als Bestandteil in den verschiedenen Lebensmomenten verbunden sind. Nochmals müssen wir etwas abwehren. Die einfachste Form von Beziehung, welche wir in solchen Fällen unterzulegen versuchen müssen, ist das Verhältnis von mathematischer Funktion. Wir würden also annehmen, d a ß ein — wenn auch noch so verwickeltes — Gesetz bestünde, welchem gemäß eine Veränderung in dem Bestandteil G. (Gefühl) sich ausdrückte in einer Veränderung in dem Bestandteil W. (Wille). Inhaltlich gefaßt, könnte eine solche Ansicht so a u f g e f a ß t werden, d a ß Gefühl, Wille und Vorstellen drei verschiedene Seiten desselben Tatbestandes wären. Die Beobachtung an Menschen, wie insbesondere biographisches Studium sie gestattet, zeigt a b e r 2 " , d a ß audi diese Ansicht nicht durchgeführt werden kann. Zerlegender Scharfsinn w a r in einem Fries oder Schleiermacher mit außerordentlicher Weichheit und Stärke des Gefühls verbunden; er tritt anderweitig mit Gefühllosigkeit v e r k n ü p f t auf; kombinatorischer Geist ist bei einem Napoleon mit unbezwinglicher Wildheit des Willens verbunden, während er in anderen Fällen mit Willenlosigkeit zusammen a u f t r i t t . Die eigentümlichen Verschiedenheiten in dem vorstellenden Vermögen stehen in gar keinem Verhältnis zu denen, die im Willen auftreten. Also die Beziehung, welche wir suchen, setzt Unabhängigkeit der Zuoder A b n a h m e der inneren Verhältnisse dieser verschiedenen Bestandteile voneinander voraus. 6. Positiv kann diese Beziehung erläutert [werden] aus der Analogie des Organismus und des politischen Körpers. Wir orientieren uns durch eine Analogie. Wir haben zwei lebendige Einheiten, in welchen solche Beziehung von relativ selbständigen Elementaren auftreten: den Menschen und den politischen Organismus. In dem politischen Organismus k a n n in keinem Augenblick die erwerbende Funktion bestehen ohne die der Verteidigung, keine von beiden ohne die der Verwaltung und Justiz. Diese Funktionen sind in den politischen Organismen niederer Art noch nicht personell geschieden: autoritative Leitung, Rechtsprechung und Schutz können der erwerbenden Tätigkeit gegenüber vereint sein, oder ein anderes Prinzip der Sonderung von Leitung und Geleitetem k a n n bestehen; dies k a n n sich differenzieren in den weiteren Entwicklungen. Aber d a müssen die Funktionen sein, die den gesellschaftlichen Organismus konstituieren.
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Dasselbe Verhältnis besteht in bezug auf die physiologische Organisation der tierisch-menschlichen Welt. Das System des Stoffwechsels, das Nervensystem, die Muskeln können keines ohne das andere auch nur einen Augenblick vorgestellt werden. 7. Der Begriff der Wechselwirkung. Wir würden nicht mit dem Auge einen Gegenstand durchmustern in der aufmerksamen Wahrnehmung, wenn nicht der Wille diesen Fortgang bestimmte, und würden nicht von einer Vorstellung zur anderen möglichst zügig ohne ihn voranschreiten. Der Wille seinerseits würde ohne das Spiel der Gefühle still stehen. Wiederum würde ohne Vorstellung dem Willen sein Gegenstand fehlen. Der Begriff von Ursache und Wirkung ist nicht ausreichend, diese Art der Beziehung eines Ganzen aufzufassen. Der Begriff der Wechselwirkung, welcher entstanden ist, diese Tatsache entsprechend auszudrücken, kann nicht zur vollen Klarheit entwickelt werden 220. Er weist eben über das gewöhnliche Verhältnis von Ursache und Wirkung nur hinaus, indem er eine Beziehung konstituiert, weldie von den Begriffen von Substanz und Kausalität aus nicht klar konstituiert werden kann. Der Begriff der Kausalität konstruiert alles klar, was nach Analogie von Wille vorgestellt werden kann; der Begriff der Substanz alles, was — wie der Intellekt tut — aus sich selber gleiche Einheit anderen Einheiten gegenüber setzt. Jedoch diese Begriffe erfassen nicht die Beziehungen, welche zwischen diesen elementaren Funktionen walten. Können wir nun auch die innere Natur dieser Beziehungen nidit d u r c h B e g r i f f e a u s d r ü c k e n , so erleben wir dodi den inneren Zusammenhang in uns selber. Das ist ja das Leben, daß diese Grundbeziehung in uns in einem beständigen Kreislauf sich vollbringt. So gibt es eine Erfahrung dieser psychischen Lebenseinheit in uns, welche schließlich in unserem Selbstbewußtsein als einfachstes Schema liegt und welche zwar nicht durch Begriffe, die abstrakt diese Beziehung aussprächen, ausgedrückt werden kann, aber erlebt, vorgestellt, besessen. 8. Der Zusammenhang des Psychischen kann nicht in Begriffen ausgedrückt werden. Hier sind wir im Mittelpunkt der Psychologie. Diesen bildet ein Zusammenhang, welcher nicht in Begriffen ausgedrückt werden k a n n , den wir aber erleben und der in F o l g e d a v o n v o n uns in c o n c r e t o z u m Bewußtsein g e b r a c h t w e r d e n k a n n : der einzige Zusammenhang einer Realität, eines realen Wesens, den wir überhaupt vorstellen können, und der für uns das Schema der Auffassung eines jeden anderen lebendigen und realen
Die Mannigfaltigkeit des psychischen Lebens und ihre Einteilung
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Ganzen wird. Als die Konstruktion der inneren Lebendigkeit in der Gottheit als Trinität seit Augustin unternommen wurde, konnte nur ein psychologisdier Zusammenhang zu Hilfe gerufen werden. 9. Lotze hat an Stelle der erkenntnistheoretischen Grenze den Gegensatz von mechanisch und teleologisch. Lotze hat gemäß dem von ihm seiner ganzen Philosophie zugrunde gelegten metaphysischen Unterscheidung von Mechanismus und Teleologie das, was wir hier auffassen können, als den teleologischen Zusammenhang im Gegensatz zu dem mechanischen bezeichnet 10. Jedoch erschöpft der Begriff der Wechselwirkung diese Tatsache nicht. Er ist selber ein Unbegriff. Gründe der Unbegreiflichkeit des Tatbestandes. Diese metaphysische Unterscheidung muß durch eine erkenntnistheoretische ersetzt werden. Das Erlebte, weldies den Gehalt einer wahrhaften Empirie ausmacht, ist zu unterscheiden von dem Erkannten, da alle Erkenntnis allgemeine Grundverhältnisse, Kategorien besitzen muß, durch welche sie begreift. N u n s i n d a b e r a l l e K a t e g o r i e n A b s t r a k t i o n e n d e s I n t e l l e k t s a u s e i n e m Ä u ß e r e n , w e l c h e er in entsprechenden Formen auszudrücken vermag. Der Begriff des Zweckes bildete sich zur Kategorie, indem der Verstand äußere Tatsachen wie die des Organismus durch ihn durchsichtig machte. Der Begriff des Wertes oder des Guten, welcher doch die Grundkategorie für Gefühlsaussagen sein würde, konnte den Anforderungen des Verstandes in bezug auf Erscheinungen nicht genug tun. Es heißt also die Art, wie wir diesen Zusammenhang besitzen, entstellen, wenn man den Zusammenhang durch eine Kategorie wie die teleologische behauptet, da doch diese Kategorie [das seelische Geschehen] nur unter den Gesichtspunkt eines aus dem Willen Entsprungenen bringen kann, also die Totalität des Psychischen nicht auszudrücken vermag. Denn meint man einen göttlichen Willen, so ist der Zusammenhang in diesem unfaßbar Ihm wird die innere Verständlichkeit, die aus dem Leben selber entspringt, nur untergeschoben; schillert aber diese Auffassung hinüber in die Konstruktion des psychischen Zusammenhangs aus der lebendigen Zwecktätigkeit in demselben, alsdann wird das Ganze nach einem aus einem Teil entnommenen Begriff verstanden. 11. Das Ganze und sein Zusammenhang ist nur im Erlebnis und dem unmittelbaren Bewußtsein. Das Zentrum des Lebens ist das Lebensgefühl, welches sich unter den Bedingungen eines umgebenden Mittels findet; so betrachten wir auch den Organismus, den Staat. Alles Gefühl hat keine andere Bedeutung als diese:
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ist neuerdings die Theorie aufgestellt worden, daß wir die Werte der Dinge im Gefühl genössen, so führt eine solche Lehre doch nur dazu, die Subjektivität auszubreiten über die Welt. Diese wird nunmehr nicht intellektualisiert, sondern im Gefühl aufgelöst. Das ist aber nur wieder eine neue Überschreitung der Grenzen des Selbst: alle Schönheit der Welt ist doch nur ein Ausdruck ihrer Fähigkeit, die Macht unseres Selbst zu steigern und ein reiches Lebensgefühl zu vermitteln. Nicht den Farben kommt eine objektive Schönheit zu; welch ein Widerspruch, diese Farben als subjektive Phantasmen aufzufassen, dann aber das Gefühl, das sie erregen, als den Ausdruck eines objektiven Wertes im Grunde der Dinge. Indem wir so in Selbstgefühl und Selbstbewußtsein uns bedingt finden von einem umgebenden Mittel, kennen wir keinen anderen Zusammenhang des Lebens des Lebendigen als, was uns bedingt, vorzustellen, zu beurteilen und zu begreifen und entsprechend dieser Funktion auf es zurückzuwirken. Wenn wir irgendein lebendiges Element im Universum ausstatten würden mit der Fähigkeit, was es in der Wechselwirkung erfährt, auch innerlich zu besitzen, dann würde es das in derselben Gliederung der Funktionen nach unserer Vorstellung tun. Nicht ein Beweis, daß dies das objektive Schicksal eines jeden Seienden, das sich besitzt, sein müßte, ein Beweis vielmehr dafür, daß in diesem lebendigen und erfahrenen Zusammenhang Sein, das sich besitzt, von uns allein vorgestellt werden kann.
VI. Korrespondenz dieser psychischen Tatsachen der drei elementaren Funktionen und ihrer lebendigen Einheit mit physiologischen Tatsachen Das Verhältnis des Außen und Innen, des Selbst und des umgebenden Mittels ist nur eine im Bewußtsein gegebene Relation, aber wir sahen, daß diese Relation für den ganzen Menschen da war und daß dies den Charakter von Realität ausmachte. Dieses Verhältnis ist kein anderes als das in dem Erlebnis enthaltene, welches der Gegenstand des letzten Kapitels war. Sagen wir, die Außenwelt sei eine Bedingung unseres Lebens, ein Gegenstand unseres Auffassens, ein Zielpunkt unseres Wollens, so drücken wir nur objektiv das aus, was in diesem Erlebnis enthalten ist. Daher sind die fundamentalen Kategorien: Subjekt: Objekt — Bedingung und Gut — Zweck und Mittel. Dieser Zusammenhang ist aber in den Stufen seiner Entwicklung mit dem Zusammenhang des physiologischen Apparats, insbesondere des Nervensystems, auf den entsprechenden Stufen in Korrespondenz.
Die M a n n i g f a l t i g k e i t des psychisdien Lebens und ihre Einteilung
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Dies setzt nun zunächst voraus, daß zwischen beiden Arten von Zusammenhängen eine solche innere Korrespondenz bestehe. Wir gingen von der Unterscheidung der physiologisch bedingten Gliederung der psychischen elementaren Funktionssonderung aus. Nunmehr versuchen wir das Gesonderte aufeinander zu beziehen. Vergleicht man das Psychische und Physiologische, so haben wir im letzteren zunächst nur eine Zweiteilung. Und zwar scheint das Psychische des Willens in der Aufmerksamkeit und der Leitung des intellektuellen Lebens mehr zu umfassen als das physiologische. Jedoch möge hier eine Hypothese gestattet sein. Das Tier, das aufmerkend das Ohr spitzt, wir selber, indem wir die Augen beim Aufmerken riditen und erweitern, zeigen, daß auch hier ein motorischer Vorgang begleitend ist bei der Wahrnehmung. Dasselbe möchte bei den Vorstellungen der Fall sein, die durch eine Bereitstellung der betreffenden Organe und den Verbrauch von Nervenkraft in ihnen während des Vorstellens angeregt sind 224. Die Lenkung der Gedanken ist in den Ermüdungserscheinungen augenscheinlich, ebenfalls Anspannung, welche eine physiologische Konzentration hervorruft. So ist wahrscheinlich, daß der Willensvorgang in der Aufmerksamkeit ebenfalls auf motorische Apparate wirkt, sonach für ihn sozusagen der Körper Außenwelt ist, um deren Bestimmung nach seinem Zweck es sich handelt, ja welche dauernd, wie in der Muskelübung, so auch im Gedächtnis und Denken durch seine Leitung erhöht, tüchtiger, wertvoller und nutzbarer gemacht wird. So geht in der Tat, wie im Vorstellen von außen nach innen, so im Wollen von innen nach außen der Prozeß, und die zuleitenden und fortleitenden Nerven entsprechen einem korrespondierenden psychischen Prozeß. Dagegen ist kein Teil des Nervensystems, wie es scheint, dem Gefühlsleben entsprechend. Und doch bietet sich auch hier eine Korrektur der herrschenden Ansicht dar. Vgl. Glogaus 225 Nachweis, daß das Gemeingefühl, die Lebensgefühle in Ernährung, Ausscheidung, Fortpflanzung zunächst ihre sinnlichste Basis haben. Daran schließen sich die mit der Atmung, mit der Muskelbewegung zusammenhängenden Gefühle. N u n ist aber das sympathische Nervensystem der diesen Funktionen dienende Nervenapparat. Während die sensorischen Nerven in Verbindung mit Gehirn Empfindungen [weiterleiten], könnten möglicherweise diese Nerven n i c h t zugleich Träger von Gefühlen sein für sich und in Verknüpfung mit Gehirn, sondern es könnte das Gefühl an die Mitwirkung des Sympathicus geknüpft sein, wenigstens in seiner Grundgestalt als Lebens- und Gemeingefühl.
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Und zwar würde dies insbesondere für die höheren Gefühle von Bedeutung sein. Man würde annehmen, daß die Vorstellungen, welche sie hervorrufen, vom Gehirn a u s e i n e E r s c h ü t t e r u n g d e s S y m p a t h i c u s hervorrufen würden. Von dieser Annahme aus würden erklärlich 1) die unmittelbaren Wahrnehmungen, welche eine Affektion dieser Partie im Schmerz ausweisen 2) die Tatsachen der Pathologie, daß Erschütterungen gerade die vom Sympathicus bedingten Vorgänge beeinflussen 3) Befunde der Irrenheilkunde, nach weldien hier und da, wo Änderung des Gemeingefühls vorhanden ist, der Ausgangspunkt [im Nervensystem liegt]; 4) der anatomische Befund, die Art der Verbindung des Sympathicus mit den anderen Nerven.
VII.
Die auf dem Grunde dieses Zusammenhangs der drei elementaren Funktionen erfaßbare Stufenfolge oder Entwicklung des psychischen Lebens in der aufsteigenden Reihe komplexerer tierischer Organismen und die Korrespondenz in der Stufenfolge der psychischen Differenzierung und Kombinationen und der physiologischen Struktur-Differenzierung226
Die Entwicklung dieser drei elementaren Funktionen steht mit den physiologischen Bedingungen und deren Entwicklung in Korrespondenz. Unterscheiden von Inhalten und Verbinden sind die psychisdien Leistungen, deren Differenzierung die Steigerung des Erkennens bewirkt. Dem entsprechen sozusagen als die äußere Darstellung davon im Nervensystem die Anstalten zur Differenzierung und dem Auseinanderhalten, gesondertem Aufnehmen der Eindrücke und die zu Kombination und Zentralisation. Das Wollen steigert sich in dem Hineinstellen mehrerer Antriebe, die sich zum Entschluß abwägen und deren Einstellung eine längere Reihe von Vorstellungen (und Mitteln) zwischen Antrieb und Handlung [nötig macht]. Audi dem korrespondiert [der] Apparat wie [eine] Darstellung davon. Man stelle sich den motorischen Apparat als ein Ganzes vor. — Das Gefühl steigert sich, indem es erstens von der körperlich erfahrenen Beziehung des Mittels zu dem Selbst zu dem Gefühl aus Vorstellungen übergeht und diese das Ubergewicht erhalten. Hierdurch wird auch die Unvollkommenheit des Ausdrucks der Anpassung, die im bloß sinnlichen Gefühl liegt, korrigiert. Alsdann in Objektivierung der Gefühle. Denn allem muß ein Sinnliches von Veränderungen des physiologischen Bestandes korrespondieren.
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VIII. Unterscheidungen innerhalb dieser Verbindung der elementaren Funktionen und Aufstellung psychischer Klassen zweiter Ordnung. Die empirische Gleichförmigkeit der Koexistenz und Sukzession der im Denken isolierbaren Teilinhalte des psychischen Lebens 1. Gleichförmigkeiten in bezug auf die Koexistenz und Aufeinanderfolge innerhalb der Klassen zweiter Ordnung (diese schließen die in ihnen enthaltenen Gefühle und Willensakte mit ein: denn ein status, der Intelligenz ist, wird mit folgendem oder vorhergehendem in bezug auf Gleichförmigkeit untersucht, anderseits in bezug auf seine Teilinhalte). 2. Gleichförmigkeiten in bezug auf die Aufeinanderfolge zwischen den verschiedenen Klassen. 3. Gleichförmigkeiten in bezug auf die Entwicklungsganzen, wenn man Individuen miteinander vergleicht. Damit [stößt man] an Grenze der Individua beherrschenden Gesetze; es schließen sich die an, welche zwischen Individuis in dem Totum der Geschichte und Gesellschaft walten. 1. Die Gleichförmigkeiten, welche die Psychologie aufsucht. Wir versuchen nun für die Menschenwelt die Natur des Studiums der psychischen Tatsachen auf dieser Grundlage vorzustellen. Das, was wir als Gleichförmigkeiten innerhalb der status conscientiae und ihrer Abfolge an die Stelle der sogenannten psychologischen Gesetze setzen. Der innere Tatbestand der Beziehung zwischen den drei elementaren Funktionen ließ sich nicht in Begriffen darstellen; wohl aber können an dem Tatbestand in bezug auf die regelmäßige Abfolge unterscheidbarer Elemente Feststellungen gemadit werden. Diese relative Untersuchungsmethode ist die der Psychologie. Sonach gibt es kein deduktives Verfahren, welches wie das Spinozas Gesetze des psychischen Lebens entwickelte, sondern es gibt F e s t s t e l l u n g v o n G l e i c h f ö r m i g k e i t e n in d e r A u f e i n a n d e r f o l g e d e r status conscientiae oder ihrer Elemente. 2.
Möglichkeiten des Verfahrens. Und zwar kann man entweder Akte oder Durchschnitte oder ihre Elemente in bezug auf Koexistenz oder Sukzession miteinander vergleichen. Die Selbstbeobachtung kann eine Gleichförmigkeit nur lehren, indem sie eine wiederkehrende Abfolge oder Koexistenz feststellt. Sonach ist es nicht
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das große Grundverhältnis der Entwicklung des Individuums, was sie ins Auge fassen kann, sondern nur die Gleichförmigkeiten, welche von dem Inhalt und der Stelle in der Entwicklung abgesehen bestehen 2 ". Diese sind also diejenigen, die man wohl als Mechanik zusammengefaßt hat. So Reproduktion. Führt man dann die Unterschiede ein, welche in bezug auf den Inhalt bestehen: so kann man nur innerhalb eines engeren Kreises von Erfahrungen hierbei sich bewegen. Die biographische Vergleichung, welche über die Selbstwahrnehmung hinausgeht, kann dann die entsprechenden Stellen in der Entwicklungsgeschichte verschiedener Individuen auffassen, kurz: entwicklungsgeschichtlich behandeln. Sonach kann man auf diesem biographischen Standpunkt audi die Differenzen darstellen. Meine Methode. 3. Gleichförmigkeiten zwischen Akten derselben Klasse. So solche innerhalb der Intelligenz. Die Assoziationslehre. Die erste Klasse von Gleichförmigkeiten wird innerhalb einer Klasse zweiter Ordnung, somit innerhalb einer Klasse von wirklichen psychischen Akten oder Zuständen festgestellt. So findet zwischen allen Akten, welche als der Intelligenz angehörig betrachtet werden können, eine Regelmäßigkeit der Abfolge statt. Diese Klasse von Gleichförmigkeiten, wie sie innerhalb des Gebietes der Intelligenz stattfindet, ist bis jetzt der am meisten rational behandelte Teil der Psydiologie. Die Theorie der Ideenassoziation wurde zum Mittelpunkt dieses Bereiches gemacht. Diese Theorie hat einige Fehler gemadit, welche ihre Brauchbarkeit sehr gemindert haben. 1. Sie sah ab von den anderen in dieser Klasse mitwirkenden elementaren Funktionen. So hat sie die Bedeutung von Interesse und Aufmerksamkeit, von Gefühlen und Willen für den Fortgang der Ideenassoziation nicht hinlänglich gewürdigt. 2. Sie gab der Verschmelzung eine falsche Stellung, da hier Ineinssetzung einwirkt: ein von der Theorie der Ideenassoziation ausgeschlossener Vorgang.
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4. Gleichförmigkeiten zwischen den Akten verschiedener Klassen innerhalb desselben Individuums. Die zweite Klasse von Gleichförmigkeiten ist die, welche in den Individuen zwischen den status conscientiae dieser verschiedenen Klassen besteht. Diese Klasse ist bisher noch so gut wie gar nicht untersucht worden. Und doch verdient sie in vorzüglichem Grade eine solche Untersuchung. Gerade hier haben ganz g e n e r e l l e T h e o r i e n , w e l c h e i m D i e n s t e von E r k l ä r u n g e n s t a n d e n , die Stelle einer deskriptiven Auffassung angenommen. Das Verhältnis der status conscientiae, die als solche des Willens bezeichnet werden können, zu denen des Gefühls ist bald in dem Satz, daß der Motor jedes Wollens Gefühl sei, bald in dem, daß jedes Gefühl Bewußtsein einer Willenslage sei, vorgestellt worden etc. 1. Diese allgemeinsten Sätze müssen für die status conscientiae als die Subjekte, über welche sie gelten, formuliert und in deskriptiven, kontrollierbaren Grenzen gehalten werden. a) Übertreibung, daß sinnliches Gefühl in allen Empfindungen [vorhanden sei], wie Wundt 227a I, 466. Jedoch sind sie in allen Fällen von Aufmerksamkeit miteinander verbunden. b) Wundt richtig [a.a.O.] I 492, daß Gefühle mehr passiv, Wille mehr aktiv sei. Wollte man aber daraus folgen, daß Willensaktion und Gefühl einander ausschließen: so widerspricht dies dem Tatbestand. Denn Gefühle sind sehr oft mit der Aktion verbunden. c) [Wundt] Ztsch. 3,134 8 2 8 von unbefangenen Beobachtern längst anerkannter Satz, daß die ursprünglichen Zustände unseres Bewußtseins ungeschieden enthalten, was erst in späterer Entwicklung, ζ. T. selbst erst in psychologischer Abstraktion, sich trennt. d) Man kann von jeder der drei Tatsachen ausgehen und ihre Einwirkung auf die anderen aufzeigen; der Trugschluß beginnt erst, wo die andern daraus herausgewickelt werden sollen. Wundt Ztsch. 3, 156. e) Auch der Satz, daß das Gefühl zwar nicht den Willen hervorbringe, aber ihn regiere gleich einem Lenker, der mit leisem Druck die Gewalt der Rosse bewegt, kann nicht aufrecht erhalten werden. 1. Jedes Begehren hat ein Motiv. 2. Lust und Unlust weitreichende Klassen von Motiven. 3. Aber die meisten Handlungen, die das Leben ausfüllen, beruhen auf Motiven zu Bewegungsvorgängen, die farblos, lustlos sind. Anderes Problem, ob die letzten Motoren.
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f) Horwicz hat das Gesetz genau entwickelt, nach welchen mit wachsender Genauigkeit des Wahrnehmungsgehalts der Sinne abnehmender Gefühlsgehalt verbunden ist. 5. Darauf gebaute Theorien. Beneke. Beneke [Lehrbuch der] Psychologie [Berlin 1833, S.] 103: Es sind so viele Urvermögen als sinnliche Empfindungen — daher sind nach Beneke Strebungen, ehe sie Vorstellungen wurden = Urvermögen. Nadi Herbart entsteht Streben immer z w i s c h e n den Vorstellungen. Beneke hält den Begriff des Vermögens fest und verwirft nur die Art, wie die bisherige Psychologie die Seelenvermögen bestimmt hat. — Vermögen nur ein Ausdruck in Beziehung auf das b e w u ß t e Seelesein; in bezug auf das Unbewußte ist es so wirklich als jedes andere Sein. Hauptaufgabe der Psychologie: nachzuweisen, wie aus wenigen bewußten Zuständen nach rückwärts [zu schließen ist]. Er nimmt in diesem Zusammenhang eine allgemeine Erregbarkeit an i2B . 6.
Die dritte Klasse von psychischen Gleichförmigkeiten entsteht durch biographische Methode, d. h. Vergleichung der Individuen, die von außen beobachtet sind, und Feststellung ihrer Entwicklungsgesetze und Differenzen. Ein solches Grundgesetz ist, daß im Individuum mit voranschreitenden Jahren die psychische Mitte wächst, d. h. [daß] der reproduzierbare Gehalt wächst und Aneignung wie Rückwirkung abnehmen.
IX. Psychische Klassen dritter Ordnung oder die geschichtlichen Bewußtseinszustände. Gesetze des psychischen Lebens innerhalb der Gesellschaft und Geschichte Die psychischen Seiten. Aber nicht nur, daß drei Gemütszustände sich unterscheiden lassen, ist hier zu entwickeln; sondern audi, daß im Gemüte eine Zerlegung stattfindet, daß in der Geschichte wirkliche v e r s c h i e d e n e gesamtpsychische Bewußtseinsstandpunkte eingenommen werd e n . Dies ist für das philosophische Verständnis der Geschichte, aber auch schon des Ganges der Erkenntnis der Hauptpunkt. Hegel wird gewöhnlich verkannt, wenn man ihm zuschreibt, nur zu einem intellektuellen Prozeß die Weltgeschichte gemacht zu haben, a b e r e r e r f a ß t d e n G a n g
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der G e s c h i c h t e nur in dem Reflex, welchen der psychische Gesamtzustand in die Intelligenz w i r f t . Anders ausgedrückt: er geht hinter die Idee, welche ein solcher Reflex der gesamten Bewußtseinsstellung ist, nicht zurück auf diese selber. Und so entsteht die falsche Idee, als wäre es diese Idee, welche auf allen Gebieten die geschichtlichen Tatsachen hervorriefe. Dies ist ganz so, als ob man von dem Bilde in einem Spiegel annähme, daß in ihm der Grund der Bewegung der Menschen läge, die man sich da bewegen sieht. Daß die Menschen die Einheit suchten, war nidit die Folge von Vorstellungen, die sie sich gebildet hatten: sondern das eine wie das andere entsprang aus einer Entzweiung des Gemütes, in welcher man sich eines höheren Lebens innewurde, gegen welches zugleich alle Sinne und Begierden revoltierten, weil es gar nicht die Idealisierung des in ihnen Gegebenen war, sondern aus dem dieses alles hingebenden Willen stammte, welche Revolte durch die gesellige Welt unterstützt und gefördert wurde. Geschichte im tiefsten Verstände ist daher nur da, wo ein gewaltiges Erleben da ist, welches sich frei ergießt und das in seiner Mächtigkeit alles frühere Erleben in sich schließt.
X.
Entwicklung
der unter 1) aufgestellten
Gleichförmigkeiten230
A. D i e I n t e l l i g e n z e t c . Hier sind wir an einem Kreuzungspunkte der philosophischen Analysis. Wir analysieren nunmehr in der Absicht, eine Erkenntnistheorie zu gewinnen (und zwar hier in specie für die Geisteswissenschaften) die Tatsachen der Intelligenz. An demselben Punkte werden wir aber alsdann im zweiten Bande 2 3 1 ansetzen, um gestützt auf die hier nunmehr folgende Erkenntnistheorie und Methodenlehre den wissenschaftlichen Charakter der Psychologie, den Umfang ihrer Ergebnisse und die Tragweite derselben für den Aufbau der Geisteswissensdiaften zu entwickeln. Alle Geisteswissenschaften setzen einen Typus der Menschennatur voraus, auf welchen blickend sie ihre Wahrheiten entwickeln etc. 232. Dieser Typus ist etwas anderes und ist mehr, als was die bisherige Psychologie entwickelt hat. Eine theoretische Entwicklung desselben nenne idi Anthropologie. Aber nur an der H a n d erkenntnistheoretischer und methodischer Ergebnisse kann der Leser einen Einblick gewinnen, in welchem Umfang die Grenzen des heutigen Standes dieser unserer grundlegenden Kenntnisse überschritten werden können 23 \
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[B.] G e s e t z e d e s G e f ü h l s l e b e n s 2 3 4 . Die Psydiologie bedarf hier der Nachsicht, da diese ganze Lehre erst neueren Datums ist und große Schwierigkeiten der Erledigung dieser Dinge entgegenstehen. Das natürlichste wäre, man könnte die Gesetze, die unsern Vorstellungslauf regeln, anwenden auf das Gefühlsleben, wenn man Reproduktion, Assoziation und Verschmelzung auch hier als die Grundgesetze betrachten könnte. Diese Ansicht ist auch öfters durchzuführen versucht worden, doch jedesmal ohne Erfolg. Können Gefühle z.B. reproduziert werden? Hier findet eine Täuschung statt. Da nämlich Vorstellungen reproduziert werden, könnte man annehmen, daß dabei audi die ursprünglich mit ihnen verbundenen Gefühle reproduziert würden, doch dies ist nicht der Fall, was uns ein einfaches Beispiel zeigt. Man erinnert sich in einem ruhigen Zustande an ein Mißgeschick seines Lebens zurück, dessen Folgen für die Gegenwart nicht mehr fortdauern. Man sieht sich alsdann ganz genau in der Erinnerung in allen Lagen, man erlebt alles noch einmal, alle Qualen und Leiden macht man von neuem durch, aber alles dies geschieht in einer völligen Ruhe der Seele, ohne daß man von neuem ein Schmerzgefühl hätte. Gesetzt weiter, unsere Zähne sind in gutem Zustande, alsdann ist man außerstande, bei der Erinnerung an einen Zahnschmerz ein Schmerzgefühl zu haben. Ist aber der Zahnnerv noch leicht affizierbar, dann kann allerdings ein Schmerzgefühl von neuem auftreten. Und was von unseren körperlichen Gefühlen gilt, dasselbe gilt auch von unseren psychischen Gefühlen. Sonach ist also die Erinnerung an Gefühlszustände nicht imstande, diese Gefühle als solche zurückzurufen; wohl können wir die Bilder unseres Selbst in einer Schmerzens- oder Freudenslage zurückrufen, den Schmerz und die Freude selbst können wir nicht wieder zurückrufen. Dies jedoch ausgenommen: stehen die Bedingungen, welche damals in uns den Schmerz wachriefen", noch in derselben Beziehung zu unserer Lebenseinheit, wie damals, dann tritt allerdings bei der Reproduktion unserer damaligen Lage von neuem Schmerz oder Freude auf. Dies muß man genau ausführen, um sich frei zu machen von der Möglichkeit einer Annahme der „ R e p r o d u k t i o n d e r G e f ü h l e " . Wirken aber die Folgen eines Zustandes, der ehemals eine Freude oder einen Schmerz in uns hervorrief, noch auf die Gegenwart, dann kann in jedem Augenblick von uns die Freude oder der Schmerz erneuert werden. So ζ. B. bilden Verluste, die eine dauernde Lücke in unser Dasein reißen, auch bei der Reproduktion dieses früheren Zustandes des Schmerzes fortwährend Objekte für unsere Schmerzgefühle. Aber in Wirklichkeit wird doch auch hierbei nur die Tatsache reproduziert, und der Schmerz entsteht aufgrund des gegenwärtigen Verhältnisses, welches zwischen unserer nunmehrigen Lebensein-
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heit und dieser Tatsache gegenwärtig besteht. So schwindet jeder Grund, ein „Gedächtnis unserer Gefühle" anzunehmen. Aber existieren überhaupt keine Gesetze f ü r unser Gefühlsleben? Sicher herrscht hier eine viel größere Irregularität, als auf dem Gebiete des Erkennens und Vorstellens. Dies resultiert schon daher, daß die Stellung unserer Lebenseinheit zu den Tatsachen viel subjektiver ist, als die Tatsache unseres wahrnehmenden Vermögens zu den Sinnesreizen. Wenngleich subjektive Verschiedenheiten auch hier auftreten, so erscheinen doch im allgemeinen die Gegenstände allen gleich. Zugestanden muß werden, daß hier Gesetze in einem viel geringeren Umkreis aufgestellt werden können. Aber gesetzlos ist das Leben unserer Gefühle doch nicht. Man muß nun versuchen, allgemeine, der Genauigkeit von Gesetzen wenigstens sich nähernde Gesichtspunkte aufzustellen. Hierbei gehen wir von der Einsicht in die Tatsache des Lebensgefühls aus im Gegensatz zu denjenigen, welche ihren Ausgangspunkt von Einzelgefühlen nehmen. Auf diesem Wege ist man bis jetzt noch zu keinem Resultat gelangt, wir schlagen also den umgekehrten Weg ein. In jedem Moment besitzen wir eine Art Einheitsgefühl unserer selbst, wenngleich in manchen Momenten dasselbe gegen andere psychische Aktionen in den Hintergrund tritt. Wir bemerken sowohl in uns selbst, als noch mehr bei unseren Freunden bei genauerer Analyse eine bestimmte Temperatur sozusagen der Gefühle, eine Kontinuität, die zwar durch schwere Schläge verändert werden kann, aber in der Regel fortdauert und das Leben in seinem Zusammenhang ausfüllt. Die Grundlage bildet das körperliche Gemeingefühl, welches aus dem Zustande unseres Organismus resultiert. Die Art weiter, wie die Muskelgefühle in dem Individuum sich bemerkbar machen, die Art der Reizbarkeit seines Nervensystems, die Art der Erregbarkeit der einzelnen Sinne, die ganze Mannigfaltigkeit von zusammenwirkenden Ursachen innerhalb des Organismus schaffen weiter jenes Gemeingefühl, welches die Grundlage des Lebensgefühls bildet. Hierzu tritt alsdann die psychische Lebenseinheit in ihrer wechselnden Stellung zu den Lebensumständen. In jedem Individuum besteht nun ein gewisser Zusammenhang aller der Umstände, innerhalb deren seine Lebenseinheit sich befindet. Diese Umstände sind für dasselbe nicht bloß Vorstellungen, sie sind in ihm fortdauernde Grundtatsachen, denn was für Gefühl und Wille da ist, ist Tatsache durch Vorstellung, und die Gliederung dieser Grundtatsachen, die Beziehung dieser Grundtatsachen auf die Lebenseinheit ist es, aus welcher das Lebensgefühl als eine geistige Tatsache resultiert. So setzt sich aus dem körperlichen Gemeingefühl und dem Lebensgefühl jenes „Gesamt-Lebensgefühl" zusammen, welches in jedem gegebenen
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Augenblicke die Grundlage unseres Gefühlslebens bildet. Freilich ist dieser Zusammenhang, der in sich sowohl eine Gliederung der Vergangenheit als der Gegenwart faßt, uns nicht in jedem Momente präsent, aber wir können uns desselben mit einer außerordentlichen Raschheit immer wieder erinnern, und das Lebensgefühl, das uns in jedem Augenblicke begleitet, ist bedingt durch diese wesenhaften Tatsachen. Die weitere Aufgabe der Psychologie des Gefühlslebens läßt sich so formulieren: wie wirken auf dieser Grundlage des Lebensgefühls solche Affektionen, welche eine Gefühls- oder Wertbeziehung zu unserer Lebenseinheit besitzen. Einzelne Beispiele: Wohl mancher befand sich schon in der Lage, wo nichts ihm eigentlich Freude machen konnte, d. h. diese Tatsache besagt, es gibt einen Gesamtzustand unseres Lebensgefühls, aufgrund dessen die Wirksamkeit gar keines Umstandes eine wesentliche Veränderung zu bewirken imstande ist. Der äußerste Gegensatz: Es gibt Momente in der Existenz jedes Individuums, in denen sein Inneres so wenig erfüllt und beschäftigt ist, daß die Lebenseinheit bereit war, auf die geringste Veränderung der Lebensumstände zu reagieren, daß es als Lust oder Schmerz die geringste Veränderung seiner Lebensumstände empfand. Es gibt also äußerste Gegensätze in bezug auf die Art, wie bestimmte Umstände, die doch für die Lebenseinheit als eine konstante einen bestimmten Wert habend betrachtet werden können, auf diese Lebenseinheit einwirken, d. h. meine Lebenseineinheit kann zwar konstant von irgendeinem Umstände sich gefördert oder gehemmt sehen, daraus aber ergibt sich keineswegs, daß dieses konstante Verhältnis audi gleichmäßig fortdauert. Der Grund hiervon liegt eben darin, daß die Lebenseinheit, daß das Lebensgefühl verschieden ist in verschiedenen Momenten. Sonach läßt sich nunmehr das allgemeine gesetzliche Verhältnis feststellen, daß Umstände, welche für unsere Lebenseinheit einen gewissen Wert haben, von uns im Gefühl doch nur aufgefaßt werden gemäß der Grundlage des im gegenwärtigen Augenblick vorhandenen Gesamtlebensgefühls. Wir tun einen weiteren Schritt. Angenommen, das Gefühl sei da in einer bestimmten Intensität, wie verhält es sich mit dieser Intensität rücksichtlich der Dauer? Eine Wahrnehmung dauert unverändert fort, wie lange man sie auch andauern läßt, eine Veränderung der Intensität dieser Wahrnehmung, die irgend merklich wäre, tritt nicht ein. In bezug auf das Gefühl dagegen ist es schon lange bemerkt worden, daß die Gewöhnung unsere Gefühle abstumpft. Also ein umgekehrtes Verhältnis findet statt. Ohne alle Frage rufen wesentliche Veränderungen unserer Lebensumstände heftige Gefühle in uns hervor. Jedoch, wenn diese Veränderungen ein Jahr gedauert haben, so finden wir uns viel weniger affiziert als in den ersten Tagen. Selbst körperliche Schmerzen werden im Laufe der Zeit leichter ge-
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tragen. Natürlich werden jene Zustände, die bei einer höheren Reizbarkeit des Nervensystems eintreten, außer Acht gelassen. Welches ist nun der Grund dieser Tatsache? Darauf läßt sich eine befriedigende Antwort wohl nicht geben. Auf einen Punkt jedoch möchte man hinweisen. Es findet ohne alle Frage eine Anpassung an veränderte Lebensumstände in den meisten Fällen in Wirklichkeit statt. W o eine Art von Verstümmelung unserer Lebenseinheit eintritt durch den Verlust eines Lebensverhältnisses, das im Grunde nie verschmerzt werden kann, da passen wir doch unsere Lebenseinheit so an, daß w i r uns andere Quellen der Freude schaffen, daß unsere Wünsche und Begierden eine andere Richtung als vordem annehmen. Es findet also sozusagen eine Art von Ausgleichung statt, so daß man wohl, während man von einem Gesetze der Reproduktion auf dem Gebiete des Gefühlslebens nicht reden konnte, annähernd und vergleichungsweise von einem Gesetze der Verschmelzung sprechen darf. Die Lebenseinheit, die unter veränderten Umständen sich gehemmt oder gefördert findet, ist nicht in allen Fällen die des einzelnen Individuums allein. Die Förderung oder Hemmung, welche Umstände für uns herbeiführen, braucht sich nicht auf den Bezirk des Individuums in seinem strengstem U m f a n g e [ z u ] beziehen, vielmehr das Individuum empfindet die Förderung und Hemmung der mit ihm verbundenen Lebenseinheiten in ähnlicher Weise, als es seine eigenen empfindet. Dieser Punkt ist beinahe mystisch. Ein Individuum ist also, soviel ergibt sich aus dieser Tatsache, nicht diese isolierte einzelne Existenz, die der Begriff der Egoität in sich faßt, das Individuum ist vielmehr ein Komplex, der zugleich die Lebensgefühle anderer Individuen, der Gesellschaft, ja der N a t u r in sich schließt. J e ausgebreiteter nun diese Grundlage unseres Lebensgefühls ist, desto fähiger ist audi das Individuum, Lust und Schmerz in den mannigfaltigsten Abstufungen zu erfahren, so daß der Reichtum unseres Gemütslebens einerseits z w a r dependiert von der Reizbarkeit unserer Lebenseinheit, andererseits aber abhängt von dem Grade, in dem das Individuum imstande ist, die Lebenseinheiten anderer mit in sich aufzunehmen. Was wir Eltern- und Familienliebe, was wir Freundschaft und Vaterlandsliebe, was wir Mitgefühl, Naturgefühl und Religiosität nennen, alles dies sind bloß Tatsachen der Erweiterung unseres persönlichen Lebensgefühls. Auf diesem Grunde der Kontinuität unseres Lebensgefühls heben sich nun die Einzelgefühle in ihrer großen Mannigfaltigkeit, mit der sie das Leben erfüllen, ab. Der Wechsel dieser Affektionen unseres Selbst ist außerordentlich groß. Zunächst gilt es, die Gegenwartsgefühle ins Auge zu fassen. Hier treten zunächst Einzelgefühle auf, alsdann tritt psychisches Lebensgefühl hinzu, und in der Erweiterung unseres Selbst schließen sich
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soziale Einzelgefühle hieran an. Aber nicht nur auf die Welt der Gegenwartsgefühle ist unsere Lebenseinheit eingeschränkt, vielmehr sind es gerade die Zukunftsgefühle, wie Furcht und Hoffnung, die den Menschen viel stärker bewegen, als Schmerz und Lust des Augenblicks. Dies findet darin seinen Grund, daß, wie früher gezeigt worden ist, jeder Unglücksfall eine Anpassung unserer Lebenseinheit an die veränderten Umstände herbeiführt. Stellen wir uns also ein Mißgeschick in der Zukunft vor und wissen, daß es mit Wahrscheinlichkeit über uns hereinbrechen wird, dann hat noch keine Anpassung, noch keine Herstellung eines Gleichgewichts unserer Lebenseinheit stattgefunden, und es dünkt uns alsdann unerträglich. Findet aber die Anpassung statt, dann geschieht es meist, daß nach einem heftigen Sturm der Gefühle unsere Lebenseinheit sich akkommodiert, daß Quellen neuen Glükkes auch aus dieser Position sich ergeben und so alsdann eine allmähliche Verminderung des Schmerzgefühls eintritt, das mit dieser Veränderung verbunden ist. Endlich aber wendet sich der Gang unseres Gefühlslebens auch rückwärts auf die Möglichkeiten, die in dem Entwicklungsgange unseres Lebens gelegen hätten, und auf die Fehler, die etwa begangen worden sind. Dies alles sind Gefühle, wie sie im Zusammenhange stehen mit der Förderung oder Hemmung unserer Lebenseinheit. Neben diese Gefühle treten aber weiter zwei nicht minder wichtige und umfangreiche Klassen von Gefühlen, welche unser geistiges Leben beständig begleiten, es sind dies die Gefühle, von denen unser intellektuelles und moralisches Leben durchwebt ist, da, wie schon an einem andern Orte gezeigt ist, überhaupt das Gefühl nicht eine gesonderte Abteilung unserer geistigen Existenz bildet, sondern das ganze geistige Leben als ein einiges und unteilbares erfüllt. [C.] D e r W i l l e u n d s e i n e F r e i h e i t . Wie der Wille ein integrierender Bestandteil unseres Wahrnehmens ist, wie dieser Wille ein notwendiger Bestandteil unseres Denkens ist, so ist andererseits Vorstellungsgehalt ein nie fehlender Bestandteil des Willensaktes. Wir können uns einen Willensakt, ohne etwas, das gewollt wird, ohne ein Motiv, um dessentwillen unsere Tätigkeit sich in Bewegung setzt, überhaupt nicht denken. Dieser Vorstellungsinhalt besitzt für uns zugleich immer einen Gefühlswert, und so ist in jedem Akte unserer geistigen Tätigkeit, wie sich auch hierbei zeigt, Vorstellung, Wille und Gefühl immer zu gleicher Zeit enthalten. Hier gilt es, sich nun daran zu erinnern, daß wir uns des Ausdrucks „Willen" in einer doppelten Bedeutung bedienen. Entweder wir bezeichnen denjenigen Vorgang als Willen, in welchem sich unsere Spontaneität in Bewegung setzt, um etwas zu erreichen, oder wir nehmen aus diesem, einen Moment unseres Lebens ganz ausfüllenden Akte
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den Teilinhalt unseres psychischen Lebens heraus, der darin besonders vorwiegt und den wir Willen nennen. Wir könnten also einen engeren und einen weiteren Sinn annehmen. Versuchen wir nunmehr eine Deskription des Willensaktes in uns zu entwerfen. Wir suchen eine Normalklasse von Willensakten, d. h. eine solche, über deren Willenscharakter kein Zweifel besteht. Diese Klasse wird durch alle diejenigen Fälle gebildet, in denen das enthalten ist, was wir Entschluß nennen. Hier muß also vorliegen irgend ein Vorstellungsinhalt, welcher ein nur vorschwebendes, zu erreichendes Ziel enthält. Dieses Effektbild meines Handelns steht vor meiner Seele. In bezug aber auf mein Handeln ist dieses Effektbild, welches ich als Zweck bezeichnen kann, Motiv. Denn mein Wille bewegt sich diesem Zweck entgegen, und die Verwirklichung dieses Zweckes ist der Grund, um dessentwillen mein Trieb, mein Wille sich in Bewegung setzt. Ich erhalte also als ersten Faktor des wirklichen Willensaktes ein Effektbild. Ich verstehe darunter „eine Vorstellung des Zweckes, um dessen Realisierung es sich handelt". Dieses Effektbild, nach der andern Seite hin angesehen, angesehen in Bezug auf die Verursachung meines Willens, ist das Motiv meines H a n delns. Zu diesem Effektbilde, Zweck, Motiv, tritt nun aber eine in mir liegende und von mir in unmittelbarer Wahrnehmung aufgefaßte Bewegungskraft. Ich fühle mich imstande, die Realisierung dieses Effektbildes zu bewirken, ich finde in mir eine Spannung des Willenselementes, der Willensseite meiner Natur, welche darauf gerichtet ist, dieses Effektbild zu realisieren. Ich finde alsdann diesen Vorgang begleitet von einer Mannigfaltigkeit von Gefühlen, ein Gefühl von Bedürftigkeit treibt nicht selten midi verstärkend dem Ziel entgegen, Gefühl eines Mangels, eines Bedürfnisses, Gefühl eines Vakuums in bezug auf das, was realisiert werden soll. Alsdann begleitet diese meine Handlung Wertgefühl in bezug auf die Bedeutung dieser Handlung für mein Selbst, ein Innewerden dieser Spannung tritt hinzu, endlich das Bild des Zustandes, welchem ich midi nahe, ist für midi ausgestattet mit einem Reichtum von Gefühlen. Schließlich steht dieser ganze Vorgang in einer Beziehung zu meiner Lebenseinheit, welche die Richtung meines Willens auf dieses Ziel bejaht, behauptet und will. Dieser Fall kann vielfach modifiziert werden, indem verschiedene in meiner Lebenseinheit liegende Antriebe audi nach verschiedenen Seiten hinziehen können, so daß der Entschluß sich schließlich als ein Definitivum in bezug auf diese K r ä f t e ergibt. Diese Modifikation ändert aber nichts an dem Tatbestand des einfachen Falles. Anders stellt sich dagegen die Sache [dar], wenn man Tatsachen ins Auge faßt, welche zwar ein Ausdruck meiner Spontaneität sind, die aber trotzdem angezweifelt werden können in bezug auf ihren Willenscharakter. Nehmen wir den einfachen Fall eines sinnlichen
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Triebes, welcher unter Umständen ohne jedes Nachdenken über sein Ziel statthat, ja bei dem nicht einmal eine Anspannung des Willens erfahren wird. Diese ganze Welt von Verlangen und Begehren, alle diese Tatsachen sind der eben geschilderten bis zu einem gewissen Grade verwandt und doch kann die Frage auftreten, ob sie als Willensakte betrachtet werden können. In der Tat hat die Theorie des Willens zwei entgegengesetzte Ansichten entwickelt in bezug auf die Ausdehnung derjenigen Phänomene, welche unter der Klasse des Willens zusammenbegriffen werden sollen. Die eine Ansicht, deren äußerstes Extrem Schopenhauer bildet, versteht unter Willen einen jeden triebähnlichen psychischen Vorgang, welcher die Richtung auf eine Veränderung meines Lebenszustandes hat. Hierbei ist es gleichgültig, ob diese Richtung als ein unwillkürlicher Akt verläuft, oder ob meine Willkür diesen Akt verfolgt. Ganz abweichend davon ist die andere Ansicht, welche diesen eben genannten Kreis von Tatsachen vom Willen ausschließt und den Willen erst beginnen läßt, wo der Entschluß, die höheren Fähigkeiten des Menschen anfangen. Diese beiden Ansichten können aber nicht eher einer Prüfung unterzogen werden, als bis wir jene Frage ins Auge gefaßt haben, die ohne Zweifel die Trennung in bezug auf die Begriffsbestimmung des Willens herbeigeführt hat, die Frage, welche das Fundamentalgesetz für die Freiheit des Menschen bildet. Diese Frage nach der menschlichen Freiheit ist von der größten Wichtigkeit, weil von ihrer Beantwortung die ganze Moral und Jurisprudenz abhängig ist. Ebenso wurzelt die ganze Verschiedenheit der Ansichten über die Naturgeschichte, und in gleicher Weise die beiden getrennten Auffassungen der Geschichte, ich möchte sagen die „heroische" (Carlyle) und die kulturhistorische, in letzter Instanz nur auf der verschiedenen Betrachtungsweise des menschlichen Willens und seiner Freiheit. Diese Frage bildet weiter das Kriterium für die praktische Bedeutung eines philosophischen Systems. Unter den Historikern sind nur einige wenige, welche die Freiheit des menschlichen Willens in Abrede stellten, die größten unter den neueren europäischen Historikern aber, wie ζ. B. Niebuhr, Ranke, sind alle als entschiedene Verteidiger der Lehre von der menschlichen Willensfreiheit aufgetreten. Was dann diejenigen betrifft, welche die Tatsachen der menschlichen Gesellschaft untersucht haben, so ist jetzt, nachdem eine kurze Zeit hindurch die Resultate der statistischen Forschung Zweifel hervorgerufen hatten, eine Vereinigung eingetreten zwischen den Vertretern der Statistik und den Nationalökonomen, so daß wohl fast niemand mehr die Tatsache der menschlichen Freiheit in Abrede stellt 235 . Wir wollen die Sache wieder empirisch betrachten. Es gibt keinen Punkt, wo es sich besser entschiede, ob ein Denker wirklich empirisch ist oder nicht,
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als diesen. Denn hier handelt es sich darum, sich einerseits frei zu machen von den Vorurteilen der Wissenschaft und angeblicher Gewissensbedürfnisse und diejenige Freiheit allein zu untersuchen, die wirklich existiert, und sie nach beiden Seiten hin zu rechtfertigen. Gewöhnlich wird der Wille als in zwei entgegengesetzten Richtungen sich bewegend dargestellt, [als] der Gegensatz von Wollen und Verabscheuen. Dies entspricht aber keineswegs unserer Erfahrung, nach der Wille jederzeit für uns nur das Einschlagen einer tatsächlichen Richtung ist, nicht aber in zwei Richtungen auseinanderfällt. Wenn ich will, so will ich etwas, d. h. der Wille ist jederzeit positiv. Es gibt keinen Willen, der nur vermeiden möchte. Der Wille, der vermeiden will, hat eben eine dem zu Vermeidenden entgegengesetzte Richtung, die positiv ist. Diese Ansicht von einer Doppelteilung des Willens entspringt wohl daraus, daß das Gefühl mit seinen mannigfaltigen Modifikationen zwei solche Seiten hat, und wenn ich von Verabscheuen spreche, so ist [dies] allerdings eine dem positiven Lieben entgegengesetzte negative Richtung. Diese Duplizität ist aber nur auf das Gefühl und seine Zustände, nicht aber auf den Willen anwendbar. Tritt nun aber der Wille zu dem Gefühl hinzu, so will er in diesem Spiel des Verabscheuens und Sichabwendens jederzeit, hat also jederzeit eine bestimmte Richtung, ist also jederzeit positiv. N u r einen Gegensatz gibt es auf dem Gebiet des Willens, den des Determiniertwerdens und den des Determinierens. Der Wille also findet sich entweder determiniert durch einen andern Willen, oder er ist selbst determinierend, ist aktiv, verhält sich spontan. Dies ist der einzige Gegensatz innerhalb der Welt des Willens 2 3 '. Schlußabhandlung237 Die Psychologie entwickelt solchergestalt die Gesetze, nach welchen die psychischen Elemente auftreten, nachdem sie einmal gewonnen sind, wohl audi die ihres ersten Erscheinens. Eine solche Betrachtungsweise betrachtet den Wahrnehmungs- und Vorstellungsinhalt, alsdann weiter den Inhalt des Begehrens und Fühlens als gegeben, als ein hinzunehmendes Datum. So wird die ganze Inhaltlichkeit unseres Lebens für sie zu dem bloßen Stoff desselben, gleichsam ein gleichgültiges Heizungsmaterial dieses Lebensprozesses. Aus der Außenwelt tritt er herein und wird vom Lebensprozeß ergriffen wie die Kohlen von der Flamme. Die Schönheit der uns umgebenden Pflanzenwelt, der Wettkampf mit anderen Willen in der Gesellschaft etc.: das alles sind nur äußere Tatsachen für die Deskription und Theorie der Formen und Gesetze des psychischen Lebens.
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Jedoch wenn der Mensch über die Bedeutung seines Lebens nachsinnt, ist es gerade diese Inhaltlichkeit, durch welche sie gebildet wird. D a ß wir im K a m p f der Willen nur die Existenz auf diesem Erdball leben, daß ein System der Gesellschaft, eine Rechts- und Staatsordnung uns umgibt etc.: das sind die gestaltenden Mächte unseres Daseins, die seiner Entwicklung den Charakter geben. Wie verhält sich Form und Gesetz zum Inhalt in dem Lebensprozeß? Insbesondere Kant führte diesen Gegensatz durch die Betrachtung des geistigen Lebens durch. Der Übergang von der Form zum Inhalt wird deutlich, wenn man die falsche Einschränkung der Psychologie aufhebt. Die Konstitution der Wissenschaften des Geistes schließt in sich, daß die Theorie des Wissens, des Rechtes usw. in ihrem Zusammenhang mit der Psychologie gefaßt, vielmehr daß dieser Zusammenhang nicht willkürlich zerrissen wird. In allen drei Seiten des Lebens und der Betätigung unserer Lebenseinheit findet diese sich in Beziehungen zur Außenwelt. Diese sind für das Wissen die Objekte, für den Willen in erster Linie die Willen anderer, alsdann die Natur, welche ihm zum Zweck ihrer Organisation untenan ist. Schleiermacher verkannte dies Verhältnis, indem er den Willen als Vernunft bestimmte und die ursprüngliche Beziehung des Willens zum Willen verkannte. Kant seinerseits hat dies letztere Verhältnis in einseitiger Ausschließlichkeit behandelt und die Beziehung des Willens zur N a t u r verkannt. Die Beziehung zwischen Wille und Wille aber, als eine gegenseitige Determination, schließt gemäß dem in der Psychologie Entwickelten die Forderung eigener Willensentfaltung und die Achtung vor dem fremden Willen in sich. Pflichten im strengen Sinne gibt es nur zwischen Wille und Wille. Und dehnt man diesen Begriff auf die N a t u r aus, so denkt man einen verpflichtenden Willen hinter derselben. Für die Lebenseinheit des Gefühls endlich gibt es nur Bedingungen des Lebens, aber nicht des eigenen allein, sondern soweit Leben erblickt wird, wird sein Lebensgefühl nachempfunden und werden günstige oder ungünstige Umstände auf diese Lebenseinheit bezogen. D a aber das menschliche Leben eine Einheit ist, können die verschiedenen Seiten des Lebens einander nicht nach zufälligen Beziehungen ablösen, sondern zwischen ihnen muß ein Verhältnis bestehen, welchem gemäß das Individuum sein eigenes Leben als eine zusammenhängende Entwicklung aufzufassen vermag. Diesen Zusammenhang aber bildet der Kreislauf der psychischen Tätigkeit, in welchem Eindrücke jederzeit Willensaktionen auslösen und der Wille alsdann in dem erfahrenen Widerstand neue Lebensreize zurückführt. Dieses Gesetz des Kreislaufs im menschlichen Leben ent-
D a s f u n d a m e n t a l e Gesetz der Geschichte
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hält aber nur einen Aufschluß über den Zusammenhang aller psychischen Tätigkeiten untereinander, jedoch schließt es keine reale Einheit in sich, die unserer Entwicklung zugrunde läge. Diese reale Einheit, die in dem Kreislauf der Lebensfunktionen sich verwirklicht, ist aber keine andere als die Verwirklichung des Lebensinhaltes selber, welcher in einem Individuum angelegt ist. Wir leben schlechthin um zu leben, sind schlechthin tätig um der Tätigkeit willen, in den Energien unseres Wesens ist ein System von Strebung, Antrieben, Tätigkeiten angelegt, deren Realisierung das Leben selber ist. Doch kann dieser Inhalt der menschlichen N a t u r niemals zureichend am Individuum studiert werden. Die Entfaltung des menschlichen Wesens ist in der Geschichte, hier sind in großen Buchstaben die Antriebe, die inneren Schicksale, die Lebensbeziehungen der menschlichen N a t u r zu lesen, hier ist ein aus sich selber Entwickelndes zu gewahren, während alles individuelle Leben aus der Tiefe des geschichtlichen Prozesses seinen wesentlichen Gehalt empfängt 238.
3. Das fundamentale Gesetz der Geschichte 1. Unsere Kenntnis der älteren Zustände der Menschheit und die ungeschiedene Einheit der menschlichen Lebensäußerungen. 2. Abstraktion, Sonderung und Spezifikation. 3. Die so entstehenden Grundrichtungen in der Tätigkeit der Gesellschaft. 4. Grundzüge der Bildungsgesetze auf diesen Gebieten. (Darstellung des anthropologischen Inhaltes an der Menschennatur nur in Geschichte = in den Äußerungen. Studium der Biographie. — Rousseaus Aufstellung über den ältesten Zustand = Einordnung des ganzen psychischen Lebens in den Zusammenhang von Gefühlen und Strebungen, in deren Dienst die Vorstellungen und Bewegungen stehen, und erlangte Befriedigung. — Sinnesenergie, Muskelenergien. Revision der Ansicht des 18. Jahrhunderts in aktivem Sinne. — Die Zeugnisse der Anthropologie). § 1 . Der Mittelpunkt der Psychologie lag in der Entwicklung der drei Seiten jedes psychischen Lebensmoments wie der ganzen psychischen Entwicklung sowie der Deskription dieser drei Seiten und ihrer Gesetze. Den Mittelpunkt der Anthropologie bildet die Lehre vom psychischen Organismus, d. h. von der Konstitution des Gesamtzustandes Gefühl, des Gesamtzustandes Wille, der psychischen Intelligenz und von dem Kreislauf, der zwischen ihnen besteht. Hiermit ist eine Abstraktion, deren sich die
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Psychologie notwendig f ü r den Anfang der Untersuchungen bediente, aufgehoben. Es bleibt die Abstraktion, die darin liegt, daß wir das Individuum herausheben, als welches doch nur in dem Ganzen Existenz hat. So bildet die Anthropologie den Übergang zur Philosophie der Geschichte. In ihr wird der Antrieb bloßgelegt, durch den der Mensch aktives Element in der Geschichte, wirksame Zelle in ihrem Organismus wird. Energienlehre als Grundlage. Novalis. Rousseau. Die Menschenbeobachter, Augustin. [§] 2. Die Eine Seite des Menschen bildet der auf äußere Zwecke gerichtete Wille in seinen Beziehungen zur Gesellschaft und zur Natur. Hier ist das Primäre. Das, womit der Mensch beginnt, was ihm am nächsten liegt. Seine mächtigsten Hebel. Das Individuum strebt diejenigen Veränderungen hervorzurufen, durch welche seine Bedürfnisse befriedigt werden. Das Älteste, womit es beginnt, das Letzte und Bleibende in den feinsten intellektuellen und wissenschaftlichen Verzweigungen. [§] 3. In diesen Bedürfnissen ist nach allgemeiner Anerkennung — ich gehe ganz empirisch und beschreibend voran und schütze midi nur so vor dem Spiel der Hypothesen — die Selbstbehauptung oder die Entwicklung der in uns gelegenen Energien zu ihnen angemessener Betätigung enthalten, daneben ein das Wohl anderer Individuen in irgendeinem Umfang teils als Selbstzweck anerkennen, teils in die eigenen Zwecke aufnehmen (negativ und positiv) 23e . Regel: Was wir als Zweck setzen f ü r uns, kann von mir audi bei andern als Zweck anerkannt und für andere in unsere Zweckordnung aufgenommen werden. D a ß die Systematik der Zweckordnung nicht überall beides zu scheiden braucht. Der Gegensatz 240 der bisherigen abstrakten Methode des Studiums geistiger Tatsachen und der von mir dargestellten anthropologisch-historischen. Aus dem Prinzip der Wirklichkeit folgen zwei wichtige Einzelprinzipien, welche durchgeführt zu einem Begreifen der Wirklichkeit der geistigen und gesellschaftlichen Tatsachen führen. In der Anwendung der Philosophie der Wirklichkeit auf diese zweite Klasse von Tatsachen ergibt sidi als die eine Seite dieser von dem anthropologischen Sdiema ausgehenden Philosophie die Auffassung des Lebens als beständig in den drei Seiten von Vorstellung, Gefühl und Willen bestehend und die geschichtliche Ansicht. Diese zwei Ansichten sind die beiden Seiten einer Geistesphilosophie vom Standpunkt der Wirklichkeit aus. Und hier müssen nun in vergleichendem Verfahren Gesellschaft, Kunst, Wissenschaft, praktisches Leben, Religion behandelt werden.
Das fundamentale Gesetz der Geschichte
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U n d z w a r zunächst zu vergleichen die bisherigen abstrakten Wissenschaften dieser Formen; neben Naturwissenschaften etc. die formale Logik ein solcher Zweig der einseitigen Abstraktion. Stellung in K a n t s System hiernach. Sie enthält nur disjecta membra, in denen der Grund der Verbindung und des Fortschreitens nicht mehr d a ist. Sie isoliert den Begriff, das Urteil etc. D a s Schöne und Tüchtige an der bisherigen Behandlung der Logik ist die Anwendung der kombinatorischen Methode. Auszugehen ist vom anthropologisch-historischen Anfangszustande und den Operationen der Abstraktion 2 4 1 . Hier ist nicht nur eine erste Einheit für den Intellekt das Pröblem, sondern diese ist zugleich f ü r den Willen sein Gegenstand und höchstes G u t und für die Gefühle O r t der äußeren Befriedigung (aus der dann gleichzeitig innere sich entwickelt) und Ideal. Stufen in dem Fortgang der Abstraktion. D a s Motiv der Wille, der das Wirkende erkennen will. § 4. Systematik der Zweckordnung des Individuums, cf. Versuch bei Ihering. 1. Psychisches Wohl, Selbstbehauptung und Sorge f ü r andere. 2. aus ihm entwickelt sich der Begriff des Vermögens 242 , damit ökonomische Selbstbehauptung und Sorge für andere 2 4 s .
F. E R K E N N T N I S T H E O R E T I S C H E (1874/79)
FRAGMENTE
1. Übersicht der Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des Empirismus, durch welche die Einsicht in die Objektivität der Erscheinungen begründet würde 1. W i r sind b e r e c h t i g t zu der wissenschaftlichen Ü b e r z e u g u n g von der R e a l i t ä t einer W e l t a u ß e r uns.244 Die Pforte, durch welche der Leser in diese Forschungen eintritt 245, ist nicht im Mittagsglanz der historischen Anschauung mit dem bunten Glanz ihrer Farben. Die fundamentalen Anschauungen können nur auf abstraktem Wege erworben werden. Es stünde gut, könnte ich mich auf die letzten Bearbeiter der Wissenschaftslehre, J . St. Mill und in Deutschland Überweg 246 einfach berufen. Indem ich die Grundansichten des Empirismus teile, wie er sich von dem genialen Demokrit ab in der europäischen Wissenschaft entwickelt hat, müssen doch einige Schritte rückwärts noch zu seiner Begründung getan werden. Als die innere Aufgabe der Wissenschaftlehre betrachte ich, in der Durchführung des empiristischen Standpunktes den Objektivismus zu erreichen. Dies ist auf zwei Arten angestrebt worden: Repräsentanten der einen sind Mill in England und Helmholtz bei uns; der anderen auf Schleiermachers und Benekes Bahnen Überweg. Man kann davon ausgehen, Phänomene und ihre Verknüpfungsformen als das zu betrachten, was einmal unsere Welt konstituiert. Aus diesen Bausteinen und mit diesem Kitt müssen wir bauen, wenn wir es überhaupt wollen. In dem so entstehenden Gebäude leben wir und orientieren uns und handeln. Alle anderen sind Luftschlösser. Die ganze Frage nach dem Realen dahinter ist schließlich transzendent. Dieser Empirismus ist der adäquate Ausdruck des englischen Tatsachengeistes. Er ist nur konsequenter bei Berkeley und seiner schottischen Schule als bei Locke. Uberweg geht zurück bis auf unsere räumlich-zeitliche Anschauung, ihre Objektivität zu erweisen. Hier war die Arbeit seines Lebens. Seine optische Theorie war dabei von hervorragender Wichtigkeit.
Die Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des. Empirismus
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Ich gehe einen Schritt weiter zurück. Gelänge es, diese Betrachtungsweise strenger zu begründen, so wäre eine ausreichende Grundlage für eine ruhige, des ewigen Kampfes mit dem Ding an sich und der der Erfahrung transzendenten Welt enthobene Vertiefung in die Wirklichkeit gewonnen. Dies ist bei Mill und Helmholtz nicht der Fall. Die Resignation der Wissenschaft, die die Essenz ihrer Theorie ist, ist, wie seit Berkeley und Hume die Erbschaft ihrer Lehre ist, der Vordersatz für einen Schluß, dessen Untersatz unser unbezwingliches Bedürfnis des Realen ist, und der in der Hingabe an eine Glaubenswelt endigt, sei sie materialistisch oder sei sie christlich. So wandte Hamann Hume christlich, die Franzosen materialistisch. So kann [es] morgen mit denselben Lehren geschehen. Es ist unser gesamtes Bedürfnis danach, in der Vertiefung in die Welt unserer Phänomene Objektivität zu besitzen, d a s h ö c h s t e B e d ü r f n i s des szientifischen Geistes, das primäre und letzte, seine stillschweigende Voraussetzung, sein, wenn der Zweifel da ist, letztes Bemühen, welche nötigen zu Untersuchungen, von denen ich hier eine plane Ubersicht zu geben mich bemühe. Erscheinungen sind da. Mich beschäftigt zunächst die Frage, ob sie ein bloßes Phänomen unseres intellektuellen Auges sein könnten — Träume, sagte man, visionäre Bilder, Fichte in scharfem Ausdruck Phänomene, die die Sache selber nur ausdrückten, in und aus ihr wären. Gewiß, in uns allein sind sie; unser Bewußtsein ist der einzige O r t ihres Daseins. Aber können sie aus ihm allein erklärt werden, kann dasselbe als ihr zureichender Erkenntnis- oder Erklärungsgrund betrachtet werden? Ich habe früher 2 4 7 in Kants Gedankenreihe einen Beweis eingefügt: aus einem bloßen Bewußtsein würde ein inneres Gesetz der Abfolge sich ergeben. Die völlige Irregularität der Phänomene ist nur aus Reizen außerhalb des Bewußtseins für uns erklärbar. Ich habe dann in meinen Vorlesungen 248 seit 1872 einen Beweis als von mir aufgestellt vorgetragen, muß aber nun, seitdem ich nach Uberwegs Tode dessen Abhandlungen studierte, diesem die Priorität zuweisen 2 4 e . Ich trage ihn vor, wie ich ihn formuliert habe, da er so mir strenger als bei Überweg erscheint. Der Glaube an die Realität der Phänomene erhält sich gegenüber jeder abstrakten Reflexion, weil er die generellste unter all unseren Induktionen ist; diese Induktion kann eine ganz strenge Fassung erhalten, durch Ausschließung eines zweiten ganz unwahrscheinlichen Falles. Die Objekte stellen sich uns aus den verschiedensten Punkten und Entfernungen so dar, als ob sie existierten. Mehr noch: unser Bewußtsein enthält viele andere Bewußtseine in sich, deren Auffassung damit einstimmig ist. Entweder existiert demgemäß in uns ein prästabiliertes System von Vor-
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Erkenntnistheoretische Fragmente (1874/79)
Stellungen, geordnet so a l s b e s t ü n d e n O b j e k t e : dies könnte dann nur auf eine planmäßig diesen Schein verbreitende Gottheit zurückgeführt werden oder auf eine noch rätselhaftere unbewußte Organisation unseres Bewußtseins zu der grandiosesten aller Illusionen. Schließt man diesen unwahrscheinlicheren Fall aus, so bleibt als der wahrscheinlichere Tatbestand die Existenz einer realen Welt. 2. W i r e r k e n n e n e i n e n T e i l d i e s e r W e l t , w i e e r a n s i c h i s t , in d e n T a t s a c h e n u n s e r e s B e w u ß t s e i n s . Unser Bewußtsein enthält nun einen Inbegriff von Phänomenen, der nur einen Teil dieser realen Welt ausmacht. Diese Phänomene sind ganz so real, wie sie für uns sind. Diese Tatsache bildete für Schleiermacher schon den Ausgangspunkt, welche alsdann Beneke und Uberweg verfolgten. Nur daß ein MißVerständnis vermieden werde: Wir erkennen nicht Wesen oder Natur unserer selbst, sondern wir gewahren unmittelbar nur einzelne Tatbestände in uns; jede Erkenntnis unseres Wesens bildet sich ebenso aus Schlüssen, wie die des Wesens irgendeiner psychischen oder körperlichen Wesenheit außer uns. Die Tatbestände allein, diese aber gänzlich, sind so gegeben, wie sie erscheinen. Der Beweis hierfür wird, wie ich sicher vertraue, einmal psychologisch geführt werden können. Wenn Fechners Hypothese von dem Verhältnis unbewußter und bewußter Vorstellungen, der gemäß Bewußtheit derselben nur ein höherer Grad ihrer Erregung [wäre], als gesicherte Tatsadie einmal wird angesehen werden können: dann folgt aus ihr unmittelbar, da der Grad der Erregung einer Vorstellung ihren Inhalt nicht ändern kann, daß das sogenannte Bewußtsein (die Abstraktion der Psychologie) an den Elementen des psychischen Lebens nichts abändert. Vorläufig darf nur diese Hypothese als die am meisten mit den Tatsachen in Einklang befindliche betrachtet werden. Ist vorläufig ein solcher direkter Beweis nicht möglich, so können wenigstens die Gegengründe aufgehoben werden. Von diesen ist nur der Sat? Kants von der Idealität der Zeit von solcher Bedeutung, daß seine Auflösung nicht übergangen werden darf. Kant behauptet die Idealität des Zeitverlaufs in unserem bewußten Vorstellungsleben. Er stellt sidi also vor, daß möglicherweise das Anschauen als solches seinem Gegenstande, dem Ich, für sich selber die Form des Zeitverlaufs geben könne. Nun kann aber unmöglich diese Form des Zeitverlaufs durch das Anschauen in das Ich als Gegenstand [anders] eintreten als durch eine Sukzession im Anschauen selbst. Irgendwo muß Sukzession im
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Vorstellen sein, wenn sie in das Objekt gebracht werden soll. Dann wäre also doch im Vorstellenden irgendwo Sukzession, und da dieses ein Reales ist, im Realen. Alsdann bliebe nur höchst wunderbar, daß das Reale teilweise ein Veränderliches wäre, teilweise nicht, so daß durch [das] psychische Ganze diese Scheidelinie hindurchginge. Demgemäß gewahren wir in uns ein psychisches Geschehen mannigfachster Art, welches so, wie wir es gewahren, sich vollzieht. Die Grenze unserer Erkenntnis liegt hier nur darin, daß dasselbe ein sehr kleiner Teil des psychischen Geschehens ist, welches sich tatsächlich in uns vollzieht. Dies vergegenwärtigen wir uns am besten auf folgende Weise. Eine Gegend, die wir etwa auf der Reise gewahren, hat für uns stets etwas von Bild, von Dekoration. Anders wenn wir eine genau gekannte Gegend erblicken. Hier werden durch die Anschauung unzählige Vorstellungen miterregt, welche teilweise in das bewußte Bild miteintreten, zum anderen Teil aber demselben seine Tiefe, die scharfe Sonderung seiner Teile, die Größenschätzung, die plastische Gestaltung, den Eindruck realen Bodens, die Stimmungen alle, die sich anschließen, geben. Diese alle werden nicht mit zum deutlichen Bewußtsein erregt, sondern bilden gewissermaßen einen massenhaften Untergrund des Bildes. So sind beständig Massen von Vorstellungen in leiserer oder stärkerer Erregung in unserer Seele. Unser psychisches Geschehen gleicht Pflanzen, deren Wurzeln tief im Erdreich sich verbreiten, und nur einzelne Blätter erheben sich. Psychisches Geschehen in seiner Mannigfaltigkeit wird alsdann sicher und evident erschlossen, so daß nur kindische Sophismen daran rütteln können, soweit in Sprache, Gebärde und Handlung menschliche Organismen sich bewegen; und sein unendlicher Reichtum im Verlauf der Generationen und in der Wechselwirkung mit den körperlichen Phänomenen bildet den Gegenstand von Wissenschaften, welche allein Realit ä t v o n i n n e n d a r s t e l l e n , w i e s i e in u n d an s i c h s e l b e r ist — W i s s e n s c h a f t e n des G e i s t e s . 3. D i e i n n e r - p s y c h i s c h e u n d i n n e r g e s c h i c h t l i c h e M e s s u n g d e r S u k z e s s i o n l i e g t in d e r F o r t p f l a n z u n g der E m p f i n d u n g e n , ihrer A b f o l g e , der A b f o l g e der Vorstellungen, dem A b l a u f von G e m ü t s z u s t ä n d e n , Leidenschaften und H a n d l u n g e n , alsdann Lebensaltern, endlich G e n e r a t i o n e n . Die uns w i r k l i c h b e k a n n t e Ge s c h i c h t e E u r o p a s v e r l ä u f t in e t w a 90 G e n e r a t i o n e n ( j e 30 J a h r e ) .
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4. D i e F r a g e n a c h d e r R e a l i t ä t d e r r ä u m l i c h e n Verh ä l t n i s s e kann genügend für die G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n beantwortet werden. Die Mannigfaltigkeit des psychischen Geschehens ist in einer der Wissenschaft noch unzugänglichen Weise mit einer Mannigfaltigkeit von Bewegungsvorgängen in menschlichen Organismen verkettet. Unter den metaphysischen Hypothesen über dies Grundverhältnis, d. h. generellste Verhältnis alles Geschehens kann keine auf Evidenz Anspruch machen; die Fechners stimmt besonders gut mit den vorläufig bekannten Tatsachen [überein]. Vorbedingung der gesamten Vorstellbarkeit des Weltzusammenhangs ist aber zuallervorderst eine klare Theorie über den Wert der räumlichen Verhältnisse, in denen wir die Organismen und ihre Wirkungen gewahren. Eine solche Theorie ist aus den bisher bekannten Tatsachen noch nicht mit Evidenz erschlossen worden; andererseits ist kein Grund, daran zu zweifeln, daß der Fortschritt der Wissenschaften sie ermögliche. Sie kann sich entwickeln in der Fortbildung der mathematischen Untersuchungen' von Riemann und Helmholtz; sie kann sich, wie Uberweg versuchte, aus den Relationen der Sukzession zu dem Räumlichen, wie sie in der Mechanik des Weltganzen liegt, entwickeln. Vorläufig mag die folgende Hypothese das generellste Verhältnis alles Geschehens vorstellig machen. K a n t hat an einer merkwürdigen Stelle 2 5 0 seine Ansichten darauf zurückgeführt, daß Synthesis in die Sensationen unsrer Sinne, wie sie unsere Vorstellung von Gegenständen enthält, nicht aus diesen selber kommen könne, sondern aus unserem Vorstellen stammen müsse. Hier ist der Idealismus auf das einfachste und evidenteste bewiesen. Alle Analysis, so formuliert er, beruht auf Synthesis, als dem Primären in uns. Diese Synthesis ist es auch, welche den Raum aufbauen muß. Soweit ist alles evident. Nun kann man dies Entwerfen des Raums als eine rein apriorische T a t des Geistes ansehen, und diese Ansicht kann heute nicht widerlegt werden. Es ist aber oft darauf hingewiesen worden, daß das Verhältnis, welches zwischen den Theoremen der Mathematik und den Anwendungen in der Wirklichkeit besteht, diese Ansicht wenig wahrscheinlich macht. Es ist dazu jetzt durch die empiristische Hypothese von Helmholtz für die physiologische Optik auch von dieser Seite eine andere Entstehung des Raums wahrscheinlich gemacht. Es ist endlich durch die Riemannschen Untersuchungen eine andere Ansicht bevorzugt. Dies alles begünstigt eine zweite Hypothese, die ich so formulieren möchte: Die Grundverhältnisse des materiellen Realen werden in den allgemeinen Wahrheiten der Mathematik ausgesprochen. So lösen sich nach meiner Ansicht einfach die von K a n t besonders fein entwickelten Probleme. Zunächst das Problem, welches in Kants Argument
Die Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des Empirismus
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liegt: Der Raum entspringt nicht erst aus den Erfahrungen, entsteht er doch nicht durch Induktion in der Geometrie. Die Grundverhältnisse des Räumlichen werden unbewußt zur Gesetzmäßigkeit der Raumvorstellung ausgebildet: die geometrischen Grundgesetze sind alsdann nichts als die bewußte Entwicklung dessen, was schon besessen ist. Demgemäß entsteht die unbewußte Raumvorstellung durch Induktion, jedes Bewußtsein eines Teiles der Gesetzmäßigkeit der Raumvorstellung alsdann aber durch bloßes einfaches Zum-Bewußtsein-bringen des Vorhandenen. Der Raum ist gegenüber unseren bewußten Erfahrungen a priori. Und seine sogenannten abgeleiteten Wahrheiten sind ebenso als kompliziertere Grundverhältnisse in der unbewußten Raumanschauung enthalten, d. h. sie folgen nicht bloß analytisch, sondern haben zugleich eine anschauliche Evidenz. Die Schwierigkeiten, die Kant in der Raumvorstellung hervorhob, des unendlich Großen und unendlich Kleinen, lösen sich alle einfach durch die Einsicht, daß sie nicht in der Gesetzmäßigkeit der Grundverhältnisse, sondern in der Natur der Synthesis liegen; sie haften demgemäß dem empirischen Element des Raumes nicht an, sondern der psychischen Grundform seiner Auffassung. Hiermit ist dann ein Beweis für die Wahrscheinlichkeit dieser Sonderung des Idealen und Tatsächlichen in der Raumanschauung aus den Konsequenzen gegeben. Die Frage ist nun, ob diese Sonderung am Stoff der Mathematik selber durchführbar ist, ob nicht die primären Grundverhältnisse, welche als erste Elemente den verwickeiteren Wahrheiten der Mathematik zugrunde liegen, mit der Natur der Synthesis in Zusammenhang stehen. Dies ist in der Tat nicht der Fall. Somit steht nun eine Welt räumlicher Gesetzmäßigkeit mit dem psychischen Geschehen in Zusammenhang. Die Art des Zusammenhangs ist ein Problem, welches die Nervenphysiologie präzisiert, aber nicht auflöst. Die Behauptung, daß dieser Zusammenhang unerkennbar sei, für welche die Friessche Schule Beweise versucht hat, ist unstichhaltig, da selbst Tatsachen, welche aus verschiedenen Arten, die einen durch inneres Wahrnehmen, die anderen durch Sinne festgestellt sind, die einen von innen, die anderen von außen gesehen sind, doch in ein Verhältnis treten könnten. Die Naturwissenschaften haben ein Interesse an der genaueren Untersuchung der räumlichen Verhältnisse in ihrer Realität; für die Wissenschaften des Geistes genügt die Einsicht in die Realität jener großen Gesetzmäßigkeit, welche die Grundlage unseres Erkennens und Handelns bildet. 5. D i e r ä u m l i c h e n E n t f e r n u n g e n s i n d f ü r u n s r e a l i t e r nur f a ß b a r d u r c h die S e h k r a f t des Auges und die Be-
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w e g u n g , d e m g e m ä ß die Zeit und die K r a f t , M u s k e l k r ä f t e oder b e n u t z t e B e w e g u n g s k r ä f t e . Dies sind die f ü r u n s e x i s t i e r e n d e n R a u m e η t f er n u η ge η . D i e s i s t d e r Raum für psycho-physische Wesen. 6. D i e i n n e r e W a h r n e h m u n g z e i g t d a s K a u s a l v e r h ä l t nis u n d die B e z i e h u n g v o m e i n z e l n e n G e s c h e h e n zu e i n e m W e s e n , a n d e m es g e s c h i e h t , a l s r e a l . D i e s e r e a l e n G r u n d V e r h ä l t n i s s e b i l d e n s i c h in d e r S c h ö p f u n g d e r G r u η d e 1 e m e η t e des l o g i s c h e n D e n k e n s ab. Weitere Bestandteile unseres tagtäglichen wie wissenschaftlichen intellektuellen Lebens sind einerseits die logischen Funktionen, andererseits das, was ich die natürliche Metaphysik unseres intellektuellen Lebens nennen möchte. Diese letztere ist nichts anderes als die Anschauung der Wechselwirkung von Individuen, die sich aus Teilen zusammensetzen, eine Vielheit von Eigenschaften haben und Klassen eingeordnet werden können. Beide Bestandteile des intellektuellen Lebens stehen ohne Frage in einem genetischen Zusammenhang. Die Hypothesen von Sdielling und Hegel über die Einheit von Logik und Metaphysik sind gefallen. Dies darf jedoch über das tatsächliche Verhältnis nicht verblenden, welches hier wie überall komplizierter ist als jene deduktiven Forscher geglaubt haben, aber hier ebensogut besteht als in bezug auf Psychologie und Geschichte, wo auch die Phänomenologie nur irrte in bezug auf die Art der Durchführung, nicht in bezug auf die Tatsache der inneren Relation selber. Die Logik hat sich von Aristoteles bis Kant zu einer deduktiven formalen Wissenschaft entwickelt, welche mit der Mathematik verglichen werden kann — ja sie hat dies, wie ich später zeigen werde, unter der Einwirkung der Mathematik getan. Aristoteles, die ungeheure Bewegung einer großen szientifischen Revolution abschließend, gründete sie als Analytik des wissenschaftlichen Bewußtseins, d. h. als Zerlegung desselben in seine Elemente. Diese Elemente sind Verknüpfungsformen der Vorstellungen und Gesetze derselben. In ihnen stellt er dann die N o r m alles wissenschaftlichen Denkens auf. Aristoteliker und Stoiker, Epikureer und Akademiker ergänzten seine Analysen, begannen aber schon, was Prantl umsonst im Prinzip abweist — da hier nun geschah, was in allen Wissenschaften, deren Analyse weit genug gediehen war — eine deduktive [ . . . ] 2 5 1 .
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2. Versuch über Philosophie der Erfahrung und Wirklichkeit im Gegensatz zu dem Empirismus und der Spekulation Erstes Kapitel Die Philosophie der Erfahrung Empirie und nicht Empirismus Erstes Kapitel Alle menschliche Erkenntnis ist nur Analysis der Erfahrung. Philosophie der Erfahrung. § 1 Daß all unsere Erkenntnis durch Erfahrung und die Schlüsse aus ihr uns zukommt, ist im Grunde so selbstverständlich, als der entsprechende Satz, daß in aller Erkenntnis direkt nur unsere Vorstellungen und Zustände uns gegeben sind. Erfahrungsphilosophie und kritische Philosophie, diese Ausdrücke bezeichnen nur die Tatsache des philosophischen Denkens selber, welcher gemäß alles Erkennen sich direkt mit den Vorstellungen und Zuständen unseres Selbst beschäftigt und unsere Vorstellung verbleibt, also nur Vorstellungen in sich faßt, [während das Selbst] andererseits ihm nur gegeben ist, indem es gewahrt. Gewahren und Gegebenheit, Erfahrensein und für uns da sein sind korrespondierende Begriffe. Welche weitere Prozeduren wir audi mit dem, was für uns da ist, im Denken machen mögen, indem wir vergleichen, unterscheiden, abstrahieren: für uns da ist es doch nur, indem wir es gewahr werden, indem wir es erfahren. Gesetzt, es gäbe angeborene Ideen, ja gesetzt, alle abstrakten Begriffe brächten wir mit auf die Welt: ein jeder wäre doch erst von dem Augenblick ab für uns da, in welchem wir seiner gewahr würden, in welchem er uns zur Erfahrung käme. Sonach ist der Ausgangspunkt alles Philosophierens außer Zweifel. § 2 Zweifel an diesem einfachen Tatbestande entstammen vorwiegend jener einseitigen Auffassung der Erfahrung, weldie Kant übereinstimmend mit Locke seiner Theorie zugrundelegte. Indem er alle Erfahrung auf die äußere einschränkte, bildete sich in seinem Denken jener Gegensatz zwischen den Wahrheiten der Erfahrung und denen a priori. Indem sonach alle Erfahrung für ihn als äußere auf Induktion gegründet erschien, entstand der Satz, daß Erfahrungswahrheiten niemals Notwendigkeit und Allgemeinheit haben.
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§ 3 Indem man jedoch der äußeren E r f a h r u n g eine innere gegenüberstellte, entstand hieraus eine falsche psychologische Theorie. Angelegt w a r sie schon in der Gegenüberstellung von Sensation und Reflexion, in der Kantschen Lehre vom inneren Sinn, welche alsdann eine irrtümliche Ausbildung bei Fries, Apelt, Fortlage etc. erhielt. Dialektik dieses Standpunktes.
§ 4 Es gibt nur eine Erfahrung. Meine Theorie
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Zweites Kapitel Es gibt nur Eine Erfahrung, welche in einer doppelten Richtung verwertet wird, und so entsteht die Unterscheidung äußerer und innerer E r f a h rung. Grenzen der V e r s t a n d e s e r k e n n t n i s Die Analysis der E r f a h r u n g und ihre Grenzen oder die Lehre von den Elementen der Wissenschaft. Die Induktion oder die Verallgemeinerung von Tatsachen einfacher O r d n u n g und Tatsachen komplexer O r d n u n g (d. h. Tatsachen die eine Beziehung von mehreren abgesonderten enthalten) oder Gesetzen und ihre Grenzen. Die Erklärung oder die Zurückführung von Tatsachen und Gesetzen auf weiter zurückliegende und ihre Grenzen
Grenzen der Verstandeserkenntnis Die Durchführung der Weltansicht des Erfahrungen ordnenden Verstandes ist Realismus; aller Idealismus ruht auf B e w u ß t s e i n , das über allem Verstand ist. Anders formuliert: die Mechanik ist, was der Verstand in der N a t u r erfaßt, das Logische in ihr; was dem Logischen Mysterium ist, bildet den Idealismus. Fichte, Bestimmung des Menschen 2, 301: „Das Gesetz des Naturmechanismus ist nichts anderes als unser eigenes Denkgesetz" 25S. Zwei mögliche Stellungen zu dieser Wahrheit. Die Kant-Fichte-Schopenhauersche. Idi aber nehme das empiristisch. Vgl. Wundts Theorie.
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Das Positive 254 und die Abstraktion. Bekannt, daß unser Erkenntnisgrad durch Zahl, Grad und Relation unserer Sinne bedingt ist. Dazu kommt der Verlauf unserer Nerven und die Beschaffenheit unseres Gehirns. Die Begierden des unausgebildeten Menschen entspringen aus den Wohl- und Wehegefühlen seiner biologischen Organisation. Daraus entspringen unsere ästhetischen und idealischen Vorstellungen. Ruhe aus der Beschaffenheit unserer Muskeln und dem Schlaf als ein Seliges, als eine Idealvorstellung. Ewiges Ringen etc. Blut und Atmung. Der Idealismus der Jugend verhält sich zu den Bedingungen der körperlichen Organisation unbewußt. — Begreiflich, wie die Askese im Zusammenhang mit der Spekulation auf den Gedanken kommen konnte, diese das ganze Leben absorbierende Gewalt der Körperbedingungen abzuschütteln. Das menschliche psychische Ganze ist singular, wie das Erdganze, welches dasselbe bedingt. Ja die Elemente in ihm bilden jedes ein Singulares, das so nirgend wieder ist. Hier daher das Problem am deutlichsten, Gesetze d. h. Gleichförmigkeiten im Verhalten aufzustellen. Mathematisch können diese zwischen Vorstellungen nicht gefunden werden, weil diese nicht einfach vergleichbar sind. Zwischen Empfindungen kann es geschehen. Hier [liegen] die methodischen Grundprobleme nicht nur der Psychologie, sondern auch der Metaphysik, da ja unsere Vorstellungen die Welt ausmachen, von denen 255 die räumlichen durch Abstraktion zu reiner Vergleichbarkeit gebracht werden können. Man kann nicht durch die Speichen des Weltrads greifen nach der Achse, um sie zu befühlen. Wenn die gewöhnliche Bildung das Ewige in der Gestalt des menschlichen Gemütes fassen möchte, so ist zu erwägen, daß alles Höchste in diesem singular, wie das Erdganze selber ist, mit welchem es verwoben. Grund der Zerlegung unserer Erkenntnis in zwei Klassen. Zerlegen wir unsere Empfindungen und ihre Vorstellungsgebilde: so enthalten sie Ein Element, welches aus gleichförmigen Teilen besteht; dieses nennen wir das Quantitative: Zahl, Größe, Intensität, Zeitverlauf, Gestalt etc. Dieses gestattet Vergleichung und demgemäß ein strenges Wissen. Der andere Teil enthält Qualitatives, in welchem jede Vorstellung mit der anderen gar nicht in derselben Art verglichen werden kann. Abschattungen von blau, Leidenschaften etc. Ein Wissen in derselben Art ist hier nicht möglich.
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Atomismus Es ist festzustellen, welche Dienste der Atomismus den einzelnen Bereichen der Naturwissenschaft leistet. Ganz unvergleichlich ist mit ihm das psychische Individuum. 1. Seine Unermeßlichkeit. 2. Was Leibniz in den Teilen der Welt sah, das principium indiscernibilium, ist als Realität in den Teilen des psychischen Individuums, welche Vorstellungen, Begriffe etc. sind. Unterschied der Seele von den körperlichen kleinsten Teilen; diese streben in ihren ersten Zustand im Wechsel der zu- und abtretenden Bedingungen zurück. Die Seele aber bewahrt die Folgen der Einwirkung in sich, auch nach dem Eintreten der entgegengesetzten Einflüsse: Schleiermachers schönes Wort, daß in ihr nichts untergeht. Dies ist der Grund, aus welchem sie eine Entwicklung hat. Die mechanische Weltansicht als Abstraktion Die medianische Naturansicht ist wissenschaftliche Abstraktion, als Erklärung aus Eigenschaften materieller und psychischer Elemente (von den Schwierigkeiten wird bewußt abgesehen). Der Durchschnitt in der Gruppierung derselben in jedem Moment wird nicht in Rechnung gezogen. Dieser aber ist Grund für das, was wir plan- und sinnvoll im Einzelleben und im Ganzen nennen. Aus den Eigenschaften der Teilchen folgt das Gewebe der Gleichförmigkeiten. Dieses aber ist nur Eine Seite in dem sinnvollen Charakter des Weltganzen, zu welchem gerade Individualität und Schönheit gehören, Mysterien für die kausale Erkenntnis, die allein dem anschauenden Geiste des Dichters und Denkers offenbar sind. Die Schule Schopenhauers irrt, indem sie obige Abstraktion der mechanischen Erkenntnis als das Ganze faßt und ihr Ideenlehre gegenübersetzt, diese dann wieder in konfuses Verhältnis zu dem Willen setzt usw. Ist nach Kant Metaphysik möglich? Die Kritik der metaphysischen Weltansichten durch Kant erschöpfte sich nicht in seiner Lehre von den Formen von Raum, Zeit und Kausalität; sonst bestünde immerhin die Möglichkeit, auf dem von Überweg eingeschlagenen Weg eine Welt des wahrhaft Seienden zu bestimmen, nämlich die mathematische Ordnung der modernen Wissenschaft. Dies wäre die Vollendung der Unterscheidung von Demokrit und Locke. Kant hat aber, zumal in der zweiten Auflage, die ein wahrer Fortschritt ist, sein Werk tiefer gegründet und den Bedingungsinbegriff der Erscheinungen, der in uns gelegen ist, als Synthesis der Apperzeption bestimmt.
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vermöge deren überhaupt allein Objekte zustande kommen. Hier treffen wir auf eine Bedingung, welche nicht aus E r f a h r u n g entspringt, sondern w a h r h a f t Voraussetzung der E r f a h r u n g ist. Hier liegt die Stärke des Kantschen Kritizismus. Hiernach müssen wir uns entweder auf Herstellung eines Zusammenhangs von Phänomenen beschränken oder durch ein ganz neues Verfahren aus diesem Zusammenhang objektive Elemente durch Schlüsse, vermöge der Unmöglichkeit, sie subjektiv zu fassen, entwickeln. Das Studium der Natur und seine Grenzen 258 1. Wir begreifen die Welt in den Formen und Begriffen, welche in unserem eigenen Wesen gegeben sind. 2. Diese bilden die Voraussetzungen, welche wir an das χ heranbringen und die in den Gegenständen enthalten sind, welche unsere Vorstellungen sind. U n d diese Voraussetzungen werden allmählich dem x, das in unseren Vorstellungen nicht wir ist, entgegengesetzt. Ganz getilgt aber können sie nie werden. Wir würden sonst vorstellen außerhalb eines vorstellenden Vermögens. D a ß diese Voraussetzungen in unserem Denken t u den Grundverhältnissen des χ in einem Verhältnis von Vergleichbarkeit stehen (wie schon Locke angenommen hat), wird durch die widerspruchslose Naturerkenntnis immer wahrscheinlicher gemacht. 3. Dieses χ und die Voraussetzungen richtig voneinander zu sondern, ist hierbei eine fundamentale Aufgabe. D a ß beides da ist, kann in hohem Grade wahrscheinlich gemacht werden. Das Eine als generelle Induktion. Das andere daraus, daß die Verbindung als solche nicht aus den Dingen einwandern kann. Vgl. die N a t u r unserer Sinnesorgane. Falsche Abgrenzung bei K a n t und Locke. Gibt es eine Methode wahrerer Abgrenzung? Metaphysische
Wahrheiten
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Grundansicht. Geheimnis der Welt, positiv ausgedrückt, ist Individualität, unzerlegbar und unauflösbar. Diese erstreckt sich audi in die Geschichte. Es sind gegebene Naturbedingungen, welche zu einem individuellen Gebilde die Geschidite machen, audi die geistige. Die Naturbedingungen wirken als die einzelnen Bänder in die sprachliche, mythologische Weltansicht, welche die Basis der Vorstellungen bildet. Könnte man das Ensemble aller unserer Naturbedingungen mit denen anderer Planeten vergleichen, so entdeckte man die Antizipationen, in denen unser Intellekt lebt. Das intellektuelle Leben ist in einer progressiven Bewegung zur Befreiung von seinen partikularen, subjektiven Vorstellungen zur Bildung von objektiven Vorstellungen begriffen. Dieses ge-
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sdiieht sukzessive durch Erkenntnis und Eliminierung des Subjektiven. Bedeutung der Philosophie in diesem Prozeß. Meine Metaphysik. 1. Die naturwissenschaftliche Theorie vermag nur abstrakte, mathematisch ausdrückbare Seiten der Phänomene darzustellen. 2. Diese ausdrückbare Seite einer Welt von bloßen Erscheinungen ist noch unermeßlidier Fortuntersuchung fähig, aber gewisse Grenzen lassen sich angeben. 3. Die Gehirnuntersuchungen können auch nur den erscheinenden Bewegungsmechanismus sowie Koordination und Leitung von Empfindungen 25e, d. h. die räumlichen Projektionssysteme derselben untersuchen. 4. Werte nicht aus Lust und Unlust, sondern psychische Entfaltung. 5. Kohärenz und Steigerung von Individualwert in dieser moralischen Welt 259. Metaphysik Strenge Phänomenallehre: Comte, Mill, Fechner (Erdmann 2 6 0 775). Eine Grundansicht der Dinge läßt sich bilden aus ihnen, nichts aber aus dieser sich folgern. Dann aber: [ . . . ] Die K r ä f t e der kleinsten Teile braudien wir nicht als solche zu betrachten, dieses ist ja alles Hypothese! Es kann sein, daß diese Kräfte in der Wechselwirkung, deren Resultat eine Entelechie ist, die Psyche des Weltalls ausmachen. Handeln ist identisch mit Bewegung. Handeln ist die Funktion dieses Unermeßlichen, welches nun durch sehr verschiedene Hypothesen zu den Molekülen in Beziehung gesetzt werden kann, so daß die Moleküle nur Ausdrude der Hemmung der Tätigkeit (Fichte) oder daß sie tot etc. — Diese Weltseele ist ein Abgrund von Individualität. Denn das Wesen des Geistes ist eine Synthesis. Wir kennen ihn nur als Form von Koordination und Handlung. Das ist er, wo er ist. Daher ist er Entelechie. Anordnung der Metaphysik. Erstes Kapitel Die Grenzen der positiven Wissenschaften und der auf intellektuelle Anschauung des Weltalls gegründeten Metaphysik. Verschiedene Gründe und Art der Evidenz. Zweites Kapitel Strenge Aufhebung des Satzes: omnis determinatio est negatio. Das Weltall als ganz positiver Inbegriff von Qualitäten. Das Denken als nachgeboren und nicht imstande, das Wesen dieses Positiven aufzulösen, da die Elemente
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des Positiven immer in der Zersetzung zurückbleiben, wie im chemischen Prozeß. E s g i b t k e i n e Z e r s e t z u n g d e r W e l t i n B e g r i f f e . Verhältnis der Antinomien Kants zu diesem Tatbestand 261 . Drittes Kapitel Individuation als das von a u ß e n e r f a ß b a r e Wesen des Weltalls. Von i n n e n e r f a ß b a r als Zustand, der erfahren wird, und Entwicklung. Viertes Kapitel Das Recht der Mystik. Wie wir verkettet sind durch Zeugung, Liebe und geistige Geburt: wer kann wissen, welches mystische Band unser Dasein an anderes knüpft? an höhere Gründe? In der Abfolge von Geburt und Tod sind wir nicht isoliert, sondern real verkettet. Die Liebe ist eine Königin beider Reiche, der Lebendigen und der Toten, und alles in der Abfolge der Individuation ist gegenüber ihr, der Wurzel und Einheit der Individuation, zufällig.
Konsequenzen meines Theorems von der völligen Positivität der Welt (d. h. der Zerstörung des Satzes: omnis determinatio est negatio): 1. Das Gute etc. (Lotze u.a.) sind Abstraktionen, welche nicht einfach unserem Willen entnommen sind, sondern unserem durch den Zusammenhang der Welt entwickelten Willen. 2. Wir fragen: wie determinieren die Grundgesetze und Faktoren des Erdenlebens (welche Gesamtausdruck der Positivität der Welt sind) die Art der einzelnen Wesen, sich zu entwickeln (Entwicklungsgesetze), die bewußte Bildung höherer Entwicklungen (ästhetische, logische, ethische Gesetze)? Die sogenannten Ideen des Schönen und Guten sind nur Abbreviaturen dieser positiven, als Gesetze oder Ideen sich darstellenden Tatsachen (Hegel: konkrete Tatsachen). 3. L e t z t e G e n e r a l i s a t i o n : aus der positiv gearteten Welt und dem sie bedingenden Gedankenlauf kann nirgend reine Idealität entspringen. Hier liegt der eigentümliche salto mortale der bisherigen Philosophie. Auch unsere höchsten Ideen sind Generalisationen eines Positiven. Tiefsinniger Begriff des Singulare bei Spinoza. Wir müssen die willkürlichen Abstraktionen ganz loswerden. Z u s a m m e n h a n g d i e s e r E i n s i c h t m i t m e i n e r T h e o r i e d e r b l o ß e n A n p a s s u n g in d e n l o g i schen Formen.
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Teleologie bezieht sidi auf Feststellung von Planmäßigkeit. Diese bedeutet ein Verhältnis von Mitteln, die zu einer W i r k u n g ineinandergreifen, welche den Zufall ausschließt. Die positive Bestimmung dieser Wirkung als eines bestimmten Zwecks der Welt und ihrer einzelnen Teile ist eine Anmaßung, deren negative Folge, wenn menschliches Glück als solcher Zweck aufgestellt wird, Pessimismus ist. Es ist eine ebenso billige als sonderbare Umkehrung, die Wirkungen rückwärts als Zwecke, d. h. als Ursachen zu fassen. Spinoza hat diese Umkehrung ein für allemal verurteilt. Das Unendliche und die Religion. Psychologischer Ursprung der Religion enthält als Problem: wie entspringt in einem Bewußtsein, welches Endliches und Bedingtes verknüpft, die Vorstellung des Unendlichen und Unbedingten? Streitpunkt zwischen Descartes und seinen Gegnern etc. Die Lösung einfach für die idealistische Philosophie. Das Wesen des Menschen nach Kant unbedingte Spontaneität, welche, gebunden im Vorstellen, im Handeln erscheint. Die folgerichtigen Äußerungen dieses Wesens sind unbedingtes Sollen, Ideal, Unendlichkeitsvorstellungen. Diese Annahme kann nicht positiv begründet werden, nur negativ durch die Unmöglichkeit anderer Erkenntnis. Die Würde der menschlichen Natur fordert nicht dieses; was in der Entwicklung entspringt, konstituiert diese Würde. Das Unendliche und Unbedingte ist nicht eine Idee, sondern eine Funktion. Ich wiederhole die Tätigkeit des Vorstellens. Dieselbe hat, als in der fortdauernden Tätigkeit eines Ich gegründet, keine Grenzen. Ebenso haben für unsere Begierde die Wünsche keine Grenzen. Für unser Anschauen der Raum. Das Tätige, w e n n es s e i n T u n a b g e s o n d e r t von den H e m m u n g e n der realen Welt v o r s t e l l t , erzeugt als Wille, A n s c h a u u n g , V o r s t e l l u n g nach allen Seiten U n e n d l i c h e s . Der Zusatz Kants zum tätigen Ich, daß es absolut sei, ist Tautologie. Die Unergründlichkeit der Welt stellt sich in der Tatsache dar, daß jedes System nur Eine Seite auffaßt. Der Gedanke, daß der λόγος in dem Menschen präsent sei, ist der meinen Auffassung diametral entgegengesetzt. Diese Parusie, von Piaton ab
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gedacht, durch die Neuplatoniker mit dem Christentum vereinigt, ist durch Piaton und das Christentum zum Mittelpunkt der deutschen Philosophie gemacht worden. Philosophisch. Unter philosophischer Gemütsverfassung versteht man eine solche, welche die Werte nur so gelten läßt, d. h. in der Reproduktion fühlt, wie sie vorkommendenfalls, infolge der Lebensbegebenheiten, entzogen oder gewährt, direkt gefühlt werden. Es ist also die Macht der allseitigen, objektiven Abwägung. D a z u kommt: so wie das Leben in seinem Verlauf sie schließlich wertet. Aufhebung der Illusionen ist also ein Teil desselben.
G. A N H A N G FRÜHE APHORISMEN AUS DER BERLINER ZEIT (vor 1860)
Zur Psychologie, in ihrem Verhältnis zur Geschichte Herbarts ausgesprochene Absicht: „eine Seelenforschung herbeizuführen, welche der Naturforschung gleiche" 2β2. Jakob Grimm meinte, sein Lieblingswunsch sei gewesen, Botanik zu studieren, und diese Analogie scheint ihn überall still begleitet zu haben. Audi in Schleiermacher war diese Tendenz; ihr Ahnherr ist Goethe. Aber bei Herbart war nur die naturwissenschaftliche Methode wirksam, keine realen Analogien. Mit den Maximen, wie sie im täglichen Leben sich zeitigen, mit dem Instinkt dessen, was zu tun sei, begnügen wir uns im Leben. Mit ihnen zur Geschichte hinzutreten, ist gefahrvoll. Große Naturen haben aus beständiger Anschauung der größten Verhältnisse und Charaktere größere Maximen gezogen; die Staatsmänner haben Geschichte in großem Stil geschrieben. Dennoch: Maximen sind nur Formeln über die Verbindung der wirkenden Kräfte, die das sittliche Leben bilden. Auf einer Erkenntnis dieser Kräfte beruhen sie nidit. Daher sie nie gemeingültig sind, nie zuverlässig noch übereinstimmend. Wenn aber die Ausnahmen von denselben irgendwo oft vorkommen, dann ist es in der Geschichte. Daher die pragmatische Geschichtsschreibung auch von dieser Seite, von der sie für den Weltmann so großes Interesse hat, unvollkommen ist. P r o b l e m : woher das Streben, eine Einheit der Welt anzunehmen? Einartigkeit des Realen 2β3 ? Woher die W e i g e r u n g , d e n G e g e n satz von Materie u n d G e i s t , d e r u n s in unserem R e f 1 e χ i ο η s zu s a mm e η h a η g z u n ä c h s t vorliegt, anzue r k e n n e n ? Zwei Strebungen des Geistes scheinen uns dahin zu führen. Wir haben das Bedürfnis, die Welt, die vorhanden, audi als h ö c h s t w e r t v o l l , höchst bedeutend zu erfassen; wir wollen sie h a r m o n i s c h z u s a m m e n h ä n g e n d , wir wollen sie planvoll, wollen sie
Zur Psychologie in ihrem Verhältnis zur Geschichte
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v e r n ü n f t i g sehen. O b diese ästhetischen (im Herbartschen Sinne des Worts) Postulate einen einheitlichen Grund haben oder jedes für sich besteht und entsteht, wäre sehr der Untersuchung wert. Aber diese deutlichen ästhetischen Postulate würden uns durch die Verwechslung des Ästhetischen und Metaphysischen, die freilich geläufig genug ist, Grund sein, das Reale selber, das doch an und für sich gleichgültige Grundlage dieser planvollen Welt ist, so als ein Einartiges zu denken. Die Welt des Körpers und des Geistes könnten harmonisch im Weltplan zusammenklingen. In der T a t hat die ganze Scholastik, die diesen Weltplan so sehr betonte, nie an dieser Doppelwelt Anstoß genommen. Aber schon die älteste Philosophie leugnete diese Doppelwelt aus metaphysischen Trieben und ebenso die neuere Philosophie. Warum fordern diese alle Einartigkeit des Realen? Die Antwort, sie wollen einen einheitlichen Grund der Welt, ist nur scheinbar eine Antwort. Sie wiederholt die Frage. Woher der Trieb, das zuletzt Gesetzte als ein Einartiges zu erfassen? Es ist die einfachste Hypothese; aber warum soll diese die richtigste sein? Es entspricht dem Streben der Vorstellungen nach Verschmelzung in ihre Einheit und befriedigt so den Geist nach seiner endlichen [?] A r t 8 " . Die Dogmengeschichte ist ein Teil der Wissenschaft von der Entwicklung der Weltanschauung. Sie ist ein Teil, der ohne einige Kenntnis des Ganzen nicht verstanden werden kann. Jene Wissenschaft aber würde die Reihenfolge der Prinzipien und die Weisen, die Vorstellungen zu verknüpfen, psychologisch zu deduzieren haben. Daher psychologische Deduktion der Kategorien wesentlicher Teil dieser Disziplin ist. Freilich nicht Deduktion der Kategorien als solcher ist daher wesentlich, sondern wiefern dieselben wesentliche Elemente der Weltanschauungen sind. Es gibt viele philosophische Lehren, die nur die thetische Formel für Fragen sind2®5. So wenn Gott [als] ein realer und idealer Grund gesetzt wird, so heißt das nur die Frage, woher die Welt der Formen und Gestalten und demgemäß die sittliche sei, repetieren. Auch die Attribute des Spinoza tun dasselbe, nur unter Mitwirkung von Gedanken, die von den theosophischen wesentlich verschieden sind. Denn wenn wir rückwärts sehen, finden wir vielfach unter den Gründen des Mißlingens der Spekulation, daß mit dem Fragen ermüdet haltgemacht wurde. Die Frage wurde dann in die Prinzipien selber oft zurückverlegt. Dem Bedürfnis des Menschen, den unendlichen Wert der Welt in schönen Gestalten ausgeprägt zu sehen, steht ein anderes gegenüber, im Wechsel
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Anhang: Frühe Aphorismen aus der Berliner Zeit (vor 1860)
dieser Gestalten den Wert selber beharren zu sehen. Recht eins wollen wir mit der Gestalt den Inhalt sehen, ganz die Gestalt davon durchdrungen; und dodi wissen und wollen wir, daß dies Beseelende nicht sich völlig verschlingt mit den Formen, mitbetroffen wird von ihrer Zerstörung, da es doch ewig. Das Gemüt hegt fast mit Vorliebe solche Widersprüche in seinem Innersten; es denkt sie in seinem tiefsten, ihm selber unklaren Grunde vereint. Es sondert auch sehr wenig zwischen dem Ästhetischen, Sittlichen und Religiösen; durchaus falsch ist die scharfe Trennung derselben in der Wissenschaft. Was heißt psychologische Erklärung? Geschichtliches wird psychologisch erklärt, wenn es aus inneren Motiven im Gemüt, nicht aus der Weltlage und herrschenden Ideen abgeleitet wird; die Metaphysik und Religion, wenn nicht aus den Verhältnissen der vorhandenen Gedanken zueinander, sondern aus inneren Impulsen des Gemüts philosophische Gedanken erzeugt gedacht werden. Z.B. der Gedanke der unbewußten Beseelung der Welt, der Gedanke der Monade usw. Es bedarf der sorgfältigsten Methode, damit jeder Erklärungsart ihr Recht widerfahre, und dieser Methode muß man bewußt werden. Schlechte Romane sind ein Surrogat für die Gesellschaft; gute geben mehr (freilich immer auch weniger), sie geben Verhältnisse von Personen der Gesellschaft typisch. Daher ich jedem die Weise verzeihe, die ich selber teile, am liebsten aus der gebildeten Gesellschaft Verhältnisse vorgeführt zu sehen, wie sie der Vergleich mit dem Leben uns überall zu Gebote stellt. Mit der Geschichte von Leuten, die viel davon wissen. Sich mit jenem Surrogat statt des Lebens selber zu begnügen, ist ein großes Übel in unserer Zeit. Worin liegt die ästhetische Freude an dem organischen Wachstum"'? Erscheinung der inneren Notwendigkeit und Einheit. Freude an der Einheit ist der Seele, die zur Verschmelzung der Vorstellungen zur Einheit unaufhörlich fortschreitet, natürlich. An der inneren Notwendigkeit? Das ist schwerer einzusehen. Die Freude an der inneren Notwendigkeit des sittlich Guthandelns in der schönen Seele ist verwandt. Aber woher kommt sie hier? Aus dem Zutrauen, das alle Gesetzmäßigkeit sowohl in den Handlungen der uns berührenden Menschen als der uns umgebenden Natur erweckt. Denn auf nichts anderem beruht die Stetigkeit unserer eigenen Handlungen, die Ruhe unserer Gemütszustände als hierauf. Dennoch scheint uns dies die Unmittelbarkeit und ästhetische Form dieser Empfindung nicht hinlänglich [zu] erklären.
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In der Tierwelt überwiegt die Einheit, daher wir sie uns verwandter fühlen; geringer ist in ihr die innere Notwendigkeit, da sie, dem Schein nadi wenigstens, willkürlicher Bewegung fähig ist. Daher sie die Empfindung der Ruhe, des Traulichen nicht so erweckt. J e mehr ein Tier an einen festen Ort gebunden, aber durch Impulse [bewegt] gedacht wird, desto mehr erregt es eine der Notwendigkeit ähnliche Empfindung [ ? ] 2 " . Zweierlei müssen Überlegungen über die Geschichte der Weltanschauung unterscheiden: die in ihr tätigen K r ä f t e und die diese beherrschenden Gesetze. Vorläufig wenigstens unterscheiden, mag sich dann auch eine Verwandtschaft kundtun. K r ä f t e sind die Wirkungsweisen des Geistes, dergleichen Streben nach Einheit, analogisches Denken, Trieb, die innere Notwendigkeit zu setzen usw. sind. Es ist zu vermuten, daß dann auch bestimmte Gesetze hervortreten. So daß das analogische Denken in einer jeden Nation das älteste ist, daß die Vorstellung der schönen Seele der ästhetischen Auffassung der notwendigen Welt vorhergeht usw. Der Grund dieser Gesetze liegt inwendig, als im Gemüt selber, aus dem audi jene K r ä f t e hervorgehen. Es scheint notwendig indes, zuerst eine hinlängliche Zahl von Beobachtungen anzustellen, ehe man jene Einheit sucht. Auch bei einer Nation oder Zeit mag man von Selbstbewußtsein sprechen. Wie im Selbstbewußtsein die nebeneinander bestehende Menge von Richtungen, Strebungen, Vorstellungen zur Einheit zusammengefaßt wird, so wird von Individuen die große Übersicht über die Gesamtheit der Richtungen einer Nation, die Summe dieser Bewegungen konzentriert; freilich immer in eigener Weise. — Geschichte, Philosophie, Poesie sind lauter Stücke solchen Selbstbewußtseins, Ethik und Religion bilden das Gewissen. Die Wissenschaften b e g i n n e n damit, ein Abbild ihres Erscheinungskreises in Teilung und Unterabteilung zu geben. Die Erscheinungswelt wird hier farbloser, ohne die individuellen, belebenden Züge wie in platonisdien Ideen wiederholt. Dann erst, n a c h d e m sich die W i s s e n s c h a f t dadurch gewissermaßen der Summe der Tatsachen v e r s i c h e r t h a t , kann die genetische Betrachtung R a u m gewinnen. Die Musik ist die Kunst der Innerlichkeit, das innerliche Geschehen in den Seelen drückt sie aus. Die Hegeische Theorie, sie auf die unterste Stufe der Künste zu setzen, ist völlig falsch. Die Geschichte beweist, und das Nachdenken über das Wesen der Künste stimmt bei, daß sie später und einer vertiefteren Kultur angehörig ist als Plastik und Architektur. Freilidi
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eigentliche Stufen sollte man überhaupt nicht aus den Künsten machen; würde sich doch audi die Poesie in solche nie einweisen lassen. Eine merkwürdige Kunst die Musik. In ihrer Form ausgedrückt, die innerliche Mannigfaltigkeit des Geschehens, dem Eine Idee oder Substanz oder audi mehrere zugrundeliegen, von allgemeinen, notwendigen Gesetzen beherrscht. Durch ihre Wirkung ein Ausdruck des inneren Geschehens eben in der Seele selbst, ganz wie die Form es schildert. So die ganze Gesetzmäßigkeit des in der Seele Geschehens ausdrückend, abstrakt, ohne Beziehung auf den gedanklichen Inhalt, nur die innere Möglichkeit formeller Komplikation abbildend. — Woher die Vorstellung der K r a f t 288? Lotze (Allgemeine] Physiologie [des körperlichen Lebens, Leipzig 1851,] p. 85) leitet sie aus der Wahrnehmung von Vorgängen in unserem eigenen Innern ab. Virchow scheint mir recht zu haben, wenn er dagegen (Archiv [für pathologische Anatomie und Physiologie, Bd. IX, Berlin] 1856, [ H e f t ] I [p. 15]) die äußere sinnliche Beobachtung beim Kind und rohen Menschen als ersten Anstoß nimmt 2β9 . Es wird das immer mein Traum bleiben, daß die Geschichte noch ebenso in der Kindheit ist, als die Naturwissenschaft zur Zeit, als sie noch N a t u r beschreibung war. Wie Bewegungsgesetze die ganze körperliche N a t u r beherrschen, so ist auch von freilich wesentlich verschiedenen Bewegungsgesetzen das geistige Leben beherrscht. Unendlich verwickelt sind sie in der konkreten Sphäre der Gesdiichte und vielleicht nie ganz auf einfachste Formeln zurückführbar. Aber ist es mit den Gesetzen innerhalb des Körperlichen anders? Wenigstens begonnen muß daher das Unternehmen werden, wenigstens gesucht muß werden nach den Denkformen der mythologischen, der pantheistischen usw. Beseelung der Welt, des Strebens nach Einheit, des plastischen und musikalischen Vorstellens usw. usw. usw. Innerhalb einer Sphäre ist bereits dazu ein kräftiger Anfang gemacht: der der Sprachwissenschaft nämlich. So wenig als Naturbeschreibung wird Geschichte, wie sie bis jetzt war, je aufhören; sie wird neben den künftigen Entwicklungen bestehen. Metaphysik nennt man den Beginn der philosophischen Untersuchung. Der Untersuchung: mancherlei Vorübung kann ihr vorhergehen, wie sie die Kunstlehre der Logik zusammenfaßt. Aber der Anfang der Untersuchung selber ist erst in der Metaphysik. Welcher ist nun ihr Gegenstand? Hier
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scheiden sich durchaus zwei Wege 270, und so bald ist zwischen denen, die sie gehen, keine Einigung zu hoffen. Die einen suchen eine Methode, die ein besonderes Geheimmittel wäre, vermöge dessen man von irgendeinem Prinzipium aus die Welt konstruiere. Es sind Köpfe, die von ästhetischen Antrieben geleitet ein Weltbild ersinnen, das unendlich wertvoll und einheitlich zusammenhängend sei. Piaton, Spinoza, Schleiermacher, Schelling und Hegel sind solche. Nicht Poeten möchte ich sie nennen, ein viel tieferer Trieb ist es, der sie antreibt; ein innerer Antrieb, dem Religion und Kunst und ein großer und notwendiger Teil alles Philosophierens entspringt. Nicht die Wahrheit wollen sie, wie sie audi sei. Oder vielmehr: was das Seiende sei, von dem fordern sie nicht nur metaphysische Momente, sondern den Bedürfnissen des Gemüts soll es entsprechen. Vielfach sind diese Bedürfnisse. Gleichartiges, innerlich Notwendiges, in Analogien Gegliedertes, Unendliches, alle Möglichkeiten Erschöpfendes soll es sein, was sie suchen, und bei jedem Einzelnen ist das Bedürfnis wieder ein anderes. Es wäre nötig, hier sehr genau psychologisch zu Werke zu gehn. Unterschied und Verwandtschaft von Dichten und Denken, religiösem und praktischem Empfinden liegen hier. — Diese alle können nicht hoffen, je unter sich einig zu werden. Haben doch einige von ihnen nichts anderes gesucht als nur ein in sich selber nicht widersprechendes Ganzes zu finden. Darin lag ihnen das Merkmal der Wahrheit. Es gibt andere, die bestrebt waren, die metaphysischen Fragen zu fördern, vorzugsweise wenigstens vom Verlangen geleitet, das Seiende zu erforschen. So Aristoteles, Kant, Fichte und Herbart, und es kann nicht zweifelhaft sein, daß wir in der eigentlichen Bearbeitung der Begriffe ihrer Resignation fast alles verdanken. Die Begriffe, wie sie die Einzelwissenschaften als ihre allgemeinsten hinstellen, unfähig, über ihre Gültigkeit zu entscheiden, müssen der Philosophie überliefert werden. So geht sie aus von Meinungen, denn nichts mehr sind diese Begriffe. — Und welche wird ihre Methode sein? Sie geht aus von den allgemeinsten Forderungen, drückt sie durch die besten vorhandenen Begriffe aus. Indem sie die Widersprüche darin aufzeigt, zeigen sich notwendige Veränderungen und Ergänzungen. Diese verfolgt sie. Mag es nun einen oder mehrere solcher Anknüpfungspunkte und Problemata geben — sie verfolgt sie, bis der Kreis der Begriffe sich geschlossen hat 2 7 1 in einer Weise, daß er alle Erfahrungen und notwendigen allgemeinsten Begriffe umfaßt. Fidites Untersuchung über das Ich wird hier immer klassisch bleiben.
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Durchaus nidit alles, von dem, das so heißt, ist Religion. Zumal nicht alle dogmatischen Vorstellungen. Sehr lange kann sie jemand haben, ohne daß sie [für] sein inneres Leben mitbestimmend sind, wie man es oft bei Kindern findet. Welche ist die Grenze der positiven Geschichte und der Entwicklung der Weltanschauung? In der Seele selber liegen unzählige Antriebe, Vorstellungen, Strebungen; was man so gewöhnlich Wille nennt, ist noch weiter nichts. Erst wo wirklich eine Wahl eintritt, wirkt der Wille. Wie eng sein Kreis! Seine Grundlage bleibt doch das vor ihm Vorhandene. Dieses aber ist der Notwendigkeit unterworfen. Es ist: [ein] Kreis, den Naturgesetzen Untertan und durch sie in seiner Mannigfaltigkeit gebunden, alles unwillkürliche Geschehen umfassend; zuweilen wohl, doch nie entscheidend und Bedeutendes bestimmend, greift der Wille in ihn ein. Dieses Leben der Seele, sofern sie nicht freie Ursache gewollter Handlungen ist, .sondern in sidi selber bleibt und stetig sich entwickelt — ist Gegenstand der Geschichte der Weltanschauung. Ein wesentliches Element des echten Christentums ist Resignation. Resignation, so sehr verletzt durch die selbstgefälligen Dogmatiker, die mit ihren leeren und unlogischen Formeln alle Rätsel zu lösen hoffen; so sehr verletzt von den anmaßenden Kirchenmännern, die tun, als ob in ihrer Gemeinschaft schon ein zweifellos und allseitig vollkommener Anfang des Lebens sei. — Auf uns selber und was höchst einfach aus diesem Innenleben als seine Voraussetzungen sich ergibt, weist uns auch das Christentum. Wir wollen den Humanismus nicht verteidigen. Er vergißt, daß man auch über den Menschen nichts Gewisseres weiß als über Gott. Aber jedes bedeutende, inhaltsvolle Gemüt kennt die Resignation. Nur leere Köpfe haben nichts zu resignieren. Und das Leben ist ein fortwährender Prozeß dieser Tätigkeit. Daher in den Dogmen des Humanismus doch Wahrheit enthalten ist, das nämlich, daß der Mensch der einzige wahre Anfang der Erkenntnis ist: sei es das Ich oder der Kreis unserer Begriffe, von dem wir im Denken ausgehen: immer in uns selber ruht die Gewißheit unseres Wissens, und gradweise, wie sie sich von uns entfernt, wird sie ungewisser. Eine Hauptstütze der Orthodoxie im Bewußtsein ist der Mangel an Festigkeit der höchsten Ideen im Gemüt. Diese ruhen vielmehr auf dem halbhellen Hintergrund der biblischen Geschichten und dogmatischen Sam-
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melbegriffe. Jene Ideen sind es, die [der Mensch] sucht, wenn er Trost, Besserung usw. bedarf, nicht diese dogmatischen Vorstellungen, kaum daß sie dann, wie jetzt die religiöse Form des Lebens ist, berührt werden. Aber wenn an sie gerührt wird, kommen die sonst nicht gesicherten höchsten Ideen ins Schwanken, so daß man a tout prix das Auge schließt gegen alle solche Bedenken, „weil sie das Heiligste antasten". Was hier im Zustande des frommen Gemüts vorliegt, benützt die Orthodoxie durdi ihre Methode der Konsequenzenmacherei, der im besten Falle Zweifel an der wissenschaftlichen Begründung jener höchsten Ideen als scheinwissenschaftlicher Apparat hinzugefügt werden. Es ist im ganzen nicht möglich, die Gemütszustände eines anderen nachzufühlen. Doch vermögen wir seine Vorstellungen zu reproduzieren. Freilich nicht immer. Wer kann ζ. B. noch die Mythologie reproduzieren? Aber das innere Lebensgefühl, das das Ganze seines Wesens durchdringt — kaum zu ahnen vermögen wir es: durchaus eigentümlich ist es immer. O b das für die Geschichte etwas austrägt? Kongenialität möchte man die Beweglichkeit des Gemüts nennen, die ahnend, tastend dies unwillkürlich in die Schilderung der Handlungen verwebt. Ich denke mir den Gegensatz der plastisch — bildlosen Poesie (Antike, Goethe, Humboldt — nicht bildlos überhaupt) so: Wenn die Vorstellungen und Gestalten in aller Deutlichkeit wie plastische Bilder vom Gemüt angeschaut werden, wenn ein inneres Streben treibt, immer deutlicher*" in ihre Gestalt (und Genesis bei Goethe und Humboldt) einzudringen: dann ist das Gemüt gefangen in den Gegenständen selber: schaut sie allein, unverwandt, deutlicher stets und inniger; für Bilder fehlt ihm da zumeist die Beweglichkeit. — Anders, wenn ein einziges Merkmal erfaßt wird. D a ist die Seele noch näher jenem sprachbildenden Zustand, in welchem die Dinge mit einzelnen Merkmalen identifiziert werden. Und von jener einzigen K r a f t , mit der in solcher Zeit die Merkmale das Gemüt bewegen, ist dann noch etwas übrig. Vom Merkmal, das da beobachtet ist, geht dann das Vorstellen zu den anderen Dingen, in denen dasselbe Merkmal hervortritt, von selber über. Von selber drängt sich Bild an Bild. Hübsche Beobachtung von Lazarus in „Geist und Sprache" daß der einfache, wahrhafte, schöne Stil besonders dadurch entstehe, daß auf die erste sinnliche K r a f t der Worte geachtet [werde] und dieselbe zu neuer Wirkung komme 274.
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Es ist der Charakter des Menschen, die verschiedensten Weltanschauungen — in ihren grandiosen Umrissen dunkel, trümmerhaft — trotzdem erkenntlich in sich zu vereinen. Was für ein gewaltiger Gärungsprozeß 275 ! Woher kommt es und wie weit erstreckt es sich, daß die Begriffe Gegensätze haben, die sie wie Schatten verfolgen 276? z . B . Pflicht, Norm, Zweck usw. haben keinen Gegensatz, nicht nur sprachlich, auch begrifflich nicht. Erklärung des Schematismus im Denken. Gehört in dieselbe Kategorie wie mythische Personifikation. Indem das Denken unter gewisse allgemeine Formen das Einzelne ordnet, wird d a s B e w u ß t s e i n vereinf a c h t . Das Gewirr der Vorstellungen zwingt zu solchen Vereinfachungen, audi nachdem die Gattungen und Arten gefunden sind, damit der Inhalt des Bewußtseins vom Selbstbewußtsein ergriffen werden könne. Werden die Gegensätze: Inneres und Äußeres gewonnen aus dem von Leib und Seele 277? Diese Gegensätze werden oft auseinandergerissen und abstrakt genommen. Wo sie zusammen vorgeführt werden, verbinden sie die einen durch Entweder-Oder (A nicht = non A 278 , Herbart), die anderen durch Sowohlals-auch (so in Art von Sein —Werden 279 A = non A, Schelling, Hegel). Es ist wahr, die Einwirkung Gottes auf die Seele in der Religion widerspricht dem Geiste der Wissenschaft. Strebt dodi die Psychologie eben die dunkelsten Antriebe in der Seele, die auf deren tiefste Zusammenhänge zurückzuleitenden Ursprungs sind, aus den einfachen Gesetzen des seelischen Grundwissens abzuleiten. Dennoch: wie geneigt audi die Naturwissenschaft sei, auf möglichst einfache Strukturen und Gesetze das organische Leben zurückzuführen, und wie glücklich darin: überspringen kann sie doch nicht die Grenze zwischen dem Unorganischen und dem Organischen. So sind auch die letzten Fäden des sittlich-religiösen Lebens nicht abzuleiten aus psychischem Prozeß, nicht zurückzuführen auf die Gewalt von äußeren eindringenden Bedingungen und Vorstellungen, sondern Verwirklichungen einer höheren Stufe, im fortwährenden göttlichen Akt hervorspringend, wie die Zeugung des höheren innerlichen Lebens auf einen gottgewollten und gottgewirkten Anfang zurückzuführen, wie organisches Leben eben auch. Und dennoch — wer es wüßte! Die Dogmengeschichtsschreibung litt an einem wesentlichen Fehler, als sie alle religiösen Bildungen dem nach Absichten und in Freiheit handelnden
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Bewußtsein zuschrieb. Erst seit die Psychologie uns mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, daß Freiheit und Absicht wesentlich beschränkt sind auf die Leitung und Anwendung dessen, was auch ohne sie im Geiste durch Notwendigkeit und unwillkürlich vor sich geht 280, seitdem erst ist eine Grundlage für Erklärung religiöser Gestalten und Vorstellungsbildung vorhanden. Die frühere Zeit konnte nur den Religionsidealismus anwenden oder — wo der religiöse Instinkt so mächtig war wie bei Neander — ihn abwehren. Audi die Baursche Richtung machte doch im Grunde alles zu bewußtem, beabsichtigtem Vorgang; nur daß die Motive allgemeine wissenschaftlichen Gedanken, nicht persönliche waren. Über die Religion als Geistesform 1. Von den Allgemeinvorstellungen. Wie iii der Jugend der Wissenschaft diese vom Schematismus beherrscht ist, d. h. von Allgemeinbegriffen, und zwar so, daß dieselben als das Reale gefaßt werden, so in der Religion die Allgemeinvorstellungen. Alles einzelne Sittliche oder Religiöse wird diesem Ganzen als das nur Verursachte gegenübergestellt. So Gnade, Teufel, Sündenfall; so die verschiedenen Gottheiten. Und nicht bloß dies: auch das religiöse Geschehen wird aus dem Einzelnen zu dem Zusammenfassenden, Einmaligen geführt in der religiösen Sage. — 2. Vom analogischen Denken: Hierauf beruht die Durchbildung der Allgemeinvorstellungen zu einem Ganzen, sei es der Geschichte oder der idealen Vorstellungen. 3. Von der Identifizierung des Verschiedenen, wodurch die Einheit des Bewußtseins befördert wird, durch die Verallgemeinerung des sinnlichen Prozesses der Zeugung. So entsteht Gedanke der Emanation (Neuplatonismus). Syzygische Zeugung (Gnosis), Gebärerin (Jak. Böhme) 2 8 1 . Begabte Völker wie Individuen bilden die Beziehungen ihres Vorstellungsgehaltes mannigfaltig, mit unendlicher Beweglichkeit durch. Aber dabei ist ihnen auf ihrer ersten Stufe eine Vorstellungsform eigen, die das Individuum so nicht kennt. Ihre Vorstellungen werden Wesen, und konsequent hieraus folgend nehmen die Beziehungen die Form des Geschehens an. Hier liegt ein von der Psychologie des Individuums abweichendes Gesetz des geschichtlichen Lebens. D a s uns lange Zeit begleitende Gefühl muß wohl so entspringen: eine Tatsache tritt in Beziehung zu vielen anderen; die Beziehung zu derselben ist bei allen ins Bewußtsein getreten oder kann in jedem Augenblick lebendig werden. N u n begleitet ja unser arbeitendes Leben nicht irgendeine da-
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nach sich richtende Reihe von Gefühlen oder audi eine selbständige, vielmehr sooft wir aus dem Stoffe auftaudien, treten auf uns selber bezügliche Vorstellungen, zuweilen durch die Arbeit vermittelt, zuweilen auch völlig abrupt hervor. Indem diese in ihrer lebendigen Beziehung zu den unser Leben konstituierenden Tatsachen stehen, — freilich mischen sidi audi somatische Kraft- und Sdiwädiegefühle mit ein — entsteht jenes Lebensgefühl, bald freilich pulsierend, bald niederdrückend, meist gemischt, das uns meist begleitet und ein so unsäglich wichtiger Faktor für die Art der [...] ! 8 2 Auffassungen des Stils ist. Wie pulsiert es in Naturen wie Luther, wie Lessing, wie gesetzt ζ. B. Virchow. Da ist viel weniger von Temperament zu reden. Oft ist der Phlegmatischste, wenn er seinem Inneren Ausdruck gibt, durch dies begleitende Gefühl höchst lebendig. Das ist der Vorzug, den redliche, nicht durch Widersprüche gezwängte, auf das Ganze geriditete Nationen in Beziehung auf die Form haben. Wie gedrückt, einschränkend, tot [sind] unsere heutigen Theologen, selbst Leute wie Dorner 28S gegen einen Strauß. Zuweilen wie in den mittelalterlichen Theologen, wird dies Lebensgefühl, in dem der ganze Mensch bei jedem einzelnen Tun gegenwärtig ist, völlig unterdrückt: denn sie haben die Brücke der Lebensbeziehungen völlig hinter sich abgebrodien. Das ist schon bei griediisdien Vätern der Fall' 84 .
ANMERKUNGEN Α. Frühe Pläne und Entwürfe (1865/66) 1. Über das Studium des Menschen und der Geschichte 41: 262—269 (abgedr. fol. 267 und 26i Rucks.). Heft mit drei Aufschriften Über die philosophisdie Behandlung der Geschichte, von D. durchgestrichen und ersetzt durch Uber das Studium des Menschen und der Geschichte, darunter Erstes Heft. Über das Studium der Wissenschaften des Geistes. — Die moralischen Erscheinungen und ihre / . . . / Erkenntnisgründe. Oben mit blauem Fettstift der Vermerk Ausgenutzt; offensichtlich sind einige Seiten aus dem Heft herausgenommen worden. Auf der Rückseite des Heftdeckels findet sich die Eintragung: Über die philosophisdie Behandlung der Geschichte, mit Erläuterung an dem einzelnen Fall einer bestimmten Epoche. Den mitforschenden Freunden Β. Ε. — H . Sch. — H . Us. widmet diese Studien d. Verf. Gemeint sind Benno Erdmannsdorf}er, Wilhelm Scherer und Hermann Usener. In der Widmung heißt es weiter Ihr wißt, d a ß ich keine andere Philosophie des heutigen Tages anerkenne, als welche auf der Basis der / . . . ] positiven Wissenschaften des Geistes und der N a t u r ruht, auch d a ß 15jähriges Studium der geschichtlichen Erscheinungen und der verschiedensten Epochen mir ein sicheres Fundament geben / . . . ] Mit zwei großen Arbeiten seit vielen Jahren beschäftigt, nutze ich den Augenblick, meine systematischen Anschauungen mitzuteilen. Ihr habt dazu gedrängt und mögt daher die U n f o r m , in der ich sie jetzt äußere, aufnehmen und sehen, ob diese dem Gedanken Eintrag tut. Denn an die Mitforschenden habe ich gedacht, als ich diese Form wählte. (41:262 Rüdes.). Misch (in: Die Sammlung, 7. Jg., 1952, S. 291 f.) datiert diese Schrift „um 1865', also in Ds. Berliner Privatdozentenzeit, mit der Bemerkung, daß wir in ihr „den Keim seines 20 Jahre später erschienenen historisch-systematischen Hauptwerks zu erblicken haben". Die Datierung kann genauer eingegrenzt werden durch einen Vermerk Ds. auf fol. 268: Über die philosophisdie Behandlung der Geschichte, wiederangefangen Mittwoch, den 27. Juni 1866. Zu vergleichen ist ferner Ds. Mitteilung in einem Brief an die Eltern, Mitte Juli 1866, er habe einen genauen Entwurf des kleinen Buches contra Lazarum et Lazaristas, Millium etc. gemacht. Es soll heißen: Über das Studium des Menschen und der Geschichte. (Der junge Dilthey, S. 218). Auf der letzten Seite wird der Gedanke der Widmung näher ausgeführt: Versuche. Erstes Buch. Die gegenwärtige Lage dieser Studien. Diese Lage darzustellen was in ihr [. . . ] wert, weiß ich kein einfacheres Mittel, als zu erzählen, was meinem von diesem Problem erfüllten Geist die Arbeiten der Vergangenheit und meiner Zeitgenossen gewesen sind. Ich wähle diese Form in keiner Anmaßung. Denn / . . ./ viele neben mir werden von demselben Problem bewegt. Nicht das macht den Unterschied zwischen Mitdenkern und
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solchen, die nützlich einwirken, d a ß man ein Problem erblickt und eine Lösung aufstellt, sondern der Gehalt dieser Lösung, und ich bin weit entfernt, das, was ich mitzuteilen habe, zu überschätzen. Dann aber gibt es vielmehr keine bescheidenere Form als diese ist. Denn jedes Verständnis und jede Kritik geht nicht über die Richtschnur der erworbenen positiven Einsicht hinaus, und vielleicht ist ehrlicher, sie so in ihrer Genesis und in ihren Grenzen darzustellen, als im N a m e n der Wissenschaft ein Urteil zu fällen. (41:268 Rucks.) 1 Es folgen zwei nicht vollständig zu entziffernde Sätze. Soweit ersichtlich, hebt D. die Logik der Geisteswissenschaßen von der der Naturwissenschaften ab. Dazu heißt es auf d$r nächsten Seite Die Methoden der Naturwissenschaften. Es stimmt hiermit, d a ß die besten Arbeiten über die Methoden, die von Comte und Mill, von der durchgeführten Methodik der Naturwissenschaften ausgehen und nun diese untersuchen, wieweit sie auf den geschichtlichen Stoff anwendbar sei. / . . . ] Der Verdacht entsteht, d a ß hier ein radikaler Fehler begangen wurde. U n d dieser Verdacht ist nur zu begründet. (41:267 Rucks.) Ein zweiter, offensichtlich älterer Entwurf zur Einleitung lautet: Einleitung. Unwiderstehlich drängt sich dem heutigen Forscher auf den Gebieten der Philosophie oder Wissenschaften das Gefühl [auf], d a ß die Wissenschaften des Geistes einer Umgestaltung entgegengehen, d a ß ihre Lage kaum anders ist als die der Naturwissenschaften zu der Zeit des ausgehenden Mittelalters. In diesem Sinne sind auch unbedeutende Arbeiten wichtig als ein Zeichen dieses in Frankreich, England und Deutschland zugleich lebendig hervortretenden Geistes. Inzwischen scheint mir, d a ß [wir] gar keine neue formale Stellung der Wissenschaften zueinander fordern können; es nützt nichts, das Messer immer feiner zu wetzen, das H o l z ist da, aus dem geschnitzt werden soll. D a ß Buckle so t a p f e r zuschnitt, hat ihm eine solche Überlegenheit gegeben. Die Methoden des historischen Studiums, logisch untersucht. Unsere Logik stammt aus der Zeit, in welcher Wissenschaft Naturwissenschaft war. (41:266, Ms. bricht ab). Zum Messer-Topos vgl. Ges. Sehr. V, 42 und 1, 85, zu Buckles ,Geschichte der Civilisation in England' vgl. Ds. frühe Rezension (1861) in: Ges. Sehr. XVI, 51—56 u. 100—106. 2 Im Text eine unvollständige Korrektur Ds. weggelassen. 3 Das Ms. bricht hier ab. Einige weiterführende Notizen über die Methoden enthält 41:263: 1. Die logische Frage. — Die Bedeutung des sympathischen Elements. Sympathie, welche Affekte, Leiden, Ideen mitempfindet, welche sozusagen das Individuum zum geschichtlichen Universum erhebt, und sogenannte Phantasie. Poesie und Geschichte. Gang des wissenschaftlichen und positiven Wissens etc. Die Intuition. Analogie (Gesetze — Begriffsbildung (Ideen). 2. Die reale Beziehung von Philosophie und Geschichte. 1. Nie soziale Gesetze aus systematischer Wissenschaft. 2. Methodische und philosophische Wissenschaft [haben] denselben Stoff und dieselben Verfahrungsweisen des Studiums. Falscher Gegensatz von philosophischer Wissenschaft des Geistes und historischer Wissenschaft. 3. Die Wissenschaften überhaupt: Ethische, ästhetische Wissenschaften als Hauptwissenschaften — die enge Bedeutung der Psychologie — Verführerisches Beispiel von Bedeutung der Psychologie f ü r die Sprachwissenschaft.
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2. Einleitung in das wissenschaftliche Studium des Menschen, der Gesellschaft und Geschichte 12: 258—298, Heft mit der Aufschrift Einleitung Drittes Stüde begonnen den 14. Jan. frühmorgens (12:258) Darüber ist mit Bleistift hinter Jan. die Jahreszahl 1866 eingefügt und die Aufschrift nachgetragen Vorbereitung f ü r das Buch: Einleitung in das wissenschaftliche Studium des Menschen, der Gesellschaft und Geschichte. Es handelt sich in der Hauptsache um eigenhändige Notizen und um einige größere Diktate, hei denen die Blätter nur einseitig beschrieben sind, wozu sich auf der jeweils gegenüberliegenden Seite Erläuterungen und Ergänzungen Ds. finden. Sie sind hier in den Text eingefügt, soweit dies ohne Störung des Sinnzusammenhangs möglich war, im übrigen in Anmerkung gesetzt, wobei die Zuordnung nach inhaltlichen Gesichtspunkten erfolgte. Im Zuge der redaktionellen Bearbeitung seiner früheren Aufzeichnungen hat D. 1876 auch dieses Heft teilweise in die geplante Fortsetzung der Abhandlung von 1875 einzuarbeiten versucht. Zu einer Dispositionsskizze aus dieser Zeit vgl. unten S. 227. 4
Es folgen drei Notizen mit Hinweisen auf Th. Ribot, A. Bain und W. Wundt. Dazu an späterer Stelle Ich begreife nicht, d a ß eine andere Weltansicht als die des edlen und gemäßigten Skeptizismus dem Menschen von Welt und Wissenschaft möglich ist. Aber freilich in Verbindung mit dem Glauben an die fortschreitende Wissenschaft ist er erst möglich in Verbindung mit dem Studium der Geschichte der Wissenschaften, welches zuerst verwirren mag und beängstigen den inneren Blick, vor dem beharrlichen Blicke aber die Seele frei macht. Audi K a n t war nicht wahrhaft kritisch in diesem Sinne; das geschah aber, weil er den unbedingten Wert der höchsten Inhalte unseres Bewußtseins, welcher für das G e f ü h l ist, und die Untersuchung ihrer Entstehung, die f ü r den Verstand ist, in Wirklichkeit nicht ganz sonderte. (12:275). * Satzende unleserlich. 1 Es folgen zwei unleserliche Wörter. 8 Es folgen Exzerpte aus W. v. Humboldt, Henry Ch. Carey und J. B. Meyer. * E. Pfleiderer, Empirismus und Skepsis in Dav. Hume's Philosophie als abschließender Zersetzung der englischen Erkenntnislehre, Moral und Religionswissenschaft, Berlin 1874. 10 H. Lotze, Streitschriften, Erstes Heft: In bezug auf J. H. Fichte's Anthropologie, Leipzig 1857. " H. Lotze, Streitschriften, a.a.O. S. 15. 12 Dazu Randnotiz Das Gleichförmige in der Konstitution der menschlichen Koexistenz in einer jeden Epoche. Dieses eigentlich als Ganzes = Wissenschaft der Kultur. (12:269). 15 Dazu einige Seiten weiter (12:278) Ich sondere bei Kant die Fassung des absoluten Inhaltes der verschiedenen Gebiete der Kultur und ihre apriorische Erklärung. Diese Fassung f ü r das Recht etc. sehr bedeutend / . . . ] Schillers und Humboldts Ideen in der Geschichte müssen nun untersucht werden durch eine freiere Entwicklung der von Kant festgestellten Kulturbegriffe. Die O r d n u n g dieser Ideen als Entwicklung entwarf Hegel. Entwicklung oder Fortschritt kann nur von einem Maßstab oder Ziel aus behauptet werden (was nicht ausschließt, daß jede Stufe Selbstzweck ist). Für den Fortschritt in der intellektuellen Entwicklung haben wir einen Maßstab in der steigenden zusammenstimmenden Erklärung von Tatsachen, Einstimmigkeit etc. — Für das unbedingt Gute wäre die harmonische O r d n u n g der Gesellschaft das Entsprechende? Oder hier absoluter Maßstab? [. . .]. 5
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14 Dazu einzelne Notizen: Die empiristisdie Theorie ist als ein rationales System möglich. Vgl. den Fortgang in Naturwissenschaft. Zu der Theorie treten induktiv verschiedene Tatbestände, aus denen wieder deduziert werden kann. [.. •] (12:273 Rucks.) Die Durchführung der empiristischen Hypothese schließt sich heute an die Entwicklungstheorie, von welcher sie als eine Konsequenz betrachtet werden kann. So Spencer. (12:275). 15 Randbemerkung Unter Kultur versteht man wohl audi die Ordnung der realen Verhältnisse, sofern sie als Ergebnis eines zweckmäßigen Bildungsprozesses (cultura) betrachtet werden können. Auf der Rüdeseite des folgenden Blattes eine Bleistiftnotiz: Verhältnis der Kultur zu den einzelnen Wissenschaften, der Weltgeschichte etc. / . . . / . 1. die Phänomene, [die] Gegenstand der Weltgeschichte [sind], Lex, Moral, Religion, kommen nur als T e i l e d i e s e r K u l t u r vor. Daher die frühere Auffassung fraglich, nach welcher denselben überall gleiches Streben zugrunde gelegt wurde. 2. Ja, die Geschichte der Kultur lehrt positiv ihre unvollkommenen Anfänge sowie ihre Wandelbarkeit innerhalb gewisser Grenzen. 3. Diese Tatsachen reihen sich ein in die moderne Auffassung, welche überall Entwicklungsgeschichte heißt. Aber auch hier setzt sich das Gesetz fort: mechanische Erklärung dieses Entwicklungsganges oder Annahme eines in einer Reihenfolge sich allmählich entfaltenden Inhaltes. 4. Demgemäß sind heute alle diese Wissenschaften Bezirk einer doppelten Methode: Analyse des gegenwärtigen Phänomens im Zusammenhang mit der Psychologie und Analyse des Totalphänomens durch vergleichende Methode. le Dazu eine Notiz einige Seiten weiter (12:277) Die Arbeit ist ein psychophysischer Begriff. Enthält Moment der Anstrengung des Willens in seiner doppelten Form in sich. Grundlage muß überhaupt ganz psychophysisdi sein, unter Annahme, daß jeder Vorgang zugleich physiologisch. 17 Randbemerkung Wenn die Individuen den Gang der Geschichte bestimmten, so herrschte der Zufall, der bei ihrer Erzeugung tätig ist; a b e r d i e s e Z u f ä l l e g l e i c h e n s i c h i m G a n z e n a u s ; bei Konstanz der Ursachen i s t a u c h d a s E r g e b n i s k o n s t a n t und nur die Verteilungen verschieden. Nun ist aber dieses Ergebnis, d. h. die Dispositionen der Individuen und Begabungsgrade dieser Dispositionen die Ursache, daß die Dispositionen in einfache, wenige Klassen sidi teilen, die Summe der Begabungsgrade im Ganzen dieselbe bleibt. Grundgedanke aller Gesetzmäßigkeit in statistischen Tatsachen, daß sie auf der Konstanz der Ursachen beruht. 18 Es folgen weitere Kapitelüberschriften Fortschritt der Gesellschaft Die stetigen Verbindungsformen der Individuen in ihr Verschiedenheit der verbindenden Kräfte Die Staatsgewalt als Kraft Das Recht. " Neu einsetzendes Diktatstück in Heft Einleitung (12: 289—295). Als spätere Überschrift von D. eingefügt Schema des dritten Buches. Zur Thematik des Entwurfs vgl. „Einleitung in die Geisteswissenschaften", Ges.Schr., I, 40 ff. 20 Randbemerkung Von hier ab so behandeln, daß die biologische Grundlage ganz realistisch hervortritt, wie in Beweis angezeigt. 21 Es folgt ein eingeklammerter Satz D a s a l l g e m e i n e P r o b l e m d e r F o r t pflanzung psychischer Aktion innerhalb dieser psychischen G e s a m t m a s s e . — Wie die Bewegungen des Lichtes und der Wärme sich über die Körperwelt fortpflanzen, ähnlich verbreiten sich die psychischen Aktionen. 22 Weiterer Entwurf einer Fortsetzung (12: 294) Folge daraus für die Geschichte. Großartiger Gang der wachsenden Begründung und Wirkung des Naturrechts (in Kants Sinn) als Mittelpunkt der Darstellung. — Aus Abhängigkeitserkenntnissen folgt, daß zwei Klassen von Fortschritten: 1) bessere Erkenntnis dieser Verhältnisse, 2) zugrunde liegen-
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de Hypothesen. — Vielleicht Einwand: bei 2) fange erst Philosophie an? Wer mag um Worte streiten. — Die Analysis der Gesellschaft ist die erste methodische Prozedur, nur so werden Gleichförmigkeiten des Verhaltens entdeckt; diese geht von dem öfter Gegebenen aus. Bei den Griechen zuerst Verfassung und Gesetz ihrer Abfolge. Aristoteles als Analytiker. Sie ist aber zugleich mit Konstruktion aus der Natur der Elemente verbunden. " Einzelnes Blatt (12: 201), undatiert. Überschrift Einleitung mit späterem Zusatz Zu Geistes- und Naturwissenschaft.
B. Vorarbeiten zur Abhandlung v o n 1 8 7 5 „Über das Studium der Geschichte der Wissenschaften v o m Menschen, der Gesellschaft und dem Staat" (ab 1 8 7 1 ) 1. Untersuchungen zur Begründung einer generellen Wissenschaft des Menschen und der Geschichte 3} II: 232—241, Heft mit der Aufschrift Titel und Ubersicht der ,Untersuchungen' ( f o l . 232). Auf der Rückseite des Heftdeckels Eintragung von Ds. Hand: Untersuchungen zur Begründung einer generellen Wissenschaft des Menschen und der Geschichte von Wilhelm Dilthey Erstes Heft Sonntag, den 5. Nov. 1871 Auf fol. 234 folgt eine weitere Überschrift Spinoza und die Theorie von der Gesetzmäßigkeit der menschlichen Affekte Untersuchungen von Wilhelm Dilthey mit einigen schwer entzifferbaren Notizen auf den folgenden Seiten. Das Heft belegt, daß systematische und historische Untersuchungen im Plan der Abhandlung parallel angelegt sind (vgl. Ges.Schr. V, 428). Dem abgedruckten Diktat geht ein von D. mit Bleistift geschriebener Entwurf (35 II: 235 Rucks. — 237) voraus: § 1. Philosophie und Geschichte Die philosophischen Geisteswissenschaften sind in ein Stadium getreten, in welchem sie im Gedanken der geschichtlichen Entwicklung die Lösung ihres Grundproblems finden. Es ist das ein wirkliches Verdienst von Fichte, Fr. Schlegel, Schelling, Hegel, die geistigen Produkte, welche vordem angeboren oder im Geiste entwickelt erschienen, zu einer generellen Entwicklungsgeschichte geordnet zu haben [...] So [betrachtet] Hegel die Kategorien als Produkte des sich in der Geschichte entwickelnden Geistes. Ebenso Gemütszustände etc. in seiner Phänomenologie. Die wissenschaftliche Durchführung dieses eigentümlichen Grundgedankens geschah mit den Mitteln der anthropologisch-psychologischen Forschung. Der erste, von dem ich weiß, daß er die Aufgabe, die hier entsteht, klar gestellt, ist John Stuart Mill. [ . . . ]
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Anmerkungen zu Seite 17—22
So streben die empirischen Geisteswissenschaften auf dem Wege der Induktion zur Erklärung aus den Grundverhältnissen, welche Anthropologie gibt. Die Anthropologie strebt, auf der Grundlage der physiologischen und psychologischen Grundgesetze, indem sie die Grundverhältnisse der Individuen untereinander und zur N a t u r hinzutreten läßt, das ganze höchste Geistesleben als geschichtliches P r o d u k t abzuleiten. Wo ein solches Verfahren ist, entspringt eine fruchtlose Vereinheitlichung der Forschungen, überall Entdeckungen aus allseitiger Berechnung. § 2. Voreilige Abteilungen von Wissenschaften In soldier Lage ruht die Fruchtbarkeit nicht auf reiner Berechnung. Daher die Ausscheidung [ ? ] einer Philosophie der Geschichte uns mit demselben Schaden bedroht, den die Naturphilosophie angerichtet hat. Ist erst das Wort da, so soll die Wissenschaft aufgestellt werden als ein exaktes Ganzes. D a entstehen solche Fratzen als die Hegeische Konstruktion war. Ein ähnliches Mißgebilde ist die sogenannte Völkerpsychologie. — Vgl. Lazarus' Erklärungen im ersten Heft / Z e i t s c h r i f t f . Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, hrsg. v. M. Lazarus und H. Steinthal, 1. Heft Berlin 1859]. Er sperrt die Einzelpsychologie ab, was sie sich nicht gefallen lassen kann. Er konstruiert eine unfruchtbare Explikation. D a her erklärt sich die Unfruchtbarkeit, mit welcher seine eigenen Versuche geschlagen sind — sie vergißt ganz den physiologischen Teil! § 3. Die Aufgaben der Anthropologie a) Begriffe [. . . ] sind geschichtliche Gebilde. Es gibt keinen einzelnen Vernunftbegriff f ü r eine Wissenschaftslehre. b) Gemütszustände als geschichtliche Gebilde. Misanthropie, Herrschaft etc. in Hegels Phänomenologie. c) Sympathie aus Verhältnis des Individuums zu den großen, sinngebenden, anziehenden Massen zu erklären. D a r i n G r u n d f ü r Ehrbegriff etc.
2. Die Wissenschaften vom handelnden Menschen 12: 80—82, 113, 97; 105—102; 101—83; 79—76. Einzelne Diktate auf Doktordiplomen von 1873—1875 mit Randnotizen Ds. Das Hauptmanuskript (12: 101—83, oben S. 24—35) ist durch eine zweite Paginierung von Ds. Hand mit den kleineren Textstücken verbunden und in einem Umschlagblatt mit der Aufschrift Entwurf des Hauptteils zusammengelegt. Da dieser Titel vom verwendeten Papier her auf die Zeit nach dem Oktober 1875 zu datieren ist, kann er sich nicht mehr auf den Hauptteil der um diese Zeit schon im Druck befindlichen Abhandlung von 1875 beziehen. Er verweist vielmehr schon auf den Plan jener „großen Arbeit" (vgl. oben S. XVII), in der sowohl die Abhandlung von 1875 als auch die Untersuchungen über das Naturredit aufgehen sollten, also der „Einleitung in die Geisteswissenschaften". In diesen Zusammenhang gehört auch der Gesamtplan (vgl. unten S. 221 f.), der die thematische Zusammengehörigkeit dieser Arbeiten als Vorstufen der „Einleitung" deutlich macht. 24 Im Ms. nicht erkennbar, ob Form oder N o r m zu lesen. 25 Am Rand handschriftlicher Zusatz Ds. Was ist früher Gesetz. Brentano [Psychologie vom empirischen Standpunkte] p. 54 ff. Analog in der Erziehung. Letztes Ziel, Regelung durch Gesetze oder Annäherung. 26 Im Ms. noch einmal 10. die weitere Numerierung wurde dieser Korrektur angeglichen. 27 Im Ms. und die aus derselben folgende Idealform aus derselben. Misch schlägt vor: und die aus derselben folgende Idealform des Lebens. 28 Unter dem diktierten Text handsd>riftlicher Zusatz Ds.
Anmerkungen zu Seite 22—33
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Guizot: „Die Erfahrung ist eine Flamme, die uns erleuchtet, uns aber auch zugleich verzehrt." Nutzen der Logik, d a ß sie den Einzelnen unmittelbar f ü r Probleme ausrüstet, f ü r welche sonst erst lange Wissenschaft. Notwendigkeit, die Logik in diesem Sinne fortzubilden: die Prinzipien hineinbringend. H e r b a r t : Die Logik ist eine Moral des Verstandes. 29 Rekonstruiert aus einem im Ms. unvollständig korrigierten Satz. 30 Beginn des Hauptmanuskripts innerhalb des von D. zusammengelegten Konvoluts. 31 Schwer entzifferbare Randnotiz von Ds. Hand. Hinweis auf die notiones communes — die größte Lehre Spinozas / . . .}. Hier verknüpft sich Theorie und Induktion. « Am Rand: Bedeutung der Theorie unter den Methoden. Bedeutung des Naturrechts, daß es eine erste, wenn auch noch so unvollkommene Theorie war. Diese entstand gleichzeitig mit den Theorien von Gassendi, Galilei und Descartes. Grotius De jure belli ac pacis. 1625. Es teilt dieser mit ihnen auch in der gesellschaftlichen Form den Atomismus, welcher zugleich aus dem politisch-sozialen Stadium entsprang. U n d es ging sofort unter dem Einfluß dieser Theorien in diesem Bildungskreis über in die Deduktion. Und / w a r ist Groot von [. . . ] naturgemäßem Erkennen ausgegangen. Das folgende gesehen von Analogien der atomistischen Naturforschung aus. Zuerst Psychologie. Vgl. Lotze = die Beharrung als allgemeine Bedingung der Bewegungslehre. [. . . ] Große logische Regel, d a ß nur circumscripte Subjekte f ü r [. . .] brauchbar. Diese eben in Naturwissenschaften erfahren. Es ist f ü r die Theorie in der Jurisprudenz und Politik unumstößlich. Dühring, System [Cursus der Philosophie als streng wissenschaftlicher Weltanschauung und Lebensgestaltung, Leipzig 1875, S.J 268: „Eine rationelle Atomistik hat nicht bloß in der Naturwissenschaft, sondern auch in der Politik die Wahrheit auf ihrer Seite". Überweg [Grundriß der Geschichte der Philosophie. III. Theil: Die Neuzeit, Berlin 1866, S. 41] „Die Vertragstheorie, die freilich nicht sowohl den historischen Entstehungsgrund des Staates bezeichnet, als vielmehr eine ideale N o r m zur Messung bestehender Zustände an einem Ideal aufstellt". Dieses allgemein; f ü r Recht: G r u n d der Erzwingbarkeit geht auf historisches Recht und G r u n d der dauernden Verbindlichkeit? Für die Ethik: Wenn man ein Sollen sucht, ist es nicht ein Beweis, es ist vielmehr die elementare Synthesis, nach welcher die Forderungen an Willensverhältnisse im einzelnen Fall gestaltet werden. Beispiele sind Kants kategorischer Imperativ, Engländer etc. Für Wirtschaft: man sucht f ü r die komplexen Tatbestände ähnlich der Mechanik etc. 33 Im Ms. entwickelt unterscheidet. 34 Im Ms. Zurückweichung. 35 Im Ms. Werke. 36 Im Ms. in der Bürgerschaft der bestimmten. 37 Im Text Hinweis auf Henry Th. Buckle, Geschichte der Civilisation in England (dt. v. A. Rüge), Bd. 2, 5. Aufl. 1874 Heidelberg u. Leipzig, S. 422. 38 Nach Vorschlag von Georg Misch geändert aus Wissenschaft. 39 Am Rand von Ds. Hand Schillers „Rechte, die droben hangen unveräußerlich" [vgl. Wilhelm Teil, 2. Aufzug, 2. Szene] sind nicht mehr naturgegebener, sondern sittlicher Faktor, als die juristische Konstruktion: Diese ist ja geleitet von sittlicher Richtung einer N a tion, ist nicht Naturwissenschaft, kann daher nicht da hinauswollen. 40 Die folgenden Quellenangaben sind im Ms. (Diktat) in den fortlaufenden Text aufgenommen: Als der erste, welcher ein Moralsystem unabhängig von der Theologie darzulegen unternahm, muß Cumberland am Ende des 17. Jahrhunderts betrachtet werden. Nach der Ansicht von Budde (/Geschichte der Civilisation in England, a.a.O., Bd.] 1, [S.j 366), doch beschränkt Buckle diese seine Ansicht auf die Entwicklung des englischen Geistes. Vorländer (/Geschichte der philosophischen Moral, Rechts- und Staatslehre, Marburg a. d. Lahn 1855,] S. 39) scheint erst dem 18. Jahrhundert zuzuschreiben die Aufstellung einer selbständigen Moral, „begründet in einem selbständigen Gesetze der menschlichen N a t u r oder
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Anmerkungen zu Seite 33—40
Vernunft". Stahl (/Geschichte der Rechtsphilosophie, Bd. I, 2. Aufl. 1847 Heidelberg,] S. 159) schreibt Grotius zu, auf die gesellige Natur des Menschen ein bindenderes Recht gegründet zu haben. (S. 167 schreibt er ihm zu, der Moral eine selbständige Erkenntnis und ein selbständiges Gebiet, unterschieden von der Religion, aufgestellt zu haben.) 41 Vgl. Stahl, a.a.O., Bd. I, S. 167: „ein Naturrecht (jus naturae) [...], im Unterschiede von Moral, Politik wie im Unterschiede von positivem Recht", 42 Diktat bricht mitten im Satz ab. 4S R. v. Mohl: Geschichte und Literatur der Staatswissenschaflen, Bd. I, Erlangen 1855. 44 Wilhelm Arnold: Cultur und Rechtsleben, Berlin 1865. 45 Im Ms. Wille. 4 * Im Text folgt in Klammern: cf. mein Heft 249, 250ff.; gemeint ist vermutlich der 2. Teil der Abhandlung in den Phil. Monatsheften Bd. XI, S. 241-267; vgl. Ges.Sehr. V, 60 f . 47 W. Arnold, Cultur und Rechtsleben a.a.O. 4β M. Lazarus, Über die Ideen in der Geschichte, Berlin 1865; zum Inhalt des Abschnitts vgl. Ges.Schr. V, 59. 4 * Ms. bricht ab. Die folgende Seite fehlt.
C. Einleitungen zu Untersuchungen über die Geschichte des Naturrechts (um 1874) 1. Einleitung in die Geschichte der egoistischen Theorien vom Menschen, der Gesellschaft, dem Staat und der Geschichte in dem 16. und 17. Jahrhundert Vorrede 12: 159—162, von D. eigenhändig gesdniebener Entwurf in einem Heft mit Titelangabe und Datierung auf 12:154 angefangen den 9. Mai 1874 Mentone. Es handelt sich um die Einleitung zu einer der beiden historischen Untersudhungen, die im weiteren Sinne zum ,Plan der Abhandlung' (vgl. Ges.Schr. V, 433) gehören. In demselben Heft findet sich auf fol. 12 : 163 ff. eine Übersicht der Möglichkeit einer konsequenten Gestaltung des Empirismus, die wir in Abschnitt F (vgl. unten S. 186 ff.) abdrucken. In einem anderen Notizheft (12:297) findet sich als Eintragung vom Herbst 1876 der Titel notiert Die Begründung des Naturredits im 5. Jahrhundert v. Chr. und seine Erneuerung im 17. und 18. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung. 50
Im Ms. hat. Im Ms. daß ich. 58 Im Ms. warum idi von diesen allen midi unterscheide und als von deduktiven Forschern, welche / . . . ] gebrochen haben, keine Lösung dieses Problem zu bieten habe. 55 Korrigiert aus welcher seine Hoffnung überall dem sidi zuwendet. 51
2. Uber das Studium der Geschichte der Theorien vom Menschen, der Gesellschaft und dem Staat Anfang 12:151,125, einzelne zusammengehörige Blätter (Paginierung Ds. I—III), Diktat. Die Anfangssätze stimmen fast wörtlich mit dem gedruckten Text der
größtenteils Abhandlung
Anmerkungen zu Seite 41—42
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von 1875 (Ges.Schr. V,31ff.) überein und stellen vermutlich den ersten Entwurf des Anfangs der Abhandlung dar. Da D. im Text auf eine geplante monographische Untersuchung hinweist, haben wir das Manuskript in den historischen Teil des Plans der Abhandlung eingeordnet. 54 Am Rand als Einschub kenntlich gemachte Notiz [• . .] 1. Denn es muß gänzlich mit der bloßen Konstruktion gebrochen werden. / . . . ] Unechte Erfahrungsphilosophie in Generalisation. 2. Demgemäß nur durch echte monographische Forschung. 3. Methode, diesen großen Komplex von Erscheinungen der Geschichte in empirischer Forschung zu studieren. Überall induktive und deduktive Methode in Verbindung. /. . .] 55 Es folgen einige nicht entzifferbare Notizen.
3. Über das Naturrecht der Sophisten. Einleitung 12: 114—123; 41: 223; 12: 124—140, Diktat mit zahlreichen Randbemerkungen und Einschüben von Ds. Hand. Bei der späteren Bearbeitung mit anderen Notizen in Doktordiplom von 1875 zusammengelegt und mit dem Vermerk versehen Zur Sdilußabhandlung. Art und Zeitpunkt der Zusammenfügung deuten daraufhin, daß diese Materialien zur Fortsetzung der im Winter 1875/76 liegengebliebenen Abhandlung von 1875 verwendet werden sollten. Der Text selbst gehört, wie das vorausgehende Fragment des Anfangs, zum historischen Teil des Plans der Abhandlung und gibt die Einleitung einer historischen Untersuchung über das Naturrecht der Sophisten, die später in die Einleitung in die Geisteswissenschaften aufgenommen wurde (Ges. Sehr. I, 219 ff.). Hierzu vgl. auch Mischs Anmerkung in Ges. Sehr. V, 419. Aus der Zeit der späteren Bearbeitung für die geplante Schlußabhandlung liegt die Skizze für einen Gesamtplan (12 : 73) vor, die sich im ersten Teil auf den vorhandenen Text bezieht. Den Seitenangaben des Originals sind in [ ) die Verweise auf den abgedruckten Text hinzugefügt. Terminologisch von Interesse ist die von D. vorgenommene Änderung des Wortes Geisteswissenschaften in moralisch-politische Wissenschaften. Gesamtplan I. 1 . D i e Geschichte der