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German Pages 287 Year 2019
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1392
Die verwaltungsrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Herleitung, Anwendungsbereich, Substitution
Von
Andreas Kreitmeier
Duncker & Humblot · Berlin
ANDREAS KREITMEIER
Die verwaltungsrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1392
Die verwaltungsrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Herleitung, Anwendungsbereich, Substitution
Von
Andreas Kreitmeier
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahr 2018 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Diese Untersuchung wurde im Jahr 2018 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juni 2017 berücksichtigt werden. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und damit zugleich den immer komplexer werdenden Rechtsbeziehungen des Staates zum Bürger und auch zwischen Verwaltungsträgern bei defizitärer oder unterbliebener Aufgabenerfüllung eines Akteurs. Die Untersuchung setzt sich zu diesem Zweck hauptsächlich mit den Bezügen und dem Konkurrenzverhältnis des genannten Rechtsinstituts zu anderen Ausgleichsmechanismen auseinander, sei es nun im Hinblick auf interbehördliche Rechtsverhältnisse, Eingriffsbefugnisse der Behörden in die Rechte von Privatrechtssubjekten oder das vielgescholtene Staatshaftungsrecht. Mein Anliegen war es nicht nur, dogmatische und rechtssystematische Anwendungsdefizite des Rechtsinstituts aufzuzeigen, sondern unter anderem mit der Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis auch Alternativen aufzuzeigen. Auch sollte die Untersuchung großen Praxisbezug aufweisen, weshalb zahlreiche Fälle vorgestellt und analysiert werden. Die Arbeit stellt sich gegen den Trend der zunehmenden Fusionierung der öffentlichen und privaten Teilrechtsordnungen. Das öffentliche Recht bedarf der zahlreichen und dogmatisch häufig zweifelhaften „Leihgaben“ des Zivilrechts aufgrund fortschreitender eigener Entwicklung und systematischer Erschließung in immer geringerem Umfang. Mein Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Jens Kersten, der mich bereits als Student im Baurecht unterrichtet und mir auch als Promovend wertvolle Unterstützung bei der Konzeptionierung und Ausarbeitung sowie große Freiheit bei der Themenwahl gewährt hat. Bei ihm sowie bei dem Zweitgutachter Prof. Dr. Ulrich Becker LL.M. bedanke ich mich weiterhin für die außerordentlich schnelle Begutachtung. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Eltern, die mir als Rechtsanwalt in der elterlichen Kanzlei während der Ausarbeitung der Dissertation die notwendige berufliche Freiheit und Unterstützung gegeben haben. Ohne ihre Hilfe wäre diese Arbeit aufgrund des kaum zu kontrollierenden Zeitaufwands des Rechtsanwaltsberufs nicht möglich gewesen. Mein besonderer Dank gebührt meinen Freunden, die mir in dieser arbeitsreichen Zeit der berufsbegleitenden Promotion beigestanden haben.
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Vorwort
Hier seien vor allem Dr. Sebastian Sammet und Dr. Nikolaus Lange erwähnt, die mir in vielen Diskussionen geholfen haben, meine Gedanken in präziser Struktur zu Papier zu bringen. Vielen Dank auch an Kristina Fink, die mir während ihrer Examensvorbereitung bei den zahllosen Stunden der Recherche in verschiedenen Bibliotheken Gesellschaft geleistet hat. Den Letztgenannten ist die Arbeit gewidmet. Mainburg, im Oktober 2018
Andreas Kreitmeier
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1. Kapitel Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
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A. Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Einordnung in die zivilrechtliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Geschäftsbesorgung für einen anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Qualitative Zuordnung des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Interesse und Wille des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Mit Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 bb) Ohne Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5. Anwendungstendenzen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Geschäftsführung ohne Auftrag mit Bezug zum öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . 35 1. Abgrenzung zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . 36 a) Rechtsnatur der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Bezugspunkt der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Subjektive Determination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Geschäftsführung des Privatrechtssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Geschäftsführung des Verwaltungsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Ausschließlichkeit der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Fallgruppen anhand typischer Anwendungsfälle in der Rechtsprechung . . . . . . 50 a) Fallgruppe 1: Geschäftsführung eines Verwaltungsträgers für einen Verwaltungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
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Inhaltsverzeichnis b) Fallgruppe 2: Geschäftsführung eines Verwaltungsträgers für ein Privatrechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Fallgruppe 3: Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für einen Verwaltungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Fallgruppe 4: Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für ein Privatrechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 e) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Geschichte der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . 63 a) Vorkonstitutionelle Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Entwicklung der eigenständigen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Tendenzen zur Einschränkung des Rechtsinstituts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Verhältnis zu gesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Abgrenzung zu zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Vorrang spezialgesetzlich geregelter öffentlichrechtlicher Erstattungsansprüche 78 II. Geschichte und Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Vermögensverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Fehlender Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Herausgabe des Erlangten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Wegfall der Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Sonstige Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Geltendmachung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 V. Konkurrenzverhältnis zur Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen
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I. Schnittmenge aus Geschäftsführung und Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Umrisse des Rechtsinstituts in Wissenschaft und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Eigene Konzeption des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Verwaltungsrechtsverhältnis und verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis
101
b) Schuldverhältnis im engeren oder weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Anwendungsbedarf im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Inhaltsverzeichnis
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3. Subjektive Determination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Integritätsinteresse öffentlichrechtlicher Vermögensträger . . . . . . . . . . . 108 bb) Umfang der Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Einstandspflichten der Privatrechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Vorbehalt des Gesetzes als Schranke der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 cc) Bestimmbarkeit von Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Haftungserweiterung zum Nachteil der Verwaltungsträger . . . . . . . . . . . 121 bb) Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Verschuldenshaftung und Verschuldensnachweis . . . . . . . . . . . . . . . 129 (3) Erhöhte Anforderungen an den Integritätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 132 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4. Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Voraussetzungen und Qualifizierung der vorzunehmenden Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Voraussetzungen der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Qualifizierung der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Analoge Anwendung des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts . . . . . . . 140 c) Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Zunahme der Einstandspflichten für Leistungsstörungen in gesteigerten Nähebeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Verantwortlichkeit für Hilfspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 d) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5. Tatbestand des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses 153 a) Zurechenbarer Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Konkretisierung des Behördenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Beschränkung auf Leistungen mit Vermögenswert . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Erfordernis einer Anspruchsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (3) Qualifizierung anhand besonderer Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . 158 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Individualisierung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Schutzwürdiges Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Kenntnis des objektiven Vertrauenstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Abstraktes Vertrauen auf rechtmäßiges Behördenverhalten in der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
10
Inhaltsverzeichnis cc) Qualifizierung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei Mitverursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 e) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7. Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
2. Kapitel Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
174
A. Qualifizierung des Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . . . 175 1. Begründungsansätze der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Herleitung in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Herleitungsansatz der allgemeinen Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Analogie zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . 179 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Systematik der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . . . 184 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Geschäftsbesorgung für einen anderen mit Bezug zum öffentlichen Recht 185 aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Verwaltungszuständigkeit als Maßstab der qualitativen Zuordnung des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Behördliche Aufgabenerfüllung und zivilrechtliche Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Selbsthilfemaßnahmen der Privatrechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 dd) Fallgruppe 4 (P/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Interesse und der Wille des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Inhaltsverzeichnis
11
bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Notwendigkeit rechtssystematischer Erschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Unmittelbare Anwendung der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag
210
1. Zweiteilung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. System der Auffangordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Fallgruppenspezifische Kritik des Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 214 b) Erfordernis der Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Legitimationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (3) Koordinationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (4) Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Planwidrige Regelungslücke im geschriebenen öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (b) Einbeziehung des ungeschriebenen öffentlichen Rechts . . . . . . . 223 bb) Methoden der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (1) Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (a) Geschäftsbesorgung für einen anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (b) Wille des Beteiligten als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (c) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Rechtsanwaltsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 bb) Leichenerstversorgungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 cc) Konsequenzen für den Rechtsanwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Herleitung im Konflikt mit dem Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . 236 aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Verwaltungsprivatrecht als Einfallstor zivilrechtlicher Rechtsinstitute
239
cc) Planwidrige Regelungslücken für isolierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 241
12
Inhaltsverzeichnis dd) Besondere Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (1) Formell rechtswidrige Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (2) Kompetenzlose Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 ee) Substitution durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch . . . . . 243 (1) Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Literaturmeinungen und kritische Reflektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Konturen des Rechtsinstituts in der richterlichen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . 245 b) Herleitung und Verhältnis zum öffentlichrechtlichen Staatshaftungsrecht . . 247 aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Planwidrige Regelungslücken für isolierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) Legitimationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (2) Koordinationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (3) Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (a) Qualifizierung des nach dem Regelungsplan zu gewährenden Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (b) Lückenfüllung durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (c) Lückenfüllung durch den Folgenbeseitigungsanspruch . . . . . . . . 255 (d) Lückenfüllung durch den Amtshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . 255 (e) Lückenfüllung durch das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Methoden der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (2) Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
C. Fallspezifische Konsequenzen des herausgearbeiteten Haftungskonzepts . . . . . . . . . . 260 I. Keine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Fallgruppe 1 (Ö/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Fallgruppe 2 (Ö/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 IV. Fallgruppe 3 (P/Ö) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 V. Fallgruppe 4 (P/P) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Inhaltsverzeichnis
13
3. Kapitel Schlussfolgerungen und Ausblick
266
A. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Abkürzungsverzeichnis a.A. AcP a.F. AG AllgVerwR AO AöR ArchBR Art. AtG BAföG BauGB BayKG BayObGH BayObGHZ
anderer Ansicht Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte Fassung Amtsgericht Allgemeines Verwaltungsrecht Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) Archiv für bürgerliches Recht (Zeitschrift) Artikel Atomgesetz Bundesausbildungsförderungsgesetz Baugesetzbuch Bayerisches Kostengesetz Oberster Gerichtshof für Bayern Sammlung von Entscheidungen des obersten Gerichtshofes für Bayern in Gegenständen des Zivilrechts und Zivilprozesses BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayPAG Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei BayStrWG Bayerisches Straßen- und Wegegesetz BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter BayVwVfG Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz BayVwZVG Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz BBesG Bundesbesoldungsgesetz BBG Bundesbeamtengesetz BbgBestG Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofwesen im Land Brandenburg BBodSchG Bundes-Bodenschutzgesetz BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeamtVG Beamtenversorgungsgesetz BeckRS Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BinSchAufgG Binnenschiffahrtsaufgabengesetz BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BRD Bundesrepublik Deutschland BSG Bundessozialgericht BT-Drucksache Bundestagsdrucksache BundesseuchenG Bundesseuchengesetz
Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BVerwG CDU CSU DAR DDR ders. Diss. DM DÖV DVBl EMRK f. FDP ff. Fn. FStrG GG GoA GVG HGB hrsg. JA JURA JuS JW JZ LG LKV LMK LSG MDR Mio. NdsRpfl n.F. NJW NOG Nr. NRWOBG NVwZ NVwZ-RR NWVBl OAG OLG OVG
15
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Christlich Demokratische Union Deutschlands Christlich-Soziale Union in Bayern Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Deutsche Demokratische Republik derselbe Dissertation Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Europäische Menschenrechtskonvention folgende (Seite) Freie Demokratische Partei die folgenden (Seiten) Fußnote Bundesfernstraßengesetz Grundgesetz Geschäftsführung ohne Auftrag Gerichtsverfassungsgesetz Handelsgesetzbuch herausgegeben Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Landgericht Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Kommentierte BGH-Rechtsprechung Landessozialgericht Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Millionen Niedersächsische Rechtspflege Neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Erstes Neuordnungsgesetz) Nummer Ordnungsbehördengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Oberappellationsgericht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht
16 OVGE RAK RG RGBl RGZ RiA S. SeuffArch SGB SPD StHG StPO StVG ThürBl. THW TKG u. a. v. VBlBW VersR VerwArch VerwRspr VG VGH Vor VR VVDStRL VwGO VwVfG WRV ZaöRV ZgS ZRP ZUR
Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Rechtsanwaltskammer Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgericht in Zivilsachen Das Recht im Amt (Zeitschrift) Seite Seufferts Archiv für die Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sozialgesetzbuch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Staatshaftungsgesetz Strafprozessordnung Straßenverkehrsgesetz Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Technisches Hilfswerk Telekommunikationsgesetz und andere von Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsrechtsprechung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vorbemerkung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Detuschen Staatsrechtslehrer (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Zeitschrift) Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zeitschrift für Umweltrecht (Zeitschrift)
Einleitung A. Problemaufriss Die vollziehende Gewalt in Deutschland ist an Gesetz und Recht gebunden. Dieser Grundsatz – niedergelegt in Art. 20 III GG – ist im modernen deutschen Rechtsstaat selbstverständlich. Die Komplexität der zugrundeliegenden Sachverhalte, die Eilbedürftigkeit der Maßnahmenergreifung, Rechtsanwendungsfehler oder – im Extremfall – Willkür des behördlichen Entscheidungsträgers führen jedoch immer wieder zur Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsgrundsatzes. Hieraus resultiert ungesetzliches Handeln mit Bezug zum öffentlichen Recht und weitreichenden Konsequenzen sowohl für den Bürger, der als Störer, als Begünstigter oder als eigeninitiativ Handelnder in Erscheinung tritt, als auch für Träger öffentlicher Verwaltung, sei es in aktiver oder passiver Rolle. Die Rechtssetzung der vergangenen Jahrzehnte hat für die deutsche Rechtsordnung ein beispiellos dichtes Regelungswerk geschaffen. Gleichwohl bleibt das systemimmanente Problem, dass es durch Rechtssetzung noch nie gelang, alle möglichen regelungsbedürftigen Sachverhalte zu erfassen, wohl auch in Zukunft ungelöst. Dieses Defizit tritt im öffentlichen Recht deutlicher in Erscheinung als im Privatrecht, was verschiedene Gründe hat. Zunächst hat das öffentliche Recht auch nach seiner Kodifikation im Verwaltungsverfahrensgesetz keinen den Vorschriften im BGB vergleichbaren allgemeinen Teil. Zweitens führt das in öffentlichrechtlich geprägten Sachverhalten häufig anzutreffende Subordinationsverhältnis vor allem aufgrund der mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsätze von Gesetzesvorrang und –vorbehalt zu Legitimationslücken bei einer der privatrechtlichen Rechtsprechungspraxis vergleichbar extensiven analogen Anwendung von Rechtsnormen1. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass Rechtsprechung und Literatur zur Schließung solcher Lücken kein anderes Mittel als die entsprechende Anwendung und Weiterentwicklung zivilrechtlicher Normen und Rechtsinstitute gefunden haben, sei es im Fall des Grundsatzes von Treu und Glauben2, der Entwicklung eines originär öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches in Anlehnung an das privatrechtliche Bereicherungsrecht3, der Schaffung des allgemeinen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses4 oder die von Teilen der Literatur stets kritisierte Anerkennung der Geschäftsführung ohne 1 FS-Rittner / Bullinger, S. 76 f.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; Fleischfresser, VR 1988, 305 (306). 2 BVerwG, Urteil vom 18. 12. 1973 – I C 34.72 –, juris. 3 BVerwG, Urteil vom 18. 01. 2001 – 3 C 7/00 –, juris Rn. 16. 4 Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18.
18
Einleitung
Auftrag im öffentlichen Recht5. Letzterer wurde unter anderem entgegengehalten, sie existiere im öffentlichen Recht schlicht nicht,6 sei zum Ausgleich von Vermögensverschiebungen mit öffentlichrechtlichem Bezug nicht erforderlich7, habe keine Existenzberechtigung8, sei ein rechtsdogmatischer Trümmerhaufen9 oder sei entbehrlich und im Rückbau begriffen10. Die Rechtsprechung blieb hiervon jahrzehntelang weitgehend unbeeindruckt11. Allzu extensive Anwendung des Rechtsinstituts durch die Instanzrechtsprechung musste von den Rechtsmittelinstanzen in jüngerer Zeit jedoch mit teils drastischer Argumentation eingedämmt werden12. Der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht hat sich gleichwohl verlagert. Unverändert finden sich vor allem Fälle, die den Ausgleich oder die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen betreffen. Hiervon sind Fallgruppen mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg mittlerweile durch Zeitablauf bedeutungslos geworden13. Stattdessen wird nun eine Anwendung auf die zunehmende Zahl der Fälle im Ausland entführter und durch staatliche Lösegeldzahlungen befreiter Deutscher diskutiert14. Von aktueller Relevanz sind die in der Verwaltungsrechtsprechung zahlreichen Fälle tierärztlich behandelter Fundtiere15 oder Sachverhalte, in denen Leistungen mit Bezug zum staatlichen Schulwesen erbracht werden16. Aus Sicht der Wissenschaft stellt sich zunehmend die Frage, ob zivilrechtliche Rechtsinstitute aufgrund der zunehmenden Konvergenz der öffentlichen und privaten Teilrechtsordnung in Zukunft auch im öffentlichen Recht ohne besonderen Herleitungssatz im öffentlichen Recht angewendet werden können. Im Gegensatz zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, der oft nur 5 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; Kischel, VerwArch 1999, S. 394 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 9 f. 6 Kischel, VerwArch 1999, S. 394. 7 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 191. 8 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95. 9 Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (109). 10 Thole, NJW 2010, 1243 (1245). 11 Berger, DÖV 2014, 662 (663). 12 BVerfG, Beschluss vom 30. 06. 2011 – 1 BvR 367/11 –, juris Rn. 10 ff. 13 So beispielsweise zur Kriegsopferfürsorge BVerwG, Urteil vom 17. 05. 1972 – V C 43.72 –, juris, zur Verschollenenrente BGH, Urteil vom 20. 11. 1958 – VII ZR 47/58 –, juris. 14 VG Berlin, Urteil vom 04. 04. 2006 – 14 A 12.04 –, juris; Dahm, NVwZ 2005, 172 (174); Geiß, DÖV 2007, 155 (155); Hanschel, ZaöRV 2006, 789 (811). 15 VG München, Urteil vom 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633 –, juris; VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris; VG Gießen, Urteil vom 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01 –, juris; OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/06 –, juris; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris; Glasmacher, JURA 2014, 526 (532). 16 VG Köln, Gerichtsbescheid vom 21. 01. 2015 – 10 K 679/14 –, juris; VG Stade, Urteil vom 27. 03. 2015 – 3 A 1171/13 –, juris; VG Stade, Urteil vom 10. 08. 2015 – 4 A 3578/13 –, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris.
B. Gang der Darstellung
19
geringe Bedeutung zugeschrieben wird17, hat sich der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch in Literatur und Rechtsprechung als das allgemeine originär öffentlichrechtliche Rechtsinstitut zur Rückabwicklung von rechtsgrundlosen Vermögensverschiebungen mit hoheitlichem Bezug herausgebildet18. In dieser Funktion konkurriert der Erstattungsanspruch jedoch nicht nur mit der Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern auch noch mit den an Bedeutung gewinnenden Schadensersatzansprüchen aus dem besonderen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis19 sowie mit dem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht neben den genannten Ausgleichssystemen weiterhin ein eigenständiger Anwendungsbereich zu eröffnen oder ob sie stattdessen zu ersetzen oder ersatzlos zu streichen ist.
B. Gang der Darstellung Die Untersuchung erfolgt zweigliedrig. Diese Arbeit zielt im Schwerpunkt darauf ab, das bestehende Konkurrenzverhältnis zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag mit Bezug zum öffentlichen Recht auf der einen Seite und dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, den Ausgleichsmechanismen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis sowie dem Amtshaftungsanspruch andererseits zu beleuchten. Nur durch eine Verortung der Geschäftsführung ohne Auftrag im System der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen kann bestimmt werden, welcher Anwendungsbereich und welche Funktion für dieses Rechtsinstitut verbleibt. In Kapitel 1 werden zunächst die genannten Rechtsinstitute im Hinblick auf Herkunft, Tatbestand, Rechtsfolgen und ihre geschichtliche Entwicklung analysiert. Darstellungen zur Geschichte erfolgen nur insoweit, als sie die Auseinandersetzung mit dem genannten Konkurrenzverhältnis fördern. Nachdem die Rechtsinstitute in ihrer Bedeutung ausreichend erfasst sind, erfolgt in Kapitel 2 zunächst eine kritische Bestandsaufnahme des aktuellen Konkurrenz- und Anwendungsregimes insbesondere anhand der Unzulänglichkeiten der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag mit Bezug zum öffentlichen Recht in Dogmatik und praktischer Anwendung. Im Anschluss wird eine eigene Konzeption öffentlichrechtlicher Ausgleichsmechanismen zur Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Bezug zum öffentlichen Recht vorgestellt. Besonderes Augenmerk kommt dem vorliegenden Fallmaterial aus der Rechtsprechung zu. Von den genannten Rechtsinstituten 17
Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 1; Fleischfresser, VR 1988, 305 (306). BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 145 f.; Durner, JuS 2005, 900 (901); Ossenbühl, NVwZ 1991, 513; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 586 f.; Windthorst, JuS 1996, 894 (895). 19 VG Dresden, Urteil vom 29. 10. 2015 – 5 K 2394/14 –, juris Rn. 29 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 16. 08. 2002 – 8 S 455/02 –, juris Rn. 22 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 787 ff.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 83 ff.; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 31 ff. 18
20
Einleitung
kann trotz jahrzehntelanger Anwendung in der Praxis nur der Amtshaftungsanspruch direkt auf eine geschriebene Rechtsgrundlage in § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zurückgeführt werden. Das zeigt die erheblichen Anstrengungen der Rechtsprechung zur Entwicklung eines Systems der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen und Ausgleichsansprüche durch richterliche Rechtsfortbildung. Eine eigene Konzeption zum Ausgleich von Vermögensverschiebungen in öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnissen unter Ausschluss der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Bezug zum öffentlichen Recht hat sich ohne Zweifel auch daran messen zu lassen, inwieweit sie in der Lage ist, in den aus der Rechtsprechungspraxis bekannten Anwendungsfällen sachgerechte Lösungen zu bieten. Deshalb erfolgt im zweiten Hauptteil des 2. Kapitels nach der Darlegung des eigenen Konzepts zur Substitution eine Analyse zur Lösung aufgetretener Rechtsprechungsfälle anhand dieses Konzepts. Gegenstand dieser Untersuchung ist weder die erschöpfende Behandlung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs, des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses oder des Amtshaftungsanspruchs noch eine vollständige Neuerfindung eines Systems der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen und Ausgleichsmechanismen. Solche Anforderungen würden den Umfang der Arbeit sprengen und vom Hauptaugenmerk – dem Konkurrenzverhältnis der genannten Ausgleichsmechanismen – ablenken.
1. Kapitel
Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute A. Geschäftsführung ohne Auftrag I. Einordnung in die zivilrechtliche Systematik Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist ein Rechtsinstitut des Zivilrechts, Teil der privatrechtlichen Ausgleichsordnung und als gesetzliches Schuldverhältnis geregelt in den §§ 677 bis 687 BGB20. Sein Normenbestand ist seit Einführung unverändert geblieben21. Es handelt sich um ein unvollkommen zweiseitiges Schuldverhältnis, da für den Geschäftsherrn nicht in jedem Fall Pflichten und in keinem Fall Hauptleistungspflichten entstehen, wobei der Geschäftsführer im Verhältnis stärker gebunden wird als der Geschäftsherr22. Obwohl dem Rechtsinstitut anders als dem Auftragsrecht rechtsgeschäftliche Elemente fehlen, ist es im BGB direkt nach diesem und nicht etwa bei den gesetzlichen Schuldverhältnissen der Ungerechtfertigten Bereicherung oder der Unerlaubten Handlung geregelt23. Mit dem Auftragsrecht verbindet die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht nur das beide Rechtsinstitute gleichsam definierende Erfordernis einer fremdnützigen Geschäftsbesorgung, sondern auch die Verweisungen aus §§ 681 S. 2, 683 S. 1 BGB24. Der Begriff der Geschäftsbesorgung als solcher ist weit auszulegen und erfasst Tätigkeiten aller Art, mithin nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch rein tatsächliches Tätigwerden.25 Im Vergleich zum Auftragsrecht verzichtet die Geschäftsführung ohne Auftrag im Tatbestand jedoch auf jede Form der anfänglichen Willensübereinstimmung zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer und knüpft Rechtsfolgen bereits an das tatsächliche Tätigwerden im fremden Interesse, sofern der Geschäftsführer das besorgte Geschäft nicht als sein ausschließlich eigenes betrachtet. Auf der Rechtsfolgenseite unterscheidet das Rechtsinstitut zwischen der berechtigten und der un20
Batsch, AcP 1971, 218 (221 f.); Oppermann, AcP 1993, 497. Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 7. 22 PWW / Fehrenbacher, § 677 Rn. 2; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 7; Palandt / Sprau, Einf v § 677 Rn. 2; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 210. 23 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 54; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 1; HKK / Jansen, § § 677 – 687 I Rn. 42. 24 Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 2; Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1109. 25 Rödder, JuS 1983, 930 (930); MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 2; FS-Bärmann, Weitnauer / Griebe, S. 103. 21
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
berechtigten Geschäftsführung anhand der Kongruenz des Willens des Geschäftsherrn mit der Geschäftsführung gemäß einem streng subjektiven Prinzip und gewährt dem Geschäftsführer entweder den Aufwendungsersatz des Auftragsrechts gemäß §§ 683 S. 1, 670 BGB bei berechtigter Geschäftsführung oder den Bereicherungsanspruch aufgrund von §§ 684 S. 1 BGB bei unberechtigter Geschäftsführung26. Hinzu kommen Schadensersatzverpflichtungen des Geschäftsführers im Falle der Geschäftsführung gegen den erkannten Willen des Geschäftsherrn gemäß § 678 BGB sowie im Falle der Pflichtverletzung gemäß § 280 BGB. Auch deliktische Ansprüche bleiben beim Vorliegen einer unberechtigten Geschäftsführung unberührt, den Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG eingeschlossen27. Aus dieser Regelungssystematik lässt sich folgern, dass der Gesetzgeber dem Geschäftsführer ohne Auftrag unter der Voraussetzung der berechtigten Geschäftsführung die Möglichkeit eröffnen will, sich bezüglich der Rechtsfolgen wie ein gemäß § 662 BGB Beauftragter behandeln zu lassen, weil sein Handeln normativ als wünschenswert betrachtet wird. Der unberechtigte Geschäftsführer sieht sich hingegen einem erweiterten gesetzlichen Haftungsregime gegenüber, denn er haftet nicht nur deliktisch, sondern auch noch schuldrechtlich bei Ausführungsverschulden gemäß § 280 BGB und verschuldensunabhängig bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis eines der Geschäftsführung entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn nach § 678 BGB. Stark vereinfacht ausgedrückt wird der auftraglose Fremdgeschäftsführer also durch §§ 677 ff BGB belohnt und wie ein Beauftragter behandelt, wenn er das Geschäft entsprechend dem Willen des Geschäftsherrn ausführt, so dass er im Ergebnis nicht auf die risikobehafteten Bereicherungsansprüche angewiesen ist. Verletzt der Geschäftsführer jedoch seine Pflichten, so sieht er sich zusätzlich zur deliktischen Haftung auch noch mit der schuldrechtlichen Haftung konfrontiert, bei der Verschulden im Gegensatz zur deliktischen Haftung nach § 823 I BGB vermutet wird. 1. Geschäftsbesorgung für einen anderen Das erste Tatbestandsmerkmal der Geschäftsführung ohne Auftrag ist die Geschäftsbesorgung für einen anderen. Hierfür kommt grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, gleich ob rechtsgeschäftlich oder tatsächlich, andauernd oder nur sehr kurzzeitig wie das Herumreißen des Lenkrades eines Fahrzeuges, solange es sich um ein willensgesteuertes Tun handelt28. Dieses Erfordernis grenzt zugleich die echte von der unechten Geschäftsführung ab. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag wird geregelt in §§ 677 bis 686 BGB und bezeichnet die bewusste Wahrnehmung fremder Interessen durch den Geschäftsführer, während die unechte Geschäftsführung, normiert in § 687 BGB, die Geschäftsführung in ausschließlich eigenem In26
Erman-BGB I / Dornis, § 683 Rn. 4. Hk-BGB / Schulze, Vor §§ 677 – 687 Rn. 12; Palandt / Sprau, Einf v § 677 Rn. 11. 28 Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1109; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 4 Rn. 1. 27
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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teresse bezeichnet29. Die Geschäftsbesorgung für einen anderen ist dieser Struktur folgend in ein objektives und ein subjektives Element aufzuteilen30. Das objektive Element bezeichnet die Qualität des vorliegenden Geschäfts anhand des Grades seiner Zuordnung in die Rechts- und Interessensphäre des Geschäftsführers, während als subjektive Voraussetzung ein Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers erforderlich ist. Das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens ist indirekt in § 687 I BGB geregelt, der die Führung eines fremden Geschäfts vom Regelungswerk der §§ 677 ff BGB ausnimmt, wenn der Geschäftsführer das Geschäft als eigenes besorgt, und wird aus § 677 BGB gefolgert, wenn die Besorgung eines Geschäftes „für einen anderen“ verlangt wird31. Abhängig von der Qualität der objektiven Komponente variieren die Anforderungen an den Nachweis, nicht aber an den Tatbestand der subjektiven Komponente. Für die Anwendung der §§ 677 bis 686 BGB ist eine Geschäftsbesorgung in Form eines fremden oder nach herrschender aber kritisierter Ansicht zumindest auch-fremden Geschäfts zu fordern32. a) Qualitative Zuordnung des Geschäfts Das objektiv ausschließlich fremde Geschäft ist ein solches, das bereits nach Inhalt, Natur und äußerem Erscheinungsbild nicht der Rechts- oder Interessensphäre des Geschäftsführers zuzuordnen ist, wie zum Beispiel die Tilgung fremder Schulden33. Das auch-fremde Geschäft ist ein objektiv zugleich eigenes als auch fremdes Geschäft und hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Gesamtschuldverhältnis34. Seine Wahrnehmung durch den Geschäftsführer liegt folglich sowohl in seinem eigenen als auch im Interesse des Geschäftsherrn, wie beispielsweise ein Grundstückseigentümer, der die in sein Grundstück hineingewachsenen Wurzeln eines städtischen Baumes des Nachbargrundstückes beseitigen lässt, weil sie seine 29 Berg, JuS 1975, 681 (681); jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 3; Rödder, JuS 1983, 930 (930). 30 Martinek / Theobald, JuS 1997, 805 (807); Weimar, MDR 1982, 456 (458); FS-Bärmann, Weitnauer / Griebe, S. 59 ff.; Wollschläger, JA 1979, 57 (58). 31 BGH, Urteil vom 23. 09. 1999 – III ZR 322/98 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 Rn. 7; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 11; Wollschläger, JA 1979, 57 (58); Wollschläger, JA 1979, 126 (127). 32 BGH, Beschluss vom 26. 04. 1990 – III ZR 294/88 –, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 16. 11. 2007 – V ZR 208/06 –, juris Rn. 13 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 15. 06. 1988 – 11 W 71/88 –, juris; Berg, JuS 1975, 681 (684 f.); Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 268; Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Schubert, AcP 1978, 425 (434); Schubert, NJW 1978, 687 (687); Schwark, JuS 1984, 321 (323); Martinek / Theobald, JuS 1997, 805 (807); Thole, NJW 2010, 1243 (1243); Wendlandt, NJW 2004, 985 (986). 33 BGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – X ZR 66/01 –, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 04. 06. 2003 – VIII ZR 91/02 –, juris Rn. 37; Berg, JuS 1975, 681 (681); Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 130; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 101; Rödder, JuS 1983, 930 (930); Schreiber, JURA 1991, 155 (156); Palandt / Sprau, § 677 Rn. 4. 34 Stamm, JURA 2002, 730.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Kanalanlage beschädigt hatten35. Eine objektiv neutrale Geschäftsführung lässt aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes keine Zuordnung zur Rechts- oder Interessensphäre des Geschäftsherrn oder Geschäftsführers zu36. Objektiv ausschließlich eigene Geschäfte gehören objektiv nur zur Rechts- oder Interessensphäre des Geschäftsführers. b) Fremdgeschäftsführungswille Das Bewusstsein und der Wille, ein Geschäft zumindest als auch-fremdes Geschäft zu führen, wird als Fremdgeschäftsführungswille bezeichnet37. Maßgeblich ist also der tatsächliche Wille des Geschäftsführers, der aber grundsätzlich nur dann beachtlich ist, wenn er nach außen in Erscheinung tritt38. Dieses Erfordernis enthält materielle und prozessrechtliche Elemente, denn während einerseits der Wille des Geschäftsführers, ein fremdes oder auch-fremdes Geschäft zu führen, für die Erfüllung des Tatbestandes grundsätzlich ausreicht, ist der Nachweis Element der Beweislast des prozessrechtlich Beweisbelasteten39. Um Beliebigkeit bei den Ergebnissen zu vermeiden, hat die Rechtsprechung anhand geeigneter Fälle für das ausschließlich fremde und das auch-fremde Geschäfts Vermutungsregeln entwickelt, die auf erhebliche Kritik in der Literatur stießen40. Für das objektiv ausschließlich fremde Geschäft wird der Fremdgeschäftsführungswille von der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur widerlegbar vermutet41. Beim objektiv aus35 BGH, Urteil vom 13. 01. 2012 – V ZR 136/11 –, juris; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 139; Falk, JuS 2003, 833 (835); PWW / Fehrenbacher, § 677 Rn. 14; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 4 Rn. 13. 36 BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 14. 37 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 165; Giesen, JURA 1996, 225 (229); Larenz, Schuldrecht II/1, S. 438; Jauernig / Mansel, § 677 Rn. 4. 38 BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 25. 04. 1991 – III ZR 74/90 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 02. 04. 1998 – III ZR 251/96 –, juris Rn. 25; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 167; Erman-BGB I / Dornis, § 677 Rn. 8; Lorenz, NJW 1996, 883 (885); MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 6; Stamm, JURA 2002, 730 (731). 39 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 167. 40 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 140; Beuthien, JuS 1987, 841 (848); Falk, JuS 2003, 833 (835); FS-Bärmann, Weitnauer / Griebe, S. 61; FS-Weitnauer / Hauss, S. 333 f.; HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 90; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 40; Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (92); Martinek / Theobald, JuS 1997, 805 (806 f.); Thole, NJW 2010, 1243 (1244); Wendlandt, NJW 2004, 985 (986). 41 BGH, Urteil vom 02. 11. 2006 – III ZR 274/05 –, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 53/11 –, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 27. 05. 2009 – VIII ZR 302/07 –, juris Rn. 18; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 168; Blas, BayVBl 1989, 648 (650); Erman-BGB I / Dornis, § 677 Rn. 9; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 13; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 40; Linke, DVBl 2006, 148 (154); Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1112, 1122; Rödder, JuS 1983, 930 (931); NKBGB 2.2 / Schwab, § 677 Rn. 59; Thole, NJW 2010, 1243 (1244); Ansätze dieser Vermu-
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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schließlich eigenen oder objektiv neutralen Geschäft hingegen greife eine solche Vermutungswirkung nicht ein und das Vorhandensein von Fremdgeschäftsführungswillen sei vom Geschäftsführer zu beweisen42. Bei einem solchen nur subjektivfremden Geschäft wird jedoch häufig die Berechtigung der Geschäftsführung nach § 683 BGB fehlen. Besonders starker Kritik der Literatur sieht sich die BGHRechtsprechung zur Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim auchfremden Geschäft ausgesetzt43. Im Rahmen dieser Rechtsprechung verlangt der BGH für das Eingreifen der Vermutungswirkung lediglich, dass der Geschäftsführer bei der Eigengeschäftsführung ein objektiv fremdes Geschäft mitbesorgt44. Von Lorenz wird vorgebracht, diese Variante der Vermutung führe zu beliebigen Ergebnissen, denn der Geschäftsführer eines auch-fremden Geschäfts handle subjektiv eigennützig und verdiene die Vorteile der Vermutungsregel nicht45. Schubert und Falk befürchten, dass über das auch-fremde Geschäft unter Umgehung vertraglicher Beziehungen oder bereicherungsrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Bestimmungen Ausgleichsansprüche unter Widerspruch gegen die Rechtsordnung beliebig generiert werden könnten46. Die Rechtsprechung hat trotz der Kritik der Literatur an ihrem Konzept im Wesentlichen festgehalten47. 2. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung Eine Geschäftsführung ohne Auftrag kann nur vorliegen, wenn der Geschäftsführer nicht aufgrund gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Berechtigung handelt48. Irrelevant ist, ob der Geschäftsführer von der fehlenden Berechtigung weiß, solange er mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt oder im Hinblick auf die Vermutungsregeln das Gegenteil nicht bewiesen werden kann49. Liegt eine Berechtigung zur Geschäftsführung vor, so gelten die jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Sonderregelungen; die Geschäftsführung ohne Auftrag ist nur subsidiär zu ver-
tungswirkung waren bereits in den 1920er Jahren erkennbar, Loewenwarter, BGB III, S. 266; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 20. 42 BGH, Urteil vom 08. 07. 2003 – VI ZR 274/02 –, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 23. 09. 1999 – III ZR 322/98 –, juris Rn. 7 ff.; BGH, Urteil vom 27. 05. 2009 – VIII ZR 302/07 –, juris Rn. 18; Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1111; Schwerdtner, JURA 1982, 593 (597). 43 Siehe Fn. 40. 44 BGH, Urteil vom 23. 02. 1978 – VII ZR 11/76 –, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 02. 11. 2006 – III ZR 274/05 –, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 23. 09. 1999 – III ZR 322/98 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 18. 09. 1986 – III ZR 227/84 –, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 27. 05. 2009 – VIII ZR 302/07 Rn. 18. 45 Lorenz, NJW 1996, 883 (885). 46 Falk, JuS 2003, 833 (835); Schubert, AcP 1978, 425 (434). 47 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris. 48 Zur Entstehungsgeschichte des Tatbestandsmerkmals, Pesch, JURA 1995, 361 (365 f.). 49 Palandt / Sprau, § 677 Rn. 7.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
traglichen oder spezielleren gesetzlichen Regeln anwendbar50. Die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag kommen nach der von der Literatur kritisierten Ansicht der Rechtsprechung aber auch dann zur Anwendung, wenn Gesetz oder Rechtsgeschäft die Interessenwahrnehmung nicht abschließend regeln oder das Rechtsgeschäft unwirksam ist51. Die Anwendung durch den BGH bei der Rückabwicklung unwirksamer Rechtsgeschäfte stieß auf erhebliche Kritik der Literatur, da der Geschäftsführer in solchen Fällen typischerweise ein ausschließlich eigenes Geschäft führen wolle, was die Rechtsprechung zwar zur Kenntnis nahm, aber in der Praxis nicht berücksichtigte, solange die Geschäftsführung als solche nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstieß52. Sowohl die Literatur als auch die Instanzrechtsprechung kritisierten den BGH darüber hinaus auch vehement wegen der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf den Geschäftsführer, der zwar nicht gegenüber dem Geschäftsherrn, aber gegenüber Dritten pflichtengebunden im Rahmen gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Pflichten tätig geworden ist und daneben noch bewusst ein Geschäft des Geschäftsherrn geführt hat53. Zurecht wird von Bergmann, Schwark und Hauss geltend gemacht, der gegenüber Dritten rechtsgeschäftlich pflichtengebundene Geschäftsführer habe das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners zu tragen und könne dieses nicht auf einen Dritten verlagern54. Dies sei die Kehrseite der Wahlfreiheit in Hinblick auf den Vertragspartner im Rahmen der Privatautonomie. Das OLG Hamm lehnte die Anwendung des § 684 BGB in einem solchen Drei-Personen-Verhältnis bereits im Grundsatz ab, weil es sich um eine bereicherungsrechtliche Norm handle und kein Leistungsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr bestünde55. Besteht eine generelle Berechtigung des 50 HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 98; Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1114; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 43. 51 BGH, Urteil vom 04. 11. 2004 – III ZR 172/03 –, juris Rn. 15 f.; BGH, Urteil vom 04. 12. 2003 – III ZR 30/02 –, juris Rn. 27 ff.; BGH, Urteil vom 26. 11. 1998 – III ZR 223/97 –, juris Rn. 20; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 187 f.; Erman-BGB I / Dornis, § 677 Rn. 43; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 18; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 47 f.; Palandt / Sprau, § 677 Rn. 11. 52 BGH, Urteil vom 31. 05. 1990 – VII ZR 336/89 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 19. 12. 1996 – III ZR 9/95 –, juris Rn. 20 ff.; BVerwG, Urteil vom 01. 12. 2010 – 9 C 8/09 –, juris Rn. 54 ff.; OLG Köln, Urteil vom 01. 10. 1999 – 19 U 219/98 –, juris; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 329; Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 22; Falk, JuS 2003, 833 (835); Hey, JuS 2009, 400 (403); Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Schwark, JuS 1984, 321 (326); Thole, NJW 2010, 1243 (1245); Wendlandt, NJW 2004, 985 (987). 53 BGH, Urteil vom 21. 10. 1999 – III ZR 319/98 –, juris Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 12 ff.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 07. 05. 1997 – 1 U 771/ 96 –, juris Rn. 16; OLG Koblenz, Urteil vom 20. 06. 1991 – 5 U 75/91 –, juris Rn. 18 ff.; LG Landau (Pfalz), Urteil vom 26. 10. 1999 – 1 S 118/99 –, juris Rn. 7; Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 318; Früh, JuS 1995, 418 (420); Gursky, AcP 1985, 13 (38 f.); Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Schubert, AcP 1978, 425 (437); Schubert, NJW 1978, 687 (688); Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (992); Thole, NJW 2010, 1243 (1244). 54 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 318; FS-Weitnauer / Hauss, S. 334; Schwark, JuS 1984, 321 (323). 55 OLG Hamm, Urteil vom 09. 01. 1974 – 11 U 198/73, NJW 1974, 951 (952 f.).
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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Geschäftsführers zur Vornahme von Geschäften, handelt er jedoch außerhalb seiner Befugnisse, so fehle es nach Sprau am Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung mit der Folge, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen könne56. Nach der zustimmungswürdigen höchstrichterlichen Rechtsprechung darf durch eine Anwendung der §§ 677 ff BGB jedoch nicht in ein rechtsgeschäftliches Haftungsregime eingegriffen werden. Stellt die Überschreitung der Befugnisse bei der Geschäftsführung gleichzeitig eine Pflichtverletzung im Schuldverhältnis zum Geschäftsherrn dar, so liegt keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor57. Die Rechtsfolgen beurteilen sich ausschließlich nach dem Haftungsregime des jeweiligen Rechtsgeschäfts. 3. Interesse und Wille des Geschäftsherrn In den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag schlägt sich das streng subjektive Prinzip dergestalt nieder, dass der Geschäftsführer sich sowohl bei der Übernahme als auch bei der Ausführung des Geschäfts nach dem Willen und dem Interesse des Geschäftsherrn zu richten hat58. Der Geschäftsführer muss mit der Übernahme des Geschäfts sowohl dem Willen als auch dem Interesse des Geschäftsherrn entsprechen, damit er den Ersatz seiner Aufwendungen wegen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 S. 1 BGB verlangen kann. Das Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme der Geschäftsführung kann vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Natur sein und muss jeweils im Einzelfall aus der Sicht des Geschäftsherrn anhand objektiver Nützlichkeitskriterien ermittelt werden59. Bei der Beurteilung, ob die Übernahme der Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn entsprach, ist vorrangig auf den tatsächlich von ihm geäußerten Willen abzustellen, selbst wenn dieser unvernünftig ist60. Der Wille des Geschäftsherrn muss sich auch darauf erstrecken, dass der jeweilige Geschäftsführer für ihn tätig wird61. Ist ein wirklicher Wille nicht erkennbar, so ent-
56
Palandt / Sprau, § 677 Rn. 11. BGH, Urteil vom 12. 06. 1989 – II ZR 334/87 –, juris Rn. 22 ff. bleibt im maßgeblichen Punkt unklar. Zustimmungswürdig für vorrangige gesetzliche Risikoverteilung bereits die generelle Anwendbarkeit der GoA ablehnend: BGH, Urteil vom 23. 09. 1999 – III ZR 322/98 –, juris Rn. 10 f. 58 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 1, 8; Erman-BGB I / Dornis, Vor §§ 677 Rn. 7; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 35; Palandt / Sprau, Vor § 677 Rn. 5; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 5 Rn. 9. 59 BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 30 f.; OLG München, Urteil vom 10. 12. 1987 – 19 U 6312/86 –, juris Rn. 31; Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 8; Jauernig / Mansel, § 683 Rn. 3; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 4; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 5 Rn. 10. 60 Erman-BGB I / Dornis, § 683 Rn. 6; Bamberger / Gehrlein, § 683 Rn. 3; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 9; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 5. 61 BGH, Urteil vom 20. 11. 1980 – III ZR 31/78 –, juris Rn. 15; Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 20. 57
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
scheidet der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn62. Dies ist der hypothetische Wille des Geschäftsherrn bei Kenntnis aller relevanten objektiven Umstände der Geschäftsführung, hilfsweise der dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn entsprechende Wille63. Entsprach die Geschäftsführung bei Übernahme nicht dem Willen oder dem Interesse des Geschäftsherrn, so kann dieser die Geschäftsführung nachträglich gemäß § 684 S. 2 BGB genehmigen und damit die Rechtsfolgen einer von Anfang an berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag herbeiführen. Ein der Übernahme der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kann aber auch nach § 679 BGB unbeachtlich sein, wenn ohne die Geschäftsführung bestimmte Pflichten des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würden, worauf im Zusammenhang mit der Geschäftsführung bei öffentlichrechtlichen Pflichten noch näher einzugehen sein wird64. Bei dem daraus resultierenden privilegierten Rückgriff handelt es sich um ein Instrument zur Zuweisung von Kosten und Risiken der Geschäftsführung an das hierfür endgültig zuständige Rechtssubjekt65. Bei der Bestimmung, ob eine Geschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entspricht, ist immer auf die Vorstellung der Person abzustellen, deren Interesse der Geschäftsführer mit seiner fremdnützigen Tätigkeit objektiv wahrnimmt; ein Irrtum des Geschäftsführers über die Identität des Geschäftsherrn schadet der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem tatsächlichen Geschäftsherrn nach § 686 BGB nicht. Von der Übernahme der Geschäftsführung ist in diesem Zusammenhang die Ausführung der Geschäftsführung zu unterscheiden. Während bei der Übernahme der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn vorrangig zu seinem Interesse zu beachten ist, bestimmt § 677 BGB, dass die Ausführung entsprechend dem Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen Willen zu führen ist. Nach der überwiegenden Meinung der Literatur sei hieraus zu folgern, dass der Geschäftsführer bei der Ausführung freier gestellt sein soll als bei der Übernahme des Geschäfts und sich im Konfliktfall zwischen Interesse und Wille vorrangig am Interesse des Geschäftsherrn zu orientieren habe66.
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Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 24; Wollschläger, JA 1979, 126 (127). BGH, Urteil vom 20. 04. 1967 – VII ZR 326/64 –, juris Rn. 12 ff.; BGH, Urteil vom 07. 03. 1989 – XI ZR 25/88 –, juris Rn. 17; OLG München, Urteil vom 10. 12. 1987 – 19 U 6312/86 –, juris Rn. 31; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 5. 64 Weimar, MDR 1982, 456 (457). 65 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 6. 66 Erman-BGB I / Dornis, § 677 Rn. 47; Jauernig / Mansel, § 677 Rn. 9; MükoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 52.; Palandt / Sprau, § 677 Rn. 12; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 5 Rn. 61; a.A. jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 35; Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 26. 63
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4. Rechtsfolgen a) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag aa) Mit Berechtigung Liegt eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, so hat der Geschäftsführer dem Geschäftsherrn die Übernahme der Geschäftsführung nach § 681 S. 1 BGB anzuzeigen und dessen Entschließung abzuwarten, sofern keine Gefahr im Verzug ist. Hinzu kommen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach § 681 S. 1 BGB in Verbindung mit § 666 BGB, die Herausgabepflicht nach § 667 BGB, die sich auf alles erstreckt, was der Geschäftsführer aus der Geschäftsführung erlangt sowie die Pflicht, Geld, das der Herausgabepflicht an den Geschäftsherrn unterliegt und das der Geschäftsführer für sich verwendet hat, vom Zeitpunkt der Verwendung an zu verzinsen. Der Geschäftsführer ist nicht verpflichtet, das übernommene Geschäft fortzuführen. Er kann sich durch den Abbruch der Geschäftsbesorgung aber im Rahmen des Ausführungsverschuldens schadensersatzpflichtig machen, wenn dadurch ein Schaden eintritt, der ohne seine Einmischung nicht entstanden wäre67. Im Rahmen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist der Geschäftsführer verpflichtet, das übernommene Geschäft im Interesse des Geschäftsherrn zu führen, wobei ihm bezüglich der zu unternehmenden Maßnahmen Ermessen zukommt68. Verletzt er diese Pflicht jedoch schuldhaft, wobei der Verschuldensmaßstab im Falle der Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr modifiziert sein kann, schuldet er Schadensersatz nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht69. Er kann jedoch vom Geschäftsherrn nach §§ 683 S. 1, 670 BGB Ersatz der Aufwendungen im Rahmen seiner Geschäftsführung verlangen und zwar unabhängig von einem bestimmten Geschäftsführungserfolg, solange er die konkreten Aufwendungen nach einem objektivierten Maßstab für erforderlich halten durfte70. Missbilligt die Rechtsordnung jedoch die Aufwendungen – wie bei einem entgegen stehenden gesetzlichen Verbot – oder weist sie die endgültige Kostenlast dem Geschäftsführer 67 Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 28; HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 105; Jauernig / Mansel, § 677 Rn. 9; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 5 Rn. 64; a.A. Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 677 Rn. 22; PWW / Fehrenbacher, § 677 Rn. 19; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 37; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 53; Palandt / Sprau, § 677 Rn. 14, die eine Pflicht zur Fortführung bejahen, wenn sie dem Geschäftsführer zumutbar ist und dem Geschäftsherrn Nachteile erspart, die aufgrund der Übernahme drohen. 68 BGH, Urteil vom 06. 03. 2008 – III ZR 219/07 –, juris Rn. 10; Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 677 Rn. 31; Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 26; Palandt / Sprau, § 677 Rn. 12; Wollschläger, JA 1979, 126 (127). 69 Erman-BGB I / Dornis, § 677 Rn. 51; Henssler, JuS 1991, 924 (926); Schellhammer, Schuldrecht Rn. 841; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 677 Rn. 56; Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (28). 70 Erman-BGB I / Dornis, § 683 Rn. 9; PWW / Fehrenbacher, § 683 Rn. 7; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 683 Rn. 28; Hk-BGB / Schulze, § 683 Rn. 8; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 16.
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zu, so scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus71. Zeit und Arbeitsleistung des Geschäftsführers sind grundsätzlich nicht vergütungsfähig, es sei denn die Geschäftsführung fällt sachlich in den Bereich der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Geschäftsführers72. Wendet der Geschäftsführer zum Zwecke der Geschäftsführung Geldbeträge auf, so sind diese vom Geschäftsherrn zu verzinsen und der Geschäftsherr hat den Geschäftsführer im Rahmen der Erforderlichkeit auch von Verbindlichkeiten freizustellen, die dieser bei der Geschäftsführung eingegangen ist73. Obwohl Aufwendungsersatz im Grundsatz nur freiwillige Vermögensopfer umfassen kann, zeigte sich in der Rechtsprechungspraxis das Bedürfnis und die Bereitschaft, auch unfreiwillige Vermögenseinbußen der Ersatzpflicht zu unterwerfen, solange es sich um risikotypische Begleitschäden handelt74. Dies sind Schadensereignisse, die spezifisch auf die bei der jeweiligen Art der Geschäftsbesorgung verwirklichten Risiken zurückzuführen sind75. Im Falle der Führung eines nur auch-fremden Geschäfts stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer vollumfänglichen Aufwendungsersatz verlangen kann, obwohl er ein Geschäft geführt hat, das auch seiner Interessensphäre zuzuordnen war und seine aufwendungsbedingte Vermögenseinbuße somit durch die Kumulierung von Geschäftsführungserfolg und Aufwendungsersatz überkompensiert wird. Literatur und Rechtsprechung haben hierfür verschiedene Lösungsansätze gefunden. Seiler vertritt die Auffassung, aus dem Regelungszusammenhang der §§ 677 ff. BGB ließe sich ableiten, ein Aufwendungsersatz sei nicht geschuldet, soweit der Geschäftsführer eigene Belange wahrnimmt76. Bergmann will von der grundsätzlichen Zuweisung der Verpflichtung zum vollständigen Aufwendungsersatz an den Geschäftsherrn nur abweichen und nach Quote Aufwendungsersatz gewähren, wenn nach dem materiellen Stufen- und Rangverhältnis keine endgültige Kosten- und Lastenzuweisung an den Geschäftsherrn erfolgt; dies bezeichnet er als „gemeinschaftliches Geschäft“77. 71
Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 48; Bamberger / Gehrlein, § 683 Rn. 4; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 17; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 8. 72 BGH, Urteil vom 26. 01. 2005 – VIII ZR 66/04 –, juris Rn. 29; Erman-BGB I / Dornis, § 683 Rn. 12; Falk, JuS 2003, 833 (836); Bamberger / Gehrlein, § 683 Rn. 4; AK BGB / Joerges, § 683 Rn. 7; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 683 Rn. 36; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 24; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 8. 73 Erman-BGB I / Dornis, § 683 Rn. 9; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 683 Rn. 29; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 27; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 8. 74 BGH, Urteil vom 27. 11. 1962 – VI ZR 217/61 –, juris Rn. 18 ff.; BGH, Urteil vom 06. 12. 1962 – VII ZR 164/61 –, juris Rn. 10 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. 03. 2015 – I-1 U 87/ 14 –, juris Rn. 25 f.; Berg, JuS 1975, 681 (685); Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 683 Rn. 62; Bamberger / Gehrlein, § 683 Rn. 4; Genius, AcP 1973, 481 (485 ff.); jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 683 Rn. 35; Otto, JuS 1984, 684 (685 ff.); MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 18; Palandt / Sprau, § 683 Rn. 9. 75 Siehe Fn. 74. 76 MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 26. 77 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 141 f., § 683 Rn. 51.
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Fehrenbacher verlangt nur die Aufteilung der Kostenlast nach sachgerechten Kriterien78. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt entweder nur pauschal auf die Doppelzuständigkeit bei der Geschäftsführung ab oder wendet entgegen dem Gesetzeswortlaut § 254 I BGB auch auf Aufwendungsersatzansprüche an und gelangt so zu einer Anspruchsreduzierung79. Eine dogmatisch überzeugende und am Gesetzestext nachvollziehbare Begründung für diesen nur anteilig gewährten Aufwendungsersatz wird weder von der Literatur noch von der Rechtsprechung gegeben. Das Ergebnis sind Entscheidungen aufgrund von Billigkeitserwägungen im Einzelfall. Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt einen Rechtsgrund für die von ihr vorausgesetzten und aufgrund von ihr zu vollziehenden Vermögensverschiebungen sowie einen Rechtfertigungsgrund dar, weshalb daneben weder Ansprüche aus Deliktsrecht noch aus Bereicherungsrecht in Betracht kommen80. bb) Ohne Berechtigung Erfolgt die Geschäftsführung ohne Berechtigung, so kann der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn die Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen, § 684 S. 1 BGB. Es handelt sich nach überwiegender Meinung um eine Rechtsfolgenverweisung81. Daneben hat der Geschäftsführer gemäß § 678 BGB Schadensersatz zu leisten, falls durch seine unbefugte Geschäftsführung ein Schaden entstanden ist und er die fehlende Berechtigung mindestens aufgrund von Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Nach überzeugender Ansicht Bergmanns dient § 678 BGB nur der Klarstellung, da der unberechtigte Geschäftsführer daneben auch nach §§ 677, 280 ff. BGB haftet und die Pflichtverletzung im Falle des § 678 BGB sich auf die Übernahme und nicht die Ausführung des Geschäfts beschränkt82. Da die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag im Deliktsrecht keinen Rechtfertigungsgrund und im Bereicherungs78
PWW / Fehrenbacher, § 683 Rn. 8. BGH, Urteil vom 15. 12. 1954 – II ZR 277/53 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 08. 03. 1990 – III ZR 81/88 –, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 27. 11. 1962 – VI ZR 217/61 –, juris Rn. 22 ff.; Anwendung von § 254 I BGB ohne Begründung auch FS-Weitnauer / Hauss, S. 336. 80 BGH, Urteil vom 30. 09. 1993 – VII ZR 178/91 –, juris Rn. 16; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 27 f.; PWW / Fehrenbacher, § 677 Rn. 22 f.; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 42 ff.; Hk-BGB / Schulze, Vor §3 677 – 687 Rn. 11 f.; Palandt / Sprau, Vor § 677 Rn. 10 f.; a.A. scheinbar HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 118. 81 BGH, Urteil vom 14. 06. 1976 – III ZR 81/74 –, juris Rn. 45; Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 684 Rn. 5; Soergel / Beuthien, § 684 Rn. 4; Erman-BGB I / Dornis, § 684 Rn. 2; Bamberger / Gehrlein, § 684 Rn. 1; Jauernig / Mansel, § 684 Rn. 1; Palandt / Sprau, § 684 Rn. 1; a.A. Coester-Waltjen, JURA 1990, 608 (610); Giesen, JURA 1996, 344 (346); MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 684 Rn. 4. 82 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 678 Rn. 3 f; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 8; a.A. Soergel / Beuthien, § 678 Rn. 1. 79
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recht keinen Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung darstellt, sind deren Haftungsnormen daneben anwendbar83. Der Geschäftsherr kann die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 684 S. 2 BGB genehmigen. Hierdurch wird die zunächst unberechtigte Geschäftsführung als eine von Anfang an berechtigte betrachtet, so dass sich die Rechtsfolgen nach § 683 BGB richten und Schadensersatzansprüche wegen pflichtwidriger Übernahme des Geschäfts rückwirkend entfallen84. Der Geschäftsherr kann seine Genehmigung auf die Übernahme beschränken oder auch auf die Ausführung erstrecken mit der Konsequenz, dass auch Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen bei der Ausführung rückwirkend entfallen85. Im Rahmen einer auch nicht nachträglich genehmigten, unberechtigten auftraglosen Geschäftsbesorgung treffen den Geschäftsführer nicht die Pflichten gemäß §§ 677, 681 BGB, da er die Geschäftsbesorgung gerade zu unterlassen hat86. b) Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag Wenn der Geschäftsführer ein zumindest auch-fremdes Geschäft irrtümlich oder vorsätzlich als eigenes Geschäft führt, sind die Vorschriften der §§ 677 – 686 BGB grundsätzlich nicht anwendbar87. Ist der Anwendungsbereich speziellerer Normen nicht eröffnet, so vollzieht sich der Ausgleich etwaiger Vermögensverschiebungen zwischen den Parteien nach §§ 812 ff., 823 ff. BGB88. Eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag kann nicht gemäß § 684 S. 2 BGB genehmigt werden89. Als besondere Sanktionierung desjenigen, der ein fremdes Geschäft vorsätzlich als eigenes führt, gewährt § 687 II S. 1 BGB dem Geschäftsherrn die Ansprüche des Geschäftsherrn einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Geschäftsführer. Macht der Geschäftsherr diese jedoch geltend, so muss er sich vom
83 Bamberger / Gehrlein, § 684 Rn. 1; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 684 Rn. 13; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 15 ff. 84 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 684 Rn. 25; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 684 Rn. 18 f.; Palandt / Sprau, § 684 Rn. 2. 85 PWW / Fehrenbacher, § 684 Rn. 3; Bamberger / Gehrlein, § 684 Rn. 2; Hk-BGB / Schulze, § 684 Rn. 2 f; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 687 Rn. 7. 86 Giesen, JURA 1996, 344 (345). 87 Im Falle eines Irrtums wird dies als „irrtümliche Eigengeschäftsführung“ bezeichnet, Weimar, MDR 1982, 456 (458). 88 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 687 Rn. 4; Erman-BGB I / Dornis, § 687 Rn. 2, 8; PWW / Fehrenbacher, § 687 Rn. 2; Bamberger / Gehrlein, § 687 Rn. 2, 4; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 687 Rn. 12 ff.; Rödder, JuS 1983, 930 (933); Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Teil § 6 Rn. 3. 89 Staudinger 677 ff. / Bergmann, § 687 Rn. 9; Bamberger / Gehrlein, § 684 Rn. 2.
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Geschäftsführer auch als solcher behandeln lassen und ihm nach herrschender Auffassung seine Aufwendungen nach Bereicherungsgrundsätzen herausgeben90.
5. Anwendungstendenzen in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung des BGH zu den §§ 677 ff. BGB wird in der Literatur überwiegend wegen systematischer Defizite bei der Subsumtion, der konkreten Anwendung der Normen sowie der Tendenz zur Beliebigkeit im Ergebnis scharf kritisiert91. Dies mag zum Teil ihrer Funktion als Auffangtatbestand geschuldet sein, jedoch ist die Geschäftsführung ohne Auftrag als Billigkeitsinstrument zum Ausgleich von Vermögensverschiebungen auch besonders stark von der häufig ergebnisorientierten, einzelfallabhängigen richterlichen Rechtsanwendung geprägt, die ihrerseits auch der Veränderung von Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Werten unterliegt92. Besonders bei drei für die weitere Untersuchung kritischen Anwendungsfragen in Bezug auf die Geschäftsführung ohne Auftrag hat der BGH polarisierende Entscheidungen getroffen. Zunächst hat der BGH trotz der anhaltenden Kritik der Literatur und Instanzrechtsprechung an der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim lediglich auch-fremden Geschäft festgehalten93. Er ging in seinem Urteil vom 26. 11. 1998 auf die kritischen Stimmen zu dieser Frage nicht ein und stellte klar, dass er diese Vermutungsregel aufrecht erhalten wird94. In diese Zeit fiel auch das Urteil des BGH vom 21. 10. 1999, in dem der BGH ausdrücklich klarstellte, dass der Fremdgeschäftsführungswille beim auch-fremden Geschäft auch dann zu vermuten sei, wenn der Geschäftsführer zur Geschäftsführungsmaßnahme gegenüber einem Dritten verpflichtet ist95. Dem Protest der Literatur auf diese Entscheidung hin schlossen sich die Oberlandesgerichte an und verlangten im Fall des vertraglich gebundenen Geschäftsführers dennoch die äußerliche Erkennbarkeit der Fremdgeschäftsführung für 90 AK BGB / Joerges, § 687 Rn. 2; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 687 Rn. 71; Medicus / Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1123; Reichard, AcP 1993, 567 (587); Schwerdtner, JURA 1982, 642 (647); MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 687 Rn. 15. 91 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff. Rn. 10 ff., 139 f., 317 ff., 329; Soergel / Beuthien, § 677 Rn. 1, 22 f.; Falk, JuS 2003, 833 (835); FS-Bärmann, Weitnauer / Griebe, S. 20 f.; Gursky, AcP 1985, 13 f., 26; Gutzeit / Vrban, NJW 2012, 1630 (1632); FS-Weitnauer / Hauss, S. 333; HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 75; AK BGB / Joerges, Vor §§ 677 ff. Rn. 13 f.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 39 f.; Lorenz, NJW 1996, 883; Nedden, GoAÖR, S. 32 f.; Schubert, AcP 1978, 425 (427 f.); Schubert, NJW 1978, 687 (688); Schwark, JuS 1984, 321 (322); Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (993); Thole, NJW 2010, 1243; Wendlandt, NJW 2004, 985 (986). 92 Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 1; FS-Bärmann, Weitnauer / Griebe, S. 19; FSWeitnauer / Hauss, S. 333; HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 126 ff.; AK BGB / Joerges, Vor §§ 677 ff. Rn. 16; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 1. 93 Siehe Fn. 40. 94 BGH, Urteil vom 26. 11. 1998 – III ZR 223/97 –, juris Rn. 18. 95 BGH, Urteil vom 21. 10. 1999 – III ZR 319/98 –, juris Rn. 17 f.
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den Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens96. In Reaktion hierauf gab der BGH in seinem Urteil vom 21. 10. 2003 nicht nur die Vermutungsregel im Hinblick auf den Fremdgeschäftsführungswillen beim pflichtengebundenen Geschäftsführer auf, sondern erklärte die Geschäftsführung ohne Auftrag seitdem in ständiger Rechtsprechung auf den gegenüber Dritten pflichtengebundenen Geschäftsführer für unanwendbar, wenn in dem Vertrag die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers sowie die Entgeltfrage abschließend geregelt sind97. Das dritte Problemfeld ist die durch den BGH aufgegebene Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf die Geschäftsführung vor erfolgloser Vertragsanbahnung98. Zugrunde lagen den Entscheidungen des BGH vom 26. 04. 1990 und 23. 09. 1999 jeweils Sachverhalte, in denen gewerbliche Erbensucher – ohne vom Erben dazu beauftragt worden zu sein – für diesen die Identität des dem Erben bis dahin unbekannten Erblassers ermittelten und dann den Abschluss einer Honorarvereinbarung für die erfolgte Dienstleistung anboten, was die Erben jeweils zwar ablehnten, dennoch aber die Erbschaft erlangten, woraufhin die Erbensucher in beiden Fällen erfolglos Zahlungsklage erhoben99. In der Entscheidung vom 26. 04. 1990 bejahte der BGH die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf diese Fallgruppe noch, gab dies jedoch im Urteil vom 23. 09. 1999 ausdrücklich auf. Er verwies hierbei zurecht sowohl auf die Privatautonomie als auch auf die zu erwartenden untragbaren Ergebnisse bei Anwendung der §§ 677 ff. BGB, etwa wenn mehrere Erbensucher für einen Erben tätig werden und dieser jedem Aufwendungsersatz zu leisten hätte oder wenn die Erbensuche letztlich erfolglos bleibt, weil sich die angenommene Erbfolge als unzutreffend herausstellt100. Die Literatur hat in diesen Rechtsprechungsentwicklungen ein Eingehen auf die energische Kritik der Literatur am weiten Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB gesehen101.
96 OLG Stuttgart, Urteil vom 09. 05. 2001 – 3 U 22/01 –, juris Rn. 10 f.; OLG Oldenburg, Urteil vom 05. 07. 2000 – 2 U 104/00 –, juris Rn. 6 mit der Ablehnung der GoA beim pflichtengebundenen Geschäftsführer generell; zeitlich vor der Entscheidung des BGH bereits: OLG Hamm, Urteil vom 22. 01. 1999 – 29 U 42/98 –, juris Rn. 37; OLG Saarbrücken, Urteil vom 07. 05. 1997 – 1 U 771/96 –, juris Rn. 16; zu den Literaturnachweisen siehe FN 40. 97 BGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – X ZR 66/01 –, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 15. 04. 2004 – VII ZR 212/03 –, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 28. 06. 2011 – VI ZR 184/10 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 21. 06. 2012 – III ZR 275/11 –, juris Rn. 16. 98 Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 12. 99 BGH, Beschluss vom 26. 04. 1990 – III ZR 294/88 –, juris; BGH, Urteil vom 23. 09. 1999 – III ZR 322/98 –, juris. 100 A.A. Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 851. 101 HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 97; Thole, NJW 2010, 1243 (1245); zurückhaltender: Falk, JuS 2003, 833 (838 f.).
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II. Geschäftsführung ohne Auftrag mit Bezug zum öffentlichen Recht Das zivilrechtliche Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag soll nach absolut herrschender Meinung der Rechtsprechung grundsätzlich auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht entsprechend anwendbar sein102. Bis auf eine Mindermeinung wird die entsprechende Anwendbarkeit auch in der Wissenschaft nicht grundsätzlich in Frage gestellt103. Im Detail sind Reichweite, Voraussetzungen 102 Ständige höchstrichterliche Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 27. 09. 2007 – 2 C 14/ 06 –, juris Rn. 13; BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 16. 12. 1999 – 3 A 2/99 –, juris Rn. 52; BVerwG, Urteil vom 28. 10. 1999 – 7 A 1/ 98 –, juris Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 5; BVerwG, Urteil vom 11. 06. 1991 – 7 C 1/91 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 06. 10. 1989 – 8 C 52/ 87 –, juris Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 13 f.; BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 07. 09. 1979 – IV C 58.76 –, juris Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17. 05. 1972 – V C 43.72 –, juris Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 02. 07. 1969 – V C 88.68 –, juris Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 16. 08. 1967 – VI C 76.64 –, juris Rn. 21; BVerfG, Beschluss vom 31. 03. 1965 – 2 BvL 17/63 –, juris Rn. 33; BSG, Urteil vom 27. 06. 1990 – 5 RJ 39/89 –, juris Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 12. 02. 1975 – 9 RV 376/74 –, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 23. 03. 1971 – 7 RAr 12/69 –, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 11. 12. 1968 – 10 RV 606/65 –, juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 28. 08. 1961 – 3 RK 65/56 –, juris Rn. 9; BSG, Urteil vom 20. 12. 1957 – 3 RK 69/55 –, juris Rn. 15; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 21. 06. 2012 – 1 S 172/11, BeckRS 2012, 15359; BGH, Urteil vom 13. 01. 2012 – V ZR 136/ 11 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 53/11 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 16. 11. 2007 – V ZR 208/06 –, juris Rn. 12 ff.; BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 8 f.; BGH, Urteil vom 08. 11. 2001 – III ZR 294/00 –, juris Rn. 14 ff.; BGH, Urteil vom 26. 11. 1998 – III ZR 223/97 –, juris Rn. 17 ff.; BGH, Beschluss vom 30. 01. 1997 – III ZB 110/96 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 12. 12. 1989 – XI ZR 117/89 –, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 11. 06. 1981 – III ZR 39/80 –, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 6 ff.; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris Rn. 5 ff.; BGH, Urteil vom 15. 10. 1974 – VI ZR 181/73, NJW 1975, 47 (49); BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 10. 04. 1969 – II ZR 239/67, NJW 1969, 1205 (1206); BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 20. 11. 1958 – VII ZR 47/58 –, juris Rn. 9 ff. 103 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 114 ff.; Bamberger, JuS 1998, 706 (707); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 241 ff.; Baur, JZ 1964, 354 (357); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 16; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238 ff.; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 72 ff.; Blas, JA 1989, 514 (515); SBS-VwVfG / Bonk, Neumann, § 54 Rn. 53; Brenner, LKV 1999, 481 (482); Bull/Mehde: Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 144 f.; Demel, JuS 1978, 696; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508 ff.; Dittmar, BayVBl 1929, 105; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 29 ff.; Durner, JuS 2005, 900 (903 f.); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 478; von Einem, NWVBl 1992, 384 (388); Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 3 ff.; PWW / Fehrenbacher, § 677 Rn. 26 ff.; Fleischfresser, VR 1988, 305; Freund, JZ 1975, 513 (514); Friedrichs, ArchBR 1916, 28 (80); Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 24; Georgii, NJW 1996, 686 (690); Glasmacher, JURA 2014, 526 (532); Gusy, JA 1979, 69; Habermehl, JURA 1987,
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
und Rechtsfolgen jedoch durchaus umstritten. Einigkeit besteht bei denjenigen Stimmen, die die Anwendung bei Bezug zum öffentlichen Recht nicht von vornherein ablehnen, nur insoweit, als nach wie vor ein großes Bedürfnis der Praxis an der Nutzung des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag zur Lösung von Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht besteht104. Die Geschäftsführung ohne Auftrag mit Bezug zum öffentlichen Recht lässt sich anhand der beteiligten Rechtssubjekte in vier Fallgruppen aufteilen: - Ein Verwaltungsträger besorgt das Geschäft eines anderen Verwaltungsträgers, nachfolgend als Fallgruppe 1 (Ö/Ö) bezeichnet - Ein Verwaltungsträger besorgt das Geschäft eines Privatrechtssubjekts, nachfolgend als Fallgruppe 2 (Ö/P) bezeichnet - Ein Privatrechtssubjekt besorgt das Geschäft eines Verwaltungsträgers, nachfolgend als Fallgruppe 3 (P/Ö) bezeichnet - Ein Privatrechtssubjekt besorgt das Geschäft eines anderen Privatrechtssubjekts, wobei das besorgte Geschäft einen Bezug zum öffentlichen Recht aufweist, nachfolgend als Fallgruppe 4 (P/P) bezeichnet
1. Abgrenzung zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Die entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB bei Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht wird allgemein als „Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht“ oder schlicht als „öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag“ bezeichnet. Unter diesen Oberbegriff werden von der Rechtsprechung und der Literatur gleichermaßen Anwendungsfälle der direkten wie auch der entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB aufgrund öffentlichrechtlichen Bezugs 199 (200); Hamann, NJW 1955, 481 (482); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 184 f.; Hurst, DVBl 1965, 757 (759); Klein, DVBl 1968, 166 (170); jurisPKBGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 48 ff.; Linke, DVBl 2006, 148 (156); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 793; Menger, VerwArch 1978, 397 (401); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 110 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 216 ff.; Oldiges, JuS 1989, 616 (621); Rietdorf, DÖV 1966, 253 (254); Rinne / Schlick, NJW 2005, 3330 (3334); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 571 f.; Schoch, JURA 1994, 241 (242); MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 23; Palandt / Sprau, Vor § 677 Rn. 13 ff.; Staake, JA 2005, 800 (802); Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 61; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 638 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 14 ff.; Tiedau, DÖV 1952, 164 (165); HK-VerwR / Unruh, § 40 VwGO Rn. 126; Weimar, RiA 1964, 19; Wild, VR 1998, 131 (134 f.); Windthorst / Sproll: Staatshaftungsrecht, S. 38 ff.; a.A. AK BGB / Joerges, Vor § 677 ff. Rn. 37 ff.; Kischel, VerwArch 1999, S. 413; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 194; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 94; BGB-RGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 106 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95 f.; a.A. wohl auch Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 255 ff., 369 ff. 104 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 35; Nedden, GoAÖR, S. 17; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91.
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subsumiert105. Solche allgemeinen Beschreibungen sind präzisierungsbedürftig. Der Ausdruck „Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht“ ist als eine Geschäftsbesorgung ohne Auftrag mit einem Bezugspunkt zum öffentlichen Recht zu definieren. Die von Kischel vorausgesetzte Notwendigkeit der Beteiligung eines Hoheitsträgers geht aus dem Wortlaut nicht hervor106. Öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnet hingegen die nach den folgenden Abgrenzungsmerkmalen als öffentlichrechtlich zu qualifizierende Geschäftsführung. Neben der Frage, auf welche Arten von Geschäftsführung eine direkte und auf welche eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Betracht kommt, muss auch untersucht werden, inwieweit der Status der beteiligten Rechtssubjekte die Anwendungsform determiniert und ob die Zuordnung ausschließlich ist, eine Doppelnatur also ausscheidet oder möglich ist. Es ist zu beachten, dass die grundsätzliche systematische Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen Geschäftsführung durch ein Privatrechtssubjekt oder einen Verwaltungsträger noch keine Aussage über die Zulässigkeit oder Rechtmäßigkeit derselben trifft. Die Qualifizierung als öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Geschäftsführungshandlung bestimmt nicht nur den Rechtsweg, sondern auch, ob eine direkte oder aber eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Frage steht107. a) Rechtsnatur der Geschäftsführung Zunächst ist zu untersuchen, anhand welcher Kriterien eine bestimmte Geschäftsführung überhaupt als zum öffentlichen Recht zugehörig einzuordnen ist. Vorauszugehen hat dieser Kriterienbildung aber die Feststellung, dass die deutsche Rechtsordnung das öffentliche Recht und das Privatrecht als zwei grundsätzlich voneinander abzugrenzende Teilrechtsordnungen betrachtet108. Die Definition einer Abgrenzungsregel ist seit mehr als hundert Jahren Gegenstand intensiver Meinungsstreitigkeiten109. Die anhaltende Diskussion hat eine kaum mehr überschaubare Vielzahl an Theorien hervorgebracht, deren ausführliche Darstellung der Rahmen dieser Untersuchung nicht zulässt und auch nicht erfordert. Vertreten werden unter anderem Interessentheorie, Subordinationstheorie, Hoheitstheorie, Wichtigkeitstheorie, Traditionstheorie, Gesetzgebungskompetenz105 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 13 ff.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 37; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 51; Rietdorf, DÖV 1966, 253 (254); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (93). 106 Kischel, VerwArch 1999, S. 413. 107 Wild, VR 1998, 131 (134). 108 Siehe hierzu de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 22 ff. unter anderem mit Verweis auf die Vorschriften Art. 12a III, 33 IV GG, 13 GVG, 40 VwGO und 35 VwVfG. 109 Baur, JZ 1963, 41; Erichsen, JURA 1982, 537 (538 ff.); Hesse, DÖV 1975, 437 (439 f.); Lange, JuS 1982, 500; Pestalozza, DÖV 1974, 188 (191 f.); Pestalozza, JZ 1975, 50 (51); Schnapp, DÖV 1990, 826 f.
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theorie sowie modifizierte Varianten dieser Theorien110. Auch wenn sich keine eindeutig herrschende Meinung herausgebildet hat, wird überwiegend der Sonderrechtstheorie gefolgt111. Dieser auch als Zuordnungs- oder Subjektstheorie bezeichnete Ansatz untersucht die auf den Sachverhalt anwendbaren Rechtsnormen auf ihre Adressaten hin; ist einer der Adressaten der Staat und wird für ihn ein besonderes Recht oder eine Pflicht begründet, so ist der Sachverhalt dem öffentlichen Recht zuzuordnen112. Ein schwerwiegendes Defizit dieser Theorie offenbart sich bei der Subsumtion des nicht regelnden, also schlicht-hoheitlichen nicht gesetzesakzessorischen Verwaltungshandelns, denn diesem liegt gerade kein zuordnungsfähiges Sonderrecht zugrunde113. Für diese Realakte ist ein geeigneter Abgrenzungsmaßstab zu definieren. Zur Lösung dieses Problems wurde die Kompetenztheorie entwickelt, nach der Verwaltungshandeln in Vollzug oder im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Kompetenz, aber ohne spezielle Rechtsgrundlage dann öffentlichrechtlich zu qualifizieren ist, wenn Gesetzgeber oder Verwaltung nicht ausdrücklich die Privatrechtsform gewählt haben114. Besteht keine öffentlichrechtliche Kompetenz wie bei der allgemeinen behördlichen Bedarfsdeckung, Vermögensverwertung oder Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr, so ist die Kompetenz des Verwaltungsträgers hierfür ausschließlich privatrechtlich zu beurteilen, denn es ist kein Grund ersichtlich, Verwaltungsträger oder Privatrechtssubjekt bei diesen Geschäften anders zu behandeln als im Falle eines wirksamen privatrechtlichen Vertrages115. Der 110 Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 30 ff.; Bydlinski, AcP 1994, 319 (333); Erichsen, JURA 1982, 537 (538 ff.); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 41 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 43; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 344; Wolff, AöR 1950/51, 205 (208). 111 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 436 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 45; SBS-VwVfG / Schmitz, § 1 Rn. 97; Zuleeg, VerwArch 1982, 384 (393). 112 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 44; Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, S. 112 ff. 113 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 194 ff.; Erichsen, JURA 1982, 537 (543); Robbers, DÖV 1987, 272 ff.; Scherer, NJW 1989, 2724; SBS-VwVfG / Schmitz, § 1 Rn. 98; AnwK-BGB / vom Stein, § 839 Rn. 75. 114 Erichsen, JURA 1982, 537 (544 f.); Gern, ZRP 1985, 56 (59 ff.); Scherer, NJW 1989, 2726; SBS-VwVfG / Schmitz, § 1 Rn. 98; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, S. 94 ff.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 608 f.; StoberVerwR I / Stober, § 22 Rn. 49; Weißen, JA 1980, 477 (479); widersprüchlich hierzu OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris Rn. 3 ff., das zwar eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung annimmt, aber sowohl Zuständigkeit als auch Pflicht des Verwaltungsträgers verneint, wonach fraglich bleibt, nach welchem Maßstab das Gericht überhaupt die Rechtsnatur qualifiziert, denn korrekterweise wäre in diesem Fall mit Thüsing, NVwZ 1997, 563 (564) davon auszugehen, dass wenigstens eine öffentlichrechtliche Kompetenz besteht; ähnlich die Qualifizierung nach hoheitlicher Aufgabenerfüllung, Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 31; siehe hierzu auch OLG Celle, Urteil vom 26. 10. 1967 – 3 U 34/67, VersR 1968, 76 f. 115 OLG München, Urteil vom 12. 01. 1984 – 24 U 459/83 –, juris; Ehlers, DVBl 1983, 422 (423); MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor §§ 677 Rn. 32; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 439 f.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 564 f.; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 34, der fälschlicherweise OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris zitiert, wo
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Kompetenztheorie wurde von Maurer zu Unrecht vorgeworfen, sie unterliege einem Zirkelschluss, weil sie einen Realakt dann öffentlichrechtlich qualifiziert, wenn eine öffentlichrechtliche Kompetenzgrundlage besteht116. Es darf nicht außer Acht bleiben, dass die Kompetenztheorie die Sonderrechtstheorie nur ergänzt, indem sie spezielle Rechtsgrundlagen durch Zuständigkeiten oder eine Aufgabeneröffnung ersetzt. Die Qualifikation der Zuständigkeitsnorm oder Aufgabeneröffnung als öffentlichrechtlich erfolgt wie bei der Sonderrechtstheorie danach, ob Pflichten oder Rechte für den Staat begründet werden. Ob dies der Fall ist, hängt nicht mit der Qualifikation des einzuordnenden Realaktes zusammen. Ein Zirkelschluss besteht nicht117. Auch die Kritik von Ehlers, nach der die Kompetenztheorie abzulehnen sei, weil der Staat bei ihrer Anwendung mit Ausnahme der Kompetenzanmaßung nicht mehr privatrechtlich handeln könne, überzeugt nicht, wenn man die Möglichkeit der Verwaltung, trotz öffentlichrechtlicher Kompetenz ausdrücklich privatrechtlich handeln zu können, anerkennt118. Zuletzt erscheint auch die Kritik von Spannowsky, wonach die Kompetenztheorie deshalb abzulehnen sei, weil die Aufgabenzuweisung in aller Regel keine Bestimmung darüber trifft, wie die Aufgabe erfüllt werden soll, verfehlt119. Die Kompetenztheorie ermöglicht die Aufgabenwahrnehmung auch durch zivilrechtliche Maßnahmen, wenn diese ausdrücklich gewählt wurden120. Die Kompetenztheorie stellt im Ergebnis und als Ergänzung zur Sonderrechtstheorie lediglich eine Zweifelsfallregelung dar121. Der Verkehrsschutz erfordert im Zweifelsfall auch eine Qualifizierung der schlicht-hoheitlichen Verwaltungsmaßnahmen als öffentlichrechtlich, wenn innerhalb einer öffentlichrechtlichen Kompetenz ohne ausdrückliche Optierung zu privatrechtlichen Handlungsformen durch Verwaltungsträger gehandelt wird. Für das betroffene Privatrechtssubjekt stellt sich die behördlich veranlasste Handlung in öffentlichrechtlicher Kompetenz nach einem objektivierten Betrachtungshorizont als Ausübung von Hoheitsgewalt dar, wenn ihm gerade keine privatrechtliche GoA vorlag; a.A. Gern, ZRP 1985, 56 (60), der sogar Werkleistungen von Privatrechtssubjekten an Gemeinden im Rahmen privatrechtlicher Verträge öffentlichrechtlich behandeln will. 116 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 45. 117 Ein Zirkelschluss wird auch bei der Sonderrechtstheorie selbst kritisiert, Zuleeg, JuS 1985, 106 (108). 118 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 196 f.; Gallwas, VVDStRL 29, 211 (214 f.); Ehlers lehnt die behördliche Wahl privatrechtlicher Handlungsformen im Bereich hoheitlicher Aufgaben weitgehend ab, Ehlers, DVBl 1983, 422 (429); Ehlers, DVBl 1986, 912 (917). 119 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, S. 95. 120 Insoweit ist die rechtliche Bewertung identisch mit der Qualifizierung privater Unternehmer als Amtswalter gemäß Art. 34 GG nach der herrschenden Auffassung, Weißen, JA 1980, 477 (478). 121 Eine solche ist in Anbetracht der Tatsache, dass im Bereich der Formenwahlfreiheit der Verwaltungsträger die gewählte Rechtsform für das Privatrechtssubjekt häufig nur schwer zu erkennen ist, auch erforderlich, wenn auch noch nicht vollständig befriedigend, de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 349; das Problem beheben könnte nur eine Verpflichtung des Verwaltungsträgers, die gewählte Rechtsform ausdrücklich und verbindlich zu kommunizieren.
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keine abweichenden Informationen vorliegen122. Um seine Rechtsposition, etwaige Ansprüche und andere Rechtsfolgen beurteilen zu können, muss es in der Lage sein, ohne weitere Nachforschung die Rechtsform des behördlichen Handelns zu erkennen. Auch der BGH geht davon aus, dass sich eine Behörde zur Erfüllung typischer Aufgaben in der Regel hoheitlicher Mittel bedient123. Im Ergebnis wird die Rechtsnatur des Geschäftsführungshandelns grundsätzlich anhand der Sonderrechtstheorie und im Falle des Fehlens spezifischen Sonderrechts mit der Kompetenztheorie bestimmt124. Ob der Verwaltungsträger sich zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben privater Unternehmer bedient, bleibt ohne Auswirkungen auf die Qualifizierung125. Diese Kombination soll für die weitere Untersuchung als kompetenziell modifizierte Sonderrechtstheorie bezeichnet werden. Die Literatur zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht war mit der Festlegung auf Zuordnungsmerkmale zur Beurteilung der Rechtsnatur einer Geschäftsführungshandlung bisher auffällig zurückhaltend, worauf noch einzugehen sein wird126. b) Bezugspunkt der Qualifikation Bei der Zuordnung von Handlungen der Verwaltungsträger zum öffentlichen oder bürgerlichen Recht wird zur Qualifizierung anhand der genannten Theorien auf die Rechtsnatur der Handlung selbst abgestellt127. Bei der Qualifizierung von fremdnützigen Geschäftsführungsmaßnahmen mit öffentlichrechtlichem Bezug stellt die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht auf die konkret vom Geschäftsführer durchgeführte Handlung ab, sondern ordnet die Handlung dem öffentlichen Recht nur dann zu, wenn das Geschäft bei fiktiver Vornahme durch den Geschäftsherrn selbst öffentlichrechtlich zu beurteilen wäre128. Die Rechtsnatur der 122 Ähnlich Weißen, JA 1980, 477 (479), für die Einschaltung von Privatunternehmen im Straßenbau. 123 BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 80/73 –, juris Rn. 10. 124 So im Ergebnis auch VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris Rn. 13 ff.; a.A. BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; VG Köln, Urteil vom 06. 02. 2015 – 4 K 492/14 –, juris und GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 57, die auf „Aufgaben“ abstellen. 125 Notthoff, NVwZ 1994, 771 (773); sogenannte funktionale Privatisierung, Schoch, DVBl 1994, 962 (963). 126 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509 f.; Habermehl, JURA 1987, 199 (201) fragen nur allgemein nach der Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Abgrenzungskriterien zu benennen; Nedden, GoAÖR, S. 17 spricht nur von öffentlichrechtlichen Lebenssachverhalten. 127 BGH, Urteil vom 12. 12. 1989 – XI ZR 117/89 –, juris. 128 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86; BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 11; VG Hannover, Urteil vom 07. 11. 2016 – 10 A 598/16 –, juris Rn. 19; Baur, DVBl 1965, 893 (896); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 17; Brenner, LKV 1999, 481 (482); Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 30; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 479 f.; Glasmacher, JURA 2014, 526
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Geschäftsführung wird damit auf Basis einer Fiktion qualifiziert. Soweit die Vertreter dieser Ansicht ihre These überhaupt begründen, wird angeführt, diese Fiktion ergebe sich aus der Formulierung des § 677 BGB, denn die Norm spricht von der Geschäftsbesorgung für einen anderen129. Das Abgrenzungskriterium sei deshalb dem Rechtskreis zu entnehmen, dem das Geschäft zuzuordnen ist130. Dieser Ansicht muss entgegnet werden, dass der Wortlaut des § 677 BGB keine ausreichende Begründung für eine solche Annahme darstellt, da die Anwendung des § 677 BGB der Entscheidung, ob öffentliches Recht oder Zivilrecht anwendbar ist, in jedem Fall nachgelagert ist131. Es ist zwar zutreffend, dass der Anknüpfungspunkt der Geschäftsführung das fremde Geschäft ist. Schon beim auch-fremden Geschäft lässt sich das Geschäft nicht mehr eindeutig nur einem Rechtskreis zuordnen, so dass schon für diese häufig anzutreffenden Fälle nach der herrschenden Ansicht nicht mehr begründet werden kann, warum die hypothetische Geschäftsführung des Geschäftsherrn vorrangig zur Abgrenzung heranzuziehen sein soll. Dies gilt besonders für das objektiv neutrale Geschäft. Da die Rechtsprechung aber selbst dann noch auf die Rechtsnatur des fiktiven Geschäfts abstellt, wenn der Geschäftsführer eines auchfremden Geschäfts hauptsächlich zur Erfüllung eigener Pflichten tätig geworden ist, offenbart sich die Unfähigkeit des § 677 BGB, eine Geschäftsführungshandlung in jedem Fall ausschließlich einem Rechtskreis zuzuordnen132. Überhaupt entzieht es sich einer Begründung, weshalb die Qualifizierung der Rechtsnatur einer Handlung aufgrund einer Fiktion erfolgen soll133. Die herrschende Ansicht sieht sich aber noch einem weitaus gewichtigeren Kritikpunkt ausgesetzt. Ist einem hoheitlichen Geschäftsherrn Wahlfreiheit dahingehend eröffnet, ob er eine bestimmte Kompetenz mit öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen wahrnimmt und zieht ein Privatrechtssubjekt diese Kompetenz an sich und führt das Geschäft, so lässt sich nicht beurteilen, welche Rechtsnatur die hypothetische Geschäftsführung durch den Geschäftsherrn gehabt hätte134. Dies gilt entsprechend auch dann, wenn den hoheitlichen Geschäftsherrn sowohl eine öffentlichrechtliche als auch eine privatrechtliche Pflicht zur Führung des Geschäfts traf135. Auch das Argument Kleins, der die Qualifizierung anhand der Rechtsnatur des (530); Gusy, JA 1979, 69; Habermehl, JURA 1987, 199 (201); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 101 ff.; Kischel, VerwArch 1999, S. 412 f.; Klein, DVBl 1968, 166 (169); Schoch, JURA 1994, 241 (247); Menger, VerwArch 1978, 397 (398 f.); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 37 f.; Windthorst, JuS 1996, 605 (608). 129 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 11. 130 Schoch, JURA 1994, 241 (247). 131 Bamberger, JuS 1998, 706. 132 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 8 ff. 133 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 142; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 417. 134 Bamberger, JuS 1998, 706; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 567; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 480; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416 f. 135 Staake, JA 2004, 800 (802); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 480.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts deshalb durchführen will, weil dann die sachkundigste Gerichtsbarkeit zur Entscheidung berufen wäre, geht fehl136. Wenn eine öffentlichrechtliche Pflicht Gegenstand der Fremdgeschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für ein anderes Privatrechtssubjekt ist, so sind alle maßgeblichen Fragen des Schuldverhältnisses zwischen den Parteien nach §§ 677 ff. BGB zu lösen und somit vor einem Zivilgericht ersichtlich besser aufgehoben137. Auch bei der Geschäftsführung einer Behörde für ein Privatrechtssubjekt zur Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Pflicht sind angesichts zweifelhafter Entscheidungen jüngerer Zeit berechtigte Zweifel angebracht, ob die Zivilgerichtsbarkeit solche Fälle, die vom öffentlichen Recht in vielerlei Hinsicht überlagert sind, tatsächlich besser beurteilen kann als die Verwaltungsgerichtsbarkeit138. Die Mindermeinung, die die Zuordnung aufgrund der Rechtsnatur des tatsächlich geführten Geschäfts vornimmt, ist deshalb vorzugswürdig139. c) Subjektive Determination Legt man die in dieser Untersuchung bisher definierten Abgrenzungskriterien zugrunde, so sind sowohl Privatrechtssubjekte als auch Verwaltungsträger in ihrer Rechtsformwahl grundsätzlich frei. Bei vier Fallgruppen und der Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Geschäftsführung in jeder dieser Gruppen, wäre also effektiv von acht möglichen Konstellationen auszugehen. Es ist zu untersuchen, ob Privatrechtssubjekte und Verwaltungsträger tatsächlich in jeder dieser Konstellationen nach den definierten Abgrenzungskriterien sowohl öffentlichrechtlich als auch privatrechtlich Geschäftsführung betreiben können. aa) Geschäftsführung des Privatrechtssubjekts Unter der Voraussetzung, dass sich die vorgenommene Geschäftsführungshandlung unter den Tatbestand von Rechtsnormen subsumieren lässt, die für den Staat 136
So vertreten für die Geschäftsführung von Privatrechtssubjekten für Privatrechtssubjekte im Bereich öffentlichrechtlicher Pflichten von Klein, DVBl 1968, 166 (170). 137 von Einem, NWVBl 1992, 384 (385 f.); Nedden, GoAÖR, S. 121. 138 Siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. 06. 2011 – 1 BvR 367/11 –, juris Rn. 10, wonach das OLG München nach Ansicht des BVerfG die „Rechtslage in krasser Weise“ verkannt, privates und öffentliches Recht unzulässig vermischt und die Entscheidung auf Grund sachfremder Erwägungen getroffen habe. 139 BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 14 f.; BVerwG, Urteil vom 09. 12. 1955 – II C 37.53 –, juris Rn. 31; VGH Mannheim, Urteil vom 22. 11. 2001 – 5 S 2580/00, VBlBW 2002, 252; Bamberger, JuS 1998, 706 f.; Günther / Traumann, NVwZ 1993, 130 (137); Hamann, NJW 1955, 481 (482); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 239 f.; jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 52; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416 f.; Schack, JZ 1966, 640 (641); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 554 ff.; Staake, JA 2004, 800 (802); Tiedau, DÖV 1952, 164 (165); Wild, VR 1998, 131 (134 f.); vermittelnd: Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 510, der nur bei Geschäftsführung des Hoheitsträgers auf die Rechtsnatur seiner Handlung, ansonsten auf die Rechtsnatur seiner Handlungspflicht abstellen will.
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mindestens ein Recht oder eine Pflicht begründen, oder die Geschäftsführung zumindest einer öffentlichrechtlichen Kompetenz zuzuordnen ist, könnte ein Privatrechtssubjekt in Fallgruppe 3 und 4 grundsätzlich eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag betreiben. Für Fallgruppe 3 entspricht dies auch der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur140. Es überrascht, dass teilweise dieselben Autoren, die für die Fallgruppe 3 von der Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ausgehen, diese für die Fallgruppe 4 mit der herrschenden Meinung und der Begründung, ein Privatrechtssubjekt könne nicht hoheitlich handeln, kategorisch ablehnen141. Für die These, ein Privatrechtssubjekt könne nicht hoheitlich handeln, wird aber weder eine Begründung angeführt, noch wird dargelegt, warum aus diesem Grundsatz zu folgern sei, dass eine Geschäftsführung in Fallgruppe 4 beispielsweise bei Übernahme der Räum- und Streupflicht nicht öffentlichrechtlich zu beurteilen sei142. Dieses Defizit in der Argumentation ist darauf zurückzuführen, dass bei der Abgrenzung von privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Geschäftsführung nicht zwischen Rechtsnatur und Bezugspunkt getrennt wird143. Die eigenständige Prüfung der Rechtsnatur der Geschäftsführung anhand der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie ist nicht nur für die Rechtswegfrage unverzichtbar, sondern liefert auch die Begründung für die These, in Fallgruppe 4 komme eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung nicht in Betracht144. Zunächst ist zu klären, welches Sonderrecht auf 140 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; VGH München, Beschluss vom 15. 02. 2012 – 8 ZB 11.591 –, juris; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117; Bamberger, JuS 1998, 706 (710); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 34; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 28; Habermehl, JURA 1987, 199 (202); Klein, DVBl 1968, 166 (169 f.); jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 54; Nedden, GoAÖR, S. 217; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 25 ff.; a.A. Staake, JA 2004, 800 (802); Schoch, JURA 1994, 241 (246), dessen vollständige Ablehnung der GoA in Fallgruppe 3 wohl auf öffentlichrechtliche GoA zu beschränken ist. 141 Bamberger, JuS 1998, 706 (710 f.); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 22; ErmanBGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 35; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 24; Habermehl, JURA 1987, 199 (200); Schack, JZ 1966, 640 (641); Scherer, NJW 1989, 2724 (2725); Tiedau, DÖV 1952, 164 (165), die auch nicht definieren, was unter „hoheitlichem Handeln“ zu verstehen ist: Falls damit der Erlass eines Verwaltungsaktes gemeint ist, so ist die Aussage, Privatrechtssubjekte könnten nicht hoheitlich handeln, trivial; falls damit gemeint ist, Privatrechtssubjekte könnten nicht öffentlichrechtlich handeln, so ist die These begründungsbedürftig. 142 Bamberger, JuS 1998, 706 (710 f.) erkennt dieses Problem, stellt aber ohne stichhaltige Begründung darauf ab, ob Privatrechtssubjekte über öffentlichrechtliche Gegenstände mit öffentlichrechtlicher Wirkung verfügen können; die Geschäftsführung beinhaltet eine solche Verfügung aber nicht zwingend und erschöpft sich in der Regel in einem Realakt, weshalb dieses Abgrenzungsmerkmal ungeeignet erscheint, so im Ergebnis auch Pestalozza, JZ 1975, 50 (54). 143 Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 17; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 30; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 24 definieren zwar den Bezugspunkt der Rechtsnatur der hypothetischen Geschäftsführung durch den Geschäftsherrn, schweigen aber zu ihrer Qualifizierung. 144 A.A. Klein, DVBl 1968,166 (170).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
den Sachverhalt einer Geschäftsführung unter Privatrechtssubjekten mit Bezug zum öffentlichen Recht anwendbar ist. Als Beispiel soll ein Hauseigentümer in München dienen, der nach Art. 51 V BayStrWG in Verbindung mit § 3 I der Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung der Stadt München in der Fassung vom 30. 12. 2010 für die auf ihn entfallenden Flächen der öffentlichen Straßen reinigungs- und sicherungspflichtig ist. Übernimmt sein Nachbar die Reinigung für den säumigen Hauseigentümer, so erfüllt er die dem genannten Sonderrecht unterliegende Pflicht. Die genannten Normen treffen Aussagen über Rechtsfolgen aber nur für das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsträger und dem Hauseigentümer. Für das Rechtsverhältnis zwischen den Privatrechtsubjekten lässt sich kein Regelungsgehalt erkennen145. Die genannten Rechtsnormen sind also auf die Übernahme der Reinigungspflicht durch ein anderes Privatrechtssubjekt nicht anwendbar. Da dem Privatrechtssubjekt auch keine öffentlichrechtliche Kompetenz zur Geschäftsführung zukam, liegt eine privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag vor, die keinem öffentlichrechtlichen Sonderrecht unterliegt146. Dies gilt entsprechend für die Geschäftsführung eines Verwaltungshelfers oder einer privatrechtlich organisierten gemeindlichen Einrichtung für ein Privatrechtssubjekt außerhalb übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben oder sogar für eine Geschäftsführung im Rahmen übertragener Aufgaben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Aufgabenwahrnehmung nicht vorlagen147. Dies stellt keinen Widerspruch zur Kompetenztheorie dar. Ein mit Verwaltungsaufgaben betrautes Privatrechtssubjekt hat keine eigene, sondern nur eine übertragene Aufgabenkompetenz, auf die es sich nicht mehr stützen kann, wenn es außerhalb des Tatbestandes handelt. Im Ergebnis wird in Fallgruppe 4 die Qualifizierung der Maßnahme anhand der Rechtsnatur immer eine privatrechtliche Geschäftsführung ergeben148. In Fallgruppe 3 sind hingegen beide Erscheinungsformen der Geschäftsführung anzutreffen. Führt ein privater Bauunternehmer beispielsweise ein Geschäft einer Gemeinde, indem er aufgrund eines unwirksamen Werkvertrages Bauleistungen an den Mitarbeitertoiletten des Rathauses für sie erbringt, so erfolgt diese Geschäftsführung außerhalb des den Staat gegenüber dem Bürger verpflich145
Gusy, JA 1979, 69 (72); Beckhaus, ZUR 2010, 418 (420); Gutzeit / Vrban, NJW 2012, 1630 (1632); von Einem, NWVBl 1992, 384 (385); so auch BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris für die Geschäftsführung einer Privatperson für eine Privatperson im Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung und BGH, Urteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 53/11 –, juris für die Beerdigung durch einen Bestattungsunternehmer für den Bestattungspflichtigen. 146 A.A. ohne Begründung diesbezüglich Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 94. 147 Gallwas, VVDStRL 29, 211 (215 f., 223); a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 22. 11. 2001 – 5 S 2580/00, VBlBW 2002, 252 f., der den Aufwendungsersatzanspruch eines außerhalb übertragener öffentlichrechtlicher Kompetenzen geschäftsführenden Vermessungsingenieur öffentlichrechtlich qualifiziert; a.A. auch Pestalozza, JZ 1975, 50 (51), der scheinbar alle Beziehungen des Verwaltungshelfers zu Dritten öffentlichem Recht unterstellen will. 148 Siehe Fn. 141.
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tenden oder berechtigenden Sonderrechts und außerhalb der öffentlichrechtlichen Kompetenzen des Verwaltungsträgers, denn fiskalische Hilfsgeschäfte sind Ausfluss privatrechtlicher Kompetenzen der Gemeinde149. Nimmt das Privatrechtssubjekt mit seiner Geschäftsführung aber Pflichten oder auch nur öffentlichrechtliche Kompetenzen des Verwaltungsträgers wahr, indem es beispielsweise eine gemeindliche Erschließungsanlage mit eigenen Mitteln herstellt, so bestimmt das den Staat hierzu verpflichtende Sonderrecht die öffentlichrechtliche Rechtsnatur der Geschäftsführung150. bb) Geschäftsführung des Verwaltungsträgers Nimmt ein Verwaltungsträger fremde Interessen durch Geschäftsführung wahr, so ist sein Handeln wie das des Privatrechtssubjekts anhand der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie zu qualifizieren. Ob der Verwaltungsträger sich zur Geschäftsführung privater Dritter als Erfüllungsgehilfen bedient, hat keine Auswirkungen hierauf151. In Fallgruppe 1 ist zunächst zu prüfen, ob die Geschäftsführung einem Sachverhalt zuzuordnen ist, auf den öffentlichrechtliches Sonderrecht Anwendung findet. Diese Anwendbarkeit muss sich aber nicht nur auf die Geschäftsführungshandlung beziehen, sondern das Sonderrecht muss auch auf die Adressaten im konkreten Fall anwendbar sein. Aus dieser Einschränkung ergibt sich die Konsequenz, dass öffentlichrechtliche Geschäftsführung unter Verwaltungsträgern aufgrund öffentlichrechtlichen Sonderrechts nur dann vorliegen kann, wenn dieses Sonderrecht die Geschäftsführung ausdrücklich zumindest auch zwischen Verwaltungsträgern regelt. Solche Rechtsnormen sind vergleichsweise selten. Beispiele sind die Amtshilfe gemäß §§ 4 ff. VwVfG, die Eingriffsbefugnisse gemäß § 6 II NRWOBG oder Vorschriften zur Unschädlichmachung negativer Kompetenzkonflikte wie § 43 SGB I. Wesentlich häufiger wird es sich um eine Geschäftsführung im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Kompetenz handeln. Wird nicht ausdrücklich die Privatrechtsform gewählt, so ist die Geschäftsführung eines Verwaltungsträgers innerhalb seiner öffentlichrechtlichen Kompetenzen für einen anderen Verwaltungsträger öffentlichrechtlich zu qualifizieren152. Dies gilt beispielsweise in dem Fall, dass die Landespolizei einen brennenden Papierkorb einer Gemeinde aus Ei149
Siehe Fn. 115. VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72 –, juris; Demel, JuS 1978, 696 f.; Fleischfresser, VR 88, 305 (307). 151 OVG Koblenz, Urteil vom 10. 12. 2002 – 6 A 11416/02 –, juris; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 481, 504 ff.; Pestalozza, JZ 1975, 50 (52); zur mittlerweile gleichlaufenden haftungsrechtlichen Zurechnung von privaten Verwaltungshelfern: BGH, Urteil vom 21. 01. 1993 – III ZR 189/91 –, juris; Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350 f.); a.A. zur haftungsrechtlichen Zurechnung beim Einsatz von privaten Straßenbauunternehmen im Rahmen der Straßenbaulast noch BGH, Urteil vom 15. 06. 1967 – III ZR 23/65 –, juris. 152 A.A. BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 32 und Bamberger, JuS 1998, 706, die als Bezugspunkt die Kompetenz des Geschäftsherrn wählen. 150
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geninitiative löscht, denn Gefahrenabwehr ist eine Kompetenz der Polizei153. Handelt ein Verwaltungsträger aber außerhalb seiner öffentlichrechtlichen Kompetenzen, so ist seine Geschäftsführung immer privatrechtlicher Natur154. Ein Verwaltungsträger ist also nicht daran gehindert, außerhalb zwingenden Sonderrechts eine privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag für einen anderen Verwaltungsträger zu betreiben155. Eine statusbezogene Determination in Fallgruppe 1 existiert nicht. In Fallgruppe 2 liegt eine öffentlichrechtlich zu qualifizierende Geschäftsführung vor, wenn sie sich unter öffentlichrechtliches Sonderrecht subsumieren lässt. Ist dies zwar nicht der Fall, liegt die Geschäftsführung aber in der öffentlichrechtlichen Kompetenz des Verwaltungsträgers, so wäre es nach hier vertretener Auffassung zulässig, sich privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen, indem diese ausdrücklich gewählt werden. Für Maßnahmen der Verwaltungsträger, insbesondere der Polizei oder einer Ordnungsbehörde im Aufgabenbereich der Gefahrenabwehr, erscheint eine solche Wahlmöglichkeit aufgrund der Gefahr der Umgehung der Tatbestandsmerkmale spezifisch öffentlichrechtlicher Eingriffsgrundlagen nach fast einhelliger Ansicht der Literatur bedenklich156. Bei der Qualifizierung der Rechtsnatur der Geschäftsführung wirken sich diese Bedenken aber nicht aus, denn die Möglichkeit einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht sowie die Frage nach ihren Voraussetzungen und ihren Rechtsfolgen im Einzelfall sind der Einordnung nach der Rechtsnatur denklogisch nachgelagert. Beim Handeln nur im 153 OVG Münster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/85, NJW 1986, 2526; Oldiges, JuS 1989, 616 (620). 154 BGH, Urteil vom 22. 02. 1971 – III ZR 205/67 –, juris Rn. 13 ff.; ähnlich Schack, JZ 1966, 640 (642). 155 Ähnlich Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 442 ff., 476, 497 ff., der aber für eine privatrechtliche GoA einen engen, inneren Zusammenhang der Geschäftsführung mit der Wahrnehmung privatrechtlich zu erfüllender Aufgaben verlangt, was sich den Vorwurf mangelnder Präzision gefallen lassen muss. 156 Bamberger, JuS 1998, 706 (708); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 241; Baur, DVBl 1965, 893 (894); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 16; BGW, Staatshaftungsrecht, Rn. 239; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 108 f.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508 f.; Erman-BGB I / Dornis, Vor § 677 Rn. 33; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 13; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 5; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 27; Gusy, JA 1979, 69 (71); Hurst, DVBl 1965, 757 (759); Kischel, VerwArch 1999, S. 398 f.; Klein, DVBl 1968, 166 (167); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 52; Linke, DVBl 2006, 148 (150); Maurer, JuS 1970, 561 (564); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 794 f.; Nedden, GoAÖR, S. 151 ff.; Oldiges, JuS 1989, 616 (622); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 f.; Rietdorf, DÖV 1966, 253 (254); Schoch, JURA 1994, 241 (244 f.); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (98); MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 31; Steiner, VwR-BT / Schenke, II Rn. 235; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 536 ff.; Staake, JA 2004, 800 (803); Steckert, DVBl 1971, 243 (246); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 38 f.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 79 ff.; PW-VwR-BT / Würtenberger, S. 526; Würtenberger, NVwZ 1983, 192 (193); a.A. Wild, VR 1998, 131 ff.; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris sowie BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris, wonach privatrechtliches Handeln bei öffentlichrechtlicher Kompetenz auch ohne ausdrückliche Rechtsformwahl durch den Verwaltungsträger anzunehmen sei; relativiert in BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 6 ff.
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Rahmen einer öffentlichrechtlichen Kompetenz kann also eine privatrechtliche wie auch eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich vorliegen. Führt der Verwaltungsträger ein Geschäft für ein Privatrechtssubjekt außerhalb seiner öffentlichrechtlichen Kompetenzen, so liegt nach den entwickelten Abgrenzungskriterien zwingend eine privatrechtliche Geschäftsführung vor. Auch in Fallgruppe 2 ist somit keine statusbezogene Determination zu berücksichtigen. d) Ausschließlichkeit der Zuordnung Nach ständiger Rechtsprechung des BGH seit mehr als 50 Jahren, der sich die Instanzrechtsprechung weitgehend angeschlossen hat, soll eine einzige Geschäftsführungshandlung in Fallgruppe 2 unter bestimmten Voraussetzungen sowohl privatrechtlich als auch öffentlichrechtlich zu qualifizieren sein, etwa bei Gefahrenabwehrmaßnahmen im Rahmen der öffentlichrechtlichen Kompetenzen der Ordnungsbehörden157. Dies hat in jüngerer Vergangenheit nicht nur zu zahlreichen Streitigkeiten über den zu beschreitenden Rechtsweg geführt, sondern auch aufgrund des vom BGH zur Qualifizierung der Rechtsnatur der Geschäftsführungshandlung herangezogenen Bezugspunkts des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts die paradoxe Situation geschaffen, dass Sachverhalte, die öffentlichrechtliche Pflichten betreffen, zwingend vor den Zivilgerichten zu verhandeln sind158. Damit wird die Rechtswegfrage letztlich nicht mehr aufgrund des den Streit materiell entscheidenden öffentlichrechtlichen Sonderrechts beantwortet, was angesichts der Sachnähe der Verwaltungsgerichtsbarkeit geboten wäre, sondern letztlich aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass das hypothetische Geschäftsherrngeschäft – wie im Beschluss des BGH vom 26. 11. 2015 – ohne weiteres sowohl öffentlichrechtlich wie auch privatrechtlich qualifiziert werden kann, und anders als bei der im Rahmen dieser Untersuchung vertretenen kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie keine Zweifelsfallregelung besteht. Der BGH muss sich aufgrund dieser Entscheidung zudem den Vorwurf gefallen lassen, dass er bei der Qualifizierung der Rechtsnatur – unabhängig vom gewählten Bezugspunkt des Geschäftsherrngeschäfts – Präzision vermissen lässt, wenn er als Abgrenzungsmerkmal auf den „wahren Charakter der Forderung“ unabhängig von der Qualifizierung der zugrunde liegenden Anspruchsgrundlage abstellt159. Es muss 157 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 8 ff.; Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 02. 11. 2012 – 2 AGH 10/12 –, juris Rn. 32; BGH, Urteil vom 19. 07. 2007 – III ZR 20/07 –, juris Rn. 8 f.; VGH Mannheim, Beschluss vom 17. 02. 2004 – 5 S 1460/03 –, juris Rn. 4 f.; BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 6 ff.; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris; a.A. AG Frankfurt, Urteil vom 05. 01. 1990 – 31 C 4029/89 –, juris Rn. 25 ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 17 ff. 158 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris; BGH, Beschluss vom 17. 12. 2009 – III ZB 47/09 –, juris Rn. 5 ff. 159 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 8.
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festgestellt werden, dass die dogmatischen Bedenken übergehende, an Zweckmäßigkeitskriterien orientierte Rechtsprechung des BGH selbst nach diesen selbst gewählten Kriterien nicht überzeugen kann160. Es verwundert kaum, dass die Rechtsprechung zur Doppelnatur einer Geschäftsführungshandlung auch auf Kritik der Wissenschaft stieß. Schenke verweist zutreffend darauf, dass der für das Polizeirecht zuständige Landesgesetzgeber die Anwendung der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in seinen Polizeigesetzen aufgrund des Vorranges des Bundesrechts gemäß Art. 31 GG nicht ausschließen könne, wenn mit dem BGH von der Möglichkeit einer privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag durch dieselbe Handlung, durch die der Verwaltungsträger auch eine öffentlichrechtlichem Sonderrecht unterliegende Handlung vornimmt, ausgegangen wird161. Die vom BGH selbst vorgenommene Einschränkung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, wonach eine privatrechtliche Geschäftsführung durch dieselbe Handlung, mit der ein Verwaltungsträger auch seine eigene öffentlichrechtliche Aufgabe erfüllt, dann ausscheidet, wenn die Kostenerstattungspflicht öffentlichrechtlich abschließend geregelt ist, ist wegen der entgegen stehenden Normhierarchie nicht überzeugend162. Gegen die Doppelqualifizierung einer Handlung des Verwaltungsträgers wird weiter eingewandt, hierdurch würde ein einheitlicher Sachverhalt in unnatürlicher Weise getrennt und unzulässigerweise sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht unterstellt, mit der Gefahr der Umgehung der spezifisch öffentlichrechtlichen Anforderungen an Maßnahmen der Verwaltungsträger aufgrund von Gesetzesvorbehalt und Gesetzesvorrang163. Der BGH setzt sich mit diesen Argumenten nicht auseinander, was auch von der Instanzrechtsprechung bemerkt wurde164. Selbst innerhalb des BGH bestehen Differenzen hinsichtlich dieser Frage. Während der 3. Senat des BGH in seinem Urteil vom 13. 11.
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Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (105). FS-Bartlsperger / Schenke, S. 533 f. 162 Franßen / Blatt, NJW 2012, 1031; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 533 f. 163 Bamberger, JuS 1998, 706 f.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508 f.; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 13 f.; Gusy, JA 1979, 69 (71 f.); Habermehl, JURA 1987, 199 (202); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 150 ff.; Kischel, VerwArch 1999, S. 399; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 92 ff.; Maurer, JuS 1970, 561 (563); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 260 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 147 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 f.; Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schoch, JURA 1994, 241 (247); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (105); Steiner, VwR-BT / Schenke, II Rn. 235; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 539; Staake, JA 2004, 800 (801); Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 19 f.; zweifelnd, Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 244; ähnlich auch im Falle des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches: Schoch, JURA 1994, 82 (87); Maurer, JZ 1990, 863 (864); bei Drittbeziehung: Bethge, NJW 1978, 1801 f.; Brohm, NJW 1994, 281 (288); Linke, DVBl 2006, 148 (153); a.A. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 85 ff.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 336 f. 164 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 17. 161
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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2003165 noch davon ausging, die Anwendung der privatrechtlichen Geschäftsführung auf Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr sei deshalb ausgeschlossen, weil das bayerische Polizei- und Kostenrecht eine vorrangige Sonderregelung enthält, stellte der 4. Senat des BGH in seinem Urteil vom 20. 12. 2006166 fest, dass öffentlichrechtliche Kostenbestimmungen regelmäßig den gesamten Bereich des Aufwendungsersatzes abdecken und dass es bereits im Grundsatz fraglich sei, ob ein Handeln im hoheitlichen Pflichtenkreis es erlaubt, zugleich ein bürgerlich-rechtliches Geschäft zu führen. Letztendlich ist die Möglichkeit einer Doppelqualifizierung eines Sachverhaltes abzulehnen, weil das deutsche Recht die ausschließliche Zuordnung eines Sachverhaltes zur Klärung seiner Rechtsfolgen in einem Gerichtsverfahren voraussetzt. Dies geht einerseits aus § 40 I S. 1 VwGO hervor, der mit Ausnahme spezieller Rechtswegzuweisungen den Verwaltungsrechtsweg nur für öffentlichrechtliche Streitigkeiten eröffnet. Andererseits eröffnet § 13 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nur für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten, für die die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht begründet ist. Für Sachverhalte, die eine Doppelqualifizierung nahelegen, ordnet § 17 II S. 1 GVG an, dass das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Streit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Das Gesetz berücksichtigt insofern die Möglichkeit der Doppelnatur eines Streitgegenstandes mit der Folge der Zuordnung zu verschiedenen Rechtswegen und löst die hieraus resultierende Gefahr divergierender Rechtsprechung durch Unterscheidung von Vor- und Hauptfragen des Rechtsstreits, wobei der Rechtscharakter des die Hauptfrage entscheidenden Sonderrechts den Rechtsweg bestimmt167. Die Doppelqualifizierung von Maßnahmen der Ordnungsbehörden im Rahmen ihrer öffentlichrechtlichen Kompetenzen auch als privatrechtlich durch den BGH hat in seinem Urteil vom 13. 11. 2003 dazu geführt, dass der BGH hauptsächlich zu prüfen hatte, ob das bayerische Polizei- und Kostenrecht den Kostenersatz abschließend regelt, was als Hauptfrage und keinesfalls nur als Vorfrage des Rechtsstreits zu betrachten war, denn Ansprüche aus privatrechtlicher Geschäftsführung waren deshalb ausgeschlossen168. Der klagende Freistaat Bayern schnitt dem beklagten Viehhändler durch die Wahl des ordentlichen Rechtsweges trotz öffentlichrechtlicher Hauptfrage den Verwaltungsrechtsweg ab, der Vorteile wie die Untersuchungsmaxime gemäß § 86 VwGO, die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Behörden nach § 99 I S. 1 VwGO, die Unmöglichkeit eines Versäumnisurteils gegen ihn sowie die streitwertunabhängige 2. Instanz gewährt hätte und verweist ihn für eine etwaige Prozessaufrechnung mit einem Zahlungsanspruch öffentlichrechtlicher Rechtsnatur gegen den Kläger, der weder unstreitig noch rechtskräftig oder bestandskräftig festgestellt ist, an die Verwaltungsge165
BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 12 f. BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris Rn. 13. 167 BSG, Beschluss vom 10. 12. 2015 – B 12 SF 1/14 –, juris Rn. 11; a.A. BVerwG, Beschluss vom 04. 03. 2015 – 6 B 58/14 –, juris Rn. 10 ff. 168 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 8 ff.; Eichenhofer, LMK 2004, 46. 166
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
richtsbarkeit169. Die Doppelqualifizierung der Maßnahme kann für das Privatrechtssubjekt also auch zu prozessualen Nachteilen führen, die angesichts der Tatsache, dass das streitentscheidende Sonderrecht dem öffentlichen Recht entstammte, unzumutbar erscheinen. Die Möglichkeit einer Doppelqualifizierung ist auch deswegen abzulehnen. Maßnahmen des Verwaltungsträgers innerhalb seiner öffentlichrechtlichen Kompetenzen sind ausschließlich öffentlichrechtlich zu beurteilen, wenn nicht ausdrücklich die Privatrechtsform gewählt wurde. e) Zusammenfassung Die entsprechende Anwendung des zivilrechtlichen Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag soll in Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht nach überwiegender Auffassung möglich sein. Privatrechtliche und öffentlichrechtliche Geschäftsführung werden nach der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie abgegrenzt. Als Bezugspunkt für die Qualifikation ist das tatsächlich vorgenommene Geschäft des Geschäftsführers, nicht das hypothetische Geschäft bei Vornahme durch den Geschäftsherrn maßgeblich. Grundsätzlich kann sowohl zwischen Verwaltungsträgern untereinander als auch im Verhältnis der Verwaltungsträger zu Privatrechtssubjekten sowohl eine öffentlichrechtliche als auch eine privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen. Bei ausschließlicher Beteiligung von Privatrechtssubjekten kommt eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag aber nicht in Betracht. Eine Geschäftsführungshandlung kann immer nur entweder dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zugeordnet werden. Eine Doppelqualifizierung, wie sie von der Rechtsprechung für Maßnahmen der Verwaltungsträger innerhalb einer ihrer öffentlichrechtlichen Kompetenzen für ein Privatrechtssubjekt angenommen wird, ist mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur abzulehnen. Mit der Qualifizierung einer Geschäftsführungshandlung ist noch keine Aussage über ihre Zulässigkeit oder ihre Rechtsfolgen verbunden. 2. Fallgruppen anhand typischer Anwendungsfälle in der Rechtsprechung Die bislang zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht erschienenen Untersuchungen nehmen nach der Darstellung der vier übergeordneten Fallgruppen keine Untergliederung in Untergruppen mehr vor, sondern ordnen die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle Rechtsgebieten wie dem Sozialrecht oder
169
Zur Aufrechnungsproblematik: BFH, Urteil vom 31. 05. 2005 – VII R 56/04 –, juris Rn. 12 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 15. 07. 2015 – 12 W 1374/15 –, juris Rn. 24 ff.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 29. 07. 2008 – 3 E 270/08 –, juris Rn. 25 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 288 f.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 478; a.A. VGH Kassel, Beschluss vom 28. 01. 1994 – 3 TG 2026/93 –, juris Rn. 21 ff.
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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dem Strafprozessrecht zu oder verzichten selbst hierauf170. Ist der Zweck einer Untersuchung jedoch die vollständige Erfassung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, so darf weder eine Verengung der Sichtweise auf bisher von der Rechtsprechung ausdrücklich mit Verweis auf die §§ 677 ff. BGB entschiedenen Fälle noch auf einzelne Rechtsgebiete erfolgen. Die Fallbeispiele beschränken sich deshalb auch nicht auf Fälle, in denen tatsächlich nach Ansicht des erkennenden Gerichts eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht vorlag, sondern umfassen auch Fälle, in denen eine solche abgelehnt wurde oder nach den von der Rechtsprechungspraxis entwickelten Kriterien hätte angenommen werden müssen. Allen hier aufgeführten Entscheidungen ist gemein, dass die Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht grundsätzlich anerkannt wird, auch wenn ihre Voraussetzungen nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht in jeder zitierten Entscheidung vorlagen. a) Fallgruppe 1: Geschäftsführung eines Verwaltungsträgers für einen Verwaltungsträger Stützmauerfall des OVG Münster171 Der Träger der Straßenbaulast einer Straße führte Instandhaltungsmaßnahmen an einer an die Straße angrenzenden, sanierungsbedürftigen Ufermauer eines Baches durch, die gleichzeitig auch Stützmauer dieser Straße ist und deshalb der Sanierungspflicht des Straßenbaulastpflichtigen unterliegt. Er verlangte Aufwendungsersatz vom ebenfalls sanierungspflichtigen, gewässerunterhaltspflichtigen Verwaltungsträger. Das OVG Münster entschied in seinem Urteil vom 23. 10. 1975, dass ein auch-fremdes Geschäft im Rahmen echter Doppelzuständigkeit vorläge und dass der Gewässerunterhaltspflichtige „in Anwendung des in § 426 I S. 1 BGB enthaltenen, auch für die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag maßgeblichen Rechtsgedankens“ zum Ersatz von 50 % der aufgewendeten Kosten zu verurteilen sei172.
Ölverunreinigungsfall des OVG Münster173 Beseitigt eine Gemeinde als untere Wasserbehörde entsprechend ihrer Pflicht zur Gefahrenabwehr eine Ölverunreinigung auf dem anliegenden Rhein, zu deren Beseitigung auch die Bundesrepublik Deutschland nach § 1 I Nr. 2 BinSchAufgG verpflichtet gewesen wäre, die sich diesbezüglich aber rechtswidrig geweigert hatte, so führte die Gemeinde nach Auffassung des OVG Münster ein auch-fremdes Geschäft, bei dem der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten sei. Das Gericht beurteilte die Pflicht der Bundesrepublik als 170 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 161 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 34 ff.; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 24; Habermehl, JURA 1987, 199 (200). 171 OVG Münster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956 f. 172 Zu Aufwendungen der Polizei beim Löschen eines brennenden Papierkorbes der Gemeinde, OVG Münster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/84, NJW 1986, 2526 ff. 173 OVG Münster, Urteil vom 12. 09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris; ähnlich BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris; a.A. zu diesem Problem aber noch OVG Münster, Urteil vom 26. 03. 1985 – 20 A 2724/83 –, juris.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute vorrangig und die Pflicht der Gemeinde nur als subsidiär. In seinem Urteil vom 12. 09. 2013 wurde der Gemeinde deshalb voller Aufwendungsersatz gewährt, wobei es sich hier um eine Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr gegen den erklärten, aber gemäß § 679 BGB wegen eines Eilfalles unbeachtlichen Willen der Beklagten handle174.
Beleuchtungsanlagenfall des VGH München175 Fehlt dem Verwaltungsträger als Geschäftsführer das Bewusstsein oder der Wille, ein fremdes Geschäft als zumindest auch-fremdes Geschäft für einen anderen Verwaltungsträger zu führen, so sei ihm ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zu versagen. Der VGH München entschied dies in seinem Urteil vom 14. 07. 1970 für den Fall, dass eine Gemeinde nach Aufforderung durch das Landratsamt in der irrigen Annahme einer eigenen Verpflichtung für die ordnungsgemäße Beleuchtung eines Fußgängerüberweges über eine Bundesstraße sorgte und von der diesbezüglich straßenbaulastpflichtigen Bundesrepublik Deutschland Aufwendungsersatz verlangte; ein Anspruch aus dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch bestehe aber176.
Asylbewerberfall des VGH München177 Eine Gemeinde leistete soziale Betreuung für geduldete Asylbewerber über das gesetzlich Notwendige hinaus ohne den zuständigen Freistaat Bayern zuvor oder während der Vornahme hierüber zu unterrichten im Vertrauen darauf, die Aufwendungen später ersetzt zu erhalten. In seinem Urteil vom 22. 04. 1993 entschied der VGH München, dass wegen dem entgegenstehenden Interesse und Willen des Beklagten kein Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zu leisten sei.
Schulbusfall des OVG Koblenz178 In dem Fall, der dem Urteil des OVG Koblenz vom 13. 12. 2010 zugrunde lag, richtete ein Landkreis für die in seinem Gebiet wohnenden Förderschüler eine Schulbusverbindung zu den im Gebiet eines anderen Landkreises gelegenen Förderschulen ein, nachdem sich jener 174
(168). 175
Zur Geschäftsführung bei subsidiärer Zuständigkeit siehe auch Klein, DVBl 1968, 166
VGH München, Urteil vom 14. 07. 1970 – Nr. 232 VI 68, BayVBl 1971, 67 ff. Zur Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen durch die Bundesbahn auf dem Gebiet der Stadt Hamburg an Straßenüberführungen über Eisenbahnanlagen, OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris; zur Beschulung von Bürgerkriegsflüchtlingen durch eine bayerische Gemeinde, VGH München, Urteil vom 23. 07. 2002 – 7 B 01.2384 –, juris; zur Leistung von ärztlicher Behandlung durch eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferfürsorge für eine Hinterbliebene anstelle des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung, BSG, Urteil vom 30. 01. 1962 – 2 RU 219/59 –, juris; zu einem Planfeststellungsbeschluss, in dem der Betreiberin eines Wasserwerkes Kostentragung für Entwässerungsanlagen auferlegt wird, BVerwG, Urteil vom 07. 09. 1979 – IV C 58.76 –, juris; zur Erbringung von Beihilfeleistungen durch einen unzuständigen Beihilfeträger, BVerwG, Urteil vom 27. 09. 2007 – 2 C 14/06 –, juris; zur irrtümlichen Erfüllung einer Leistungspflicht nach der Reichsversicherungsordnung durch den Träger der Sozialversicherung anstatt dem Träger der Sozialhilfe, BVerwG, Urteil vom 02. 07. 1969 – V C 88.68 –, juris. 177 VGH München, Urteil vom 22. 04. 1993 – 4 B 92.1327 –, juris; ähnlich VGH München, Urteil vom 29. 05. 1996 – 7 B 94.1063, DÖV 1997, 76 ff. 178 OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris. 176
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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Landkreis trotz bestehender Rechtspflicht hierzu geweigert hatte, die Schülerbeförderung zu organisieren und zu finanzieren. Das OVG Koblenz sprach dem klägerischen Landkreis Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht bei einem auch-fremden Geschäft gegen den beklagten Landkreis mit der Begründung zu, der entgegenstehende Wille des Beklagten sei wegen öffentlicher Interessen gemäß § 679 BGB unbeachtlich und der dem Geschäftsherrn grundsätzlich zustehende Ermessensspielraum sei unschädlich, da er ein Tätigwerden gänzlich abgelehnt hatte. Als zweite Möglichkeit der Unbeachtlichkeit eines dem Geschäftsherrn grundsätzlich zustehenden Ermessensspielraumes nannte das OVG den Fall einer Ermessensreduzierung auf null. Festzuhalten ist, dass das OVG für das Zurücktreten des erklärten entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn keinen Fall der Gefahrenabwehr voraussetzte, denn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ging von der Weigerung der Organisation zur Schülerbeförderung nicht aus.
Schwimmmeisterfall des VGH Mannheim179 Wesentlich restriktiver in Bezug auf Ermessensspielräume des Geschäftsherrn urteilte der VGH Mannheim noch in seinem Urteil vom 07. 06. 1984. Das Gericht versagte einer Gemeinde einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht gegen den beklagten Landkreis für die Aufwendungen, die die Gemeinde auf sich genommen hatte um Schüler während des Schulschwimmunterrichts in dem von ihr betriebenen Hallenbad durch einen Schwimmmeister beaufsichtigen zu lassen. Der erklärte, der Geschäftsführung entgegenstehende Wille des Beklagten sei nicht unbeachtlich, denn § 679 BGB sei wegen des Kompetenz- und Aufgabengefüges im öffentlichen Recht sowie der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Verwaltungsträger nicht ohne weiteres in das öffentliche Recht übertragbar; eine Ausnahme, die allenfalls bei einer akuten Notsituation zu machen sei, käme mangels einer solchen Situation nicht in Betracht.
b) Fallgruppe 2: Geschäftsführung eines Verwaltungsträgers für ein Privatrechtssubjekt Führt ein Verwaltungsträger ein Geschäft für ein Privatrechtssubjekt, so handelt es sich in der Regel um Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder um Verwaltungshandeln, das auch einem Privatrechtssubjekt Vorteile bringt. Da ein Privatrechtssubjekt kein Ermessen im verwaltungsrechtlichen Sinne ausübt, entfällt dies als Kriterium. Auch eine echte Doppelzuständigkeit kann in Fallgruppe 2 nicht vorliegen, denn ein Privatrechtssubjekt ist zur Vornahme einer Handlung oder zur Herbeiführung eines Erfolges entweder verpflichtet oder nicht; außerhalb öffentlichrechtlicher Aufgaben und Befugnisse, wie sie beispielsweise ein Beliehener ausübt, kann ein Privatrechtssubjekt sich nicht auf öffentlichrechtliche Zuständigkeiten stützen. Häufig ist der für ein Privatrechtssubjekt geschäftsführende Verwaltungsträger gleichzeitig auch im Bereich einer eigenen öffentlichrechtlichen Kompetenz tätig.
179
VGH Mannheim, Urteil vom 07. 06. 1984 – 11 S 2127/81, NJW 1985, 2603 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Zementstaubfall des BGH180 Ein von der Beklagten betriebenes Zementwerk war für verkehrsgefährdende Glättebildung aufgrund der Ablagerung von Zementstaub auf einer anliegenden Bundesstraße verantwortlich, weshalb die straßenbaulastpflichtige Klägerin eine Oberflächenschutzschicht auf die Straße aufbrachte, um die vom Zementstaub ausgehenden Gefahren zu verringern. Der BGH versagte der Klägerin in seinem Urteil vom 01. 03. 1974 Aufwendungsersatz aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht mit der Begründung, das Aufbringen der Oberflächenschutzschicht sei ein eigenes Geschäft der Klägerin, denn Veränderungen am Straßenkörper nehme die Straßenbaubehörde in Erfüllung eigener Pflichten wahr. Überdies sei zweifelhaft, ob nicht bereits deshalb ein eigenes Geschäft der Straßenbaubehörde vorliegen müsse, weil die Beklagte die Oberflächenschutzschicht gar nicht hätte aufbringen können. Damit liege ein eigenes Geschäft der Klägerin vor, weshalb der Fremdgeschäftsführungswille nicht vermutet werden könne und in diesem Fall auch nicht aufgrund äußerlich erkennbarer Anhaltspunkte nachweisbar sei, weshalb die Klägerin Aufwendungsersatz nur nach § 906 II BGB verlangen könne.
Bimsgrubenfall des BGH181 Eine von der beklagten Partei betriebene Bimsgrube war für Verschmutzungen einer anliegenden Bundesstraße mit Gestein und Abraum in Folge anhaltender Niederschläge verantwortlich. Das klagende Land, das auch selbst für diese Straße verkehrssicherungspflichtig war, ließ die Verschmutzung beseitigen und verlangte Aufwendungsersatz. Der BGH gewährte der Klägerin in seinem Urteil vom 04. 12. 1975 Aufwendungsersatz aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht mit der Begründung, die Klägerin habe bei der Maßnahme nicht nur innerhalb ihrer eigenen öffentlichrechtlichen Verpflichtung zur Verkehrssicherung gehandelt, sondern gleichzeitig aufgrund der Doppelnatur der Maßnahme zusätzlich ein auch-fremdes, zivilrechtliches Geschäft für die Beklagte geführt, wobei der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten sei und diese Vermutung hier nicht habe widerlegt werden können. Die vom Geschäftsführer verletzte Nebenpflicht der Anzeige der Geschäftsführung nach § 681 S. 1 BGB stehe nicht entgegen und führe allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch.
Rinderfall des BGH182 Dem beklagten Viehhändler entkam eines seiner Rinder. Es durchschwamm den Main, verursachte einen Verkehrsunfall auf einer Bundesautobahn und musste von einem Polizeibeamten erschossen werden, wobei der Polizeibeamte infolge des Abfeuerns seiner Waffe Knalltraumata an den Ohren erlitt und vorübergehend dienstunfähig war. Der BGH versagte dem klagenden Freistaat Bayern in seinem Urteil vom 13. 11. 2003 den Ersatz von Dienstausfallschaden und Heilbehandlungskosten aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht trotz grundsätzlicher Anerkennung der Doppelnatur der Geschäftsführung mit der Begründung, das bayerische Polizeirecht enthalte eine erschöpfende Sonderregelung über die Erhebung von Kosten für polizeiliches Tätigwerden. 180
BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris; kritisch zu dieser Entscheidung, Pesch, JURA 1995, 361 (364); zur Brandbekämpfung einer gemeindlichen Feuerwehr in einem Staatswald, VG Würzburg, Urteil vom 17. 10. 1995 – W 5 K 93.457, BayVBl 1996, 90 f. 181 BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris. 182 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris.
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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Baumfall des VGH Mannheim183 Die klagende Gemeinde verlangte vom beklagten Waldeigentümer Aufwendungsersatz für die Fällung seiner Bäume, die nach Auffassung der Gemeinde nicht mehr standfest und deshalb für angrenzenden öffentlichen Verkehrsraum gefährlich waren. Zuvor hatte die Gemeinde den Beklagten mehrmals zur Entfernung dieser Bäume aufgefordert und nach dessen Weigerung schließlich mitgeteilt, dass aufgrund der großen Gefahr die Gemeinde die Bäume auf Kosten des Beklagten fällen lassen wird, wobei es sich bei dieser Mitteilung nach Ansicht des VGH um keinen vollstreckbaren Verwaltungsakt handelte. Der VGH versagte Aufwendungsersatz nach §§ 677 ff. BGB in seinem Beschluss vom 17. 02. 2004 mit der Begründung, ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht komme nicht in Betracht, weil der Beklagte vor der Fällung durch die Gemeinde zur Beseitigung aufgefordert worden war und somit ein konkretisiertes öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis entstanden war, das einen Rückgriff auf die §§ 677 ff. BGB verbiete. Der Geschäftsführer habe zwar ohne Auftrag aber berechtigt gehandelt184.
Leichenerstversorgungsfall des BGH185 Die Mutter des Beklagten verstarb an einer zunächst nicht aufgeklärten Todesart, woraufhin die Staatsanwaltschaft den Leichnam zur Beweissicherung polizeilich vorläufig beschlagnahmte. Die Erstversorgung des Leichnams, die auch ohne die Beschlagnahme notwendig geworden wäre, erfolgte aufgrund polizeilicher Veranlassung durch ein Bestattungsunternehmen, wofür das klagende Land zunächst aufkam und vom Beklagten anschließend Kostenerstattung verlangte. Der BGH wiederholte in seinem Beschluss vom 26. 11. 2015 die Auffassung, wonach eine öffentlichrechtlich-privatrechtliche Doppelnatur einer Geschäftsführung selbst dann möglich sei, wenn die öffentliche Hand bei dem betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten tätig geworden ist und gewährte einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677 ff. BGB. § 20 II BbgBestG enthalte zwar für die Kostentragung bei einer Bestattung durch die Ordnungsbehörde anstelle des Totenfürsorgeverpflichteten eine abschließende Sonderregelung, hier liege aber eine Maßnahme in einer Leichensache nach § 159 StPO a.F. und keine Ersatzvornahme im Rahmen des § 20 II BbgBestG vor, weshalb die Anwendung der §§ 677 ff. BGB nicht ausgeschlossen sei186.
183
VGH Mannheim, Beschluss vom 17. 02. 2004 – 5 S 1460/03 –, juris. Zur Beseitigung von Vermessungsmängeln durch öffentlich bestellte Vermessungsingenieure ohne Auftrag aber mit Berechtigung, VGH Mannheim, Urteil vom 22. 11. 2001 – 5 S 2580/00, VBlBW 2002, 252 ff., zur Herstellung von Erschließungsanlagen aufgrund eines unwirksamen Vertrages eines Wasserversorgungsverbandes mit Anliegern, VG München, Urteil vom 10. 01. 2012 – M2 K 11.6129, BeckRS 2012, 49721; Zur Verfüllung einer unter Verstoß gegen § 9 FStrG angelegte Kiesgrube, BGH, Urteil vom 15. 10. 1974 – VI ZR 181/73, NJW 1975, 47 ff.; zum Abtransport mit Arsen kontaminierten Kalkschlamms, der pflichtwidrig auf einer städtischen Mülldeponie abgelagert worden war durch die Gemeinde, BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 80/73 –, juris. 185 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris; a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris. 186 § 159 StPO ist in seiner aktuell gültigen Fassung vom 17. 07. 2015 bis auf die amtliche Überschrift wortlautgleich mit der Vorgängernorm § 159 StPO a.F. in seiner Fassung vom 07. 04. 1987, gültig vom 01. 04. 1987 bis 24. 07. 2015. 184
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Rechtsanwaltsfall des BGH187 Die klagende Rechtsanwaltskammer hatte aufgrund einer Häufung von Aufsichtsverfahren gegen den beklagten Rechtsanwalt gemäß § 15 I S. 1 BRAO in Verbindung mit § 14 II Nr. 3 BRAO bestandskräftig angeordnet, dass dieser ein medizinisches Gutachten über seinen Gesundheitszustand durch eine bestimmte, namentlich bezeichnete Gutachterin beizubringen habe, um bestehende Zweifel an seiner Befähigung zur Berufsausübung aus gesundheitlichen Gründen auszuräumen. Als die Gutachterin sich auf Anfrage des Beklagten weigerte, für diesen das Gutachten zu erstellen, beauftragte sie die Klägerin selbst mit der Erstellung des Gutachtens, zahlte hierfür zunächst das Honorar und verlangte es vom Beklagten ersetzt. Der BGH stellte in seinem Beschluss vom 02. 11. 2013 fest, dass die Beauftragung der Gutachterin durch die Rechtsanwaltskammer in § 15 BRAO zwar nicht vorgesehen, aber auch nicht untersagt sei, ein zusätzlicher Eingriff in die Rechte des Beklagten durch die Geschäftsführung nicht erfolge, und der entgegenstehende Wille des Beklagten wegen § 679 BGB unbeachtlich bleibe, weshalb der Aufwendungsersatzanspruch bestehe188.
Fernmeldekabelfall des BVerwG189 Die beklagte Telekom AG war an der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße dergestalt nutzungsberechtigt, dass sie dort unterirdisch verlegte Fernmeldekabel zum Betrieb ihrer Telekommunikationsanlagen nutzen durfte. Als Änderungen der Bundesstraße eine Verlegung der Fernmeldekabel erforderlich machten, forderte der verkehrswegeunterhaltungspflichtige Kläger die Beklagte zur Freilegung der Kabel auf ihre Kosten auf. Als die Beklagte sich im Widerspruch zu ihrer gesetzlichen Pflicht zur Kostentragung gemäß § 53 III TKG a.F. weigerte, die Freilegung zu veranlassen, besorgte der Kläger die Freilegung in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1998 selbst und verlangte Aufwendungsersatz von der Beklagten190. Das BVerwG entschied in seinem Beschluss vom 28. 03. 2003, dass der Kläger keinen Aufwendungsersatz aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht verlangen könne, denn die Regelung des § 53 III TKG a.F., wonach der Nutzungsberechtigte die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken habe, sei abschließend und ließe es nicht zu, dass ein anderer die Arbeiten auf Kosten des Nutzungsberechtigten vornimmt. Der Kläger hätte gerichtlichen Rechtsschutz zur Durchsetzung der Pflicht der Beklagten zur Freilegung der Fernmeldekabel in Anspruch nehmen müssen.
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BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris. Die Anordnung der RAK zur Beibringung oder Vorlage dieses medizinischen Gutachtens ist nicht vollstreckbar; bei Nichtbeachtung kann die Folge des § 15 III S. 1 BRAO eintreten, Feuerich / Vossebürger, § 15 Rn. 7. 189 BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris. 190 § 53 III TKG in der Fassung vom 25. 07. 1996 entspricht dem § 72 III TKG in der Fassung vom 22. 06. 2004, die aktuell gültig ist. 188
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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c) Fallgruppe 3: Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für einen Verwaltungsträger Das bei Geschäftsführung von Privatrechtssubjekten für Verwaltungsträger vorliegende Fallmaterial umfasst einerseits Selbsthilfeaufwendungen Privater bezüglich ihnen zustehender Leistungsansprüche, deren Erfüllung ein Verwaltungsträger rechtswidrig verweigert, Geschäftsführungsmaßnahmen in Not- oder Eilfällen und Abwehrmaßnahmen gegen rechtswidrige hoheitliche Eingriffe. Auch hier muss wegen der Beteiligung von Privatrechtssubjekten eine echte Doppelzuständigkeit ausscheiden. Uferdeckwerkfall des BVerwG191 Der klagende Tanklagerbetrieb ließ am Flussufer, an dem sich sein Tanklager befand, in Abstimmung mit den für die Maßnahme zuständigen Wasserbehörden nach deren Weigerung, die Arbeiten selbst durchzuführen, ein verfallenes Uferdeckwerk neu anlegen, was erforderlich war, um die Sicherheit ihres Betriebes zu gewährleisten, und verlangte Aufwendungsersatz hierfür vom Deichverband und der Bundesrepublik Deutschland. In seinem viel beachteten Urteil vom 06. 09. 1988 definierte das BVerwG den nach wie vor für die Rechtsprechungspraxis gültigen Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag von Privatrechtssubjekten für Verwaltungsträger. Das Gericht erklärt die §§ 677 ff. BGB als prinzipiell anwendbar für Sachverhalte, in denen ein zuständiger Verwaltungsträger aufgrund einer Notlage nicht rechtzeitig handeln kann oder sich weigert, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ein der Geschäftsführung durch den Privaten entgegenstehender Wille des Verwaltungsträgers könne nach § 679 BGB nur unbeachtlich sein, wenn sowohl die Erfüllung der Pflicht als auch ihre Erfüllung durch genau diesen Geschäftsführer im öffentlichen Interesse liege, was anhand der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der sachlichen und zeitlichen Dringlichkeit der Aufgabe, der Sachnähe des Privatrechtssubjekts sowie der Handlungs- und Zugriffsmöglichkeiten sowohl des Privatrechtssubjektes als auch des Verwaltungsträgers zu bestimmen sei. Da behördliches Ermessen grundsätzlich nicht übergangen werden dürfe, sei ein öffentliches Interesse nur anzunehmen, wenn die Behörde nicht handeln wolle. Zu beachten sei auch, dass Instanzenwege einzuhalten seien, wenn dem Privatrechtssubjekt ein im Rechtsweg einklagbarer Anspruch auf das begehrte Verwaltungshandeln zusteht192. Verfügt das Privatrechtssubjekt jedoch nicht über einen Leistungsanspruch, so sei die Geschäftsführung für einen Verwaltungsträger im Rahmen eines auch-fremden Geschäfts möglich193. Auch Darlehenszinsen, die der Geschäftsführer zum Zwecke der Geschäftsführung auf sich nimmt, seien grundsätzlich ersatzfähig im Rahmen der entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB. Liegen diese Voraussetzungen im Einzelfall nicht vor, so käme subsidiär der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch in 191
BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris. Ablehnend gegenüber der Obliegenheit, zunächst Rechtsmittel zu ergreifen wegen der Unsicherheit des Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens und der Möglichkeit zur „Selbsthilfe“, OVG Münster, Urteil vom 21. 12. 1995 – 20 A 5004/94 –, juris Rn. 23. 193 Zu Pflegeleistungen eines Altenheimbetreibers nach Stellung eines Sozialhilfeantrags, OLG Köln, Urteil vom 20. 01. 1994 – 7 U 127/93 –, juris; zur Entfernung von Fräsgut, welches bei Instandhaltungsarbeiten im Auftrag einer Gemeinde auf dem Grundstück eines Privaten abgelegt wurde, VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris. 192
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute Betracht, der jedoch nur Wertersatz für tatsächlich Erspartes und nicht für erfolglose Aufwendungen gewährt.
Einweisungsfall des BGH194 Der klagende Vermieter hatte gegen eine Mieterin ein Räumungsurteil erwirkt und die Vollstreckung eingeleitet. Kurz vor der Räumung wies die beklagte Gemeinde die Mieterin durch Ordnungsverfügung in diese Wohnung ein. Als die Mieterin nach Ende der Einweisungsfrist nicht auszog, lies der Kläger die Wohnung durch den Gerichtsvollzieher räumen und verlangte von der Beklagten Aufwendungsersatz hierfür. Der BGH sprach in seinem Urteil vom 13. 07. 1995 Aufwendungsersatz aufgrund Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG im beantragten Umfang zu, ohne §§ 677 ff. BGB zu erwähnen. Der BGH stellte fest, dass der Schadensbegriff auch Aufwendungen erfasse, die der Geschädigte als notwendig ansehen durfte, und dass die Beklagte nach Ablauf der Einweisungsfrist eine Pflicht zur Freimachung der Wohnung aus ihrer Folgenbeseitigungslast treffe, denn polizeiliches Ermessens diesbezüglich sei auf null reduziert. Zwischen den Parteien sei durch die Einweisung ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis entstanden, das nicht mit Ablauf der Einweisungsfrist ende. Dem Kläger sei der Nachweis des Verschuldens der Behörde gelungen. Zwar wären dem Kläger in diesem Fall erfolgversprechende verwaltungsgerichtliche Maßnahmen zur Räumung der Wohnung offen gestanden, aber wegen des ungewissen Zeitraums bis zur Räumung nach einem solchen Verfahren sei dies für den Kläger unzumutbar und begründe kein Mitverschulden.
Erschließungsfall des BVerwG195 Ein Erschließungsunternehmer begann unter Vorgriff auf einen mit der beklagten Gemeinde noch nicht zustande gekommenen Erschließungsvertrag mit Erschließungsmaßnahmen und verlangt Aufwendungsersatz nachdem ein solcher Vertrag nicht zustande gekommen war. Das BVerwG versagte in seinem Beschluss vom 13. 02. 1992 einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht mit der Begründung, es habe kein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung bestanden, weil es sich bei der Erschließung nur um eine allgemeine gemeindliche Aufgabe und nicht um eine konkretisierte Pflicht der Gemeinde gehandelt habe. Es liege deshalb ein eigenes Geschäft des Geschäftsführers vor, bei dem das Risiko des Aufwendungsersatzes diesen treffe.
Erschließungsfall des VGH Mannheim196 Die beklagte Gemeinde hatte einem Bauvorhaben des Klägers unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass dieser die Erschließungsleitungen auf seine Kosten verlegen lassen müsse. Der Kläger ließ eine 85 Meter lange Kanalisationsleitung, die keinen Hausanschluss darstellt, 194
BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris; ähnlich auch AG Niebüll, Urteil vom 26. 02. 1991 – 10 C 511/90, NVwZ 1991, 917 f. 195 BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris; ähnlich für den Fall eines unwirksamen Vertrages mit dem Erschließungsträger, OLG München, Urteil vom 12. 01. 1984 – 24 U 459/83, NVwZ 1985, 293 f.; zu Baumaßnahmen im Rahmen eines wirksamen Vertrages, aber mit einem Dritten, VG Aachen, Urteil vom 27. 10. 2006 – 9 K 526/03 –, juris; zu Abwasserbeseitigungsmaßnahmen als Teil der Erschließungsaufgaben des Verwaltungsträgers, VGH Mannheim, Urteil vom 27. 02. 1992 – 2 S 1394/90 –, juris. 196 VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843 ff.; ähnlich OVG Münster, Urteil vom 15. 03. 1989 – 3 A 919/86 –, juris; kritisch hierzu Nedden, GoAÖR, S. 145.
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von seinem Grundstück bis zur öffentlichen Kanalisation verlegen. Der VGH gewährte in seinem Urteil vom 21. 09. 1976 Aufwendungsersatz in beantragter Höhe mit der Begründung, eine Geschäftsführung ohne Auftrag bei einem auch-fremden Geschäft käme in Fallgruppe 3 nicht nur zur Gefahrenabwehr in Not- oder Eilfällen in Betracht, sondern auch in Fällen, in denen der Verwaltungsträger zugestimmt oder gegen die ihm bekannte Absicht der Geschäftsführung zumindest keine Einwendungen erhoben hat, wie es hier der Fall war. Da eine allgemeine Aufgabe der Gemeinde aber für eine Fremdgeschäftsführung des Klägers keine ausreichende Grundlage darstelle, entstehe der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers erst, wenn die Gemeinde eine Pflicht zur Erschließung trifft. Wenn der Kläger die Erschließungsanlage nicht selbst angelegt hätte, so träfe die Gemeinde nun aufgrund des Zeitablaufs eine Erschließungspflicht, so dass dies einem Aufwendungsersatzanspruch des Klägers nicht entgegenstehe.
Vollzugshelferfall des AG Bremen197 Der klagende Polizeibeamte und Vollzugshelfer hatte von dem diensthabenden Polizeibeamten, der einen alkoholisierten Tatverdächtigen festgenommen hatte, gefordert, die Blutalkoholkonzentration durch eine Blutentnahme feststellen zu lassen. Erst nachdem der Kläger sich bereit erklärt hatte, die Blutentnahme selbst zu bezahlen, wurde diese vom diensthabenden Polizeibeamten zugelassen mit dem Ergebnis einer erheblichen Alkoholisierung des Festgenommen, was im Strafurteil in der Strafzumessung berücksichtigt wurde. Das AG gewährte in seinem Urteil vom 21. 08. 1985 Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die beklagte Gemeinde mit der Begründung, der entgegenstehende Wille des diensthabenden Polizeibeamten sei aufgrund öffentlichen Interesses an der Untersuchung und einer Ermessensreduzierung auf null unbeachtlich. Eine entsprechende Pflicht des Verwaltungsträgers zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration habe bestanden.
Katzenfall des VG Gießen198 Die klagende Tierärztin behandelte eine an einer Infektionskrankheit schwer erkrankte, aufgefundene und bei ihr abgegebene Katze, schläferte sie aufgrund des nicht mehr therapierbaren Zustandes des Tieres ein und verlangte Aufwendungsersatz von der beklagten Gemeinde, auf deren Gebiet die Katze aufgefunden wurde. Das VG Gießen sprach in seinem Urteil vom 30. 05. 1994 Aufwendungsersatz zu, stellte fest, dass es sich um ein objektiv fremdes Geschäft handle, weil die Behandlung der erkrankten Katze zu den Aufgaben der Beklagten gehörte, der Fremdgeschäftsführungswille deshalb vermutet werde, eine Ermessensreduzierung auf null vorgelegen und dass die Geschäftsführung dem mutmaßlichen Willen des Verwaltungsträgers entsprochen hatte. 197 AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1985, 355 f.; zur Behandlung eines von der Polizei verletzten, nicht krankenversicherten Ausländers durch einen privaten Krankenhausträger, OLG Frankfurt, Urteil vom 02. 03. 1995 – 1 U 23/94 –, juris. 198 VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris; ähnlich: OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris; OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/06 –, juris; VG Gießen, Urteil vom 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI –, juris; VG Gießen, Urteil vom 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01 –, juris; VG München, Urteil vom 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633 –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231 –, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 24. 04. 2013 – 5 K 593/12 –, juris.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Hausanschlussfälle des OVG Münster199 und des OVG Lüneburg200 Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses, dessen Keller durch Rückstau mit Abwässern infolge unsachgerechter Straßenbauarbeiten der beklagten Gemeinde über der in öffentlichrechtlicher Form von ihr betriebenen Kanalisation mehrmals überschwemmt wurde. Das OVG Münster gab dem Aufwendungsersatzverlangen der Klägerin wegen der von ihr veranlassten Reparaturarbeiten an der Anschlussleitung sowie dem öffentlichen Teil der Abwasserleitung in seinem Urteil vom 14. 06. 1995 statt. Die Beklagte sei der Klägerin aufgrund positiver Forderungsverletzung aus dem öffentlichrechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis zum Schadensersatz in Gestalt einer Naturalrestitution verpflichtet gewesen, der Beklagten sei eine Exkulpation nicht gelungen und indem die Klägerin die Reparaturarbeiten selbst vornahm, habe sie ein Geschäft der Beklagten besorgt, dessen Übernahme auch im öffentlichen Interesse lag. Für einen ähnlichen Fall, bei dem innerhalb des öffentlichen Straßenraums Wurzeln die Anschlussleitung des Klägers beschädigten und dieser die Reparatur an dem öffentlichen Teil der Leitung durchführen ließ, urteilte das OVG Lüneburg am 31. 05. 1990, dass die Aufwendungen des Klägers für die Instandsetzung der öffentlichen Leitung aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ersatzfähig seien ohne Ausführungen zum verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis anzustellen. Ein etwaiger entgegen stehender Wille der Behörde sei aufgrund öffentlichen Interesses und besonderer Dringlichkeit unbeachtlich.
d) Fallgruppe 4: Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für ein Privatrechtssubjekt Bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zwischen Privatrechtssubjekten kann es keine echte Doppelzuständigkeit sowie Besonderheiten aufgrund behördlicher Ermessensausübung geben. Anliegerfall des BGH201 Die Klägerin, die einen Baumarkt betreibt, die Beklagte, die ein Autohaus betreibt sowie weitere Gewerbebetriebe verhandelten mit ihrer Gemeinde, welcher Betrieb in welcher Höhe die Errichtungskosten für eine Straßenkreuzung an der an die Betriebe anliegenden Straße zu tragen hat. Nachdem eine Einigung nicht zustande kam, vereinbarte die Klägerin mit einem weiteren Betrieb, die Kreuzung auf eigene Rechnung herzustellen und anschließend Kostenregelungen mit den anderen Anliegern zu treffen, was nach Durchführung der Maßnahmen einvernehmlich nicht gelang. Der BGH entschied mit Urteil vom 08. 11. 2001, eine Geschäftsführung ohne Auftrag käme entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in Betracht, da es sich um ein auch-fremdes Geschäft handle202. Aufwendungsersatz 199
OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris. OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris. 201 BGH, Urteil vom 08. 11. 2001 – III ZR 294/00 –, juris. 202 Zum Aufwendungsersatzanspruch aufgrund Erschließungsmaßnahmen eines Privaten gegen andere Begünstigte dieser Maßnahmen nach Abschluss eines Erschließungsvertrages mit der Gemeinde, BGH, Urteil vom 08. 11. 1973 – VII ZR 246/72 –, juris; zur Herstellung der bauordnungsrechtlich erforderlichen Stellplätze für andere baubelastete Grundstückseigentümer, BGH, Urteil vom 16. 11. 2007 – V ZR 208/06 –, juris. 200
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sei entsprechend der Anteile der Beklagten an den aus der Erschließung objektiv folgenden Vorteile zu gewähren.
Bestattungsfall des BGH203 Der klagende Bestattungsunternehmer verlangte von der Beklagten die Kosten für die Beisetzung ihres Ehemanns, nachdem die Beklagte sich geweigert hatte, die Kosten hierfür zu übernehmen. Der BGH gewährte Aufwendungsersatz in beantragter Höhe mit der Begründung, der Kläger habe ein objektiv fremdes Geschäft für die Totenfürsorgeberechtigte geführt, die nur subsidiäre Zuständigkeit der Gemeinde für die Bestattung ändere hieran nichts. Der Fremdgeschäftsführungswille werde aufgrund der Fremdheit des Geschäfts vermutet, der entgegenstehende Wille der Geschäftsherrin sei wegen § 679 BGB unbeachtlich und aufgrund der Leistung des Klägers innerhalb seines beruflichen Leistungsspektrums sei auch die Arbeitsleistung selbst ersatzfähig.
Ölverschmutzungsfall des BGH204 Die Beklagte betrieb eine Tankstelle, bei der Betriebsstoffabfälle anfielen. Nachdem das Pachtverhältnis endete, veräußerte der Verpächter das Grundstück an die Kläger, die bei Umbaumaßnahmen feststellten, dass das Erdreich mit Öl verunreinigt war. Die Wasserbehörde erließ hierauf Ordnungsverfügungen gegen die Kläger, die diese ausführten und von der Beklagten Kostenerstattung verlangten. Der BGH lehnte in seinem Urteil vom 18. 09. 1986 einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677 ff. BGB ab, weil der zivilrechtliche Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Beseitigung der Verunreinigung gemäß § 1004 BGB bereits verjährt war. Es sei zwar naheliegend, dass die Beklagte aufgrund ihrer Eigenschaft als Verhaltensstörerin ebenfalls polizeirechtlich zur Beseitigung der Verunreinigung verpflichtet wäre, letztlich aber irrelevant, weil die besondere Regelung des BGB zur Verjährung hierdurch nicht unterlaufen werden dürfe205.
Schlepperfall des BGH206 Die Klägerin ist die Haftpflichtversicherung ihres Versicherungsnehmers, der eine Werkstatt für Landmaschinen betreibt. Die Beklagte ist Eigentümerin und Halterin eines Schleppers, der in diese Werkstatt zur Reparatur verbracht wurde. Als bei einer Probefahrt des Versicherungsnehmers mit dem Schlepper der Beklagten Öl austrat und von der ge203
BGH, Urteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 53/11 –, juris. BGH, Urteil vom 18. 09. 1986 – III ZR 227/84 –, juris. 205 Zum bei der alten Rechtslage berechtigten Einwand, die von der Behörde durch Heranziehung nur des Grundstückseigentümers lediglich als Zustandsstörers geschaffene Haftungslage sei mit einem gesunden Rechtsempfinden kaum zu vereinbaren und dem Vorwurf an den Gesetzgeber, keine Normen zu einem gerechten Lastenausgleich zwischen Zustands- und Verhaltensstörer bereit zu stellen, Raeschke-Kessler, DVBl 1992, 683 (689 f.); für diesen Fall eine partielle Finanzierung der Altlastensanierung aus Steuermitteln befürwortend, Schwerdtner, NVwZ 1992, 141 (143); Raeschke-Kessler, NJW 1993, 2275 (2281 f.) hielt seine Kritik auch für die Rechtslage nach dem Entwurf des BBodSchG mit dem Vorwurf der zu kurzen Verjährung des Ausgleichsanspruches aufrecht; die Verjährung des mittlerweile spezialgesetzlich geregelten Ausgleichsanspruches ist in § 24 II BBodSchG n.F. auch für Altfälle befriedigend normiert, OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. 12. 2014 – 8 U 83/12 –, juris, während das Problem des Insolvenzrisikos des Ausgleichsschuldners fortbesteht. 206 BGH, Urteil vom 10. 07. 2014 – III ZR 441/13 –, juris. 204
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute meindlichen Feuerwehr beseitigt werden musste, erließ die Gemeinde einen Gebührenbescheid gegen den Versicherungsnehmer, den die Klägerin bezahlte und von der Beklagten Ersatz forderte. Der BGH gewährte den Aufwendungsersatz mit Urteil vom 10. 07. 2014, lehnte aber Ansprüche aus §§ 677 ff. BGB mit der Begründung ab, die Klägerin habe nur ein Geschäft ihres Versicherungsnehmers und nicht der Beklagten geführt, da der Gebührenbescheid nur gegenüber dem Versicherungsnehmer erlassen war207. Das Gericht lehnte auch einen allgemeinen Ausgleichsanspruch zwischen Störern aus § 426 BGB analog ab, denn ein Rechtsgrundsatz, wonach ein Ausgleich zwischen mehreren Störern im Sinne des Ordnungsrecht stattzufinden habe, sei dem öffentlichen Recht fremd.
e) Ergebnisse Eine erste Analyse der angeführten Entscheidungen offenbart die uneinheitlichen Anforderungen, die die Gerichte für das Vorliegen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht voraussetzen. In Fallgruppe 1 zeigt sich die Rechtsprechung mit der Gewährung von Aufwendungsersatz aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht restriktiv. Beim auch-fremden Geschäft wird für die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruches vorausgesetzt, dass der Geschäftsherr vorrangig oder für einen hälftigen Anspruch zumindest auf gleicher Stufe wie der Geschäftsführer für die Geschäftsführung zuständig war. Die Rechtsprechung verlangt Fremdgeschäftsführungswillen, greift aber meistens auf eine Vermutung diesbezüglich zurück. Bei den Anforderungen für die Unbeachtlichkeit des tatsächlichen Willens des Geschäftsherrn besteht keine Einigkeit in der Rechtsprechung. Manche Gerichte lassen bereits das Vorliegen allgemeiner öffentlicher Interessen ausreichen, während andere eine akute Notsituation voraussetzen. Ungleich extensiver ist die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2. Die Prämisse, ein Verwaltungsträger könne bei einer Maßnahme auch dann ein privatrechtliches Geschäft für ein Privatrechtssubjekt führen, wenn er hauptsächlich zur Erfüllung eigener öffentlichrechtlicher Aufgaben tätig geworden ist, erscheint fragwürdig, wird jedoch in ständiger Rechtsprechung vertreten. Einschränkungen sind insoweit anerkannt, als abschließende Sonderregelungen für den Kostenersatz im betroffenen Rechtsgebiet entgegenstehen, und werden diskutiert für Fälle, in denen die geschäftsführende Behörde zuvor ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zum Privatrechtssubjekt begründet hat, wobei die Anforderungen hierfür unklar und erkennbar einzelfallgeprägt bleiben. Es erscheint jedoch bemerkenswert, wie flexibel der BGH bei der Feststellung des abschließenden Charakters von Kostenersatz regelnden Vorschriften sein kann. Im Rechtsanwaltsfall des BGH wird 207 Zur Bohrung von Kontrollbrunnen durch Betreiber einer Mülldeponie aufgrund Ordnungsverfügung wegen Verkippung von potentiellen Gefahrstoffen durch einen Dritten, BGH, Urteil vom 11. 06. 1981 – III ZR 39/80 –, juris; Raeschke-Kessler, DVBl 1992, 683 (689); zur Beseitigung einer unmittelbaren Einsturzgefahr, die von einer gemeinsamen Giebelmauer ausgeht und dem Straßenverkehr droht durch einen von mehreren Eigentümern benachbarter Grundstücke, BGH, Urteil vom 15. 12. 1954 – II ZR 277/53 –, juris.
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so eine faktische Vollstreckbarkeit der Anordnung der RAK zur Beibringung des Gutachtens erreicht. In Fallgruppe 3 zeigt die Rechtsprechung ein noch uneinheitlicheres Bild. Einigkeit besteht dahingehend, dass ein Privatrechtssubjekt nur bei besonderer zeitlicher und sachlicher Dringlichkeit in die Kompetenzen eines Verwaltungsträgers eingreifen und eine konkrete Pflicht erfüllen dürfe, ein Ermessensspielraum der Behörde nur dann ignoriert werden könne, wenn die zuständige Behörde nicht handeln kann, sich weigert oder ein Ermessen ohnehin auf null reduziert war und eine Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zumutbar war. Beachtlich erscheint, dass im Erschließungsfall des BVerwG der Fremdgeschäftsführungswille trotz Vorliegen eines auch-fremden Geschäfts nicht vermutet wurde, im Erschließungsfall des VGH Mannheim zur Zeit der Geschäftsführung keine konkrete Pflicht des Geschäftsherrn zur Erschließung erforderlich war, sondern deren nachträgliche Entstehung als ausreichend angesehen wurde und im Katzenfall des VG Gießen eine solche Pflicht gar nicht vorausgesetzt wurde208. Von besonderer Bedeutung für die weitere Untersuchung erscheint der Hausanschlussfall des OVG Münster, bei dem das Privatrechtssubjekt die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht gleichsam zur Erfüllung eigener Schadensersatzansprüche im öffentlichrechtlichen Schuldverhältnis durchgeführt haben soll. In Fallgruppe 4 sind insbesondere die Fälle für die weitere Untersuchung interessant, die einen Bezug zum Störerausgleich aufweisen. 3. Geschichte der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht Die historische Formung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ist aufgrund ihrer Entstehung im Richterrecht längst nicht nur von rechtshistorischem Interesse, sondern beeinflusst bis in die Gegenwart den Anwendungsbereich, Tatbestand und die Rechtsfolgen des Rechtsinstituts. Die folgende Darstellung zeigt deshalb die maßgeblichen Entwicklungsschritte auf, die für die Rechtspraxis der Gegenwart von Bedeutung sind. a) Vorkonstitutionelle Bedeutung Die Konkretisierung und Präzisierung der bis dahin aus dem römischen Recht übernommenen und als unzulänglich betrachteten „Negotiorum Gestio“ in den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag mit Wirkung zum 01. 01. 1900 war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gefordert worden209. Für die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht brachte die Normierung im 208
Menger, VerwArch 1978, 397 (401). Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 6; HKK / Jansen, § § 677 – 687 I Rn. 85; Ruhstrat, AcP 1849, 173 (174); Wächter, AcP 1837, 337 ff. 209
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
BGB einen Antagonismus hervor. Einerseits wollte die erste Kommission die Anwendung der 677 ff. BGB auf die Tätigkeit der öffentlichen Hand gerade ausschließen, weil ein Beamter nicht unter Umgehung öffentlichrechtlicher Vorschriften als Geschäftsführer eines privatrechtlichen Verhältnisses gebunden werden dürfe210. Andererseits wurde die „Negotiorum Gestio“ aber schon seit der Zeit der Koalitionskriege auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht in ständiger Rechtspraxis angewendet211. So hatte das OAG Jena in seinem Bescheid vom 20. 02. 1844 über die Klage eines normalerweise mit der Einziehung von Abgaben beauftragten Beamten zu entscheiden, der Aufwendungsersatz in Höhe von 279 Gulden verlangte, weil er in den Jahren 1809, 1813 und 1814 Heu, Stroh und sonstige Güter an fremdes Militär als Requisitionsleistungen aus eigenen Mitteln für seine Gemeinde erbracht hatte212. Auch das Reichsgericht hatte die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag in ständiger Rechtsprechung auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht übertragen213. Die zeitgenössische Literatur nahm dies unkritisch hin214. Die ordentliche Gerichtsbarkeit sah sich sogar dann zur Entscheidung berufen, wenn der streitgegenständliche Anspruch aus dem öffentlichen Recht stammte und bei der Entscheidung Fragen des öffentlichen Rechts entschieden werden mussten215. Dieser Kompetenzübergriff soll dazu gedient haben, trotz fehlender Verwaltungsgerichte Rechtsschutz in Sachverhalten des öffentlichen Rechts zu gewährleisten216. Die Rechtsprechung folgte bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts aber ohnehin der Fiskustheorie, nach der der Staat in vermögensrechtlicher Hinsicht als Privatrechtssubjekt zu behandeln sei, was dazu führte, dass der Zivilrechtsweg für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Verwaltungsträger eröffnet und zivilrecht210
Mugdan II, 478 f. Thole, NJW 2010, 1243. 212 OAG Jena, Bescheid vom 20. 02. 1844, ThürBl. 1866, 390 ff.; zur Vornahme eines Kirchenneubaus durch eine Gemeinde für den baupflichtigen Dezimator, BayObGH, Urteil vom 17. 05. 1873, BayObGHZ, 1874, 490 ff.; zur Beheizung einer Schule durch eine Gemeinde für den Staat, BayObGH, Urteil vom 23. 05. 1872, BayObGHZ, 1873, 295 ff. 213 Zur Anlage eines Deichkatasters durch den Fiskus für einen Deichverband, RG, Urteil vom 19. 12. 1889 – Rep. IV. 254/89, RGZ 25, 271; zur Armenunterstützung, die eine Ortskrankenkasse anstatt des eigentlich zuständigen Armenverbandes erbracht hat, RG, Beschluss vom 27. 04. 1898 – Rep. VI. 186/97, RGZ 41, 267 ff.; zur Fürsorgeerziehung Minderjähriger durch eine Gemeinde für einen Provinzialverband, RG, Urteil vom 30. 01. 1911 – Rep. VI. 591/ 09, RGZ 25, 276 ff.; zur Erneuerung eines Kirchengebäudes durch einen nicht Kirchenbaulastpflichtigen, RG, Urteil vom 14. 03. 1921 – VI 484/20, RGZ 102, 9 ff.; zur Schaffung einer Sanitätseinrichtung durch eine Gemeinde für den preußischen Fiskus, dem aber Ermessen bei der Wahl der Mittel zugestanden hätte, RG, Urteil vom 10. 01. 1910 – VI. 44/09, JW 1910, 186 f.; zur Behandlung geschlechtskranker Frauen auf Anweisung einer gemeindlichen Polizeibehörde für eine Ortskrankenkasse, RG, Urteil vom 11. 02. 1918 – Rep. VI. 429/17, RGZ 42, 197 ff.; OLG Hamburg, Urteil vom 29. 07. 1907, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Band 18, 23 f. 214 Jaschkowitz, JW 1928, 1024 f.; TNW-BGB I, S. 612; Wolf, BGB, S. 164. 215 RG, Beschluss vom 27. 04. 1898 – Rep. VI. 186/97, RGZ 41, 267 (272). 216 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 40. 211
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liche Anspruchsgrundlagen unmittelbar anzuwenden waren, selbst wenn der zugrunde liegende Anspruch oder die Pflicht aus dem öffentlichen Recht stammten217. Exemplarisch herangezogene Entscheidungen lassen bereits deutlich die auch heute noch geltende Struktur des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht erkennen. Fürsorgefall des RG218 In seinem Urteil vom 19. 03. 1934 hatte das Reichsgericht darüber zu entscheiden, ob der klagende Provinzialverband Ersatz für Verpflegungsaufwand, der ihm aufgrund der Unterbringung eines gemeingefährlichen Geisteskranken in einer Heilanstalt entstanden war vom beklagten preußischen Staat aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen konnte. Das RG führte aus, dass die Unterbringung des Geisteskranken sowohl aufgrund des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit als auch zur Behandlung der Krankheit im Individualinteresse des Untergebrachten erfolgt sei. Damit seien grundsätzlich sowohl der Provinzialverband als Träger der Armenpflege als auch der preußische Staat aufgrund des sicherheitspolizeilichen Interesses an der Unterbringung für die Wahrnehmung der Aufgabe verantwortlich. Das RG sieht die Zuständigkeit des Beklagten jedoch nur als subsidiär an, weshalb dem Kläger ein Aufwendungsersatzanspruch versagt wurde. Das RG differenzierte mithin bereits bei Doppelzuständigkeit mehrerer Verwaltungsträger in Fallgruppe 1 wie im Ölverunreinigungsfall des OVG Münster und ließ einen Aufwendungsersatzanspruch nicht zu, wenn die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn nur subsidiär war219. Bestand aber eine echte Doppelzuständigkeit wie 1905 bei der Einrichtung einer Cholerastation in Stettin, die sowohl ortspolizeilichen als auch landespolizeilichen Interessen diente, teilte bereits das RG die Kostenlast auf und gewährte anteilig Aufwendungsersatz ohne aber § 426 BGB anzuwenden wie im Stützmauerfall des OVG Münster220.
Felsentempelfall des RG221 Die Reichsbahn hatte einen überhängenden Felsenvorsprung mit Tempel, der auf dem Grundstück eines Barons lag und einen unterhalb verlaufenden Bahndamm durch Steinschlag bedrohte, 1931 abtragen lassen. Der Baron verlangte Schadensersatz für die Vernichtung des Tempels von der Reichsbahn, die ihrerseits Aufwendungsersatz verlangte. Das RG diskutierte das Vorliegen eines auch-fremden Geschäfts, bejahte den Fremdgeschäftsführungswillen der Reichsbahn, weil sie den Baron erfolglos aufgefordert hatte, den Felsvorsprung selbst abzutragen und angekündigt hatte, die Maßnahme auf Kosten des 217 RG, Urteil vom 19. 12. 1889 – Rep. IV. 254/89, RGZ 25, 271 ff.; RG, Urteil vom 23. 09. 1924 – VII 756/23, RGZ 108, 391 ff.; RG, Urteil vom 23. 05. 1906 – Rep. VI. 369/05, RGZ 64, 1 (2); RG, Urteil vom 02. 10. 1911 – VI. 519/10, JW 1911, 992 ff.; RG, Urteil vom 26. 04. 1913 – Rep. VI. 572/12, RGZ 82, 206 ff.; BayObGH, Urteil vom 23. 05. 1872, BayObGHZ, 1873, 295 (296); Abkehr mit BVerwG, Urteil vom 09. 12. 1955 – II C 37.53 -, juris; FS-Rittner / Bullinger, S. 75; Hamann, NJW 1955, 481 (482); Nedden, GoAÖR, S. 23; Tiedau, DÖV 1952, 164 (166). 218 RG, Urteil vom 19. 03. 1934 – IV. 385/33, RGZ 144, 173 (175 f.). 219 Zu Ruhegehaltszahlungen einer Gemeinde für eine pensionierte Lehrkraft anstatt der Landesschulkasse, RG, Urteil vom 29. 03. 1926 – IV 301/25, RGZ 113, 178 ff. 220 RG, Urteil vom 15. 06. 1911 – Rep. VI. 312/10, RGZ 27, 193 ff.; zu Pockenschutzimpfungen im Auftrag eines Kreises für den preußischen Fiskus, RG, Urteil vom 02. 10. 1911 – VI. 519/10, JW 1911, 992 ff. 221 RG, Urteil vom 13. 11. 1935 – V 99/35, RGZ 149, 205 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute Barons selbst durchzuführen. Der entgegenstehende Wille des Barons sei aufgrund von § 679 BGB unbeachtlich, denn das Gemeinwohl hätte die Beseitigung des Felsvorsprungs verlangt. Dieses aufschlussreiche Urteil des RG vom 13. 11. 1935 zeigt die Eigenheiten der direkten Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 und offenbart die Veränderungen in der Rechtsprechungspraxis seitdem, insbesondere die Abkehr vom Erfordernis des konkreten Nachweises eines Fremdgeschäftsführungswillens zu Gunsten der weitgehenden Vermutung desselben. Dies gilt selbst in Fällen, in denen der Verwaltungsträger hauptsächlich zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten tätig wird222. Damit lässt sich feststellen, dass der BGH im Leichenerstversorgungs- und im Rechtsanwaltsfall an Grundsätze angeknüpft hat, die bereits in vorkonstitutioneller Zeit anerkannt waren. Diskrepanzen ergeben sich gleichwohl bei der Bewertung der der Maßnahme vorangegangenen Aufforderung zur Gefahrbeseitigung durch den Verwaltungsträger, was noch Gegenstand weiterer Untersuchung sein wird.
Arztfall des OLG Celle223 Der klagende Arzt hatte mehreren im Bezirk des beklagten Ortsarmenverbandes ansässigen Hilfsbedürftigen in dringenden Fällen ärztliche Leistungen erbracht und begehrte Aufwendungsersatz in Gestalt eines angemessenen Honorars aufgrund von Geschäftsführung ohne Auftrag. Das OLG Celle gab der Klage in seinem Urteil vom 10. 11. 1905 statt und stellte fest, dass der Kläger eine öffentlichrechtliche Pflicht des Beklagten gegenüber dem Staat erfüllt hatte. Der nicht konkret in Erscheinung getretene Fremdgeschäftsführungswille des Klägers wurde vom Gericht unterstellt; der in Eilfällen Hilfsbedürftige behandelnde Arzt wolle das Geschäft des Unterhaltspflichtigen führen, denn er hätte selbst keine Pflicht, für Hilfsbedürftige unentgeltlich tätig zu werden. Hier zeigt sich bereits die Tendenz der Gerichte, auf das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens faktisch weitgehend zu verzichten, weil es den aus Billigkeit gebotenen Aufwendungsersatzanspruch ansonsten verhindern würde.
Die Rechtsprechungspraxis des RG, das Bestehen von Pflichten oder Ansprüchen öffentlichrechtlicher Natur gleichsam als Vorfragen eines Aufwendungsersatzanspruchs aufgrund von Geschäftsführung ohne Auftrag durch Zivilgerichte entscheiden zu lassen, war selbst innerhalb des RG umstritten. Der III. und der IV. Senat wollten den Zivilrechtsweg bei Aufwendungsersatzansprüchen einer Ortskrankenkasse gegen einen Armenverband aufgrund von Behandlungsaufwendungen nur zulassen, wenn zuvor eine Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über das Bestehen und die Höhe der Verpflichtung des Armenverbandes zur Leistung ergangen war224. Der VI. Senat setzte sich jedoch im Beschluss der Vereinigten Senate vom 27. 04. 1898 mit seiner Ansicht durch, wonach den Zivilgerichten ein uneingeschränkter Prüfungsumfang zustehe und eine vorherige Verwaltungsent222 Zur Vornahme eines auch-fremden Geschäfts durch den preußischen Fiskus für die Person, die einen Dombrand verursacht hatte durch Reparatur hierbei beschädigter Einrichtungen im Rahmen der Kirchenbaulast des Fiskus, RG, Urteil vom 26. 04. 1913 – Rep. VI. 572/ 12, RGZ 81, 206 (214 f.). 223 OLG Celle, Urteil vom 10. 11. 1905, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Band 12, 272 ff. 224 RG, Beschluss vom 27. 04. 1898 – Rep. VI. 186/97, RGZ 41, 267 ff.
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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scheidung nicht erforderlich sei225. Darin zeigten sich die Bedenken gegen eine Übergehung der Entscheidungsprärogative der Verwaltungsträger durch zivilrichterliche Entscheidung bereits zu Zeiten, in denen die Fiskustheorie noch Anwendung fand. In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte dann eine Entwicklung ein, die erstmals dazu führte, dass Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht mehr vor den Zivilgerichten verhandelt wurde. So versagte das RG im Einklang mit den beiden Vorinstanzen der klagenden Provinz Oberschlesien in seinem Urteil vom 21. 11. 1930 den ordentlichen Rechtsweg für die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches aufgrund der Beschulung und Unterbringung eines Taubstummen mit der Begründung, der Anspruch sei öffentlichrechtlich und die Einkleidung in das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag ändere hieran nichts, was ständiger Rechtsprechung entspreche226. Der Einschätzung Neddens aus dem Jahre 1994, der Versuch des RG in diesem Urteil, Kontinuität der Rechtsprechung bei dieser Frage zu demonstrieren, sei gescheitert, ist zuzustimmen227. Noch in seinen Urteilen vom 23. 09. 1924 und 29. 03. 1926 hatte das RG für eben solche Ansprüche entschieden, dass der Zivilrechtsweg offen stünde, weil die öffentlichrechtliche Rechtsnatur der zugrunde liegenden Ansprüche für die zivilrechtliche Einordnung der diese einkleidenden Geschäftsführung ohne Auftrag unschädlich sei228. Nedden muss aber widersprochen werden, wenn er das Urteil des RG vom 21. 11. 1930 als einmalige Durchbrechung einer ständigen Rechtsprechungspraxis ansieht229. Tatsächlich handelte es sich um eine nachhaltige Abkehr bestimmter öffentlichrechtlicher Aufwendungsersatzansprüche in Gestalt einer Geschäftsführung ohne Auftrag von der Zuweisung an die Zivilgerichte, die das RG in seinen Urteilen vom 13. 07. 1931 und 11. 02. 1936 auch aufrecht erhielt230.
225 RG, Beschluss vom 27. 04. 1898 – Rep. VI. 186/97, RGZ 41, 267 ff.; Tiedau, DÖV 1952, 164 (166). 226 RG, Urteil vom 21. 11. 1930 – VII 85/30, RGZ 130, 268 (270); ohne dies zu problematisieren noch Dertmann, BGB II 2, S. 1084. 227 Nedden, GoAÖR, S. 27 (FN 45); das BVerwG beurteilte die Rechtsprechung des RG hierzu als uneinheitlich, BVerwG, Urteil vom 09. 12. 1955 – II C 37.53 –, juris; ebenso Tiedau, DÖV 1952, 164 ff. 228 RG, Urteil vom 23. 09. 1924 – VII 756/23, RGZ 108, 391 (393 f.); RG, Urteil vom 29. 03. 1926 – IV 301/25, RGZ 113, 178 ff. 229 Nedden, GoAÖR, S. 27. 230 RG, Urteil vom 13. 07. 1931 – IV 491/30, RGZ 133, 244 ff.; zur Doppelnatur einer Geschäftsführungshandlung, RG, Urteil vom 11. 02. 1936 – VII 225/35, RGZ 150, 243 (245 f.).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
b) Entwicklung der eigenständigen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht Die Geschäftsführung ohne Auftrag wurde zwar auch nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst noch unkritisch auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht angewendet, doch setzte sich die Auffassung, nach der in Fallgruppe 1 der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet war, mit der Aufgabe der Fiskustheorie und der Entstehung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit endgültig durch231. Zeitgleich mehrten sich jedoch die Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die eine Anwendung der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht generell ablehnten oder anzweifelten, woraufhin in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals eine umfangreiche Diskussion über Anwendung und Reichweite der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht einsetzte232. In diesen Zeitraum fallen Entscheidungen der Bundesgerichte, die erhebliche Bedeutung für die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 hatten. Zunächst entschied der BGH in seinem Urteil vom 04. 06. 1959, dass der Staat gegen den in Wirklichkeit nicht verschollenen Erzeuger eines unehelichen Kindes keinen Anspruch auf Erstattung seiner Leistungen aufgrund von §§ 677 ff. BGB habe, wenn er dem unehelichen Kind des vermeintlich Kriegsverschollenen deshalb eine Rente gezahlt hat233. Der Gesetzgeber reagierte hierauf und fingierte in Artikel IV § 4 Abs. 2 NOG die gleichzeitige Erfüllung der Unterhaltspflicht des vermeintlich Kriegsverschollenen durch die Gewährung der Rente, so dass ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677 ff. BGB besteht. Das BVerfG stellte die Nichtigkeit dieser Norm aufgrund seiner Rückwirkung mit Beschluss vom 31. 03. 1965 fest und beschrieb die Norm zutreffend als Fiktion des Fremdgeschäftsführungswillens bei Rentengewährung durch die Behörde234. Darüber hinaus erklärte das BVerfG in diesem Beschluss, es sei nicht mehr ernsthaft bestritten, dass die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch im öffentlichen Recht, ohne dort ausdrücklich normiert zu sein, entsprechend gelten235. Bei der Rentengewährung handle es sich aber um ein eigenes Geschäft der Behörde mit der Folge, dass der Fremdgeschäftsführungswille nach außen in Erscheinung treten müsse236. 231 BVerwG, Urteil vom 09. 12. 1955 – II C 37.53 –, juris Rn. 31 f.; BVerfG, Beschluss vom 09. 05. 1961 – 2 BvR 49/60 –, juris; OVG Lüneburg, Teilurteil vom 18. 07. 1962 – III OVG A 67/ 60, OVGE 18, 384 ff.; FS-Rittner / Bullinger, S. 78; Maurer, JZ 1990, 863 (864); Rosenthal, BGB, I. 294; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 22; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 29, 98; a.A. ohne die Rechtswegfrage zu problematisieren noch AG-BGB / Brüggemann, S. 358. 232 OVG Münster, Urteil vom 29. 01. 1954 – VI A 249/53, VerwRspr 1955, 743 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 05. 1962 – I OVG A 137/61, VerwRspr 1963, 799 ff.; Hurst, DVBl 1965, 757 (759); Klein, DVBl 1968, 166 (168); Rietdorf, DÖV 1966, 253 (254). 233 BGH, Urteil vom 04. 06. 1959 – VII ZR 217/58, BGHZ 30, 162 ff. 234 BVerfG, Beschluss vom 31. 03. 1965 – 2 BvL 17/63, BVerfGE 18, 429 ff. 235 BVerfG, Beschluss vom 31. 03. 1965 – 2 BvL 17/63, BVerfGE 18, 429 (436). 236 BVerfG, Beschluss vom 31. 03. 1965 – 2 BvL 17/63, BVerfGE 18, 429 (437).
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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Damit entstand ein Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, der bereits in seinem Urteil vom 20. 06. 1963 entschieden hatte, dass es sich nicht um ein eigenes, sondern um ein auch-fremdes Geschäft handle, wenn ein Verwaltungsträger zwar innerhalb seiner öffentlichrechtlichen Pflichten, aber dem äußeren Anschein der Tätigkeit nach auch im Interesse eines Privatrechtssubjekts tätig geworden ist237. Die Erfüllung einer konkreten Pflicht des Geschäftsherrn verlangte der BGH in seinem Urteil vom 20. 06. 1963 nicht mehr238. Eine Rente, die zum Ersatz für Unterhaltsansprüche als Ausgleichsrente zur Behebung der Bedürftigkeit erbracht wird, erfolge auch im Interesse des Unterhaltspflichtigen, da er ansonsten zur Beseitigung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten verpflichtet gewesen wäre239. Bei einer Rente aufgrund Verschollenheit des Unterhaltsverpflichteten kann aufgrund der fehlenden Todeserklärung von der Behörde nicht davon ausgegangen werden, dass der Verschollene oder vermeintlich Verschollene nicht mehr lebt und deshalb nicht in dessen Interesse gehandelt werden könne. Nach den Maßstäben des BGH wäre auch im Beschluss des BVerfG vom 31. 03. 1965 von einem auch-fremden Geschäft auszugehen gewesen. Bemerkenswert erscheint auch das Urteil des BGH vom 15. 10. 1974. Die klagende Bundesrepublik hatte beim Ausbau einer Fernstraße eine rechtswidrig angelegte Kiesgrube verfallen lassen und verlangte im Zivilrechtsweg Aufwendungsersatz hierfür vom Unternehmer240. Der 6. Senat des BGH stellte fest, dass es sich um ein Vorgehen der Klägerin ausschließlich aufgrund von ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten handelte und die Klägerin in Wahrheit Aufwendungsersatz aus dem Gesichtspunkt öffentlichrechtlicher Ersatzvornahme fordere, weshalb der Streit von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden sei241. Die in dem nahezu zeitgleich vom 7. Senat des BGH entschiedenen Bimsgrubenfall angenommene Doppelnatur des Verwaltungshandelns spricht der 6. Senat nicht an, obwohl hiermit ein Aufwendungsersatzanspruch zu bejahen gewesen wäre. Im Sozialrecht hatte das BSG die Anwendbarkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag bereits mit Urteil vom 20. 12. 1957 bestätigt, wobei dogmatische Fragen bei der Anwendung eines zivilrechtlichen Rechtsinstituts im öffentlichen Recht vom 237
BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris; diese Ansicht wurde aufrecht erhalten im Bimsgrubenfall; kritisch hierzu Maurer, JuS 1970, 561 (563). 238 BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris; BGH, Urteil vom 04. 06. 1959 – VII ZR 217/58, BGHZ 30, 162 (171 f.). 239 BGH, Urteil vom 04. 06. 1959 – VII ZR 217/58, BGHZ 30, 162 (171 f.) weist diese Erkenntnis, zu der der BGH selbst gelangt, mit der nicht begründeten und auch nicht überzeugenden These zurück, es sei nicht wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber die Ausgleichsrente anders behandeln wolle als Renten, die der Verwaltungsträger in ausschließlich eigenem Interesse ohne Bezug zum Unterhaltspflichtigen an den Unterhaltsberechtigten erbringt. 240 BGH, Urteil vom 15. 10. 1974 – VI ZR 181/73, NJW 1975, 47 ff. 241 BGH, Urteil vom 15. 10. 1974 – VI ZR 181/73, NJW 1975, 47 (49); Nedden, GoAÖR, S. 32 f. erkennt die Inkompatibilität der Zivil- mit der Verwaltungsrechtsprechung, schweigt aber dazu, dass selbst innerhalb des BGH die Behandlung der Geschäftsführung im Doppelinteresse umstritten war; zur Charakterisierung als Ersatzvornahme auch Baur, DVBl 1965, 893 (895).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
3. Senat schlicht mit der These beantwortet wurden, die zivilrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag bringe einen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck, der zur Ausfüllung einer Lücke des positiven öffentlichen Rechts herangezogen werden dürfe242. In Reaktion auf die ablehnende Rechtsprechung des OVG Münster relativierte der 2. Senat des BSG diese These im Urteil vom 25. 03. 1962 und gewährte Aufwendungsersatz aufgrund des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs, während der 3. Senat seine Ansicht beibehielt243. In der Folge hielten jedoch auch der 5., der 9. und der 10. Senat des BSG die §§ 677 ff. BGB im Sozialrecht für anwendbar, so dass sich diese Ansicht behauptete244. Genannte Unzulänglichkeiten bei Begründung und Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht sowie Bedenken bezüglich des Konkurrenzverhältnisses veranlassten Wollschläger 1977 zu seiner bedeutenden These, eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht gebe es nicht; sie sei durch den Erstattungsanspruch verdrängt worden245. Das Recht der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen war durch fortlaufende Normierung und richterliche Rechtsfortbildung zu diesem Zeitpunkt bereits zu einem unübersichtlichen und unsystematischen Gemenge von Anspruchsgrundlagen mit ungeklärten Konkurrenzfragen und vielfach hoch umstrittenen Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen herangewachsen246. Im Staatshaftungsgesetz vom 26. 06. 1981, dessen Nichtigkeit das BVerfG mit Urteil vom 19. 10. 1982 aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes aussprach, war die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zwar nicht explizit geregelt, das Gesetz enthielt in § 15 Nr. 1 StHG aber eine Konkurrenzregelung, wonach der Staatshaftungsanspruch nach § 1 ff. StHG neben Ansprüchen aus öffentlichrechtlichen Verträgen und ähnlichen Rechtsverhältnissen wegen desselben Sachverhalts gegen denselben Verwaltungsträger geltend gemacht werden könne247. Auch Ansprüche 242
BSG, Urteil vom 20. 12. 1957 – 3 RK 69/55, NJW 1958, 886 f. BSG, Urteil vom 25. 03. 1962 – 2 RV 219/59, DVBl 1962, 490 (491 f.); so auch schon BSG, Urteil vom 30. 01. 1962 – 2 RU 219/59 –, juris Rn. 22 f.; BSG, Urteil vom 24. 02. 1961 – 11 RV 60/60 –, juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 28. 08. 1961 – 3 RK 65/56 –, juris Rn. 9 ff.; BSG, Urteil vom 28. 02. 1967 – 3 RK 17/65 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 29. 01. 1954 – VI A 249/53, VerwRspr 1955, 743 ff. 244 BSG, Urteil vom 07. 09. 1961 – 5 RKn 11/60 –, juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 12. 02. 1975 – 9 RV 376/74 –, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. 12. 1968 – 10 RV 606/65 –, juris Rn. 22; relativierend, BSG, Urteil vom 11. 09. 1975 – 9 RV 170/74 –, juris Rn. 14. 245 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95; zustimmend besprochen von Haueisen, DVBl 1978, 310; kritisch zur Rechtsprechungspraxis auch Maurer, JuS 1970, 561 (564); die Ansicht Wollschlägers zumindest in Fallgruppe 1 bereits vorwegnehmend Klein, DVBl 1968, 166 (170). 246 SB-StHG / Schäfer, Einl §§ 1 – 13 Rn. 16 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 2 sprechen vom „gewachsenen Chaos des Staatshaftungsrechts“, dem eine systematische Ordnung nicht zugrunde liegt; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 8; GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 3 stellt fest, dass die rechtsästhetische Schmerzgrenze im „System“ des Staatshaftungsrechts längst überschritten sei. 247 Staatshaftungsgesetz vom 26. 06. 1981, BGBl 1981, Teil I, 553 (556); BVerfG, Urteil vom 19. 10. 1982 – 2 BvF 1/81 –, juris; Badura, Staatsrecht, D 67; BGW, Staatshaftungsrecht 243
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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aufgrund einer Gefährdungshaftung gemäß § 15 Nr. 2 StHG, Ansprüche im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Entschädigung gemäß § 15 Nr. 3 StHG sowie der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch gemäß § 15 Nr. 4 StHG sollten neben dem neuen Staatshaftungsanspruch geltend gemacht werden können. § 15 Nr. 1 StHG soll nach herrschender Meinung Fallgruppe 3 betroffen haben, denn die Geschäftsführung ohne Auftrag sei eines dieser Rechtsverhältnisse, während die anderen Fallgruppen nicht zum Regelungsgegenstand des StHG gehört haben sollen248. Das Hauptanliegen des Gesetzgebers bestand beim Staatshaftungsgesetz nicht darin, Geschäftsführungsmaßnahmen von Privatrechtssubjekten im öffentlichrechtlichen Wirkbereich zu regeln, sondern in der Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung für Pflichtverletzungen der Verwaltungsträger in § 1 ff. StHG. Das in zahlreiche unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zersplitterte Staatshaftungsrecht sollte durch Einführung des zentralen Schadensersatzanspruches in § 1 I StHG gestrafft und im Hinblick auf die Rechtsfolgen flexibilisiert werden, indem dem privaten Gläubiger grundsätzlich die Wahl zwischen Geldersatz oder Folgenbeseitigung gewährt werden sollte249. Des Weiteren wurden auch zahlreiche Grundsätze des geltenden Staatshaftungsrechts wie das Primat des Rechtsschutzes gegen die Primärmaßnahme gemäß § 6 StHG oder die ausbleibende Haftung für legislatives Unrecht in § 5 II StHG normiert. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Regelung in § 17 StHG zudem eine klare Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Haftung für Maßnahmen der Verwaltungsträger mit potentieller Doppelnatur mit dem Ergebnis einer weitreichend privatrechtlich zu beurteilenden Haftung der Verwaltungsträger in den klassischen Problemgebieten Daseinsvorsorge, Teilnahme am allgemeinen Verkehr und Verkehrssicherungspflichten250. c) Tendenzen zur Einschränkung des Rechtsinstituts? Nach dem Scheitern des StHG verstärkte sich die Kritik der Literatur an der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht erheblich251. Diese Entwicklung geht einher mit zunehmender Kritik auch an der Rechtsprechung Rn. 2 ff.; Schenke, NJW 1991, 1777 (1778); zu den Nachwirkungen der Entscheidung des BVerfG, Schullan, BayVBl 1990, 360 ff. 248 SB-StHG / Bonk, § 15 Rn. 60 ff. 249 Dem Verwaltungsträger wurde jedoch in § 4 I S. 2 StHG das Recht gewährt, den privaten Schadensersatzgläubiger auf die Folgenbeseitigung zu verweisen, wenn sie dem Geschädigten zuzumuten war. 250 Staatshaftungsgesetz vom 26. 06. 1981, BGBl 1981, Teil I, 553 (556 f.); zur Abgrenzungsproblematik, BGH, Urteil vom 05. 03. 1987 – III ZR 265/85 –, juris Rn. 10 ff. 251 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 ff.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 194; Nedden, GoAÖR, S. 216 ff.; Berger, DÖV 2014, 662 (666); Kischel, VerwArch 1999, S. 391 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (109); Schoch, JURA 1994, 241 (242 ff.); Oldiges, JuS 1989, 616 (620 ff.); von Einem, NWVBl 1992, 384 (388 f.); Scherer, NJW 1989, 2728; Brenner, LKV 1999, 481 (482 ff.); Thole, NJW 2010, 1243 (1245 ff.); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 533 ff.; Durner, JuS 2005, 900 (903 f.); Linke, DVBl 2006, 148 (154 ff.).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag sowie mehrerer Urteile des BGH, die geeignet waren, den Eindruck entstehen zu lassen, die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht stehe insgesamt vor ihrer Abschaffung252. Im Untersuchungsgefangenenfall sah der BGH in der Heilbehandlung eines Häftlings, der in Untersuchungshaft einen erfolglosen Selbstmordversuch begangen hatte und deswegen auf Veranlassung des Trägers der Justizvollzugsanstalt medizinisch versorgt werden musste, kein auch-fremdes Geschäft, sondern ausschließlich eine Pflichterfüllung des Staates, weshalb kein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Häftling aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehe253. Im Rinderfall wandte sich der BGH von der freien Konkurrenz von öffentlichrechtlichem Handeln und Geschäftsführung ohne Auftrag im Polizeirecht ab und ließ einen Aufwendungsersatzanspruch aufgrund abschließender und abweichender Regelung durch das öffentliche Recht nicht mehr zu254. Die vom BVerwG im Fernmeldekabelfall angenommene Sperrwirkung des § 53 III TKG a.F. stellte nicht weniger als einen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung zur Tätigkeit eines Verwaltungsträgers in fremder Aufgabenzuständigkeit dar. Bis zu dieser Entscheidung hatte fremde Aufgabenzuständigkeit einen Aufwendungsersatzanspruch aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht ausgeschlossen. Nunmehr billigte das BVerwG § 53 III TKG a.F. eine Sperrwirkung bezüglich des Aufwendungsersatzanspruches des Straßenbaulastträgers zu, obwohl dieser lediglich die Kostenlast des Unternehmers bezüglich der Baumaßnahmen normiert255. Durch eine Entscheidung des 4. Senats des BGH vom 20. 12. 2006 schien sich die Aufgabe der Fallgruppe 2 in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst zu verfestigen256. Der BGH griff dort für das Feuerwehrrecht die Wertungen des Rinderfalles auf, bei dem eine privatrechtliche Geschäftsführung neben hoheitlichem Tätigwerden nicht möglich gewesen war, und bezeichnete es generell für Maßnahmen der Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten als fraglich, ob eine solche Doppelnatur überhaupt in Betracht käme, denn öffentlichrechtliche Kostenbestimmungen seien in Bezug auf Aufwendungsersatzansprüche regelmäßig abschließend257. Erwartungen dahinge252
Zur Kritik an der zivilrechtlichen GoA: Falk, JuS 2003, 833 (835 f.); HKK / Jansen, §§ 677 – 687 I Rn. 126 ff.; Lorenz, NJW 1996, 883 (884 f.); gegenläufige Entscheidungen: BGH, Urteil vom 12. 12. 1989 – XI ZR 117/89 –, juris; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris; BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris. 253 BGH, Urteil vom 12. 12. 1989 – XI ZR 117/89 –, juris Rn. 12. 254 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 10 ff.; Eichenhofer, LMK 2004, 46; Bamberger / Gehrlein, § 677 Rn. 27; Linke, DVBl 2006, 148 (149); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 533; a.A. noch BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 6 ff., so auch zum öffentlichen Fund- und Kostenrecht, OVG Greifswald, Urteil vom 30. 01. 2013 – 3 L 93/ 09 –, juris Rn. 85. 255 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (101 f.). 256 Thole, NJW 2010, 1243 (1245 ff.). 257 BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris Rn. 13; Franßen / Blatt, NJW 2012, 1032; zuvor bereits BayObLG, Urteil vom 25. 02. 2002 – 1Z RR 331/99 –, juris Rn. 21 ff.; OVG Münster, Urteil vom 16. 02. 2007 – 9 A 4239/04 –, juris Rn. 25 ff.
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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hend, die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht könnte insgesamt oder wenigstens in Fallgruppe 2 aufgegeben werden, erwiesen sich aber als unbegründet. Mit seinem Urteil im Rechtsanwaltsfall setzte der BGH sich 2013 in Widerspruch zum Beschluss des BVerwG im Fernmeldekabelfall aus dem Jahr 2003258. § 15 BRAO unterscheidet sich von § 53 TKG a.F. darin, dass der Rechtsanwalt gesetzlich nicht verpflichtet ist und auch von der RAK nicht verpflichtet werden kann, die Begutachtung seines Gesundheitszustandes durchzuführen oder das Gutachten vorzulegen, während der Nutzungsberechtigte nach § 53 III TKG a.F. gesetzlich verpflichtet ist, die gebotenen Maßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen259. Da § 15 III S. 1 BRAO auch die Rechtsfolgen der Nichtvorlage des Gutachtens lückenlos regelt, nämlich die Vermutung der gesundheitsbedingten Unfähigkeit des Rechtsanwalts zur Berufsausübung mit der Folge des Entzugs der Zulassung, ist die Regelung wie § 53 TKG a.F. für den Kostenersatz als abschließend zu betrachten. Eine Durchsetzung der Anordnung gemäß § 15 I S. 1 BRAO in Gestalt der Beauftragung des Gutachters durch die RAK würde somit nach dem Maßstab des BVerwG aus dem Fernmeldekabelfall keinen Aufwendungsersatzanspruch auslösen, worüber sich der BGH im Rechtsanwaltsfall ohne Diskussion des Problems hinwegsetzte, gleichwohl aber den Beschluss des BVerwG im Fernmeldekabelfall zitierte. Eine unreflektierte Hinnahme dieser beiden höchstrichterlichen Entscheidungen würde die paradoxe Schlussfolgerung aufdrängen, dass eine implizite Ersatzvornahme im Regelungsbereich des § 53 TKG a.F., die zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht des Geschäftsherrn führt, keinen Aufwendungsersatzanspruch begründet, eine Geschäftsführung zur Erfüllung einer reinen Obliegenheit des Geschäftsherrn aber durchaus. Im Leichenerstversorgungsfall relativierte der 3. Senat des BGH schließlich auch sein Urteil im Rinderfall und setzte sich in Widerspruch zum Beschluss des OVG Berlin vom 23. 05. 2014260. Das OVG Berlin hatte dort für einen vergleichbaren Fall entschieden, dass ein Aufwendungsersatzanspruch aus der entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB nicht entstanden sei, denn es liege ein eigenes Geschäft des Verwaltungsträgers vor und Fremdgeschäftsführungswille sei nicht zu erkennen261. Der BGH qualifizierte den Rechtsstreit als privatrechtlich, weil er statt auf die öffentlichrechtliche Bestattungspflicht gemäß § 20 BbgBestG auf die privatrechtliche, allgemeine Totenfürsorgepflicht abstellte, die jedoch keine konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Bestattung auf Kosten des Totenfürsorgeverpflichteten aufstellt. Nachdem es sich um Maßnahmen im Rahmen polizeilicher 258
Siehe Fn. 187; 189. Feuerich / Vossebürger, § 15 Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris Rn. 4 ff. 260 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris; OVG Berlin, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris. 261 OVG Berlin, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris Rn. 2 ff. 259
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Ermittlungen handelte, wäre eigentlich der strafprozessrechtliche Grundsatz, wonach alle Beteiligten eines Strafverfahrens ihre Kosten selbst zu tragen haben, wenn entgegen § 464 I StPO keine Kostenentscheidung ergeht, zu beachten gewesen262. Der BGH umging mit der Anwendung der §§ 677 ff. BGB das eigentlich erforderliche strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren und scheint damit den eingriffsintensiven Bereich der Strafverfolgung mit starker Signalwirkung für das Polizei- und Ordnungsrecht erneut für Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zu öffnen, nachdem er einer Anwendung im Rinderfall mit Verweis auf die abschließende Regelung des Kostenersatzes eigentlich eine Absage erteilt hatte263. d) Ergebnisse Die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht kann als Teil des Rechts der Ersatzleistungen im öffentlichen Recht auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Phasen sehr liberaler Anwendung folgten Einschränkungen, die ihrerseits wiederum relativiert wurden. Trotz zahlreicher Judikate, einem Normierungsversuch und detaillierter literarischer Aufarbeitung der Problematik zeigt sich das Rechtsinstitut heute mit bemerkenswert schwachen Konturen aber zahlreichen umstrittenen Rechtsfragen. Besonders auffällig ist der niedrige und weiter abnehmende Begründungsaufwand, mit dem der BGH seit mehreren Jahren in Fallgruppe 2 operiert. Eine Folge ist das Fehlen klarer Strukturen, was in allen Rechtsprechungsinstanzen zu erheblicher Unsicherheit im Umgang mit dem Rechtsinstitut geführt hat264. So musste das BVerfG in seinem Beschluss vom 30. 06. 2011 ein Urteil des OLG München aufheben, in dem rechtswidriger Weise unter Verstoß gegen das Willkürverbot ein Aufwendungsersatzanspruch in Fallgruppe 2 gewährt worden war265. Die Kritik der Literatur blieb hierauf weitgehend ohne Einfluss. Der BGH reagierte lediglich insofern, als er zwischenzeitlich die kritischen Stimmen wenigstens zitiert266. Insbesondere in seinen jüngsten Entscheidungen fällt aber eine bedenkliche Tendenz zur weiteren dogmatischen Entkleidung des Rechtsinstituts und zu reiner Billigkeitsrechtsprechung auf.
262
SK-StPO VIII / Degener, Vor § 464 Rn. 8; SK-StPO VIII / Degener, § 464 Rn. 10. Vergleiche hierzu LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 25 f. 264 Vergleiche hierzu beispielsweise BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris Rn. 9 und die Vorinstanz OVG Koblenz, Urteil vom 10. 12. 2002 – 6 A 11416/02 –, juris Rn. 19 ff. 265 BVerfG, Beschluss vom 30. 06. 2011 – 1 BvR 367/11 –, juris Rn. 9 ff. 266 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 9. 263
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch I. Verhältnis zu gesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen Der aus der Rechtsprechungspraxis hervorgegangene allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch zur Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen ist wie die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht gesetzlich normiert. Als Teil des richterrechtlich geprägten Rechts der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen sind seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen jedoch erheblich weniger umstritten als die der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht. Er bildet das Verbindungsglied zwischen der zivilrechtlichen Bereicherungshaftung und im öffentlichen Recht spezialgesetzlich geregelten besonderen Erstattungsansprüchen. 1. Abgrenzung zu zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch wird anders als die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht als originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut betrachtet, das sich nicht auf eine analoge Anwendung des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts zurückführen lässt267. Gleichwohl werden die Parallelen zu den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung in Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen nicht geleugnet268. Sowohl den Ansprüchen aus § 812 I 267
BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 10 ff.; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 32 f.; BSG, Urteil vom 30. 01. 1962 – 2 RU 219/59 –, juris Rn. 22 f.; OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 96 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. 09. 2015 – 10 LB 25/14 –, juris Rn. 40; OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 2; OVG Greifswald, Urteil vom 10. 03. 2015 – 2 L 268/11 –, juris Rn. 49; VG Berlin, Urteil vom 12. 03. 2015 – 10 K 232.14 –, juris Rn. 21; VG Stade, Urteil vom 10. 08. 2015 – 4 A 3578/13 –, juris Rn. 30; VGH Mannheim, Urteil vom 07. 06. 1984 – 11 S 2127/81, NJW 1985, 2603 (2605); VGH Mannheim, Urteil vom 30. 08. 1988 – 4 S 1934/86, NVwZ-RR 1989, 450; a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 15. 01. 2015 – 9 K 4006/13 –, juris Rn. 47; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 21 ff.; Bamberger, JuS 1998, 706 (711); Blas, JA 1989, 514 (517); Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 145; Demel, JuS 1978, 696 (698 f.); Durner, JuS 2005, 900 (903); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 25; Hardt, DÖV 1971, 685 (688); Haueisen, NJW 1954, 977; Haueisen, NJW 1955, 212; Hurst, DVBl 1965, 757 (758); Jacob, LKV 2000, 186 (187); Staudinger 812 ff. / Lorenz, Vor §§ 812 ff, Rn. 73; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 798 f.; Mörtel, BayVBl 1970, 396; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (516); Schoch, JURA 1994, 82 (84); Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 61 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 26; Wallerath, DÖV 1972, 221; Weber, JuS 1970, 169 (171); Weber, Erstattungsanspruch, S. 36 ff.; Weber, JuS 1986, 29 (33); Windthorst, JuS 1996, 894 (895). 268 BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2006 – 2 C 10/05 –, juris Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 07. 10. 2009 – 9 B 24/09 –, juris Rn. 5; BVerwG, Urteil vom 30. 11. 1990 – 7 A 1/90 –, juris
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
BGB wie auch den verschiedenen Erscheinungsformen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches liegt eine rückabzuwickelnde, rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zugrunde269. Beim öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch wird in Abgrenzung zu § 812 I BGB jedoch vorausgesetzt, dass unabhängig von der Art der Vermögensverschiebung, ihrem Grund oder Zweck mindestens ein Verwaltungsträger Anspruchsinhaber oder Anspruchsgegner ist270. Dies hat zur Folge, dass sich für die Fallgruppen 1 bis 3 ein Konkurrenzverhältnis zwischen diesen beiden Rechtsinstituten ergibt, für das Rechtsprechung und Literatur Lösungsansätze angeboten haben. Die Qualifizierung der Rechtsnatur eines Erstattungsanspruchs als öffentlichrechtlich oder zivilrechtlich entscheidet nicht nur über den einzuschlagenden Rechtsweg, sondern auch über die Anwendung spezifisch öffentlichrechtlicher Modifikationen, die im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs auf der Rechtsfolgenseite diskutiert werden. Eine dieser Lösungen ist die Kehrseitentheorie, nach der die Rechtsnatur des Erstattungsanspruchs die Rechtsnatur der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung teilen soll271. Die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung ihrerseits wird anhand des ihr zugrunde liegenden, später entfallenen Rechtsgrundes qualifiziert und beim Fehlen eines solchen von Anfang an anhand des vermeintlichen Rechtsgrundes272. Liefert diese Theorie im Zwei-Personen-Verhältnis noch überwiegend verwertbare Ergebnisse, so muss sie versagen, wenn einer Vermögensverschiebung auch kein vermeintlicher Rechtsgrund zuzuordnen ist, weil es sich um eine fehlgeleitete Leistung außerhalb konkretisierter Rechtsbeziehungen oder um eine Nichtleistung handelt, bei der das
Rn. 18; GVwR III / Enders, § 53 Rn. 40; Staudinger 812 ff. / Lorenz, Vor §§ 812 ff, Rn. 73; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 73. 269 BVerwG, Beschluss vom 16. 11. 2007 – 9 B 36/07 –, juris Rn. 6 ff.; BVerwG, Urteil vom 18. 01. 2001 – 3 C 7/00 –, juris Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 17. 05. 1972 – V C 43.72 –, juris Rn. 21; VG Köln, Urteil vom 06. 02. 2015 – 4 K 492/14 –, juris Rn. 66; VG Minden, Urteil vom 17. 01. 2013 – 4 K 3074/10 –, juris Rn. 43 f.; VGH Mannheim, Urteil vom 03. 05. 2006 – 9 S 778/ 04 –, juris Rn. 17; VGH Kassel, Urteil vom 29. 02. 1996 – 9 UE 2622/94 –, juris Rn. 35; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 65; Weber, JuS 1986, 29 (34); Windthorst, JuS 1996, 894 (895). 270 BVerwG, Urteil vom 30. 11. 1995 – 7 C 56/93 –, juris Rn. 14; VGH München, Urteil vom 26. 01. 1993 – 12 B 90.2923 –, juris Rn. 20 f.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 25; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 799; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 533 f.; Schoch, JURA 1994, 82 (85). 271 BVerwG, Urteil vom 23. 01. 1990 – 8 C 37/88, JZ 1990, 862; BVerwG, Urteil vom 30. 04. 1992 – 5 C 29/88 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 30. 03. 1978 – VII ZR 244/76 –, juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 18. 12. 1973 – I C 34.72 –, juris Rn. 121; BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1956 – V C 118.55 –, juris Rn. 30; VGH Mannheim, Urteil vom 17. 07. 2003 – 2 S 36/03 –, juris Rn. 37; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 28; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 538 f.; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (517); Schoch, JURA 1994, 82 (87). 272 VG Berlin, Urteil vom 19. 08. 2015 – 7 K 1.15 –, juris Rn. 38; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 31; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (517); Weber, Erstattungsanspruch, S. 36.
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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Fehlen eines Rechtsgrundes gerade charakteristisch ist273. In diesen Fällen gingen BSG und BGH von der Eröffnung des Zivilrechtsweges aus274. Der BFH hingegen bezog auch Dritte als Leistungsempfänger in das öffentlichrechtliche Steuerschuldverhältnis, das den vermeintlichen Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung bildete, ein und das BVerwG wies das Rechtsverhältnis des leistungsgewährenden Verwaltungsträgers zum rechtsgrundlos bereicherten Dritten als „sekundäre Rechtsbeziehung zum Empfänger“ ebenso dem öffentlichen Recht zu275. Wie bereits bei der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht muss sich die Rechtsprechung auch beim öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch dem Vorwurf stellen, bei der Festlegung der Abgrenzungskriterien zum Zivilrecht nicht ausreichend präzise zu sein. Das BVerwG scheint bei der Qualifizierung des anfänglichen oder vermeintlichen Rechtsgrundes im Rahmen der Kehrseitentheorie zwar der Sonderrechtstheorie zu folgen, lässt für eine öffentlichrechtliche Qualifizierung jedoch bereits einen engen Zusammenhang mit einer öffentlichrechtlich geregelten Pflicht ausreichen ohne zu definieren, was damit gemeint ist276. Darüber hinaus leidet aber bereits die Kehrseitentheorie an dem immanenten Mangel, dass der vermeintliche Rechtsgrund einer Vermögensverschiebung nicht eindeutig dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zugehörig sein muss277. Hätte ein Verwaltungsträger die Vermögensverschiebung privatrechtlich oder öffentlichrechtlich ausgestalten können, so führt die Kehrseitentheorie zu keinem Ergebnis. Sie ist deshalb ebenso wie die Qualifikation einer Geschäftsführungshandlung anhand des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts abzulehnen. Bereits die Prämisse, wonach die Rechtsnatur der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung die Rechtsnatur des Erstattungsanspruches bestimmt, stellt eine Hypothese dar, die sich einer überzeugenden Herleitung und Begründung entzieht278. 273 Der BGH stellt in solchen Fällen nunmehr darauf ab, ob die an der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung Beteiligten generell in einer öffentlichrechtlichen Beziehung zueinanderstanden oder ob die Vermögensverschiebung, wenn sie nicht fehlgeleitet worden wäre, öffentlichrechtlich zu beurteilen gewesen wäre, BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/ 14 –, juris Rn. 15. 274 So hielt das BSG in seinem Urteil vom 29. 10. 1986 – 7 RAr 77/85 –, juris Rn. 15 ff. bei einer fehlgeleiteten Zahlung von Arbeitslosengeld an eine Nichtberechtigte für den Rückerstattungsanspruch nur den Zivilrechtsweg für gegeben; siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 23. 04. 1965 – 12 Rj 148/62 –, juris Rn. 14 f. und BSG, Urteil vom 30. 06. 1965 – 4 Rj 103/62 –, juris Rn. 18; ebenso entschied der BGH in seinem Urteil vom 30. 03. 1978 – VII ZR 244/76 –, juris Rn. 8 ff., in dem er für Rückerstattungsansprüche bezüglich Rentenzahlungen nach dem Tode der Berechtigten auf das Konto der Erben. 275 Für einen Erstattungsanspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, BFH, Urteil vom 06. 12. 1988 – VII R 206/83 –, juris Rn. 5 ff. sowie BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 10 ff. für die Erstattung einer Überbezahlung durch den Empfänger einer Postanweisung an die Deutsche Bundespost. 276 BVerwG, Urteil vom 16. 05. 2000 – 4 C 4/99 –, juris Rn. 16. 277 Morlok, Die Verwaltung 1992, 371 (389 f.). 278 Der Begründungsaufwand der Rechtsprechung beschränkt sich auf die Wiedergabe dieser These, BVerwG, Urteil vom 23. 01. 1990 – 8 C 37.88, JZ 1990, 862; VGH Mannheim,
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Denkt man die Kehrseitentheorie weiter, so ergeben sich noch weitere Fragen. Wurde von einem Verwaltungsträger, der in irriger Annahme, er sei Schuldner eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches, eine unerkannt rechtmäßige Vermögensverschiebung rückgängig gemacht, so könnte bei der Qualifizierung des nunmehr bestehenden Erstattungsanspruches des Verwaltungsträgers nicht auf die Rechtsnatur der vorausgegangenen Vermögensverschiebung abgestellt werden, denn diese ist diesbezüglich selbst indifferent. Um noch zu einem Ergebnis zu kommen, müsste eine weitere Fiktion für den Gleichlauf mit der ursprünglichen Vermögensverschiebung sorgen. Da der nunmehr zu qualifizierende Erstattungsanspruch aber keine Rückabwicklung der ursprünglichen Vermögensverschiebung darstellt, sondern deren Effekte aus anderem Rechtsgrund mit den spezifischen Modifikationen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches erneut herbeiführen soll, lässt sich ein Gleichlauf in der Rechtsnatur nicht mehr begründen. Stattdessen ist das Erstattungsverhältnis selbst anhand der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie zu qualifizieren. Besteht für das Erstattungsverhältnis hiernach öffentliches Sonderrecht wie § 105 SGB X für Erstattungsansprüche des leistenden, unzuständigen Verwaltungsträgers gegen den zuständigen Leistungsträger im Sozialrecht, so ist das Erstattungsverhältnis öffentlichrechtlich zu qualifizieren. Fehlt es an einschlägigem öffentlichen Sonderrecht, so ist zu prüfen, ob die Erstattung im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Kompetenz zu erfolgen hat. Verwaltungsträger sind aufgrund der Rechtsbindung der Verwaltung nach Art. 20 III GG generell zur Herstellung materieller Gerechtigkeit verpflichtet, wozu auch die Beseitigung unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen gehört, an denen sie selbst beteiligt sind279. Sowohl die Erstattung unrechtmäßig vereinnahmter Leistungen wie auch die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegenüber Privatrechtssubjekten fällt somit in die öffentlichrechtlichen Kompetenzen der Verwaltungsträger. Für den Fall, dass die Parteien des Erstattungsverhältnisses vor Entstehung des Erstattungsanspruches ausdrücklich die Privatrechtsform gewählt haben, erfolgt aufgrund der Kompetenztheorie eine privatrechtliche Qualifizierung des Erstattungsverhältnisses und damit die Anwendung des privatrechtlichen Bereicherungsrechts. Beispiele für eine ausdrückliche Wahl der Privatrechtsform sind der Abschluss eines (unwirksamen) privatrechtlichen Kauf-, Dienst- oder Werkvertrages oder ein anderes Handeln, Dulden oder Unterlassen beider Parteien, das keinen Zweifel daran bestehen lässt, dass ausschließlich Privatrecht Anwendung finden soll. 2. Vorrang spezialgesetzlich geregelter öffentlichrechtlicher Erstattungsansprüche Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch konkurriert als Rechtsinstitut zur Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen mit zahlreichen Urteil vom 17. 07. 2003 – 2 S 36/03 –, juris Rn. 37; differenzierter BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 15. 279 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 799; Schoch, JURA 1994, 82 (84).
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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spezialgesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen im öffentlichen Recht wie §§ 26 SGB IV, 50, 105 SGB X, 106 SGB XII, 8 VwVfG, 49a VwVfG, 12 BBesG, 52 BeamtVG, 20 BAföG oder 37 II AO. Zutreffend wird der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch als subsidiär zu spezialgesetzlich geregelten Ansprüchen angesehen und seine Anwendung bereits dann abgelehnt, wenn auch nur der Anwendungsbereich einer speziellen Norm eröffnet ist280. Grund hierfür ist, dass die besonderen Voraussetzungen, von denen speziell geregelte Erstattungsansprüche eine Rückabwicklung der Vermögensverschiebung abhängig machen, nicht durch den allgemeineren Erstattungsanspruch unterlaufen werden dürfen281.
II. Geschichte und Herleitung Die dogmatische Begründung des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches steht in enger Verbindung zur Geschichte des Rechtsinstituts. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung spricht von einem seit langem anerkannten Rechtsinstitut, legt wahlweise eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung nahe oder leitet den Anspruch aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts oder direkt aus Art. 20 III GG ab und lässt keinen Zweifel daran, dass die Tatbestandsmerkmale denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruches entsprechen282. Tatsächlich wurde der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch vom Reichsgericht direkt auf Sachverhalte angewendet, die heute als öffentlichrechtlich zu beurteilen wären283. Erste Zweifel an einer direkten Anwendung der §§ 812 ff. BGB zeigte das Reichsgericht in seinem Urteil vom 30. 04. 1920, als es einem Streit zwischen Privatrechtssubjekten und dem Deutschen Reich um Werte, die zum Zwecke der Aufhebung einer behördlichen Beschlagnahme hinterlegt worden waren, die bürgerliche Rechtsnatur versagte, weil es sich ausschließlich um rein hoheitliche Akte handelte284. Ein Versuch, den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch in Art. 210 einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg in Anlehnung an die §§ 812 ff. BGB zu normieren, scheiterte in den 1930er Jahren bereits im Ent-
280
VGH München, Urteil vom 26. 01. 1993 – 12 B 90.2923 –, juris Rn. 21; Palandt / Sprau, Einf v § 812 Rn. 9; Windthorst, JuS 1996, 894 (895 f.). 281 VGH Mannheim, Urteil vom 16. 08. 2002 – 8 S 455/02 –, juris Rn. 21; Weber, JuS 1986, 29. 282 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 32; Schoch, JURA 1994, 82 (84); SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 435; anders noch BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23, soweit das BVerwG auch eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Bereicherung für nicht grundsätzlich ausgeschlossen hielt. 283 RG, Urteil vom 30. 01. 1911 – Rep. VI. 591/09, RGZ 75, 276 ff.; Haueisen, NJW 1954, 977. 284 RG, Urteil vom 30. 04. 1920 – III 229/19, RGZ 99, 41 (44); Haueisen, NJW 1954, 977.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
wurfsstadium285. Im Übrigen sind die vorkonstitutionelle Rechtsprechung und die Begründungsversuche dieser Zeit nur noch von rechtshistorischem Interesse. Mit der Weiterentwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, fortschreitender Normierung der Erstattungsansprüche und der Abkehr von der Fiskustheorie erkannte die höchstrichterliche Verwaltungsrechtsprechung den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch als originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut an286. Das BVerwG sprach bereits in den 1960er Jahren von der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Rechtsinstituts der Erstattung im öffentlichen Recht287. Literatur und Rechtsprechung sind weitgehend dazu übergegangen, die gewohnheitsrechtliche Anerkennung schlicht zu unterstellen ohne die Voraussetzungen einer solchen zu prüfen288. Zur Qualifizierung eines Rechtsinstituts als Gewohnheitsrecht ist eine langanhaltende, allgemeine, gleichmäßige Übung, getragen von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung der Beteiligten und eine Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz erforderlich289. Eine langanhaltende Übung kann bei dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit den 1950er Jahren nachgewiesen werden. Im Gegensatz zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht besteht beim öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch Einigkeit in Hinblick auf die materiellen Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen spätestens seit den 1960er Jahren290. Als Rechtsüberzeugung lässt sich das Gebot der Herstellung rechtmäßiger Vermögensverhältnisse durch Rückab285
Haueisen, NJW 1954, 977 (Fn. 6); für den Bereich der öffentlichrechtlichen Erstattung wurde er für unnötig gehalten, weil er im Wesentlichen die §§ 812 ff. BGB wiedergegeben hätte, Jahn, ZgS 1931, Heft 2, 225 (252 f.). 286 BVerwG, Urteil vom 09. 12. 1955 – II C 37.53 –, juris; BVerwG, Urteil vom 26. 01. 1956 – I C 83.54 –, juris; zuvor bereits OVG Münster, Urteil vom 21. 11. 1952 – III A 547/50 –, juris mit der Abkehr von der Anwendung der §§ 812 ff. BGB auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht; indifferent, BVerwG, Urteil vom 28. 06. 1957 – IV C 235.56 –, juris, wonach die Rückerstattung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen einen allgemeinen Rechtsgedanken darstelle, aber auch aus der entsprechenden Anwendung der §§ 812 ff. BGB im öffentlichen Recht resultiere. 287 BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23 zum mittlerweile normierten Erstattungsanspruch nach Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes. 288 BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 24; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 25; Jacob, LKV 2000, 186 (187); Schoch, JURA 1994, 82 (84 f.); Weber, JuS 1986, 29 (33); sehr kritisch: Weber, Erstattungsanspruch, S. 16 mit der These, eine dogmatische Verortung sei insgesamt nicht gelungen. 289 BVerfG, Urteil vom 19. 10. 1982 – 2 BvF 1/81 –, juris Rn. 149; BVerfG, Beschluss vom 14. 02. 1973 – 2 BvR 667/72 –, juris Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 28. 06. 1967 – 2 BvR 143/ 61 –, juris Rn. 25; Hardt, DÖV 1971, 685 (693); FS-Bogs / Menger, S. 96 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 278; Schoch, JURA 1994, 82 (84 f.). 290 BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 517; Schoch, JURA 1994, 82 (86); BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23 zum Problem des Wegfalles der Bereicherung und dem Vertrauensschutz; zu den nach wie vor ungeklärten Fragen der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 193 f.
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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wicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen identifizieren und als Rechtssatz formulieren291. Wenn der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch auch als eigenständiges Rechtsinstitut verstanden wird, so ist seine Erfassung als Teil des Systems der öffentlichrechtlichen Sekundäransprüche in Anlehnung an den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch erfolgt292. Der Qualifizierung als originär öffentlichrechtliches Gewohnheitsrecht ist deshalb zuzustimmen293.
III. Tatbestand 1. Vermögensverschiebung Die Vermögensverschiebung setzt eine Entreicherung eines Rechtssubjektes und eine Bereicherung des anderen Rechtssubjektes voraus, wobei Bereicherung und Entreicherung in einem Unmittelbarkeitsverhältnis zueinander stehen müssen294. Die Vermögensverschiebung kann sowohl aufgrund einer Leistung, also einer zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens, als auch auf sonstige Weise erfolgen295. Wenn die Erlangung von Auszahlungsansprüchen gegen eine Bank aufgrund einer Überweisung auch der häufigste Fall sein mag, so ist das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverschiebung nicht hierauf beschränkt. Die Vermögensverschiebung kann auch in Gestalt einer Sachleistung oder als Befreiung von einer Verbindlichkeit auftreten296. Anders als bei zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen im Mehrpersonenverhältnis gilt bei dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch kein grundsätzlicher Vorrang der Leistungskondiktion. Bei der zivilrechtlichen Bereicherung im Mehrpersonenverhältnis erfolgt die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehun291 OVG Berlin, Urteil vom 20. 03. 2015 – OVG 1 B 4.12 –, juris Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 28. 06. 1957 – IV C 235.56 –, juris Rn. 21 ff.; BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/ 82 –, juris Rn. 12 f.; Haueisen, NJW 1954, 977; Mörtel, BayVBl 1970, 396; Weber, JuS 1986, 29. 292 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 39; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 73. 293 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 24; Nedden, GoAÖR, S. 172; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (516); Ossenbühl, JZ 1985, 795; Schoch, JURA 1994, 82 (84); Stelkens, Verwaltungsverfahren, S. 29; Weber, JuS 1986, 29 (33). 294 OVG Berlin, Urteil vom 20. 03. 2015 – OVG 1 B 4.12 –, juris Rn. 32; Brenner, LKV 1999, 481 (483); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 800; Morlok, Die Verwaltung 1992, 371 (386 f.). 295 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 543; Schoch, JURA 1992, 82 (86); Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 68; Weber, JuS 1986, 29 (34); Windthorst, JuS 1996, 894 (895); BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 12; a.A. VG Minden, Urteil vom 20. 03. 1985 – 3 K 2210/83, NVwZ 1985, 679 ff. 296 OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris; OVG Berlin, Urteil vom 20. 03. 2015 – OVG 1 B 4.12 –, juris.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
gen, wenn die Vermögensverschiebung aufgrund einer Leistung erfolgte297. Die Nichtleistungskondiktion ist insofern subsidiär. Im öffentlichen Recht wurde ursprünglich für den Bereich des Sozialrechts ein Abwälzungsanspruch als Unterfall des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches anerkannt, nachdem ein an eine berechtigte Privatperson leistender, nichtverpflichteter Verwaltungsträger vom verpflichteten Verwaltungsträger Erstattung verlangen kann, wenn der verpflichtete Verwaltungsträger hierdurch von seiner Leistungspflicht frei geworden ist298. Ein Vorrang der Rückabwicklung „übers Eck“ durch Rückforderung der Leistung vom Berechtigten durch die nichtverpflichtete Behörde und anschließender Leistungswährung durch die verpflichtete Behörde bestehe nicht. Nachdem dieser Abwälzungsanspruch im Sozialrecht durch die Normierung der speziellen Erstattungsansprüche §§ 102 – 105 SGB X seine Bedeutung verloren hat, wurde er unlängst höchstrichterlich auch außerhalb des Sozialrechts anerkannt299. Kritik hieran mit der Forderung, es müsse wie im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht „übers Eck“ entlang den Leistungsbeziehungen rückabgewickelt werden, kann im Ergebnis nicht überzeugen300. Zunächst ist der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch ein eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts. Während die Rückabwicklung fehlerhafter Vermögensverschiebungen entlang der Leistungsbeziehungen im Zivilrecht damit begründet wird, dass Privatrechtssubjekte ihre Vertragspartner auch anhand ihres Insolvenzrisikos wählen können, kommt Verwaltungsträgern bei der Ausübung öffentlichrechtlicher Kompetenzen grundsätzlich keine Privatautonomie zu. Verwaltungsträger können ihre Gläubiger und Schuldner nicht aufgrund von Liquiditätsgesichtspunkten wählen, so dass das wesentliche Argument gegen die direkte Rückabwicklung im Zivilrecht im öffentlichen Recht nicht durchgreift301. Vielmehr sind Verwaltungsträger zur effektiven Herstellung rechtmäßiger Zustände verpflichtet, weshalb ein Bereicherungsdurchgriff des leistenden, nichtverpflichteten Verwaltungsträgers gegen den verpflichteten Verwaltungsträger zulässig ist. Beim allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ist eine direkte Erstattung von Aufwendungen zwischen nichtverpflichtetem und verpflichtetem Verwaltungsträger bei Erfüllung fremder Verbindlichkeiten in Fallgruppe 1 im Ergebnis somit erleichtert. 297
Palandt / Sprau, § 812 Rn. 7. Klein, DVBl 1968, 166 (168 f.); Mörtel, BayVBl 1970, 397; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (515); BSG, Urteil vom 30. 01. 1962 – 2 RU 219/59 –, juris Rn. 23; VGH Kassel, Urteil vom 16. 05. 1986 – IX OE 53/82, NVwZ 1987, 822 (824); ungenau, weil auf das Ersparen von Aufwendungen abgestellt wird und nicht auf die befreiende Leistung selbst, VGH Kassel, Urteil vom 29. 02. 1996 – 9 UE 2622/94 –, juris Rn. 34 f.; a.A., wonach der Abwälzungsanspruch keinen Unterfall des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches, sondern eine Abweichung von ihm darstelle, Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 72. 299 BVerwG, Urteil vom 27. 09. 2007 – 2 C 14/06 –, juris; Rn. 15 ff. § 105 SGB X stellt in seinem Anwendungsbereich eine Normierung des Abwälzungsanspruches dar, Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 71. 300 Wallerath, DÖV 1972, 221 (225). 301 Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 70 f. 298
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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2. Fehlender Rechtsgrund Die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung mit Bezug zum öffentlichen Recht setzt voraus, dass die entstandene Vermögenslage entweder bereits bei Entstehung materiell rechtswidrig war oder es nachträglich geworden ist302. Die Betrachtung nur der materiellen Rechtslage ist indes nicht ausreichend. Eine Besonderheit des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches besteht in der Fähigkeit der Verwaltungsträger, Verwaltungsakte zu erlassen, die im Rahmen ihres Regelungsgehaltes und unter der Voraussetzung ihrer Wirksamkeit selbst dann einen Rückgriff auf das zugrunde liegende materielle Recht verbieten, wenn der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig aber wirksam ist303. Die Vermögensverschiebung gilt in einem solchen Fall als mit Rechtsgrund erfolgt und eine Rückabwicklung kann nicht verlangt werden bis der Verwaltungsakt aufgehoben oder auf anderem Wege unwirksam wird304. Bestandskraft des die Vermögensverschiebung regelnden Verwaltungsaktes ist für das Zurücktreten des materiellen Rechtes nicht erforderlich305. Die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist ausreichend, aber auch erforderlich. Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkungen. Das Verwaltungsrecht kennt keine Wirkungssteigerung des Verwaltungsaktes durch Eintritt der Bestandskraft, sondern nur eine Zunahme an Bestandsschutz der erfolgten Regelung durch Wegfall der verwaltungsverfahrensrechtlichen und gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten. Auch ein feststellender Verwaltungsakt kann einen Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung darstellen, solange er nicht lediglich einen Hinweis auf die materielle Rechtslage ohne eigene Regelungswirkung darstellt306.
IV. Rechtsfolgen 1. Herausgabe des Erlangten Der Erstattungsanspruch ist wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch auf die Herausgabe des tatsächlich Erlangten gerichtet307. Ist dies aufgrund der Natur der Sache nicht möglich, so schuldet der Schuldner Wertersatz entsprechend des
302
Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 530 f. Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 146; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (517 f.); Wallerath, DÖV 1972, 221 (222 f.); Weber, JuS 1986, 29 (31); Weber, Erstattungsanspruch, S. 45 ff. 304 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 541; Weber, JuS 1986, 29 (31); Windthorst, JuS 1996, 894 (898). 305 A.A. Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 541, die Unanfechtbarkeit voraussetzen. 306 Windthorst, JuS 1996, 894 (898). 307 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 546, Wallerath, DÖV 1972, 221 (223); Weber, JuS 1986, 29 (34). 303
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Rechtsgedankens des § 818 BGB308. Im Falle der Befreiung von einer Verbindlichkeit bemisst sich der Wertersatz danach, in welchem Umfang der ursprünglich Verpflichtete durch die Zuwendung des nichtverpflichteten Leistungsträgers objektiv Mittel erspart hat309. Herauszugeben sind auch die Nutzungen, die der Zuwendungsempfänger tatsächlich aus dem Erlangten gezogen hat, insbesondere Zinsen, die dem Zuwendungsempfänger aus erlangten Geldbeträgen tatsächlich zugeflossen sind310. Wurden vom Zuwendungsempfänger tatsächlich keine Zinsen erzielt, so besteht nach überwiegender Auffassung im öffentlichen Recht kein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass Geldschulden vom Schuldner zu verzinsen seien, solange der Erstattungsanspruch nicht rechtshängig geworden ist311. 2. Wegfall der Bereicherung Während bei zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen ein Anspruchsausschluss aufgrund nachträglichen Wegfalles der Bereicherung beim Zuwendungsempfänger gemäß § 818 III BGB möglich ist, weil §§ 812 ff. BGB nur einen noch vorhandenen Vermögensvorteil beim Zuwendungsempfänger abschöpfen sollen, dient der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch der Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen und damit der Herstellung materiell oder im Falle eines wirksamen Verwaltungsaktes formell rechtmäßiger Vermögensverhältnisse, weshalb der bloße Wegfall der erlangten Vermögensposition allein nicht ausreicht, um den Erstattungsanspruch auszuschließen312. Die Voraussetzungen, unter denen Dispositionen des Zuwendungsempfängers über das Erlangte den Bestand oder Umfang des Erstattungsanspruches beeinflussen, sind umstritten313. Eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Normen der §§ 818 III, IV, 819 I BGB wird sowohl von der Literatur als auch von der Rechtsprechung überwiegend nicht in Betracht ge-
308 BVerwG, Urteil vom 16. 12. 2004 – 5 C 71/03 –, juris Rn. 14 f.; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 28. 309 BVerwG, Urteil vom 16. 12. 2004 – 5 C 71/03 –, juris Rn. 14. 310 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 21; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520); Schoch, JURA 1994, 82 (88). 311 BVerwG, Urteil vom 19. 11. 2009 – 3 C 7/09 –, juris Rn. 26; BVerwG, Urteil vom 20. 09. 2001 – 5 C 5/00 –, juris Rn. 6 f.; BVerwG, Urteil vom 21. 04. 1971 – V C 45.69 –, juris Rn. 11 ff.; a.A. BVerwG, Urteil vom 17. 02. 1971 – IV C 86.68 –, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 19. 02. 1962 – III ZR 200/60 –, juris Rn. 37; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 547; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520); Schoch, JURA 1994, 82 (88); Weber, JuS 1986, 29 (35); Weber, Erstattungsanspruch, S. 134 f.; Windthorst, JuS 1996, 894 (898); a.A. Schön, NJW 1993, 3289 (3291 ff.). 312 BVerwG, Urteil vom 16. 12. 2004 – 5 C 71/03 –, juris Rn. 15; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 246; Schoch, JURA 1994, 82 (88 f.). 313 Siehe Nachweise bei Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520).
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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zogen314. Die Begründung, eine Entreicherung könne deshalb nicht zu einem Anspruchsausschluss führen, weil der Tatbestand schon keine Bereicherung voraussetzt, überzeugt jedoch nicht315. Eine Vermögensverschiebung setzt gerade voraus, dass der Zuwendungsempfänger die verschobene Vermögensposition zumindest kurzzeitig erlangt hat. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch setzt eine Bereicherung deswegen implizit voraus. Zur Begründung der Nichtanwendbarkeit der zivilrechtlichen Normen zum Wegfall der Bereicherung wird weiter angeführt, im öffentlichen Recht gelte stattdessen grundsätzlich der Vertrauensschutzgedanke316. § 48 II VwVfG macht die Rückabwicklung einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung davon abhängig, ob der Zuwendungsempfänger auf den Bestand der Vermögensverschiebung vertraut hat und dieses Vertrauen auch schutzwürdig war. Dies spricht jedoch weder für noch gegen die Möglichkeit einer analogen Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften zur Entreicherung, denn Vertrauensschutz liegt auch der Regelung des § 818 III BGB zugrunde317. Gegen eine analoge Anwendung der §§ 818 III, IV, 819 I BGB zur Modifizierung der Rechtsfolgen beim öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch spricht ein Systemvergleich. Im Zivilrecht ist das Bereicherungsrecht subsidiär zu anderen gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen, was sich am Tatbestandsmerkmal des fehlenden Rechtsgrundes zeigt. Besteht ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung wie etwa ein wirksamer, zivilrechtlicher Kaufvertrag, so kann eine Rückzahlung – beispielsweise des Kaufpreises – nur unter den besonderen Bestimmungen des Kaufrechts erfolgen, wobei eine Entreicherung des Zuwendungsempfängers aufgrund der Bestimmungen in § 346 II S. 1 Nr. 1 – 3 BGB nicht für sich genommen zu einem Anspruchsausschluss führt. Besteht jedoch kein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung, so geht das Zivilrecht von einem geringeren schutzwürdigen Interesse des Kondiktionsgläubigers an einer Rückabwicklung der Vermögensverschiebung aus, so dass bereits der Wegfall der Bereicherung beim Kondiktionsschuldner allein zum Anspruchsausschluss führt. Dieser Gedanke kann nicht ins öffentliche Recht übertragen werden. Zunächst stellt das öffentliche Recht kein vollständiges und hierarchisches System von Erstattungsansprüchen zur Verfügung. Allein die Subsidiarität des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches zu spezialgesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen kann eine grundsätzlich niedrigere Effektivität des Ersteren bei der Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen deswegen nicht dogmatisch untermauern. Während das zivilrechtliche Bereicherungsrecht dem Ausgleich wider314 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 13 f.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 27; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 246; Weber, JuS 1970, 169 (172); Weber, JuS 1986, 29 (34); Windthorst, JuS 1996, 894 (899). 315 Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 548. 316 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 15 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520); Schoch, JURA 1994, 82 (88); kritisch hierzu, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 802. 317 Staudinger 812 ff. / Lorenz, § 818 Rn. 38; Morlok, Die Verwaltung 1992, 371 (393).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
streitender Vermögensinteressen von Privatrechtssubjekten dient und diese grundsätzlich gleich gewichtet, wird das öffentliche Recht geprägt von der Rechtsbindung der Verwaltung, dem Vorrang und Vorbehalt der Gesetze. Das Gebot zur Rückabwicklung rechtswidriger Vermögensverschiebungen folgt deshalb nicht aus einer Abwägung widerstreitender Interessen, sondern aus der Pflicht, Vermögenspositionen rechtskonform zuzuweisen318. Diese Pflicht folgt direkt aus der Zuweisung von Vermögenspositionen an Rechtssubjekte durch Gesetze, insbesondere die Gewährleistung privaten Eigentums nach Art. 14 I GG. Steigt bei der privatrechtlichen Kondiktion das Interesse des Kondiktionsschuldners am Bestand der nach der vollzogenen Vermögensverschiebung eingetretenen Vermögenslage, wenn er den Wertzuwachs wieder verloren hat, weil er dann sonstiges eigenes Vermögen zur Rückabwicklung einsetzen müsste, so gilt dies nicht im öffentlichen Recht. Die Herbeiführung rechtmäßiger Vermögenslagen als öffentliches Interesse steht nicht in einem konkreten, abwägungsfähigen Interessenwiderstreit mit privatrechtlichen Vermögensinteressen319. Dies zeigt ein Vergleich mit den spezialgesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen im Sozialrecht nach §§ 102 ff. SGB X, bei denen Verwaltungsträger die Erstattungsschuldner sind und sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen können. Das öffentliche Recht kennt kein schützenswertes Interesse eines Verwaltungsträgers an der Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Vermögenslage. Damit ist die Interessenlage, die dem Wegfall der Bereicherung im Zivilrecht zugrunde liegt, nicht auf das öffentliche Recht übertragbar. Privatrechtssubjekte sind als Erstattungsschuldner des nicht normierten, allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs aber ebenso schutzwürdig wie im Falle der Erstattungsschuld nach Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß §§ 48 ff. VwVfG320. Die Vertrauensschutzkriterien des § 48 II VwVfG sind als Anspruchsausschlussgrund auf den allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch entsprechend anzuwenden, soweit ein Privatrechtssubjekt der Erstattungsschuldner ist321. Eine Erstattungsschuld von Verwaltungsträgern wird durch den Wegfall der Bereicherung nicht beseitigt. Dies führt dazu, dass Privatrechtssubjekte bei dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch in Bezug auf den Einwand der Entreicherung im Vergleich zu zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen einerseits dahingehend privilegiert werden, als sie die zugewendete Vermögensposition nicht verloren haben müssen, denn es reicht bereits eine schutzwürdige, schwer rückgängig zu machende Vermögensdisposition, um den Erstattungsanspruch entfallen zu lassen322. Andererseits schließt das Zivilrecht den Entreicherungseinwand nur bei positiver Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes der Vermögensverschiebung aus, während beim allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch in Anlehnung 318
Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (521). A.A. zur Rechtslage vor Einführung des VwVfG, Ossenbühl, DÖV 1967, 246 (250). 320 Für das Sozialrecht wird auch die Rückforderung von Leistungen ohne zugrunde liegendem Verwaltungsakt in § 50 II SGB X geregelt. 321 Staudinger 241 ff. / Olzen, Einl zum SchuldR Rn. 276. 322 So auch Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 549. 319
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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an § 48 II S. 3 Nr. 3 VwVfG bereits grobe Fahrlässigkeit für den Anspruchsausschluss ausreicht, was einen erheblichen Nachteil darstellt323. 3. Sonstige Ausschlussgründe Leistet der Erstattungsgläubiger in Kenntnis der Nichtschuld, so ist im Rahmen einer zivilrechtlichen Kondiktion sein Rückerstattungsanspruch gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, weil die Rechtsordnung ihn als nicht schutzwürdig erachtet324. Nach zutreffender Ansicht ist § 814 BGB nicht entsprechend auf den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch anzuwenden325. Im Zivilrecht erwächst dieser Anspruchsausschluss wiederum einer Abwägung widerstreitender Interessen an der Aufrechterhaltung oder Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung. Ein Verwaltungsträger ist jedoch gesetzlich zur Herstellung rechtmäßiger Vermögensverhältnisse verpflichtet, weshalb keine vergleichbare Interessenlage besteht und eine entsprechende Anwendung von § 814 BGB ausscheiden muss326. Der Erstattungsanspruch kann auch aufgrund von Treu und Glauben ausgeschlossen sein327. Die höchstrichterliche Rechtsprechung definiert für einen Anspruchsausschluss aufgrund von Treu und Glauben kein konkretes Prüfungsschema, sondern verlangt lediglich besondere Umstände, die ein Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen lassen328. Für den Ausschluss des Erstattungsanspruches soll es aber grundsätzlich nicht ausreichen, dass der Erstattungsgläubiger seinerseits zur Herausgabe der Leistung nicht mehr imstande ist oder mit dem Erstattungsverlangen bewusst wartet, bis er seinerseits nicht mehr zur Herausgabe in der Lage ist329. Vereinzelt traten Fälle auf, bei denen eine objektiv als Bereicherung anzusehende Vermögensverschiebung für den 323 BVerwG, Urteil vom 12. 03. 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 17 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 28; Weber, JuS 1986, 29 (34). 324 Staudinger 812 ff. / Lorenz, § 814 Rn. 2. 325 OVG Münster, Beschluss vom 09. 11. 2015 – 6 A 500/13 –, juris Rn. 16 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 550; Jacob, LKV 2000, 186 (187); Windthorst, JuS 1996, 894 (899). 326 Im Ergebnis auch Schoch, JURA 1994, 82 (89); Windthorst, JuS 1996, 894 (899); a.A. Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 29, die § 814 BGB zu Lasten eines Verwaltungsträgers anwenden will, weil ein Privatrechtssubjekt sich darauf verlassen dürfen soll, dass ein Verwaltungsträger nur leistet, wenn er leisten darf. Dieser Ansicht liegt die zweifelhafte Annahme zugrunde, dass die öffentlichrechtliche Erstattung einer Interessenabwägung zugänglich sei; im Übrigen fehlt auch eine Festlegung, auf wessen Kenntnis beim Verwaltungsträger abzustellen sein soll. 327 VGH Mannheim, Urteil vom 18. 10. 1990 – 2 S 2098/89, NVwZ 1991, 583 (587); VGH Mannheim, Urteil vom 17. 07. 2003 – 2 S 36/03 –, juris Rn. 50 ff.; Schleifenbaum, DVBl 1969, 350 (353); Windthorst, JuS 1996, 894 (899). 328 BVerwG, Beschluss vom 05. 03. 1998 – 4 B 3/98 –, juris Rn. 4 f.; BVerwG, Urteil vom 16. 05. 2000 – 4 C 4/99 –, juris Rn. 31 ff. 329 BVerwG, Beschluss vom 05. 03. 1998 – 4 B 3/98 –, juris Rn. 4 f.; BVerwG, Urteil vom 16. 05. 2000 – 4 C 4/99 –, juris Rn. 31 ff.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 537; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 29; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 546.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Zuwendungsempfänger subjektiv keinen Wert hatte, was im Zivilrecht als „aufgedrängte Bereicherung“ bezeichnet wird und einen Bereicherungsanspruch ausschließt330. Die Rechtsprechung hat dieses Konstrukt dergestalt ins öffentliche Recht übertragen, dass ein fehlendes subjektives Interesse des Zuwendungsempfängers an der Zuwendung einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ausschließt331. Bei der Frage der Verjährung orientiert sich die Rechtsprechung an den jeweils sachnächsten Verjährungsvorschriften spezieller Erstattungsansprüche und wendet diese analog an; scheidet eine analoge Anwendung aus, so verjährt der Anspruch 30 Jahre nach Entstehung in Anlehnung an § 195 BGB a.F.332. 4. Geltendmachung des Anspruchs Die Durchsetzung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches gegen Verwaltungsträger erfolgt für Privatrechtssubjekte durch Erhebung der allgemeinen Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten333. Für Erstattungsansprüche von Verwaltungsträgern gegen Privatrechtssubjekte ist die Handlungsform umstritten. Der überwiegende Teil der Literatur steht einer generellen Befugnis von Verwaltungsträgern, den allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch durch den Erlass von Verwaltungsakten geltend zu machen, aufgrund einer Umgehung des Gesetzesvorbehaltes für die Handlungsform der Verwaltung kritisch gegenüber und verlangt eine gesetzliche Befugnis334. Die Rechtsprechung folgt wiederum der Kehrseitentheorie335. Eine Geltendmachung des Erstattungsanspruches könne demnach nur durch einen Verwaltungsakt erfolgen, wenn die zunächst erfolgte Vermögensverschiebung ebenfalls durch einen Verwaltungsakt hätte erfolgen können, was ein Subordinationsverhältnis voraussetze336. Ein solches Subordinationsverhältnis fehle aber, wenn der Erstattungsanspruch fehlgeleitete Zahlungen an Dritte betrifft, die nicht in einer konkretisierten öffentlichrechtlichen Leistungsbeziehung zum Verwaltungsträger standen oder wenn ein öffentlichrechtlicher Vertrag rückabzuwickeln sei; hier sei zur Herstellung von Waffengleichheit von der Unzu330
jurisPK-BGB 2.3.2 / Martinek, § 818 Rn. 48 f. OVG Münster, Entscheidung vom 05. 08. 1970 – III A 1417/68 –, juris; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (520). 332 BVerwG, Teilurteil vom 21. 10. 2010 – 3 C 4/10 –, juris Rn. 13 ff.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 538; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 551. 333 Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 32; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 803; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (521). 334 Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 32; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (522); Weber, JuS 1986, 29 (35); Windthorst, JuS 1996, 894 (900). 335 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 28. 336 BVerwG, Urteil vom 11. 10. 2012 – 5 C 20/11 –, juris Rn. 11 ff.; BSG, Urteil vom 29. 10. 1986 – 7 RAr 77/85 –, juris Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 28. 06. 1968 – VII C 118.66 –, juris Rn. 44 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (521 f.); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 552; Weber, JuS 1986, 29 (35); Windthorst, JuS 1996, 894 (900). 331
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
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lässigkeit einer Festsetzung der Leistungspflicht durch Verwaltungsakt auszugehen337. Die Rechtsprechung verlangt für das Vorliegen der behördlichen Verwaltungsaktbefugnis nicht, dass das Gesetz die Befugnis der Verwaltungsträger, Rechtsfolgen durch Erlass eines Verwaltungsaktes herbeizuführen, explizit feststellt, sondern sieht es bereits als ausreichend an, dass sich diese Befugnis dem Gesetz durch Auslegung entnehmen lässt338. Den Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung mangelt es an Präzision, wenn sie es für die positive Feststellung der Verwaltungsaktbefugnis tendenziell bereits ausreichen lässt, dass das Gesetz lediglich eine Pflicht des Privatrechtssubjektes gegenüber dem Verwaltungsträger normiert339. Der Verwaltungsakt ist das allgemeine Instrument der Verwaltungsträger zur Erfüllung ihrer öffentlichrechtlichen Kompetenzen, insbesondere auch der Bewilligung von Leistungen340. Dies ergibt die gesetzliche Regelung des Verwaltungsverfahrens. Die behördliche Prüfung, die der Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches im Klageweg oder durch Erlass eines Verwaltungsaktes vorangehen muss, stellt ein Verwaltungsverfahren gemäß § 9 VwVfG dar, denn die Verfahrensvorschriften der §§ 9 ff. VwVfG, wie der Ausschluss bestimmter Personen vom Verfahren nach § 20 VwVfG, haben aufgrund der Verpflichtung der Verwaltung zur Rechtstreue auch hierfür zu gelten. § 9 VwVfG gibt den Ablauf des Verwaltungsverfahrens aber dergestalt vor, dass auf die Prüfung der Voraussetzungen und die Vorbereitung auch der Erlass eines Verwaltungsaktes oder der Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages folgt. Das Verwaltungsverfahrensgesetz regelt damit den Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass eines Verwaltungsaktes, denn es ist gerade Aufgabe der Verwaltung, Rechtsverhältnisse verbindlich zu gestalten341. Soweit § 49 a I S. 2 VwVfG für das Erstattungsverlangen nach Aufhebung eines leistungsgewährenden Verwaltungsaktes die Festsetzung der Erstattungsschuld durch Verwaltungsakt verlangt, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Rückabwicklung einer schlicht hoheitlichen Leistung nicht durch Verwaltungsakt erfolgen kann, denn die Rückerstattung einer solchen Leistung regelt das VwVfG nicht. Auch der Hinweis darauf, dass auch die Art der Geltendmachung eines Erstattungsanspruches unter dem Gesetzesvorbehalt stehe und im Fall der Verwaltungsaktbefugnis wegen des hiermit verbundenen zusätzlichen Eingriffs einer Rechtsgrundlage bedürfe, überzeugt nicht342. Der materielle Regelungsgehalt des Erstattungsanspruches enthält die Wertung, dass eine bestimmte Vermögensposition dem Zuwendungsempfänger nicht zusteht und als Rechtsfolge deshalb an den Zuwendenden zu erstatten ist. Die Frage, ob ein Verwaltungsträger zur Durchsetzung 337 BVerwG, Urteil vom 13. 02. 1976 – IV C 44.74 –, juris Rn. 28; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (522). 338 BVerwG, Urteil vom 07. 12. 2011 – 6 C 39/10 –, juris Rn. 13 ff. 339 BVerwG, Urteil vom 07. 12. 2011 – 6 C 39/10 –, juris Rn. 12 ff. 340 Weber, Erstattungsanspruch, S. 80. 341 BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23 ff. 342 Weber, Erstattungsanspruch, S. 79 ff.; a.A. Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 IV 2 Rn. 32; Schoch, JURA 1994, 82 (90); Windthorst, JuS 1996, 894 (900).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
des Erstattungsanspruches durch Erlass eines Verwaltungsaktes einer gesonderten Befugnis bedarf, betrifft lediglich die Effektivität der Rückerstattung, nicht ihren Bestand als Rechtsfolge. Die Legitimationswirkung des Erstattungsanspruches umfasst die Rückabwicklung der Vermögensverschiebung bis einschließlich zum Rückerhalt der Vermögensposition durch den Berechtigten343. Der Modus der Rückabwicklung stellt keinen eigenständigen Grundrechtseingriff dar, weil der Erstattungsanspruch bereits die effektive Durchsetzung der Rückerstattung legitimiert. Der Gegenansicht, wonach die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes explizit geregelt sein müsse und ansonsten die Rückerstattung nur durch Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage erfolgen könne, lässt sich entgegen, dass nach ihrer Ansicht auch die Erhebung der Leistungsklage einen eigenen Grundrechtseingriff darstellen müsste, der ebenso wenig spezialgesetzlich legitimiert ist. Dies gilt auch in Fallkonstellationen, in denen ein öffentlichrechtlicher Vertrag abgeschlossen wurde. Liegt in einem solchen Sachverhalt ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch vor, so liegt die Vermögensverschiebung wegen des fehlenden Rechtsgrundes im Tatbestand entweder außerhalb des Regelungsgegenstandes des Vertrages oder der Vertrag ist insgesamt oder teilweise unwirksam. In einem solchen Fall kann gerade nicht davon gesprochen werden, dass es die „Waffengleichheit“ gebiete, der Verwaltung die Durchsetzung des Erstattungsanspruches durch Verwaltungsakt zu untersagen, denn es liegt materiellrechtlich gerade keine wirksame Unterwerfung der Behörde unter die spezifisch vertragliche Gleichordnung vor344. Ein anderslautender Wille der Behörde ist unbeachtlich, weil Verwaltungsträger bei der Willensbildung nicht frei, sondern aufgrund der Rechtsstaatlichkeitsbindung an die objektive Rechtsordnung gebunden sind. Der Grundrechtseingriff erfolgt somit bereits durch den Bestand des Erstattungsanspruches, weshalb der Modus der Durchsetzung keiner besonderen Rechtsgrundlage mehr bedarf. Verwaltungsträger können öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche somit generell durch Verwaltungsakt festsetzen345. Verwaltungsträger untereinander können Erstattungsansprüche jedoch nur im Wege der allgemeinen Leistungsklage durchsetzen, denn der Verwaltungsakt ist die spezifische Handlungsform der Verwaltungsträger gegenüber den Privatrechtssubjekten346.
343
A.A. scheinbar Windthorst, JuS 1996, 894 (900), der in der Titelfunktion des Verwaltungsaktes eine eigenständige Belastung sieht. 344 A.A. Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 552. 345 Haueisen, NJW 1954, 977 (979); Weber, Erstattungsanspruch, S. 79 ff.; BVerwG, Urteil vom 21. 09. 1966 – V C 155.65 –, juris Rn. 23 mit dem Argument, gerade die Leistungsklage einer Behörde gegen ein Privatrechtssubjekt sei systemwidrig, da die VwGO dem sich durch die öffentliche Gewalt verletzt fühlenden Bürger die Angreiferstellung zuweist. 346 Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (522); Schoch, JURA 1994, 82 (89); Windthorst, JuS 1996, 894 (900).
B. Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch
91
V. Konkurrenzverhältnis zur Geschäftsführung ohne Auftrag Das Konkurrenzverhältnis zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ist umstritten. Da im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches grundsätzlich kein Aufwendungsersatz erfolgt, sondern im Ergebnis meistens ein Wertersatz in Höhe des tatsächlich Erlangten zu leisten ist, insbesondere auch keine erfolglosen Aufwendungen des Erstattungsgläubigers ersetzt werden und auch das subjektive Interesse des Zuwendungsempfängers an der Vermögensverschiebung zur Anspruchsentstehung erforderlich ist, erfährt das Konkurrenzverhältnis zurecht Aufmerksamkeit. Der Ersatzanspruch aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 818 II BGB und der Aufwendungsersatzanspruch aufgrund berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht unterscheiden sich im Umfang erheblich347. Die überwiegende Auffassung in der Lehre wie auch das BVerwG folgen der Auffassung, dass der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch zur berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag subsidiär sei, denn er setze im Tatbestand einen fehlenden Rechtsgrund voraus. Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt im Zivilrecht einen Rechtsgrund im Sinne der §§ 812 ff. BGB dar, wodurch die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag die Anwendung der zivilrechtlichen Kondiktion ausschließe348. Diese Schlussfolgerung wird von den Anhängern der herrschenden Ansicht ohne nennenswerten Begründungsaufwand in das öffentliche Recht übernommen349. Hieran wurde unter anderem von Windthorst kritisiert, die Interessenlage im Zivilrecht sei nicht übertragbar, weil die blankettartig gefassten Normen der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aufgrund des Vorranges und Vorbehaltes der Gesetze keinen Rechtsgrund für Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers durch die Verwaltung schaffen könnten, so dass zumindest im Bereich der Eingriffsverwaltung eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht keinen Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung darstellen könne350. Eine im Vordringen befindliche, auf Wollschlägers umfassende Untersuchung von 1977 gestützte Ansicht löst die Konkurrenzfrage dahingehend, dass es eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht insgesamt nicht gebe, mit der Folge, dass nur der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch als
347 Unterschiede und Auswirkungen fallspezifisch dargelegt in BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 23 ff. 348 jurisPK-BGB 2.3.2 / Lange, § 677 Rn. 42; Palandt / Sprau, Einf v § 677 Rn. 10. 349 Blas, BayVBl 1989, 648 (652); Bamberger, JuS 1998, 706 (711); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 540; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 (517); BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 23 f.; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 30 ff.; scheinbar auch VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843 (1844), das für eine Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches eine Ablehnung der Zulässigkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht verlangt. 350 Windthorst, JuS 1996, 894 (896 f.).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Ausgleichsinstrument für rückabzuwickelnde öffentlichrechtliche Vermögensverschiebungen bleibt351.
VI. Ergebnisse Der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch ist ein originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut zur Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen im öffentlichen Recht. Er ist subsidiär zu spezialgesetzlich geregelten Erstattungsansprüchen. Von zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen ist er nach der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie abzugrenzen. Die dogmatische Begründung des Rechtsinstituts ist hoch umstritten, während bezüglich Tatbestand und Rechtsfolgen in Literatur und Rechtsprechung mit Ausnahme der Frage nach der Geltendmachung des Anspruches Einigkeit besteht. Das ebenfalls umstrittene Konkurrenzverhältnis zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht erfordert aufgrund unterschiedlicher Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen eine Lösung.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen I. Schnittmenge aus Geschäftsführung und Schadensersatz Die nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse bezeichnen Sonderverbindungen zwischen Rechtssubjekten mit Bezug zum öffentlichen Recht als Teil des in der Wissenschaft stark kritisierten „Systems“ der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen352. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass zwischen den beteiligten 351 Kischel, VerwArch 1999, S. 413 f.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 194, der allenfalls eine Anwendung in Fallgruppe 3 überhaupt in Betracht zieht, diese jedoch als konturenlos betrachtet; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (109); Thole, NJW 2010, 1243 (1245 f.); Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95. 352 Die Antiquiertheit und Reformbedürftigkeit des geltenden Staatshaftungsrecht ist das ceterum censeo der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Recht der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen; Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 1 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 431; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 236; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 15, stimmt mit Fritz Ossenbühl darin überein, dass das bundesdeutsche Staatshaftungsrecht sich mittlerweile zu einer Rechtsmaterie mit esoterischem Charakter entwickelt hat; GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 1 ff. kritisiert das Staatshaftungsrecht aufgrund seiner überaus defizitären dogmatisch-konzeptionellen Durchdringung, seinem terminologischem Wildwuchs und allgemein aufgrund des Überschreitens der „rechtsästhetischen Schmerzgrenze“; Hartmann, Öffentliches Haftungsrecht, S. 145, 199 attestiert dem Staatshaftungsrecht einen insgesamt schlechten Zustand; Stober-VerwR II / Kluth, § 66 Rn. 4 moniert einen Mangel an Geschlossenheit und Systematik; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 8 hält das Staatshaftungsrecht für lückenhaft, unübersichtlich und die Regelungen für nicht
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
93
Rechtssubjekten ein gesteigertes Näheverhältnis besteht, das eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. BGB rechtfertigen soll353. Die Anerkennung, die Tatbestandsmerkmale sowie die Rechtsfolgen der Sekundäransprüche in diesen besonderen, nichtvertraglichen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen sind nicht gesetzlich geregelt und müssen selbst im Vergleich zu der uneinheitlichen Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht als sehr umstritten gelten354. Zwischen Rechtsprechung und Literatur besteht weder bezüglich der Begrifflichkeiten Einigkeit noch in Hinblick auf die Anwendung355. Die Literatur wirft der Rechtsprechung vor, es handle sich um eine reine Zweckschöpfung zur Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften auf eine Pflichtverletzung im Schuldverhältnis im öffentlichen Recht, was die höchstrichterliche Rechtsprechung zuweilen auch unumwunden einräumt356. Die Erschließung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses in der Praxis erfolgte anhand von Einzelfallentscheidungen der obersten Gerichte, die die Anwendbarkeit auf bestimmte Fallgruppen feststellten oder ablehnten357. Die meisten dieser typisierten Anwendungsgruppen, wie beispielsweise die öffentlichrechtliche Verwahrung oder die Anstalts- und Benutzungsverhältnisse, gelten als juristisch überwiegend klar definiert und ausgereift; Fallgruppen wie die öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag oder verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse außerhalb der von der Rechtsprechung inhaltlich typisierten Fallgruppen bereiten jedoch erhebliche Schwierigkeiten bei Anwendbarkeit, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen358. Im Rahmen dieser Untersuchung erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit den Sekundäraufeinander abgestimmt; der Bundestag beschrieb das Staatshaftungsrecht als unübersichtlich und als nicht mehr mit dem modernen Verfassungsverständnis in Einklang zu bringen, BTDrucksache 9/130, S. 1; Morlok, Die Verwaltung 1992, 371 (375) bezweifelt, dass im Staatshaftungsrecht überhaupt von einem System gesprochen werden kann; ähnlich Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 419; Redeker, DÖV 1987, 194 (197); Thieme, DÖV 1996, 757 (763) bezeichnet das geltende Staatshaftungsrecht schlicht als „Trümmerhaufen“. 353 GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 83 f.; Stelkens, DVBl 1998, 300 (303); ähnlich Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 49, der als kennzeichnendes Merkmal des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses die gesteigerte Berücksichtigung der Interessen der jeweils Beteiligten erblickt; zur Kritik der Abgrenzung zum allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnis, Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 6. 354 Eckert, DVBl 1962, 11 (14); Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 19 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 788; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 85; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 130 f.; Stelkens, DVBl 1998, 300 (303); Thieme, DÖV 1996, 757 (762 f.). 355 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 788; Papier, Forderungsverletzung, S. 53 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 48 ff. 356 BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris Rn. 15 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 787. 357 BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 2 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 19; Häberle, BayVBl 1977, 745 (749); Windthorst, JuS 1996, 605; die richterrechtliche Prägung ist Kennzeichen des gesamten Systems der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen, was auch auf das Scheitern des StHG zurückzuführen ist, Treffer, Staatshaftung im Polizeirecht, S. 11. 358 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 402.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
ansprüchen im nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis nur insoweit, als dies die Diskussion des Anwendungsbereiches der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht sowie ihrer Konkurrenzen zu anderen Rechtsinstituten des Staatshaftungsrechts fördert. Betroffen sind nur Sachverhaltskonstellationen, in denen nach Anschauung der Literatur oder Rechtsprechung eine Anwendung der Geschäftsführungsvorschriften in Frage kommt. Setzt die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht voraus, dass ein Geschäftsführer ein fremdes Geschäft führt, so kann dieses Geschäft auch in der Wahrnehmung einer fremden Pflicht liegen. Wird eine Pflicht nicht, nicht rechtzeitig oder nicht wie geschuldet erfüllt, so gibt dies jedoch nicht nur Anlass zur Fremdgeschäftsführung, sondern kann auch eine Pflichtverletzung in einem öffentlichrechtlichen Schuldverhältnis darstellen, was eine Schadensersatzpflicht des Schuldners zur Folge hat359. Die für diese Untersuchung relevante Konstellation lässt sich mit folgender Umschreibung präziser darstellen: Erfolgt eine Schädigung eines der Beteiligten eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses durch einen anderen Beteiligten und ist der Schädiger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, so kann in der Behebung des Schadens durch einen anderen Beteiligten eine Fremdgeschäftsführung zu sehen sein. In dieser Schnittmenge an Fallgestaltungen, die eine Anwendung beider Rechtsinstitute sowie auch des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs nahelegen, sind sodann Anwendungsbereich, Anwendungsvorrang sowie Rechtsfolgen zu untersuchen. Hierfür ist zunächst eine übersichtsweise Darstellung des Rechtsinstituts der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse angezeigt.
II. Umrisse des Rechtsinstituts in Wissenschaft und Praxis Das Schuldverhältnis hat nur im Zivilrecht in den §§ 241 ff. BGB eine Normierung erfahren. Im öffentlichen Recht ist lediglich das vertragliche Schuldverhältnis, der öffentlichrechtliche Vertrag in §§ 54 ff. VwVfG teilweise geregelt; ergänzend verweist § 62 VwVfG auf die Vorschriften des BGB. Das nichtvertragliche verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis wird zwar von § 40 II S. 1 VwGO als bestehend vorausgesetzt, erfuhr aber im VwVfG keine gesetzliche Regelung, obwohl es als Modus öffentlichrechtlicher Verwaltungstätigkeit eigentlich von § 1 VwVfG erfasst ist360. Die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht wird wie die öffentlichrechtliche Verwahrung nach verbreiteter Auffassung ebenfalls unter den Oberbegriff der nichtvertraglichen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse sub-
359 360
Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 378. Janson, DÖV 1979, 696 (704); Scherer, NVwZ 1986, 540.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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sumiert361. Diese besonderen Rechtsbeziehungen zwischen Verwaltungsträgern untereinander oder zu Privatrechtssubjekten zeichnen sich im Vergleich zum allgemeinen, unspezifischen Verhältnis dieser Rechtssubjekte zueinander dadurch aus, dass zwischen ihnen Rechte und Pflichten existieren, die über die generellen, unspezifischen Rechte und Pflichten, die zwischen ihnen jederzeit bestehen, hinausgehen und aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis deshalb die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften zum Schuldverhältnis zumindest teilweise ermöglichen362. 1. Rechtsprechung Die Anerkennung des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses kann in der Rechtsprechung auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entschied das OAG Dresden einen Fall, der heute unter die Fallgruppe der öffentlichrechtlichen Verwahrung zu subsumieren wäre363. Nach einem Aufstand in Dresden 1849 hatten die Einwohner ihre Waffen in amtliche Verwahrung zu geben. Als die Rückgabe erfolgen sollte, waren einige Waffen nicht mehr auffindbar. Das OAG erklärte den Grundsatz des römischen Rechts, wonach der Verwahrer nur für schuldhafte Nichtherausgabe einzustehen habe, für unanwendbar, wenn der Rückgabegläubiger den Verwahrer nicht hatte wählen können. Das Reichsgericht erkannte die öffentlichrechtliche Verwahrung auch unter der Geltung des BGB an und entwickelte die Rechtsfigur weiter364. Die Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen zur Verletzung von schuldrechtlichen Pflichten auf das Beamtenverhältnis im Wege der Analogie hatte das Reichsgericht bereits 1886 bejaht365. Es folgte eine schrittweise Erweiterung der Anwendung durch das Reichsgericht auf öffentlichrechtliche Benutzungs- und Anstaltsverhältnisse und den 361 Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 209 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 278, 282; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 62 ff., 80 ff. 362 Bei derart vager Formulierung herrscht ungeachtet der im Detail sehr umstrittenen Kriterien, Tatbestandsmerkmale und der Herleitung noch weitgehend Einigkeit; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 29 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 170 f.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 83; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 431; Papier, Forderungsverletzung, S. 55, 81 ff.; Schneider, NJW 1962, 705 (707); Staudinger 255 ff. / Schwarze, § 280 B 29; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 49. 363 OAG Dresden, Entscheidung vom 26. 07. 1851, SeuffArch 5, Nr. 135, S. 752; zur Begründung eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis durch richterliche Beschlagnahme, OAG Berlin, Entscheidung vom 30. 03. 1871, SeuffArch 26, Nr. 34, S. 30 f. sowie OAG Kassel, Entscheidung vom 05. 07. 1847, SeuffArch 3, Nr. 327, S. 481. 364 RG, Urteil vom 22. 04. 1902 – VII 51/02, RGZ 51, 219 (220 f.); zur Einlagerung gepfändeter Sachen durch Gerichtsvollzieher, RG, Urteil vom 10. 10. 1934 – V 194/34, RGZ 145, 204 ff. 365 RG, Urteil vom 04. 11. 1886 – Rep. IIIa 193/86, RGZ 18, 173 (174); zur Gegenbewegung in der Rechtsprechung des BGH siehe Pentz, NJW 1960, 85.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Strafvollzug366. 1920 schließlich erkannte das Reichsgericht in dem Fernsprechbenutzungsverhältnis zwischen Fernsprechteilnehmer und dem Deutschen Reich ein nichtvertragliches, öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis, das aufgrund eines auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgedankens die Haftung eines Beteiligten für eine Pflichtverletzung ermöglicht367. Damit war nunmehr auch außerhalb der vorgenannten besonderen, originär zivilrechtlichen Schuldverhältnisse wie dem Verwahrungsvertrag eine Übertragbarkeit der allgemeinen schuldrechtlichen Haftung aufgrund von Pflichtverletzungen in das öffentliche Recht höchstrichterlich bestätigt worden. Es fällt auf, dass in diesen Entscheidungen keine konkreten Voraussetzungen für das Vorliegen des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses aufgestellt wurden, der Begründungsaufwand sich vielmehr auf den Verweis der Vergleichbarkeit der Interessenlagen beschränkte368. Nachkonstitutionell wurde die Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Schuldrechts auf öffentlichrechtliche Verhältnisse als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens vom BGH als auch vom BVerwG ohne weiteres bestätigt369. Der Anwendungsbereich des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses wurde in den folgenden Jahrzehnten fortlaufend erweitert370. Im Rahmen der Anstalts- und Benutzungsverhältnisse wurden verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse für das Verhältnis zwischen Kanalanschlussnehmern und dem Träger der Einrichtung, für das Verhältnis zwischen einem Wasser- und Bodenverband oder einem Entwässerungsverband zu einem Mitglied, für die Rechtsbeziehungen eines Anschlussinhabers der gemeindlichen Wasserversorgung zur Gemeinde sowie für die Rechtsbeziehungen der Träger der öffentlichen Wasserversorgung mit den Anschlussinhabern
366
RG, Urteil vom 06. 05. 1920 – VI 455/19, RGZ 99, 96 (99) ging von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit auf Wasserwerke, Gasanstalten, Elektrizitätswerke und Badeanstalten aus und bejahte Ersatzansprüche aufgrund der Lieferung bleiverseuchten Leitungswassers; zur öffentlichrechtlichen Rechtsnatur von Krankenbehandlungen im Strafvollzug, gleichwohl den Ersatzanspruch verneinend, RG, Urteil vom 23. 01. 1912 – Rep. III. 197/11, RGZ 78, 325 (328). 367 RG, Urteil vom 20. 04. 1920 – III 422/19, RGZ 98, 341 (343). 368 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 107, 145. 369 Zum Strafgefangenenverhältnis, welches nach Ansicht des Gerichts aber kein öffentlichrechtliches Schuldverhältnis darstelle mit der Folge, dass nur die subsidiären Amtshaftungsansprüche für Pflichtverletzungen des Verwaltungsträgers eingreifen, BGH, Urteil vom 09. 07. 1956 – III ZR 320/54 –, juris Rn. 11 f.; zur öffentlichrechtlichen Verwahrung, BGH, Urteil vom 12. 04. 1951 – III ZR 87/50 –, juris Rn. 4 ff.; OLG Schleswig, Urteil vom 06. 05. 1999 – 11 U 209/96 –, juris Rn. 2 ff. 370 Die Anwendung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses bejahend für das Rechtsverhältnis Schulträger zum Schüler, BGH, Urteil vom 16. 04. 1964 – III ZR 83/63 –, juris; a.A. noch, wenn auch für die umgekehrte Anspruchsrichtung, BGH, Urteil vom 27. 06. 1963 – III ZR 5/62 –, juris; zuletzt offen gelassen, VG Berlin, Urteil vom 10. 06. 2016 – 3 K 817.15 –, juris Rn. 23; siehe hierzu auch Zuleeg, DÖV 1970, 627 (630); zur Haftung des gemeindlichen Schlachthofträgers für mangelhafte bauliche Beschaffenheit der Einstellplätze, BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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angenommen371. Zuletzt fielen in der Rechtsprechung erneut deutliche Tendenzen zur Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf372. Abgelehnt wurde das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis von der nachkonstitutionellen Rechtsprechung unter anderem für das Strafgefangenenverhältnis, das Rechtsverhältnis des ehrenamtlichen Mitglieds eines studentischen Sprecherrats zum Träger der Hochschule, für die Rechtsbeziehungen eines Pflegekindes zum Träger des Jugendamtes nach Zuweisung zu einer Pflegefamilie sowie für das Rechtsverhältnis zwischen den Trägern der Finanzbehörden und ertragssteuerberechtigten Gemeinden373. 371
Zum Kanalanschluss, BGH, Urteil vom 30. 09. 1970 – III ZR 87/69 –, juris; BGH, Urteil vom 27. 01. 1983 – III ZR 70/81 –, juris; BGH, Urteil vom 07. 07. 1983 – III ZR 119/82 –, juris; BGH, Urteil vom 11. 07. 1991 – III ZR 177/90 –, juris; BVerwG, Urteil vom 01. 03. 1995 – 8 C 36/92 –, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 09. 11. 1990 – 8 S 1595/90 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 10. 10. 1997 – 22 A 2742/94, NWVBl 1998, 198; OVG Münster, Urteil vom 24. 03. 1987 – 22 A 893/85 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 23. 05. 1997 – 22 A 302/96 –, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris; VGH München, Urteil vom 04. 08. 2005 – 4 B 01.622 –, juris; VG Köln, Urteil vom 30. 01. 2001 – 14 K 7566/95 –, juris; zu unsachgemäßen Meliorationsmaßnahmen eines Wasser- und Bodenverbandes, BGH, Urteil vom 05. 03. 1987 – III ZR 265/85 –, juris; zur Unterbrechung der Wasserversorgung durch einen Wasserverband, BGH, 08. 03. 2007 – III ZR 55/06 –, juris; zum Wasserverlust einer Gemeinde aufgrund einer defekten Leitung eines Anschlussinhabers, VGH Mannheim, Urteil vom 11. 12. 1981 – II 1716/79, VBlBW 1982, 369; zur unsachgemäßen Errichtung einer Abwasseranlage durch eine Gemeinde, BGH, Urteil vom 28. 10. 1976 – III ZR 155/74 –, juris; zu einer vom Entwässerungsverband verursachten Überschwemmung der landwirtschaftlich genutzten Flächen eines Mitglieds, BGH, Urteil vom 22. 11. 2007 – III ZR 280/06; zur Lieferung ungeeigneten Wassers durch eine Gemeinde, BGH, Urteil vom 02. 03. 1977 – VIII ZR 209/75 –, juris; BGH, Entscheidung vom 04. 10. 1972 – VIII ZR 117/71 –, juris; BGH, Urteil vom 09. 05. 1955 – II ZR 31/54 –, juris; siehe hierzu auch Rüfner, DÖV 1973, 808. 372 Zur Beschädigung der Bahnanlagen eines Eisenbahnunternehmens durch Baumaßnahmen der straßenbaulastpflichtigen Gemeinde im Bereich einer Eisenbahnkreuzung, BGH, Urteil vom 11. 01. 2007 – III ZR 294/05 –, juris; zum Betreiben eines Abwasserkanals auf einem fremden Grundstück aufgrund eines Kanalrechts, OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. 01. 2007 – 4 U 314/06 –, juris; zur Anerkennung als Beschäftigungsstelle für Zivildienstleistende, BGH, Urteil vom 05. 07. 1990 – III ZR 166/89 –, juris; BGH, Urteil vom 15. 05. 1997 – III ZR 250/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 29. 04. 2004 – 2 C 2/03 –, juris; die Rechtsprechung des BGH zum Schulverhältnis aus den 60er Jahren weiterentwickelnd durch Einbeziehung der Sorgeberechtigten ins verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis, VG Dresden, Urteil vom 29. 10. 2015 – 5 K 2394/14 -, juris; skeptisch hierzu, VG Berlin, Urteil vom 10. 06. 2016 – 3 K 817.15 –, juris Rn. 23; zur Wohnungseinweisung einer von Obdachlosigkeit bedrohten Person im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zwischen einweisender Behörde und Wohnungseigentümer, BGH, Beschluss vom 21. 12. 2005 – III ZR 148/05 –, juris; BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris hatte dieses Rechtsverhältnis noch als eine Art öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis verstanden; zur Friedhofsbenutzung, LG Aurich, Urteil vom 28. 06. 2016 – 3 O 178/16 –, juris Rn. 18 ff. 373 Zum Strafgefangenenverhältnis unter Verneinung einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke, BGH, Urteil vom 09. 07. 1956 – III ZR 320/54 –, juris; zu Pflichtverletzungen eines ehrenamtlichen Mitglieds eines studentischen Sprecherrats gegenüber dem Träger der Hochschule, BVerwG, Urteil vom 03. 04. 1996 – 6 C 5/94 –, juris; ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis eines Pflegekindes zum Träger des Jugendamtes, das seine Unterbringung in
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Die Bestrebungen der Rechtsprechung, neue Anwendungsbereiche für das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis zu erschließen und Fallgestaltungen öffentlichrechtlicher Nähebeziehungen, in denen zumindest partiell Regelungslücken vorliegen, möglichst flexibel anhand des bewährten zivilrechtlichen Schuldrechts zu lösen, zeigt nicht nur die hohe und weiter wachsende Praxisrelevanz des Rechtsinstituts, sondern auch die Abkehr der Rechtsprechung von dem insbesondere aufgrund des Verweisungsprivilegs des § 839 I S. 2 BGB als veraltet und ineffektiv empfundenen Amtshaftungsanspruch374. Diese richterrechtliche Entwicklung des Rechtsinstituts anhand von Fallgruppen unter Berücksichtigung der Einzelfallgerechtigkeit zeigt sich deutlich in der fehlenden Präzision der Tatbestandsmerkmale, die für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses durch die Rechtsprechung gefordert werden. Grundsätzlich verlangt der BGH ein besonders enges Verhältnis des Einzelnen zum Staat und ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung375. Diese Definition ist bis heute ohne wesentliche Einschränkungen nach wie vor gültig, wenngleich zunehmend darauf abgestellt wird, ob zwischen den Beteiligten eine besonders enge, mit einem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Beziehung besteht376. Allein eine dem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Korrelation zwischen Anspruch und Pflicht innerhalb einer schuldrechtsähnlichen Nähebeziehung im öffentlichen Recht reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht aus. Der BGH argumentiert ergebnisorientiert, verlangte in früheren Judikaten noch eine Hauptpflicht des Verwaltungsträgers in Gestalt einer Fürsorgepflicht, gab dieses Merkmal in neuerer Rechtsprechung jedoch zu Gunsten einer weitgehend auf Billigkeitskriterien ge-
der Pflegefamilie veranlasst hat, ablehnend für den Fall einer Gesundheitsschädigung des Pflegekindes durch die Pflegefamilie, BGH, Urteil vom 23. 02. 2006 – III ZR 164/05 –, juris; zum Rechtsverhältnis der ertragssteuerberechtigten Gemeinden zu den Trägern der Finanzbehörden, BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris. 374 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 19, 248 ff. stellt die hohe praktische Relevanz der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse bei mangelnder systematischer, methodischer und dogmatischer Aufarbeitung fest; zur Aufweichung des Verweisungsprivilegs in der Rechtsprechung, Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 261 ff.; zum Sinnverlust des Verweisungsprivilegs, Hartmann, Öffentliches Haftungsrecht, S. 158 f.; zum Bedürfnis einer effektiveren Haftung der Verwaltungsträger als der Amtshaftung bei dichteren Rechtsbeziehungen, Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 403; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 78 f.; Schneider, NJW 1962, 705 (707); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 1; zu den Rechtsschutzdefiziten des Amtshaftungsanspruchs in Gestalt der für den Bürger schwer zu durchschauenden Passivlegitimation, Schoch, JURA 1988, 648 (653). 375 Zum Beamtenverhältnis als Fürsorge- und Treueverhältnis besonderer Prägung, das die Anwendung der zivilrechtlichen Haftung aus Schuldverhältnis aufgrund eines allgemeinen Rechtsgedankens ermöglicht, BVerwG, Urteil vom 24. 08. 1961 – II C 165.59 –, juris Rn. 22 ff. 376 BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 26; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 44.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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stützten Abwägung im Einzelfall auf377. Nach Auffassung der Rechtsprechung kann ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis sowohl durch Verwaltungsakt als auch aufgrund schlicht-hoheitlichen Handelns begründet werden378. Der Verwaltungsträger nimmt in den Fällen schlicht-hoheitlichen Handelns seine Regelungsbefugnis nicht in Anspruch, setzt also nicht einseitig und verbindlich Rechtsfolgen, sondern agiert insbesondere durch Realakte379. Es lässt sich festhalten, dass die sachliche Erweiterung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts im Ergebnis auf Kosten der dogmatischen und systematischen Klarheit erfolgte. 2. Literatur Das Meinungsbild in der Literatur zum Entstehungsgrund und der praktischen Anwendung des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses ist heterogen. Innerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten, typisierten Fallgruppen der öffentlichrechtlichen Verwahrung und des Benutzungsverhältnisses fällt die Kritik entweder zurückhaltend aus oder die Anwendung wird von Seiten der Wissenschaft kritiklos hingenommen oder sogar ausdrücklich begrüßt380. 377 Janson, DÖV 1979, 696 (697); Papier, Forderungsverletzung, S. 55; kritisch hierzu Vogel, Gefahrenabwehr, S. 646 f.; der BGH versagte dem Strafgefangenenverhältnis in seinem Urteil vom 09. 07. 1956 die Qualifizierung als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis mit der Begründung, die Fürsorge für das Wohl des Strafgefangenen sei nur eine Nebenpflicht, BGH, Urteil vom 09. 07. 1956 – III ZR 320/54 –, juris Rn. 11 f.; das Erfordernis der Fürsorgepflicht als Hauptpflicht hat der BGH für das Schulverhältnis ablehnend zunächst noch beibehalten, BGH, Urteil vom 27. 06. 1963 – III ZR 5/62 –, juris Rn. 4 ff.; im Jahr 1973 verzichtete der BGH für das Verhältnis eines kommunalen Schlachthofs zu den Benutzern auf dieses Kriterium, BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris Rn. 14 ff.; mittlerweile muss davon ausgegangen werden, dass der BGH diese Voraussetzung aufgegeben hat, da er das Rechtsverhältnis eines Pflegekindes zum Jugendamt, das ausdrücklich gesetzlich gemäß § 42 II S. 3 SGB VIII zur Fürsorge für das Wohl das Pflegekindes verpflichtet ist, zur Haftungsbegründung im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses ohne dogmatisch tragfähige Begründung allein aufgrund von Billigkeitskriterien nicht ausreichen ließ, BGH, Urteil vom 23. 02. 2006 – III ZR 164/05 –, juris Rn. 17 f. 378 BGH, Urteil vom 05. 07. 1990 – III ZR 166/89 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 15. 05. 1997 – III ZR 250/95 –, juris Rn. 7 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. 03. 1998 – 2 C 6/97 –, juris Rn. 15 ff. 379 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 247 f.; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (685). 380 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 402; für die genannten Fallgruppen begnügt sich die Literatur oft mit der allgemeinen Feststellung, die entsprechenden Zivilrechtsvorschriften seien auf vertragsähnliche Sonderbeziehungen im öffentlichen Recht anwendbar, Geis, Die Schuldrechtsreform und das Verwaltungsrecht, NVwZ 2002, 385 (390); Erichsen, VerwArch 1974, 219 (220); Kunig, DVBl 1992, 1193 (1201); Stober-VerwR III / Müller, § 88 Rn. 92; Götz, JuS 1971, 349 (350) mit der These, bei der öffentlichrechtlichen Verwahrung und den öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnissen befände man sich auf völlig gesichertem Boden der Anwendung „schuldrechtsähnlicher“ Haftung nach BGB-Vorschriften; zur Anwendung im Sozialrecht, Rüfner, JuS 1981, 259 (262); zur Anwendung auf öffentlichrechtliche Benutzungsverhältnisse, Tiemann, BayVBl 1974, 57 (60); zu den erkennbaren Parallelen des besonderen Gewaltverhältnisses zum Verwaltungsrechtsverhältnis, Tiemann, VerwArch 1974,
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Steht aber die generelle Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen oder besonderen Schuldrechts im öffentlichen Recht zur Diskussion, sieht sich die Rechtsprechung schwerwiegender Kritik der Literatur ausgesetzt381. Simons wendet ein, die vom BGH definierte Anforderung an das Rechtsverhältnis in Gestalt einer als Hauptpflicht zu qualifizierenden Fürsorgepflicht der Behörde sei nicht begründbar382. Vielmehr sei zu fordern, dass die Sonderrechtsbeziehung Leistungspflichten von Vermögenswert umfasst383. Maurer kritisiert das Erfordernis des engen Verhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung als generell ungeeignet zur Bestimmung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses384. Stelkens hält das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis für eine Zweckschöpfung der Rechtsprechung, die sich auch in Zukunft einer Definition entziehen werde385. Bamberger interpretiert das Kriterium des engen Verhältnisses zwischen den Parteien dahingehend um, dass die Parteien des Rechtsverhältnisses in Verfolgung eines gemeinsamen Ziels zusammenwirken und ihnen hieraus schuldrechtsähnliche Pflichten entstehen müssten, was einer Annäherung an gesellschaftsrechtliche Vorstellungen und einer weitgehenden Abkehr von den Maßstäben der Rechtsprechung gleichkommt386. Morlok stellt die entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB im öffentlichen Recht in Frage und befürwortet ein originär öffentlichrechtliches Haftungsinstitut387. Von anderen wird für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses gefordert, dass das öffentlichrechtliche Rechtsverhältnis vertragsähnlich sei388. Eine herrschende Meinung zur Eingrenzung und Definition der Tatbestandsmerkmale des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses hat sich nicht herausgebildet389. Dies hat seine Ursache auch darin, dass bereits bei der grundlegenden Frage, ob ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis nur bei schlicht-hoheitlicher Verwaltung entstehen kann oder ob auch hoheitliche Maßnahmen der Verwaltungsträger
381 (383 f.); Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 ff.; ders., VerwArch 1982, 245 (251 ff.); ders., DÖV 1984, 781 (782). 381 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 146 ff.; zustimmend, Janson, DÖV 1979, 696 (697). 382 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 83; ähnlich Papier, Forderungsverletzung, S. 54 mit dem Vorwurf, dieses Kriterium sei bereits im Ansatz verfehlt. 383 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 59. 384 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 788; ähnlich MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 76; a.A. Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 51 f., die die Kriterien des BGH für genügend erachtet. 385 Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 443; ähnlich Windthorst, JuS 1996, 605, der anführt, der BGH vermische Tatbestand und Rechtsfolgen. 386 Bamberger, JURA 2002, 35 (36). 387 GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 86. 388 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 433. 389 Bamberger, JURA 2002, 35 (36); Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 19 ff.
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ein solches herbeiführen können, Uneinigkeit besteht390. Für das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis hat die Wissenschaft kein dogmatisch ausreichend fundiertes und allgemein anerkanntes Anwendungskonzept geschaffen, auf das sich diese Untersuchung stützen könnte391. In der Folge sind deshalb zunächst der Anwendungsbereich, der Tatbestand und die Rechtsfolgen des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses zu bestimmen.
III. Eigene Konzeption des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses 1. Begrifflichkeiten a) Verwaltungsrechtsverhältnis und verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis Vom verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zu unterscheiden ist das Verwaltungsrechtsverhältnis. Ist das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis vom Gesetz nur vorausgesetzt, so wird das Verwaltungsrechtsverhältnis in § 54 S. 1 VwVfG und § 43 I VwGO in Verbindung mit § 40 VwGO ausdrücklich benannt392. Das Verwaltungsrechtsverhältnis hat seine Prägung durch die Rechtsprechung erhalten, die bestimmte Rechtsverhältnisse als feststellungsfähig im Sinne des § 43 I VwGO erachtete393. Für ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist die Bezeichnung als Verwaltungsrechtsverhältnis naheliegend, da auch § 37 I AO für das Steuerrecht von einem Steuerschuldverhältnis spricht394. Eine klare Abgrenzung des Verwaltungsrechtsverhältnisses vom verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis scheitert daran, dass der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtsverhältnisses kaum definiert ist und auch verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse einschließen soll395. Bull und 390 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 373; Papier, Forderungsverletzung, S. 64 ff. lehnt eine Beschränkung auf schlicht-hoheitliche Verwaltungsmaßnahmen ab; zustimmend Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 53 f.; a.A. Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 59; sowie Janson, DÖV 1979, 696 (697). 391 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 94 f., 129; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 443. 392 Gröschner, Die Verwaltung 1997, 301; Pietzcker, Die Verwaltung 1997, 281 (283). 393 Pietzcker, Die Verwaltung 1997, 281 (283 f.); Gröschner, Die Verwaltung 1997, 301 (304 f.); zum Verhältnis des überkommenen besonderen Gewaltverhältnisses zum Verwaltungsrechtsverhältnis und seinem Anteil an der Entwicklung eines vollwertigen Verwaltungsrechtsschutzes, Ule, VVDStRL 15, 133 (141 ff.). 394 Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 45 betrachtet das Steuerschuldverhältnis als Unterfall des Verwaltungsrechtsverhältnisses. 395 Krause, VVDStRL 45, 212 (229 ff.); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 148 ff., 355 f.; Staudinger 241 ff. / Olzen, Einl zum SchuldR Rn. 275; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 3; ähnlich auch Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 431; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 83 unterscheidet zwischen allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechtsverhältnissen,
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Mehde verwenden den Begriff des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses erst gar nicht und bezeichnen die verwaltungsrechtliche Sonderverbindung ausschließlich als Verwaltungsrechtsverhältnis396. Teilweise wird die Existenzberechtigung des Verwaltungsrechtsverhältnisses aber auch generell bestritten, da es zur Regelung öffentlichrechtlicher Rechtsverhältnisse wegen seines hohen Abstraktionsgrades keine sachdienlichen und dogmatisch tragbaren Lösungen anbiete und auch ansonsten der Praxis keine Hilfestellung sei397. Gröschner sieht das Verwaltungsrechtsverhältnis dann auch sehr abstrakt nur als Grundlage von Ansprüchen und definiert es schlicht als verwaltungsrechtlich geregelte Beziehung zwischen Rechtssubjekten398. Dieser Definition ist kaum materieller Gehalt zu entnehmen und auch die Rechtsfolgen bleiben unbestimmt399. Die Benennung des Rechtsinstituts, nach dem Verwaltungsträger oder Privatrechtssubjekt für fehlerhafte oder unterlassene Pflichterfüllung haften, ist irrelevant, denn nach dem Wortlaut schließt weder der Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses noch der des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses Sekundäransprüche in verwaltungsrechtlichen Sonderverbindungen aus. Ein Rechtsinstitut, das die Rechtsfolgen der Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht regelt, wird in Anlehnung an die zivilrechtliche Systematik und den Wortlaut des § 241 BGB gleichwohl präziser als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis bezeichnet400. Da das Ziel eines Schuldverhältnisses stets die wobei die verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse eine Untergruppe der besonderen Verwaltungsrechtsverhältnisse darstellen sollen; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (384) versteht das Verwaltungsrechtsverhältnis wie andere Autoren das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis als eine „schuldrechtsähnliche Sonderverbindung“; zur Rechtsvergleichung mit schweizerischem Recht, Fleiner-Gerster, VVDStRL 45, 152 ff. 396 Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 141 ff. 397 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 50 f.; Pietzcker, Die Verwaltung 1997, 281 (299); Stober-VerwR I / Stober, § 32 Rn. 38; Schulte, DVBl 1988, 512 (514) erachtet es als Vorzug der Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis, dass sie entwicklungsoffen sei und die Integration verschiedenster dogmatischer Einzelfragen ermögliche, wobei er aber einräumen muss, dass die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses sich nach den jeweils einschlägigen Normen bestimmt und verallgemeinerungsfähige Aussagen über Rechte und Pflichten abstrakt nicht möglich sind. 398 Gröschner, Die Verwaltung 1997, 301 (310, 319); ähnlich Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 (539 f.), der zwar die These aufstellt, um die Systematisierung des Verwaltungsrechtsverhältnisses sei es nicht so schlecht bestellt wie befürchtet, diese aber mit der Einschränkung relativiert, in weiten Bereichen entfalte das Verwaltungsrechtsverhältnis allenfalls heuristische Funktionen; Krause, AöR 1974, 664 attestiert dem Gesetzgeber im Bereich der Verwaltungsverhältnisse von der Rechtsdogmatik im Stich gelassen zu sein. 399 Ehlers, DVBl 1986, 912 mit der Feststellung, dass dem verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnis kaum Folgerungen zu entnehmen seien, die über die Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis und die Feststellbarkeit des Rechtsverhältnisses mittels Klage gemäß § 43 VwGO hinausgehen, Stober-VerwR I / Stober, § 32 Rn. 38 mit der Erkenntnis, die Rechtsverhältnislehre könne Probleme zwar sichtbar machen, aber nicht lösen und würde aufgrund fortschreitender Privatisierung weiter an Bedeutung verlieren. 400 So auch, Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 2; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 17 f.; grundlegend hierzu Friedrichs, ArchBR 1916, 28 (30 ff.); Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 56; ähnlich mit der Einschränkung,
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Verwirklichung des Leistungserfolges ist, wird es gestört, wenn die Verwirklichung des Leistungserfolges beeinträchtigt wird; es liegt eine Leistungsstörung vor401. Der häufigste Unterfall der Leistungsstörung ist die Pflichtverletzung402. b) Schuldverhältnis im engeren oder weiteren Sinne Nach der zivilrechtlichen Systematik wird zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und dem im weiteren Sinne unterschieden. Das einzelne Forderungsrecht, nach dem der Gläubiger vom Schuldner gemäß § 241 I S. 1 BGB eine bestimmte Leistung verlangen kann, formt das Schuldverhältnis im engeren Sinne403. Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne fasst mehrere Forderungen zusammen, die im Rahmen einer Rechtsbeziehung zwischen denselben Personen aber nicht notwendigerweise mit derselben Anspruchsrichtung bestehen, also auch etwaige Gegenleistungspflichten sowie Nebenpflichten und Schutzpflichten404. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Haftung für die Verletzung von Pflichten in verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen, nicht die Ermittlung der Voraussetzungen unter denen im Verwaltungsrecht Sonderrechtsbeziehungen zustande kommen oder der Pflichtenkreis im Rahmen solcher Beziehungen. Nach zivilrechtlichen Maßstäben ist somit das Schuldverhältnis im engeren Sinne unter Einbeziehung der Sekundärebene betroffen. Die Frage, ob es im Verwaltungsrecht ein nichtvertragliches Schuldverhältnis im weiteren Sinne gibt und nach welchen Vorschriften dieses zu behandeln ist, kann im Rahmen der nachfolgenden Erläuterungen offenbleiben. 2. Anwendungsbedarf im Allgemeinen Das geschriebene Verwaltungsrecht enthält keine Normen, die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen in verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnissen bei schlichthoheitlichem Tätigwerden der Verwaltung bestimmen405. Lassen sich die Primärdass es sich bei den geschuldeten Leistungen um solche handeln müsse, denen ein Vermögenswert zukommt, Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 238. 401 Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, S. 13; Stoll, AcP 1932, 257 (287 f.). 402 Stoll, AcP 1932, 257 (290); wenig überzeugend Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 105, der die Forderungsverletzung als Oberbegriff aller Leistungsstörungen sieht und sich auf S. 121 scheinbar widerspricht, wenn er den Wegfall der Verwaltungsgrundlage ebenfalls als Leistungsstörung ansieht, obwohl diese keine Pflichtverletzung darstellen kann; unklar hierzu, Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 132. 403 Ehlers, DVBl 1986, 912 (914); Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 158 ff. 404 BGH, Urteil vom 11. 11. 1953 – II ZR 181/52 –, juris Rn. 10; FS-Wiegand / Bucher, S. 114 ff.; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 158 ff.; Staudinger 241 ff. / Olzen, § 241 Rn. 36 ff. 405 Krause, VVDStRL 45, 212 (223); Gries / Willebrand, JuS 1990, 103; insoweit ist der bereits zu Zeiten der Weimarer Republik kritisierte Entwicklungsrückstand des Verwaltungsrechts nach wie vor nicht behoben, Jaschkowitz, JW 1928, 1024; zu dem besonderen verwal-
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
pflichten in verwaltungsrechtlichen Rechtsbeziehungen dem geschriebenen Verwaltungsrecht noch entnehmen, besteht für die Sekundärebene nach überwiegender Ansicht der Wissenschaft eine Regelungslücke, sobald Leistungsstörungen bei verwaltungsrechtlichen Pflichten eintreten406. Die Regelungslücke beschränkt sich für die Haftung der Verwaltungsträger gegenüber dem Bürger aber auf schlichthoheitliches Handeln407. Der Begriff des schlicht-hoheitlichen Handelns wird hierbei als Verwaltungshandeln ohne Regelungswirkung im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG verstanden408. Die Abgrenzung zum fiskalischen Handeln der Verwaltungsträger, das rein privatrechtlich zu beurteilen und nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist, erfolgt anhand der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie. Der Anwendungsbereich ist damit synchron zu demjenigen der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht. Betroffen sind nach der hier vertretenen Auffassung somit nicht originär privatrechtlich zu beurteilende Realakte der Verwaltungsträger, die für sich genommen haftungsbegründend wirken. Agiert ein Verwaltungsträger gegenüber einem Rechtssubjekt mit regelnden Instrumenten, insbesondere durch Verwaltungsakte, so besteht kein Bedarf für die Anwendung des privatrechtlichen Schuldrechts, weil die Rechtsfolgen rechtswidrigen Verwaltungshandelns in diesem Bereich gesetzlich abschließend geregelt sind409. Ist ein regelnder Verwaltungsakt rechtswidrig und an sich haftungsbegründend, so hat das potentiell geschädigte Rechtssubjekt fristgerecht Anfechtungsklage zu erheben, um die schädigenden Wirkungen des Vollzugs durch gerichtliche Aufhebung abzuwenden. Erfolgt die gerichtliche Aufhebung, so fehlt es für die Vollstreckung an einem wirksamen Verwaltungsakt410 ; ist der Verwaltungsakt bereits vollzogen, so kann das Rechtssubjekt im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung gemäß § 113 I S. 2 VwGO die tungsrechtlichen Schuldverhältnis der öffentlichrechtlichen Verwahrung, Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 29. 406 Bamberger, JURA 2002, 35; Janson, DÖV 1979, 696 (698); Meyer, NJW 1977, 1705 (1710); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 148, 212 ff., 288; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 19 f. 407 Ähnlich de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 348, der die Haftung für Leistungsstörungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis dergestalt einschränken will, dass eine Anwendung dort nicht in Betracht käme, wo Verwaltungsträger Leistungen erbringen, die nur sie überhaupt erbringen können wie den Erlass einer Baugenehmigung, was einer Beschränkung auf schlicht-hoheitliche Verwaltung im Ergebnis gleichkommt; a.A. für das besondere Schuldverhältnis der GoA im öffentlichen Recht, Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 119 ff. 408 OLG Celle, Urteil vom 26. 10. 1967 – 3 U 34/67, VersR 1968, 76; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 21 ff.; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (685); Stober-VerwR I / Stober, § 23 Rn. 76 ff. 409 Dies ist umstritten, siehe Fn. 390, 407; siehe hierzu Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 53 ff. mit dem kaum überzeugenden Argument, fürsorgerisches oder pflegerisches Verwaltungshandeln wäre das allgemein anerkannte Kriterium verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse und ein solches Verwaltungshandeln könne auch nicht schlichthoheitlich erfolgen. 410 Für die Rechtslage in Bayern siehe Art. 43 II BayVwVfG in Verbindung mit Art. 19 I, 22 Nr. 2 BayVwZVG.
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Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen411. Wird ein nicht nichtiger Verwaltungsakt jedoch nicht angefochten oder anderweitig aufgehoben und deshalb bestandskräftig, so kann das Rechtssubjekt aus dem Vollzug keine Ersatzansprüche ableiten und hat ihn hinzunehmen412. Das regelnde Verwaltungshandeln kann in Folge dessen nicht unmittelbar Anwendungsbedarf für eine schuldrechtliche Haftung im öffentlichen Recht generieren. Ein solcher kann aber mittelbar entstehen, wenn der Verwaltungsträger seiner Vollzugsfolgenbeseitigungspflicht nicht, nicht rechtzeitig oder nicht wie geschuldet nachkommt und das Rechtssubjekt die Vollzugsfolgen daraufhin selbst beseitigt413. In solchen Fällen kann, wie im Einweisungsfall des BGH, auch ein Amtshaftungsanspruch gegen den Verwaltungsträger bestehen; ein solcher hat gegenüber einer entsprechenden schuldrechtlichen Haftung aber die Nachteile des Verweisungsprivilegs gemäß § 839 I S. 2 BGB, des Erfordernisses der Drittgerichtetheit der Amtspflicht des Beamten, der Behauptungs- und Beweislast bezüglich dem Verschulden des Beamten, strikterer Regelungen zur Verhaltenszurechnung Dritter im Vergleich zu § 278 BGB sowie der Sonderregel zum mitwirkenden Verschulden des Geschädigten in § 839 III BGB414. Zum Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch oder dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch besteht nach Selbstvornahme der Folgenbeseitigung durch das Rechtssubjekt kein Konkurrenzverhältnis, da der Folgenbeseitigungsanspruch als Umkehrung des Vollzuges nur Anspruch auf Herstellung des 411 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 818 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 366 ff.; Stelkens, Verwaltungsverfahren, S. 28; § 113 I S. 2 VwGO normiert den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch nicht, sondern setzt ihn voraus, GVwR III / Enders, § 53 Rn. 6; der genaue Umfang der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist umstritten, da richtigerweise eingewandt wird, der frühere Zustand sei nie vollständig wiederherzustellen; Bumke, JuS 2005, 22 (24) geht zutreffend davon aus, dass ein am Einzelfall zu ermittelnder, funktional gleichwertiger Zustand wiederherzustellen sei. 412 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 380. 413 Die Möglichkeit der Entstehung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses sowohl durch regelndes als auch durch schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln wird allgemein anerkannt, GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 89; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 2; StoberVerwR I / Stober, § 55 Rn. 9; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 67, 71. 414 Es erscheint kaum verständlich, dass der BGH im Einweisungsfall zwar ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis in Gestalt der öffentlichrechtlichen Verwahrung annahm, eine Pflicht des Verwaltungsträgers zur Freimachung der Wohnung aufgrund der Folgenbeseitigungslast ausdrücklich bejahte, Schadensersatz aber nur aufgrund der Amtshaftung gewährte ohne Ansprüche aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis auch nur zu erwähnen, wobei die Sonderregel des § 839 III BGB nach der Ansicht des BGH nur aufgrund des sehr fragwürdigen Arguments fehlender Zumutbarkeit des Rechtsschutzes nicht eingriff, BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris; zu den Vorteilen der Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis siehe Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 374; Bull/ Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 143; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18; Janson, DÖV 1979, 696 (700 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 673 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 376 f.; Pauly/Beutel, DÖV 2013, 445 (450 f.); Schoch, JURA 1988, 648 ff.; Zuleeg, DÖV 1970, 627 (630); a.A. Krause, VVDStRL 45, 212 (230); zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, BGH, Urteil vom 10. 12. 1987 – III ZR 206/86 –, juris Rn. 13 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
ursprünglich vorhandenen Zustandes gewährt, keinesfalls jedoch Aufwendungsoder Schadensersatz415. In der Fallgruppe 3 besteht somit Anwendungsbedarf. In Fallgruppe 4 besteht grundsätzlich Anwendungsbedarf für die Fälle der Übernahme öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, insbesondere im Fall der Beleihung. Da in Fallgruppe 4 ein Konkurrenzverhältnis zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht möglich erscheint, sind weitere Ausführungen im Rahmen dieser Untersuchung nicht erforderlich416. Für die Fallgruppen 1 und 2 erscheint eine Anwendung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Handeln Verwaltungsträger außerhalb spezialgesetzlicher Regelung schlicht-hoheitlich gegenüber anderen Verwaltungsträgern, so stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen im Falle von Pflichtverletzungen ebenso wie in Sachverhaltskonstellationen, in denen ein Privatrechtssubjekt im Rahmen einer gesteigerten Nähebeziehung zum Staat, aber außerhalb einer ihm hoheitlich auferlegten Pflicht tätig wird, eine Pflicht verletzt und der Staat Ersatzansprüche geltend macht. 3. Subjektive Determination Anwendungsbedarf für sich genommen rechtfertigt keine entsprechende Anwendung zivilrechtlicher Normen in Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht. Steht zwingendes öffentliches Recht einer entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Haftungsnormen entgegen, kommt unabhängig vom Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage eine Anwendung aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorrang oder Vorbehalt des Gesetzes nicht in Betracht417. Andererseits kann geltendes Recht auch eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen verlangen, um Rechtsschutzdefizite auszugleichen. Diese Fragen sind für die eingangs differenzierten Fallgruppen unter Berücksichtigung der beteiligten Rechtssubjekte zu beantworten. a) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) Für Fallgruppe 1 wurde von Stelkens vertreten, dass eine Haftung zwischen Verwaltungsträgern aufgrund von Pflichtverletzungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis jedenfalls dann mangels Regelungslücke nicht in Betracht käme, wenn zwischen ihnen nur Rechtsbeziehungen bestehen, die ausschließlich zwischen Verwaltungsträgern bestehen können und die Rechtsfolgen abschließend geregelt sind418. Diese Auffassung ist zustimmungswürdig, denn der Grundsatz der Spezia415 Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 128; Janson, DÖV 1979, 696 (699); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 378 f. 416 Eine verbreitete Auffassung hält die Beteiligung eines Verwaltungsträgers für die Qualifikation eines Rechtsverhältnisses als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis für erforderlich, Ehlers, DVBl 1986, 912 (913). 417 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 291, 360. 418 Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 444.
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lität der auf solche Fälle anzuwendenden Rechtsnormen bedeutet auch einen Anwendungsvorrang vor dem nur entsprechend anwendbaren und abstrakter formulierten zivilrechtlichen Schuldrecht. Problematischer erscheinen Sachverhaltskonstellationen, in denen eine abschließende Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen den Hoheitsträgern nicht angenommen werden kann419. Der von Saule in diesem Zusammenhang genannte Fall des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. 11. 1985, der dem Ölverunreinigungsfall des OVG Münster sehr ähnelt und in dem das Bundesverwaltungsgericht dem handelnden, unzuständigen Verwaltungsträger ebenfalls einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aufgrund öffentlichrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag für die Beseitigung der Ölgefahr gewährte, verdeutlicht die Ausgangslage420. Erfüllt ein Verwaltungsträger eine Pflicht, die auch oder ausschließlich in den öffentlichrechtlichen Kompetenzbereich eines anderen, untätigen Verwaltungsträgers fällt, so erlischt zunächst die Pflicht des zuständigen, nicht handelnden Verwaltungsträgers aufgrund der Herbeiführung des Leistungserfolges, und der unzuständige, aber handelnde Verwaltungsträger erbringt eine Leistung, zu der er nicht oder nicht ausschließlich verpflichtet war. Hier zeigt sich die Teilkongruenz der Anwendungsbereiche einer Haftung aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis, dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch sowie dem besonderen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht. Im Ergebnis ist nach allen drei Rechtsinstituten eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung auszugleichen. Im Falle der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis kann der geschädigte Verwaltungsträger auch den zur Herstellung notwendigen Geldbetrag verlangen. Es besteht aber keine Kongruenz in den Rechtsfolgen. Ist eine Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis auf Schadensersatz gerichtet, so kann dies nicht nur die notwendigen Aufwendungen des handelnden, unzuständigen Verwaltungsträgers zur Erfüllung der den Schädiger treffenden Pflicht zur Herstellung des geschuldeten Zustandes umfassen, sondern grundsätzlich in Anlehnung an den zivilrechtlichen Haftungsumfang auch Schadensersatz für andere kausal durch die Pflichtverletzung eingetretene Folgeschäden, wie Gebührenausfälle aufgrund der Nichtbenutzbarkeit eines Gewässers in Folge einer Ölverunreinigung. Im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht kann der Geschäftsführer Aufwendungsersatz verlangen, der auch erfolglose Aufwendungen einschließt. Bei dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch hingegen ist Wertersatz für die vorgenommene Handlung nur in Höhe des objektiven Wertes zu leisten, was nutzlose Aufwendungen ausschließt. Die Unterschiede in den Rechtsfolgen erfordern eine Untersuchung der normativen Grund419
Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 446 steht einer Anwendung skeptisch gegenüber, lässt die Frage aber letztlich offen. 420 BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 47 gelangt zu dem Ergebnis, dass wenigstens die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht auch bei fehlender Finanzierungsausgleichregelung zur Anwendung kommen könne.
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lagen der Haftung zwischen Verwaltungsträgern, um Anwendungsbereich und Anwendungsfolgen zu definieren. aa) Integritätsinteresse öffentlichrechtlicher Vermögensträger Das Zivilrecht schützt die Vermögenssphären der Privatrechtssubjekte gegen unbefugte Intervention anderer Privatrechtssubjekte und stellt der Zivilrechtspflege ein austariertes System an Ausgleichsansprüchen für die Rückgängigmachung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen zur Verfügung, insbesondere das Bereicherungsrecht sowie spezielle Ausgleichsnormen für das Eigentümer-BesitzerVerhältnis oder das Erbrecht421. Das grundrechtlich garantierte Eigentumsrecht des Art. 14 I S. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, nicht nur zum Schutz privatrechtlicher Vermögensrechte auf Primärebene durch präventiv wirkende Verbote in Gestalt negativer Handlungsanweisungen, sondern fordert auf Sekundärebene auch Instrumente zur Wiederherstellung der rechtmäßigen Vermögenslage. Andernfalls wären die Verbote auf Primärebene ohne die Möglichkeit der Restitution im Ergebnis häufig wirkungslos, abgesehen von etwaigen strafrechtlichen Folgen, die zivilrechtlich hauptsächlich präventiv wirken können422. Die Erwägungen, die den Schutz privatrechtlichen Vermögens gebieten, sind nicht in das öffentliche Recht übertragbar. Nicht nur ist das Eigentum der Verwaltungsträger nicht grundrechtlich geschützt423 ; den Verwaltungsträgern kommt auch keine Privatautonomie bei der Verwendung ihrer Mittel zu424. Das geschriebene öffentliche Recht schützt die vermögenswerten Rechtsgüter der Verwaltungsträger nicht abstrakt, sondern verpflichtet die Verwaltungsträger zur Wahrnehmung ihnen auferlegter Verwaltungsaufgaben, wofür ihnen Mittel zur Verfügung gestellt werden425. Stelkens führt aus, die Mittelverwendung eines Verwaltungsträgers zur Erfüllung eines Zwecks, der außerhalb der Wahrnehmungszuständigkeit dieses Verwaltungsträgers liegt, sei generell eine Schädigung dieses Verwaltungsträgers, weil durch die fehlerhafte Mittelverwendung gleichzeitig die Entscheidung getroffen würde, die Mittel nicht für den gesetzlich vorgesehenen Zweck zu verwenden oder entsprechend der Verpflichtung zur sparsamen Mittelverwendung einzusparen426. Dem Grundgedanken 421 Im Erbrecht schuldet der Erbschaftsbesitzer dem Erben die Herausgabe von gezogenen Nutzungen und Früchten, an denen der Erbschaftsbesitzer das Eigentum erlangt hat, § 2020 BGB; im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis schuldet der Besitzer dem Eigentümer beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen ebenfalls die Herausgabe von Nutzungen, §§ 987 I, 990 I BGB. 422 Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 335; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 194; zu den Anspruchszielen auf Primär- und Sekundärebene, GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 106 sowie GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 7 ff. 423 SB-GG / Becker, Art. 14 Rn. 120; Bettermann, NJW 1969, 1321. 424 Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 32; Gries / Willebrand, JuS 1990, 103. 425 BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 22; Berger, DÖV 2014, 662 (665); Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 32 f.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 813. 426 Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 33.
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Stelkens ist zu folgen. Die Mittelverwendung entgegen der gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeit gefährdet die Fähigkeit der handelnden Verwaltungsträger zur Wahrnehmung der zugewiesenen Aufgaben mit eigenen Mitteln abstrakt427. Eine weitergehende, konkrete Gefährdung könnte erst dann angenommen werden, wenn die dem Verwaltungsträger verbleibenden Mittel voraussichtlich nicht mehr ausreichen um die zur Erreichung der im Haushaltsplan festgelegten Ziele benötigten Mittel bereitzustellen428. Allein aus einer abstrakten Gefährdung folgt aber noch kein Automatismus zum Ausgleich der Aufwendungen oder zum Ersatz des Schadens des handelnden Verwaltungsträgers. Um einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch des handelnden Verwaltungsträgers zu begründen, ist zusätzlich auch die normative Wertung erforderlich, dass auch bei einer lediglich abstrakten Gefährdung der Aufgabenwahrnehmungskompetenz des handelnden Verwaltungsträgers diesem die eingesetzten Mittel oder sogar ein darüber hinaus gehender Schaden zu ersetzen sind. Der Grundsatz, wonach der Verwaltungsträger, dem die Aufgabenverantwortung obliegt, im Ergebnis auch die Ausgabenverantwortung zu tragen hat wird als Konnexitätsprinzip bezeichnet und gilt als eine aus Art. 104a I GG abgeleitete, verfassungsrechtliche Grundentscheidung429. Dem Konnexitätsprinzip gegenüber steht das Entstehungsprinzip, wonach die Kosten zur Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe von dem Verwaltungsträger zu tragen sein sollen, bei dem sie entstanden sind430. Nedden ist der Ansicht, dass in Fallgruppen, in denen ein Verwaltungsträger im Zuständigkeitskreis eines anderen Verwaltungsträgers tätig wird, ein Aufwendungsersatzanspruch aus dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag in 427 BVerfG, Urteil vom 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04 –, juris Rn. 120 ff.; ohne die Pflicht, Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Mitteln zu erfüllen, wären Vorschriften zur Hilfe unter Verwaltungsträgern wie §§ 4 ff. VwVfG nicht notwendig, Knack-VwVfG / Schliesky, Vor § 4 Rn. 1 ff. 428 BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 22 verlangt für eine Verletzung der gemeindlichen Finanzhoheit der Gemeinde eine nachhaltige, von der Gemeinde nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung ihrer Finanzspielräume; BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. 01. 1999 – 2 BvR 929/97 –, juris Rn. 47 verlangt für die Rechtmäßigkeit der Auferlegung neuer finanzieller Lasten, dass eine angemessene oder zumindest im Mindestmaß erfolgende Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden möglich bleibt; ebenso BVerfG, Beschluss vom 27. 11. 1986 – 2 BvR 1241/82 –, juris Rn. 14; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 33 scheint es als einen Automatismus zu begreifen, dass nicht im Haushaltsplan vorgesehene Ausgaben eines Verwaltungsträger sich im Ergebnis zu Lasten der Effektivität der Erreichung der im Haushaltsplan vorgesehenen Ziele auswirken, was bei ausreichend vorhandenen Mitteln oder ausreichend sparsamer oder vorsichtiger Haushaltsplanung aber nicht der Fall ist. 429 BVerwG, Urteil vom 15. 03. 1989 – 7 C 42/87 –, juris Rn. 7 f.; Münch-GG II / Heintzen, Art. 104a GG Rn. 1, 11; Mangoldt-GG III / Hellermann, Art. 104a GG Rn. 40 ff.; Ruland, Schadensausgleich, S. 235 ff.; siehe hierzu auch zustimmend BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18 mit der wenig konkreten Aussage, der Finanzausgleich spreche eher für als gegen einen Ausgleich; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 477 mit der These, das Konnexitätsprinzip schließe eine Kostenerstattung aufgrund Wahrnehmung fremder Verwaltungsaufgaben nicht aus; a.A. FS-Bartlsperger / Schenke, S. 552; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 92 f. 430 Mangoldt-GG III / Hellermann, Art. 104a GG Rn. 60.
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Verbindung mit dem Konnexitätsprinzip des Art. 104a I GG nicht herzuleiten sei, weil der handelnde Verwaltungsträger durch sein Eingreifen die Aufgabenverantwortung an sich ziehe und deswegen Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auseinanderfallen würden, wofür Art. 104a I GG keinen Regelungsgehalt enthalte und keinen Ausgleich fordere431. Wie noch zu zeigen sein wird, überzeugt dies nur im Ergebnis für einen Ausgleichsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 1. Jedenfalls für die hier maßgebliche Konstellation der Selbstvornahme der Schadensbeseitigung durch einen weiteren, am jeweiligen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis beteiligten und geschädigten Verwaltungsträger ist diese Schlussfolgerung unzutreffend. Die Verantwortung für die Verursachung eines Schadens liegt ebenso bei dem Schädiger wie die Pflicht zur Restitution. Auch die Selbstvornahme der Schadensbehebung durch den Geschädigten ändert hieran nichts. Der Unterschied besteht darin, dass der geschädigte Verwaltungsträger mit der Beseitigung des Schadens keine Verantwortung an sich zieht, denn die Schadensbeseitigung führt nur zu einer internen Umschichtung seiner Vermögenswerte ohne Außenwirkung regelmäßig in Gestalt einer Verbesserung der ihm zugewiesenen Rechtsgüter auf Kosten seiner liquiden Mittel. Anders als bei einem Übergriff in die Kompetenzen eines anderen Verwaltungsträgers, wird der handelnde Verwaltungsträger auch in seinem eigenen Pflichtenkreis tätig, wenn er die ihm zugewiesenen Rechtsgüter wieder in einen funktionsfähigen Zustand versetzt. Da Aufgabenund Ausgabenverantwortung nicht verschoben sind und beim zuständigen Verwaltungsträger verbleiben, während die Ausgabenlast gesetzwidrig den handelnden, unzuständigen Verwaltungsträger trifft, ist das Konnexitätsprinzip auch nach der Ansicht Neddens sachlich anwendbar. Nedden vertritt außerdem die Ansicht, das Finanzverfassungsrecht in Gestalt des Art. 104a I GG sei bezüglich Existenz und Umfang eines Erstattungsanspruches indifferent432. Dem kann nicht gefolgt werden. Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung, dass der aufgabenverantwortliche Verwaltungsträger auch die Ausgabenlast zu tragen habe, würde unterlaufen, wenn aus dem Konnexitätsprinzip nicht auch ein Restitutionsgebot hervorginge, das den Verstoß gegen dieses Prinzip neutralisiert433. Ein Ausgleich ist deshalb verfassungsrechtlich geboten.
431 Nedden, GoAÖR, S. 110; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 11 f.; Lorenz, JZ 1992, 462 (464); Mangoldt-GG III / Hellermann, Art. 104a GG Rn. 66. 432 Nedden, GoAÖR, S. 109. 433 Nedden, GoAÖR, S. 134 ff. geht auch davon aus, dass aus den Amtshilfevorschriften abzuleiten sei, dass der Gesetzgeber sich gegen einen umfassenden Ausgleich und für das Entstehungsprinzip beim kompetenzübergreifenden Verwaltungshandeln entschieden habe, weil die Amtshilfe grundsätzlich keinen Aufwendungsersatzanspruch gewährt, was deshalb nicht überzeugt, weil die Amtshilfe nur den Fall der beauftragten Fremdgeschäftsführung regelt und keine Aussage über auftraglose Fremdgeschäftsführung enthält. Man könnte ebenso anführen, dass die Regelungen zur Amtshilfe nur eine Ausnahme zum ansonsten geltenden Ausgleichsprinzip für den Fall der beauftragten Fremdgeschäftsführung darstellen.
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bb) Umfang der Restitution Die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung aufgrund von Pflichtverletzungen im Schuldverhältnis führt zu einer Schadensersatzpflicht des Schuldners gemäß §§ 280 ff. BGB. Die Schadensersatzpflicht erfasst nicht nur die Aufwendungen des geschädigten Verwaltungsträgers zur Beseitigung des Schadens an dem ihm zugewiesenen Rechtsgut, sondern umfasst daneben grundsätzlich auch Verzögerungsschäden, Verzugszinsen sowie darüber hinausgehende Folgeschäden434. Eine derart weitgehende Schadenskompensation begegnet unter Verwaltungsträgern rechtssystematischen Bedenken. Dienen die einem Verwaltungsträger zugewiesenen geldwerten Vermögenspositionen primär der Erfüllung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, so gilt dies auch für den Verwaltungsträger, der aufgrund seiner Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird. Werden ihm im Rahmen der Inanspruchnahme die Mittel entzogen, die er zu einer adäquaten Aufgabenerfüllung benötigt, so ist dies – anders als im Zivilrecht – nicht als eine selbst verursachte und deshalb zumutbare Beeinträchtigung hinzunehmen, denn die Mittel des Verwaltungsträger dienen nicht seinem eigenen Genuss oder seiner freien Verwendung, sondern letztlich dem Wohl der Allgemeinheit. Durch einen über die Aufwendungen zur Erfüllung der verletzten Pflicht hinausgehenden Ausgleich droht damit bereits abstrakt die Gefahr, dass nicht nur, was wünschenswert ist, die Ausgabenlast nachträglich den Ausgabenverantwortlichen trifft, sondern dass dieser darüber hinaus noch in seiner eigenen Aufgabenerfüllung beeinträchtigt wird435. Das Gesetz fordert aber nicht nur die Kongruenz von Aufgaben- und Ausgabenverantwortlichkeit, sondern unabhängig hiervon auch verfassungsrechtlich die Ausstattung der Verwaltungsträger mit Finanzmitteln, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichen436. Durch einen über den bloßen Aufwendungsausgleich hinausgehenden Schadensausgleich in Fallgruppe 1 würde im Ergebnis die abstrakte Gefahr einer Unterfinanzierung des geschädigten Verwaltungsträgers auf Kosten der abstrakten Gefahr der Unterfinanzierung des schädigenden Verwaltungsträgers beseitigt. Hierdurch ist nicht nur nichts gewonnen. Im nicht fernliegenden Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche besteht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits Unsicherheit über den Ausgang, so dass beide Parteien über vermögenswerte Mittel im streitgegenständlichen Umfang nicht verfügen und mit diesen auch nicht planen können, was die Aufgabenerfüllung weiter erschwert. Anders als im Zivil434 Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 20; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 245 f.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 89; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 125 ff.; Prozesszinsen wurden in entsprechender Anwendung von § 291 BGB höchstrichterlich bereits zugesprochen, BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 28. 435 Stelkens, DVBl 2003, 22 (24). 436 Für das Verhältnis Land-Gemeinde Gemeinden geht das verfassungsrechtliche Gebot zur angemessenen Finanzierung aus Art. 28 II GG hervor, Schnelle, DVBl 2015, 1141 (1142); Boettcher, DÖV 2013, 460 (461); Lange, DÖV 2014, 793 ff.; Schmitt, DÖV 2013, 452.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
recht besteht zwischen Verwaltungsträgern auch kein Bedarf, die Beteiligten durch die drohende Schadensersatzpflicht zu pflichtgemäßem Handeln anzuhalten, denn mangels Bereicherungsinteresse der für die Verwaltungsträger handelnden Personen zugunsten ihrer Dienstherren besteht keine objektiv nachvollziehbare Motivation zu pflichtwidrigem Handeln437. Eine über den Ausgleich der Aufwendungen zur Erfüllung der verletzten Pflicht hinausgehende Schadensersatzverpflichtung des Verwaltungsträgers in Fallgruppe 1 ist abzulehnen438. Damit kommt eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Pflichtverletzungen im öffentlichen Recht in Fallgruppe 1 nicht in Betracht. b) Fallgruppe 2 (Ö/P) Die Konstellationen der 2. Fallgruppe, in denen sich ein Konkurrenzverhältnis zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zeigt, betreffen insbesondere Benutzungsverhältnisse öffentlichrechtlicher Einrichtungen439. Darüber hinaus wird die entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB auch für weitere öffentlichrechtliche Näheverhältnisse mit Beteiligung von Privatrechtssubjekten diskutiert und einzelfallabhängig entschieden440. Eine sachlich abschließende Aufzählung der Rechtsverhältnisse in Fallgruppe 2, die sich für eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung im Schuldverhältnis eignen, kann aufgrund der Vielgestaltigkeit der Rechtsverhältnisse zwischen Verwaltung und Privatrechtssubjekten nicht erfolgen441. Vom Ausgangspunkt des zivilrechtlichen Tatbestandes ist lediglich ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis und eine Pflichtverletzung des Privatrechtssubjektes erforderlich, deren Folgen der Verwaltungsträger beseitigt und anschließend Schadensersatz geltend macht. Ob eine entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB in Fallgruppe 2 generell in Betracht kommt oder einzelfallunabhängig abgelehnt werden muss, ist innerhalb der Wissenschaft und der Rechtsprechung um-
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So auch Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 412 ff., 444 f.; a.A. Ruland, Schadensausgleich, S. 244 ff. 438 So wohl auch Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 814; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 444 mit der Einschränkung, dass eine Haftung aus §§ 280 ff. BGB entsprechend zwischen Verwaltungsträger jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden könne, wenn das in Frage stehende Rechtsverhältnis ein solches ist, an dem auch Privatrechtssubjekte beteiligt sein können; a.A. Ruland, Schadensausgleich, S. 230 ff. 439 VGH Mannheim, Urteil vom 11. 12. 1981 – II 1716/79, VBlBW 1982, 369 ff.; BVerwG, Urteil vom 01. 03. 1995 – 8 C 36/92 –, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 09. 11. 1990 – 8 S 1595/90, NVwZ-RR 1991, 325; OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 14. 01. 2003 – 15 A 4115/01 –, juris; VGH München, Urteil vom 04. 08. 2005 – 4 B 01.622 –, juris. 440 So beispielsweise BVerwG, Urteil vom 03. 04. 1996 – 6 C 5/94 –, juris; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 80/73 –, juris; Aufzählung bei BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 234. 441 Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 19.
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stritten442. Auch umstritten ist das Konkurrenzverhältnis der §§ 280 ff. BGB zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht in dieser Fallgruppe. Der BGH entschied in seinem Urteil vom 24. 10. 1974, dass ein Verwaltungsträger, der nach der Pflichtverletzung eines Privatrechtssubjektes innerhalb eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses den Schaden selbst beseitigt, keine Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht geltend machen könne, weil er zur Fremdgeschäftsführung berechtigt gewesen wäre und deshalb ausschließlich Schadensersatzansprüche aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in Betracht kämen443. Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis stellt sich jedoch gar nicht erst, wenn eine entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB in Fallgruppe 2 aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt. aa) Einstandspflichten der Privatrechtssubjekte Schädigt ein Privatrechtssubjekt das einem Verwaltungsträger zugewiesene Vermögen zum Beispiel durch Verunreinigung einer Bundesfernstraße, so kann der Verwaltungsträger aufgrund der speziellen Ersatznorm des § 7 III FStrG hoheitlich handeln und den Schädiger entweder durch Erlass eines Verwaltungsaktes zur Beseitigung der Verunreinigung anhalten oder die Verunreinigung selber beseitigen und Aufwendungsersatz in erforderlichem Umfang durch Verwaltungsakt festsetzen444. Daneben wird vom BGH auch das Bestehen deliktischer Ansprüche des Zivilrechts aufgrund Eigentumsverletzung bejaht, was für den Fall, dass Straßenbaulastträger und Straßeneigentümer nicht personenidentisch sind, einen Schadensersatzanspruch des Eigentümers generiert, da die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse dem Straßenbaulastträger zustehen445. Im Bereich der schlicht-hoheitlichen Verwaltung erfolgt keine Festsetzung des Ersatzanspruches durch Verwaltungsakt. Es verbleibt dann womöglich nur die zivilrechtliche Deliktshaftung446. Da die zivilrechtliche De442 Weitgehend ablehnend, GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 87; kritisch ebenfalls, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 788 f.; ablehnend für den Fall, dass dem Verwaltungsträger bei der Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses keine Wahlfreiheit zwischen öffentlichrechtlichen oder zivilrechtlichen Handlungsformen zukommt, Stelkens, DVBl 1998, 300 (303 f.); einschränkend zur Haftungsfolge in Fallgruppe 2, BVerwG, Urteil vom 03. 04. 1996 – 6 C 5/ 94 –, juris Rn. 20 ff.; die Anwendung befürwortend Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 361 ff.; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (395 f.) sowie Rechtsprechungsnachweise Fn. 449. 443 BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 80/73 –, juris Rn. 8. 444 VG Leipzig, Urteil vom 01. 07. 2015 – 1 K 993/12 –, juris Rn. 30; § 7 III FStrG kann systematisch als spezielle qualitative Beschränkung des Gemeingebrauches an dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen gesehen werden, siehe hierzu auch Erbguth, JURA 2008, 193 (196 f.). 445 So die Rechtslage in Bayern aufgrund von Art. 13 BayStrWG, BGH, Urteil vom 15. 10. 2013 – VI ZR 471/12 –, juris Rn. 9 ff.; zur insoweit vergleichbaren Rechtslage in NordrheinWestfalen, BGH, Urteil vom 28. 06. 2011 – VI ZR 184/10 –, juris. 446 Zum Meinungsstand bezüglich der Anwendung von § 823 BGB bei Bezug zum öffentlichen Recht, OVG Münster, Urteil vom 14. 01. 2003 – 15 A 4115/01 –, juris Rn. 18 ff.;
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liktshaftung, insbesondere § 823 I BGB aufgrund des in die Beweislast des Anspruchsstellers fallenden Verschuldensnachweises, der erschwerten Zurechnung des Verhaltens Dritter sowie des Schutzes ausschließlich der dort aufgeführten Rechtsgüter der Haftung nach den §§ 280 ff. BGB an Effektivität unterlegen ist, würde eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung aus dem Schuldverhältnis im öffentlichen Recht die Inanspruchnahme der Schädiger öffentlichrechtlicher Vermögensrechte spürbar vereinfachen447. Einer Intensivierung der Haftung des Privatrechtssubjektes durch entsprechende Heranziehung privatrechtlicher Schadensersatznormen könnte aber Verfassungsrecht entgegenstehen. bb) Vorbehalt des Gesetzes als Schranke der Analogie Der im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnte, aber aus Art. 20 III GG ableitbare Vorbehalt des Gesetzes ist nach traditionellem Verständnis der Grundsatz, der die Verwaltung dazu verpflichtet, in geschützte Rechtsgüter von Privatrechtssubjekten nur dann einzugreifen, wenn ein Gesetz sie dazu ermächtigt448. Im Zusammenhang mit der Anwendung der schuldrechtlichen Haftung im öffentlichen Recht in Fallgruppe 2 stellt dieser Grundsatz als Grenze einer bedenkenlosen entsprechenden Anwendung der §§ 280 ff. BGB im öffentlichen Recht ein unterschätztes Problem dar. Rechtsprechung und Literatur sprechen ihn überwiegend nicht an449 ; das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit seinem Urteil vom 03. 04. 1996 eine weittragende Entscheidung zur Reichweite des Gesetzesvorbehalts in Bezug auf die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung aus dem Schuldverhältnis im öffentlichen Recht getroffen450 : Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (372 ff.); Hüttenbrink, DÖV 1982, 489 ff.; Stelkens, DVBl 1998, 300 (304); skeptisch hierzu Papier, Forderungsverletzung, S. 23 ff. 447 Tiemann, VerwArch 1974, 381 (395); siehe hierzu insbesondere OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris Rn. 22 ff. sowie VGH München, Urteil vom 04. 08. 2005 – 4 B 01.622 –, juris Rn. 64 ff. 448 Kisker, NJW 1977, 1313; Krebs, JURA 1979, 304; Pietzcker, JuS 1979, 710 (711); Wehr, JuS 1997, 419 (420); zur Herleitung des Gesetzesvorbehalts Bach, Das Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 105 ff.; Clement, Vorbehalt des Gesetzes, S. 18; Detterbeck, JURA 2002, 235 (236); Stober-VerwR I / Stober, § 30 Rn. 28; zur Aufweichung des Gesetzesvorbehalts im Bereich des informellen Verwaltungshandelns durch die jüngere Rechtsprechung Brohm, DVBl 1994, 133 (135). 449 OVG Münster, Urteil vom 23. 05. 1997 – 22 A 302/96 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 14. 01. 2003 – 15 A 4115/01 –, juris; BGH, Urteil vom 01. 03. 1995 – 8 C 36/92 –, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris; BVerwG, Urteil vom 01. 03. 1995 – 8 C 36/92 –, juris; VGH München, Urteil vom 04. 08. 2005 – 4 B 01.622 –, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 09. 11. 1990 – 8 S 1595/90, NVwZ-RR 1991, 325 f.; VGH Mannheim, Urteil vom 11. 12. 1981 – II 1716/79, VBlBW 1982, 369 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18 ff.; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (395 f.); Stober, Kommunalrecht in der BRD, S. 296; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 239 nimmt nur zur Einschränkung der GoA in Fallgruppe 3 Bezug zum Vorbehalt des Gesetzes. 450 Zur Kritik an den Methoden des BVerwG mit Nachweisen, Gern, DÖV 1985, 558 (559).
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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Sprecherratsfall des BVerwG451 Das ehrenamtlich tätige Mitglied eines studentischen Sprecherrats wies unter Verstoß gegen die Kompetenzen des Sprecherrates die Haushaltsstelle zur Zahlung eines Geldbetrages an eine private, studentische Wählervereinigung an. Um die Zahlung rückgängig zu machen, erhob der Freistaat Bayern gegen das Mitglied Leistungsklage. Das BVerwG wies die Klage mit der Begründung ab, es bestehe keine hinreichende Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Freistaats. Eine entsprechende Anwendung der nur im Zivilrecht normierten allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Haftung in einem Schuldverhältnis sei angesichts der Komplexität der Rechtsverhältnisse eines Mitgliedes des studentischen Sprecherrats zur Hochschule nicht möglich, da im Hinblick auf die Erfordernisse von Eindeutigkeit und Klarheit bezüglich Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Eingriffsnorm nicht erfüllt seien. Es könne zwar nicht allgemeinverbindlich festgestellt werden, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen eine Eingriffsgrundlage genügen müsse und auch die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze zur Herleitung einer Schadensersatzpflicht sei grundsätzlich möglich, jedoch dürften hierbei die Besonderheiten des Regelungszusammenhangs nicht übergangen werden, insbesondere wenn eine Schadensersatzpflicht begründet werden solle. Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit der Rechtsverhältnisse und Interessenlagen des Sprecherrates und seiner Mitglieder zur Hochschulverwaltung sei die Anwendung der Grundsätze zur Haftung im Schuldverhältnis ungeeignet zur Regelung spezifischer Haftungsfragen. Das Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Frage dürfe aufgrund der vorhandenen, gesetzlichen und spezifischen Regelungen zur Haftung in vergleichbaren Rechtsverhältnissen wie dem Verhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn nicht dahingehend verstanden werden, dass eine diesen Normen an Klarheit weit unterlegene Rechtsgrundlage einen Eingriff rechtfertigen könne.
Die Entscheidung betrifft zwar nur das sehr spezifische Rechtsverhältnis eines Mitgliedes des studentischen Sprecherrates zur Universität, setzt der bedenkenlosen Anwendung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses zu Lasten von Privatrechtssubjekten dennoch Grenzen. Die Auferlegung einer Geldzahlungspflicht stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 2 I GG für den Betroffenen dar, der aufgrund der Geldzahlungspflicht daran gehindert ist, seine Mittel selbstbestimmt für andere Zwecke einzusetzen452. Für die hoheitliche Verwaltung hatte das Bundesverfassungsgericht stets entschieden, dass Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein müssen, so dass die Eingriffe messbar und für den Betroffenen hinreichend vor-
451 BVerwG, Urteil vom 03. 04. 1996 – 6 C 5/94 –, juris; anders noch die Vorinstanz, VGH München, Urteil vom 11. 11. 1992 – 7 B 91.3123 –, juris; Stelkens, DVBl 1998, 300 (304) begrüßt die wünschenswerte Klarheit dieser Entscheidung und schreibt ihr eine über den streitgegenständlichen Fall hinausgehende Bedeutung zu. 452 BVerfG, Beschluss vom 25. 09. 1992 – 2 BvL 5/91 –, juris Rn. 64; BVerfG, Beschluss vom 14. 08. 1996 – 2 BvR 2088/93 –, juris Rn. 10 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 296.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
aussehbar und berechenbar erscheinen453. Ein Totalvorbehalt in Gestalt eines umfassenden Gesetzesvorbehalts für alle Handlungen der Verwaltungsträger soll damit aber nicht verbunden sein454. An dessen Stelle tritt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Wesentlichkeitsdoktrin, nach der der Gesetzgeber die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat455. Eine Präzisierung dieser Formel erfolgte nicht; ob die Wesentlichkeitsschwelle überschritten wird und damit ein Gesetz als Ermächtigungsgrundlage erforderlich wird, entscheidet die Rechtsprechung am konkreten Einzelfall456. Ein Teil der Wissenschaft hat aus der Rechtsprechung sogar ein allgemeines Verbot analoger Rechtsanwendung im Eingriffsbereich abgeleitet457. Eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften zur Haftung bei Leistungsstörungen im Schuldverhältnis zur Rechtfertigung eines Eingriffs in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen von Privatrechtssubjekten berührt für die Ausübung von Grundrechten wesentliche Rechtsfragen, da Schadensersatzansprüche zum Nachteil der Privatrechtssubjekte entstehen können. Die damit verbundenen Eingriffe in Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte sind für diese aber nicht hinreichend voraussehbar und berechenbar. cc) Bestimmbarkeit von Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der Ersatzansprüche Privatrechtssubjekte gelangen häufig unfreiwillig in Sachverhaltskonstellationen, die von der Rechtsprechung als verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse gewertet werden, wie die eingangs erwähnten Entscheidungen zu Kanalbenutzungsverhältnissen aufgrund von Anschluss- und Benutzungszwängen aufzeigen458. Im zivilrechtlichen Leistungsstörungsrecht muss der eine Pflicht verletzende Schuldner zur Abwendung der Schadensersatzpflicht beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, § 280 I S. 2 BGB. Das Verschulden von Erfüllungsgehilfen, die der 453
BVerfG, Beschluss vom 14. 08. 1996 – 2 BvR 2088/93 –, juris Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 28. 10. 1975 – 2 BvR 883/73 –, juris Rn. 34 f.; BVerfG, Beschluss vom 12. 11. 1958 – 2 BvL 4/56 –, juris; Bach, Das Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 104 f., 148 ff; Konzak, NVwZ 1997, 872 f.; Schwabe, DVBl 1997, 352 f. 454 BVerfG, Beschluss vom 28. 10. 1975 – 2 BvR 883/73 –, juris Rn. 38. 455 BVerfG, Beschluss vom 17. 02. 2016 – 1 BvL 8/10 –, juris Rn. 59; BVerfG, Beschluss vom 15. 07. 2015 – 2 BvE 4/12 –, juris; BVerfG, Beschluss vom 12. 05. 2015 – 1 BvR 1501/13 –, juris Rn. 68; BVerfG, Urteil vom 05. 11. 2014 – 1 BvF 3/11 –, juris Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 17. 09. 2013 – 2 BvE 6/08 –, juris Rn. 136. 456 Gern, DÖV 1985, 558 (562). 457 Gusy, DÖV 1992, 461 (464); Konzak, NVwZ 1997, 872 (873); a.A. Stelkens, DVBl 1998, 300 (303) mit dem wenig aussagekräftigen Argument, der Gesetzesvorbehalt verbiete es nicht, einen Eingriff auf eine methodengerecht durch Rechtsfortbildung gefundene Rechtsgrundlage zu stützen, wobei eine Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt und der Reichweite des Gesetzesvorbehalts unterbleibt. 458 Siehe Nachweise Fn. 439.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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Schuldner zur Erfüllung seiner Pflicht einsetzt, wird dem Schuldner wie eigenes Verschulden gemäß § 278 BGB zugerechnet. Bereits vor Beginn des Schuldverhältnisses treffen den Schuldner Pflichten gemäß §§ 311 II, 241 II BGB aus dem sich anbahnenden Schuldverhältnis. Diese von der Rechtsprechung bestätigten Haftungsmodalitäten entfalten in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen ein kaum überschaubares Haftungsrisiko459. Im Zivilrecht kann dieses noch damit gerechtfertigt werden, dass der Schuldner bei der Wahl seines Vertragspartners und des Geschäftsgegenstandes ja auch die spezifischen Haftungsrisiken berücksichtigen kann, so dass die Realisierung dieser Risiken kein unvermeidbares Unrecht für ihn darstellt. Bei den öffentlichen Benutzungsverhältnissen entfällt diese Rechtfertigung, wenn das Privatrechtssubjekt zur Nutzung verpflichtet ist oder wegen einer systematischen Monopolstellung des Verwaltungsträgers effektiv keine andere Wahl bleibt, als das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis einzugehen460. Im Schadensfall entstehen insbesondere in den Kanalbenutzungsfällen ohne weiteres Schadensersatzforderungen in existenzbedrohender Höhe, für die auch der Eigentümer und Vermieter des Grundstücks wegen der Zurechnung des verunreinigenden Betriebes als Erfüllungsgehilfe in voller Höhe haftet461. Erfolgt in einem derartigen Benutzungsverhältnis schließlich eine Pflichtverletzung, die der Schuldner tatsächlich nicht zu vertreten hat, so ist es durchaus möglich, dass er dennoch in der Zahlungsklage unterliegt, weil ihm mangels gesicherter Beweise der Nachweis des Nicht-Vertreten-Müssens nicht gelingt462. Eine Beweislastumkehr bezüglich des Verschuldens des Privatrechtssubjekts ist normierten Schadensersatzansprüchen im öffentlichen Recht aber grundsätzlich fremd463. Aufgrund der uneingeschränkten Anwendung der zivilrechtlichen Normen zum Umfang des Schadensersatzes sind zusätzlich zu den reinen Substanzschäden im Eigentum des Verwaltungsträgers auch Verzugsschäden und Folgeschäden, insbe459 Zur Anwendung von §§ 311 II, 241 II BGB und § 278 BGB siehe VGH München, Urteil vom 04. 08. 2005 – 4 B 01.622 –, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 14. 01. 2003 – 15 A 4115/01 –, juris; zur Anwendung von § 282 BGB a.F., OVG Münster, Urteil vom 23. 05. 1997 – 22 A 302/96 –, juris. 460 Fleiner-Gerster, VVDStRL 45, 152 (160); Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 141 f.; GVwR III / Morlok, § 54 Fn. 254; Reiter, BayVBl 1990, 711 (712); Schilling, VerwArch 1996, 191 (205 f.); Stober, DÖV 1977, 398 (400). 461 Eckert, DVBl 1962, 11 (15); Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 164; zur Höhe der Schadensersatzforderungen siehe beispielsweise VGH Mannheim, Urteil vom 15. 06. 1992 – 8 S 2728/91 –, juris Rn. 25; zur Haftung des Vermieters für den insolventen Mieter, siehe OVG Koblenz, Urteil vom 14. 01. 2010 – 7 A 10941/09 –, juris; die Schwere des beabsichtigten Eingriffs erhöht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Eingriffsgrundlage, Gern, DÖV 1985, 558 (563). 462 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 300 f., 362 f.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 170; Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 20; Weber, JuS 1975, 401. 463 GVwR III / Morlok, § 54 Fn. 253 mit Verweis auf § 10 IV S. 2 EStG, § 321 SGB III und § 28r SGB IV; auch § 152 I S. 2 AO verlangt keinen Vollbeweis des fehlenden Verschuldens; § 75 I BBG verlangt ebenfalls den Verschuldensnachweis auf Gläubigerseite und schließt die Haftung für einfache Fahrlässigkeit sogar vollständig aus.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
sondere auch entgangener Gewinn in grundsätzlich unbeschränkter Höhe ersatzfähig464. Dies ist mit den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts an die Haftung von Privatrechtssubjekten gegenüber Verwaltungsträgern nicht zu vereinbaren. Die Normen, die im Bereich hoheitlicher Verwaltung die Einstandspflichten von Privatrechtssubjekten bei spezialgesetzlich normierten verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen regeln, zeigen dies. So trifft § 152 II AO für das Steuerschuldverhältnis eine Regelung dahingehend, dass der Verzögerungsschaden in Gestalt des Verspätungszuschlags in Folge einer verspäteten Abgabe der Steuererklärung in der Höhe begrenzt wird. Ob und in welcher Höhe er überhaupt erhoben wird, entscheidet die Behörde im Rahmen einer Ermessensentscheidung, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt; der Anspruch entsteht nicht bereits durch Verwirklichung des Tatbestandes allein465. § 233a AO trifft detaillierte Regelungen zum Zinslauf, die in ihrer Regelungstiefe die abstrakten §§ 286 ff. BGB weit übertreffen und Besonderheiten des Steuerschuldverhältnisses berücksichtigen. Dies gilt auch für die Regelung der Säumniszuschläge in § 240 AO sowie für die Verjährung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß §§ 228 ff. AO466. Für das Steuerschuldverhältnis als besonderes verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis, in dem die Verwaltung hoheitlich handelt, kann somit eine erheblich höhere Regelungsdichte der Leistungsstörungen angenommen werden als eine entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB im öffentlichen Recht zu leisten in der Lage wäre. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht für das Steuerrecht von einem strengen Gesetzesvorbehalt aus, der seine Grenze jedoch unter anderem in dem Erfordernis findet, zu typisieren und die Besonderheiten des Einzelfalls bis zu einem gewissen Grad zu vernachlässigen467. Auch unter der Prämisse der Typisierung auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit stellen die Regelungen zu den Leistungsstörungen im Steuerschuldverhältnis eine vergleichsweise hohe Regelungsdichte zur Verfügung468. Der Steuerschuldner kann die Folgen einer Pflichtverletzung in diesem Schuldverhältnis erkennen. Bei der schlicht-hoheitlichen Verwaltung im Rahmen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse können aufgrund des abstrakt gleichen Gefährdungspotentials von 464 VGH Mannheim, Urteil vom 15. 06. 1992 – 8 S 2728/91 –, juris; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 435 ff.; zur Ersatzfähigkeit entgangenen Gewinns, Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172. 465 BFH, Urteil vom 18. 08. 2015 – V R 2/15 –, juris Rn. 12 ff.; BFH, Beschluss vom 19. 11. 2013 – XI B 50/13 –, juris Rn. 8 ff.; BFH, Beschluss vom 09. 11. 2011 – V B 43/11 –, juris; BFH, Beschluss vom 16. 10. 2008 – III B 160/07 –, juris Rn. 12; BFH, Urteil vom 11. 06. 1997 – X R 14/95 –, juris Rn. 17 ff. 466 Die vorrangigen Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen im Steuerschuldverhältnis gelten als wichtigste Ausnahme von der ansonsten allgemein anerkannten Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften zur Verjährung auf öffentlichrechtliche Ansprüche, Ott, BayVBl 2003, 171 (172). 467 BVerfG, Beschluss vom 15. 02. 2016 – 1 BvL 8/12 –, juris Rn. 25; BFH, Beschluss vom 25. 03. 2015 – X R 23/13 –, juris Rn. 55; BVerfG, Urteil vom 05. 11. 2014 – 1 BvF 3/11 –, juris Rn. 66. 468 Anders das Sozialleistungsrechtsverhältnis, das die Sekundärebene nach wie vor vollständig ausspart, §§ 30 ff. SGB I.
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Grundrechtseingriffen keine anderen Maßstäbe gelten469. Eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist für den privaten Schuldner aber stets unberechenbar470. Das Ausmaß der Haftung für Pflichtverletzungen im Kanalbenutzungsverhältnis ist für den privaten Vermieter, der für Fehlverhalten seines Mieters einstehen muss, in der Höhe kaum abzusehen, nicht gedeckelt und der Anspruch entsteht automatisch und ohne gerichtlich überprüfbare Entscheidung eines Verwaltungsträgers. Auch die Rechtsfolgen sind unbestimmt. Das Privatrechtssubjekt als Schuldner im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses kann sie anhand der gesetzlichen Regelungen im BGB nicht erkennen. Der Haftungsumfang für Pflichtverletzungen im Falle des Verzugs ist im Hinblick auf die entsprechende Anwendung beispielsweise des § 288 BGB umstritten471. Der Schuldner kann damit nicht beurteilen, welche Rechtsfolgen eine Leistungsverzögerung hat. Er kann sich auch nicht darauf verlassen, dass ein Gericht im Falle einer Pflichtverletzung einzelne Vorschriften des Leistungsstörungsrechts des BGB zu seinen Gunsten nicht anwendet. Verkürzt ausgedrückt ist jedes verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis so spezifisch, dass die vom Bundesverwaltungsgericht im Sprecherratsfall aufgestellten Grundsätze einer Anwendung der §§ 280 ff. BGB im öffentlichen Recht entgegenstehen. Eine entsprechende Anwendung des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts kann mit den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts deshalb nicht vereinbart werden472. Morlok vertritt hierzu eine vermittelnde Ansicht, wonach eine analoge Anwendung zu Lasten des Privatrechtssubjekts dann nicht ausscheiden soll, wenn der Verwaltungsträger Wahlfreiheit zwischen öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Ausgestaltung zur Aufgabenerfüllung hatte, denn der Verwaltungsträger dürfe durch die Wahl einer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung nicht schlechter gestellt wer-
469 Zu den grundsätzlichen Parallelen und Unterschieden zwischen Verwaltungsrecht und Steuerrecht siehe Eckert, DVBl 1962, 11 (19); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 296 verlangt eine Feststellung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale durch den Gesetzgeber. 470 Beaucamp, AöR 2009, 83 (98 f.) zum Verlust an Berechenbarkeit und Rechtssicherheit durch Analogiebildung zu Lasten der Privatrechtssubjekte im öffentlichen Recht. 471 Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 144; Czybulka, NVwZ 1983, 125 (127 f.); Fischer, NJW 1969, 1883; Heintschel v. Heinegg, NVwZ 1992, 522 ff.; Krause, VVDStRL 45, 212 (231 f.); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 307 f.; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 118 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 436 f.; StoberVerwR I / Stober, § 55 Rn. 149 f.; Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 15 ff.; Windthorst, JuS 1996, 605 (609); Wolff, DÖV 1998, 872 ff.; Zimmerling / Jung, DÖV 1987, 94 (97); zur Paralleldiskussion beim öffentlichrechtlichen Vertrag, Friehe, NVwZ 1986, 538 f.; Geis, NVwZ 2002, 385 (389); Meyer, NJW 1977, 1705 (1712); Obermayer, BayVBl 1977, 546 (550 f.), siehe hierzu auch Fn. 311. 472 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 349 ff.; a.A. ohne Klarstellung, in welchen Fällen eine analoge Anwendung zu Lasten des Privatrechtssubjekts in Frage kommt, Stelkens, DVBl 1998, 300 (305).
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den473. Morlok lässt aber unbegründet, weshalb es dem Verwaltungsträger möglich sein soll, im Wege der Rosinenpickerei gleichzeitig einerseits die Vorteile einer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung zu genießen und andererseits in den Genuss der umfangreichen Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB zu kommen. Der Verwaltungsträger muss sich vielmehr an seiner Rechtsformwahl festhalten lassen, denn ansonsten wäre die der Verwaltung eingeräumte Wahlfreiheit bezüglich der Handlungsform letztlich ohne Effekt474. Konsequenz wäre auch die Anwendung eines der Rechtsordnung unbekannten hybriden Rechtsregimes aus öffentlichem Recht und Privatrecht, das die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Rechtsgebieten leugnet und für die Privatrechtssubjekte unabsehbare Konsequenzen hätte. Damit ist eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im öffentlichen Recht zu Lasten von Privatrechtssubjekten ausgeschlossen475. Etwaige Haftungslücken müssen entweder durch den Gesetzgeber oder bei kommunalen Benutzungsverhältnisse durch den Satzungsgeber geschlossen werden. c) Fallgruppe 3 (P/Ö) Auch Fallgruppe 3 betrifft hauptsächlich Rechtsverhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten und Verwaltungsträgern im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere Anstalts- und Benutzungsverhältnisse sowie andere Näheverhältnisse zur öffentlichen Verwaltung wie das Schulverhältnis oder das Rechtsverhältnis eines Privatrechtssubjekts zum Verwaltungsträgers nach Einweisung einer von Obdachlosigkeit bedrohten Person in die zuletzt bewohnten Räume nach Kündigung der Wohnung durch den Vermieter476. Durch die umgekehrte Anspruchsrichtung ist die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung bei Leistungsstörungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis aber anders zu bewerten. In Fallgruppe 3 werden Pflichtverletzungen des Verwaltungsträgers sachlich grundsätzlich vom Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG sowie teilweise auch vom öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch oder dem besonderen öffentlichrechtlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag im öf473 GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 87; ähnlich Stelkens, DVBl 1998, 300 (303 f.), der diese vermittelnde Ansicht aber nur für Ansprüche des Privatrechtssubjekts bespricht; vage hierzu, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 788 f. 474 Zur Reichweite der Wahlfreiheit, Ossenbühl, DÖV 1971, 513 (518 ff.); andererseits kann ein Verwaltungsträger sich durch die Wahl der Privatrechtsform seinen grundrechtlichen Bindungen aber nicht vollständig entziehen, Ehlers, DVBl 1983, 422 (424 ff.). 475 So auch für die Anwendung im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis zum Nachteil des Privatrechtssubjekts Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 369; so auch Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 102 ff. für die Anwendung der GoA zum in Fallgruppe 2; Schwabe, DVBl 1997, 352; der der Würdigung Schwabs zugrundeliegende Beschluss des BVerfG vom 14. 08. 1996 – 2 BvR 2088/93, DVBl 1997, 351 betrifft zwar einen Fall hoheitlicher Verwaltung, beschränkt die aufgestellten Grundsätze aber nicht auf hoheitliche Eingriffe. 476 Siehe Fn. 370, 371, 372.
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fentlichen Recht erfasst477. Hieraus ergeben sich nicht nur Fragen bezüglich des Konkurrenzverhältnisses, sondern es bleibt auch zu klären, ob neben dem normierten Haftungsregime für eine entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB noch Raum bleibt und welchen Nutzen die Anwendung hat. aa) Haftungserweiterung zum Nachteil der Verwaltungsträger Während in Fallgruppe 2 eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im öffentlichen Recht an rechtsstaatlichen Erwägungen scheitern muss, kann dies bei umgekehrter Anspruchsrichtung nicht angenommen werden, soweit nicht speziellere Haftungsnormen die Schadensersatzpflicht der Verwaltungsträger regeln. Ein Eingriff in die Grundrechte des Verwaltungsträgers durch Schaffung einer Schadensersatzpflicht im Wege der Rechtsfortbildung kann bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die Verwaltungsträger grundsätzlich nicht grundrechtsfähig sind478. Verfassungsrecht könnte allenfalls dann verletzt werden, wenn durch die Anerkennung einer Haftung für Leistungsstörungen in verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen entsprechend §§ 280 ff. BGB eine finanzielle Überforderung der Verwaltungsträger aufgrund überbordender Ersatzansprüche von Privatrechtssubjekten zu befürchten wäre, so dass eine Aufgabenerfüllung entsprechend der Vorgaben der Verfassung nicht mehr möglich wäre479. Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden480. Der Gesetzgeber hat in das gescheiterte Staatshaftungsgesetz von 1981 bewusst keine Haftungsobergrenzen aufgenommen und die Haftung der Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten sehr umfangreich für alle rechtlich geschützten Rechtsgüter und teilweise sogar verschuldensunabhängig ausgestaltet481. Eine finanzielle Überlastung aufgrund der effektiveren Haftung im Staatshaftungsgesetz erwartete der Gesetzgeber ausdrücklich nicht; er ging 1976 lediglich von einer Zusatzbelastung von 14 Mio. DM pro Haushaltsjahr aus482. 477
Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 378 f. BVerfG, Beschluss vom 02. 05. 1967 – 1 BvR 578/63 –, juris Rn. 21 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 367. 479 Siehe hierzu Fn. 427, 436. 480 Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 410. 481 Staatshaftungsgesetz vom 26. 06. 1981, BGBl 1981, Teil I, 553 ff.; § 2 II StHG normierte unter der Voraussetzung eines rechtswidrigen Grundrechtseingriffs eine verschuldensunabhängige Haftung; im Übrigen war auch eine Beweislastumkehr enthalten, HKK / Kannowski, §§ 831 – 839a, 841 Rn. 91; Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 160; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 12; § 2 III in Verbindung mit § 7 StHG erklärt entgangenen Gewinn für ersatzfähig und gewährt bei Nichtvermögensschäden einen Anspruch auf Schmerzensgeld; siehe auch Fn. 247. 482 Bundesminister der Justiz / Bundesminister des Innern, Reform des Staatshaftungsrechts, S. 80; siehe hierzu auch die Analyse zur bescheidenen finanziellen Entlastung des Staatshaushalts durch die Subsidiaritätsklausel in Futter, Subsidiarität der Amtshaftung, S. 89 ff. 478
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Eine entsprechende Anwendung des Leistungsstörungsrechts führt nicht zu einer verschuldensunabhängigen Haftung, sondern lässt dem Verwaltungsträger die Möglichkeit, fehlendes Verschulden haftungsbefreiend nachzuweisen483. Des Weiteren können Verwaltungsträger in Grenzen auch selbst darüber bestimmen, welche öffentlichen Einrichtungen und Anstalten, insbesondere Anlagen zur sportlichen Betätigung oder Kulturförderung, sie bereitstellen, dem Publikumsverkehr öffnen oder für welche Einrichtungen sie einen Anschluss- und Benutzungszwang anordnen, so dass die Haftung für sie auch steuerbar ist484. Zusätzlich bleibt den Verwaltungsträgern auch die Möglichkeit der Organisationsprivatisierung beispielsweise durch Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung485. Der Abschluss von Haftpflichtversicherungen macht die finanzielle Belastung außerdem auch kalkulierbar. Eine Überlastung der öffentlichen Hand ist deshalb nicht zu befürchten486. Auch wenn infolge einer effektiveren Haftung eine finanzielle Überlastung der Verwaltungsträger zu befürchten wäre, müsste einer Finanzierung durch die Allgemeinheit im Wege der Steuer- und Abgabenerhebung vor einer Enthaftung einseitig auf Kosten des Geschädigten regelmäßig der Vorrang gewährt werden487. Rechtsstaatliche Erwägungen stehen einer entsprechenden Anwendung der zivilrechtlichen Haftung aufgrund von Leistungsstörungen im öffentlichen Recht nicht entgegen488. bb) Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch Neben der Frage nach einer entsprechenden Anwendung der schuldrechtlichen Haftung eines Verwaltungsträger gegenüber einem Privatrechtssubjekt bei Leistungsstörungen darf nicht übersehen werden, dass bereits de lege lata eine Haftung der Verwaltungsträger für Pflichtverletzungen gegenüber Privatrechtssubjekten normiert ist. Der Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gewährt einem Privatrechtssubjekt dann Schadensersatzansprüche, wenn 483
Bamberger, JURA 2002, 35 (36). Stober-VerwR III / Müller, § 88 Rn. 95; hierbei muss der lebensnotwendige Grundbedarf der Bürger im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Staates gedeckt bleiben, was insbesondere die notwendige Verkehrsinfrastruktur, Wasser- und Elektrizitätsversorgung sowie die Verfügbarkeit medizinischer Einrichtungen betrifft, Bauer, VVDStRL 54, 243 (Fn. 130). 485 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 109 ff.; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 136 f.; Ehlers, DVBl 1983, 422 ff.; Notthoff, NVwZ 1994, 771 (773); Ossenbühl, JuS 1979, 681 (685 f.); Ossenbühl, DÖV 1971, 513 (518 f.); Schoch, DVBl 1994, 962 (972 f., 976); Busse, DÖV 1996, 389 (391); Gries / Willebrand, JuS 1990, 103 (104 f.); Zuleeg, VerwArch 1982, 384 (398 ff.); Tiemann, VerwArch 1974, 381 (383 f.); Windthorst, JuS 1996, 605 (607); nach umstrittener Ansicht soll sogar die Gefahrenabwehr als zentrale Staatsaufgabe eingeschränkt privatisierbar sein, Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 137 ff.; zur Rechtsformwahl im Rahmen der Beleihung Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 72 f.; kritisch hierzu von Dannwitz, JuS 1995, 1 ff. 486 A.A. Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 151. 487 Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 410. 488 So auch Nedden, GoAÖR, S. 171 für die GoA in Fallgruppe 3 (P/Ö). 484
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
123
Beamte vorsätzlich oder fahrlässig Amtspflichten verletzen489. Vom öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch unterscheidet sich der Amtshaftungsanspruch auf Rechtsfolgenseite dadurch, dass er den Ersatz von Schäden, nicht aber die Herausgabe von Erlangtem ermöglicht. Zunächst ist zu klären, ob die Haftung der öffentlichen Hand im Amtshaftungsanspruch nicht bereits abschließend geregelt ist und ob eine Haftungserweiterung aus rechtssystematischen Gründen vertreten werden kann oder sogar geboten ist490. Besteht mit dem Amtshaftungsanspruch bereits eine abschließende Regelung, so kann diese nicht mit dem Rechtsinstitut der Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis umgangen werden. Am Anfang der Untersuchung der rechtlichen Beziehungen zwischen den sich nur auf den ersten Blick ähnlichen Haftungssystemen steht die Erkenntnis, dass es sich bei der Haftung wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG um ein Haftungsinstrument handelt, das sich teilweise noch an Wertvorstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts orientiert und überwiegend als stark reformbedürftig eingestuft wird491. Außerdem ist die Haftung aus Amtspflichtverletzung eine derivative und nicht eine unmittelbare Staatshaftung, wie sie durch das gescheiterte Staatshaftungsgesetz von 1981 hätte eingeführt werden sollen492. Im Rahmen des Art. 34 S. 1 GG wird die eigentlich persönliche Haftung des Beamten aus § 839 BGB lediglich schuldbefreiend auf die Verwaltungsträger übergeleitet493. Aufgrund der Ausgestaltung der Amtshaftung als persönliche Haftung des Beamten enthält der Tatbestand zahlreiche Einschränkungen in Tatbestand und Rechtsfolgen zum Nachteil des privaten Gläubigers, die 489 Eine Anwendung des Amtshaftungsanspruchs ist ausgeschlossen, wenn Verwaltungsträger Aufgaben in den Rechtsformen des Privatrechts erfüllen, Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 29 f. 490 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 240; eine abschließende Regelung der Ersatzfähigkeit von Schäden aufgrund schuldhafter Amtspflichtverletzungen durch den Amtshaftungsanspruch zumindest im Verhältnis zum zivilrechtlichen Deliktsrecht wird von der herrschenden Meinung angenommen, BGH, Urteil vom 05. 02. 2009 – IX ZR 36/08 –, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 15. 03. 1954 – III ZR 333/52 –, juris Rn. 8 ff.; BGH, Urteil vom 12. 07. 1951 – III ZR 168/50 –, juris Rn. 20 ff.; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 34; a.A. Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 118. 491 Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 f.; HKK / Kannowski, §§ 831 – 839a, 841 Rn. 95; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 214 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 7, 13 f.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 3; Papier, DVBl 1975, 567; Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 4 ff.; Schenke, NJW 1991, 1777; Palandt / Sprau, § 839 Rn. 54; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 24; Windthorst, JuS 1995, 791; in speziellen Haftungstatbeständen wie § 7 BDSG hat sich der Gesetzgeber zuletzt für eine direkte Staatshaftung entschieden; zur frühen Kritik des § 839 BGB siehe Hofacker, AcP 1920, 281 (349). 492 Janson, DÖV 1979, 696 (700); HKK / Kannowski, §§ 831 – 839a, 841 Rn. 91; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 11; das StHG sah die Abschaffung des § 839 BGB vor, jurisPK-BGB 2.3.2 / Zimmerling, § 839 Rn. 6. 493 Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 27 ff.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 7 f.; Palandt / Sprau, § 839 Rn. 1; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 20; jurisPK-BGB 2.3.2 / Zimmerling, § 839 Rn. 1.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
die Amtshaftung in ihrer Effektivität erheblich einschränken494. Diese Beschränkungen sollten ursprünglich in einem Regime unmittelbarer Beamtenhaftung dafür sorgen, dass dem Staatsdiener nicht aus Furcht vor Haftungsrisiken jeder Wille zur Initiative genommen wird, kommen nach Einführung der Haftungsüberleitung aber im Ergebnis dem derivativ haftenden Verwaltungsträger zugute, da die übernommene Haftung diese Beschränkungen beibehält495. Im Folgenden werden die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruches unter Berücksichtigung der richterrechtlichen Modifikationen im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Erfordernisse einer Einstandspflicht der Verwaltungsträger für rechtswidriges Handeln kritisch analysiert. Schwerpunkte der Darstellung sind die Auswirkungen der Subsidiaritätsklausel und des Verschuldenserfordernisses sowie die Beweislastverteilung diesbezüglich. Zwar sind auch sonstige Tatbestandsmerkmale des Amtshaftungsanspruchs wie die eingeschränkte Zurechnung von Hilfspersonen und auf Rechtsfolgenseite die Anspruchsbeschränkung auf Geldentschädigung anstatt Naturalrestitution problematisch496 ; wenn aber bereits aufgrund der Defizite eine Haftungserweiterung der Verwaltungsträger durch entsprechende Anwendung des privatrechtlichen Leistungsstörungsrechts angezeigt ist, kann eine Darstellung diesbezüglich unterbleiben. Die Obliegenheit des Geschädigten zur Ergreifung von Primärrechtsschutz nach § 839 III BGB erlangt bei schlicht-hoheitlicher Verwaltung kaum Bedeutung, weil keine verwaltungsgerichtlich anfechtbaren Verwaltungsakte erlassen wurden; ein etwaiger Regelungsgehalt in Form der Obliegenheit zur Ergreifung von Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz hat nur eine untergeordnete Bedeutung und bedarf keiner eigenständigen Untersuchung497. Andere Einschränkungen wie das Spruch-
494
HKK / Kannowski, §§ 831 – 839a, 841 Rn. 61 ff.; Palandt / Sprau, § 839 Rn. 12. BGH, Urteil vom 15. 02. 2001 – III ZR 120/00 –, juris; BGH, Urteil vom 13. 12. 1990 – III ZR 14/90 –, juris; BGH, Urteil vom 27. 10. 1955 – III ZR 82/54 –, juris; RG, Urteil vom 27. 06. 1938 – V 20/38, JW 1938, 2667; Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (370 f.); Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 28; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 23, 259 f. 496 Zur eingeschränkten Zurechnung von Hilfspersonen der Verwaltung, BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 101, 237; Papier, Forderungsverletzung, S. 158 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 17 ff.; Vogel, Gefahrenabwehr, S. 645 f.; zum Ausschluss der Naturalrestitution auf Rechtsfolgenseite BGH, Beschluss vom 19. 12. 1960 – GSZ 1/60 –, juris Rn. 17 ff.; BT-Drucksache 9/238, S. 2; Baur, JZ 1963, 41 (43); Georgii, NJW 1996, 686 (690); Hartmann, Öffentliches Haftungsrecht, S. 163 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 689; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 243; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 111 f.; Papier, Forderungsverletzung, S. 122 ff.; Schoch, JURA 1988, 648 (652); SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 170 f., 393; differenzierend, Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (371). 497 Die Herleitung einer Obliegenheit zur Ergreifung von Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz zur Abwehr des Schadenseintritts ist umstritten, Windthorst, JuS 1995, 992 (996); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 131 kritisieren § 839 III BGB als rechtspolitisch unhaltbar. 495
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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richterprivileg des § 839 II S. 1 BGB erlangen im Bereich schlicht-hoheitlicher Verwaltung grundsätzlich keine Bedeutung498. (1) Subsidiaritätsklausel Im Falle einer lediglich fahrlässigen Amtspflichtverletzung verlangt § 839 I S. 2 BGB als negatives Tatbestandsmerkmal des Amtshaftungsanspruches das Fehlen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten499. Diese auch als Verweisungsprivileg bezeichnete, bereits vor mehr als 50 Jahren vom Bundesgerichtshof für antiquiert und nicht sachgerecht gehaltene, von der Wissenschaft scharf kritisierte Haftungseinschränkung verlangt von dem geschädigten Privatrechtssubjekt in der Klage gegen den aus Amtshaftung in Anspruch genommenen Verwaltungsträger die Darlegung und den Beweis der fehlenden anderweitigen Ersatzmöglichkeit500. Der Gläubiger des Amtshaftungsanspruches ist deshalb in der Klagebegründung regelmäßig ge498
BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 190; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 101 ff. BGH, Urteil vom 29. 01. 1968 – III ZR 111/66 –, juris Rn. 16 ff.; BGH, Urteil vom 12. 07. 1962 – III ZR 87/61 –, juris Rn. 8 ff.; BGH, Urteil vom 12. 04. 1954 – GSZ 1/54 –, juris Rn. 21; Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 73; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 81; AK BGB / Rittstieg, § 839 Rn. 40; Schoch, JURA 1988, 648 f.; SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 202; das RG bezeichnete § 839 I S. 2 BGB noch 1938 ausdrücklich als Schutzbestimmung des in Anspruch genommenen Beamten, RG, JW 1938, 2667, obwohl auch vorkonstitutionell mit Art. 131 WRV bereits eine Haftungsüberleitung auf den Staat erfolgte, woran auch die Rechtssetzung im Dritten Reich formell nichts änderte, HKK / Kannowski, §§ 831 – 839a, 841 Rn. 84; der Beamte haftete bereits seit dem Inkrafttreten des § 1 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. 05. 1910, RGBl 1910, S. 798 generell nicht mehr persönlich, Büchner / Reinert, Einführung in das System der Staatshaftung, Rn. 70. 500 BGH, Urteil vom 16. 04. 1964 – III ZR 182/63 –, juris Rn. 5; BGH, Urteil vom 13. 12. 1990 – III ZR 14/90 –, juris Rn. 23; BGH, Urteil vom 12. 07. 1962 – III ZR 87/61 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 10. 12. 1987 – III ZR 206/86 –, juris Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 16; der Rechtsausschuss des Bundestags empfahl bereits 1981 die Abschaffung, BT-Drucksache 9/130, S. 1; Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 268 f.; Büchner / Reinert, Einführung in das System der Staatshaftung, Rn. 95 ff.; Futter, Subsidiarität der Amtshaftung, S. 145; Futter, NJW 1977, 1225 ff.; Stober-VerwR II / Kluth, § 67 Rn. 98; Kreft, Öffentlichrechtliche Ersatzleistungen, S. 153; Küch, Vertrauensschutz durch Staatshaftung, S. 226; Littbarski, JuS 1979, 537 (541); Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 73; Waldeyer, NJW 1972, 1249 ff.; Windthorst, JuS 1995, 791 (793); Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 301; GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 73; mit der Feststellung, § 839 I S. 2 BGB sei ein Schandfleck des BGB, Schneider, NJW 1966, 1263 (1264); mit dem Vorwurf, die Subsidiaritätsklausel habe ihren Sinn verloren und der vom BGH in seinem Urteil vom 12. 04. 1954 – GSZ 1/54 neu gefundene Sinn der finanziellen Entlastung der öffentlichen Hand sei unhaltbar und es handle sich um nichts anderes als ein anachronistisches Fiskusprivileg, Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 82, 88; ähnlich Treffer, Staatshaftung im Polizeirecht, S. 99; die Übertragung des Subsidiaritätsprinzips auf die staatliche Haftung generell als sinnwidrig ablehnend, MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 16; der Ansicht, die Subsidiaritätsklausel sei verfehlt und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, zustimmend, Kuschmann, NJW 1966, 574; mit der Ansicht, die Subsidiaritätsklausel sei zumindest rechtspolitisch fragwürdig, Windthorst, JuS 1995, 992 (994); die ersatzlose Streichung des § 839 I S. 2 BGB fordernd, Medicus, JuS 1977, 637 (644). 499
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
halten, alle naheliegenden anderweitigen Ersatzmöglichkeiten argumentativ überzeugend auszuräumen, woraufhin der beklagte Verwaltungsträger mit seinerseits substantiiertem Vortrag weitere anderweitige Ersatzmöglichkeiten benennen kann, die der Kläger dann seinerseits wieder argumentativ auszuräumen hat501. Nachdem der BGH bereits seit Jahrzehnten der Ansicht ist, dass der Zweck der Subsidiaritätsklausel weitgehend entfallen ist, wendet er sie im Wege teleologischer Reduktion dann nicht mehr an, wenn der Geschädigte sich anderweitige Ersatzmöglichkeiten durch Leistung eigener Mittel selbst verschafft hat oder die anderweitige Ersatzmöglichkeit den Schädiger erkennbar nicht entlasten soll. Dies wurde insbesondere relevant bei Versicherungsleistungen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie dann, wenn die Pflichtverletzung bei dienstlicher Teilnahme eines Amtsträgers am Straßenverkehr ohne Inanspruchnahme von Sonderrechten erfolgte, wenn die Pflichtverletzung im Rahmen einer öffentlichrechtlich ausgestalteten Straßenverkehrssicherungspflicht erfolgte oder wenn die anderweitige Ersatzmöglichkeit lediglich die Inanspruchnahme eines anderen Verwaltungsträgers umfasst sowie in einigen weiteren Sonderfällen502. Ist die Subsidiarität der Amtshaftung bereits außerhalb verwaltungsrechtlicher Näheverhältnisse kaum begründbar, so ist sie bei steigender Intensität der Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten und Verwaltungsträgern nicht mehr nachvollziehbar. Dies folgt aus der besonderen Pflicht der Verwaltungsträger zu rechtmäßigem Handeln im Rahmen des Gesetzesvorranges und Gesetzesvorbehalts503. Das Privatrechtssubjekt hat als entgeltlicher Nutzer einer öffentlichrechtlich organisierten Einrichtung einen Anspruch darauf, dass der Ver501
Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 301 ff.; Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 79; Palandt / Sprau, § 839 Rn. 62; SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 288. 502 Zur Lohnfortzahlung, BGH, Urteil vom 20. 06. 1974 – III ZR 27/73 –, juris Rn. 16 ff.; zur Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr, BGH, Urteil vom 27. 01. 1977 – III ZR 173/74, NJW 1977, 1238 f.; Futter, NJW 1977, 1225 ff.; Backhaus, VersR 1984, 16 ff.; zu Verkehrssicherungspflichten, BGH, Urteil vom 09. 10. 2014 – III ZR 68/14 –, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 01. 07. 1993 – III ZR 167/92 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 11. 06. 1992 – III ZR 134/91 –, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 12. 07. 1979 – III ZR 102/78 –, juris Rn. 24; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. 01. 2005 – 7 U 161/03 –, juris Rn. 10; zur Nichtanwendung bei anderweitiger Ersatzmöglichkeit nur durch Inanspruchnahme eines anderen Verwaltungsträgers, BGH, Urteil vom 14. 11. 2002 – III ZR 131/01 –, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 17. 05. 1990 – III ZR 191/88 –, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 04. 07. 1974 – III ZR 63/72 –, juris Rn. 13; OLG Koblenz, Urteil vom 22. 11. 2000 – 1 U 1645/97 –, juris; zu Versicherungsleistungen, BGH, Urteil vom 20. 11. 1980 – III ZR 122/79 –, juris Rn. 12; Kahlke, VersR 1981, 604 ff.; zu den weiteren Fallgruppen siehe Aufzählungen, BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 183 ff.; Lörler, JuS 1990, 544 (545 ff.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 682 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 82 ff.; Schoch, JURA 1988, 648 f.; SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 177 ff.; Treffer, Staatshaftung im Polizeirecht, S. 99; Vogel, Gefahrenabwehr, S. 636 f.; Waldeyer, NJW 1972, 1249 ff.; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 261 ff. 503 BGH, Urteil vom 20. 02. 1992 – III ZR 188/90 –, juris Rn. 20; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 116; Kümper, Risikoverteilung im Staatshaftungsrecht, S. 6 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 46; AnwK-BGB / vom Stein, § 839 Rn. 102; Stober-VerwR I / Stober, § 30 Rn. 1 ff.; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 117; nach Morlok soll aus der Verletzung eines subjektiven Rechts des Bürgers durch den Staat ein Unrechtsbeseitigungsanspruch resultieren, Morlok, Die Verwaltung 1992, 371 (379).
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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waltungsträger sein Leistungsversprechen einhält504. Im Gegenzug bleibt das Privatrechtssubjekt zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet, muss also Kanalbenutzungsgebühren, Verbandsbeiträge oder andere Leistungen erbringen. Ein synallagmatischer Leistungsaustausch zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt oder das Vorhandensein eines Anschluss- und Benutzungszwanges setzt Haftungsbeschränkungen enge Grenzen505. Insbesondere darf das Privatrechtssubjekt nicht mit Haftungsrisiken belastet werden, die aus dem vom Verwaltungsträger beherrschten Gefahrenbereich resultieren506. Da die Subsidiaritätsklausel aber auch für grobe Fahrlässigkeit gilt, wird der Verwaltungsträger schon dann von der Haftung frei, wenn das geschädigte Privatrechtssubjekt nicht nachweisen kann, dass die Inanspruchnahme eines dritten Mitschädigers und Gesamtschuldners nicht erfolgversprechend wäre507. Für zivilrechtliche Leistungsverhältnisse schließt § 309 Nr. 7 b) BGB eine Enthaftung aufgrund vorformulierter Vertragsbedingungen für grobe Fahrlässigkeit des Verwenders ohne Wertungsmöglichkeit aus. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das Privatrechtssubjekt im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis weniger schutzbedürftig sein soll, denn auch bei den verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen handelt es sich um durch vorformulierte Bedingungen geregelte Massenleistungsverhältnisse und ein Verwaltungsträger ist dem durchschnittlichen Privatrechtssubjekt an Marktmacht und Rechtskenntnis überlegen508. Im Bereich der hoheitlichen Verwaltung zeigt sich diese Überlegenheit besonders, weil der Verwaltungsträger einseitig und ohne Anrufung der Gerichte vollstreckbare Leistungsbefehle generieren kann509. Zur Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen in einen Vertrag muss der Unternehmer dem Verbraucher im Zivilrecht die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der Bedingungen gemäß § 305 II BGB ermöglichen. Im Verwaltungsrecht existiert kein Grundsatz dahingehend, dass das Privatrechtssubjekt auf die Subsidiaritätsklausel hingewiesen werden muss. Auch die Beweislast des Privatrechtssubjekts dafür, dass das Tatbestandsmerkmal der fehlenden anderweitigen Ersatzmöglichkeit gegeben ist, genügt nicht den Anforde504
Tiemann, VerwArch 1974, 381 (392). Tiemann, VerwArch 1974, 381 (407 f.). 506 Tiemann, VerwArch 1974, 381 (408). 507 Schoch, JURA 1988, 648. 508 Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 59; Janson, DÖV 1979, 696 (703); Tiemann, VerwArch 1974, 381 (409 f.) ist der Ansicht, dass für den Bereich der Schlechtleistung einer Hauptleistungspflicht eine Haftungsbeschränkung auch für leichte Fahrlässigkeit nicht möglich sei; Maurer lässt für die verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse einen Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit nicht zu, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 790; so auch Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 166; ebenso Achterberg für den verwaltungsrechtlichen Vertrag, Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 111. 509 Zur Frage nach der Befugnis eines Verwaltungsträgers, im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis Verwaltungsakte zu erlassen, die nach dem geltenden Landesrecht zu entscheiden sein soll, OVG Greifswald, Beschluss vom 19. 07. 2007 – 1 L 68/06 –, juris Rn. 8 f.; OVG Weimar, Urteil vom 13. 11. 2013 – 4 KO 217/12 –, juris Rn. 54 ff.; BVerwG, Urteil vom 06. 05. 1964 – VIII C 394.63 –, juris Rn. 9 ff.; BVerwG, Urteil vom 28. 09. 1967 – II C 37.67 –, juris Rn. 20 ff. 505
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
rungen der Rechtsstaatlichkeit. Verwaltungsträgern ist es gesetzlich grundsätzlich verboten, rechtswidrig zu handeln510. Sie müssen berechtigte Schadensersatzansprüche von Privatrechtssubjekten erfüllen511. Wenn das Privatrechtssubjekt im Amtshaftungsprozess ohnehin schon dem im öffentlichrechtlichen Sachzusammenhang systemfremden Beibringungsgrundsatz des Zivilrechts unterliegt, so kann ihm nicht auch noch die Beweislast für einen Umstand auferlegt werden, der rechtssystematisch kein Tatbestandsmerkmal im engeren Sinne, sondern eine Rechtsbedingung der Haftung darstellt512. Die fehlende anderweitige Ersatzmöglichkeit ist kein Umstand, an den der Gesetzgeber die Haftungsfolge im Rahmen der Amtshaftung dem Grunde nach knüpft, denn diese sind abschließend in § 839 I S. 1 BGB aufgeführt, sondern vielmehr eine Bedingung der Amtshaftung, deren Tatbestand im engeren Sinne unabhängig davon erfüllt sein kann. In der vergleichbaren Situation einer Ausfallbürgschaft im Zivilrecht stellt die fehlende Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Hauptschuldners ebenfalls ein Tatbestandsmerkmal im weiteren Sinne, eigentlich aber eine Bedingung der Haftung dar513. Ist der Tatbestand im engeren Sinne erfüllt, so ist das Kompensationsverlangen des Privatrechtssubjekts grundsätzlich berechtigt und der Verwaltungsträger kann das Nachweisrisiko aufgrund seiner eigenen verfassungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Herstellung rechtmäßiger Vermögenslagen nicht mehr allein auf das geschädigte Privatrechtssubjekt abwälzen514. Darüber hinaus stellt sich auch allgemein die Frage, weshalb ein Verwaltungsträger, wenn er hoheitlich handelnd zusammen mit einem Privatrechtssubjekt einem anderen Privatrechtssubjekt rechtswidrig einen Schaden zufügt, nur aufgrund der Tatsache, dass noch ein privater Mitschädiger vorhanden ist, auf dessen Kosten aus der Haftung entlassen werden soll515. Die aufgeführten Einwände gegen die Subsidiaritätsklausel wiegen umso schwerer, wenn das geschädigte Privatrechtssubjekt zusätzlich auch keine Wahl dahingehend hatte, ob es sich in ein verwaltungsrechtliches Näheverhältnis begibt, weil ein Anschluss- und Benutzungszwang es dazu verpflichtete. Eine Rechtfertigung der rechtsstaatlichen Einschränkungen durch die Subsidiaritätsklausel aufgrund einer zugrundeliegenden freien Entscheidung des Privatrechtssubjekts zur Eingehung der verwaltungsrechtlichen Nähebeziehung muss dann erst recht ausscheiden. Die Subsidiaritätsklausel
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Siehe Fn. 503. Zum rechtssoziologischen Imperativ einer rechtsstabilisierenden Verarbeitung von Rechtsverletzungen, GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 14 ff. 512 Baumann, AcP 1969, 317 (322 f.): SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 255. 513 So ausdrücklich, RG, Urteil vom 22. 12. 1910 – Rep. VI. 612/09, RGZ 75, 186 (187); Baumann AcP 1969, 317 (323); Staudinger 765 ff. / Horn, § 771 Rn. 11. 514 A.A. BGH, Urteil vom 13. 12. 1990 – III ZR 14/90 –, juris Rn. 13 ff. 515 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 320; Hartmann, Öffentliches Haftungsrecht, S. 163. 511
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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führt im Ergebnis zu einem rechtsstaatlich nicht hinzunehmenden Haftungsdefizit der Verwaltungsträger bei fahrlässigen Pflichtverletzungen516. (2) Verschuldenshaftung und Verschuldensnachweis Der Amtshaftungsanspruch setzt Verschulden des Amtsträgers nach dem zivilrechtlichen Maßstab des § 276 BGB voraus und greift demnach bei jeder Fahrlässigkeit und auch bei Vorsatz ein, wobei im Rahmen der Feststellung der Fahrlässigkeit auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“ abzustellen sein soll517. Nach dem von der Rechtsprechung selbst gewählten Sorgfaltsmaßstab einer objektivierten Version des § 276 BGB muss jeder Amtsträger bei der Ausführung von Amtspflichten die hierfür erforderlichen Verwaltungskenntnisse besitzen und anwenden518. Der Verschuldensnachweis fällt in die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers519. Auch wenn dem Privatrechtssubjekt von der Rechtsprechung zahlreiche Beweiserleichterungen gewährt werden, ist fehlendes Verschulden oder der misslungene Verschuldensnachweis von dem Volumen der geltend gemachten Amtshaftungsansprüche her für knapp die Hälfte aller abgelehnten Amtshaftungsansprüche verantwortlich und damit ein noch effektiveres Hindernis für die Kompensationsverlangen der Privatrechtssubjekte als die Subsidiaritätsklausel520. Die Rechtsprechung lässt es für den Verschuldensnachweis im 516 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 231 f. unterschätzt die Auswirkungen der Subsidiaritätsklausel, wenn er die Folgen auf einen Zusatzaufwand an Zeit und Geld reduziert; Hartmann, Öffentliches Haftungsrecht, S. 163; Papier befürwortete bereits 1970 eine direkte Staatshaftung ohne Subsidiarität, Papier, Forderungsverletzung, S. 120; die Verbesserung des Schutzes des Bürgers vor rechtswidrigem Verwaltungshandeln, auch durch Abschaffung der Subsidiaritätsklausel, war eines der maßgebenden Ziele des gescheiterten Staatshaftungsgesetzes von 1981, Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 77; Janson, DÖV 1979, 696 (700). 517 Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 69 f.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 282; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 191, 198; zum Sorgfaltsmaßstab, BGH, Urteil vom 04. 07. 2013 – III ZR 342/12 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 09. 07. 1998 – III ZR 87/97 –, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 18. 06. 1998 – III ZR 100/97 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 11. 12. 1997 – III ZR 52/97 –, juris Rn. 13; BGH, Beschluss vom 28. 09. 1995 – III ZR 202/94 –, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 18. 12. 1987 – V ZR 223/85 -, juris Rn. 24 ff.; BGH, Urteil vom 08. 01. 1968 – III ZR 176/66 –, juris Rn. 17. 518 BGH, Urteil vom 11. 12. 1997 – III ZR 52/97 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 20. 02. 1992 – III ZR 188/90 –, juris Rn. 31; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 161 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 78 ff.; SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 146, 271; Stober-VerwR II / Kluth, § 67 Rn. 96. 519 Erman-BGB II / Mayen, § 839 Rn. 109; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 399 f.; jurisPK-BGB 2.3.2 / Zimmerling, § 839 Rn. 129 ff. 520 Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 35; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 118; a.A. ohne auf die von Papier besprochenen Fallzahlen einzugehen, SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 139; siehe zu den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Vollbeweises einer verschuldeten Amtspflichtverletzung durch den Geschädigten, BGH, Urteil vom 14. 03. 1985 – III ZR 206/83 –, juris; BGH, Urteil vom 11. 07. 1991 – III ZR 177/90 -, juris; BGH, Urteil vom 20. 02. 1992 – III ZR 188/90 –, juris.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Allgemeinen zwar ausreichen, wenn der Gläubiger einen Sachverhalt darstellt und beweist, der nach dem regelmäßigen Ablauf der Dinge die Folgerung zulässt, ein Amtsträger habe seine Amtspflicht verletzt oder wenn nach dem Grundsatz des Anscheinsbeweises aufgrund eines Handelns des Amtsträgers ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, der erfahrungsgemäß auf eine verschuldete Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist521. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung von den Amtsträgern für eine im Sinne der Amtshaftung unverschuldete Amtspflichtverletzung erwartete Sorgfalt ist aber bestenfalls moderat. Von den mit der Bekämpfung von Eisglätte auf einer Bundesstraße befassten Straßenwärtern erwartete der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14. 03. 1985 nicht, dass sie ruhig und vernünftig über die Notwendigkeit effektiverer Mittel zur Beseitigung der vorhandenen Eisglätte nachdachten, obwohl die weitgehende Wirkungslosigkeit der von ihnen eingesetzten Streumittel erkennbar war, was zu einem vermeidbaren Verkehrsunfall mit Todesfolge führte; der Kläger konnte darüber hinaus auch nicht darlegen und beweisen, dass sich das Erfordernis effektiverer Maßnahmen den Straßenwärtern angesichts der Umstände aufdrängen musste522. In rein zivilrechtlichen Fallgestaltungen stellt der Bundesgerichtshof zur Feststellung von Fahrlässigkeit hingegen darauf ab, ob ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Drittgefährdung bei Durchführung der Schädigungshandlung ergibt523. Übertragen auf Amtspflichten handelt ein Amtsträger dann fahrlässig, wenn er bei Beachtung der für seinen Pflichtenkreis erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er seiner Amtspflicht zuwider handelt524. Nach diesem Maßstab wäre auch im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. 03. 1985 richtigerweise zumindest von einfacher Fahrlässigkeit auszugehen gewesen, da die Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer für die Straßenwärter durch den erfolglosen Einsatz der Streumittel erkennbar war und deswegen auch die naheliegende Möglichkeit einer Straßenverkehrsgefährdung 521 BGH, Urteil vom 04. 04. 1963 – III ZR 213/61, VersR 1963, 856 ff.; BGH, Entscheidung vom 29. 11. 1956 – III ZR 70/55 –, juris Rn. 22; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 283; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 400. 522 BGH, Urteil vom 14. 03. 1985 – III ZR 206/83 –, juris Rn. 39 ff. ließ die Überforderung der Straßenwärter aufgrund Zeitdruck für die Annahme fehlenden Verschuldens ausreichen; siehe hierzu auch den Widerspruch mit der Entscheidung des BGH in Fn. 525, wonach objektiv unrichtige Maßnahmen einer Fachbehörde eine Verschuldensvermutung rechtfertigen; zu objektiv gemeinschaftsrechtswidrigem Verwaltungshandeln, BGH, Urteil vom 18. 10. 2012 – III ZR 197/11 –, juris; zur Sorgfaltspflicht eines Gemeinderats bei der Prüfung der Voraussetzungen der Erteilung des baurechtlichen Einvernehmens, BGH, Urteil vom 14. 06. 1984 – III ZR 68/83 –, juris Rn. 14 f.; in der vorkonstitutionellen Rechtsprechung waren die Anforderungen an die pflichtgemäße Sorgfalt des Amtsträgers höher, siehe Rechtsprechungsnachweise, Kayser-Leiß, Die Amtshaftung, Nr. 541 ff. 523 BGH, Urteil vom 21. 05. 1996 – VI ZR 161/95 –, juris Rn. 9 ff.; BGH, Urteil vom 15. 04. 1975 – VI ZR 19/74 –, juris Rn. 8 ff.; MüKoBGB 241 ff / Grundmann, § 276 Rn. 70. 524 BGH, Urteil vom 10. 07. 1967 – III ZR 120/66, VersR 1967, 1150 (1152 f.); BGH, Urteil vom 16. 01. 1961 – III ZR 224/59, VersR 1961, 507 (509); SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 146; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 198.
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bestand525. Dass es dem Kläger nicht möglich war, zu einer sich für die Straßenwärter aufdrängenden Erforderlichkeit effektiverer Maßnahmen vorzutragen und Beweis anzutreten, überrascht nicht. Dem geschädigten Privatrechtssubjekt fehlt hierzu regelmäßig entweder die genaue Kenntnis des Sachverhalts, ausreichendes Wissen über Umfang, Erforderlichkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns oder es mangelt an geeigneten Beweisen526. Zur Vermeidung von Härten hat die Rechtsprechung unsystematisch in manchen Fällen Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten zugelassen, in anderen Fällen trotz von Seiten der Verwaltung zu vertretener Beweisnot des Geschädigten die Klage aufgrund Mangels an Beweisen scheitern lassen527. Eine vorhersehbare und belastbare Rechtsprechungspraxis zur Beweiserleichterung beim Verschuldensnachweis ist nicht erkennbar. Das Privatrechtssubjekt muss damit rechnen, den Vollbeweis auch für das Verschulden der Bediensteten des Verwaltungsträgers erbringen zu müssen. Unter anderem die Einsicht in die Unzumutbarkeit dieses Umstandes für den Geschädigten hat die Rechtsprechung zur verstärkten Anwendung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses mit der für dieses in Bezug auf das Verschulden leicht begründbaren Beweislastumkehr veranlasst528. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Der ursprüngliche Zweck des Verschuldenskriteriums, der Schutz des Beamten vor einer verschuldensunabhängigen, persönlichen Haftung, ist durch die Haftungsüberleitung auf den Staat entfallen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob das Verschuldenskriterium generell noch zu begründen ist529 ; jedenfalls kann dem Pri525 BGH, Urteil vom 27. 02. 1969 – III ZR 157/66 –, juris lässt eine Verschuldensvermutung zu, wenn objektiv unrichtige Maßnahmen von einer Fachbehörde unternommen werden, bei der die erforderliche Sachkunde vorauszusetzen ist. 526 So auch ausdrücklich für eine vergleichbare Interessenlage bei spezialgesetzlicher Haftungsgrundlage, BGH, Urteil vom 06. 11. 1997 – III ZR 198/96 –, juris Rn. 8 ff.; Papier, Forderungsverletzung, S. 126 f. 527 Zur Beweislastumkehr durch eine entsprechende Anwendung nur der Beweislastregel des § 832 I S. 2 BGB auf Amtshaftungsansprüche gemäß § 839 BGB, BGH, Urteil vom 13. 12. 2012 – III ZR 226/12 –, juris Rn. 21 ff.; a.A. noch BGH, Urteil vom 15. 03. 1954 – III ZR 333/ 52 –, juris Rn. 10 f.; keine Beweislastumkehr trotz vom Verwaltungsträger zu vertretender Beweisnot des Privatrechtssubjekts, BGH, Urteil vom 14. 11. 1963 – III ZR 151/62, VersR 1964, 311 (313); anders scheinbar bei vom Schädiger zu vertretender Beweisnot des Geschädigten im Zivilprozess, BGH, Urteil vom 27. 06. 1978 – VI ZR 183/76 –, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 09. 11. 1982 – VI ZR 23/81 –, juris; BGH, Urteil vom 15. 11. 1984 – IX ZR 157/83 –, juris Rn. 25 ff.; siehe hierzu auch Fn. 525, 526. 528 BGH, Urteil vom 05. 03. 1987 – III ZR 265/85 –, juris Rn. 23 ff.; BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 14. 12. 2006 – III ZR 303/05 –, juris Rn. 9 ff.; BGH, Urteil vom 08. 03. 2007 – III ZR 55/06 –, juris Rn. 9 ff. 529 Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (370); Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 212 f.; für die Rückabwicklung rechtswidrigen, hoheitlichen Handelns in Gestalt des Erlasses rechtswidriger Verwaltungsakte haftet der Verwaltungsträger bei Anfechtung durch das Privatrechtssubjekt verschuldensunabhängig, Vogel, Gefahrenabwehr, S. 624 ff.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 23; auch der Folgenbeseitigungsanspruch setzt kein Verschulden voraus, BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 08. 09. 1993 – 24 A 518/91 –, juris Rn. 23 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 3 ff.; GVwR III / Enders, § 53 Rn. 5 ff.; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtli-
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vatrechtssubjekt nicht die Beweislast für behördeninterne Umstände auferlegt werden, die es regelmäßig nicht kennen kann530. Als haftungsbeschränkendes Tatbestandsmerkmal, für das das anspruchsstellende Privatrechtssubjekt die Beweislast trägt, kann das Verschuldenskriterium nicht gerechtfertigt werden531. (3) Erhöhte Anforderungen an den Integritätsschutz Je intensiver die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verwaltungsträger und dem Privatrechtssubjekt, desto größer ist regelmäßig auch das Interesse des Privatrechtssubjekts an ordnungsgemäßer Pflichterfüllung durch den Verwaltungsträger. Dies zeigt sich vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, denn beispielsweise von der Lieferung mangelfreien Trinkwassers hängen elementare Rechtsgüter der Allgemeinheit ab532. Im Gegensatz zu den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten untereinander ist das Verhältnis des Staates zu Privatrechtssubjekten nicht von Interessensgegensätzen geprägt, sondern von der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks durch die Verwaltungsträger, weshalb auch die Interessen der Privatrechtssubjekte von der Verwaltung bei den Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen sind533. Sind diese Interessen an rechtmäßigem Handeln der Verwaltungsträger im Vergleich zum allgemeinen Interesse der Gesellschaft an rechtstreuem Handeln der Verwaltungsträger erheblich erhöht, so steigen auch die Interessen an einer effektiven Haftung der Verwaltungsträger im Falle von Pflichtverletzungen, denn Ziel der Sekundäransprüche ist in erster Linie Kompensation für die in Folge der Pflichtverletzungen der Primärpflichten im Vermögen eingetretenen Verluste534. Nur durch Kompensation auf Sekundärebene kann den beeinträchtigten Interessen der Privatrechtssubjekte auf
cher Schuldverhältnisse, S. 102 f.; neuere spezialgesetzlich geregelte Staatshaftungsansprüche wie Art. 5 V EMRK, § 51 BundesseuchenG, § 82 SGB X oder § 198 GVG werden regelmäßig verschuldensunabhängig als Gefährdungshaftung konzeptioniert, SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 378; die Einführung verschuldensunabhängiger Staatshaftung für überlange Verfahrensdauer gemäß § 198 GVG beseitigte zahlreiche Effektivitätsprobleme des Amtshaftungsanspruches, Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 374; kritisch zur verschuldensabhängigen Staatshaftung auch, GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 68 ff. 530 Privatrechtssubjekte haben nach Auffassung des Gesetzgebers grundsätzlich nicht für behördeninterne Organisationsdefizite einzustehen, was auch die Schaffung des verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruchs bei überlangen Gerichtsverfahren gemäß § 198 I S.1 GVG zeigt, siehe hierzu BGH, Beschluss vom 28. 03. 2012 – III ZR 177/11 –, juris; die Beweislast des Geschädigten für das Verschulden der Behörde generell als nicht sachgerecht ablehnend, Vogel, Gefahrenabwehr, S. 646; Schullan, BayVBl 1990, 360, 364. 531 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 358 ff.; der Rechtsauschuss des Bundestags empfahl bereits 1981 die Einführung einer Beweislastumkehr, BT-Drucksache 9/130, S. 2. 532 BVerfG, Beschluss vom 02. 11. 1981 – 2 BvR 671/81 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 02. 03. 1977 – VIII ZR 209/75 –, juris; BGH, Urteil vom 05. 06. 1963 – VIII ZR 259/61 –, juris. 533 Büchner / Reinert, Einführung in das System der Staatshaftung, Rn. 209; Papier, Forderungsverletzung, S. 83; Gries / Willebrand, JuS 1990, 103. 534 Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 18 f.
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Primärebene noch Rechnung getragen werden535. Es lässt sich allgemein nicht begründen, weshalb der Rechtsschutz auf Sekundärebene hinter dem auf Primärebene zurückbleiben soll, denn dies würde dazu führen, dass eine Pflichtverletzung des Schuldners zu einer Reduzierung der von ihm geschuldeten Leistung oder zu einer Verbesserung seiner prozessualen Abwehrmöglichkeiten gegen den Anspruch führen kann536. Der Integritätsschutz muss in Bezug auf die Effektivität in der Sekundärebene demnach mindestens dem Integritätsschutz auf Primärebene entsprechen. Bei einer Klage zur Realisierung des Primäranspruches kann der Verwaltungsträger sich nicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten oder fehlendes Verschulden bezüglich der Nichtleistung berufen537; insbesondere trägt das Privatrechtssubjekt im Verwaltungsprozess aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 86 I VwGO auch nicht die Beweislast für anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale. Diese Einschränkungen können deshalb auch auf Sekundärebene nicht begründet werden. Der Amtshaftungsanspruch bietet im Ergebnis kein hinreichendes Schutzniveau. (4) Zusammenfassung Das Amtshaftungsrecht weist aufgrund der Subsidiaritätsklausel, dem Verschuldenserfordernis und der Beweislastverteilung in der Anwendungspraxis erhebliche Rechtsschutzdefizite auf, die dazu führen, dass ein den rechtsstaatlichen Standards genügender Schutz der Integritätsinteressen der Privatrechtssubjekte nicht gewährleistet wird538. Es besteht deshalb Anwendungsbedarf für eine effektivere Haftung der Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten für Pflichtverletzungen in verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen539. d) Ergebnisse Für Fallgruppe 1 kommt eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im Schuldverhältnis aufgrund verfassungsrechtlicher Einwände gegen die Rechtsfolge des umfassenden Schadensersatzanspruches nicht in Betracht. In Fallgruppe 2 scheidet die Anwendung zum Nachteil der Pri535 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 213; zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei hoheitlicher Verwaltung Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 362. 536 Papier, Forderungsverletzung, S. 112; dieser Grundsatz liegt der Rechtsprechung zugrunde, BVerwG, Urteil vom 20. 03. 1963 – VI C 169/60, MDR 1964, 261; BVerwG, Urteil vom 24. 08. 1961 – II C 165.59 –, juris Rn. 22 ff.; Sproll, JuS 1996, 313 (319 f.) leitet aus dem Erfordernis einer Sicherung des grundrechtlichen Status der Privatrechtssubjekte einen (verschuldensunabhängigen) Anspruch auf Bewältigung hoheitlicher Unrechtslasten ab; siehe hierzu auch Fn. 422. 537 Siehe Fn. 529. 538 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 300 f.; a.A. ohne Begründung Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 147. 539 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 42 ff., 287; so auch unter pauschalem Verweis auf das Bedürfnis nach einer angemessenen Verteilung der Verantwortung in der öffentlichen Verwaltung, BGH, Urteil vom 14. 12. 2006 – III ZR 303/05 –, juris Rn. 9.
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vatrechtssubjekte aufgrund rechtsstaatlicher Bedenken aus. Damit fehlt es in den ersten beiden Fallgruppen zumindest an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung einer Rechtsfortbildung. Die Sachverhaltskonstellationen in Fallgruppe 3 hingegen verlangen eine effektivere Haftung als den nach geschriebenem Recht anzuwendenden Anspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG540. Die Untersuchung hat damit ergeben, dass für Fallgruppe 3 auch ein konkreter Bedarf für eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen besteht. 4. Dogmatische Herleitung In Wissenschaft und richterlicher Praxis werden für eine entsprechende Anwendung der privatrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis unterschiedliche Begründungen angeführt, insbesondere die Analogie und die Begründung der Haftung als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken oder Rechtsgrundsätze541. Der Bundesgerichtshof bezieht sich in ständiger Rechtsprechung auf die Anwendung der schuldrechtlichen Haftung im Verwaltungsrecht als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken oder bejaht eine entsprechende Anwendung aufgrund bestehenden Anwendungsbedarfes gänzlich ohne dogmatische Begründung542. Die Literatur differenziert zwischen Unterfallgruppen oder argumentiert pauschal dahingehend, dass die Entscheidung sich nicht auf die Anwendung auswirke und von der Frage ablenke, welche zivilrechtlichen Haftungsnormen im Einzelfall anwendbar seien543. Die Frage nach dem Modus der 540
So auch, aber nur für die GoA in Fallgruppe 3 (P/Ö), Nedden, GoAÖR, S. 172 f. Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 117; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 87; zur Rechtsprechung siehe Fn. 542. 542 Herleitung über allgemeine Rechtsgedanken, BGH, Urteil vom 13. 10. 2011 – III ZR 126/10 –, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 23. 02. 2006 – III ZR 164/05 –, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 15. 05. 1997 – III ZR 250/95 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 28. 10. 1976 – III ZR 155/74 –, juris Rn. 21; BGH, Entscheidung vom 04. 10. 1972 – VIII ZR 117/71 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 30. 09. 1970 – III ZR 87/69 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 09. 06. 1956 – III ZR 320/54 –, juris Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 03. 04. 1996 – 6 C 5/94 –, juris Rn. 6 ff.; BVerwG, Urteil vom 20. 03. 1963 – VI C 169/60, MDR 1964, 261; Herleitung über Analogie zur zivilrechtlichen Haftung im Schuldverhältnis, BGH, Urteil vom 05. 10. 1989 – III ZR 66/88 –, juris Rn. 6; jeweils ohne ausdrückliche dogmatische Begründung, BGH, Urteil vom 08. 03. 2007 – III ZR 55/06 –, juris; BGH, Urteil vom 14. 12. 2006 – III ZR 303/05 –, juris; BGH, Beschluss vom 21. 12. 2005 – III ZR 148/05 –, juris; BGH, Urteil vom 05. 03. 1987 – III ZR 265/ 85 –, juris; BGH, Urteil vom 02. 03. 1977 – VIII ZR 209/75 –, juris; a.A. mit der unbegründeten Behauptung, die Rechtsprechung wende überwiegend die Analogie an ohne auf die jüngere Rechtsprechung einzugehen, Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 119. 543 Ohne Entscheidung für einen der Ansätze, Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 372; Blas, JA 1989, 514; Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 33 f.; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 2; Erichsen, VerwArch 1974, 219 (220); Janson, DÖV 1979, 696 (697 f.); Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 2; Meyer, NJW 1977, 1705 (1710); Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 89; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 434 f.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 120 f.; Windthorst, JuS 1996, 605 (606 ff.); alle 541
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Herleitung und die Entscheidung für einen oder mehrere der Herleitungsansätze kann nicht unbeantwortet bleiben, denn dies würde gleichfalls offenlassen, ob eine Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im öffentlichen Recht überhaupt begründet werden kann und welchen Regeln sie zu folgen hat. a) Voraussetzungen und Qualifizierung der vorzunehmenden Rechtsfortbildung aa) Voraussetzungen der Rechtsfortbildung Rechtsfortbildung setzt grundsätzlich eine Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit bei der tatbestandlichen Erfassung regelungsbedürftiger Sachverhalte voraus544. Im Bereich der schlicht-hoheitlichen Verwaltung bietet das geschriebene Verwaltungsrecht außerhalb der defizitären Amtshaftung keine allgemeine Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche der Privatrechtssubjekte aufgrund von Pflichtverletzungen des Verwaltungsträgers545. Es ist auch keine ausreichend verfestigte Rechtsprechungspraxis zu Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen ersichtlich, so dass von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Rechtsinstituts nicht gesprochen werden kann546. dargestellten Optionen ablehnend Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 127 f.; die Analogie ablehnend und ohne nähere Spezifizierung ein originär öffentlichrechtliches Haftungsinstitut befürwortend, GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 86; auf den jeweiligen Einzelfall abstellend, BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 230; differenzierend nach den jeweiligen Anwendungsfällen und Rechtsgrundsätzen, Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 286 ff., 299 ff., 352 ff.; für Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze, Bull/ Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 142 f.; Götz, JuS 1971, 349 f.; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 96 ff.; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 226 f.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 76; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (389); für die Herleitung über Gesetzesanalogie Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 150 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 147 ff.; Staudinger 241 ff. / Olzen, Einl zum SchuldR Rn. 272; Papier, Forderungsverletzung, S. 72 ff.; Staudinger 255 ff. / Schwarze, § 280 B 29; Stelkens, DVBl 1998, 300 (303 f.); Stober, Kommunalrecht in der BRD, S. 296; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 331; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 23; für die Herleitung über dem gesamten Recht als Allgemeiner Teil vorgelagerte, ungeschriebene allgemeine Rechtsgedanken, Eckert, DVBl 1962, 11 (14) Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 74 ff. 544 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 16 f.; Chanos, Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, S. 95 ff.; Gern DÖV 1985, 558 (561); Larenz, Methodenlehre, S. 370; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 283; Nedden, GoAÖR, S. 129; Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 568; so auch BVerfG, Beschluss vom 14. 02. 1973 – 1 BvR 112/65 –, juris; Hardt, DÖV 1971, 685 (689) lässt die Auslegung zur Lückenschließung zu solange es sich bei dem Regelungsdefizit nicht um einen „weißen Fleck“ der Rechtsordnung handelt, also um ein Gebiet, auf dem der Gesetzgeber noch gar nicht tätig geworden ist. 545 Stelkens, DVBl 1998, 300 (303). 546 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 94 f.; für das vorvertragliche verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 63 ff.; a.A. Windthorst, JuS 1996, 605 (606).
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Die zivilrechtlichen Regelungen zu Schadensersatzansprüchen in Schuldverhältnissen gemäß §§ 280 ff. BGB sind nicht unmittelbar auf Sachverhalte anwendbar, in denen Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten schlicht-hoheitlich handeln547. Dies mit der fehlenden Gleichordnung und Privatautonomie in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen zu begründen, vermag aber nicht zu überzeugen, da diese Merkmale auch vom BGB nicht für die Anwendung der Haftung für Leistungsstörungen im Schuldverhältnis vorausgesetzt werden548. Die Erklärung liefert vielmehr der Umkehrschluss aus den Verweisungen der §§ 59 I, 62 S. 2 VwVfG. Wenn das Gesetz die Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsnormen von der Erfüllung der Voraussetzungen der Verweisungsnorm abhängig macht, so ist daraus zu folgern, dass ohne Einhaltung dieser Voraussetzungen grundsätzlich auch keine Anwendung des BGB auf öffentlichrechtliche Verträge in Betracht kommt. Es entzieht sich einer Begründung, weshalb das Verwaltungsrecht im Bereich nichtvertraglicher Schuldverhältnisse für eine unmittelbare Anwendung der Haftungsnormen des Zivilrechts durchlässiger sein soll. Eine Auslegung kann nicht helfen, da diese nur bei mehrdeutigen, nicht bei lückenhaften Normtexten in Betracht kommt und auch die Frage nach der Anwendbarkeit einer zivilrechtlichen Haftungsnorm in der gänzlich anders strukturierten Teilrechtsordnung des öffentlichen Rechts nicht beantworten kann549. Damit könnte allenfalls eine entsprechende Anwendung im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung in Betracht kommen, da ein Fall vorliegt, auf den keine Rechtsnorm tatbestandlich anwendbar ist550. Das BGB weist für die Haftung aufgrund von Leistungsstörungen der Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen keine Gesetzeslücke auf, weil nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, also seinem gesetzgeberischen Plan, Schuldverhältnisse verwaltungsrechtlicher Natur im BGB über547 Eckert, DVBl 1962, 11 (14); Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 87; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 284 f. behauptet, dies verstünde sich von selbst. 548 Das BGB setzt für die Anwendung der §§ 280 ff. BGB lediglich ein Schuldverhältnis voraus; Gleichordnung und Privatautonomie prägen das Zivilrecht aufgrund der Beteiligung normativ gleichberechtigter Rechtssubjekte, sind aber keine Voraussetzung für die Anwendung der §§ 280 ff. BGB; die Kausalkette verkennend und insoweit auch ohne Begründung, Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 285; zutreffend und konsequent deshalb Eckert, DVBl 1962, 11, der die verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse lediglich definiert als „Rechtsverhältnisse, kraft deren der Gläubiger vom Schuldner eine Leistung fordern kann und deren Rechtsgrundlage das VerwRecht ist“ ohne auf die im Verwaltungsrecht regelmäßig fehlende Gleichordnung der beteiligten Rechtssubjekte einzugehen; so auch Hoffmann-Riem / Trute, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 173. 549 Gern, DÖV 1985, 558; Gern, ZRP 1985, 56 (57); Schiffauer, Wortbedeutung und Rechtserkenntnis, S. 41 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14. 02. 1973 – 1 BvR 112/65 –, juris Rn. 28; zur Definition des Begriffs „Auslegung“ siehe, BVerfG, Beschluss vom 19. 06. 1973 – 1 BvL 39/ 69 –, juris Rn. 48; siehe hierzu auch Fn. 108. 550 Gusy, DÖV 1992, 461 (463); die Rechtsfortbildung wird auch als „Rechtsfindung praeter legem“ oder als „Ergänzung“ des Gesetzes umschrieben, Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 17 f.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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haupt nicht geregelt werden sollten551. Meysen ist nur im Ergebnis, nicht aber in der Begründung Recht zu geben, wenn er anführt, dass hieran auch die Existenz von § 839 BGB nichts ändert, weil der historische Gesetzgeber keineswegs beabsichtigte, dem BGB für öffentlichrechtliche Rechtsbeziehungen Geltung zu verschaffen552. Der historische Gesetzgeber begriff das öffentliche Haftungsrecht als Teil des Zivilrechts und regelte es aus seiner Sicht naheliegend im BGB553. Nach heutigem Verständnis sollten öffentlichrechtliche Rechtsbeziehungen also sehr wohl im BGB geregelt werden554. Es findet sich aber kein Anhaltspunkt dafür, dass das BGB die allgemeine, schuldrechtliche Haftung für Leistungsstörungen in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen sowie eine direkte Haftung der Verwaltungsträger für Pflichtverletzungen der Amtsträger erfassen sollte555. Diese Haftungskonzepte sind dem BGB in seinem eindimensional geregelten Amtshaftungsrecht fremd. Eine planwidrige Regelungslücke des BGB liegt damit nicht vor, weil kein entsprechender Gesetzesplan nachvollzogen werden kann. Dass für Fallgruppe 3 ein abstrakter Anwendungsbedarf für eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis besteht, wenn im Rahmen schlicht-hoheitlicher Verwaltung von Seiten des Verwaltungsträgers Pflichten verletzt werden, wurde bereits gezeigt. Der überwiegend vertretenen Ansicht, wonach im geschriebenen öffentlichen Recht diesbezüglich eine Regelungslücke besteht, ist beizupflichten556. Dies ergibt sich aus dem Regelungsplan und dem korrespondierenden Regelungsgehalt des öffentlichen Rechts, wie er sich dem Rechtsanwender objektiv darstellt. Nach Larenz ist eine Gesetzeslücke konkret daran zu erkennen, dass für eine bestimmte Fallgruppe eine gesetzliche Regelung fehlt, während für eine wertungsmäßig gleich zu beurteilende Fallgruppe eben diese Regelung existiert557. Man kann auch von einem Mangel des Gesetzes, einem rechtspolitischen Fehler oder dem Fehlen einer Regel zu einer Frage sprechen, die nach der zugrunde liegenden Regelungsabsicht einer
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Larenz, Methodenlehre, S. 373; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 285. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 285 f.; ebenso plakativ mit der unbegründeten Behauptung, die Rechtssätze des BGB seien auf das Gebiet des bürgerlichen Rechts beschränkt, Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 87. 553 Mugdan II, 459. 554 Hierfür spricht auch, dass der historische Gesetzgeber für die Anwendung der Vorschriften über die GoA das Fehlen einer entsprechenden Amtspflicht verlangte, Mugdan II, 478. 555 Allenfalls einzelne Fallgruppen verwaltungsrechtlicher Näheverhältnisse wurden der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen unterstellt; die vorkonstitutionelle Anwendung des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts auf Sachverhalte, die nach heutigem Verständnis als öffentlichrechtlich zu beurteilen wären basierte auf dem Rechtsverständnis, Fallkonstellationen wie die öffentlichrechtliche Verwahrung seien „quasikontraktliche“ privatrechtliche Verhältnisse, Papier, Forderungsverletzung, S. 40 f. 556 Siehe Fn. 406. 557 Larenz, Methodenlehre, S. 401. 552
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Regelung bedarf558. Der Gesetzgeber erkannte, dass für Leistungsstörungen bei schlicht-hoheitlicher Verwaltung keine Haftungsnormen zur Verfügung standen und löste das Problem für den öffentlichrechtlichen Vertrag durch Verweis auf die zivilrechtliche Haftung in § 62 S. 2 VwVfG, für besondere verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse wie das Steuerrechtsverhältnis durch spezifische Haftungsregeln. Für das allgemeine, nichtvertragliche verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis existieren nach wie vor keine normierten Haftungsregeln, insbesondere auch deswegen, weil das Staatshaftungsgesetz, das diesbezüglich durch eine verschärfte, direkte Haftung der Verwaltungsträger für Pflichtverletzungen in Anlehnung an die zivilrechtliche Haftung für Leistungsstörungen Abhilfe schaffen sollte, vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde559. Da der Gesetzgeber selbst erfolglos versuchte, diese als solche auch erkannte Gesetzeslücke zu schließen, ist eine Planwidrigkeit dieser Gesetzeslücke naheliegend560. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung sind damit gegeben. bb) Qualifizierung der Rechtsfortbildung Rechtsfortbildung kann gesetzesimmanent oder gesetzesübersteigend erfolgen. Beide Formen sind als Ergänzung oder Änderung des Rechts durch den Rechtsanwender rechtfertigungsbedürftig, da die Schaffung neuen Rechts in die Kompetenz des Gesetzgebers eingreift561. Die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung zielt auf die Schließung einer Regelungslücke ab, bewegt sich aber noch innerhalb der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, folgt demnach dem Gesetzesplan562. Eine häufige Form der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung ist die Analogie. Hierbei wird eine für einen Tatbestand geltende Regel auf einen anderen, dem geregelten Tatbestand ähnlichen, aber nicht mit ihm identischen Tatbestand übertragen, weil beide in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Merkmalen so stark angenähert sind, dass eine Ungleichbehandlung der Tatbestände die Rechtspflicht zur Gleichbehandlung wesentlich Gleichen verletzen würde563. Im Rahmen der Einzelanalogie bildet eine einzelne Norm den Ausgangspunkt für die analoge Rechtsanwendung; bei der Gesamtanalogie wird aus der Abstrahierung mehrerer Normen ein normüber558 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 83 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 372. 559 BVerfG, Urteil vom 19. 10. 1982 – 2 BvF 1/81 –, juris Rn. 83 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 288; siehe hierzu auch Fn. 481. 560 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 336. 561 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 548. 562 Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 56; Larenz, Methodenlehre, S. 370. 563 Bach, Das Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 172 f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 82; Gern, DÖV 1985, 558 (561); Larenz, Methodenlehre, S. 381, 397; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 282 ff.; Papier, Forderungsverletzung, S. 71 f.; Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 555, 559; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 88 f.; skeptisch hierzu, Hemke, Methodik der Analogiebildung im öffentlichen Recht, S. 154 ff.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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greifender Zusammenhang aus Tatbeständen und Rechtsfolgen konstruiert, der bei bestehend bleibender Bindung an die Rechtsfolgen der Ausgangsnormen eine entsprechende Anwendung auf ähnliche Tatbestände ermöglicht564. Bewegt sich die Rechtsfortbildung außerhalb des erkennbaren Gesetzesplans und orientiert sich nicht mehr am Ziel des Gesetzes, sondern an einem über ihn hinausgehenden Regelungskonzept, so spricht man von gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung565. Im Rahmen dieser Untersuchung ist insbesondere die Qualifizierung von Normen oder Regelungszusammenhängen als allgemeine Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken relevant. Beiden Rechtsfortbildungskonzepten ist gemeinsam, dass Normen auf hochgradig verallgemeinerungsfähige grundsätzliche Regelungskonzepte zurückgeführt und abstrahiert werden, um sie über ihren ursprünglichen Anwendungsbereich und auch über die Intention des Gesetzgebers sowie die Grenzen der Teilrechtsordnungen hinaus auf Sachverhalte anzuwenden, die regelungsbedürftig sind, sich aber nach geltendem Recht einer Regelung entziehen566. Larenz positioniert die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung treffend als außerhalb des Gesetzes, aber innerhalb der Gesamtrechtsordnung567. Im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht ist für die Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes eine langjährige Übung in der Rechtsprechung nicht erforderlich, sondern nur eine entsprechende Rechtsüberzeugung568. Diese Rechtsüberzeugung darf aufgrund des Vorrangs des Gesetzes nicht dem geschriebenen Recht widersprechen569. Anders als bei der Analogie müssen nicht alle Rechtsfolgen der dem Rechtsgrundsatz zugrunde liegenden Normen auch auf den Zieltatbestand Anwendung finden570. Dies verleiht der Rechtsfortbildung über allgemeine Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken eine gewisse Flexibilität, erhöht aber wiederum aufgrund zunehmender Distanz zum Wortlaut und der Regelungsstruktur der Normen den Rechtfertigungsbedarf daraus hergeleiteter Rechtssätze.
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Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 558; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 56, der die Rechtsanalogie mit der Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze gleichsetzt; Einzelanalogie wird auch als Gesetzesanalogie, Gesamtanalogie auch als Rechtsanalogie bezeichnet; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 67. 565 Larenz, Methodenlehre, S. 413 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 286 f. 566 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 290; Papier, Forderungsverletzung, S. 71 f.; allgemeine Rechtsgrundsätze werden im Verwaltungsrecht auch als allgemeine Verwaltungsgrundsätze, Rechtsprinzipien, Rechtssprichwörter oder Maximen bezeichnet, Hardt, DÖV 1971, 685 (689); Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 93. 567 Larenz, Methodenlehre, S. 413 f.; Richterliche Rechtsschöpfung entgegen der Gesamtrechtsordnung ist grundsätzlich unzulässig, Arndt, NJW 1963, 1273 (1280). 568 FS-Bogs / Menger, S. 96. 569 Gusy, DÖV 1992, 461 (464 f.); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 291. 570 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 556.
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b) Analoge Anwendung des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts Um eine Analogie zu begründen, müssen der gesetzlich geregelte und der nicht geregelte Sachverhalt in den für die gesetzliche Wertung maßgeblichen Merkmalen ausreichend ähnlich sein. Zur Eingrenzung dieser Kriterien wird angeführt, geregelter und regelungsbedürftiger Fall müssten eine inhaltliche und strukturelle Nähe aufweisen; es müsse sich um funktionale Äquivalente handeln, die austauschbar seien571. Nur eine Gleichheit der Interessenlagen könne eine analoge Rechtsanwendung ermöglichen572. Dies erscheint bei einem teilrechtsordnungsübergreifenden Analogieschluss fernliegend, weil das öffentliche Recht strukturelle Unterschiede zum Zivilrecht wie die fehlende Privatautonomie, die andersartige Gerichtsbarkeit und inhaltliche Unterschiede wie die zwingende Verfolgung öffentlicher Aufgaben im Gemeinwohlinteresse durch die Verwaltungsträger aufweist. Wie die Verweisungen der §§ 59 I, 62 S. 2 VwVfG aber zeigen, stellen diese Unterschiede nach normierter Überzeugung des Gesetzesgebers zumindest bei vertraglich begründeten Schuldverhältnissen keine unüberwindbaren Hindernisse für die Anwendung der zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen dar573. Im Vergleich zum öffentlichrechtlichen Vertragsrecht ist das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis weder bezüglich Tatbestand noch im Hinblick auf seine Rechtsfolgen normiert oder definiert. Mit einer analogen Anwendung nur der Rechtsfolgen, auf deren Normierung im Falle einer zu vertretenden Pflichtverletzung im Schuldverhältnis sich § 280 BGB beschränkt, wären die tatbestandlichen Voraussetzungen eines nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses aber nicht zu erschließen. Da das normierte Verwaltungsrecht keine Definition und keinen Rahmen vorgibt, wäre der Rechtsfolge des § 280 BGB im Hinblick auf die zwischen Gläubiger und Schuldner erforderliche Nähebeziehung kein Tatbestand zugeordnet und der Anwendungszusammenhang im öffentlichen Recht konturenlos. Kennzeichen der Analogie ist es jedoch gerade nicht, beliebige einzelne Merkmale auf Rechtsfolgenseite aus einem normierten Regelungszusammenhang herauszugreifen, um sie willkürlich auf einen ungeregelten Tatbestand zu übertragen. Vielmehr soll ein bestimmter Rechtsfolgenbefehl bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale, also ein funktionaler Kausalzusammenhang, auf einen ähnlichen Tatbestand übertragen werden574. In der zivilrechtlichen Haftung für 571 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 66; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 102 ff.; Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 578. 572 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 347. 573 Papier, Forderungsverletzung, S. 76; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 92. 574 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 81 f.; Nedden, GoAÖR, S. 130; anders bei der Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken, die sich außerhalb des Gesetzesplans und seiner Teleologie bewegt und sich selbst von normierten Kausalzusammenhängen distanzieren kann; wenig überzeugend Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 31 f., die die Analogie durch eine Freilegung des Zwecks
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Leistungsstörungen stehen Rechtsfolge und Tatbestand nicht zusammenhangslos nebeneinander, sondern die Rechtsfolge des Schadensersatzes soll den Gläubiger vermögensmäßig so stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Primärpflichterfüllung im Rahmen des schuldrechtlichen Näheverhältnisses stünde. Ohne die Bestimmung der Primärpflichten können die Rechtsfolgen nicht erfasst werden575. Das die Rechtsfolge in Wechselwirkung beeinflussende Tatbestandsmerkmal des Schuldverhältnisses gemäß § 241 BGB muss somit Teil des Analogieschlusses sein576. Wenn aber im Rahmen der Analogie auch die Gleichheit der Interessenlagen Prüfungsgegenstand ist, so kann der Analogieschluss sich auch nicht auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne, also auf den unmittelbaren Regelungsgehalt des § 241 BGB, die Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger beschränken, sondern muss auch die dogmatische Begründung der im Vergleich zum zivilrechtlichen Deliktsrecht verschärften Haftung in diesem Verhältnis beinhalten. Ohne die Betrachtung der Stellung und Funktion des zivilrechtlichen Schuldverhältnisses im Regelungskonzept des BGB wäre eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Interessenlagen mangels Prüfungsgegenstand unmöglich und die schärfere Haftung für Pflichtverletzungen im Schuldverhältnis könnte nicht anhand eines Vergleichs zum Deliktsrecht dogmatisch verortet werden. Es kommt deshalb nur eine Gesamtanalogie zur schuldrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im zivilrechtlichen Schuldverhältnis im weiteren Sinne in Betracht. Hieraus ergeben sich Diskrepanzen beim Vergleich der den Teilrechtsordnungen zugrunde liegenden Intentionen und Funktionen besonderer Näheverhältnisse. Das zivilrechtliche Schuldverhältnis ist unter anderem geprägt von den Grundsätzen der Privatautonomie, dem fehlenden Kontrahierungszwang und dem Äquivalenzprinder Bestimmungen ermitteln will, denn eine Freilegung erfolgt beim Analogieschluss im Vergleich zur Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze gerade nicht, sondern eine Einsicht in den Regelungszweck ohne Bestandseingriff; siehe hierzu auch Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 120 mit der zweifelhaften Ansicht, es komme nicht auf die Art der Herleitung, sondern auf die Anwendbarkeit der jeweiligen zivilrechtlichen Normen im öffentlichen Recht an ohne zu erläutern, dass der Analogieschluss erheblich striktere Vorgaben für eine entsprechende Anwendung bewirkt. 575 Ähnlich, Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 255, jedoch mit der Modifikation, dass nicht das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis die Reichweite und den Inhalt der Sekundäransprüche vorgäbe, sondern das subjektive Recht des Privatrechtssubjekts. 576 A.A. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 254 f. mit der Argumentation, die Feststellung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses würde keinen Rückschluss auf die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung zulassen. Da ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis in Fallgruppe 3 aber ohnehin nur dann festgestellt werden kann, wenn ein privater Gläubiger von einem Verwaltungsträger eine Leistung verlangen kann, ist die Feststellung einer geschuldeten Leistung, also einem Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner oder legal definiert in § 194 I BGB dem subjektiven Recht, vom Schuldner ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, ohnehin der Qualifizierung als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vorgelagert, weshalb Kreßels Argumentation wenig überzeugend wirkt und wohl hauptsächlich seiner Einschränkung der Ersatzansprüche des Privatrechtssubjekts auf den Inhalt des beeinträchtigten, subjektiv-öffentlichen Rechts dient, siehe hierzu auch de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 334 f.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
zip577. Sein Hauptziel ist der geregelte Ablauf bestimmter Vermögenstransfers578. Verwaltungsrechtliche Näheverhältnisse sind hingegen stets der Nebeneffekt einer positiven oder negativen, rechtmäßigen oder rechtswidrigen Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsträger, denen hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weder Privatautonomie zukommt, noch unterliegt der Wert oder die Art der öffentlichrechtlichen Leistung oder der Gegenleistung, die ein Privatrechtssubjekt für sie zu erbringen hat, aufgrund der inhärenten Monopolstellung der Verwaltungsträger den Marktmechanismen579. Den im zivilrechtlichen Schuldverhältnis regelmäßig widerstreitenden oder konkurrierenden, in jedem Fall aber frei gewählten Interessen der beteiligten Parteien steht im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis die feste Koordinate der Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsträger gegenüber. Die uneigennützige Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsträger ist keinem Interessenausgleich mit Privatrechtssubjekten zugänglich, weil die Verwaltungsträger zur Aufgabenerfüllung über die Rechtsstaatlichkeitsverpflichtung des Art. 20 III GG in Verbindung mit der jeweiligen Aufgaben- oder konkreten Befugnisnorm verpflichtet sind580. In einem zivilrechtlichen Schuldverhältnis sind sich beide Parteien grundsätzlich zur gegenseitigen Loyalität gemäß § 241 II BGB verpflichtet581. Ein Verwaltungsträger kann außerhalb vertraglicher Schuldverhältnisse keinem Privatrechtssubjekt zur Loyalität verpflichtet sein, weil er seine Handlungsziele nicht frei wählen kann und sich nicht den Zielvorgaben von Privatrechtssubjekten unterwerfen darf, sondern ausschließlich den gesetzlichen Vorgaben zu folgen hat. Im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis kann kein Interessenausgleich erfolgen, weil die gesetzlich vorgegebenen Interessen der Verwaltungsträger nicht abdingbar und damit auch nicht ausgleichsfähig sind582. Rechtsgüter und Interessen der Privatrechtssubjekte sind vielmehr regelmäßig in der gesetzlichen Zielvorgabe berücksichtigt, zum Beispiel durch spezifische Tatbestandsmerkmale wie das Erfordernis schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand hoheitlichen Handelns oder das Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung583. Der Interessenausgleich zwischen den Aufgaben der Verwaltungsbehörde und den Interessen des Privatrechtssubjekts im verwaltungs577
Staudinger 241 ff. / Olzen, Einl zum SchuldR, Rn. 49, 55 f., 66 ff. ES, Schuldrecht I/1, S. 14, 84; FH, Schuldrecht, Rn. 6; Larenz, Schuldrecht I/AT, S. 4 f.; Staudinger 241 ff. / Olzen, Einl zum SchuldR, Rn. 38. 579 Gries / Willebrand, JuS 1990, 103; diese Aussage gilt für die Abgrenzung des Verwaltungsrechts zum Zivilrecht nach der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie; vergleiche hierzu die Fallgruppen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 361 ff. sowie die Fallbeispiele dieser Untersuchung zu Fallgruppe 3 der öffentlichrechtlichen GoA. 580 Krause, JuS 1972, 425 (427). 581 MüKoBGB 241 ff / Bachmann, § 241 Rn. 90. 582 Krause, JuS 1972, 425 (427). 583 Ehlers, DVBl 1986, 912 (915 f.); im Ergebnis ähnlich, aber die schutzwürdigen Interessen von Privatrechtssubjekten nicht als eigene Interessen des Staates begreifend, Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 136. 578
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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rechtlichen Schuldverhältnis erfolgt damit ausschließlich aufgabenintern, nicht extern durch einen Ausgleich von privaten Interessen und behördlicher Aufgabenerfüllung. Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis ist damit einseitig durch die Interessenwahrnehmung der Verwaltungsträger geprägt und hat weder Strukturähnlichkeit mit dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis noch sind die Schuldverhältnisse austauschbar584. Eine analoge Anwendung der Vorschriften zur Haftung für Leistungsstörungen des Zivilrechts im öffentlichen Recht ist deswegen unmöglich585. c) Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist bei der Annahme allgemeiner Rechtsgrundsätze nicht zurückhaltend und leitet sie als ungeschriebene, übergeordnete Regeln aus dem Gesamtzusammenhang der für den zu entscheidenden Fall grundsätzlich anwendbaren Normen ab, bildet damit im Ergebnis ein Naturrecht, das der positiven Rechtsordnung und der gelebten Rechtsfindungspraxis zugrunde liegen soll und sie erweitert oder einschränkt586. Das Hervorheben des Prinzipiellen aus 584 Ähnlich Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 93 f.; im Ergebnis gleich, aber für das vorvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis, Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 61 ff.; a.A. de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 331 f. 585 So auch Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 74 ff. zum besonderen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag. 586 So zum Vertrauensschutz bei der Aufhebung von Verwaltungsakten vor Einführung des VwVfG, BVerwG, Urteil vom 24. 08. 1964 – VI C 27.62 –, juris Rn. 30; BVerfG, Urteil vom 24. 05. 2006 – 2 BvR 669/04 –, juris Rn. 80; BVerwG, Urteil vom 24. 04. 1959 – VI C 91.57 –, juris Rn. 36; nach dem VwVfG, BVerwG, Urteil vom 14. 08. 1986 – 3 C 9/85 –, juris Rn. 27; zum Gleichheitssatz, BVerfG, Beschluss vom 01. 07. 1987 – 1 BvL 21/82 –, juris Rn. 34; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. 03. 2005 – 2 BvR 315/05 –, juris Rn. 16; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. 09. 2005 – 2 BvR 1259/05 –, juris Rn. 3; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. 01. 2008 – 1 BvR 2156/02 –, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 20. 07. 2011 – IV ZR 76/09 –, juris Rn. 66; zum Verhältnismäßigkeitsgebot, BVerfG, Beschluss vom 10. 11. 1981 – 2 BvR 1118/80 –, juris Rn. 5; BVerfG, Beschluss vom 26. 05. 1976 – 2 BvR 294/76 –, juris Rn. 31; BVerfG, Urteil vom 05. 08. 1966 – 1 BvR 586/62 –, juris Rn. 63; BVerfG, Beschluss vom 15. 10. 1985 – 2 BvR 528/85 –, juris Rn. 4; differenzierend zum Fortbestand gesetzlich begründeter Rechte nach Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage, BVerfG, Beschluss vom 09. 01. 1991 – 1 BvR 929/89 –, juris Rn. 56; zur Geltendmachung von Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. 10. 1990 – 1 BvR 1028/90 –, juris Rn. 24 f.; zum Verbot der Rügeverkümmerung, BVerfG, Beschluss vom 15. 01. 2009 – 2 BvR 2044/07 –, juris Rn. 56; zur fehlenden Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, BVerfG, Beschluss vom 02. 05. 1967 – 1 BvR 578/63 –, juris Rn. 30; zu nationalstaatlich anerkannten Grundrechten als verbindlicher Prüfungsmaßstab für das Handeln der Gemeinschaftsorgane, BVerfG, Beschluss vom 22. 10. 1986 – 2 BvR 197/83 –, juris Rn. 104 ff.; zum Völkerrecht, BVerfG, Beschluss vom 15. 12. 2015 – 2 BvL 1/12 –, juris Rn. 42 ff.; zum Erfordernis der tatsächlichen Anwendung eines Rechtsgrundsatzes in der Rechtsprechungspraxis als Voraussetzung seiner Anerkennung, BVerfG, Beschluss vom 08. 05. 2007 – 2 BvM 1/03 –, juris Rn. 63, 81 f.; zur Rechtssicherheit, BGH, Beschluss vom 16. 12. 2014 – KRB 47/13 –, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 03. 12. 2009 – 3 StR 277/09 –, juris Rn. 28; zur
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einer Vielzahl von entschiedenen Einzelfällen und das Schaffen von Entscheidungsgrundsätzen für die niedrigeren Gerichte und Verwaltungsbehörden wird als legitime und natürliche Tätigkeit der höheren Gerichte zur Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtseinheit eingestuft587. Canaris bezeichnet die Gewinnung allgemeiner Rechtsgedanken als Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine durch Induktion und grenzt sie zur Analogie darin ab, dass der Analogieschluss sich auf die Gleichstellung eines bestimmten zweiten Tatbestandes begrenze, während ein allgemeiner Rechtsgrundsatz Geltung für eine nicht abschließend überschaubare, unbestimmte Vielzahl von Fällen beanspruche588. Papier verwendet allgemeine Rechtsgedanken und allgemeine Rechtsgrundsätze synonym und verlangt für die Anwendung einer zivilrechtlichen Norm im öffentlichen Recht als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass diese Norm in erheblichem Umfang verallgemeinerungsfähig und die ihr zugrunde liegende Interessenlage nicht speziell auf privatrechtliche Verhältnisse beschränkt sei589. Diese Definitionsversuche umschreiben mit begrifflichen Variationen im Grunde genommen den Vorgang, dass eine Regel in Bezug auf ihre normativ individualisierten Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen rechtsdogmatisch entkernt und maximal abstrahiert wird, geringeren Schutzwürdigkeit des Inhabers einer vom Schuldner unentgeltlich zu erbringenden Leistung, BGH, Urteil vom 13. 03. 2008 – IX ZR 117/07 –, juris Rn. 10; zur Sanktionierung desjenigen, der einen Rechtsschein dafür setzt, dass er einen vollmachtlosen Vertreter tatsächlich bevollmächtigt durch Unterstellung einer wirksamen Vollmacht, BGH, Urteil vom 23. 01. 2007 – XI ZR 44/06 –, juris Rn. 38; zum Grundsatz, dass ein Unterlassen nur zur Haftung führen kann, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht, BGH, Urteil vom 01. 12. 2006 – V ZR 112/ 06 –, juris Rn. 17; zum Erfordernis der Personenverschiedenheit von Gläubiger und Schuldner in einem Schuldverhältnis, BVerwG, Urteil vom 14. 11. 2013 – 5 C 25/12 –, juris Rn. 16; zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses, Beschluss vom 25. 07. 2013 – 7 B 45/12 –, juris Rn. 11; zu nicht eigens geregelten Auskunftsansprüchen als Annex aus dem streitigen materiellen Recht, BVerwG, Beschluss vom 27. 06. 2013 – 3 C 20/12 –, juris Rn. 5; zu Treu und Glauben im Verwaltungsrecht, BVerwG, Urteil vom 13. 06. 2013 – 5 C 30/12 –, juris Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 27. 03. 2013 – 6 B 50/12 –, juris Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 05. 06. 1986 – 3 C 12/82 –, juris Rn. 59; BVerfG, Beschluss vom 16. 12. 1981 – 1 BvR 898/79 –, juris Rn. 83; BVerwG, Urteil vom 14. 04. 1978 – IV C 6.76 –, juris Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 08. 03. 1956 – I A 3.54 –, juris Rn. 43; zur Verbindlichkeit von Erklärungen im Rechtsverkehr, BVerwG, Urteil vom 15. 11. 2012 – 7 C 15/12 –, juris Rn. 25; zur Verwirkung im Verwaltungsrecht, BVerwG, Beschluss vom 16. 05. 2012 – 2 B 3/12 –, juris Rn. 5; BVerwG, Beschluss vom 04. 03. 2011 – 9 B 18/11 –, juris Rn. 4; zur Beweislastverteilung und Feststellungslast, BVerwG, Beschluss vom 29. 08. 2011 – 8 B 52/11 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 22. 12. 2004 – 1 B 111/04 –, juris Rn. 3; zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, BVerwG, Beschluss vom 25. 01. 2011 – 2 B 73/10 –, juris Rn. 10 (im Verwaltungsrecht auch als Wegfall der Verwaltungsgrundlage bezeichnet, Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 126 ff.; zum Übermaßverbot, BVerwG, Beschluss vom 14. 10. 2004 – 6 B 6/04 –, juris Rn. 31; siehe hierzu auch die Aufzählung bei Hardt, DÖV 1971, 685 (686 f.); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 76 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 124 ff. 587 BVerfG, Beschluss vom 08. 10. 1996 – 1 BvR 875/92 –, juris Rn. 42; BVerfG, Beschluss vom 15. 07. 1969 – 1 BvR 457/66 –, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 11. 11. 1964 – 1 BvR 488/62 –, juris Rn. 34. 588 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 98. 589 Papier, Forderungsverletzung, S. 72.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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wobei nur ein Mantel aus überlieferten und anerkannten Wertungsgesichtspunkten zurückbleibt, der den Normzweck als Kausalzusammenhang paradigmatisch wiedergibt590. Dieses Mantelrechtsinstitut bildet nicht mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner aller entsprechend der noch verbliebenen Wertungsgesichtspunkte tatbestandlich zu erfassenden Sachverhalte. Das Ergebnis ist für die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie für die Rechtsgedanken eine generell gültige, rechtsprinzipielle Grundaussage, die teilrechtsordnungsübergreifend gültig ist591. Als Beispiel kann dienen, dass der Schuldner, der dem Gläubiger eine bestimmte Leistung zu erbringen hat und sie aus von ihm zu vertretenen Gründen nicht erbringt, dem Gläubiger Schadensersatz zu leisten hat592. Von diesem Ausgangspunkt aus werden regelungsbedürftige Sachverhalte unter die ermittelten Grundaussagen subsumiert. Dabei müssen Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes beachtet werden593. Da die Grundaussagen weder ausschließlich dem Privatrecht noch dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, entsteht bei ihrer Anwendung auf öffentlichrechtliche Sachverhalte ein originär öffentlichrechtliches Haftungsinstitut594. Bezogen auf die Haftung eines Verwaltungsträgers für Leistungsstörungen in einem nichtvertraglichen, öffentlichrechtlichen Schuldverhältnis müsste sich aber nicht nur die generelle Einstandspflicht für zu vertretende Pflichtverletzungen aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz herleiten lassen. Als weitere Voraussetzung müssten sich auch für das öffentliche Recht gültige allgemeine Rechtsgrundsätze finden, wonach in gesteigerten Näheverhältnissen eine Intensivierung der Einstandspflichten im Vergleich zur Amtshaftung stattfindet, Pflichtverletzungen von Hilfspersonen gemäß § 278 BGB aber in Abweichung zu den Regelungen der Amtshaftung generell dem
590
Wenn FS-Bogs / Menger, S. 96 darlegt, dass die einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zugrunde liegende Rechtsüberzeugung nicht auf Gewohnheitsrecht basiert, sondern Gewohnheitsrecht das Ergebnis der angewandten Rechtsüberzeugung ist, so verkennt er, dass eine Rechtsüberzeugung sich nicht von selbst bildet, sondern das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung, wissenschaftlicher Konfrontation und Koordination zwischen gelebter richterlicher Rechtsanwendung und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dieser und losgelöst von dieser ist; ähnlich Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 127; Hardt, DÖV 1971, 685 (691); Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 31. 591 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 97. 592 BVerwG, Urteil vom 20. 03. 1963 – VI C 169/60, MDR 1964, 261; BVerwG, Urteil vom 24. 08. 1961 – II C 165.59 –, juris Rn. 28; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 230; Janson, DÖV 1979, 696 (698); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 299; Papier, Forderungsverletzung, S. 112; Ruland, Schadensausgleich, S. 231, 233; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 132 ff.; Windthorst, JuS 1996, 605 (609); wohl auch so zu verstehen, Stoll, AcP 1932, 257 (282); Eckert, DVBl 1962, 11 (14, 18), der dies aber als allgemeine Rechtsgedanken ansieht. 593 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 291 ff. 594 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 301, ebenso Papier, Forderungsverletzung, S. 84 mit der Feststellung, das Schuldverhältnis sei ebenso ein Institut des öffentlichen Rechts; Windthorst, JuS 1996, 605 (609); Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 136 f.; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 253.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Schuldner zuzurechnen sind und dass auch dem öffentlichen Recht der Grundsatz der umfassenden Naturalrestitution ohne Haftungslücken zugrunde liegt. aa) Zunahme der Einstandspflichten für Leistungsstörungen in gesteigerten Nähebeziehungen Mit der Zunahme von Einflussmöglichkeiten auf und Verantwortung für die rechtlich geschützten Güter und Interessen von Privatrechtssubjekten in verwaltungsrechtlich zu beurteilenden Näheverhältnissen sollen auch die Einstandspflichten der Verwaltungsträger für rechtswidrige Pflichtverletzungen wachsen. Dieser im Zivilrecht durch die im Vergleich zum Deliktsrecht erheblich effektivere schuldrechtliche Haftung verwirklichte Grundsatz besteht nach verbreiteter Ansicht auch im Verwaltungsrecht595. Dem kann nicht pauschal zugestimmt werden. Steigende Einflussmöglichkeiten der Verwaltungsträger auf Rechtsgüter oder Interessen von Privatrechtssubjekten führen für sich genommen nicht zur Notwendigkeit effektiverer Haftung. Aufgrund der von einer besonderen Nähebeziehung zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt unabhängigen Verpflichtung der Behörden zur uneigennützigen und rechtmäßigen Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben besteht auch bei fehlender besonderer Nähebeziehung ein Bedürfnis für eine effektive Haftung für Pflichtverletzungen, denn diese Haftung stellt nur einen Ausgleich für die verletzte Primärleistungspflicht dar und verwirklicht den Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz auf Sekundärebene. Da die Aufgabenerfüllung der Verwaltungsbehörde und die Interessen und Rechtsgüter der Privatrechtssubjekte keinem externen Interessenausgleich unterliegen, kann ein stärkeres Interesse des Privatrechtssubjekts am Rechtsgüterschutz eine Haftungsverschärfung dogmatisch nicht untermauern. Im Übrigen nehmen die Einflussmöglichkeiten der Verwaltungsbehörde auf private Interessen und Rechtsgüter im verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis auch gar nicht zu; sie werden lediglich konkretisiert596. Für die steigende Verantwortung der Verwaltungsbehörden für den Rechtsgüterschutz gilt dasselbe. Die Behörde hat bei der Verwaltungsentscheidung abhängig von den Vorgaben der Leistungs- oder Eingriffsgrundlage ihre Verantwortung für den Rechtsgüterschutz wahrzunehmen. Die Ansicht, wonach die Einstandspflichten für Pflichtverletzungen der Verwaltungsträger im öffentlichrechtlichen Schuldverhältnis zunehmen sollen, lässt sich nur nachvollziehen, wenn man davon ausgeht, dass es sich um einen bloßen Vorwand zur Heranziehung der im Vergleich zur Amtshaftung schärferen zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen handelt597. Dies stellt aber keine dogmatisch tragfähige Begründung des Rechtsinstituts, sondern nur das Motiv für die Heranziehung dar. Was unpräzise als verwaltungsrechtliches Näheverhältnis be595
Papier, Forderungsverletzung, S. 80 ff.; Vogel, Gefahrenabwehr, S. 646 f.; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 21. 596 A.A. Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 21; Windthorst, JuS 1996, 605 (606); Tiemann, VerwArch 1974, 381 (389). 597 Vogel, Gefahrenabwehr, S. 646.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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zeichnet wird, ist nach einer neueren Ansicht in der Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsbehörden jederzeit latent vorhanden, nämlich die Konkretisierung der Aufgabenwahrnehmung auf eine bestimmte Leistungs- oder Eingriffsart und einen oder mehrere bestimmte Adressaten sowie anschließend die auf die Erfüllung der Aufgabe gerichteten Handlungen der Verwaltungsbehörde598. Die entstehende Nähebeziehung ist nur notwendige Konsequenz der tatsächlichen Einwirkung der Verwaltungsbehörden auf private Rechtsgüter und Interessen. Die Erkennbarkeit der Adressatenstellung und der Art sowie des Umfangs der geschuldeten Leistung oder des vorzunehmenden Eingriffs für das Privatrechtssubjekt begründet für dieses aber die berechtigte Erwartung, dass die Verwaltungsträger die Aufgabe rechtskonform erfüllen599. Damit konkretisiert sich die aufgrund der Rechtsstaatlichkeitsverpflichtung der Verwaltungsträger generell schutzwürdige Erwartung der Privatrechtssubjekte an die Rechtskonformität des Verwaltungshandelns bei einem bestimmten Eingriff oder einer bestimmten Leistung auf eben diese. Die Einstandspflichten nehmen nicht aufgrund größerer Einflussmöglichkeiten der Verwaltungsträger oder steigender Verantwortung zu, sondern aufgrund ihrer Verpflichtung, schutzwürdiges Vertrauen der Privatrechtssubjekte in konkretisierte Leistungspflichten der Verwaltungsbehörden nicht zu enttäuschen. Vertrauensschutz ist ein in Wissenschaft und Rechtsprechung anerkannter, allgemeiner Rechtsgrundsatz600. bb) Verantwortlichkeit für Hilfspersonen Eine eigene Verpflichtung hat ein Schuldner grundsätzlich selbst zu erfüllen. Dieser Grundsatz folgt im Zivilrecht aus der Relativität der Schuldverhältnisse und im öffentlichen Recht bei Pflichten der Verwaltungsträger aus der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Verteilung der Aufgabenlast. Wird es dem Schuldner gestattet, zur Erfüllung seiner Pflichten Hilfspersonen einzuschalten, so ersetzt er mit Wirkung für und gegen den Gläubiger das individuelle Risiko einer Nicht- oder Schlechtleistung bei Leistung durch den Schuldner selbst mit den Risiken, die die Hilfsperson bezüglich einer Schlecht- oder Nichtleistung aufweist, und zusätzlich
598 Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 5 f.; zum Erfordernis der Individualisierung siehe Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 21; a.A. Baur, JZ 1966, 381 (383). 599 Ähnlich für das Bauplanungsrecht Küch, Vertrauensschutz durch Staatshaftung, S. 28 f. 600 Siehe Fn. 586; Becker, DÖV 1973, 379; Hardt, DÖV 1971, 685 (690); Vertrauensschutz ist weitgehend normiert, siehe §§ 38 I S. 1, 48 II S. 1, 49 II S. 1 Nr. 4 VwVfG, §§ 34 I S. 1, 45 II S. 1, 47 II S. 2, 3 SGB X; das Kriterium des Vorliegens schutzwürdigen Vertrauens wird von Rechtsprechung und Wissenschaft mit verschiedenen dogmatischen Ansätzen auch in den Tatbestand des Amtshaftungsanspruches hineingelesen oder in das Tatbestandsmerkmal der Drittgerichtetheit der Amtspflicht inkooperiert, was die Effektivität der Amtshaftung nicht erhöht, Küch, Vertrauensschutz durch Staatshaftung, S. 48 ff.; instruktiv zur zivilrechtlichen Rolle des Vertrauensschutzes, Canaris, Vertrauenshaftung, S. 266 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
den Risiken, die aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken entstehen601. Da der Schuldner die Vorteile aus dieser Möglichkeit der Arbeitsdelegation trägt, soll er im Gegenzug nach im Zivilrecht geltenden und in § 278 BGB niedergelegten Grundsätzen auch das individuelle Risiko einer Pflichtverletzung durch die Hilfsperson tragen602. Wissenschaft und Rechtsprechung erkennen hierin unschwer einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis Geltung beansprucht603. Dies erscheint aufgrund der andersartigen Zurechnung des Verschuldens von privaten Hilfspersonen in der normierten Staatshaftung gemäß § 839 BGB zunächst fernliegend, denn § 839 BGB setzt eine Amtspflichtverletzung durch einen Beamten voraus. Aus Art. 34 S. 1 GG leitet die Rechtsprechung jedoch ab, dass der Verwaltungsträger für jedermann einzustehen hat, der beim hoheitlichen Tätigwerden eine Amtspflicht verletzt, solange der hoheitliche Charakter der übertragenen Aufgabe als eigentliche Zielsetzung des Tätigwerdens nicht in den Hintergrund tritt und der eingeschaltete Privatunternehmer noch ausreichend in den behördlichen Pflichtenkreis eingebunden ist604. Um die Verwaltungsbehörden nicht zu einer Flucht ins Privatrecht zu motivieren, werden Privatpersonen, die die Verwaltung im Bereich der Eingriffsverwaltung zur Auf601 BGH, Urteil vom 08. 02. 1974 – V ZR 21/72 –, juris Rn. 21; NK-BGB 2.2 / Dauner-Lieb, § 278 Rn. 1; MüKoBGB 241 ff / Grundmann, § 278 Rn. 3 ff.; Larenz, Schuldrecht I/AT, S. 296 ff. 602 BGH, Urteil vom 24. 11. 1995 – V ZR 40/94 –, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 23. 11. 1995 – IX ZR 213/94 –, juris Rn. 12; Larenz, Schuldrecht I/AT, S. 296 ff.; jurisPK-BGB 2.1.1 / Alpmann, § 278 Rn. 1. 603 BGH, Urteil vom 14. 11. 2002 – III ZR 131/01 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 30. 09. 1970 – III ZR 87/69 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 09. 03. 1965 – VI ZR 218/63 –, juris Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 19. 03. 1998 – 2 C 6/97 –, juris Rn. 20; RG, Urteil vom 20. 04. 1920 – III 422/19, RGZ 98, 341 (342 f.); RG, Urteil vom 08. 01. 1926 – III 32/25, RGZ 112, 290 (293); RG, Urteil vom 07. 10. 1930 – VII 73/30, RGZ 130, 97 (98); BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 237; Durner, JuS 2005, 900 (904); Eckert, DVBl 1962, 11 (15 f.); Götz, JuS 1971, 349 f.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18; Janson, DÖV 1979, 696 (698); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 335 f.; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 144 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 435; Papier, Forderungsverletzung, S. 158 f.; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 153 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 125; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (389); Vogel, Gefahrenabwehr, S. 646; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 357 ff.; Windthorst, JuS 1996, 605 (609); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 29. 604 BGH, Urteil vom 09. 12. 2008 – VI ZR 277/07 –, juris Rn. 13 f.; BGH, Urteil vom 26. 06. 2001 – X ZR 231/99 –, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 21. 01. 1993 – III ZR 189/91 –, juris Rn. 11 ff.; BGH, Urteil vom 16. 04. 1964 – III ZR 182/63 –, juris Rn. 2 f.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 101 ff.; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 73 f.; GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 49; Stober-VerwR II / Kluth, § 67 Rn. 24 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 504 ff.; Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351); mit der überzeugenden Ansicht, die Verwaltung müsse sich jeden Privaten zurechnen lassen, der als ihr Erfüllungsgehilfe bei der Vornahme hoheitlicher Handlungen anzusehen sei, Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 280 ff., 287 ff.; ebenso, Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 224 ff.; zu den Defiziten des Amtshaftungsanspruches ohne eine solche Zurechnungserweiterung gemäß Art. 34 GG siehe Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, S. 293 f.; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 320 f.
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gabenerfüllung einsetzt, den Verwaltungsträgern generell zugerechnet605. Dies bedeutet, dass die Zurechnung sich auf den Bereich hoheitlichen Tätigwerdens beschränkt, diesen aber in den hier relevanten Fallkonstellationen auch vollständig umfasst, denn bei Wahrnehmung von Aufgaben, die nicht hoheitlich zu beurteilen sind, liegt keine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und auch kein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vor. Handelt die einschaltende Behörde hoheitlich und ist der private Leistungsträger nur begrenzt in den behördlichen Pflichtenkreis eingebunden, so muss die Behörde sich eine Pflichtverletzung des zur Aufgabenerfüllung eingeschalteten Privatrechtssubjekts nach Ansicht des BGH selbst gegenüber einem unbeteiligten Dritten zurechnen lassen, wenn ihm nur ein geringer Entscheidungsspielraum bei der Aufgabenerfüllung verbleibt, obwohl für den Dritten gar nicht erkennbar ist, ob der eingeschaltete Private hoheitlich tätig wird606. In verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen wird die allgemeine Zurechnung zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung eingeschalteter Privatrechtssubjekte im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 278 BGB unabhängig von den genannten Kriterien von Teilen der Literatur und vom BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung vermehrt vertreten607. Damit ist bereits weitgehend ein Gleichlauf der Haftungszurechnung des Amtshaftungsanspruches mit der Zurechnungsnorm des § 278 BGB erreicht, denn als einzige nicht gemäß § 278 BGB zurechnungsfähige Fallgruppe bliebe die hoheitliche Leistungsverwaltung ohne verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis bei fehlender Einbindung des eingeschalteten Privatrechtssubjekts in den behördlichen Pflichtenkreis. Dieser Fall ist eher hypothetischer Natur, da die Behörden im Bereich der Leistungsverwaltung zur Aufgabenerfüllung eingeschalteten Privatrechtssubjekten aufgrund ihrer auch dort bestehenden Grundrechtsbindung keine umfassende Weisungsfreiheit zugestehen dürfen und in konkretisierten Leistungsverhältnissen in aller Regel ohnehin ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis besteht608. Die Verschuldenszurech605 BGH, Urteil vom 21. 01. 1993 – III ZR 189/91 –, juris Rn. 11; Stober-VerwR II / Kluth, § 67 Rn. 27; Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (369). 606 Der BGH, Urteil vom 21. 01. 1993 – III ZR 189/91 –, juris Rn. 12 ff. spricht sogar ausdrücklich vom „Erfüllungsgehilfen“ der Behörde, wenn der polizeilich hinzugezogene Abschleppunternehmer bei der Bergungsfahrt in einen Verkehrsunfall mit einem unbeteiligten Dritten gerät; kritisch hierzu Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 289. 607 BGH, Urteil vom 09. 01. 2003 – III ZR 217/01 –, juris Rn. 10 ff.; trotz berufsbedingt weitgehender Weisungsfreiheit eines zivilen Arztes, der aufgrund eines zivilrechtlichen Behandlungsvertrages mit der Bundeswehr einen Soldaten behandelt, die Zurechnung im Rahmen des Amtshaftungsanspruches bejahend, BGH, Beschluss vom 29. 02. 1996 – III ZR 238/94 –, juris Rn. 2 ff.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 291 f., dessen Verweis auf BGH, Urteil vom 26. 06. 2001 – X ZR 231/99 –, juris fehlgeht, da der BGH die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gar nicht als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne qualifiziert hat. 608 Siehe hierzu, Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 505 mit der Ansicht, durch die Hinzuziehung von Privatrechtssubjekten könne sich die Rechtsnatur der Tathandlungen des Privatrechtssubjekts nur dann ändern, wenn die Verwaltungsträger die Kompetenz vollständig aus der Hand geben dürfen, was auch in der Leistungsverwaltung nicht der Fall sein kann; a.A. Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351), der das Fehlen der Einbindung des hinzugezogenen Privat-
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nung von Hilfspersonen im öffentlichen Recht liegt damit bereits dem geltenden Recht zugrunde. Der überwiegenden Ansicht, wonach § 278 BGB aufgrund eines auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes auf die Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis anzuwenden ist, ist daher zuzustimmen. cc) Naturalrestitution Der Amtshaftungsanspruch ist auf der Rechtsfolgenseite nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf Geldersatz beschränkt und verwehrt dem Gläubiger die Naturalrestitution609. Dies wird damit begründet, dass die ordentlichen Gerichte durch die Rückgängigmachung hoheitlicher Akte in die Zuständigkeit der Verwaltung entgegen der Kompetenzzuweisung des Art. 34 S. 3 GG eingreifen würden, und die im Rahmen des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG lediglich vom Staat übernommene persönliche Haftung des Beamten sich auch auf Rechtsfolgenseite auf das beschränken müsse, was der Beamte persönlich zu leisten vermöge, wozu hoheitliche Akte nicht zählen610. Konsequenterweise wird die Möglichkeit der Naturalrestitution als Rechtsfolge aber dann anerkannt, wenn zu ihrer Durchführung keine Amtshandlungen erforderlich sind, wobei auch hier von der Rechtsprechung Zurückhaltung geübt wird611. Diese fast bis zur Abbedingung reichenden Einschränkungen der Naturalrestitution bewirkten eine Beschränkung des effektiven Rechtsschutzes rechtssubjekts in den behördlichen Pflichtenkreis für einen häufigen Fall hält, ohne dies aber zu begründen oder mit Beispielen zu belegen. 609 BGH, Urteil vom 04. 07. 2013 – III ZR 201/12 –, juris Rn. 26; BGH, Urteil vom 22. 05. 2003 – III ZR 32/02 –, juris Rn. 2; BGH, Urteil vom 25. 09. 1980 – III ZR 74/78 –, juris Rn. 11; BFH, Beschluss vom 08. 09. 2015 – V B 5/15 –, juris Rn. 8; BFH, Beschluss vom 19. 09. 2008 – IX B 108/08 –, juris Rn. 4. 610 BGH, Urteil vom 25. 02. 1993 – III ZR 9/92 –, juris Rn. 31; BGH, Urteil vom 15. 11. 1990 – III ZR 302/89 –, juris Rn. Rn. 13 ff.; BGH, Beschluss vom 19. 12. 1960 – GSZ 1/60 –, juris Rn. 12 ff.; Rechtsprechungspraxis bestätigt durch, BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. 12. 2005 – 1 BvR 1359/05 –, juris Rn. 16; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 326; Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (371 f.); Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 44 Rn. 42; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 324; Stober-VerwR II / Kluth, § 67 Rn. 128; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 689; GVwR III / Morlok, § 52 Rn. 109; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 111; Schoch, JURA 1988, 648 (652); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 113 f.; skeptisch hierzu mit der Behauptung, diese Beschränkung sei weder sachlich zu rechtfertigen noch interessengerecht, MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 19; ebenso Windthorst, JuS 1995, 992 (997 f.) mit dem Argument, die Kompetenzfelder der Gerichte würden sich auch anderswo überschneiden und der Folgenbeseitigungsanspruch sei durch Rechtsfortbildung zu einem Folgenentschädigungsanspruch geworden und vom Amtshaftungsanspruch dadurch nicht mehr trennscharf abgrenzbar. 611 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 326; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 111; Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 113; skeptisch hierzu und bei ehrverletzenden Äußerungen eines öffentlich Bediensteten ohne Regelungswirkung ein Übergewicht persönlicher Elemente über die Zurechnung zur Amtsführung für einen Anspruch auf Widerruf der Erklärung als Naturalrestitution verlangend, BGH, Beschluss vom 19. 12. 1960 – GSZ 1/60 –, juris Rn. 18 ff.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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und schufen das Erfordernis der Anerkennung des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruches, der im Ergebnis zu einer Naturalrestitution mit Abstrichen führt612. Auch der Folgenbeseitigungsanspruch sollte im Staatshaftungsgesetz von 1981 in § 3 I StHG normiert werden, verbleibt nach dessen Scheitern aber weiterhin ein Produkt richterlicher Rechtsfortbildung, an dessen grundsätzlicher Anerkennung sich nur wenig Kritik regt, wenngleich die dogmatische Herleitung sehr umstritten ist613. Der Folgenbeseitigungsanspruch flankiert die Anfechtungsklage und ergänzt sie, indem er dem von rechtswidrigem Verwaltungshandeln Betroffenen nicht nur die Möglichkeit gewährt, den regelnden Hoheitsakt selbst zu beseitigen, sondern auch die tatsächlichen Folgen614. In seiner jüngeren Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Notwendigkeit einer graduellen Berücksichtigung etwaigen Mitverschuldens des Folgenbeseitigungsgläubigers bei gleichzeitig tatsächlich notwendigem „Alles oder Nichts“-Prinzip bei der tatsächlichen Folgenbeseitigung dazu übergegangen, den Folgenbeseitigungsanspruch unter Kritik der Wissenschaft und der Instanzrechtsprechung zu einem umfassenderen Folgenentschädigungsanspruch umzubauen615. Hierbei soll aus einem dem § 251 BGB inne612 Siehe Fn. 411; BGH, Urteil vom 04. 07. 2013 – III ZR 201/12 –, juris Rn. 26; BVerwG, Urteil vom 25. 08. 1971 – IV C 23.69 –, juris Rn. 15; Bethge / Detterbeck, JURA 1991, 550 (554 f.); BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 20 f.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 112 ff., 126; GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 37; Maaß, VR 1985, 71 (73); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 360, 368; Schoch, JURA 1993, 478 (486 f.); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 113, 151 ff., 160 ff. 613 Staatshaftungsgesetz vom 26. 06. 1981, BGBl 1981, Teil I, 553 ff.; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 292 f.; Bender, VBlBW 1985, 201 (202 f.); BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 18 f., 68; Maaß, BayVBl 1987, 520 (523 f.); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 363; Redeker, DÖV 1987, 194 ff.; Schenke, JuS 1990, 370 (371 ff.); Schoch, VerwArch 1988, 1 (30 ff.); ders., JURA 1993, 478 (479 ff.); Sproll, JuS 1996, 313 (314); Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff.); für eine Herleitung als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, BVerwG, Urteil vom 19. 07. 1984 – 3 C 81/82 –, juris Rn. 26 ff.; für eine Herleitung aus dem jeweils berührten Grundrecht, BVerwG, Urteil vom 23. 05. 1989 – 7 C 2/87 –, juris Rn. 80; ebenso sowie allgemein zum Meinungsstand, BVerwG, Urteil vom 25. 08. 1971 – IV C 23.69 –, juris Rn. 15 f.; für eine Herleitung aus Gewohnheitsrecht, BVerwG, Urteil vom 26. 08. 1993 – 4 C 24/91 –, juris Rn. 23; gänzlich ohne dogmatische Herleitung hingegen, BVerwG, Urteil vom 14. 04. 1989 – 4 C 34/88 –, juris Rn. 17 ff.; BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 26/88 –, juris Rn. 9; ebenso, BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 Rn. 16. 614 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 362. 615 BVerwG, Urteil vom 14. 04. 1989 – 4 C 34/88 –, juris Rn. 21 spricht sich für einen anteiligen Geldersatzanspruch anstelle des bei „ins Gewicht fallender Mitverantwortung“ des Folgenbeseitigungsgläubigers an der rechtswidrigen Beeinträchtigung ansonsten ersatzlos wegfallenden Folgenbeseitigungsanspruchs aus, will die Anerkennung eines Folgenentschädigungsanspruchs aber dennoch offen halten, was kaum vereinbar erscheint; BVerwG, Urteil vom 26. 08. 1993 – 4 C 24/91 –, juris Rn. 23; zustimmend, Maaß, BayVBl 1987, 520 (526 f.); Schoch, JURA 1993, 478 (486); kritisch hierzu Schenke, JuS 1990, 370 ff.; Erbguth, JuS 2000, 336 ff.; Höfling, VVDStRL 61, 260 (283 f.); diese Rechtsprechungstendenz kaum vertretbar als „geklärt“ bezeichnend und einen Folgenentschädigungsanspruch unter Bezugnahme anerkennend, VGH München, Urteil vom 27. 10. 1998 – 8 B 97.1604 –, juris Rn. 27; zur Begründung, Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 165; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 28, 259 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 129 f.; GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 45 be-
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
wohnenden Rechtsgedanken auch eine reine Geldentschädigung gewährt werden können616. Ein reiner Geldentschädigungsanspruch soll auch dann entstehen, wenn die Wiederherstellung des vorher bestehenden Zustandes unmöglich oder unzumutbar ist oder der Eingriff unmittelbar zu einem Geldverlust geführt hat, so dass die Naturalrestitution Geldausgleich direkt und nicht nur sekundär umfasse617. Korrespondierend hierzu sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Tendenzen erkennbar, den hinsichtlich der Rechtsfolge auf Geldersatz beschränkten Amtshaftungsanspruch für die Naturalrestitution zu öffnen618. Die höchstrichterliche Rechtsprechung bewegt sich auf eine Fusion der genannten Staatshaftungsrechtsinstitute zu619. Die Einführung immer neuer richterrechtlicher Haftungsinstitute und die Modifizierung der bestehenden zur Schließung als unbillig empfundener Haftungslücken auf Rechtsfolgenseite zeigt die Tendenz in der Rechtspraxis, Naturalrestitution anzustreben620. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt die Verpflichtung der Verwaltungsträger, den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte auch als Grundsatz der Naturalrestitution an, der in § 249 S. 1 BGB seinen Niederschlag gefunden habe621. Dieser urteilt dies als irritierend und fehlgeleitet angesichts des ursprünglichen Zwecks des Folgenbeseitigungsanspruchs, lediglich die Restitutionslücke zu schließen; ebenso mit dem Argument, der Folgenbeseitigungsanspruch habe den Zweck, die verletzte Rechtsintegrität wiederherzustellen und sei kein allgemeiner Wiedergutmachungsanspruch, Bumke, JuS 2005, 22 (25); ablehnend unter Bezugnahme ebenfalls, OVG Münster, Urteil vom 30. 11. 1992 – 23 A 1471/90 –, juris Rn. 20 ff.; ablehnend auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2008 – 8 PA 105/08 –, juris Rn. 6. 616 Siehe Fn. 615. 617 Zum Surrogat der Entschädigung bei Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung, BVerwG, Urteil vom 26. 08. 1993 – 4 C 24/91 –, juris Rn. 59; VG Frankfurt, Urteil vom 22. 11. 2001 – 15 E 3262/98 –, juris Rn. 23; zur Wiederherstellung originärer Schäden im Geldvermögen, BVerwG, Urteil vom 19. 07. 1984 – 3 C 81/82 –, juris Rn. 33; Zur Konkurrenz mit dem Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 397 f.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 61, 64; zur Rechtsprechungsentwicklung bezüglich dieser Frage Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 129. 618 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. 12. 2005 – 1 BvR 1359/05 –, juris Rn. 16 hält als Alternative zum Ersatz durch Geldleistung explizit auch die Naturalrestitution oder sonstige Folgenbeseitigung für verfassungsrechtlich möglich. 619 Ähnlich Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 131; Höfling, VVDStRL 61, 260 (285 ff.); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 297; BVerwG, Urteil vom 28. 05. 2003 – 2 C 35/02 –, juris Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 21. 09. 2000 – 2 C 5/99 – juris Rn. 73; OVG Bautzen, Beschluss vom 04. 04. 2013 – 4 A 163/12 –, juris Rn. 5; letztlich offen gelassen, BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 18; die Instanzrechtsprechung hält teilweise implizit am Folgenentschädigungsanspruch fest, VG München, Urteil vom 09. 06. 2015 – M 2 K 13.5122 –, juris Rn. 73; OVG Münster, Beschluss vom 01. 02. 2013 – 6 A 13/13 –, juris Rn. 6; VGH Mannheim, Urteil vom 29. 03. 2010 – 2 S 939/08 –, juris Rn. 7; den Folgenentschädigungsanspruch generell ablehnend insbesondere die ältere Literatur, Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 103. 620 Sehr kritisch zu dieser Entwicklung, GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 45. 621 BVerwG, Urteil vom 19. 07. 1984 – 3 C 81/82 –, juris Rn. 33; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 45 Rn. 128; siehe hierzu auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 521.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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Ansicht ist beizupflichten. Wenn der Primärrechtsschutz durch Anfechtung rechtswidriger Verwaltungsakte eine vollständige Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände ermöglicht, so kann nicht begründet werden, warum die tatsächlichen Folgen rechtswidrigen Verwaltungshandelns aufgrund des chronisch dogmatisch defizitären Staatshaftungsrechts bestehen bleiben sollen. Der Rechtsstaatsgrundsatz fordert die Herstellung nicht nur formell rechtmäßiger Zustände durch Beseitigung der den tatsächlichen Folgen zugrunde liegenden Verwaltungsakte, sondern auch materiell rechtmäßige Zustände durch Beseitigung der Folgen rechtswidrigen Verwaltungshandelns. Naturalrestitution stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. d) Ergebnisse Die Begründung einer schuldrechtlichen Haftung für Pflichtverletzungen der Verwaltungsträger in nichtvertraglichen, öffentlichrechtlichen Schuldverhältnissen lässt sich nicht im Wege der Analogie zur zivilrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen im Schuldverhältnis begründen, weil geregelter und nicht geregelter Sachverhalt keine ausreichende Ähnlichkeit aufweisen. Dem öffentlichen Recht liegen aber ebenso wie dem Zivilrecht Rechtsgrundsätze zugrunde, die eine Anwendung einer der zivilrechtlichen Schuldrechtshaftung ähnlichen Haftung der Verwaltungsträger gegenüber Privatrechtssubjekten in konkretisierten, nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen ermöglichen, denn auch im öffentlichen Recht haben Verwaltungsträger für die ordnungsgemäße Erfüllung einer konkretisierten Pflicht gegenüber Privatrechtssubjekten im Umfang einer vollumfänglichen Schadensbeseitigung durch Herstellung des Zustandes, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde einzustehen, gleichgültig, ob sie die Pflicht selbst erfüllen oder unter Zuhilfenahme Dritter erfüllen lassen. Damit lässt sich eine im Vergleich zur Amtshaftung verschärfte Haftung der Verwaltungsträger für Pflichtverletzungen im nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis durch Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze begründen. 5. Tatbestand des nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses Es bedarf weder einer besonderen Nähe zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt noch einer gesteigerten Verantwortung für den Rechtsgüterschutz um ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis herbeizuführen622. Abzulehnen ist deshalb die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses eine besonders enge, 622
Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 5 f.; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 50 spricht wenig klar von einem erhöhten Leistungsinteresse der Zivilpersonen; ähnlich für den öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruch, Baur, JZ 1966, 381 (383); kritisch zum Vertrauensschutzmaßstab Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 88 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
einem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Beziehung und das Bedürfnis für eine angemessene Verantwortungsverteilung erforderlich sei623. Das genannte Bedürfnis besteht grundsätzlich in jedem Sachverhalt624. Eine mit einem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Beziehung besteht in öffentlichrechtlichen Näheverhältnissen nicht, weshalb auch die Herleitung durch Analogie scheitert. Im Übrigen ist eine Eingrenzung der von der Rechtsprechung geforderten besonders engen Beziehung auf bestimmte Tatbestandsmerkmale oder Sachverhalte nicht möglich und bliebe letztendlich immer dem erkennenden Gericht überlassen625. Die Bildung von Fallgruppen wie der öffentlichrechtlichen Verwahrung oder dem Anstalts- und Benutzungsverhältnis zur Strukturierung des Rechtsinstituts ersetzt keine Definition. Aber auch der hier vertretene Konkretisierungsansatz muss präzisiert werden. Er ist insbesondere abzugrenzen von einer reinen allgemeinen Gefährdungshaftung des Staates gegenüber allen Bürgern für jedwede Rechtsverletzung, die nur dann mit der Rechtsordnung in Einklang steht, soweit sie explizit gesetzlich angeordnet wurde626. Erforderlich ist vielmehr die Konkretisierung des Pflichtenkreises des Verwaltungsträgers und das Hervorrufen schützenswerten Vertrauens beim Privatrechtssubjekt dahingehend, der Verwaltungsträger werde seiner Pflicht nachkommen627. Nach Canaris setzt ein Schadensersatzanspruch für das Enttäuschen berechtigten Vertrauens voraus, dass der spätere Anspruchsschuldner zurechenbar eine objektive Grundlage für die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens, also einen Vertrauenstatbestand gesetzt habe, der spätere Anspruchsgläubiger schutzwürdiges Vertrauen in das Verhalten des Anspruchsschuldners haben durfte und deshalb eine Vertrauensinvestition getätigt hat628.
623 BGH, Urteil vom 13. 10. 2011 – III ZR 126/10 –, juris Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 26; diese Kriterien wurden erstmals aufgestellt in, BGH, Urteil vom 09. 07. 1956 – III ZR 320/54 –, juris Rn. 10; siehe hierzu auch Fn. 384. 624 A.A. scheinbar Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 147 f., der die allgemeine Forderung nach einer angemessenen Verantwortungsverteilung als einen Belang nur der Sekundärebene des Schuldverhältnisses begreift, obwohl Schutz- und Rücksichtnahmepflichten auch im Verwaltungsrecht bereits die Primärebene prägen, besonders dann, wenn eine Eingriffsgrundlage dem Verwaltungsträger eine Ermessensentscheidung auferlegt. 625 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 146, 148 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 433; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 5; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 344; Windthorst, JuS 1996, 605 hält die Definition der Rechtsprechung für eine „ergebnisorientierte Leerformel“. 626 BGH, Urteil vom 25. 01. 1971 – III ZR 208/68 –, juris Rn. 9 ff.; Stober-VerwR II / Kluth, § 69 Rn. 4 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 452 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 26; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 370 f.; Weimar, DÖV 1963, 607 (608); Schack, DÖV 1961, 728 (733 f.); Janssen, NJW 1962, 939 (944 f.); Tiemann, VerwArch 1974, 381 (387 f.); a.A. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 359 ff. 627 Siehe Fn. 622. 628 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 formuliert diese Grundsätze als für die gesamte Rechtsordnung geltend, hat gleichfalls vor allem die zivilrechtliche Anwendung im Sinn;
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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a) Zurechenbarer Vertrauenstatbestand Die Verwaltungsbehörden sind regelmäßig entsprechend ihrer Aufgabenzuweisung verpflichtet, gegenüber Privatrechtssubjekten Leistungen zu erbringen oder Eingriffe vorzunehmen. In solchen Fällen verdichten sich die Aufgaben der Verwaltungsbehörde auf Maßnahmen, die sie gegenüber einem oder mehreren bestimmten Adressaten oder zumindest Betroffenen der Maßnahme auf eine bestimmte Weise, zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Umfang mit einem bestimmten Ziel vornimmt. Ein Privatrechtssubjekt kann erst dann schützenswertes Vertrauen in ein zu erwartendes Verhalten der Behörde haben, wenn es aufgrund objektiver Indizien davon ausgehen musste, die Behörde werde sich auf eine bestimmte Weise verhalten629. aa) Konkretisierung des Behördenverhaltens Um Vertrauen in eine künftige Handlung oder Unterlassung einer Verwaltungsbehörde zu rechtfertigen, müssen sich ausreichende Anhaltspunkte zeigen, die die jeweilige Verwaltungstätigkeit für den Betroffenen erwarten lassen. Es muss eine Konkretisierung des zu erwartenden Verwaltungshandelns stattgefunden haben. Zunächst ist abzugrenzen, ob dieses Merkmal im Hinblick auf eine bestimmte Handlung der Verwaltungsbehörde oder auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges gegeben sein muss630. Gegen einen Handlungsbezug spricht, dass die klassischen Schutzrechte der Privatrechtssubjekte gegen Eingriffe der Hoheitsgewalt, die Grundrechte, überwiegend mit negativem oder positivem Erfolgsbezug ausgestaltet sind. Wenn Art. 2 II S. 2 GG die Freiheit der Person als unverletzlich beschreibt, so werden der Hoheitsgewalt keine bestimmten Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt, sondern sie wird lediglich verpflichtet, bestimmte Erfolge nur beim Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen gemäß Art. 2 II S. 3 GG herbeizuführen631. Gegen einen Handlungsbezug spricht ebenso, dass auch bei dem Folgenbeseitigungsanspruch, bei dem Aufopferungsanspruch oder bei dem enteignungsgleichen Eingriff die Art des Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition keine Rolle spielt, sondern lediglich die Tatsache, dass ein geschütztes Recht verletzt wurde632. Auch § 42 II VwGO setzt für die Klagebefugnis nur voraus, dass der Kläger
ähnlich zum schweizerischen Recht Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 79 f. 629 Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 181 ff. 630 Pflichtwidriges Unterlassen ist pflichtwidrigem Handeln gleichgestellt, Wallerath, DÖV 1987, 505 (513). 631 Ähnlich Schenke, JuS 1990, 370 (372). 632 BVerwG, Urteil vom 23. 05. 1989 – 7 C 2/87 –, juris Rn. 80.; BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/10 –, juris Rn. 18; Höfling, VVDStRL 61, 260 (267); Ossenbühl / Cornils,
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
in einem Recht verletzt ist633 ; die Art der Rechtsverletzung ist irrelevant, solange sie durch Erlass oder Verweigerung eines Verwaltungsaktes erfolgte. Wenn aber Privatrechtssubjekte sich gegen rechtswidrige, hoheitliche Eingriffe nur bei Vorliegen eines Verletzungserfolges verteidigen können, so wäre ein im Vergleich zur Amtshaftung intensiverer, handlungsbezogener Rechtsschutz bei schlicht-hoheitlichem Handeln inkohärent. Es lässt sich nicht begründen, weshalb im schlicht-hoheitlichen Bereich ein anderer Maßstab gelten soll als bei regelndem Verwaltungshandeln. Nach der Feststellung, dass inhaltlich eine Konkretisierung des Behördenverhaltens im Hinblick auf die Herbeiführung oder Abwehr eines bestimmten Erfolges zu verlangen ist, kann auch beantwortet werden, inwiefern die Verwaltungstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt oder Zeitraum der Vornahme konkretisiert sein muss. In zeitlicher Hinsicht tritt eine Konkretisierung erst dann ein, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der aufgrund objektiver Indikation zur sicheren Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustandes oder zur sicheren Vermeidung eines unrechtmäßigen Zustandes ein Tätigwerden der sachlich hierfür zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich macht634. Dies gilt nur, sofern die Verhinderung oder Herbeiführung des jeweiligen Erfolges in den jeweiligen Aufgabenbereich der Verwaltungsbehörde fällt. Die Erforderlichkeit eines Einschreitens der Verwaltungsbehörde besteht grundsätzlich nicht, wenn der Behörde bei der Entscheidung, ob ein bestimmter Erfolg herbeigeführt oder verhindert werden soll, Ermessen zusteht, es sei denn dieses ist auf Null reduziert. Vertrauen in künftiges behördliches Handeln kann nämlich nur entstehen, wenn eine behördliche Pflicht zum Tätigwerden besteht. Behördliches Ermessen lediglich in Bezug auf die zur Verhinderung oder Herbeiführung eines bestimmten Erfolges vorzunehmenden Handlungen hingegen ist für die Annahme einer konkretisierten Handlungspflicht nicht schädlich, weil der Rechtsgüterschutz der Privatrechtssubjekte erfolgsbezogen ausgestaltet ist. Ein Privatrechtssubjekt kann also dann eine schützenswerte Erwartung in Bezug auf ein künftiges Handeln einer Behörde haben, wenn diese in einer konkreten Situation aufgrund objektiver Indikation sowie ihrer gesetzlichen Zuständigkeit zur Herbeiführung oder Abwendung eines bestimmten Erfolges verpflichtet ist635. Dies stellt ein Minus zu einem durchsetzbaren Anspruch des Privatrechtssubjekts gegen den jeStaatshaftungsrecht, S. 375; Redeker, DÖV 1987, 194 (197); Schoch, JURA 1993, 478 (482 f.); Schoch, VerwArch 1988, 1 (9 ff.). 633 BVerwG, Urteil vom 26. 01. 1996 – 8 C 19/94 –, juris Rn. 20. 634 Hörstel, NJW 1996, 497 (498); ähnlich auch zu dem Problem der Fälligkeit von verwaltungsrechtlichen Leistungen und der Ansicht, die Leistung werde fällig, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 395 f., der diese Ansicht nur für hoheitliche Leistungen kritisiert. 635 Eine gewisse Strukturähnlichkeit ergibt sich zur Definition des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses gemäß § 43 I VwGO, BVerwG, Urteil vom 26. 01. 1996 – 8 C 19/94 –, juris Rn. 10; siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 07. 05. 1987 – 3 C 53/85 –, juris Rn. 24; das BVerwG, Urteil vom 28. 04. 2016 – 9 A 14/15 –, juris Rn. 25 bezeichnet das schützenswerte Vertrauen in künftiges, behördliches Verhalten als gesicherte Rechtsposition des Privatrechtssubjekts.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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weiligen Verwaltungsträger dar636. Umgekehrt ist das Kriterium der schutzwürdigen Erwartung jedenfalls stets dann erfüllt, wenn dem Privatrechtssubjekt ein solcher Anspruch tatsächlich zusteht637. (1) Beschränkung auf Leistungen mit Vermögenswert Abzulehnen ist das Kriterium von Simons, wonach die geschuldete Leistung im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses zwingend einen wirtschaftlichen Wert haben müsse638. Als Begründung für die Ablehnung dieser Theorie kann jedoch nicht angeführt werden, dass dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis eine Beschränkung auf Leistungen mit Vermögenswert ebenso fremd sei, da das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis mit diesem nicht vergleichbar ist639. Eine Beschränkung auf vermögenswerte Leistungen kann vielmehr deshalb nicht erfolgen, weil die geltende Rechtsordnung keine Anhaltspunkte für eine niedrigere Schutzwürdigkeit nichtvermögenswerter Ansprüche enthält640. Das Grundgesetz schützt nichtvermögenswerte subjektive Rechte wie die Würde des Menschen oder die Glaubensfreiheit erheblich intensiver als Grundrechte mit hauptsächlich wirtschaftlicher Bedeutung wie die Berufsfreiheit oder das Eigentum, was sich daran zeigt, dass letztere leichter beschränkt werden können. Dem Abgrenzungskriterium Simons fehlt jede rechtskonstruktive Grundlage. (2) Erfordernis einer Anspruchsinhaberschaft Auch die Definition von Papier, wonach ein Anspruch des Privatrechtssubjekts auf eine bestimmte Leistung des Verwaltungsträgers als subjektives Recht notwendige Voraussetzung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses sei, kann nicht überzeugen641. Anders als das Zivilrecht ist das öffentliche Recht nicht geprägt durch den Leistungsaustausch gleichberechtigter Akteure, die zur Maximierung des eigenen Vorteils Schuldverhältnisse eingehen, sondern durch die Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Hand642. Auch wenn die Verwaltungsbehörden schlicht636
Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 169 f. So auch Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 150. 638 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, S. 56, 59; ebenso, Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 5; Janson, DÖV 1979, 696 (697); dieses Kriterium ablehnend Zuleeg, DÖV 1970, 627 (630); Eckert, DVBl 1962, 11 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 151; Windthorst, JuS 1996, 605 (606); Ehlers, DVBl 1986, 912 (914). 639 A.A. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 151. 640 Die Exklusion nicht vermögenswerter Leistungen aus dem Anwendungsbereich der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse führt aufgrund der im Vergleich zur Anwendung der Haftung für Leistungsstörungen defizitären Amtshaftung zu einem niedrigeren Schutzniveau. 641 Papier, Forderungsverletzung, S. 83 f.; ähnliche Ansätze bei Schneider, NJW 1962, 705 (707); Friedrichs, ArchBR 1916, 28 (31). 642 A.A. die Konsensmodelle, insbesondere Janson, DÖV 1979, 696 (697), der die Willensübereinstimmung der beteiligten Parteien als maßgebliches Element auch des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses beschreibt und verkennt, dass solche nur ausnahmsweise 637
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
hoheitlich handeln, ist das Kräfteverhältnis zum Privatrechtssubjekt stets asymmetrisch, da die Behörde sich Titel außerhalb des Ausnahmefalls der Gleichordnung stets selbst schaffen kann und die Klagelast zur Abwehr von Rechtsverletzungen beim Privatrechtssubjekt liegt643. Es gibt keinen generellen, situationsunabhängigen Anspruch aller Privatrechtssubjekte gegen jeden Verwaltungsträger auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln, sondern nur Abwehrrechte bei Rechtsverletzungen durch die Verwaltungsträger oder Ansprüche auf Leistungen bei Vorliegen bestimmter Leistungstatbestände. Bleibt die verschärfte Haftung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses Sachverhaltskonstellationen mit verletzten Forderungsrechten des Privatrechtssubjekts vorbehalten, so bleibt ein maßgeblicher Teil der potentiellen Situationen, in denen Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte gefährdet sind, dem defizitären Amtshaftungsrecht überlassen644. Ein privates Recht ist aber nicht deswegen weniger schutzwürdig, weil der Rechtsinhaber gegen den Verwaltungsträger keinen durchsetzbaren Anspruch auf Nichtverletzung hatte. Die Schutzwürdigkeit einer Rechtsposition resultiert bereits aus der Einräumung des Rechts und der Schaffung von Eingriffsschranken durch die geltende Rechtsordnung, insbesondere das Grundgesetz645. Die Möglichkeit, das Recht durch Geltendmachung eines Anspruches gegen einen Verletzenden durchzusetzen, ist nur Mittel zur Rechtsverwirklichung und nicht materieller Inhalt des Rechts selbst. Für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses muss deshalb kein Anspruch als subjektives Recht bestehen. (3) Qualifizierung anhand besonderer Nebenpflichten Windthorst ist der Ansicht, dass für die Begründung eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses eine Hauptleistungspflicht von besonderen Nebenpflichten in Gestalt von Schutz-, Sorgfalts- oder Fürsorgepflichten der Verwaltungsbehörden, die erst durch die Sonderverbindung begründet werden, flankiert sein müsse646. Auch diese Auffassung überzeugt nicht. Durch die Eingehung eines besonderen Nähevom gleichberechtigten Leistungsaustausch aufgrund von Willensübereinstimmung geprägt sind; nicht überzeugend deshalb auch Schneider, NJW 1962, 705 (707), der besondere Rechte und Pflichten auf Gegenseitigkeit als wesentliches Merkmal verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse herausstellt; ähnlich auch Bamberger, JURA 2002, 35 (36). 643 Ehlers, DVBl 1986, 912 (915); der Erlass eines Verwaltungsaktes kann ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis herbeiführen, siehe hierzu Fn. 413. 644 Sachverhalte, die nach Papier von der verschärften Haftung nicht erfasst werden, sind insbesondere Konstellationen, bei denen Privatrechtssubjekte ohne eine eigene Anspruchsposition zu haben, planmäßig und unmittelbar mit der behördlichen Leistung in Berührung kommen. Die Behörde, die zum Grundrechtsschutz aber unabhängig von der Relativität von Schuldverhältnissen generell und gegenüber allen Rechtsinhabern verpflichtet ist, kann sich nicht darauf berufen, dass der Geschädigte keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf störungsfreie Leistungserbringung hatte. 645 Auch bei der schlicht-hoheitlichen Verwaltung ist die Verwaltung grundrechtsgebunden im Sinne des Art. 1 III GG, siehe Ehlers, DVBl 1983, 422 (424 f.). 646 Windthorst, JuS 1996, 605 (606).
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verhältnisses zwischen Privatrechtssubjekt und Verwaltungsträger werden anders als im Zivilrecht, in dem durch Abschluss beispielsweise eines Kaufvertrages eine bisher nicht bestehende Pflicht zur Übereignung einer Sache begründet wird, keine neuen Pflichten geschaffen, auch keine Nebenpflichten. Insbesondere das von Windthorst selbst gewählte Beispiel der polizeilichen Verwahrung eines abgeschleppten Fahrzeuges zeigt dies. Ermöglicht eine Befugnisnorm des Polizeirechts das Abschleppen des Fahrzeuges, so stellt dies einen gerechtfertigten Eingriff in subjektive Rechtspositionen dar. Das verwahrte Fahrzeug darf dabei oder während der Verwahrung jedoch nicht zurechenbar durch Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen der Verwaltungsbehörden beschädigt werden, weil eine Beschädigung von der Eingriffsgrundlage nicht zugelassen wird647. Der Heranziehung von Nebenpflichten bedarf es zur Festlegung des Pflichtenkreises nicht, da Fürsorge- und Sorgfaltspflichten der Verwaltungsbehörden durch den Schutzbereich der Grundrechte, eingeschränkt durch den Umfang und die Reichweite der Eingriffsnormen, hinreichend definiert sind und die Verwaltungsbehörden nicht nur eigene ungerechtfertigte Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen zu unterlassen haben, sondern solche Positionen auch gegen ungerechtfertigte Eingriffe Dritter schützen müssen648. Meysen kritisiert Windthorst, weil dessen Ansatz den Rechtsgüterschutz im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zu sehr an § 823 I BGB anstatt an der Relativität von Schuldverhältnissen anlehnen würde649. Diese Kritik impliziert eine Vergleichbarkeit zwischen zivilrechtlichem und verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis, die der geltenden Rechtsordnung nicht entnommen werden kann650. Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis ist ein originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut, geprägt durch die Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsbehörden. Relativität der Pflichtenkreise besteht im öffentlichen Recht nur, wenn die Rechtsordnung sie anordnet wie im Falle des Abschlusses eines öffentlichrechtlichen Austauschvertrages, und selbst in diesem Fall ist die Relativität verwaltungsschuldrechtlicher Beziehungen beschränkt durch die Zweckbindung der Gegenleistung gemäß § 56 I S. 1 VwVfG. de Wall kritisiert die Ansicht Windthorsts zu Recht auch deswegen, weil der Bestand von besonderen Nebenpflichten keine Aussage darüber zulässt, ob bei der Verletzung von Pflichten eine im Vergleich zur 647
Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 211 sowie Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 49, die daraus aber ableiten, dass aus der ausschließlichen Einwirkungsmöglichkeit der Verwaltungsbehörde auf den beschlagnahmten Gegenstand eine besondere Obhutspflicht des verwahrenden Hoheitsträgers resultiert, wobei offen bleibt, inwiefern sich diese Pflicht auf Primärebene von der allgemeinen Pflicht der Verwaltungsbehörden zur Nichtverletzung geschützter Rechtsgüter und zur Herausgabe der beschlagnahmten Sache im ursprünglichen Zustand nach Beendigung unterscheiden soll. Es drängt sich die Vermutung auf, dass mit der Einführung einer besonderen Obhutspflicht nur wertungsmäßig die schärfere Haftung auf Sekundärebene gerechtfertigt werden soll. 648 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 111 ff.; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 76; BVerfG, Urteil vom 25. 02. 1975 – 1 BvF 1/74 –, juris Rn. 169 ff.; BVerfG, Beschluss vom 20. 12. 1979 – 1 BvR 385/77 –, juris Rn. 101. 649 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 153. 650 Gries / Willebrand, JuS 1990, 103 f.; a.A. Bamberger, JURA 2002, 35.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Amtshaftung verschärfte Haftung nach schuldrechtlichen Vorschriften in Betracht kommen soll651. Das Vorhandensein von Nebenpflichten ist noch nicht einmal im Zivilrecht konstitutiv für die Annahme eines Schuldverhältnisses. Die Systematik des öffentlichen Rechts bietet keine Grundlage für die These Windthorsts. Besondere Nebenpflichten sind deshalb kein Kriterium für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses. (4) Zwischenergebnis Die Grundvoraussetzung für das Entstehen eines nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses ist auf Tatbestandsseite die sachliche und zeitliche Konkretisierung des Pflichtenkreises des Verwaltungsträgers. Diese tritt erst ein, wenn die Verwaltungsbehörde in einer konkreten Situation aufgrund objektiver Indikation sowie ihrer gesetzlichen Zuständigkeit zur Herbeiführung oder Abwendung eines bestimmten Erfolges verpflichtet ist. Ein entsprechender Anspruch des Privatrechtssubjekts ist nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich. Die Handlungspflicht der Behörde muss sich nicht auf eine Leistung mit wirtschaftlichem Wert beziehen und muss auch nicht von Nebenpflichten flankiert sein. bb) Individualisierung der Beteiligten Zusätzlich zu der Handlungspflicht der Verwaltungsbehörde muss eine Individualisierung der Beteiligten im Hinblick auf die tatsächlich durch die zur Herbeiführung oder Abwendung des Erfolges unmittelbar betroffenen Rechtssubjekte erfolgen. Eine Verwaltungsbehörde hat ihre Aufgaben in aller Regel zunächst abstrakt gegenüber einem nicht individualisierten Personenkreis wahrzunehmen. Dies gilt zum Beispiel für die Fahrerlaubnisbehörden, die die Eignung aller Fahrerlaubnisbewerber gemäß § 2 VIII StVG zu überprüfen hat, wenn Tatsachen Bedenken gegen die Fahreignung begründen, genauso wie für die Polizei, die die aufgrund von Art. 2 I, II BayPAG geschützten Rechtsgüter gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von potentiellen Gefährdern verteidigen muss. Die Verwaltungsbehörde hat abhängig von ihren Kompetenzzuweisungen für jede ihrer Aufgaben einen potentiellen Adressaten- und Betroffenenkreis, der die gesamte oder einen abgrenzbaren Teil der Bevölkerung erfassen kann. Betroffene einer Maßnahme nach § 2 VIII StVG können nur Fahrerlaubnisbewerber sein. Gegenüber einem lediglich potentiellen Adressaten- und Betroffenenkreis besteht kein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis, da es bereits an der inhaltlichen Konkretisierung der Leistungspflicht fehlt. Erst wenn sich die Aufgabe der Verwaltungsbehörde soweit konkretisiert, dass die Behörde einen Erfolg herbeizuführen oder abzuwehren hat, der die Rechtsposition des oder der Adressaten sowie anderer Drittbetroffener unmittelbar verändert, während die anderen potentiell Betroffenen unberührt bleiben oder allenfalls mittelbar betroffen werden, ist von einer Individualisierung der Beteiligten auszugehen. Eine auf die 651
de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 344.
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Herbeiführung oder Abwendung eines bestimmten Erfolges gerichtete schlichthoheitliche Maßnahme einer Verwaltungsbehörde kann Adressaten haben wie bei der Lieferung von Trinkwasser im Rahmen eines öffentlichrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses an den jeweiligen Benutzer. Unmittelbar betroffen sind von dieser Pflichterfüllung der Verwaltungsbehörden aber auch die weiteren den Anschluss mitbenutzenden Personen. Janson spricht davon, dass dem öffentlichen Leistungsträger ein überschaubarer Kreis von Leistungsadressaten gegenüber stehen müsse652. Dieses Kriterium ist unpräzise. Ist der Aufgabenbereich einer Behörde spezifisch genug, so ist auch der potentielle Adressatenkreis stets überschaubar653. Es bleibt außerdem auch offen, was einen überschaubaren Adressatenkreis überhaupt qualifiziert. Keinesfalls kann verlangt werden, dass der Verwaltungsbehörde die Identität der Betroffenen namentlich bekannt sein muss, denn bei sachbezogenen Rechtsverhältnissen wie der amtlichen Verwahrung nach einer Sicherstellung fehlt es hieran regelmäßig. Die Haftungsintensivierung durch die Anwendung der schuldrechtlichen Haftung für Leistungsstörungen bei konkretisierten, verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen kann aber nicht von der zufälligen Kenntnis des Adressaten oder Betroffenen durch die Verwaltungsbehörde abhängen. Zu fordern ist eine objektive Individualisierung der Adressaten und unmittelbar Betroffenen. Da die inhaltliche Konkretisierung erfolgs- und nicht handlungsbezogen erfolgt, hat selbiges auch für die Individualisierung zu gelten. Die Rechtsposition muss also unmittelbar durch den Erfolg der Maßnahme oder sein Ausbleiben, nicht durch die Maßnahme selbst berührt werden. Für eine Individualisierung der Beteiligten ist erforderlich und ausreichend, dass objektiv durch die Herbeiführung oder Abwendung eines Erfolges die Rechtsposition des Adressaten oder eines unmittelbar Betroffenen verändert wird654. b) Schutzwürdiges Vertrauen aa) Kenntnis des objektiven Vertrauenstatbestands Als subjektive Komponente bezieht sich das Vertrauen des Gläubigers auf den Tatbestand des Haftungsanspruchs. Das berechtigte Vertrauen der Privatrechtssub652
Janson, DÖV 1979, 696 (697). So zum Beispiel bei dem recht begrenzten, potentiellen Adressatenkreis der Atomaufsicht über Anlagen zur Kernenergiegewinnung durch die obersten Landesbehörden gemäß §§ 7, 24 II S. 1 AtG. 654 Siehe hierzu Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 85 ff.; BGH, Urteil vom 14. 12. 2006 – III ZR 303/05 –, juris Rn. 9 ff. löst das Problem der Einbeziehung von der behördlichen Leistung unmittelbar betroffener Dritter, die aber nicht formell Partei des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses sind, mit dem ins öffentliche Recht übertragenen Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, was nicht zu überzeugen vermag, da die Verwaltungsbehörden auch gegenüber formell an einem Näheverhältnis nicht beteiligten, aber tatsächlich von den Wirkungen betroffenen Privatrechtssubjekten grundgesetzliche Schutzpflichten gleicher Intensität haben. 653
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jekte in rechtmäßiges Behördenhandeln ist regelmäßig nur in Form eines sachgedanklichen Mitbewusstseins vorhanden, da das Privatrechtssubjekt keine Subsumtion behördlicher Kompetenzen und Pflichten durchführen kann. Hierfür wird dem Privatrechtssubjekt im Regelfall sowohl ausreichendes Wissen um die dem Behördenhandeln zugrundeliegenden Tatsachen als auch die Kompetenz zur juristischen Subsumtion behördlicher Rechtspflichten fehlen. Beim schlicht-hoheitlichen Handeln findet überdies nicht einmal eine obligatorische Anhörung gemäß § 28 VwVfG statt, so dass eine Kenntnis des Privatrechtssubjekts letztendlich nur vom Zufall abhängt655. Eine positive Kenntnis des Privatrechtssubjekts von der konkretisierten Pflicht der Behörde zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, wobei es selbst Adressat oder zumindest unmittelbar betroffen sein muss, ist deshalb auf Tatbestandsseite des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses nicht erforderlich656. Das Vorhandensein von Vertrauen des Privatrechtssubjekts in rechtmäßiges behördliches Handeln ist grundsätzlich widerlegbar zu vermuten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Vertrauensschutz in künftiges Verhalten einer Verwaltungsbehörde überhaupt rechtssystematisch begründet werden kann, oder ob Vertrauensschutz grundsätzlich Vertrauen auf den Bestand bereits bestehender Tatsachen als Anknüpfungspunkte erfordert. bb) Abstraktes Vertrauen auf rechtmäßiges Behördenverhalten in der Zukunft Anders als der normierte Vertrauensschutz, wie er sich in § 15 III HGB, § 932 II BGB, § 45 II SGB X oder in § 48 II VwVfG findet, knüpft der hier erörterte Vertrauensschutz nicht an die Aufrechterhaltung der Folgen eines vorausgegangenen, rechtswidrigen Anknüpfungstatbestandes an, sondern an pflichtgemäßes Verwaltungshandeln in der Zukunft. Im Zivilrecht wird angenommen, dass das Vertrauen auf erst noch eintretende Ereignisse generell nicht schutzwürdig ist, weil die Privatrechtssubjekte im Rahmen ihrer Privatautonomie rechtsgestaltend auf die Zukunft einwirken können657. Im öffentlichen Recht gilt eine solche Einschränkung nicht658. Dies zeigt bereits die Existenz des Amtshaftungsanspruches, der die berechtigte Erwartung der Privatrechtssubjekte auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln von Anfang an schützt, wenn auch defizitär. Privatrechtssubjekte können nur im Rahmen ihrer Antragsrechte, ihrer Mitwirkungsrechte und Mitwirkungspflichten sowie der gesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten auf die Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsbehörden Einfluss nehmen; eine umfassende Gestaltungsmöglichkeit der Privatrechtssubjekte ist damit nicht verbunden. Dass der zu erlangende Vorteil ein 655
(426). 656
Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 90 f; Ehlers, DVBl 1983, 422
Skeptisch hierzu Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 91. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 495. 658 Kritisch zur Rechtsfigur des Vertrauensschutzes im öffentlichen Recht Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 14 ff. 657
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künftiger ist, kann wegen der fehlenden Gestaltungsmöglichkeit der Privatrechtssubjekte im Verwaltungsverfahren sowie der unabdingbaren Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsbehörden keinen Unterschied machen, da der Zeitpunkt der Erlangung des Vorteils nicht durch das Privatrechtssubjekt einseitig bestimmt werden kann. Das Zustandekommen schutzwürdigen Vertrauens wäre anders als bei § 48 II VwVfG, bei dem das Privatrechtssubjekt es selbst in der Hand hat, aufgrund eines unerkannt rechtswidrigen Verwaltungsaktes Vermögensdispositionen zu treffen oder anderweitig eine vertrauensbedingte Schadensanlage zu schaffen, dem Zufall überlassen. Festzuhalten ist, dass der Gesetzgeber in §§ 45 II SGB X und 48 II VwVfG beim Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens den Fortbestand rechtswidriger Vermögenslagen im Widerspruch zum Rechtsstaatlichkeitsgebot zulässt. Dann muss aber das Vertrauen der Privatrechtssubjekte in rechtmäßiges Handeln der Verwaltungsbehörden von Anfang an mindestens genauso schutzwürdig sein, denn hier besteht kein Widerspruch zum Rechtsstaatlichkeitsgebot659. Die Gegenansicht, wonach das Zustandekommen von schutzwürdigem Vertrauen bei der Rücknahme rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakte davon abhängt, dass das Privatrechtssubjekt bereits eine irreversible Vermögensdisposition in Gestalt einer „Vertrauensbetätigung“ vorgenommen haben muss, vermag bereits für die Konstellation des § 48 II VwVfG kaum zu überzeugen660. Die Einschränkung geht nicht aus § 48 II S. 1 VwVfG hervor, denn dieser setzt lediglich voraus, dass auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut wurde; § 48 II S. 2 VwVfG stellt lediglich Regelbeispiele dar661. Auf das schlicht-hoheitliche Behördenhandeln kann ein solcher Maßstab überdies nicht unreflektiert übertragen werden. Liegt kein vorausgegangener Verwaltungsakt als konkreter Anknüpfungstatbestand für das Vorliegen von schutzwürdigem Vertrauen vor, so kann auch keine spezifisch durch die Rücknahme eines Verwaltungsaktes entwertete Vermögensposition bestehen. Der Vertrauensschaden bei rechtswidrigem schlicht-hoheitlichen Handeln besteht nicht darin, dass das Privatrechtssubjekt auf den Bestand eines Verwaltungsaktes vertraute und ihm deshalb ein Schaden entsteht, sondern in dem Schaden, den die Verwaltungsbehörde durch die Verletzung einer konkretisierten und individualisierten Rechtspflicht verursachte, bei der das Privatrechtssubjekt berechtigterweise darauf vertrauen durfte, sie werde ordnungsgemäß erfüllt. Die Behörde hat dann im Rahmen der Haftungsverschärfungen einer schuldrechtlichen Haftung die Beweislast für feh659 An der Herstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besteht ein öffentliches Interesse, welches hier – anders als bei § 48 VwVfG – kongruent ist mit dem Interesse des Privatrechtssubjekt, Nomos-VwVfG / Suerbaum, § 48 Rn. 126. 660 So aber vertreten von BVerwG, Urteil vom 07. 07. 1966 – III C 219.64 –, juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1963 – III C 72.62 –, juris Rn. 16; im entscheidenden Punkt relativiert in BVerwG, Urteil vom 15. 04. 1983 – 8 C 170/81 –, juris Rn. 25; Knack-VwVfG / Meyer, § 48 Rn. 92 mit für die Rücknahme von Verwaltungsakten berechtigten Hinweis auf die Differenzierung zu § 48 III VwVfG; SBS-VwVfG / Sachs, § 48 Rn. 136; Nomos-VwVfG / Suerbaum, § 48 Rn. 127. 661 Ipsen, VerwR-AT, Rn. 732 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 308; WeberDürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 97 ff.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
lendes Vertretenmüssen, muss sich Hilfspersonen zurechnen lassen und muss auf Rechtsfolgenseite Naturalrestitution leisten, der Pflicht also auf Sekundärebene vollständig nachkommen. cc) Qualifizierung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei Mitverursachung Ist das Privatrechtssubjekt maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verwaltungsbehörde einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführt oder es unterlässt, einen rechtmäßigen Erfolg trotz Verpflichtung rechtzeitig zu verwirklichen, fehlt es an der Schutzwürdigkeit seines Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung der Behörde. Der auch im öffentlichen Recht anwendbare Grundsatz von Treu und Glauben in seiner Erscheinungsform als Einwand gegen unzulässige Rechtsausübung kann bei fehlender eigener Rechtstreue zum Entfall von Ansprüchen oder Rechtspositionen führen662. Dies ist insbesondere denkbar bei Verletzung von Meldepflichten, Mitteilungspflichten, Mitwirkungspflichten auch in Gestalt von Duldungspflichten, wenn die Pflichtverletzung adäquat kausal die Pflichtverletzung durch die Verwaltungsbehörde zumindest mitverursacht663. Anders als im Zivilrecht führt die Mitverursachung des rechtswidrigen Verwaltungshandelns durch das Privatrechtssubjekt somit nicht zu einer anspruchsreduzierenden Mitschuld entsprechend § 254 I BGB abhängig vom Mitverursachungsanteil bei Aufrechterhaltung der Ersatzpflicht aus §§ 280 ff. BGB, sondern zum vollständigen Entfall der verschärften Haftung und Verweisung auf den Amtshaftungsanspruch. Dies ist mit einem wertungsmäßigen Vergleich zu § 48 II S. 3 VwVfG zu erklären, der auch bei der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes das „Alles oder Nichts“-Prinzip festlegt, also keine partielle Rücknahme wegen einer Mitschuld der Behörde am Erlass des aufzuhebenden, rechtswidrigen Verwaltungsaktes kennt. Eine ansonsten rechtmäßige Rücknahme eines rechtswidrigen Leistungsbescheides kann aber aufgrund des Einwandes unzulässiger Rechtsausübung entsprechend § 242 BGB vollständig unzulässig sein, wenn die Behörde für die Rechtswidrigkeit des Bescheides in hohem Maße mitverantwortlich ist, so dass der rechtswidrige Verwaltungsakt allein deshalb wiederum in vollem Umfang bestehen bleibt664. Eine graduelle Berücksichtigung der Mitverursachungsanteile im Ergebnis erfolgt jedoch auch dann nicht. Es erschließt sich nicht, weshalb die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei schlicht-hoheitlichem Handeln anders zu qualifizieren sein soll als bei hoheitlichem 662 BVerwG, Urteil vom 20. 03. 2014 – 4 C 11/13 –, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 24. 02. 2010 – 9 C 1/09 –, juris Rn. 38; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 93 ff.; siehe auch Fn. 586. 663 Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 93 f. 664 BVerwG, Urteil vom 14. 08. 1986 – 3 C 9/85 –, juris Rn. 30 ff.; BVerwG, Urteil vom 23. 05. 1996 – 3 C 13/94 –, juris Rn. 50; BVerwG, Urteil vom 20. 12. 1999 – 7 C 42/98 –, juris Rn. 27; VGH München, Urteil vom 15. 03. 2001 – 7 B 00.107 –, juris Rn. 22; SBS-VwVfG / Sachs, § 48 Rn. 157.
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Handeln. Auch fehlt zur Behandlung des Mitverschuldens in zivilrechtlichen Sachverhaltskonstellationen wiederum die strukturelle Vergleichbarkeit der Interessenslagen in verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen. Der graduellen Berücksichtigung von Mitverschuldensanteilen bei dem Gläubiger zur Anspruchsreduzierung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Interessensausgleich gleichberechtigter Rechtssubjekte unter Einbeziehung der jeweiligen Verursachungsbeiträge deshalb anzustreben ist, weil der mitverursachende Gläubiger partiell Schädiger gegen sich selbst ist665. Im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis agieren keine gleichberechtigten Rechtssubjekte666. Die Verwaltungsbehörde begibt sich nicht freiwillig in eine Situation, die mit der Gefährdung privater Rechtspositionen verbunden ist, sondern sie ist kraft Gesetz dazu verpflichtet, während Privatrechtssubjekte sich regelmäßig aufgrund eines eigenen freien Entschlusses in Situationen begeben, die eine abstrakt erhöhte Gefahr der Schädigung von Rechtspositionen mit sich bringen. Ein Interessenausgleich ist mangels grundsätzlicher Gleichwertigkeit der Interessen nicht anzustellen. Das Privatrechtssubjekt kann schutzwürdiges Vertrauen im Sinne der berechtigten Erwartung an die Behörde, sie werde sich rechtmäßig verhalten nur so lange haben, als er selbst dies nicht verhindert. Tut er dies, so bleibt ihm nur der Amtshaftungsanspruch, in dessen Rahmen Mitverschulden gemäß § 254 BGB graduell anspruchsreduzierend wirkt. c) Pflichtverletzung Um einen Schadensersatzanspruch des individualisierten Privatrechtssubjekts aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis auf Sekundärebene auszulösen, muss die Behörde eine ihr obliegende, konkretisierte Pflicht auf Primärebene verletzt haben. Dies ist zunächst dann der Fall, wenn die Pflicht schlecht oder gar nicht erfüllt wird, auch wenn dies aufgrund von Unmöglichkeit geschieht667. Auch die Verzögerung der Leistung stellt eine Pflichtverletzung dar668. d) Vertretenmüssen Der Verwaltungsträger hat nur für Pflichtverletzungen einzustehen, die er zu vertreten hat, wobei er die Darlegungs- und Beweislast für fehlendes Vertretenmüssen trägt669. Zu vertreten sind Fahrlässigkeit in allen ihren Ausprägungen und 665 Greger, NJW 1985, 1130; Staudinger 249 ff. / Schiemann, § 254 Rn. 4; a.A., die § 254 BGB als einen kodifizierten Unterfall des § 242 BGB versteht, BGH, Urteil vom 14. 03. 1961 – VI ZR 189/59 –, juris Rn. 18. 666 Ehlers, DVBl 1986, 912 (915). 667 Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 13; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 236. 668 GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 89; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 373; StoberVerwR II / Kluth, § 68 Rn. 14 f.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 236; Eckert, DVBl 1962, 11 (19). 669 Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 20.
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Vorsatz670. Es muss aufgrund der zu unterstellenden hohen Sachkunde des Verwaltungspersonals, der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zu rechtmäßigem Verhalten und den der Hoheitsgewalt zur Verfügung stehenden Ressourcen ein strenger Sorgfaltsmaßstab angelegt werden. Amtsträger müssen die für die Erfüllung ihrer Dienstpflichten erforderlichen Sachkenntnisse besitzen und ordnungsgemäß anwenden671. Besondere Probleme bereitet die Prüfung des Verschuldens bei Verzögerungen der behördlichen Leistung trotz Bestehen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung. Von Papier wurde für den Bereich hoheitlicher Verwaltung vorgebracht, dass eine schuldhafte Verzögerung wegen § 75 VwGO vor Ablauf von 3 Monaten nach Fälligkeit der behördlichen Pflicht nicht in Frage käme und dass der Behörde eine Prüfungs- und Entscheidungsfrist zugestanden werden müsse; im schlichthoheitlichen Bereich müsse immerhin zunächst eine Mahnung erfolgen672. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bei der Qualifizierung des Verschuldens im Rahmen des Amtshaftungsanspruches von einer Pflicht der Behörden zu unverzüglichem Handeln aus673. Im Rahmen der hier vertretenen Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist letzterer Auffassung zu folgen. Liegt eine inhaltlich und zeitlich konkretisierte Pflicht der Behörde zur Herbeiführung oder Abwendung eines bestimmten Erfolges vor, so hat die Behörde ihrer Pflicht unverzüglich nachzukommen. Hat sie keine Kenntnis von den ihrer Handlungspflicht zugrunde liegenden Umständen, so kann sie die Vermutung des Vertretenmüssens nur widerlegen, wenn sie darlegen und beweisen kann, dass ihre Unkenntnis unverschuldet ist, also nicht auf einem Organisationsmangel beruht674. e) Ergebnisse Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zwischen einem Privatrechtssubjekt und dem Verwaltungsträger besteht, wenn eine diesem Verwaltungsträger zugeordnete Behörde wegen der Konkretisierung ihres Pflichtenkreises aufgrund objektiver Indikation in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht einen bestimmten tatsächlichen Erfolg herbeiführen oder abwenden und hierfür tatsächlich handeln oder 670
Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 440. Siehe Fn. 518. 672 Papier, Forderungsverletzung, S. 130 ff. 673 BGH, Urteil vom 29. 09. 1975 – III ZR 40/73 –, juris Rn. 26, 39; BGH, Urteil vom 21. 05. 1992 – III ZR 158/90 –, juris Rn. 18 ff.; BGH, Urteil vom 23. 01. 1997 – III ZR 234/95 –, juris Rn. 20; Urteil vom 11. 01. 2007 – III ZR 302/05 –, juris Rn. 7 f.; BGH, Urteil vom 12. 06. 2008 – III ZR 38/07 –, juris Rn. 13; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 130 ff.; im hoheitlichen Bereich ist der BGH bei zögerlichem Behördenverhalten aufgrund schwieriger Rechtsfragen eher nachsichtig, BGH, Urteil vom 28. 11. 1963 – III ZR 174/62, VersR 1964, 195 ff. 674 Bamberger, JURA 2002, 35 (36); zu Organisationsverschulden, BGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – III ZR 245/89 –, juris Rn. 11; Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 220. 671
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eine Handlung unterlassen muss. Es muss sich nicht um eine Leistung von Vermögenswert handeln, das Privatrechtssubjekt muss keinen Anspruch auf die Leistung haben und die Leistungspflicht muss auch nicht von Nebenleistungspflichten flankiert sein, wobei aber auch keines dieser Kriterien schädlich ist. Zusätzlich muss der Gläubiger des Haftungsanspruches durch die tatsächliche Handlung der Behörde individualisiert betroffen sein. Hierfür ist erforderlich, dass das Privatrechtssubjekt der Adressat der Maßnahme oder zumindest unmittelbar durch sie betroffen ist und eine eigene Rechtsposition durch die Herbeiführung oder Abwendung des tatsächlichen Erfolges verändert wird. Vertrauen des Privatrechtssubjektes in ordnungsgemäße Pflichterfüllung der Verwaltungsbehörden ist grundsätzlich zu unterstellen und es ist rechtssystematisch unbedenklich, dass dieses Vertrauen künftige Vorgänge betrifft. Enttäuscht die Behörde dieses Vertrauen indem sie die Pflicht schlecht, verzögert oder gar nicht erfüllt, so wird der Verwaltungsträger für den eingetretenen Schaden ersatzpflichtig, es sei denn, er kann die Vermutung des Vertretenmüssens widerlegen, woran allerdings hohe Ansprüche zu stellen sind. Ist das Privatrechtssubjekt jedoch für das rechtswidrige Handeln der Behörde maßgeblich mitverantwortlich, so ist sein Vertrauen nicht schutzwürdig und er ist auf den Amtshaftungsanspruch zu verweisen. 6. Rechtsfolgen Nach absolut herrschender Ansicht umfasst der Schadensersatzanspruch aufgrund einer Pflichtverletzung der Behörde im nichtvertraglichen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis auf Rechtsfolgenseite eine vollumfängliche Naturalrestitution entsprechend §§ 249 ff. BGB675. Dies bedeutet, dass die schädigende Behörde den Zustand herzustellen hat, der ohne das schädigende Ereignis bestünde676. Abhängig von der verletzten Handlungs- oder Unterlassungspflicht der Behörde ist hiervon sowohl das positive als auch das negative Interesse umfasst677. Liegt die Pflichtverletzung in einem rechtswidrigen Eingriff der Behörde, so hat sie den Zustand herzustellen, der ohne den Eingriff hypothetisch bestünde. Liegt die Pflichtverletzung hingegen in einer Nicht-, Schlecht- oder verzögerten Leistung der Behörde, so muss der Zustand hergestellt werden, der bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Leistung bestünde. Dies schließt auch entgangenen Gewinn des 675 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 405; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 244; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 245; Papier, Forderungsverletzung, S. 95; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 171 f.; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18; Bamberger, JURA 2002, 35 (36); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 374; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 302 ff.; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 24; BVerwG, Urteil vom 01. 03. 1995 – 8 C 36/92 –, juris Rn. 16. 676 BGH, Urteil vom 28. 10. 2014 – VI ZR 15/14 –, juris Rn. 25; BGH, Urteil vom 15. 01. 2009 – III ZR 28/08 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 21. 12. 2004 – VI ZR 306/03 –, juris Rn. 19; MüKoBGB 241 ff / Oetker, § 249 Rn. 323; Palandt / Grüneberg, § 249 Rn. 2. 677 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 245.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
Privatrechtssubjekts sowie Schmerzensgeldansprüche mit ein und umfasst auch das Recht des Privatrechtssubjekts, sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 249 II S. 1 BGB in Geld entschädigen zu lassen, wobei bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch ein Abzug „Neu für Alt“ vorzunehmen ist678. Umstritten ist die Gewährung von Verzugszinsen bei Geldleistungen nach § 288 I BGB sowie das Erfordernis einer Mahnung zum Verzugseintritt gemäß § 286 I S. 1 BGB679. Während das Bundesverwaltungsgericht Verzugszinsen entsprechend § 288 I BGB mit der Begründung versagt, dem öffentlichen Recht sei ein allgemeiner Grundsatz der Zahlung von Verzugszinsen bereits beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Verzugs fremd und Verzugszinsen seien nur zu gewähren, wenn dies gesetzlich angeordnet ist wie in §§ 233 ff. AO, gewährt ein Teil der Literatur solche mit unterschiedlichen Argumenten680. Die Ansicht Murachs681, wonach die Verzugsverzinsung des § 288 I BGB auch im öffentlichen Recht erfolgen müsse, weil Verzugszinsen den Mindestschaden einer verzögerten Geldleistung darstellen, ist abzulehnen, weil § 288 I BGB im öffentlichen Recht nicht direkt anzuwenden ist und der Verwaltungsträger nur zur Naturalrestitution verpflichtet ist. Die Verwaltungsbehörde muss nicht durch Zinsdruck entsprechend dem Gesetzeszweck des § 288 I BGB dahingehend diszipliniert werden, fällige Forderungen möglichst schnell zu bezahlen, weil die Behördenmitarbeiter – anders als Privatrechtssubjekte – kein nachvollziehbares Bereicherungsinteresse zu Gunsten der Behörde haben, kein immanenter Interessengegensatz zum Privatrechtssubjekt besteht und die Zinslasten im Ergebnis von der Allgemeinheit zu tragen wären682. Die pauschale und von einem konkreten Schadensnachweis unabhängige Verzinsung eines Geldanspruchs lässt sich nicht über den auch im Verwaltungsrecht gültigen Grundsatz der Naturalrestitution begründen, der eine Überkompensation des Gläubigers gerade vermeiden will683. Aus diesen Gründen besteht entgegen der Auffassung Wolffs auch keine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung des § 288 I BGB im öffentlichen Recht ermöglichen könnte684. Auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des öffentlichen Rechts, wonach Geldforderungen nach Fälligkeit zu verzinsen seien, kann nicht begründet werden, weil die Zinspflichten anordnenden Vorschriften 678 Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172; Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 18. 679 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 398; Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 15. 680 BVerwG, Urteil vom 03. 11. 1988 – 5 C 38/84 –, juris Rn. 8; siehe hierzu auch Fn. 311; a.A. die überwiegende Literatur, siehe Fn. 471. 681 Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 118 f. 682 Staudinger 255 ff. / Löwisch, Feldmann, § 288 Rn. 1, 4; Wolff, DÖV 1998, 872 (876); Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 15 f. 683 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 307; insbesondere in Niedrigzinsphasen liefe der gesetzliche Zins mangels sicher zu erzielender Renditen in ähnlicher Größenordnung auf eine nicht zu begründende Bereicherung des Gläubigers zu Lasten der Allgemeinheit hinaus. 684 Wolff, DÖV 1998, 872 (876); Heintschel v. Heinegg, NVwZ 1992, 522 (527 f.).
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
169
des öffentlichen Rechts, insbesondere die des Steuerrechts, keine rechtsprinzipielle Grundaussage treffen, welche auf das gesamte öffentliche Recht anwendbar ist und die zivilrechtlichen Vorschriften zur Zinspflicht nur spezifisch zivilrechtliche Interessenlagen abbilden685. Auch der Hinweis auf die in § 49a III S. 1 VwVfG angeordnete Zinspflicht überzeugt nicht, da diese ausschließlich die hoheitliche Verwaltung im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsaktes betrifft und in einem solchen Fall stets Klarheit über den Beginn des Zinslaufes besteht; überdies schließt § 49a II S. 1 VwVfG die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften für die Verzinsung sogar ausdrücklich aus. Der Einwand Ernsts, es gäbe keinen Grund, öffentlichrechtliche Geldforderungen anders zu behandeln als zivilrechtliche, lässt sich somit durch einen Verweis auf die bestehende Rechtssystematik entkräften686. Eine Zinspflicht ohne Schadensnachweis besteht demnach nur, wenn sie gesetzlich angeordnet wurde687. Dem Gläubiger bleibt es aber unbenommen, Zinslasten als tatsächlich eingetretene Verzugsschäden in der jeweils entstandenen Höhe geltend zu machen und nachzuweisen. Der zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges verpflichtete Verwaltungsträger gerät auch ohne Mahnung im Sinne des § 286 I S. 1 BGB in Verzug688. Wenig überzeugend ist die Gegenansicht Kluths689, der eine Mahnung zur Verzugsbegründung aufgrund der Vorgaben des § 286 I BGB verlangt, denn dies lässt die Besonderheiten des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses außer Acht. Die Mahnung im Sinne des § 286 I BGB setzt einen durchsetzbaren Anspruch des Gläubigers auf Erfüllung voraus und vergegenwärtigt dem Schuldner, dass er zur Vermeidung seiner Ersatzpflicht für konkrete Verzugsschäden und Verzugszinsen umgehend die Leistung erbringen muss. Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis setzt nach hier vertretener Auffassung schon gar keinen Anspruch des Gläubigers voraus. Meysen führt zutreffend aus, dass das Instrument der Mahnung dem öffentlichen Recht fremd ist690. Von einer Verwaltungsbehörde kann erwartet werden, dass sie ihre Pflichten kennt und entsprechend erfüllt, auch wenn sie nicht vom Privatrechtssubjekt gemahnt wird. Wie dargelegt, droht ihr bei Geldschulden auch 685 Heintschel v. Heinegg, NVwZ 1992, 522 (526 ff.); Eckert, DVBl 1962, 11 (19); nach Auffassung des BVerwG, Urteil vom 21. 03. 1986 – 7 C 70/83 –, juris Rn. 14 sind die Vorschriften der AO auf öffentlichrechtliche Leistungspflichten, die keine Abgaben sind, nicht entsprechend anwendbar. 686 MüKoBGB 241 ff / Ernst, § 286 Rn. 12; nicht überzeugend Windthorst, JuS 1996, 605 (609) mit der Ansicht, dass die zivilrechtlichen Verzugsregelungen im nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis deshalb nicht anwendbar seien, weil es am Gleichordnungsverhältnis fehlt. Ein Gleichordnungsverhältnis ist nicht konstitutiv für die Anwendung der zivilrechtlichen Verzugsregeln. 687 A.A. MüKoBGB 241 ff / Ernst, § 286 Rn. 12, der für an privatrechtliche Rechtsverhältnisse angenäherte Gleichordnungsverhältnisse zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt eine Ausnahme hiervon zulassen und die §§ 286 ff. BGB anwenden will. 688 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 305. 689 Stober-VerwR II / Kluth, § 68 Rn. 15. 690 Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 305; Papier, Forderungsverletzung, S. 129 f.
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
keine generelle Verzinsungspflicht und überdies steht ihr der Beweis des fehlenden Vertretenmüssens der Leistungsverzögerung offen. Die Behörde gerät demnach ohne Mahnung mit der Leistung in Verzug, wenn sie nach sachlicher und zeitlicher Konkretisierung der Pflicht nicht ordnungsgemäß handelt691. 7. Haftungsbeschränkung Nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung kann die Haftung der Verwaltungsträger im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zumindest für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden, während der Amtshaftungsanspruch abgesehen von seinen immanenten Defiziten durch Regelungen in Verwaltungsakten, Satzungen oder Benutzungsordnungen der Gemeinden aufgrund der Normenhierarchie nicht weiter beschränkt werden kann692. Das Argument, die Haftung müsse schon deshalb beschränkbar sein, weil dies auch im Privatrecht möglich sei, geht mangels Vergleichbarkeit der Rechtsordnungen fehl693. Im Privatrecht resultiert die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung aus der Privatautonomie, die im öffentlichen Recht grundsätzlich nicht gilt694. Für die hier vertretene schuldrechtliche Haftung müssen andere Maßstäbe gelten. Besteht eine konkretisierte Leistungspflicht der Behörde, so kann berechtigtes Vertrauen eines Privatrechtssubjekts in rechtmäßiges Behördenhandeln nicht dadurch relativiert werden, dass die Behörde bereits im Vorfeld fehlende Bereitschaft erklärt, für Pflichtverletzungen in einem noch nicht definierten, zukünftigen Sachverhalt vollumfänglich haften zu wollen. Da Primärebene und Sekundärebene der behördlichen Pflichterfüllung aufgrund der Rechtsbindung der Verwaltung und dem Rechtsstaatlichkeitsgebot im Integritäts691
A.A. Papier, Forderungsverletzung, S. 133; die Frage, ab wann eine Behörde „zu spät“ handelt, kann entgegen Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 306 gerade nicht offen bleiben, denn dies ließe den Zeitpunkt des Verzugseintritts offen. 692 BGH, Urteil vom 21. 06. 2007 – III ZR 177/06 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 07. 07. 1983 – III ZR 119/82 –, juris Rn. 40; BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris Rn. 25 ff.; BGH, Urteil vom 22. 09. 1977 – III ZR 146/75 –, juris; BGH, Urteil vom 02. 03. 1977 – VIII ZR 209/75 –, juris; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 374; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 245; Durner, JuS 2005, 900 (904); Erichsen, VerwArch 1974, 219 (222); Götz, JuS 1971, 349 (351 f.); Ehlers, AllgVerwR / Grzeszick, § 46 Rn. 22 ff.; Janson, DÖV 1979, 696 (702 ff.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 790; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 345 ff.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 90; Stober-VerwR III / Müller, § 88 Rn. 99; Murach, Verwaltungsschuldrecht, S. 153 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 441 ff.; MüKoBGB 705 ff / Papier, § 839 Rn. 78; Rüfner, DÖV 1973, 808 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 164 ff.; Schneider, NJW 1962, 705 (708); StoberVerwR I / Stober, § 55 Rn. 146; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (401 ff.); de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 430 ff.; Windthorst, JuS 1996, 605 (610); Staudinger 839, 839a / Wöstmann, § 839 Rn. 108. 693 So aber vertreten von de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 430. 694 Rüfner, DÖV 1973, 808 (809); de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 430.
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
171
schutzniveau kongruent sein müssen, bezieht sich das Vertrauen des Privatrechtssubjekts in die Erfüllung der konkretisierten Pflicht auch darauf, dass im nicht abwegigen Falle einer zu vertretenen, behördlichen Pflichtverletzung auf Sekundärebene eine vollwertige Naturalrestitution stattfindet695. Andernfalls wäre eher von einer Hoffnung auf rechtmäßiges Behördenverhalten auf Primärebene denn von einem echten Vertrauensschutz zu sprechen. Das Argument, die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung gewähre den Benutzern öffentlichrechtlicher Einrichtungen im Ergebnis Vorteile durch kalkulatorisch bestimmte niedrigere Benutzungsentgelte, hält einer juristischen Überprüfung nicht stand696. Solange die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe auch öffentlichrechtlich ausgestaltet ist und die Behörde im jeweiligen Einzelfall eine konkretisierte Pflicht trifft, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, ist die Aufgabenerfüllung auf Primärebene genauso wenig disponibel wie die Pflicht zur Herstellung des geschuldeten Zustandes auf Sekundärebene697. Unberührt bleiben nur Haftungsbeschränkungen, die bereits auf den Vertrauenstatbestand einwirken und die Entstehung einer konkretisierten Pflicht verhindern, indem sie der Verwaltungsbehörde beispielsweise Ermessen einräumen. Haftungsobergrenzen, Verkürzungen der Verjährung unter die regelmäßige Verjährung oder Haftungsausschlüsse für eine oder mehrere Erscheinungsformen der Fahrlässigkeit sind hierzu ungeeignet, da diese nur die Rechtsfolgen bei erfolgten Pflichtverletzungen betreffen698. Im Ergebnis ist die Möglichkeit von Haftungsbeschränkungen abzulehnen699.
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Die schuldrechtsähnliche Haftung aufgrund von Pflichtverletzungen im nichtvertraglichen, verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist gesetzlich nicht geregelt, wird von der Rechtsordnung aber vorausgesetzt, soweit nicht Normen des Verwal695 Siehe Fn. 536; Haftungsbeschränkungen für die Verletzung verwaltungsrechtlicher Primärpflichten werden von der Literatur zurecht sehr kritisch betrachtet, Tiemann, VerwArch 1974, 381 (415). 696 BGH, Urteil vom 17. 05. 1973 – III ZR 68/71 –, juris Rn. 29; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 433. 697 Ähnlich für sozialstaatlich gebotene Leistungen Tiemann, VerwArch 1974, 381 (413 f.); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 422. Auch Schneider, NJW 1962, 705 (708) kann mit dem Argument, der Verwaltung müsse bei öffentlichrechtlicher Ausgestaltung einer kommunalen Einrichtung die Haftungsbeschränkung schon deshalb möglich sein, weil bei privatrechtlicher Ausgestaltung trotz Monopolstellung eine Haftungsbeschränkung auch zulässig wäre, nicht überzeugen, weil bei privatrechtlicher Ausgestaltung gerade nicht die besondere Vertrauensstellung des Staates zum Tragen kommt. 698 Für eine Übersicht der häufigsten Haftungsbeschränkungen, siehe Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 345 ff.; zur regelmäßigen Verjährung Bamberger, JURA 2002, 35 (36). 699 So auch für Haftungsbeschränkungen im Anstaltsrecht, dem häufigsten verwaltungsrechtlichen Näheverhältnis, Thieme, JZ 1964, 81 (85).
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1. Kap.: Strukturelle Unterschiede der Rechtsinstitute
tungsrechts die Anwendung der §§ 280 ff. BGB bereits ausdrücklich anordnen. Einigkeit besteht insoweit als das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis ein Verhältnis gesteigerter Nähe zwischen zwei Rechtssubjekten darstellt, das mit einer Intensivierung oder Erweiterung von Rechten und Pflichten einhergeht und deshalb die Haftungsverschärfungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 280 ff. BGB rechtfertigt. Untersuchungsgegenstand ist aufgrund des Zwecks der Erläuterung des Konkurrenzverhältnisses zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht lediglich das Schuldverhältnis im engeren Sinne entsprechend § 241 I BGB. Ob ein gesetzlich nicht normiertes, nichtvertragliches Schuldverhältnis im weiteren Sinne als Bündel von Rechten und Pflichten, das seinerseits originär Rechte und Pflichten generieren kann, im Verwaltungsrecht überhaupt existiert, kann offen bleiben. Wenngleich die entsprechende Anwendung der §§ 280 ff. BGB im Verwaltungsrecht auf eine lange Geschichte zurückblicken kann und ihr Anwendungsbereich von der Rechtsprechung fortlaufend erweitert wird, ist die dogmatische Erschließung des Rechtsinstituts nach wie vor defizitär. In der Literatur überwiegt die Kritik an der Anwendung bis hin zur generellen Ablehnung des Rechtsinstituts. Aufgrund der lückenhaften Regelung der Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen in verwaltungsrechtlichen Näheverhältnissen bei schlicht-hoheitlichem Handeln und den in Bezug auf das Rechtsstaatlichkeitsgebot bedenklichen Effektivitätsdefiziten des Amtshaftungsanspruches kann der Bedarf einer schuldrechtsähnlichen Haftung im Verwaltungsrecht nicht bestritten werden. Einer Anwendung der §§ 280 ff. BGB unter Verwaltungsträgern oder zu Gunsten von Verwaltungsträgern und gleichzeitig zum Nachteil von Privatrechtssubjekten stehen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Nach hier vertretener Auffassung besteht nur dann eine Anwendungsmöglichkeit für eine aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herzuleitende schuldrechtsähnliche Haftung im Verwaltungsrecht, wenn eine Behörde im Rahmen schlicht-hoheitlicher Verwaltung eine sachlich und zeitlich konkretisierte Pflicht gegenüber einem individualisierten Personenkreis erfüllen muss, diese Pflicht verletzt und der spätere Schadensersatzgläubiger berechtigtes Vertrauen in die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflicht geltend machen kann und aufgrund der Pflichtverletzung einen Schaden an seinen Rechtsgütern erleidet. Eine solche inhaltlich konkretisierte und personell individualisierte Pflicht besteht erst dann, wenn eine Verwaltungsbehörde aufgrund objektiver Indikation sowie ihrer gesetzlichen Zuständigkeit zur Herbeiführung oder Abwendung eines bestimmten Erfolges verpflichtet ist und dieser Erfolg oder sein Ausbleiben die geschützten Rechtspositionen des späteren Gläubigers des Ersatzanspruches als Adressat oder anderweitig unmittelbar Betroffenen verändert. Der Schuldner hat sich in Anlehnung an die zivilrechtliche Haftung im Schuldverhältnis das Verschulden von zur Pflichterfüllung eingeschalteten Hilfspersonen im Umfang des § 278 BGB zurechnen zu lassen, muss die Vermutung des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung widerlegen und hat auf Rechtsfolgenseite Naturalrestitution zu leisten. Aufgrund spezifischer Besonderheiten des öffentlichen Rechts besteht kein Anspruch auf pauschale Verzinsung einer fälligen Geldschuld des Verwaltungsträgers entsprechend § 288 I BGB, eine Mahnung ist zur Verzugsbegründung nicht erforderlich und Haftungsbeschränkungen auf
C. Ersatzansprüche aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen
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Rechtsfolgenseite entfalten keine Wirkung zum Nachteil des Privatrechtssubjekts. Diese verschärfte Haftung entfällt aber dann unter Verweisung auf den Amtshaftungsanspruch, wenn das Privatrechtssubjekt für die Pflichtverletzung der Verwaltungsbehörde maßgeblich mitverantwortlich ist.
2. Kapitel
Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag Die Untersuchung der Anwendungsfälle anhand der Judikate der Vergangenheit hat bereits erste anwendungsbezogene Defizite des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht erkennen lassen. Diese Diagnose trifft aber aufgrund der ungesteuerten Entwicklung des deutschen Staatshaftungsrecht auch auf andere seiner Rechtsinstitute zu und ist deswegen kein Alleinstellungsmerkmal700. Um eine vollumfängliche Substitution auch in der Praxis der richterlichen Rechtsfindung zu rechtfertigen, muss die Konstruktion einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aber auch an rechtsystematischen Schwächen leiden, die eine Anwendung im derzeitigen Zustand verbieten. Außerdem dürfen durch den Verzicht auf die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht keine unzulässigen Rechtsschutzlücken oder anderweitig unvertretbare Ergebnisse entstehen. Letzteres ist dann jedoch nicht der Fall, wenn bereits Rechtsinstitute vorhanden sind, die den bisher von einer entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB okkupierten Raum im öffentlichen Recht rechtssystematisch gewinnbringend ausfüllen können. Im Ergebnis könnte das Staatshaftungsrecht dadurch an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewinnen. Voraussetzung einer Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ist folglich, dass diese nicht nur in Folge ihrer Unzulänglichkeiten substitutionsbedürftig, sondern auch substitutionsfähig ist.
A. Qualifizierung des Rechtsinstituts Zur Erörterung und Beurteilung der Dogmatik, die der Anwendung des Rechtsinstituts sowie seiner Aufarbeitung in der Wissenschaft zugrunde liegt, muss zunächst die Systematik untersucht werden, die einerseits der Herleitung und andererseits der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zugrunde liegt.
700
Siehe Fn. 352.
A. Qualifizierung des Rechtsinstituts
175
I. Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht 1. Begründungsansätze der Rechtsprechung Die Rechtsprechung differenziert bei der Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht zwischen den einzelnen Fallgruppen, sondern folgt einem einheitlichen Begründungsansatz. Meysen kommt nach einer Analyse der Rechtsprechung zu der Schlussfolgerung, die weit überwiegende Mehrheit gerichtlicher Entscheidungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag stütze sich auf eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 677 ff. BGB und nur vereinzelt werde eine Herleitung über allgemeine Rechtsgedanken angenommen oder die Herleitung offen gelassen701. Die Untersuchung des vorliegenden Entscheidungsmaterials zeigt indes ein sehr unübersichtliches Meinungsbild und lässt die Schlussfolgerung Meysens nicht zu702. Häufig wird lediglich pauschal eine „entsprechende Anwendbarkeit“ der §§ 677 ff. BGB in Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht unterstellt ohne die Herleitung über Analogie oder die Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken zu erwähnen; eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Folgen der verschiedenen Begründungsansätze erfolgt nicht703. Meysen interpretiert diesen Verweis der Gerichte auf eine entsprechende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Geschäftsführung
701
Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 116 f. Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 441; siehe Rechtsprechungsnachweise bei Fn. 102. 703 Fallgruppe 1: BVerwG, Urteil vom 28. 10. 1999 – 7 A 1/98 –, juris Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 11. 06. 1991 – 7 C 1/91 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 02. 07. 1969 – V C 88.68 –, juris Rn. 10; OVG Münster, Urteil vom 12. 09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris Rn. 29; OVG Mu¨ nster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/84, NJW 1986, 2526; VGH München, Urteil vom 23. 07. 2002 – 7 B 01.2384 –, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 22. 04. 1993 – 4 B 92.1327 –, juris Rn. 10; VGH München, Urteil vom 14. 07. 1970 – Nr. 232 VI 68, BayVBl 1971, 67 (68); VG Würzburg, Urteil vom 05. 09. 1991 – W 3 K 90.1485, NVwZ 1992, 88 (89). Fallgruppe 2: BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 31; VGH München, Urteil vom 01. 12. 1992 – 23 B 91.2407 –, juris Rn. 33. Fallgruppe 3: BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 5; BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4C 5/86 –, juris Rn. 13 f.; BVerwG, Urteil vom 16. 08. 1967 – VI C 76.64 –, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris Rn. 9; OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/ 06 –, juris Rn. 15; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris Rn. 26; OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 2; VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72 –, NJW 1977, 1843; OVG Münster, Urteil vom 21. 12. 1995 – 20 A 5004/94 –, juris Rn. 3; OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris Rn. 5; OVG Münster, Urteil vom 08. 09. 1993 – 24 A 518/91 –, juris Rn. 9; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. 01. 2015 – 9 K 4006/13 –, juris Rn. 25; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 30. 07. 2001 – 4 K 4627/99, NJW 2002, 1818; VG Köln, Urteil vom 06. 02. 2015 – 4 K 492/14 –, juris Rn. 42; VG Regensburg, Urteil vom 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231 –, juris Rn. 20 f.; kritisch zu diesem pauschalen Ansatz ebenfalls Hamann, NJW 1955, 481 f.; kritisch hierzu ebenfalls mit demselben Ergebnis Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95 f. 702
176
2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
ohne Auftrag im öffentlichen Recht als analoge Rechtsanwendung704, was zweifelhaft erscheint. Eine „entsprechende Anwendbarkeit“, also die Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht könnte aber auch darauf beruhen, dass im öffentlichen Recht Rechtsgrundsätze identifizierbar seien, mit denen sich ein den §§ 677 ff. BGB in den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sehr ähnliches originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut begründen lasse ohne auf eine Analogie angewiesen zu sein, so dass die entsprechende Anwendung als solche keine Festlegung bezüglich der Herleitung über Analogie oder allgemeine Rechtsgrundsätze zulässt705. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Entscheidungen, bei denen die erkennenden Gerichte die Entscheidung bezüglich der Herleitung explizit offen lassen oder überhaupt nicht erwähnen706. Soweit ein 704
Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 116. BVerfG, Beschluss vom 31. 03. 1965 – 2 BvL 17/63 –, juris Rn. 33 mit der Ansicht, die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag würden im öffentlichen Recht entsprechend gelten; BVerwG, Urteil vom 06. 10. 1989 – 8 C 52/87 –, juris Rn. 8 mit der These, dass die Vorschriften des BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht entsprechend angewendet werden könnten und dann Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts seien; ähnlich BSG, Urteil vom 27. 06. 1990 – 5 RJ 39/89 –, juris Rn. 24, 26; BSG, Urteil vom 28. 08. 1961 – 3 RK 65/56 –, juris Rn. 9; BSG, Urteil vom 20. 12. 1957 – 3 RK 69/55 –, juris Rn. 15; so auch OVG Münster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956 (1957), das eine entsprechende Anwendung des dem § 679 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens vornimmt; OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/06 –, juris Rn. 15 geht von einer entsprechenden Anwendbarkeit der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aus; OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/ 10 –, juris Rn. 23 erkennt an, dass die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung finden; VGH München, Urteil vom 01. 12. 1992 – 23 B 91.2407 –, juris Rn. 33 geht davon aus, dass die bürgerlich-rechtlichen Grundsätze der GoA im öffentlichen Recht entsprechend gelten; OVG Brandenburg, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris Rn. 4 stellt fest, dass auch eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB als im öffentlichen Recht geltender Rechtsgrundsätze möglich sei; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris Rn. 18; ungenau hierzu VGH München, Urteil vom 13. 12. 1994 – 23 B 92/520, NVwZ-RR 1996, 530 (531), der die „Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag, die im öffentlichen Recht ebenfalls gelten können (…), einer analogen Anwendung hier für zugänglich“ erachtet; ähnlich unpräzise hierzu VG Gießen, Urteil vom 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01 –, juris Rn. 30; ebenfalls wenig klar OVG Hamburg, Urteil vom 07. 04. 1992 – Bf VI 80/90 –, juris Rn. 59. 706 Keine Entscheidung für einen der Ansätze: VGH Mannheim, Urteil vom 03. 05. 2006 – 9 S 778/04 –, juris Rn. 15; VGH Mannheim, Urteil vom 07. 06. 1984 – 11 S 2127/81, NJW 1985, 2603 (2604); OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 58; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris Rn. 18; VG Stade, Urteil vom 10. 08. 2015 – 4 A 3578/13 –, juris Rn. 27; VG Gießen, Urteil vom 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01 –, juris Rn. 30. Keine Thematisierung der Herleitung; Fallgruppe 1: BVerwG, Urteil vom 27. 09. 2007 – 2 C 14/06 –, juris Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 07. 09. 1979 – IV C 58.76 –, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris; in Fallgruppe 2 sieht die Rechtsprechung kein Bedürfnis für eine Herleitung, da sie von einer zivilrechtlichen GoA ausgeht; deswegen zumindest insoweit konsequent BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 8 f.; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 30. 07. 2015 – 5 U 43/14 –, juris; Fall705
A. Qualifizierung des Rechtsinstituts
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Herleitungsansatz favorisiert wird, fällt eine Tendenz der Ober- und Bundesgerichte zur Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze auf, wobei die Gerichte in aller Regel nicht spezifizieren, welche Rechtsgrundsätze gemeint sind und wie diese gewonnen werden707. Die Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken zur Entscheidungsfindung beinhaltet notwendigerweise die Definition und Herleitung des als Rechtsgrundsatz oder Rechtsgedanken umschriebenen abstrakten Kausalzusammenhangs708. Nachdem die Rechtsprechung dies nicht leistet, die Begriffe somit unsubstantiiert und pauschal benutzt, gleichzeitig jedoch nahezu immer vorangegangene ober- oder höchstgerichtliche Entscheidungen zitiert, in denen zur Untermauerung der vertretenen Auffassung ebenso vorgegangen wurde, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die Rechtsprechung das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht implizit als Gewohnheitsrecht betrachtet709. Eine Auseinandersetzung mit den Anforderungen an eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung eines Rechtsinstituts, insbesondere die langanhaltende Übung in der Rechtsprechung, erfolgt allenfalls rudimentär710. Im Ergebnis liefert die Rechtsprechung keine überzeugenden Ausführungen zur dogmatischen Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht711.
gruppe 3: BGH, Urteil vom 13. 01. 2012 – V ZR 136/11; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris; BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris; OLG Köln, Urteil vom 16. 09. 1993 – 7 U 83/93 –, juris Rn. 18; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/ 95 –, juris; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1986, 355 f. 707 Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze: BVerwG, Urteil vom 15. 06. 2011 – 9 C 4/ 10 –, juris Rn. 26; BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 23. 03. 1971 – 7 RAr 12/69 –, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 11. 12. 1968 – 10 RV 606/65 –, juris Rn. 22; VGH Kassel, Urteil vom 16. 05. 1986 – IX OE 53/82, NVwZ 1987, 822 (823); VGH München, Urteil vom 03. 05. 1991 – 23 B 89.504 –, juris Rn. 52; VG Osnabru¨ ck, Gerichtsbescheid vom 26. 03. 2014 – 6 A 184/13 –, juris Rn. 24; VG Würzburg, Urteil vom 17. 10. 1995 – W 5 K 93.457, BayVBl 1996, 90 f. sowie die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise Fn. 705, soweit dort nicht explizit eine Herleitung über die Analogie vorgenommen wird. Herleitung über Analogie: BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris Rn. 4; VGH Mannheim, Beschluss vom 19. 12. 1990 – 10 S 3049/89, NJW 1991, 2986 (2987); VGH München, Urteil vom 29. 05. 1996 – 7 B 94.1063, DÖV 1997, 76 (77); VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris Rn. 14; VG München, Urteil vom 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633 –, juris Rn. 48 f.; wohl auch VG Köln, Urteil vom 10. 09. 1992 – 4 K 4706/89, NVwZ 1993, 806 (807); VG Stade, Urteil vom 27. 03. 2015 – 3 A 1171/13 –, juris Rn. 21; VG Stuttgart, Urteil vom 07. 04. 2014 – 12 K 2584/13 –, juris Rn. 18; eine zunehmende Tendenz der Rechtsprechung zur Herleitung über die Analogie, wie Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95 sie zu erkennen meint, kann demnach nicht identifiziert werden. 708 Siehe Fn. 590. 709 Zu den Urteilszitaten der Rechtsprechung siehe die Rechtsprechungsnachweise bei Fn. 102; siehe hierzu auch die Bewertung bei Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (96 f., 109). 710 Siehe Fn. 289. 711 So auch Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (109); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 96.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
2. Herleitung in der Wissenschaft Die Ansichten des Schrifttums zur Herleitung einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht sind mindestens ebenso heterogen wie die Ansätze der Rechtsprechung. Der wissenschaftliche Diskurs ist geprägt davon, dass die Frage nach der Herleitung unter Verweis auf Analogie oder allgemeine Rechtsgrundsätze bewusst offen gelassen, ebenfalls nur pauschal auf eine entsprechende Anwendbarkeit verwiesen oder gar nicht thematisiert wird712. Das Vorliegen einer Gesetzeslücke als Voraussetzung der Rechtsfortbildung wird zuweilen bejaht ohne zu prüfen, ob die Gesetzeslücke tatsächlich planwidrig ist713. Soweit die Autoren sich für einen Ansatz entscheiden, fällt eine deutliche Tendenz zu Gunsten der Herleitung über die Analogie und gegen die Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken insbesondere in den jüngeren Untersuchungen auf, wenn diese Entscheidung auch selten ausführlich begründet wird714. Trotz der beachtlichen Dauer der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Problematik kann nicht davon gesprochen werden, dass sich in der Literatur eine herrschende Meinung darüber herausgebildet hätte, in welchen Fallgruppen die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht mit welcher Begründung hergeleitet und angewendet werden kann. Dies zeigt sich insbesondere am uneinheitlichen Meinungsbild der zu diesem Problem erschienenen Beiträge, insbesondere der Monographien. 712 Frage ausdrücklich offen gelassen: Bamberger, JuS 1998, 706 (707); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 240; Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 16; Blas, JA 1989, 514 f.; von Einem, NWVBl 1992, 384 (386); Menger, VerwArch 1978, 397 f.; Steckert, DVBl 1971, 243 (246); Wollschläger, JA 1979, 182 f.; mit Einschränkung Gusy, JA 1979, 69 ff.; pauschaler Verweis auf entsprechende Anwendbarkeit: BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238 ff.; SBS-VwVfG / Bonk/Neumann, § 54 Rn. 53; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 1, 3; Klein, DVBl 1968, 166 (170); die Kritik an dem pauschalen Verweis auf die entsprechende Anwendbarkeit teilt Hamann, NJW 1955, 481 ff.; Herleitung nicht angesprochen: Baur, DVBl 1965, 893 ff.; Fleischfresser, VR 1988, 305; Freund, JZ 1975, 513 ff.; AK BGB / Joerges, Vor §§ 677 ff. Rn. 37 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 81 f.; Schack, JZ 1966, 640 ff.; Schreiber, JURA 1991, 155 ff.; NK-BGB 2.2 / Schwab, § 677 Rn. 85 ff.; SIS, Praxishandbuch Staatshaftungsrecht, Rn. 431 ff.; Staake, JA 2004, 800 ff.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 117 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 14 ff. 713 Jeweils ohne Auseinandersetzung mit dem Gesetzesplan Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 36 ff.; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 56; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 151; ausführlich aber bei Nedden, GoAÖR, S. 87 ff., 129 ff.; siehe hierzu auch Fn. 544. 714 Für die Analogie: Berger, DÖV 2014, 662 ff.; Brenner, LKV 1999, 481 (483); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 507 ff.; Durner, JuS 2005, 900 (903); Habermehl, JURA 1987, 199 (200 ff.); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 150 ff.; Maurer, JuS 1970, 561 (564); Nedden, GoAÖR, S. 171; Rietdorf, DÖV 1966, 253 ff.; Schoch, JURA 1994, 241 f.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (102 ff.); Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 31, 41; Weimar, RiA 1964, 19; Wild, VR 1998, 131 (133); Windthorst / Schubert, NJW 1978, 687 (688); wohl auch BGB-RGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 106; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 23; für die allgemeinen Rechtsgrundsätze: Berg, JuS 1975, 681 (684); Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 43 ff.; Blas, BayVBl 1989, 648 (649); Dittmar, BayVBl 1929, 105; Franßen / Blatt, NJW 2012, 1031; Friedrichs, ArchBR 1916, 28 (80); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 76 ff.; Hurst, DVBl 1965, 757 (759).
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a) Herleitungsansatz der allgemeinen Rechtsgrundsätze Vor allem Blas und Hoepffner erkennen in der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Rechtsgrundsätze, die ihrer Ansicht nach auch dem öffentlichen Recht zugrunde liegen715. Nach Hoepffner besteht auch im öffentlichen Recht der Rechtsgrundsatz, wonach derjenige, der auftraglos unter Anwendung ordnungsgemäßer Sorgfalt ein Geschäft für einen Mitmenschen ausführt, auch im Interesse der Gerechtigkeit einen Ersatzanspruch gegen denjenigen erhält, dessen Geschäfte er ordnungsgemäß geführt hat, weil die Hilfsbereitschaft des Einzelnen honoriert werden müsse716. Andererseits soll auch ein Rechtsgrundsatz dahingehend bestehen, dass derjenige, der die Voraussetzungen einer auftraglosen Geschäftsführung nicht anerkennt und sich ungebeten in fremde Angelegenheiten einmischt, keinen Aufwendungsersatzanspruch erhält und sich darüber hinaus noch schadensersatzpflichtig macht717. Eine analogieweise Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht kommt nach Hoepffner nicht in Betracht, weil es an der Rechts- und Wesensähnlichkeit des geregelten zivilrechtlichen Rechtsinstituts mit den zu erfassenden öffentlichrechtlichen Sachverhalten fehle, denn das zivilrechtliche Gleichordnungsprinzip sei nicht auf das öffentliche Recht übertragbar und die Rechtsfolgenanordnung des Zivilrechts könne im Bereich hoheitlicher Verwaltung deshalb nicht auf das öffentliche Recht übertragen werden, weil die Anordnungen unzuständiger geschäftsführender Behörden oder Privatpersonen wegen Zuständigkeitsverstoßes unwirksam wären718. Blas hat sich der Argumentation Hoepffners im Wesentlichen angeschlossen719. Bemerkenswert ist, dass beide Untersuchungen die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung nur anreißen und den Herleitungsansatz für alle Fallgruppen einheitlich bestimmen. b) Analogie zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Mit der analogieweisen Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aus den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 677 ff. BGB haben sich vor allem Nedden und Knapp systematisch auseinandergesetzt. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass eine Ableitung aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen in allen Fallgruppen scheitere, aber eine Analogie zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3, aber auch nur in dieser, geboten und möglich sei720. 715 Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 43 ff.; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 76 ff. 716 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 78; so auch Berg, JuS 1975, 681 (684); insoweit stimmt auch Nedden, GoAÖR, S. 127 zu; ähnlich BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 20. 717 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 78. 718 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 75 f. 719 Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 42 f.; Blas, BayVBl 1989, 648 (649). 720 Nedden, GoAÖR, S. 171 (dort Fallgruppe 2); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 160; so auch Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (102 ff.); im Ergebnis identisch, aber für eine
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Nedden und Knapp stellen zunächst fest, dass die §§ 677 ff. BGB nicht direkt auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht in den Fallgruppen 1 bis 3 anwendbar seien, weil die §§ 677 ff. BGB ausschließlich bürgerlichrechtliche Beziehungen regeln und eine Anwendung im öffentlichen Recht einen ausdrücklichen Anwendungsbefehl voraussetze721. Im Detail unterscheiden sich die Ansätze jedoch. Hiernach lehnt Nedden zunächst eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Rechtsinstituts im öffentlichen Recht unter Verweis auf die unscharfen dogmatischen Konturen, die zahlreichen ungeklärten Probleme auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite sowie die Uneinigkeit von Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf fast alle Rechtsfragen, die über die bloße Existenz des Rechtsinstituts hinausgehen, ab722. Den der Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach altruistische Geschäftsführung grundsätzlich erwünscht sei, hält Nedden für zu abstrakt um für einen bestimmten Sachverhalt mit dogmatisch tragbarer Begründung bestimmte Rechtsfolgen anzuordnen, denn aus der schlichten Wertung könne nicht abgeleitet werden, ob der Geschäftsführer etwa Aufwendungsersatz erhält, wann er sich über den Willen des Geschäftsherrn hinwegsetzen darf und mit welcher Intensität er bei Pflichtverletzungen haftet723. Bei der fallgruppendifferenzierten Analyse von Regelungslücken im öffentlichen Recht, kommt Nedden für Fallgruppe 1 zu dem Ergebnis, dass der Struktur der Amtshilfevorschriften zu entnehmen sei, der Gesetzgeber habe sich bewusst dagegen entschieden, einen Aufwendungsausgleich bei Fremdgeschäftsführung durch Behörden generell zuzulassen und stattdessen das Entstehungsprinzip favorisiert, wonach Aufwendungen grundsätzlich von der Behörde zu tragen seien, bei der sie entstehen, so dass insoweit die Regelungslücke nicht planwidrig, sondern plangemäß sei und eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB ausscheiden müsse724. In Fallgruppe 2 argumentiert
direkte Anwendung der zivilrechtlichen GoA in Fallgruppe 3, FS-Bartlsperger / Schenke, S. 554 ff.; siehe hierzu auch Fn. 139. 721 Nedden, GoAÖR, S. 118; so auch Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 145, 148 f.; 181 f. 722 Nedden, GoAÖR, S. 123 f. 723 Nedden, GoAÖR, S. 127 f. 724 Nedden, GoAÖR, S. 134 ff.; im Ergebnis ebenso ablehnend, Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 6; Esser / Weyers, Schuldrecht II, S. 399 f.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; Kischel, VerwArch 1999, 391 (403 ff.); a.A. Bamberger, JuS 1998, 706 (707 f.); a.A. und eine Anwendung in Fallgruppe 1 zumindest für Notlagen befürwortend, Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 19; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238; von Einem, NWVBl 1992, 384 (386 f.); Gusy, JA 1979, 69 (70); GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 95; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 411 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 90 ff.; Schoch, JURA 1994, 241 (242 ff.); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (99); Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 72 ff. will bei Fehlen einer Notlage eine unberechtigte GoA annehmen; ebenso, aber zusätzlich auch dann für eine Anwendung, wenn der Geschäftsherrnbehörde kein Ermessen zustand, Habermehl, JURA 1987, 199 (203); a.A. und für die Anwendung der GoA im öffentlichen Recht bereits beim Fehlen speziellerer Kostentragungsregelungen, Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 242 f.; Baur, DVBl 1965,
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Nedden dahingehend, dass die Vorschriften zum Kostenersatz bei Verwaltungshandeln, insbesondere im Gefahrenabwehrrecht, dem Sozialrecht, dem Recht der Benutzungsverhältnisse und dem Justizvollzug grundsätzlich abschließend seien, da es gerade der Schutzzweck dieser Vorschriften sei, Kostenersatz nur bei Erfüllung der dort festgelegten Tatbestandsmerkmale zu gewähren, so dass dort auftretende Regelungslücken ebenfalls als planmäßig zu betrachten seien mit derselben Konsequenz725. Lediglich in Fallgruppe 3 kommt Nedden zu dem Ergebnis, dass planwidrige Regelungslücken für Kostenersatzansprüche von Privatpersonen möglich sind726. Für diese planwidrigen Regelungslücken erörtert Nedden, weshalb eine 893 (894); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 122 ff.; BGBRGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 107 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 16. 725 Nedden, GoAÖR, S. 147 ff.; im Ergebnis ebenso ablehnend Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 20; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 105 ff.; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 5; Esser / Weyers, Schuldrecht II, S. 399 f.; Giesen, JURA 1996, 225 (234 f.); Gusy, JA 1979, 69 (71 f.); Kischel, VerwArch 1999, 391 (403 ff.); Maurer, JuS 1970, 561 (563 ff.); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 260 ff., 369 ff.; Oldiges, JuS 1989, 616 (622); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 ff.; Pesch, JURA 1995, 361 (364 ff.); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (100 ff.); Schubert, NJW 1978, 687 (688); Schubert, AcP 1978, 425 (444 ff.); Staake, JA 2004, 800 (802 ff.); Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 17 ff.; Würtenberger, NVwZ 1983, 192 (193); die Anwendung in Fallgruppe 2 ablehnend und stattdessen den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch befürwortend Schoch, JURA 1994, 241 (244 f.); zumindest skeptisch zur Anwendung der GoA in Fallgruppe 2 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 244; FS-Weitnauer / Hauss, S. 343 ff.; a.A. und eine Anwendung befürwortend nur für den Fall, dass die Privatperson materiellrechtlich zur Kostentragung verpflichtet ist, diese Pflicht aber aufgrund eines Formverstoßes der Behörde nicht durchgesetzt werden kann, Bamberger, JuS 1998, 706 (709); Baur, DVBl 1965, 893 (895); Hurst, DVBl 1965, 757 (760); Wollschläger, JA 1979, 182 (184); a.A. und schon dann für eine Anwendung, solange nicht speziellere Kostentragungsregelungen vorgehen, Berg, JuS 1975, 681 (684); Habermehl, JURA 1987, 199 (203); Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 85 ff.; a.A. und für eine Anwendung nur bei eingriffsloser Hilfeleistung Wild, VR 1998, 131 (134); ähnlich Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508 f.; a.A. und für eine Anwendung bereits bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 679 BGB, Klein, DVBl 1968, 166 (170); BGBRGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 110; sehr liberal mit der Auffassung, für das Vorgehen gemäß §§ 677 ff. BGB könne sich eine Behörde im Rahmen des Formenwahlrechts entscheiden, Linke, DVBl 2006, 148 (151 ff.); ebenso Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 634 ff.; ähnlich aber mit der Modifikation, dass eine Anwendung der GoA nur bei Wahrnehmung ausschließlich privatrechtlicher Geschäfte des Privaten in Frage komme, Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 151 ff. 726 Nedden, GoAÖR, S. 139 ff.; so auch Bamberger, JuS 1998, 706 (709 f.); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 243; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 115 ff.; von Einem, NWVBl 1992, 384 (386); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 156 ff.; Klein, DVBl 1968, 166 (170); Schoch, JURA 1994, 241 (245 f.); wohl auch Weimar, RiA 1964, 19 f.; a.A. dergestalt, dass auch in Fallgruppe 3 nur ein Ersatzanspruch aufgrund des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches anerkannt werden sollte, Wollschläger, JA 1979, 182 (184); ebenso Kischel, VerwArch 1999, 391 (409 ff.); so auch Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 266 ff., 371 f., der zwar eine planwidrige Regelungslücke in Fallgruppe 3 bejaht, die Lückenfüllung durch Anwendung der GoA aber an den Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung scheitern lässt; a.A. und die Anwendung der GoA in Fallgruppe 3 vollständig ablehnend, Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 569 f.; siehe hierzu auch Fn. 736.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Schließung durch Anwendung anderer Rechtsinstitute des öffentlichen Rechts vorrangig zu prüfen sei, letztendlich aber erfolglos bleibe, weil spezielle Kostenersatznormen des öffentlichen Rechts nicht analogiefähig seien und im Widerspruch zu Wollschläger eine Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ausscheide727. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch habe auf Rechtsfolgenseite eine mit dem Aufwendungsersatz der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 BGB im Hinblick auf erfolglose Aufwendungen nicht vergleichbare Beschränkung auf die Herausgabe tatsächlich erlangter Vermögensvorteile und überdies stelle das besondere gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB Regelungen über Hauptund Nebenpflichten sowie differenzierte Ausgleichsmechanismen zur Verfügung, während der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch lediglich eine Vermögensverschiebung rückgängig macht728. Auffallend pauschal und ohne detaillierte Betrachtung bejaht Nedden die Vergleichbarkeit der Interessenlagen im Rahmen einer Analogie zu §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 mit der Folge einer umfassenden Anwendung in dieser Fallgruppe während er die Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches sowohl in Fallgruppe 2 als auch in Fallgruppe 1 ebenfalls im Widerspruch zu Wollschläger vollständig ablehnt729. Für Fallgruppe 4 geht Nedden von einer uneingeschränkten direkten Anwendung der §§ 677 ff. BGB ohne öffentlichrechtliche Besonderheiten aus, weil der Rechtscharakter der übernommenen Pflicht allein das Rechtsverhältnis nicht dem öffentlichen Recht zuordnet730. Knapp bejaht in Fallgruppe 1 zwar eine planwidrige Regelungslücke, stellt hiernach aber dennoch fest, dass der Kostenausgleich zwischen Verwaltungssubjekten durch die spezifischen, öffentlichrechtlichen Ausgleichsregelungen und den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch hinreichend geregelt sei und dass keine der zivilrechtlichen Konstellation vergleichbare Interessenlage in Fallgruppe 1 bestehe, so dass eine analoge Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 1 aus727
Nedden, GoAÖR, S. 166 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95 ff. Nedden, GoAÖR, S. 167 ff. 729 Zur Vergleichbarkeit der Interessenlagen, Nedden, GoAÖR, S. 171; etwas unklar zur Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches in Fallgruppe 1, Nedden, GoAÖR, S. 173 ff. 730 Nedden, GoAÖR, S. 118 ff.; so auch Beckhaus, ZUR 2010, 418 (420 f.); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 23; von Einem, NWVBl 1992, 384 (385); Gutzeit / Vrban, NJW 2012, 1630 (1632); Kloepfer / Thull, DVBl 1989, 1121 (1123 f.); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 270 ff.; Schoch, JURA 1994, 241 (247); ähnlich Klein, DVBl 1968, 166 (170); a.A. und für die Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen GoA in dieser Fallgruppe, jedoch ohne Darstellung der resultierenden Konsequenzen, Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 128 ff.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 168 f.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 93 f.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 23; zahlreiche Untersuchungen erwähnen die Fallgruppe 4 gar nicht erst, Freund, JZ 1975, 513 ff.; Kischel, VerwArch 1999, 391 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 409 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 ff.; BGBRGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 106 ff. 728
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scheiden müsse731. Anders als Nedden erachtet Knapp in Fallgruppe 2 eine Geschäftsführung ohne Auftrag der Behörde für eine Privatperson dann als zulässig, wenn die Behörde bei der Geschäftsführung nicht gleichzeitig auch eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, im Ergebnis also kein auch-fremdes Geschäft, sondern nur das zivilrechtliche Geschäft der Privatperson führt, wobei dann eine originär zivilrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen soll732. Nimmt die Behörde aber lediglich ein auch-fremdes Geschäft wahr, so könne die Anwendung der Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der vorrangigen öffentlichrechtlichen Ersatznormen nicht aus einem auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgedanken oder Rechtsgrundsatz hergeleitet werden, wobei schon zweifelhaft sei, ob den §§ 677 ff. BGB überhaupt ein so weitreichender Rechtsgrundsatz entnommen werden könne733. Im Rahmen einer analogen Anwendung der §§ 677 ff. BGB beim auch-fremden Geschäft in Fallgruppe 2 will Knapp das Vorhandensein einer Regelungslücke vom Sachzusammenhang abhängig machen, verneint jedoch unabhängig hiervon stets die Vergleichbarkeit der Interessenlage, weil die Systematik der §§ 677 ff. BGB dem öffentlichen Recht fremd und im öffentlichen Recht kein Bedürfnis für die Legitimations- und Ausgleichsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag erkennbar sei734. Während Knapp für die Fallgruppe 3 die Herleitung einer Anwendung der §§ 677 ff. BGB über allgemeine Rechtsgrundsätze ablehnt, bejaht er eine planwidrige Regelungslücke unter pauschalem Verweis auf die defizitären öffentlichrechtlichen Kostenerstattungsregelungen zugunsten des Bürgers und das Fehlen einer den §§ 677 ff. BGB vergleichbaren allgemeinen Regelung der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht735. Die vergleichbare Interessenlage und damit die analoge Anwendung der zivilrechtlichen auftraglosen Geschäftsführung erkennt Knapp in Fallgruppe 3 jedenfalls dann an, wenn dringender Handlungsbedarf besteht, auch einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung geschützter Rechte zu spät käme und bezüglich der Sachverhaltskonstellation eine Schutzlücke im System der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen besteht736. Die 731 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 181 ff.; ähnlich Brenner, LKV 1999, 481 (482); Klein, DVBl 1968, 166 (169); Maurer, JuS 1970, 561 (565); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 255 ff., 369 ff.; Wollschläger, JA 1979, 182 (183). 732 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 91 ff.; so auch Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 38 f.; a.A. Nedden, GoAÖR, S. 159 ff.; beachte hierzu auch Steckert, DVBl 1971, 243 (246). 733 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 99. 734 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 102 ff. 735 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 150 f. 736 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 150 ff.; so auch Blas, JA 1989, 514 (516 f.); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 7; Freund, JZ 1975, 513 (515); Gusy, JA 1979, 69 (71); Habermehl, JURA 1987, 199 (203 f.); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416 ff.; Menger, VerwArch 1978, 397 (400 ff.); Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 88 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (102 ff.); BGB-RGRK II 4 / Steffen, Vor § 677 Rn. 111; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 39 f.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 96 verlangt für eine Anwendbarkeit zusätzlich noch, dass der Geschäftsherrnbehörde kein Er-
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Fallgruppe 4 beurteilt Knapp nicht als Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und untersucht sie auch nicht näher, weil dort keine Besonderheiten im Vergleich zur originär zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen737. 3. Zusammenfassung Die Rechtsprechung bietet bezüglich der Herleitung der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht ein sehr heterogenes Bild. Überwiegend entscheiden sich die Gerichte nicht für einen der Ansätze, sondern unterstellen die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB unter Verweis auf vorangegangene, höchstrichterliche Entscheidungen und ziehen somit eine implizit gewohnheitsrechtliche Herleitung heran, wobei der niedrige Begründungsaufwand diesbezüglich heraussticht. Die Wissenschaft beschäftigt sich in vielen Untersuchungen, die aufgrund ihrer Thematik eigentlich eine Auseinandersetzung mit der Herleitung erfordern würden, zwar ebenfalls kaum argumentativ hiermit, bietet mit den Dissertationen von Nedden und Knapp aber auch fundierte Arbeiten hierzu. Mit der deutlich herrschenden Meinung in der Wissenschaft befürworten beide Autoren eine Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht über eine analoge Anwendung der §§ 677 ff. BGB, wobei nur in Fallgruppe 3 sowohl planwidrige Regelungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage eine solche Anwendung ermöglichen sollen. In den übrigen Fallgruppen wird aufgrund fehlender Planwidrigkeit von Regelungslücken, vorrangiger und abschließender spezialgesetzlicher Normierung oder unterschiedlicher Interessenlage eine Anwendung abgelehnt.
II. Systematik der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht 1. Tatbestand Die richterliche Rechtsfindung orientiert sich an den zivilrechtlichen Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen, modifiziert diese aber im öffentlichrechtlichen Kontext. Soweit die Wissenschaft eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht anerkennt, hat sie im Wesentlichen die Systematik der Rechtsprechung übernommen.
messensspielraum zukam und die Vornahme der Geschäftsführungshandlung durch die Privatperson im öffentlichen Interesse lag; so auch BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 241; ähnlich Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21. 737 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 27; so auch Bamberger, JuS 1998, 706 (710 f.); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 244 f.; im Ergebnis ähnlich, aber unter Einordnung dieser Fallgruppe als öffentlichrechtliche GoA, Gusy, JA 1979, 69 (72).
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a) Geschäftsbesorgung für einen anderen mit Bezug zum öffentlichen Recht Nach absolut herrschender Ansicht können unter die Geschäftsbesorgung für einen anderen im Rahmen der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht sowohl rechtsgeschäftliche als auch rein tatsächliche Handlungen subsumiert werden, wobei reines Unterlassen nicht ausreichen soll738. Auch im öffentlichen Recht bestimmt sich der Charakter der Geschäftsbesorgung, insbesondere die Abgrenzung zur unechten Geschäftsbesorgung, grundsätzlich anhand einer objektiven Komponente der Zuordnung der ausgeübten Geschäftsbesorgungshandlungen zum Rechtskreis des Geschäftsführers oder des Geschäftsherrn und der subjektiven Komponente, dem Fremdgeschäftsführungswillen739. Die Bestimmung dieser Merkmale am konkreten Fall erfolgt in den 3 Fallgruppen, in denen auch nach der hier vertretenen Abgrenzungstheorie eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht vorliegen kann, unterschiedlich, wobei damit noch keine Aussage über die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Rechtsinstituts verbunden ist. aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) (1) Verwaltungszuständigkeit als Maßstab der qualitativen Zuordnung des Geschäfts Anders als im Zivilrecht sind im öffentlichen Recht unter Verwaltungsträgern die Interessen- und Rechtssphären der beteiligten Rechtssubjekte nicht durch die Gewährung von Rechten und Pflichten kraft positivrechtlicher Regelung wie etwa in §§ 903, 1004 BGB voneinander abgegrenzt, sondern durch die Zuweisung von Zuständigkeiten für die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung sieht selbst Durchbrechungen dieser Aufgabenverteilung mit den Vorschriften zur Amtshilfe nach §§ 4 ff. VwVfG oder dem aus Art. 35 I GG
738 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 9; Georgii, NJW 1996, 686 (690); zum Ausschluss des reinen Unterlassens, Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 41; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 37 f.; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/ 14 –, juris; BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris Rn. 22 ff.; VGH München, Urteil vom 22. 04. 1993 – 4 B 92.1327 –, juris; OVG Mu¨ nster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/84, NJW 1986, 2526; OVG Mu¨ nster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956; VGH München, Urteil vom 14. 07. 1970 – Nr. 232 VI 68, BayVBl 1971, 67 (68). 739 Siehe S. 22 ff.; BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris Rn. 13 f.; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 11 ff.; OVG Münster, Urteil vom 12.09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris Rn. 51 ff.; OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris Rn. 5; VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris Rn. 14 ff.; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1986, 355; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 37 ff.; Linke, DVBl 2006, 148 (154 f.); Nedden, GoAÖR, S. 178; Schoch, JURA 1994, 241 (247 f.).
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abgeleiteten Spontanhilfegebot unter Verwaltungsbehörden vor740. Soweit Durchbrechungen nicht bestehen, zielt das öffentliche Recht zur Maximierung der Verwaltungseffizienz aber grundsätzlich auf eine überschneidungsfreie Zuständigkeitsverteilung ab741. Wenn solche normierten Formen der fremdnützigen Geschäftswahrnehmung unter Behörden aber keine Aufwendungsersatzansprüche normieren oder einen Aufwendungsersatzanspruch gerade ausschließen wie es für die Amtshilfe in § 8 VwVfG bei Aufwendungen von 35 Euro oder weniger im Einzelfall geregelt ist, ziehen die Gerichte eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht bereits dann in Betracht, wenn eine Verwaltungsbehörde zumindest auch im Aufgabenbereich der Behörde eines anderen Verwaltungsträgers tätig geworden ist, also kein objektiv ausschließlich eigenes Geschäft der geschäftsführenden Behörde vorlag742. Das fremde Geschäft der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht kann ein ausschließlich fremdes Geschäft sein, bei dem die geschäftsführende Behörde keine, auch keine subsidiäre Zuständigkeit für die vorgenommene Geschäftsführungshandlung hat743. Es kann sich aber ebenso um ein auch-fremdes Geschäft handeln, bei dem die handelnde Behörde entweder im Rahmen einer echten Doppelzuständigkeit beider Behörden gleichermaßen für die Erfüllung der Aufgabe zuständig ist oder nur im Rahmen einer subsidiären oder Eilzuständigkeit Maßnahmen trifft, wie dies häufig bei Handlungen der Polizei der Fall ist744. Anlässe für bewusste behördliche Fremdgeschäftsführung sind häufig Situationen, in denen Gefahr im Verzug eine Einschaltung der zuständigen Behörde nicht zulässt oder zwei Behörden im Rahmen eines negativen Kompetenzkonflikts zunächst nicht tätig werden745. Erfüllt schließlich eine der beiden Behörden zur Vermeidung schwerwiegenderer Nachteile doch noch die Aufgabe, so stellt sich die Frage des Aufwendungsersatzanspruchs der handelnden Behörde. Entsprechend der Zulässigkeit des auch-fremden Geschäfts im Zivilrecht genügt im Rahmen der Zuordnung der vorgenommenen Tätigkeit nach Ansicht der Rechtsprechung in Fallgruppe 1 also, dass die geschäftsführende Behörde ein nicht ausschließlich eigenes Geschäft für eine andere Behörde geführt hat, die zumindest auch für die Herbeiführung des Erfolges zuständig 740 OVG Lüneburg, 28. 10. 2016 – 11 LC 45/16 –, juris Rn. 25 ff.; BVerwG, Beschluss vom 15. 05. 2014 – 9 B 45/13 –, juris Rn. 8, 10; VGH München, Beschluss vom 29. 10. 2007 – 7 CE 07.2873 –, juris Rn. 2; AG Duisburg, Beschluss vom 19. 11. 2011 – 105 K 75/10 –, juris Rn. 7 ff.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 255 ff.; zur aus Art. 35 GG abgeleiteten, nicht ausdrücklich geregelten Spontanhilfe in Notsituationen, Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 259 f.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 95; Nedden, GoAÖR, S. 132 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 413. 741 BVerwG, Urteil vom 15. 03. 1989 – 7 C 42/87 –, juris Rn. 8 f. 742 Siehe hierzu beispielsweise Fn. 171, 173, 178; a.A. und die GoA in Fallgruppe 1 vollständig ablehnend, OVG Münster, 01. 12. 1952 – V A 528/52, VerwRspr 1955, 743 (746). 743 Zum ausschließlich fremden Geschäft siehe Fn. 175. 744 Zur echten Doppelzuständigkeit siehe Fn. 171; zur subsidiären Zuständigkeit der geschäftsführenden Behörde siehe Fn. 173. 745 Zum Eilfall siehe Fn. 173; zum negativen Kompetenzkonflikt siehe Gusy, JA 1979, 69 (70); Wollschläger, JA 1979, 182 (183).
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war746. Beispiele für objektiv neutrale Geschäfte finden sich in den bisher ergangenen Urteilen nicht. Die Literatur steht der direkten Übernahme der zivilrechtlichen Systematik zum Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts überwiegend ablehnend gegenüber. Ein auch-fremdes Geschäft bei echter Doppelzuständigkeit soll es nicht geben, weil der geschäftsführende Hoheitsträger in einem solchen Fall aufgrund seiner bestehenden Zuständigkeit immer ein eigenes und kein auch-fremdes Geschäft führe747. (2) Fremdgeschäftsführungswille Die Rechtsprechung hält am Kriterium des Fremdgeschäftsführungswillens auch bei einer auftraglosen Geschäftsführung unter Behörden grundsätzlich fest748. Sie überträgt außerdem die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim fremden und beim auch-fremden Geschäft, die bereits im Zivilrecht von der Wissenschaft kritisiert wird, gegen den energischen Widerstand des Schrifttums auch auf öffentlichrechtliche Sachverhalte in Fallgruppe 1749. Als Begründung dieser These erfolgt regelmäßig nur ein Verweis auf andere Urteile, die teilweise sogar andere Fallgruppen betreffen und ihrerseits auch keine dogmatisch tragfähige Begründung liefern750. Die Wissenschaft stellt sich mit beachtlichen Argumenten gegen die Vermutungsregel. Oldiges ist der Ansicht, die öffentliche Verwaltung würde bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stets weder eigene noch fremde Geschäfte bewusst wahrnehmen, da es ihr für ein eigenes Geschäft am Eigeninteresse an der zu erledigenden Aufgabe 746
Siehe S. 23 f.; zum ausschließlich eigenen Geschäft siehe BVerwG, Urteil vom 11. 06. 1991 – 7 C 1/91 –, juris Rn. 12 ff. 747 Bamberger, JuS 1998, 706 (707); Brenner, LKV 1999, 481 (482); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; von Einem, NWVBl 1992, 384 (387); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 11; Habermehl, JURA 1987, 199 (204); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 169 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (104); a.A. unter Verweis auf die Kostenlast als Aufgabenzuweisungskriterium, Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 31; a.A. mit dem wenig überzeugenden Argument, im Zivilrecht sei das auch-fremde Geschäft ebenfalls anerkannt und es sei unbillig, der handelnden Behörde die gesamte Kostenlast aufzubürden, Blas, BayVBl 1989, 648 (650). 748 Siehe Fn. 175, 176; das Tatbestandsmerkmal des Fremdgeschäftsführungswillens wird zum Teil aber nicht ausdrücklich angesprochen, selbst wenn sich dies aufgrund der Umstände aufdrängt, OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris; BVerwG, 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18 ff. 749 Siehe S. 24 f.; OVG Münster, Urteil vom 12. 09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris Rn. 51 ff.; OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 85 ff.; siehe Fn. 40. 750 So verweist OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 85 diesbezüglich auf BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 und OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89, die beide Fallgruppe 3 betreffen; den Ursprung dieser Vermutungswirkung stellt wohl der sogenannte „Funkenflugfall“ dar, BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 14; die jüngere Rechtsprechung des BVerwG ist mit der Annahme der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens in Fallgruppe 1 sehr viel zurückhaltender, BVerwG, Urteil vom 27. 09. 2007 – 2 C 14/06 –, juris Rn. 13; a.A. und implizit Fremdgeschäftsführungswillen in Fallgruppe 1 beim auch-fremden Geschäft verneinend, OVG Mu¨ nster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/84, NJW 1986, 2526.
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fehle und fremde Geschäfte könne die Behörde schon aufgrund ihrer Gemeinwohlverpflichtung nicht wahrnehmen751. Bamberger lehnt die Konstruktion des auchfremden Geschäfts in Fallgruppe 1 ab, weil die geschäftsführende Behörde gerade keine, auch keine gemeinsame Zuständigkeit für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe haben dürfe752. Schoch schließt sich dem an und sieht vielmehr eine Vermutung dergestalt, dass der Verwaltungsträger seine eigenen öffentlichrechtlichen Pflichten erfüllen wolle753. Hauss erachtet das Kriterium des Fremdgeschäftsführungswillens als generell ungeeignet zur Bestimmung der Ausgleichspflicht bei Erfüllung fremder Verwaltungsaufgaben754. Auch ein Teil der Rechtsprechung scheint diese Zweifel an der Geeignetheit dieses Kriteriums zur Bestimmung der Aufwendungsausgleichspflicht bei auftragloser Fremdgeschäftsführung zu teilen und bejaht bei Nichtvorliegen des Merkmals zumindest dem Grunde nach die Voraussetzungen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches, der ein solches subjektives Tatbestandsmerkmal nicht aufweist755. bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) (1) Behördliche Aufgabenerfüllung und zivilrechtliche Geschäftsführung Die Abgrenzung der Rechtssphären der Verwaltungsbehörden zu denen der Privatrechtssubjekte erfolgt anhand der Handlungs- und Eingriffsbefugnisse der Verwaltungsbehörden, denen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte entgegen stehen. Die den Privatrechtssubjekten eingeräumten Grundrechte sind keine generell unantastbaren Rechtspositionen, sondern häufig durch Gesetz beschränkbar, wie es bei den hier besonders relevanten Grundrechten in Art. 2 I, 2 II, 12 I S. 2, 14 I S. 2 GG der Fall ist. Erfüllt eine grundrechtsrelevante Eingriffshandlung jedoch nicht die tatbestandlich zur Rechtmäßigkeit notwendigen Voraussetzungen einer verfassungskonformen Eingriffsgrundlage, so ist der Eingriff grundsätzlich rechtswidrig und das Privatrechtssubjekt kann sich gegen den ungerechtfertigten Eingriff erfolgreich verteidigen. Ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter kann aber auch gleichzeitig Rechtspflichten des Privatrechtssubjekts gegenüber den Hoheitsträgern erfüllen, wie die Rechtsprechung dies für die Beseitigung von von Privatrechtssubjekten verursachten Straßenverschmutzungen
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Oldiges, JuS 1989, 616 (622). Bamberger, JuS 1998, 706 (707). 753 Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (105 f.); Schoch, JURA 1994, 241 (248), was nur dann gelten kann, wenn kein ausschließlich fremdes Geschäft vorliegt; ähnlich von Einem, NWVBl 1992, 384 (388). 754 FS-Weitnauer / Hauss, S. 343; ähnlich Durner, JuS 2005, 900 (904), der die Gefahr einer Transformation des Rechtsinstituts in ein allgemeines Billigkeitsinstrument erkennt. 755 BayVGH, Urteil vom 14. 07. 1970, BayVBl 1971, 67 (70); BSG, Urteil vom 30. 01. 1962 – 2 RU 219/59 –, juris Rn. 21 ff.; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 31 ff.; siehe hierzu auch Klein, DVBl 1968, 166 (168 f.). 752
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durch Verwaltungsbehörden entschieden hat756. Die Rechtsprechung wertet die Handlungen der Verwaltungsbehörde in derartigen Fällen einer faktischen Ersatzvornahme zugleich als öffentlichrechtlich zu beurteilende Aufgabenerfüllung und privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag der Verwaltungsbehörde für das Privatrechtssubjekt757. Sofern nicht vorrangige Kostenerstattungsvorschriften eine abweichende Regelung treffen oder eine ergänzende Heranziehung der §§ 677 ff. BGB ausdrücklich untersagt ist, soll der Verwaltungsträger nach Auffassung der Rechtsprechung einen Aufwendungsersatzanspruch gegen das Privatrechtssubjekt erwerben758. Der BGH sieht in der hoheitlichen Aufgabenerfüllung durch die geschäftsführende Verwaltungsbehörde selbst dann kein Hindernis für eine gleichzeitige privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag für das Privatrechtssubjekt, wenn die Verwaltungsbehörde hauptsächlich zur Erfüllung ihrer eigenen öffentlichrechtlichen Pflichten tätig geworden ist759. Neben diesem auch-fremden Geschäft im Rahmen einer zivilrechtlichen Geschäftsführung zeitgleich mit hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung ist in Fallgruppe 2 auch ein ausschließlich fremdes Geschäft der Verwaltungsbehörde vorstellbar. Dies umfasst Fälle, in denen Verwaltungsträger außerhalb ihrer hoheitlichen Kompetenzen tätig werden, etwa wenn ein Polizeibeamter in einem Privathaus einen Wasserrohrbruch bemerkt, der aber keine Auswirkungen auf geschützte Rechtsgüter dritter Personen hat und ein Unternehmen mit der sofortigen Reparatur beauftragt760. 756
Siehe Fn. 181. BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 6, 8; BGH, Urteil vom 19. 07. 2007 – III ZR 20/07 –, juris Rn. 8 f.; BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 10 f.; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 794 f.; VGH München, Beschluss vom 07. 11. 2016 – 4 ZB 15.2809 –, juris Rn. 9; während das nordrhein-westfälische Polizei- und Ordnungsrecht keine abschließenden Regelungen über Kostenerstattungsansprüche enthält und somit eine ergänzende Anwendung der zivilrechtlichen GoA durch Ordnungsbehörden für Privatpersonen nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung zulässt, ist dies beim bayerischen Recht nicht der Fall, so dass kein Raum für solche Ansprüche verbleibe, siehe hierzu zur Kostenerstattung in NRW: OLG Hamm, Urteil vom 20. 10. 2011 – I-6 U 116/11 –, juris Rn. 4 ff. und zu Kostenerstattung in Bayern: BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 10 ff.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. 06. 2011 – 1 BvR 367/11 –, juris Rn. 11; zur nicht abschließend öffentlichrechtlich geregelten Kostenerstattung bei der Beseitigung von Schiffahrtsgefahren in Fallgruppe 2 siehe OLG Hamburg, Beschluss vom 04. 07. 2014 – 6 W 22/14 –, juris Rn. 5 ff.; zur nicht abschließend geregelten Kostenerstattung bei einem Einsatz einer gemeindlichen Feuerwehr in Thüringen im Vergleich zur abschließend geregelten Kostenerstattung bei Feuerwehreinsätzen in Bayern, siehe OLG Jena, Urteil vom 16. 11. 2005 – 7 U 1006/04 –, juris Rn. 23 ff.; BayObLG, Urteil vom 25. 02. 2002 – 1Z RR 331/99 –, juris Rn. 23. 758 Siehe Fn. 757. 759 BGH, Urteil vom 19. 07. 2007 – III ZR 20/07 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 12. 760 Aus der Rechtsprechung sind Fälle derartiger reiner Hilfeleistung von staatlicher Seite bisher nicht bekannt geworden. Das Beispiel des Wasserschadens wird hierfür regelmäßig genannt, Wild, VR 1998, 131 f. 757
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Keine andere von der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe beurteilt die Wissenschaft derart kritisch wie Fallgruppe 2. Die Konzeption, eine einheitliche Tathandlung sowohl dem Zivilrecht als auch dem öffentlichen Recht zu unterstellen mit der Gefahr der Umgehung der spezifisch öffentlichrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen wird von der Literatur weit überwiegend abgelehnt761. Darüber hinaus sind auch nur wenige Stimmen aus der Wissenschaft bereit, für das ausschließlich fremde Geschäft der Verwaltungsbehörden, also die reine Hilfeleistung ohne hoheitliche Komponente, hiervon ausdrücklich eine Ausnahme zu machen und diese Variante als Fall der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht mit der Folge eines Aufwendungsersatzanspruches der Verwaltungsträger zuzulassen762. Dem Widerstand der Literatur gegen die Doppelqualifizierung der Geschäftsführungshandlungen als hoheitlichen Eingriffsakt und privatrechtliche Geschäftsführungshandlung durch den BGH haben sich mehrere Instanzgerichte mit unterschiedlicher Argumentation angeschlossen und eine Anwendung bei behördlicher Geschäftsführung von Verwaltungsbehörden für Privatpersonen abgelehnt763. Die Wissenschaft kritisiert jedoch nicht nur abstrakt die Anwendung der §§ 677 ff. BGB zur Schaffung eines Auffangkostenerstattungsanspruches bei schlicht-hoheitlichen Tathandlungen der Behörden, sondern lehnt mehrheitlich auch das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals eines zivilrechtlich zu beurteilenden fremden oder auch-fremden Geschäfts bei solchen Handlungen ab, weil es sich um eine gekünstelte Aufspaltung eines einheitlichen öffentlichrechtlich zu beurteilenden Sachverhalts handle, eine Behörde sich nicht dem Willen eines Privatrechtssubjekts unterwerfen dürfe und bei der Erfüllung hoheitlicher Pflichten durch eine Verwaltungsbehörde immer ein ausschließlich eigenes Geschäft derselben vorliegen müsse764. Der BGH zeigt nach einer Phase der scheinbaren Relativierung der Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 mit seinen Entscheidungen im Rechtsanwalts- und Leichenerstversorgungsfall jedoch erneut, dass er nicht bereit ist, die Fallgruppe 2 einzuschränken oder aufzugeben, sondern ihren Anwendungsbereich trotz des Widerstands noch erweitert765. 761
Siehe Fn. 163. Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 150 ff.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 92 ff.; Wild, VR 1998, 131 (132 ff.); siehe hierzu auch die a.A. in Fn. 163. 763 VG Hannover, Urteil vom 07. 11. 2016 – 10 A 598/16 –, juris Rn. 24 ff.; AG Frankfurt, Urteil vom 05. 01. 1990 – 31 C 4029/89 –, juris Rn. 28; AG Krefeld, Urteil vom 05. 04. 1978 – 10 C 85/78, NJW 1979, 722; siehe hierzu auch BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris Rn. 13. 764 Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 20; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473 ff.; von Einem, NWVBl 1992, 384 (387); Habermehl, JURA 1987, 199 (204); Oldiges, JuS 1989, 616 (621 f.); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 ff.; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 534 f.; Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (104 f.); Schoch, JURA 1994, 241 (244 f.); MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 31; differenzierend hierzu Staudinger 677 ff. / Bergmann, Vor §§ 677 ff Rn. 284. 765 Siehe S. 71 ff. 762
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(2) Fremdgeschäftsführungswille Auch in Fallgruppe 2 gilt nach der Rechtsprechung eine Vermutungsregel für das Vorliegen von Fremdgeschäftsführungswillen sowohl beim fremden als auch beim auch-fremden Geschäft einer Verwaltungsbehörde für ein Privatrechtssubjekt766. Lediglich bei Gefahrenabwehrmaßnahmen der Polizei oder der Ordnungsbehörden in ihrem eigenen hoheitlichen Pflichtenkreis lässt der BGH es ausdrücklich offen, ob eine Vermutung für einen Fremdgeschäftsführungswillen eingreift767. Da dem Privatrechtssubjekt der Beweis des Gegenteils bei Eingreifen der Vermutungsregel mangels nach außen hin diesbezüglich erkennbarer Willensrichtung der Behörde bei der Tathandlung regelmäßig unmöglich ist, entfaltet das Kriterium in der Rechtsprechungspraxis keine anspruchsbeschränkende Wirkung mehr768. Hiergegen wendet sich die herrschende Ansicht in der Wissenschaft und eine Mindermeinung in der Rechtsprechung mit der These, ein Hoheitsträger handle in seinem hoheitlichen Pflichtenkreis stets ohne Fremdgeschäftsführungswille oder es spräche umgekehrt zumindest eine Vermutungswirkung dafür, dass er ausschließlich zur Erfüllung seiner eigenen Pflichten tätig werde769. Hierbei fällt auf, dass keine der beiden Ansichten eine stichhaltige Begründung für die jeweilige These aufbieten kann, was wenig verwundert, da die Vermutung des Vorliegens eines Fremdgeschäftsführungswillens sich auch im rein zivilrechtlichen Anwendungsfeld der §§ 677 ff. BGB einer Begründung entzieht, was auch dort Gegenstand lang anhaltender Meinungsstreitigkeiten ist770.
766 BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 13 ff.; implizit die Vermutungsregel annehmend, OLG Hamm, Urteil vom 20. 10. 2011 – I-6 U 116/11 –, juris; OLG Jena, Urteil vom 16. 11. 2005 – 7 U 1006/04 –, juris Rn. 23; BayObLG, Urteil vom 25. 02. 2002 – 1Z RR 331/99 –, juris Rn. 20. 767 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 70/03 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris Rn. 9; BayObLG, Urteil vom 29. 07. 1968 – RReg 1a Z 229/67 –, juris Rn. 23. 768 Für die ältere BGH Rechtsprechung lässt sich dies nicht behaupten, denn dort galt die Vermutungswirkung nur für das objektiv fremde Geschäft, BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris Rn. 8. Der diesem Urteil zugrunde liegende Fall müsste nach den Maßstäben der jüngeren BGH Rechtsprechung wohl als auch-fremdes Geschäft qualifiziert werden, nachdem die Staatsanwaltschaft im Leichenerstversorgungsfall die Beschlagnahme und Erstversorgung notwendigerweise auch zur Erfüllung ihrer eigenen Pflichten durchführte, siehe Fn. 185. 769 Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 20; Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (997 f.); Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schubert, NJW 1978, 687 ff.; Schwark, JuS 1984, 321 (326 f.); Staake, JA 2004, 800 (803); Steckert, DVBl 1971, 243 (246); Thole, NJW 2010, 1243 (1245 f.); VG Hannover, Urteil vom 07. 11. 2016 – 10 A 598/16 –, juris Rn. 24 ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 23. 770 Siehe S. 24 f.; Fn. 40, 97.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) (1) Selbsthilfemaßnahmen der Privatrechtssubjekte Wenn die Rechtsordnung den Verwaltungsträgern bestimmte Aufgabenzuständigkeiten ausschließlich zuweist, so beinhaltet dies in Verbindung mit Art. 20 II S. 2 GG auch die Anordnung, dass Privatrechtssubjekte diese Aufgaben grundsätzlich nicht selbst wahrnehmen dürfen, auch dann nicht ohne weiteres, wenn die Verwaltungsbehörde ihren Pflichten im Widerspruch zur Rechtsordnung nicht nachkommen kann oder will und hierdurch die Ausübung der Rechte der Privatrechtssubjekte gefährdet ist771. Art. 20 II S. 2 GG bestimmt, dass das Volk die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen ausübt, während ansonsten die legislative, exekutive und judikative Gewalt die Staatsaufgaben wahrnimmt772. Die Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass ein Privatrechtssubjekt grundsätzlich dann ein fremdes Geschäft führt, wenn es Handlungen durchführt, die zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören773. Die gleichzeitige Wahrnehmung eigener Interessen durch den Privaten stehe dem nicht entgegen, weshalb ein auch-fremdes Geschäft ebenfalls als zulässig zu betrachten sein soll774. Ein fremdes Geschäft soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung selbst dann vorliegen, wenn das Privatrechtssubjekt einen Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruch, den es gegen einen Hoheitsträger hat, selbst erfüllt, indem es den Schaden oder die Störung für den Verwaltungsträger selbst beseitigt oder die Folgenbeseitigungslast der Behörde 771 Glasmacher, JURA 2014, 526 (531 f.); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Habermehl, JURA 1987, 199 (203 f.); Kischel, VerwArch 1999, 391 (400 f.); Menger, VerwArch 1978, 397 (400); GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 96; Nedden, GoAÖR, S. 140; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (103); Schoch, JURA 1994, 241 (246); Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 39; VG Aachen, Urteil vom 27. 10. 2006 – 9 K 526/03 –, juris Rn. 17. 772 Siehe Fn. 771. 773 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris Rn. 20; BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 23 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 02. 03. 1995 – 1 U 23/94 –, juris Rn. 12 ff.; OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/06 –, juris Rn. 15; OLG Köln, Urteil vom 20. 01. 1994 – 7 U 127/93 –, juris Rn. 6 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris Rn. 26 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 4; VGH Mannheim, Urteil vom 27. 02. 1992 – 2 S 1394/90 –, juris Rn. 61; VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843; OVG Münster, Urteil vom 21. 12. 1995 – 20 A 5004/94 –, juris Rn. 3; OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris Rn. 5; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1986, 355; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. 01. 2015 – 9 K 4006/13 –, juris Rn. 34; VG Gießen, Urteil vom 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI –, juris Rn. 17; VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris Rn. 15; VG München, Urteil vom 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633 –, juris Rn. 49; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/ 13.NW –, juris Rn. 18 f. 774 BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 8; OLG Mu¨ nchen, Urteil vom 12. 01. 1984 – 24 U 459/83, NVwZ 1985, 293 (294); siehe auch Fn. 773; a.A. Habermehl, JURA 1987, 199 (204).
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selbst erfüllt775. In Fallkonstellationen mit Bezug zum Erschließungsrecht erachtete die höchstrichterliche Rechtsprechung es für die Annahme einer Fremdgeschäftsführung nicht als ausreichend, dass ein Privatrechtssubjekt generell im Aufgabenbereich des Erschließungsrechts tätig geworden ist, sondern verlangte zusätzlich auch die Fälligkeit der behördlichen Pflicht zur Wahrnehmung der Aufgabe776. Im Gegensatz zu den ersten beiden Fallgruppen sieht die Wissenschaft die Anwendung der §§ 677 ff. BGB bei Geschäftsführungshandlungen von Privatrechtssubjekten für Verwaltungsträger weit weniger kritisch als in den ersten beiden Fallgruppen. Überwiegend wird die Anwendung unkritisch hingenommen oder ausdrücklich befürwortet777. Vereinzelt wird eine Einschränkung dergestalt verlangt, dass die Behörde als Geschäftsherrin für die Annahme einer Fremdgeschäftsführung nicht nur allgemein für die tatsächlich vorgenommene Handlung zuständig, sondern auch konkret zu ihrer Vornahme verpflichtet gewesen sein musste778. Eine größere Gruppe an Stimmen aus der Wissenschaft fordert eine Einschränkung im Anwendungsfeld durch Beschränkung auf echte Not- oder Dringlichkeitsfälle, da die gesetzliche Kompetenzordnung ansonsten ausgehöhlt werden könnte779. Gestützt auf die Untersuchungen Wollschlägers wollen Teile der Literatur die Anwendung der §§ 677 ff. BGB aufgrund dogmatischer oder systematischer Schwächen in Fallgruppe 3 auf775 BGH, Urteil vom 13. 01. 2012 – V ZR 136/11 –, juris Rn. 6; OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris Rn. 17 ff.; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris Rn. 19; AG Niebüll, Urteil vom 26. 02. 1991 – 10 C 511/90, NVwZ 1991, 917 (918); vergleiche hierzu aber BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris, in dem nur ein Anspruch aus Amtshaftung, nicht jedoch ein Anspruch gemäß GoA geprüft wurde. 776 BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 6 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 27. 02. 1992 – 2 S 1394/90 –, juris Rn. 63; VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843 (1844); VG Aachen, Urteil vom 27. 10. 2006 – 9 K 526/03 –, juris Rn. 22; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 122 f.; kritisch zu dieser Rechtsprechung, Habermehl, JURA 1987, 199 (204). 777 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 243; Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238 ff.; Blas, BayVBl 1989, 648 (649 f.); Blas, JA 1989, 514 (515 f.); von Einem, NWVBl 1992, 384 (387); Fleischfresser, VR 1988, 305 ff.; Freund, JZ 1975, 513 ff.; Georgii, NJW 1996, 686 (690); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Hoepffner, Die Gescha¨ ftsfu¨ hrung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 156 ff.; Klein, DVBl 1968, 166 (169 f.); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 121 ff.; Nedden, GoAÖR, S. 139 ff., 178; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 88 ff.; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 560 f.; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 25 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21. 778 Bamberger, JuS 1998, 706 (710); zumindest für das Erschließungsrecht teilt auch die Rechtsprechung diese Ansicht, BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 6 ff. 779 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 7 f.; Glasmacher, JURA 2014, 526 (531 f.); Gusy, JA 1979, 69 (70 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 793 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 266 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (102 ff.); Schoch, JURA 1994, 241 (246); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 39 f.; ähnlich, aber mit der Modifikation, dass Fälle, die keine Not- oder Dringlichkeitsfälle darstellen über den allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ausgeglichen werden sollen, Menger, VerwArch 1978, 397 (400 ff.).
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
geben und den Ausgleich über den allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch erreichen780. Soweit ersichtlich nicht vertreten wird die vollständige und ersatzlose Nichtanwendung der Vorschriften zur auftraglosen Geschäftsführung in Fallgruppe 3 mit der Konsequenz, dass das Privatrechtssubjekt keinen Aufwendungsersatz erhält. Das Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts ist im Wesentlichen nur insoweit umstritten als unterschiedliche Anforderungen an die Qualität der behördlichen Geschäftszuständigkeit gestellt werden. (2) Fremdgeschäftsführungswille In den meisten Sachverhalten der Fallgruppe 3 ist das Motiv der Fremdgeschäftsführung durch das Privatrechtssubjekt nicht Altruismus, sondern zumindest auch die Verfolgung eigener Ziele, wenn etwa im Wege der Selbsthilfe eine behördliche Aufgabe oder Pflicht erfüllt wird, die dem Verwaltungsträger gegenüber dem geschäftsführenden Privatrechtssubjekt oblag oder der Geschäftsführer sogar einen Rechtsanspruch auf die jeweilige Leistung hatte. Häufig liegen beim privaten Geschäftsführer auch komplexe Motivationslagen vor, wenn dieser beispielsweise in Erwartung eines Vertragsschlusses mit dem Verwaltungsträger, aufgrund eines wirksamen Vertrages, der jedoch zu einem Dritten besteht oder aufgrund eines unerkannt unwirksamen Vertrags mit einem Verwaltungsträger tätig wird781. Grundsätzlich vermutet die höchstrichterliche Rechtsprechung auch in Fallgruppe 3 im Falle des fremden Geschäfts das Vorliegen von Fremdgeschäftsführungswillen bei einem privaten Geschäftsführer. Soweit ersichtlich wird hierbei nicht zwischen dem ausschließlich fremden und dem auch-fremden Geschäft differenziert, sondern die Vermutungswirkung einheitlich für beide aufgestellt782. Da private Geschäftsführer regelmäßig vorrangig eigene Zwecke oder zumindest nicht bewusst einen ausschließlich fremden Geschäftszweck verfolgen, würde die Beweislast für Fremd780 Kischel, VerwArch 1999, 391 (400 ff., 409 ff.); GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 96; Wollschläger, JA 1979, 182 (184); Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 43 ff. 781 Zum Tätigwerden in Erwartung eines Vertragsschlusses mit dem Verwaltungsträger, BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris; zum Tätigwerden im Rahmen eines wirksamen Vertrages mit einem Dritten, VG Aachen, Urteil vom 27. 10. 2006 – 9 K 526/03 –, juris; zum Tätigwerden bei einem unwirksamen Vertrag, OLG München, Urteil vom 12. 01. 1984 – 24 U 459/83, NVwZ 1985, 293 ff. 782 Vergleiche hierzu die Formulierung in BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris Rn. 20, wonach es für den Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens durch den Geschäftsführer bereits ausreichend sei, dass dieser nicht ausgeschlossen werden könne, und es nicht schädlich sei, wenn die besorgte Angelegenheit zugleich eine eigene war; so auch VG München, Urteil vom 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633 –, juris Rn. 84; ausdrücklich für die Vermutung, VG Gießen, Urteil vom 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI –, juris Rn. 26; OLG Frankfurt, Urteil vom 02. 03. 1995 – 1 U 23/94 –, juris Rn. 12 ff.; OLG Köln, Urteil vom 20. 01. 1994 – 7 U 127/93 –, juris Rn. 7; a.A. diesbezüglich scheinbar OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 4, dessen Verweis auf BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 aber fehlgeht, da das BVerwG sich dort nicht gegen eine Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim auch-fremden Geschäft ausspricht; skeptisch diesbezüglich auch VG Gießen, Urteil vom 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01 –, juris Rn. 31.
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geschäftsführungswillen in solchen Fällen regelmäßig eine schwer überwindbare Hürde darstellen. Ein großer Teil der Instanzrechtsprechung erwähnt das Tatbestandsmerkmal deshalb gar nicht oder scheint den Fremdgeschäftsführungswillen im Rahmen einer objektiven Betrachtung implizit zu vermuten783. Nur in besonders gelagerten Fällen wie etwa der Vornahme von Erschließungsmaßnahmen durch einen privaten Unternehmer in Erwartung des Abschlusses eines Erschließungsvertrages mit einer Gemeinde, scheiterte das Aufwendungsersatzverlangen nach Ansicht des BVerwG am Fremdgeschäftsführungswillen784. Das BVerwG schränkte die Vermutungswirkung beim auch-fremden Geschäft in dieser Sachverhaltskonstellation dahingehend ein, dass der Fremdgeschäftsführungswille jedenfalls dann klar in Erscheinung treten müsse, wenn nach dem Zusammenhang die Fremdbeziehung der Geschäftsführungshandlungen nicht einigermaßen klar ersichtlich sei785. In der Wissenschaft findet eine Erörterung des Problems, ob in Fallgruppe 3 Fremdgeschäftsführungswille nachzuweisen oder zu vermuten ist und ob dies für das fremde Geschäft anders zu bestimmen sei als für das auch-fremde kaum statt. Die überwiegende Mehrheit der Untersuchungen geht auf die Thematik nicht ein786. Im Übrigen wird mehrheitlich der Rechtsprechung zugestimmt, wonach der Fremdgeschäftsführungswille sowohl beim fremden als auch beim auch-fremden Geschäft grundsätzlich zu vermuten sei, wobei auch Kritik an der einschränkenden Ansicht
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Vergleiche hierzu OVG Greifswald, Urteil vom 12. 01. 2011 – 3 L 272/06 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843 f.; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/ 95 –, juris; OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1986, 355; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris; AG Niebu¨ ll, Urteil vom 26. 02. 1991 – 10 C 511/90, NVwZ 1991, 917 (918); VG Saarlouis, Urteil vom 24. 04. 2013 – 5 K 593/12 –, juris; LG Wiesbaden, Urteil vom 15. 10. 1968 – 3 O 252/67, DAR 1970, 130. 784 BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris. 785 BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 8 kann hier kaum überzeugen, da die Fremdbeziehung der Erschließungsmaßnahmen durch die tatsächliche Erbringung von Leistungen im fremden Rechtskreis eine klare Fremdbeziehung der Geschäftsführung erkennen lässt und hier auch kein Vertrag zugrunde lag, in dessen Rahmen der Unternehmer die Leistungen subjektiv als Erfüllung einer eigenen Pflicht zu werten hatte; wenn bereits die bloße Erwartung, durch die Geschäftsführung einen Erstattungsanspruch gegen den Geschäftsherrn zu erwerben oder später einen Vertrag zu schließen, der die Erstattung regelt, für die Annahme des Fremdgeschäftsführungswillens schädlich sein soll, so fehlt der Fremdgeschäftsführungswille in nahezu jedem Fall der auftraglosen Fremdgeschäftsführung, da der Geschäftsführer regelmäßig nicht selbst endgültig die Kostenlast tragen will; siehe hierzu auch die fundierte Kritik dieser Entscheidung bei Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 125 f. 786 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 243; Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 238 ff.; Freund, JZ 1975, 513 ff.; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Hoepffner, Die Gescha¨ ftsfu¨ hrung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 156 ff.; Klein, DVBl 1968, 166 (169 f.); Nedden, GoAÖR, S. 178; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 416 ff.; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 560 f.; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 25 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
des BVerwG im Erschließungsfall geäußert wird787. Insgesamt lässt sich eine deutliche Tendenz zur Objektivierung des Merkmals der Fremdgeschäftsführung feststellen. Im Grunde scheint sich bei den geäußerten Auffassungen der Rechtsprechung und Literatur die Erkenntnis Bahn gebrochen zu haben, dass die Berechtigung eines Erstattungsbegehrens wegen fremdnütziger Geschäftsbesorgung im Zuständigkeitsbereich eines Verwaltungsträgers nicht von der zufälligen Willensrichtung des Geschäftsführers bei Durchführung der Handlungen abhängig gemacht werden sollte. Das Tatbestandsmerkmal scheint von der Rechtsprechung aber auf dogmatisch fragwürdige Weise zur Abwehr unbillig erscheinender Erstattungsbegehren verwendet zu werden788. dd) Fallgruppe 4 (P/P) Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts im öffentlichrechtlichen Pflichtenkreis eines anderen Privatrechtssubjekts kann entweder als objektiv ausschließlich fremdes Geschäft in dem Fall erfolgen, dass der Geschäftsführer selbst nicht zur Vornahme der Geschäftsführungshandlungen verpflichtet ist, oder als auch-fremdes Geschäft, wenn der Geschäftsführer ebenfalls verpflichtet ist. Die Rechtsprechung entscheidet diese Fälle unter Anwendung der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ohne öffentlichrechtliche Modifikationen789. Nahezu die gesamte Literatur unterstellt diese Fallgruppe ebenfalls ausschließlich dem Zivilrecht und wendet die eingangs erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen direkt und modifikationslos an, wobei eine Ausnahme zur zivilrechtlichen Qualifizierung nur vereinzelt für beliehene Geschäftsführer oder für öffentlichrechtliche Pflichten, über die Privatrechtssubjekte verfügen können, diskutiert wird790. Ein 787
Ausdrücklich für die Anwendung einer Vermutungsregel auch für das auch-fremde Geschäft, Blas, BayVBl 1989, 648 (650); Georgii, NJW 1996, 686 (690); a.A. und gegen die Vermutungsregel von Einem, NWVBl 1992, 384 (387 f.); siehe hierzu den Erschließungsfall und die Kritik Knapps, Fn. 785. 788 Siehe Fn. 785. 789 BGH, Urteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 53/11 –, juris Rn. 8 ff.; BGH, Urteil vom 16. 11. 2007 – V ZR 208/06 –, juris Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 08. 11. 2001 – III ZR 294/00 –, juris Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 18. 09. 1986 – III ZR 227/84 –, juris Rn. 28 ff.; BGH, Urteil vom 08. 11. 1973 – VII ZR 246/72 –, juris Rn. 10 ff. 790 Beckhaus, ZUR 2010, 418 (420 f.); zur Beleihung sowie zur Verfügungsbefugnis der Privatrechtssubjekte, Bamberger, JuS 1998, 706 (710 f.); von Einem, NWVBl 1992, 384 (385 f.); Habermehl, JURA 1987, 199 (200); Kloepfer / Thull, DVBl 1989, 1121 (1122 ff.); Schoch, JURA 1994, 241 (247); siehe auch zur Beleihung Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 244 f.; Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 4; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 16; Gusy, JA 1979, 69 (72); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 115, 271 f.; Nedden, GoAÖR, S. 118 ff.; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 569 ff.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 23; a.A. und eine öffentlichrechtliche Qualifikation für möglich haltend ohne aber die Auswirkungen auf Tatbestand und Rechtsfolgen zu erläutern Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 166 f., 174 f.; Klein, DVBl 1968, 166 (170); siehe hierzu auch die Ansicht, wonach der Lastenausgleich bei Störermehrheit nach den Regeln
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beachtlicher Teil der Untersuchungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ignoriert Fallgruppe 4 oder schließt sie von vornherein von der Untersuchung aus791. Nachdem sich im Tatbestand und den Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht zwischen Privatrechtssubjekten keine spezifisch öffentlichrechtlichen Besonderheiten ergeben, kann an dieser Stelle auch im Rahmen der weiteren Untersuchung vollumfänglich auf die Ausführungen zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen werden. b) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung Der Geschäftsführer muss bei Ausführung ohne Auftrag und ohne sonstige Berechtigung zur Vornahme der Geschäftsführung gehandelt haben. Dieses Tatbestandsmerkmal soll auch in Fällen mit Bezug zum öffentlichen Recht die Subsidiarität des Rechtsinstituts ausdrücken792. Es nimmt in der Rechtsprechung aber nur eine untergeordnete Rolle ein, weil es in den Fallgruppen 1 und 2 in enger Korrelation zum Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts steht. Ein Hoheitsträger, der bei Wahrnehmung eines auch-fremden Geschäfts innerhalb des eigenen Pflichtenkreises tätig wird, der hat nach zivilrechtlicher Systematik auch eine eigene sonstige Berechtigung zur Geschäftsführung. In Fallgruppe 3 handelt das Privatrechtssubjekt regelmäßig ohne Auftrag oder Berechtigung, da es außer in den seltenen Fällen des Handelns aufgrund einer Absprache mit oder Anweisung von Hoheitsträgern kein Recht hat, im hoheitlichen Aufgabenbereich tätig zu werden. In Fallgruppe 4 ergeben sich keine Besonderheiten zur eingangs erläuterten, rein zivilrechtlichen Fallgestaltung, weshalb im Folgenden eine gesonderte Betrachtung dieser Fallgruppe unterbleiben kann. Die rechtssystematische Transformation des Tatbestandsmerkmals auf öffentlichrechtliche Sachzusammenhänge in der Rechtsprechung und die Kritik der Wissenschaft an diesem Vorgehen verdienen gleichwohl nähere Betrachtung. aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) Wenn die Behörde eines Verwaltungsträgers bei der Geschäftsführung für einen anderen Hoheitsträger vollständig außerhalb ihres eigenen Pflichtenkreises handelt, so liege ein ausschließlich fremdes Geschäft vor und die Geschäftsführerin habe auch keine sonstige Berechtigung zur Geschäftsführung, so dass die Voraussetzungen der Gesamtschuld zu erfolgen habe, Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff.; Seibert, DÖV 1983, 964 ff.; siehe hierzu auch den Vorschlag, diese Fallkonstellationen über das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis im weiteren Sinne zu lösen, Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 94. 791 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 27; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 792 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 ff.; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 23 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 1 ff. 792 Maurer, JuS 1970, 561 (563), siehe hierzu auch Fn. 50.
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ohne weiteres erfüllt seien793. Umstritten und unklar ist die Handhabung des Tatbestandsmerkmals jedoch beim Vorliegen eines auch-fremden Geschäfts im Falle der echten Doppelzuständigkeit oder der subsidiären Zuständigkeit des Geschäftsführers. Obwohl sich hier eine Berechtigung des handelnden Hoheitsträgers zur Geschäftsführung aufdrängt, setzen sich die Gerichte mit dem Problem überwiegend überhaupt nicht auseinander und ignorieren das Merkmal794. Das OVG Münster erkannte die eigene Berechtigung der geschäftsführenden Behörde bei einem Fall echter Doppelzuständigkeit und führte aus, dass eine Anwendung des Rechtsinstituts aufgrund übergeordneter Allgemeininteressen dennoch geboten sei795. Die Wissenschaft hingegen geht einhellig davon aus, dass eine eigene Handlungsbefugnis der geschäftsführenden Behörde das Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung ausschließe, selbst wenn es sich nur um eine subsidiäre Zuständigkeit handle796. Damit verblieben im Ergebnis als Anwendungsbereich nur Sachverhaltskonstellationen, in denen eine Behörde vollständig außerhalb ihres eigenen Kompetenzbereichs einer anderen Behörde Spontanhilfe leistet ohne von ihr damit beauftragt worden zu sein797. bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) Es überrascht nicht, dass diese Fallgruppe auch in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Auftrags beziehungsweise der fehlenden Berechtigung Gegenstand intensiver Meinungsstreits ist. Die Rechtsprechung hatte bisher – soweit ersichtlich – keine Fälle der Geschäftsführung von Verwaltungsträgern im Bereich ausschließlich fremder Geschäfte zu beurteilen. Die entschiedenen Sachverhalte betrafen entweder ausschließlich eigene oder auch-fremde Geschäfte der Verwaltungsträger798. Häufig wird das Tatbestandsmerkmal in den Urteilen nicht erwähnt, selbst wenn es sich aufgrund einer bestehenden eigenen Verpflichtung oder Berechtigung der Verwaltungsbehörde zur Vornahme der jeweiligen Handlungen ei793 VGH München, Urteil vom 29. 05. 1996 – 7 B 94.1063, DÖV 1997, 76 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 07. 06. 1984 – 11 S 2127/81, NJW 1985, 2603 ff.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 175. 794 BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18 ff.; BSG, Urteil vom 27. 06. 1990 – 5 Rj 39/89 –, juris Rn. 28 ff.; OVG Münster, Urteil vom 12. 09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris Rn. 52 ff. 795 OVG Münster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956; ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 90 f. 796 Bamberger, JuS 1998, 706 (707); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 475; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 6, 11; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 12; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 95; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 548; Schoch, JURA 1994, 241 (243). 797 Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 411 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (106), Schoch JURA 1994, 241 (248). 798 Zum ausschließlich eigenen Geschäft der Behörde in einer Sachverhaltskonstellation, in der diese Annahme keinesfalls alternativlos gewesen wäre siehe BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris.
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gentlich aufgedrängt hätte799. Ansonsten entspricht es der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, eine eigene Berechtigung oder Verpflichtung der geschäftsführenden Behörde zur Vornahme der Geschäftsführungshandlungen als unschädlich zu betrachten800. Lediglich ein kleiner Teil der Gerichte wendet sich ausdrücklich gegen diese Ansicht und lehnt eine auftraglose Geschäftsführung ohne Ausnahme ab, wenn die geschäftsführende Behörde aufgrund eigener Verpflichtung oder Berechtigung tätig wird, während ansonsten allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen eine sonstige Berechtigung der geschäftsführenden Behörde angenommen wird801. Die Wissenschaft lehnt diesen sehr liberalen Umgang mit dem Tatbestandsmerkmal überwiegend ab. Die herrschende Ansicht in der Literatur erkennt eine sonstige Berechtigung zur Geschäftsführung bereits dann an, wenn eine Behörde aufgrund und im Rahmen einer gesetzlichen Grundlage für ein Privatrechtssubjekt handelt802. Andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass der Auftrag oder die sonstige Berechtigung nur dann fehle, wenn der Geschäftsführer nicht aus einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zur Geschäftsführung befugt war oder das Geschäft nicht mit verpflichtender Wirkung für 799 BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 12 f.; BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/ 73 –, juris; BayObLG, Urteil vom 29. 07. 1968 – RReg 1a Z 229/67 –, juris Rn. 23 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 20. 10. 2011 – I-6 U 116/11 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 15. 06. 1988 – 11 W 71/88 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. 09. 2015 – 11 LB 265/14 –, juris Rn. 28 ff.; VG Gießen, Urteil vom 18. 04. 1997 – 10 E 1685/95 –, juris. 800 Unter Aufhebung der Vorinstanz, die noch festgestellt hatte, dass die geschäftsführende Behörde berechtigt tätig geworden sei und eine GoA deshalb ausscheide, BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris; BGH, Urteil vom 10. 04. 1969 – II ZR 239/67 –, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 04. 07. 2014 – 6 W 22/14 –, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 15. 11. 1977 – 9 U 50/77 –, juris. 801 LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 23; zumindest für den Fall der Erfüllung einer eigenen Pflicht der geschäftsführenden Behörde, die ihr gerade gegenüber dem Geschäftsherrn oblag, lehnt der BGH die GoA ab, BGH, Urteil vom 12. 12. 1989 – XI ZR 117/89 –, juris Rn. 12; für den Fall ausdrücklicher gesetzlicher Verpflichtung ein Handeln ohne Auftrag ablehnend, OVG Münster, 16. 02. 2007 – 9 A 4239/04 –, juris Rn. 61; zur Ansicht, wonach jede Ermächtigung eine Amtshandlung vorzunehmen eine sonstige Berechtigung im Sinne des § 677 BGB darstelle, VGH Mannheim, Urteil vom 22. 11. 2001 – 5 S 2580/ 00, VBlBW 2002, 252 (254); eine Berechtigung zur Geschäftsführung soll auch dann vorliegen, wenn die geschäftsführende Behörde dem Geschäftsherrn vor der Geschäftsführung die Ausführung der jeweiligen Handlungen unter Inanspruchnahme öffentlichrechtlicher Rechtsgrundlagen aufgegeben hat, VGH Mannheim, Beschluss vom 17. 02. 2004 – 5 S 1460/03 –, juris Rn. 7. 802 Bamberger, JuS 1998, 706 (708 f.); Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 20; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; von Einem, NWVBl 1992, 384 (388); Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 5, 11; Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 13; Gusy, JA 1979, 69 (71); Hurst, DVBl 1965, 757 (759); Kischel, VerwArch 1999, 391 (404); Klein, DVBl 1968, 166 (167); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 793; Maurer, JuS 1970, 561 (564); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 261; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 411 ff.; Pesch, JURA 1995, 361 (366); Rödder, JuS 1983, 930 (931); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 536; Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schoch, JURA 1994, 241 (244); StoberVerwR I / Stober, § 55 Rn. 20; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 43.
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den Geschäftsherrn vornehmen durfte803. Eine der Rechtsprechungsansicht recht nahe Literaturansicht interpretiert das Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung dergestalt, dass eine Berechtigung bereits dann fehle, wenn das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine speziellere, abschließende Regelung bestimmt wird804. cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) Nachdem privaten Geschäftsführern ohne besondere Verleihung von Hoheitsgewalt keine gesetzliche Kompetenz für die Vornahme von Geschäftsführungshandlungen aus dem Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsträger zukommt, ist das Fehlen einer sonstigen Berechtigung naheliegend. Dementsprechend wird das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Auftrages beziehungsweise der fehlenden Berechtigung in den Judikaten, die der Fallgruppe 3 zuzuordnen sind, selten erwähnt805. Auch die Literatur schenkt dem Tatbestandsmerkmal der fehlenden Berechtigung in Fallgruppe 3 wenig Beachtung. Das Interesse der Literatur beschränkt sich auf das in der Rechtsprechungspraxis kaum relevante Merkmal des fehlenden Auftrages. Ein Handeln im Auftrag des Geschäftsherrn im Sinne des § 677 BGB soll bereits dann vorliegen, wenn der behördliche Geschäftsherr der Geschäftsführung zugestimmt oder eine Absprache zwischen den Parteien bezüglich der vorzunehmenden Handlungen stattgefunden hat806. Nedden geht zumindest für den Fall der Erfüllung eigener Polizeipflichten durch das Privatrechtssubjekt davon aus, dass der private Geschäftsführer sowohl bei bereits erfolgter Konkretisierung dieser Polizeipflicht durch einen Verwaltungsakt als auch bei noch nicht erfolgter Konkretisierung berechtigt im Sinne des § 677 BGB handle807.
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Linke, DVBl 2006, 148 (155); Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 640 f. Baur, DVBl 1965, 893 (894); Wild, VR 1998, 131 (134); Wollschläger, JA 1979, 182 (184); für den Fall berechtigter Ersatzvornahme Tiedau, DÖV 1952, 164 (167). 805 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 14 ff.; BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris Rn. 20 ff.; BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 31; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris Rn. 33; OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 8; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris Rn. 5; OVG Münster, Urteil vom 21. 12. 1995 – 20 A 5004/94 –, juris; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1985, 355; VG Gießen, Urteil vom 27. 02. 2012 – 4 K 2064/ 11.GI –, juris Rn. 27 ff.; VG Köln, Urteil vom 06. 02. 2015 – 4 K 492/14 –, juris Rn. 44 ff.; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris; AG Niebüll, Urteil vom 26. 02. 1991 – 10 C 511/90, NVwZ 1991, 917 (918); LG Wiesbaden, Urteil vom 15. 10. 1968 – 3 O 252/67, DAR 1970, 130. 806 Bamberger, JuS 1998, 706 (710); Menger, VerwArch 1978, 397 (401); Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 44. 807 Nedden, GoAÖR, S. 179. 804
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c) Interesse und der Wille des Geschäftsherrn Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag soll nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich auch im öffentlichen Recht voraussetzen, dass der Geschäftsführer bei der Übernahme der Geschäftsführung dem Willen und dem Interesse des Geschäftsherrn entsprechen muss. Die argumentativen Auseinandersetzungen um dieses Tatbestandsmerkmal sind in allen Fallgruppen dadurch geprägt, dass die auf die zivilrechtliche Rechtssystematik eingestellten Voraussetzungen des subjektiven Willens und Interesses gemäß § 683 S. 1 BGB für die Erfordernisse der Geschäftsführung im Bereich hoheitlicher Pflichten angepasst werden. Hierbei wird das Tatbestandsmerkmal jedoch in seinem Wesensgehalt umgeformt. Während die Rechtsprechung sich hiermit selten detailliert auseinander setzt und die Problematik häufig ignoriert, ist die Thematik in der Literatur substantiiert aufgearbeitet worden. Allen Fallgruppen liegt das Problem zugrunde, dass die Erledigung öffentlichrechtlicher Pflichten scheinbar regelmäßig im Interesse des behördlichen oder privaten Geschäftsherrn liegt. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn überwunden werden kann. Deshalb konzentriert sich die Diskussion auch auf die Anforderungen, die eine entsprechende Anwendung des § 679 BGB an die Unbeachtlichkeit des Willens des Geschäftsherrn stellt. aa) Fallgruppe 1 (Ö/Ö) Die Rechtsprechung zeigt bei der Qualifizierung und Subsumtion dieses Tatbestandsmerkmals kein einheitliches Bild. Teilweise wird ein mit der Geschäftsführung übereinstimmender Wille und das Interesse des Geschäftsherrn nicht geprüft oder pauschal ohne Prüfung unterstellt808. Soweit die Gerichte einen der Geschäftsführung widersprechenden Willen identifizieren konnten, wird die Unbeachtlichkeit dieses Willens gemäß § 679 BGB entweder bereits deshalb bejaht, weil eine öffentlichrechtliche Pflicht ansonsten nicht erfüllt worden wäre, oder es wird eine detaillierte Prüfung vorgenommen, ob im Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der Vornahme der Geschäftsführung gerade durch die geschäftsführende Behörde bestand809. Dieses besondere öffentliche Interesse geht über die aus dem Zivilrecht bekannten Tatbestandsmerkmale des § 679 BGB hinaus und wird von den Gerichten in Anlehnung an die für Fallgruppe 3 vom BVerwG definierten Voraussetzungen nur dann angenommen, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung, bei der die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung, die Sachnähe, das Verhalten 808 BVerwG, Urteil vom 22. 11. 1985 – 4 A 1/83 –, juris Rn. 18 ff.; VGH München, Urteil vom 29. 05. 1996 – 7 B 94.1063, DÖV 1997, 76 (79); OVG Münster, Urteil vom 21. 04. 1986 – 7 A 634/84, NJW 1986, 2526 ff. 809 Annahme von öffentlichem Interesse im Sinne des § 679 BGB bereits bei Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Pflicht, OVG Münster, Urteil vom 12. 09. 2013 – 20 A 433/11 –, juris Rn. 101; OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 92; OVG Münster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956 (1957).
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und die Handlungsmöglichkeiten des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn gewürdigt werden, ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung gerade durch die geschäftsführende Behörde bejaht werden kann810. Wenn dem Geschäftsherrn bei der Entscheidung, die Geschäftsführungshandlung durchzuführen, Ermessen zustand, so soll ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung durch eine andere Behörde nur bejaht werden können, wenn im konkreten Fall der Geschäftsherr ein Tätigwerden generell verweigert oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorlag811. Das BSG hat sich unter Berufung auf den Wortlaut des § 679 BGB gegen diese verschärften Anforderungen an das öffentliche Interesse, insbesondere zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung gewandt812. Eine herrschende Meinung der Rechtsprechung existiert nicht. In der Wissenschaft wird die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen Wille und Interesse des Geschäftsherrn bezweifelt, da im Falle einer Verwaltungsbehörde beides auf das öffentliche Interesse gerichtet sein müsse813. Soweit demnach überhaupt noch ein tatsächlich geäußerter oder mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn überwunden werden muss, schließt sich die Literatur der Rechtsprechung insoweit an, als für die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des § 679 BGB verschärfte Anforderungen im Rahmen einer Interessenabwägung zu stellen sein sollen, da ansonsten jede Erfüllung öffentlicher Aufgaben im öffentlichen Interesse läge814. bb) Fallgruppe 2 (Ö/P) Auch wenn die Rechtsprechung für die Konstellation einer Geschäftsführung der Behörde für einen Privaten die Maßgeblichkeit des Willens und des Interesses des Privatrechtssubjekts für die Qualifizierung als berechtigte Geschäftsführung nie ausdrücklich leugnet, kommt diesem Tatbestandsmerkmal in der Rechtswirklichkeit fast keine anspruchsbegrenzende Funktion zu, obwohl regelmäßig ein tatsächlich geäußerter oder mutmaßlicher, der Geschäftsführung entgegen stehender Wille des Privatrechtssubjekts eine juristische Auseinandersetzung hiermit eigentlich nahe810
Der Maßstab wurde übernommen aus BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 14 ff.; zur Fallgruppe 1: OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris Rn. 38 ff.; VGH München, Urteil vom 22. 04. 1993 – 4 B 92.1327 –, juris Rn. 14. 811 OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris Rn. 40; VGH Mannheim, Urteil vom 07. 06. 1984 – 11 S 2127/81, NJW 1985, 2603 (2605), wobei ein Ermessensspielraum des Geschäftsherrn bei der Durchführung der jeweiligen Handlungen in einer Notsituation unbeachtlich sein soll. 812 BSG, Urteil vom 27. 06. 1990 – 5 Rj 39/89 –, juris Rn. 30 ff. 813 Schoch JURA 1994, 241 (248 f.); Brenner, LKV 1999, 481 (483); Blas, BayVBl 1989, 648 (650 f.); derselben Ansicht, aber ohne die Sinnhaftigkeit ausdrücklich zu bezweifeln, OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris Rn. 5. 814 Bamberger, JuS 1998, 706 (707 f.); Blas, BayVBl 1989, 648 (650 f.); von Einem, NWVBl 1992, 384 (388); Schoch, JURA 1994, 241 (248 f.); Brenner, LKV 1999, 481 (483); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 127 ff.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 176 ff.; MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 24.
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legen würde815. In einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen wird das Tatbestandsmerkmal nicht angesprochen oder geprüft, selbst wenn sich eine Prüfung aufgedrängt hätte816. Wenn die Übereinstimmung der Geschäftsführung mit Wille und Interesse des privaten Geschäftsherrn angesprochen wird, so belassen es die Gerichte nahezu immer bei der pauschalen Feststellung, dass der Wille des Privatrechtssubjekts aufgrund des öffentlichen Interesses gemäß § 679 BGB unbeachtlich sei, sofern die Geschäftsführung nicht ohnehin dem Willen des Geschäftsherrn entsprach817. Nur eine Mindermeinung in der Rechtsprechung wendet sich gegen den extensiven Einsatz des § 679 BGB, um öffentlichrechtliche Pflichten der Privatrechtssubjekte durchzusetzen818. Die Literatur stellt sich mit mehreren durchgreifenden rechtsystematischen Argumenten gegen die Anwendung des § 679 BGB zum Nachteil des privaten Geschäftsherrn oder gegen das Tatbestandsmerkmal der Willens- und Interessensübereinstimmung als Ganzes. Hiernach soll der Wille oder das Interesse des privaten Geschäftsherrn kein taugliches Kriterium sein, weil eine Verwaltungsbehörde sich nicht dem Willen eines Privatrechtssubjekts unterordnen dürfe819. Die Substitution spezifisch öffentlichrechtlicher Eingriffsvoraussetzungen durch Wahrnehmung öffentlicher Interessen gemäß § 679 BGB oder besondere Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung verstoße gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts820. Des Weiteren wird angeführt, dass die Erfüllung von öffentlichrechtlichen Pflichten des Privaten ohne Eingriffsgrundlage oder unter Verstoß gegen die spezifischen Eingriffsvoraussetzungen aufgrund des Rechtsverstoßes auch nicht
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Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (107). Etwa in BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris; BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris; BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris; BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 31; OLG Hamm, Urteil vom 20. 10. 2011 – I-6 U 116/11 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 15. 06. 1988 – 11 W 71/88 –, juris; VGH München, Beschluss vom 07. 11. 2016 – 4 ZB 15.2809 –, juris Rn. 9. 817 BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 10. 04. 1969 – II ZR 239/67 –, juris Rn. 10; BayObLG, Urteil vom 29. 07. 1968 – RReg 1a Z 229/ 67 –, juris Rn. 23 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. 09. 2015 – 11 LB 265/14 –, juris Rn. 28 ff.; der Fall der willenskonformen Geschäftsführung durch Verwaltungsbehörden für Privatrechtssubjekte ist nicht selten, BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 10, 13; BGH, Urteil vom 20. 06. 1963 – VII ZR 263/61 –, juris Rn. 15; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 30. 07. 2001 – 4 K 4627/99, NJW 2002, 1818; zweifelhaft, ob hier tatsächlich eine Willensübereinstimmung angenommen werden kann, VG Göttingen, Urteil vom 02. 04. 2014 – 1 A 18/ 12 –, juris Rn. 35; VG München, Urteil vom 10. 01. 2012 – M2 K 11.6129, BeckRS 2012, 49721. 818 Mit der aufschlussreichen Feststellung, die Behörde handle stets im öffentlichen Interesse und § 679 BGB müsse auf Notfälle beschränkt bleiben um nicht eine paragesetzliche Eingriffsklausel zu schaffen, VGH Mannheim, Urteil vom 22. 11. 2001 – 5 S 2580/00, VBlBW 2002, 252 (254); LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 24. 819 Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (106 ff.). 820 Bamberger, JuS 1998, 706 (709); Gusy, JA 1979, 69 (71 f.); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (106 ff.); Wild, VR 1998, 131 (132). 816
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im öffentlichen Interesse liegen könne821. Teilweise akzeptiert wird die auftraglose Geschäftsführung der Behörde für das Privatrechtssubjekt, wenn sie dem Willen des Geschäftsherrn entspricht, denn dann soll kein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff vorliegen822. Eine Anwendung von § 679 BGB zum Nachteil des privaten Geschäftsherrn wird jedoch nur vereinzelt für zulässig gehalten und auch dann nur in Notfällen823. cc) Fallgruppe 3 (P/Ö) Anders als in der umgekehrten Konstellation prüft die Rechtsprechung bei der Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für einen Verwaltungsträger die Übereinstimmung der Geschäftsführung mit dem Willen und dem Interesse der Behörde regelmäßig, teilweise sehr detailliert. Die Aufwendungsersatzbegehren der Privatrechtssubjekte scheitern aber selten an einem entgegen stehenden und beachtlichen Willen der Verwaltungsbehörde, weil die Gerichte mit der Bejahung der Voraussetzungen des § 679 BGB weniger zurückhaltend sind als es die vom BVerwG in seinem Uferdeckwerkfall aufgestellten, relativ strengen Kriterien vermuten ließen, und weil letztlich unbegründete Ersatzbegehren meistens bereits an den vorgelagerten Tatbestandsmerkmalen scheiterten824. Der vom BVerwG im Uferdeckwerkfall aufgestellte, vollständige Prüfungsrahmen des öffentlichen Interesses an der Geschäftsführung durch einen Privaten gegen den behördlichen Willen wird in den gerichtlichen Entscheidungen häufig darauf reduziert, ob für die Einholung gerichtlichen Rechtsschutzes ausreichend Zeit verblieb und ob behördliches Ermessen bezüglich der Geschäftsführungshandlungen gegeben war und vom Privatrechtssubjekt aufgrund eines Notfalles, der Handlungsverweigerung der Behörde oder einer Ermessensreduzierung auf Null übergangen werden durfte825. Nur ein kleiner Teil der Entscheidungen folgt tatsächlich den Vorgaben des BVerwG und stellt 821
S. 83. 822
FS-Bartlsperger / Schenke, S. 538, 541 f.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag,
Wild, VR 1998, 131 (132). Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 641; unkritisch scheinbar auch Klein, DVBl 1968, 166 (170); sehr liberal in Bezug auf die Anwendung des § 679 BGB auch zum Nachteil des Privatrechtssubjekts, Habermehl, JURA 1987, 199 (204). 824 Oberflächliche Auseinandersetzungen mit dem Tatbestandsmerkmal finden sich in beispielsweise in BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 31; auch im Ergebnis sehr zweifelhaft VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/ 13.NW –, juris Rn. 19; LG Wiesbaden, Urteil vom 15. 10. 1968 – 3 O 252/67, DAR 1970, 130. 825 BGH, Urteil vom 13. 11. 2003 – III ZR 368/02 –, juris Rn. 9, 13; BGH, Urteil vom 15. 12. 1977 – III ZR 159/75 –, juris Rn. 20 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11 –, juris Rn. 33 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 8; OVG Münster, Beschluss vom 06. 03. 1996 – 13 A 638/95 –, juris Rn. 3 ff.; OVG Münster, Urteil vom 21. 12. 1995 – 20 A 5004/94 –, juris Rn. 30 ff.; AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1985, 355; VG Gießen, Urteil vom 30. 05. 1994 – 7 E 358/92 –, juris Rn. 21 ff.; VG Köln, Urteil vom 06. 02. 2015 – 4 K 492/14 –, juris Rn. 44 ff. 823
A. Qualifizierung des Rechtsinstituts
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ausdrücklich eine vollständige Interessenabwägung an826. Nachdem die Wissenschaft der Anwendung der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht allgemein zurückhaltender gegenüber steht als die Rechtsprechung, überrascht es nicht, dass die Literatur sich die strengen Kriterien des BVerwG im Rahmen der Prüfung des § 679 BGB weitgehend zu eigen gemacht hat827. Auch wenn die Literatur sich oft verkürzend darauf beschränkt, einen Notfall, die Unzumutbarkeit gerichtlichen Rechtsschutzes sowie fehlendes Ermessen des Geschäftsherrn als Voraussetzungen für öffentliches Interesse an der Geschäftsführung durch das Privatrechtssubjekt zu fordern, erfährt die Argumentationslinie der Rechtsprechung kaum ausdrücklichen Widerspruch828. Nur vereinzelt wird behauptet, Ermessen der Verwaltungsbehörden sei nicht schutzwürdig, weil der Geschäftsführer bei Ausführung der Geschäftsführung gemäß § 677 BGB ohnehin das Interesse und den Willen des Geschäftsherrn beachten muss, § 679 BGB sei im öffentlichen Recht grundsätzlich nicht anwendbar oder eine Interessenabwägung sei nicht angezeigt829. In Fallgruppe 3 zeigen Wissenschaft und Rechtsprechung im Ergebnis dennoch ein weitgehend kongruentes Meinungsbild. 2. Rechtsfolgen Den Rechtsfolgen der berechtigten und unberechtigten auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht kommt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wie in der Rechtsprechung nur eine untergeordnete Rolle zu. Bis auf wenige Nuancen werden sie in allen Fallgruppen auch einheitlich definiert. a) Rechtsprechung Für die Rechtsprechung ist vor allem die Rechtsfolge des Aufwendungsersatzanspruches des Geschäftsführers einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag von Bedeutung. Im Umfang soll dieser nach einhelliger Meinung grundsätzlich der
826 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 14 ff.; VG Gießen, Urteil vom 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI –, juris Rn. 27 ff. 827 Bamberger, JuS 1998, 706 (710); Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 243; Blas, JA 1989, 514 (515 f.); Blas, BayVBl 1989, 648 (650 f.); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 127 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (106 ff.); Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21; Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 43 f.; ähnlich auch FS-Bartlsperger / Schenke, S. 563 ff. 828 Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 21; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 241; Brenner, LKV 1999, 481 (483); Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 12; Freund, JZ 1975, 513 (514 ff.); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 161 f.; Schoch, JURA 1994, 241 (248 f.); MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 25. 829 Nedden, GoAÖR, S. 179 ff.; zur Interessenabwägung Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 420 f.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
eingangs erläuterten zivilrechtlichen Rechtslage entsprechen830. Der Geschäftsführer soll nicht nur Aufwendungsersatz, sondern auch Vergütung für seine Geschäftsführung verlangen können, wenn es sich bei der Geschäftsführungshandlung um eine Leistung im Rahmen des Gewerbebetriebes des Geschäftsführers handelt831. Ist eine Verwaltungsbehörde der Geschäftsführer, so können auch die Gemeinkosten der geschäftsführenden Institution, die dieser für die Vorhaltung von Betriebsmitteln entstehen, einen Aufwendungsersatz darstellen, wofür die Rechtsprechung auch auf hierfür erlassene Gebührensatzungen zurückgreift, sofern solche vorhanden sind832. Der Aufwendungsersatzanspruch umfasse auch gefahrtypische Schäden und materielle Schäden als Folge von Personenschäden833. Im Falle einer echten Doppelzuständigkeit in Fallgruppe 1 ist nach der Rechtsprechung unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 426 BGB eine Kürzung des Aufwendungsersatzanspruches um 50 % durchzuführen, um die eigene Zuständigkeit des Geschäftsführers für die Aufgabenerledigung abzubilden834. Es kommen nach Auffassung der Gerichte aber auch die weiteren zivilrechtlichen Rechtsfolgen, ebenso diejenigen der unberechtigten Geschäftsführung zur Anwendung835. Danach habe der Geschäftsführer in allen Fallgruppen das Geschäft so zu führen wie Interesse und Wille des Geschäftsführers es erfordern, er hat die Übernahme des Geschäfts gemäß §§ 681 S. 1 BGB dem Geschäftsherrn anzuzeigen, ihm gemäß §§ 681 S. 2, 666, 667 BGB alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt herauszugeben, ihm Rechenschaft abzulegen und sich seinem Willen unterzuordnen836. Der Geschäftsführer hafte dem Geschäftsherrn sowohl aufgrund von Übernahmeverschulden im Falle der unberechtigten Geschäftsführung gemäß § 678 BGB als 830
Siehe Fn. 831; 832; 833; 834; 835; Berger, DÖV 2014, 662 ff.; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 244; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 94 ff.; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 13 ff.; Fleischfresser, VR 1988, 305 ff.; Georgii, NJW 1996, 686 (690); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 9; Gusy, JA 1979, 69 (72); Hamann, NJW 1955, 481; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 792; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 329; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 409 ff.; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 80 ff. 831 OLG München, Urteil vom 12. 01. 1984 – 24 U 459/83, NVwZ 1985, 293 (294); siehe hierzu auch Glasmacher, JURA 2014, 526 (533 f.). 832 Zur Ersatzfähigkeit der Gemeinkosten, BGH, Urteil vom 15. 12. 1975 – II ZR 54/74 –, juris Rn. 13 ff.; zur Maßgeblichkeit von Gebührensatzungen, OVG Lüneburg, Urteil vom 24. 09. 2015 – 11 LB 265/14 –, juris Rn. 30. 833 BayObLG, Urteil vom 29. 07. 1968 – RReg 1a Z 229/67 –, juris Rn. 24; BGH, Entscheidung vom 07. 11. 1960 – VII ZR 82/59 –, juris Rn. 32 f. 834 OVG Münster, Urteil vom 23. 10. 1975 – XI A 91/74, NJW 1976, 1956 (1957). 835 AG Bremen, Urteil vom 21. 08. 1985 – 6 C 81/85, NJW-RR 1985, 355 (356). 836 Zu § 667 BGB: BGH, Urteil vom 04. 12. 2003 – III ZR 30/02 –, juris Rn. 36 ff.; zu § 677 BGB: VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843; zu § 681 BGB: BGH, Urteil vom 04. 12. 1975 – VII ZR 218/73 –, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 22; VG Göttingen, Urteil vom 02. 04. 2014 – 1 A 18/12 –, juris Rn. 37; AG Krefeld, Urteil vom 05. 04. 1978 – 10 C 85/78, NJW 1979, 722 (723); VG München, Urteil vom 10. 01. 2012 – M2 K 11.6129, BeckRS 2012, 49721.
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auch verschuldensabhängig bei einer Pflichtverletzung auf Schadensersatz gemäß §§ 677, 280 BGB837. Im Gegenzug könne er jedoch Zinsen auf die Aufwendungen zur Geschäftsführung vom Zeitpunkt des Anfalles an verlangen838. War im Rahmen der Geschäftsführung die Aufnahme eines Darlehens durch den Geschäftsführer erforderlich, so sollen auch die Darlehenszinsen ersatzfähige Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB darstellen839. Soweit aus anwendbarem Sonderrecht keine spezielleren Verjährungsfristen einschlägig sind, sollen auch die Ansprüche aus auftragloser Geschäftsführung im öffentlichen Recht nach den zivilrechtlichen Vorschriften der regelmäßigen Verjährung verjähren840. Ob neben einem bestehenden Aufwendungsersatzanspruch aufgrund der §§ 677 ff. BGB noch ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch besteht, wird von den Gerichten zuweilen offen gelassen, während bei Nichtbestehen eines Aufwendungsersatzanspruches aufgrund auftragloser Geschäftsführung zuweilen der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch wegen dem Fehlen subjektiver Tatbestandsvoraussetzungen eingreift und dem Ersatzbegehren des Geschäftsführers zumindest teilweise zum Erfolg verhilft841. b) Literatur Die Autoren schließen sich im Hinblick auf die Rechtsfolgen weitgehend den Ansichten der Rechtsprechung an842. Auf vereinzelte Kritik stießen die Anwendung des § 680 BGB zu Gunsten hoheitlicher Geschäftsführer, die Umgehung der Haftungsprivilegien der Verwaltungsträger im Rahmen der Amtshaftung, die Ersatzfähigkeit risikotypischer Schäden sowie die Vergütungspflicht bei Geschäftsführungshandlungen im Rahmen hoheitlicher oder gewerblicher Tätigkeit des Geschäftsführers. Knapp kritisiert, dass die Abschaffung der antiquierten Haftungsbeschränkungen des Amtshaftungsanspruches offen und nicht durch die Hintertür der §§ 677, 280 BGB in entsprechender Anwendung erfolgen solle843. Schoch will 837
BGH, Urteil vom 24. 10. 1974 – VII ZR 223/72 –, juris; Schoch, JURA 1994, 241 (249). BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris Rn. 22. 839 OVG Hamburg, Urteil vom 04. 11. 1993 – Bf VII 3/91 –, juris Rn. 107 ff. 840 Verjährung ist im gesichteten Fallmaterial selten diskutiert geworden, VG Göttingen, Urteil vom 02. 04. 2014 – 1 A 18/12 –, juris Rn. 41; OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris Rn. 42 ff.; zu vorrangigen spezielleren Verjährungsfristen, BGH, Urteil vom 10. 04. 1969 – II ZR 239/67 –, juris Rn. 12; siehe hierzu auch Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 56 f. 841 OVG Lüneburg, Urteil vom 31. 05. 1990 – 9 L 93/89 –, juris Rn. 9; VGH München, Urteil vom 14. 07. 1970 – Nr. 232 VI 68, BayVBl 1971, 67 (69); BVerwG, Urteil vom 09. 06. 1975 – VI C 163.73 –, juris Rn. 32; mit Ablehnung auch des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches, VGH München, Beschluss vom 07. 11. 2016 – 4 ZB 15.2809 –, juris. 842 Siehe Fn. 830; Maurer, JuS 1970, 561 (563); Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 45 ff. 843 FS-Weitnauer / Hauss, S. 344; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 54 f.; Schubert, AcP 1978, 425 (445, FN. 79). 838
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
geschäftsführende Verwaltungsträger nicht von der Haftungserleichterung des § 680 BGB profitieren lassen, weil diese Norm auf hilfsbereite Privatpersonen zugeschnitten und schon bei professionellen privaten Helfern nicht anwendbar sei, so dass die Verwaltungsträger sich erst recht nicht darauf berufen können sollen844. Kischel kritisiert, dass durch die Vergütungspflicht der Verwaltungsträger für die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit geschäftsführenden, privaten Geschäftsführer der Bürger sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern könne und nach dem Grundsatz „Handle und liquidiere“ vorgehen könne, ohne sich mit seinem Anliegen überhaupt an die Behörde zu wenden845. Die Rechtsprechung ist auf diese Kritik nicht eingegangen. 3. Zusammenfassung Insgesamt ergeben sich für die auftraglose Geschäftsführung im öffentlichen Recht bezogen auf den Tatbestand bemerkenswert schwache und im Hinblick auf die Rechtsfolgen sehr starke Konturen. Soweit das Rechtsinstitut nicht von vornherein abgelehnt wird, sind die Tatbestandsmerkmale überwiegend umstritten, während Fallgruppe 4 fast einstimmig als rein zivilrechtlich zu betrachtende auftraglose Geschäftsführung ohne Auftrag aufgefasst wird. In Fallgruppe 1 ist vor allem die Behandlung des auch-fremden Geschäfts umstritten, wobei die Rechtsprechung hier weitgehend die zivilrechtliche Argumentation übernimmt und somit auch im Falle des auch-fremden Geschäfts regelmäßig eine Geschäftsbesorgung für einen anderen annimmt. Die Wissenschaft geht hingegen davon aus, dass bei bestehender Zuständigkeit der geschäftsführenden Behörde für die Aufgabenerfüllung entweder schon das Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts oder zumindest der Fremdgeschäftsführungswille fehle, weil bei einer zumindest auch für die Wahrnehmung der Aufgabe zuständigen Behörde als Geschäftsführer zu vermuten sei, dass diese vorrangig in Erfüllung ihrer eigenen Pflicht handle. Bei einem auch-fremden Geschäft soll auch das Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung im Widerspruch zur Rechtsprechung nicht erfüllt sein, weil eine auch-zuständige Behörde nicht ohne Rechtsgrundlage handle. Die Literatur bestreitet die Sinnhaftigkeit der Herangehensweise der Gerichte, für die berechtigte auftraglose Geschäftsführung auf die subjektiven Komponenten des Willens oder des Interesses der Behörde abzustellen oder diese uneinheitlich aufgrund der unklaren Anforderungen einer entsprechenden Anwendung des § 679 BGB hinter das öffentliche Interesse zurücktreten zu lassen. 844
FS-Weitnauer / Hauss, S. 345; Kischel, VerwArch 1999, 391 (408); Linke, DVBl 2006, 148 (156); Schoch, JURA 1994, 241 (249). 845 Kischel, VerwArch 1999, 391 (410 f.); a.A. mit der Annahme, dass der Geschäftsführer bei einer berechtigten GoA grundsätzlich eine Vergütung verlangen könne, Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 145; ebenfalls a.A. Glasmacher, JURA 2014, 526 (533 f.); diesbezüglich unkritisch für Fallgruppe 1, Nedden, GoAÖR, S. 136.
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In Fallgruppe 2 entzündet sich vehemente Kritik der Wissenschaft an der Rechtsprechungspraxis der Doppelqualifizierung von Verwaltungshandlungen im eigenen Zuständigkeitsbereich der Behörde, um ein auch-fremdes Geschäft zu Gunsten des Privatrechtssubjekts zu konstruieren. Auch hier soll nach Auffassung der Gerichte noch ein Fremdgeschäftsführungswille der Behörde zu vermuten sein. Während die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung zur Geschäftsführung in der Regel ignoriert, wird von der Wissenschaft wie in Fallgruppe 1 angeführt, dass der auch-zuständige Verwaltungsträger sich auf eine eigene Berechtigung beziehen könne. Das Tatbestandsmerkmal der Geschäftsführung mit Willen und im Interesse des Geschäftsherrn erlangt in der Rechtsprechung zu Fallgruppe 2 wegen einer geradezu formelhaften und pauschalen Anwendung des § 679 BGB kaum Bedeutung, wogegen die Literatur unter Verweis auf den Gesetzesvorbehalt für behördliche Eingriffe, die in öffentlichrechtlichen Rechtsgrundlagen definierten und nicht zu umgehenden Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe und das Verbot, sich als Behörde dem Willen von Privatrechtssubjekten unterzuordnen, protestiert. In Fallgruppe 3 stimmen Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis darin überein, dass es einen Ausgleichsmechanismus für auftraglose Geschäftsführung von Privatrechtssubjekten im Bereich hoheitlicher Kompetenzen zumindest in Notfällen geben müsse, wenn auch Uneinigkeit darüber besteht, ob ein solcher Ausgleich am Besten über eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB zu bewerkstelligen sei. Nachdem scheinbar sowohl Wissenschaft als auch Rechtsprechung erkannten, dass der Vollbeweis des Fremdgeschäftsführungswillens den Privatrechtssubjekten in der Regel nicht gelingt, wird regelmäßig darauf verwiesen, dass der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten sei, oder das Tatbestandsmerkmal wird gar nicht erst erwähnt. Da dem Privatrechtssubjekt eine sonstige Berechtigung zur Erfüllung von hoheitlichen Aufgaben regelmäßig fehlt, erfolgt eine Prüfung meistens nur im Hinblick darauf, ob der Private durch einen hoheitlichen Befehl oder eine Absprache mit der Behörde zur Geschäftsführung veranlasst wurde. Sofern sich das Privatrechtssubjekt bei der Geschäftsführung gegen den Willen der Behörde wendet, so soll die Anwendung des § 679 BGB nach einhelliger Meinung der Rechtsprechung und Literatur davon abhängen, ob im Rahmen einer Interessenabwägung, deren Kriterien aber nicht unstrittig sind, öffentliche Interessen daran überwiegen, dass das Privatrechtssubjekt anstelle der Behörde handelt und die Aufgabe erfüllt. Hierbei wird insbesondere geprüft, ob ein Notfall vorlag, die Einholung einstweiligen Rechtsschutzes sachdienlich gewesen wäre und ob durch die Geschäftsführung schutzwürdiges Ermessen der Behörde als Geschäftsherrin übergangen wurde.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht I. Notwendigkeit rechtssystematischer Erschließung Im Widerspruch zu der weit verbreiteten Herangehensweise der Rechtsprechung und den teilweise auch in der Wissenschaft vertretenen Ansichten kann weder die Herleitung einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht unter pauschalem Verweis auf eine entsprechende Anwendung, die Analogie oder Rechtsgrundsätze ohne spezifische, dogmatisch tragbare Begründung offen bleiben, noch ist es hinnehmbar, dass die §§ 677 ff. BGB ohne hinreichend klar definiertes, widerspruchsfreies Anwendungskonzept auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht übertragen und dann anhand des Einzelfalles aufgrund von Billigkeitserwägungen modifiziert werden. Soll eine Anwendung der § 677 ff. BGB im öffentlichen Recht in Betracht kommen, so muss das originär zivilrechtliche Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag auch im öffentlichen Recht begründbar sein, das Rechtsinstitut darf nicht der Systematik des öffentlichen Rechts widersprechen und die Anwendung der §§ 677 ff. BGB muss auch dem Erfordernis hinreichender Rechtssicherheit durch konstante Übung in der richterlichen Rechtsprechungspraxis genügen.
II. Unmittelbare Anwendung der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Eine direkte Anwendung der §§ 677 ff. BGB bei Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht scheidet aus, wenn die durch die Fremdgeschäftsführung berührten Zuständigkeits-, Aufgaben- oder Rechtskreise des Geschäftsherrn oder Geschäftsführers im Binnenverhältnis ausschließlich der Regelung durch öffentlichrechtliches Sonderrecht unterliegen und dieses die Anwendung der §§ 677 ff. BGB untersagt. Die Notwendigkeit der dogmatischen Begründung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht beruht nicht auf der Wesensverschiedenheit der Rechtsgebiete, den zugrunde liegenden unterschiedlichen Wertungen, unterschiedlichen Strukturen im Tatbestand, den Rechtsfolgen oder der rechtssystematischen Trennung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht, sondern schlicht auf der Spezialität des öffentlichen Rechts für die dort geregelten Sachverhalte. Zur Begründung der Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht kann nicht auf die Auslegung zurückgegriffen werden, weil eine solche die teilrechtsordnungsübergreifende Anwendung eines Rechtsinstituts nicht begründen, sondern allenfalls Mehrdeutigkeiten durch Erforschung des Gesetzeswillens klären kann846. Unabhängig von der Feststellung, dass das speziellere, öffentliche Recht nicht durch 846
Siehe Fn. 549.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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unspezifisches Zivilrecht übergangen werden darf, stellt sich jedoch die Frage, ob das öffentliche Recht die Anwendung zivilrechtlicher Rechtsinstitute in der öffentlichen Teilrechtsordnung nicht bereits von sich aus ergänzend oder sogar konkurrierend ohne Herleitung ermöglicht. Diese Annahme ist nicht fernliegend, wenn man öffentliches Recht und Privatrecht jeweils als offene und sich komplementierende sowie koordinierende Bestandteile der einheitlichen Rechtsordnung interpretiert847. 1. Zweiteilung der Rechtsordnung Der Dualismus aus öffentlichem Recht und Privatrecht ist keine Selbstverständlichkeit. Es existiert keine den nationalstaatlichen Rechtssystemen übergeordnete und generell gültige Regel, wonach sich die Rechtsordnung eo ipso in eine öffentliche und eine private Teilrechtsordnung untergliedert848. Weder die Rechtsgeschichte noch die Rechtsvergleichung stützen die Annahme des zeitlos gültigen Dualismus der Teilrechtsordnungen. Das römische Recht kannte die Zweiteilung in öffentliches und privates Recht nicht849. In Deutschland entwickelte sich die Zweiteilung des Rechts infolge des Wunsches der Privatpersonen nach dem Schutz ihrer Rechte durch Unterstellung unter eine besondere Privatrechtsordnung Ende des 16. Jahrhunderts850. Es dauerte aber 200 Jahre bis hieraus die Vorstellung einer geteilten Rechtsordnung entstand851. Erst die Schaffung des modernen Rechtsstaates im 19. Jahrhundert verschärfte die Zweiteilung zu einer Abgrenzung der Teilrechtsordnungen voneinander852. Seit der Gründung der Bundesrepublik ist diese Abgrenzung zunehmend im Rückbau begriffen. Die Teilrechtsordnungen tendieren immer mehr zur Verschränkung. Dies ist nicht nur der Durchdringung des Privatrechts mit öffentlichem Recht und dem Zusammenwachsen von Staat und Gesellschaft im Allgemeinen, sondern auch der vermehrten Inanspruchnahme privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch die Verwaltung im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts und dem Bedeutungsverlust des Privatrechts gegenüber dem öffentlichen Recht geschuldet853. Die Zweiteilung wird auch durch die europäische 847
de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 42 f. GVwR I / Burgi, § 18 Rn. 43. 849 Hoffmann-Riem / Stolleis, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 46 f. 850 Hoffmann-Riem / Stolleis, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 49 ff. 851 FS-Rittner / Bullinger, S. 70 f. 852 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 9 f.; Hoffmann-Riem / Bullinger, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 239 f.; Hoffmann-Riem / Di Fabio, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 164. 853 Mit dem Ende der Monarchie und des Gegensatzes zwischen Staat und Gesellschaft entfiel auch teilweise das Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Teilrechtsordnungen, Hoffmann-Riem / Stolleis, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 58 f.; zur Verschränkung der Teilrechtsordnungen siehe Hoffmann-Riem / Di Fabio, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 164 f.; Hoffmann-Riem / Trute, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 171; HoffmannRiem / Hoffmann-Riem, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 268; zur Entwicklung des Verwaltungsprivatrechts und der Einbindung der Privatrechtssubjekte in die Aufgabenerfüllung 848
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Integration relativiert, denn das europäische Recht kennt die konsequente Trennung der Teilrechtsordnungen nicht854. Die angelsächsische Rechtsordnung hat nach wie vor keine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit und sachlich vom Zivilrecht unabhängiges öffentliches Recht wurde im englischen Recht erst sehr spät geschaffen und hat noch bescheidene Konturen855. Die Wissenschaft in Deutschland fordert bereits seit Jahrzehnten eine Neudefinition des Verhältnisses zwischen den Teilrechtsordnungen, die auf ein System wechselseitiger Auffangordnungen hinausläuft, in dem sich öffentliches Recht und Privatrecht ergänzen oder in dem die Zweiteilung der Rechtsordnung generell negiert wird856. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie durchlässig die Teilrechtsordnungen für die Anwendung jeweils teilrechtsfremder Rechtsinstitute tatsächlich sind. 2. System der Auffangordnungen Auch wenn das Zivilrecht von der Privatautonomie und der Transformation von Individualrechten geprägt ist, ist es kein staatsfernes Recht857. Der öffentliche Zweck der Privatgesetzgebung liegt darin, den Privatrechtssubjekten Konfliktschlichtungsprogramme zur Verfügung zu stellen858. Das Rechtsverständnis der DDR sah im Zivilrecht sogar nur die staatliche Lenkung der Gesellschaft durch generelle Normsetzung anstatt durch Einzelfallentscheidungen, die konkret-individuell wir-
der Verwaltung siehe Kersten, Der Staat 2005, 543 (560 ff.); Kersten / Lenski, Die Verwaltung 2009, 501 (517, 533); Seok, Ziekow / Ziekow, Entwicklungstendenzen, S. 33; zum Bedeutungsverlust des Privatrechts Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, S. 16; zur Publifizierung des Privatrechts de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 31 f. 854 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 41 f.; Hoffmann-Riem / Di Fabio, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 146; HoffmannRiem / Kübler, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 225. 855 GVwR I / Hoffmann-Riem, § 10 Rn. 8; FS-Rittner / Bullinger, S. 70; Hoffmann-Riem / Bullinger, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 240; das angelsächsische Recht hat nie eine rechtsdogmatische, sondern nur eine pragmatische Trennung der Trennung der Teilrechtsordnungen vollzogen, Hoffmann-Riem / Hoffmann-Riem, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 264; auch der Rechtsvergleich mit weiteren Nationen zeigt, dass die Trennung der Teilrechtsordnungen überwiegend schwach ausgeprägt ist, Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 23. 856 Hoffmann-Riem / Stolleis, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 59; Hoffmann-Riem / Damm, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 86; Hoffmann-Riem / Di Fabio, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 165; Hoffmann-Riem / Bullinger, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 254. 857 Erst öffentlichrechtliche Gewährleistungen bewirken im Zusammenspiel mit zivilrechtlichen Gestaltungsrechten einen Freiraum vor staatlichem Zugriff, FS-Rittner / Bullinger, S. 81.; zu den ökonomischen Gesichtspunkten dieses Zusammenspiels siehe Hoffmann-Riem / Kirchner, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 75. 858 Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 16.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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ken859. In Folge des dargestellten Zusammenwachsens der Teilrechtsordnungen wird insbesondere von Bullinger die These vertreten, es gäbe ein Gemeinrecht, das einen Zwischenbereich der Teilrechtsordnungen darstellt und das von sich aus unmittelbar und ohne Herleitung im öffentlichen wie auch im Privatrecht anwendbar ist860. Auch wenn nicht bestritten werden kann, dass sowohl Privatrecht als auch öffentliches Recht Ausfluss staatlicher Rechtssetzung sind und eine Synthese der Teilrechtsordnungen in mancherlei Hinsicht einen Gewinn an Flexibilität brächte, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei um Überlegungen de lege ferenda handelt. Die geltende Rechtsordnung kennt kein teilrechtsordnungsübergreifendes Gemeinrecht und grenzt öffentliches und privates Recht trotz einer Zunahme der Verschränkungen grundsätzlich nach wie vor gegeneinander ab861. Alleine aus der systemimmanenten Unfähigkeit der Gesetzgebung, jeden regelungsbedürftigen Sachverhalt des öffentlichen Rechts im Voraus lückenlos zu normieren, kann nicht gefolgert werden, dass in einem solchen Fall stets Privatrecht die Unvollkommenheit des geschriebenen öffentlichen Rechts kompensieren soll oder kann862. Auch wenn die Verschränkungen und Verweisungen der beiden Teilrechtsordnungen untereinander von den Fürsprechern des Gemeinrechts gerne als Indiz für die Einheitlichkeit zumindest eines Teils der Rechtsordnung herangezogen werden, so sind es letztendlich gerade diese Schnittstellen, die eine solche Argumentation untergraben. Gäbe es ein teilrechtsordnungsübergreifendes Gemeinrecht, so wäre zu erwarten, dass dieses sich zuerst bei Rechtsinstituten zeigt, die im Hinblick auf grundlegende Interessenlage und rechtliche Bewertung in beiden Teilrechtsordnungen weitgehend deckungsgleich sind. Gerade dort finden sich aber Verweisungen wie § 62 S. 2 VwVfG für den öffentlichrechtlichen Vertrag, die für den Fall der Existenz eines teilrechtsordnungsübergreifenden, vertraglichen Gemeinrechts schlicht überflüssig wären863. Rechtsystematische Anhaltspunkte, die die Existenz eines solchen Gemeinrechts nahelegen, sind überdies nicht ersichtlich. Wenn aber schon generell kein teilrechtsordnungsübergreifendes Recht nachgewiesen werden kann, so erübrigt sich auch die Frage, ob die zivilrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag ein Teil hiervon ist. Eine direkte Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öf859
Bydlinski, AcP 1994, 319 (343); diese indirekt wirkenden Mechanismen werden für das öffentliche Recht als zu ineffektiv angesehen, siehe Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 22. 860 Kritisch hierzu de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 42 ff.; GVwR I / Burgi, § 18 Rn. 43; differenzierend, Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 23; die Zweiteilung der Rechtsordnung generell ablehnend, Hoffmann-Riem / Stolleis, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 59; eine solche gemeinrechtliche Ordnung explizit befürwortend, Hoffmann-Riem / Bullinger, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 255 f.; mit der Behauptung, ein solches Gemeinrecht sei partiell bereits entstanden, FS-Rittner / Bullinger, S. 87 ff. 861 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 45 f.; Hoffmann-Riem / Trute, Wechselseitige Auffangordnungen, S. 170; GVwR I / Burgi, § 18 Rn. 7 ff. 862 Grundsätzlich hierzu Dreier, Die Verwaltung 1992, 137 (148 f.). 863 de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 45.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
fentlichen Recht ohne Herleitung ist nicht möglich und lässt sich auch mit der Theorie vom Gemeinrecht nicht begründen, da auf Sachverhalte des öffentlichen Rechts nur das öffentliche Recht direkt anwendbar ist und auch beim Fehlen solchen öffentlichen Recht das Zivilrecht keine direkte Anwendung findet864.
III. Fallgruppenspezifische Kritik des Rechtsinstituts Während Privatrechtssubjekte bei der Bestimmung der Rechtsfolgen ihres Handelns grundsätzlich den zivilrechtlichen Normen unterliegen und sie auch die Entscheidung, ob und wenn ja, wie sie das Geschäft führen prinzipiell aufgrund der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie und Handlungsfreiheit selbstbestimmt treffen, auch wenn sie nur eine ihnen obliegende Pflicht erfüllen, kommt den Verwaltungsträgern aufgrund fehlender Privatautonomie und Handlungsfreiheit, fehlendem Grundrechtsschutz, der Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit und zur Aufgabenerfüllung eine solche Entscheidungsfreiheit nicht zu865. Die Pflichten und Rechte des Geschäftsführers unterscheiden sich von denjenigen des Geschäftsherrn einer Geschäftsführung ohne Auftrag maßgeblich. Die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB bei Bezug zum öffentlichen Recht kann deshalb nur aufgrund einer Betrachtung der individuellen Besonderheiten der einzelnen Fallgruppen geklärt werden. 1. Fallgruppe 1 (Ö/Ö) a) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Rechtsprechung Bei Anerkennung der Bedeutung dogmatisch und rechtssystematisch überzeugender Normstrukturen und einer schlüssigen und überzeugenden Herleitung des Rechtsinstituts muss eine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht sich auch in der Rechtsprechungspraxis beweisen, also eine gefestigte und klare Anwendungskonzeption haben, aus der für den Rechtsanwender das Ergebnis der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruches aus dem Regelungskreis der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht in aller Regel vorhersehbar ist. Eine Verfestigung der Rechtsprechung entsteht erst durch eine erhebliche Anzahl von Fällen, bei deren Entscheidung in den maßgeblichen Prüfungsschritten dieselbe Anwendungskonzeption zugrunde lag. Bei dem sehr übersichtlichen Fallmaterial der 1. Fallgruppe fehlt es wohl schon an ausreichendem Fallmaterial, um ein Anwendungskonzept zu identifizieren866. Soweit jedoch mehrere Gerichte sich mit demselben Problem auseinander zu setzen hatten, kann aufgrund des uneinheitlichen 864 865 866
Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, S. 60. Siehe Fn. 423; 424. Siehe S. 51 ff.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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Meinungsbildes bei zentralen Fragen des Tatbestandes nicht davon gesprochen werden, dass das Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorhersehbar wäre. Hier fällt vor allem auf, dass die Anforderungen an das öffentliche Interesse im Sinne des § 679 BGB zwischen den Gerichten umstritten sind, weil unklar ist, ob die Gerichte hierfür eine Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr voraussetzen oder ob bereits die Gefahr der Nichterfüllung einer Pflicht des behördlichen Geschäftsherrn ausreicht867. Soweit die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung sodann eine Interessenabwägung zwischen der Einhaltung der gesetzlichen Kompetenzordnung einerseits und der Aufgabenerfüllung andererseits anstellt, erscheinen die Ergebnisse eher willkürlich und kaum berechenbar, weil keine Gewichtung der Kriterien erkennbar ist. Es bleibt ungeklärt, ob die Gerichte alle Kriterien zu prüfen haben oder die Prüfung beschränken können, warum manche Kriterien wie die Sachnähe der Beteiligten in der richterlichen Prüfung kaum eine Rolle spielen und überdies gibt es auch keine Entscheidungsregel, wonach bei Vorliegen überwiegender oder bestimmter Kriterien die Abwägung mit einem konkreten Ergebnis zu erfolgen hat868. Das OVG Koblenz erläutert im Schulbusfall zwar die Kriterien der Interessenabwägung, prüft aber letztlich nur die Schädlichkeit des Ermessens der Geschäftsherrnbehörde, welche sie ablehnt und sodann das öffentliche Interesse im Sinne des § 679 BGB bejaht ohne die anderen Kriterien zu erwähnen869. Der VGH München zählt im Asylbewerberfall zwar die Kriterien der Interessenabwägung zur Bestimmung des öffentlichen Interesses im Rahmen des § 679 BGB, also die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabe, die Sachnähe des Betroffenen, seine konkreten Handlungs- und Zugriffsmöglichkeiten sowie das Verhalten und die Zugriffsmöglichkeiten der zuständigen Behörde auf, trifft die Entscheidung gegen das Vorliegen des öffentlichen Interesses dann aber lediglich unter Hinweis auf die knappen staatlichen Mittel sowie die ungeklärte Rechtsfrage der Zuständigkeit für die Geschäftsführung870. Da das BSG diese Interessenabwägung generell ablehnt, weil sie sich nicht aus § 679 BGB ableiten lässt, kann nicht davon gesprochen werden, dass es für die Bestimmung der Kriterien der Unbeachtlichkeit entgegen stehenden Willens des Geschäftsherrn von Seiten der Gerichte ein überzeugendes, gefestigtes Konzept gibt871. Dieser Mangel an Systematik wird beim Tatbestandsmerkmal des fehlenden Auftrags oder der fehlenden sonstigen Berechtigung noch unterboten. Nur durch das beständige Ignorieren des Merkmals kann sich der Großteil der Rechtsprechung der Erkenntnis des OVG Münster aus dem Stützmauerfall verschließen, wonach eine eigene Zuständigkeit der geschäftsführenden Behörde für die Erledigung der Aufgabe das Tatbestandsmerkmal und damit die Anwendung der §§ 677 ff. BGB ei867 868 869 870 871
Siehe Fn. 809, 810. Siehe S. 135 f. OVG Koblenz, Urteil vom 13. 12. 2010 – 2 A 11003/10 –, juris Rn. 38 ff. VGH München, Urteil vom 22. 04. 1993 – 4 B 92.1327 –, juris Rn. 14. Siehe Fn. 812.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
gentlich ausschließt872. Höchst fragwürdig ist sodann die Behauptung des OVG Münster, dass die Anwendung der §§ 677 ff. BGB aufgrund übergeordneter Allgemeininteressen dennoch geboten sei, womit der Anschein der Billigkeitsentscheidung nicht mehr bestritten werden kann873. In diese Kategorie lässt sich ebenfalls die Anwendung des Rechtsgedankens des § 426 BGB bei Doppelzuständigkeit der beteiligten Behörden einordnen, wobei auf eine Herleitung des Rechtsgedankens sowie auf eine Beschreibung seines Regelungsgehalts im öffentlichen Recht wohlweislich schon deshalb verzichtet wird, weil sich im öffentlichen Recht keine Konturen für die Anwendung des § 426 BGB abzeichnen874. Damit lässt sich zusammenfassend anführen, dass der Rechtsprechung zur Geschäftsführung im öffentlichen Recht in Fallgruppe 1 ein klares Anwendungskonzept fehlt und dass das Ergebnis einer gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruches der §§ 677 ff. BGB in dieser Fallgruppe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorherzusagen ist. Damit wird den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht genügt. b) Erfordernis der Herleitung Die Herleitung dient nicht ihrem Selbstzweck, sondern beinhaltet einerseits positiv die Feststellung, dass ein Rechtsinstitut auf bestimmte Fälle anwendbar ist und schließt andererseits solche Rechtsinstitute von der Anwendung aus, die nicht hergeleitet werden können. Die Methode der Herleitung gibt auch Auskunft darüber, ob ein ganzer Normkomplex im Rahmen einer Gesamtanalogie oder nur einzelne Entscheidungsregeln als isolierte Rechtsgrundsätze, Rechtsgedanken oder im Wege der Einzelanalogie zur Anwendung gelangen875. Nachdem die Herleitung somit die Grundlage der Anwendbarkeit eines Normkomplexes bildet, kann sie in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Der sehr geringe argumentative Aufwand der Rechtsprechung bei der Herleitung kann nicht akzeptiert werden876. Ebenso kann die von der Rechtsprechung implizit herangezogene gewohnheitsrechtliche Herleitung, die eine langanhaltende, gleichmäßige und allgemeine Übung sowie eine entsprechende Rechtsüberzeugung und eine Formulierbarkeit als Rechtssatz voraussetzen würde angesichts der umstrittenen Tatbestandsmerkmale nicht nachvollzogen werden877. Nachdem sich eine direkte Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht verbietet, sind die Voraussetzungen der verschiedenen Formen der Rechtsfortbildung zu prüfen. 872
Siehe Fn. 795. Siehe Fn. 795. 874 Siehe Fn. 834. 875 Siehe Fn. 570. 876 Siehe S. 175 ff. 877 Siehe S. 175 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 282; Nedden, GoAÖR, S. 123 f.; siehe Fn. 280; 289; 709. 873
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke Eine gesetzesimmanente oder gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist nur bei dem Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke möglich878. Anders als Knapp behauptet, kann von einer planwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf das Fehlen einer normierten Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil kein staatliches Binnenrecht existiert, das einen Kostenausgleich allgemein regelt, sondern nur spezielle Erstattungsregeln, und das staatliche Binnenrecht unterentwickelt sei879. Auch aus dem Fehlen einer den §§ 677 ff. BGB entsprechenden Erstattungsnorm im öffentlichen Recht kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass diesbezüglich im öffentlichen Recht eine planwidrige Regelungslücke besteht880. Eine solche Regelungslücke kann aber auch nicht unter pauschalem Verweis darauf, dass jedes behördliche Tätigwerden sich auf einen Kompetenztitel stützen muss, verneint werden, denn zumindest für die Rechtsfolgenseite lässt sich hieraus nicht ableiten, dass bei nicht auf einen solchen Kompetenztitel gestützten Handeln oder bei einem Handeln aufgrund eines Kompetenztitels aber beim Fehlen einer Ausgleichsnorm kein Aufwendungsersatz erfolgen darf881. Die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke setzt vielmehr voraus, dass eine bestimmte Fallgruppe eine gesetzliche Regelung erfahren hat und für eine andere, wertungsmäßig gleich zu behandelnde Fallgruppe eine solche gesetzliche Regelung fehlt882. Richtig ist zunächst, dass dem öffentlichen Recht ein der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag vergleichbarer und ausdrücklich normierter allgemeiner Regelungsmechanismus fehlt. Zivilrechtliche Fallgruppen sind mit den Sachverhalten in Fallgruppe 1 wegen beiderseitig fehlender Privatautonomie und Handlungsfreiheit grundsätzlich nicht wertungsmäßig gleich zu behandeln, weshalb die für die Vergleichsbetrachtung heranzuziehenden Sachverhaltskonstellationen nur im öffentlichen Recht identifiziert werden können883. Für den Fall der beauftragten Fremdgeschäftsführung finden sich im öffentlichen Recht die Amtshilferegelungen gemäß §§ 4 ff. VwVfG sowie der auch im öffentlichen Recht existierende Auftrag, die jedoch die bewusste Inanspruchnahme fremder Verwaltungstätigkeit voraussetzen und auch nur teilweise und in eingeschränktem Maße Aufwendungsersatzansprüche gewähren. Hieraus ergibt sich keine wertungsmäßig gleich zu behandelnde Sachverhaltskonstellation im öffentlichen Recht884. Das Konnexitätsprinzip, das im öffentlichen Recht eine Kongruenz aus 878
Siehe S. 135 ff.; Fn. 561; 562; 565. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 183. 880 A.A. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 184; ebenso pauschal Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 56. 881 A.A. Stelkens, DVBl 2003, 22 (23). 882 Siehe Fn. 557. 883 Siehe Fn. 423; 424. 884 Siehe Fn. 433; a.A. Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 92 f.; vergleiche hierzu auch Nedden, GoAÖR, S. 71 f. 879
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Aufgaben- und Ausgabenverantwortung beim aufgabenverantwortlichen Verwaltungsträger fordert, ist bezüglich der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in fremde Zuständigkeiten und Aufgabenausführung unspezifisch und trifft auch keine Aussage zu Art oder Umfang des Ausgleichs, so dass auch hier kein wertungsmäßig ähnlicher Sachverhalt zur Geschäftsführung ohne Auftrag definiert ist oder vorausgesetzt wird885. Weiterhin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Fehlen einer ausdrücklich geregelten Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes bereits deswegen darstellt, weil die Rechtsordnung einen derart ausgestalteten Ausgleichsmechanismus schlichtweg voraussetzt, denn auch hierfür ergeben sich aus dem Gesetzestext keine Indizien886. Entgegen Knapp887 ist es auch nicht ausreichend, lediglich die Argumente gegen das Vorliegen einer solchen Lücke anzugreifen ohne eine solche Lücke tatsächlich aufzuzeigen, denn die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke ergibt sich nicht bereits aus Zweifeln an der Planmäßigkeit. Damit lässt sich für das komplexe Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht insgesamt keine planwidrige Regelungslücke positiv feststellen. Daraus leitet sich aber nicht ab, dass es auch für einzelne rechtssystematisch trennbare Teile der §§ 677 ff. BGB keine planwidrige Regelungslücke im öffentlichen Recht gibt. (1) Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann nach verbreiteter Auffassung sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht zur Veranschaulichung auf ihre abstrakten Grundfunktionen zurückgeführt werden888. Dies ist die Legitimation des grundsätzlich verbotenen Eingriffs des Geschäftsführers in die fremde Rechtssphäre und der Ausgleich durch Gewährung von Aufwendungsersatzansprüchen889. Tatsächlich hat die Geschäftsführung ohne Auftrag mindestens noch eine dritte Funktion, nämlich die Koordination der Geschäftsführung durch Haftungsregeln und Nebenpflichten. (2) Legitimationsfunktion Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag legitimiert im Zivilrecht den Eingriff in den Rechtskreis des Geschäftsherrn, lässt die Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Handlungen im Rahmen des Deliktsrechts entfallen und schafft einen Rechtsgrund für die gewährten Leistungen, weil sie mit dem wirklichen oder mutmaßlichen oder entgegen dem unbeachtlichen Willen des Geschäftsherrn unter885
Siehe S. 108 ff.; Fn. 429; 432. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 256. 887 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 183 ff. 888 Schoch, JURA 1994, 241 (242); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (103); Kischel, VerwArch 1999, 391 (398); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 255 f.; Nedden, GoAÖR, S. 59. 889 Siehe Fn. 888. 886
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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nommen wurde. Entgegen der Ansicht Schochs890 und mit der herrschenden Meinung verbleibt im öffentlichen Recht in Fallgruppe 1 kein Anwendungsbereich für die Legitimationsfunktion der §§ 677 ff. BGB891. Zivilrecht und öffentliches Recht verfolgen im Hinblick auf die Befugnis zum Eingriff in fremde Rechtssphären unterschiedliche und inkompatible Regelungskonzepte. Im Zivilrecht ist die Privatautonomie der Rechtssubjekte grundsätzlich allumfassend und wird nur beschränkt durch die Rechte anderer Privatrechtssubjekte, wobei die §§ 677 ff. BGB die Handlungsbefugnisse erweitern können, indem sie einen ansonsten rechtswidrigen Eingriff legitimieren892. Im öffentlichen Recht hingegen gilt der Grundsatz vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, wonach Verwaltungstätigkeit entgegen der Gesetze und Eingriffe in geschützte Rechtsgüter ohne gesetzliche Grundlage verboten sind893. Dies dient dem Grundrechtsschutz, der zweckmäßigen Mittelverwendung und Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die hierfür kompetenten Behörden, der sachgemäßen Haushaltsplanung und der überschneidungsfreien Abgrenzung der Zuständigkeiten894. Anders als die Rechte der Privatrechtssubjekte ist die Zuständigkeitsordnung für die Verwaltungsbehörden grundsätzlich indisponibel und subjektive Kriterien wie der Wille der Geschäftsherrnbehörde, ihre Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, sind irrelevant895. Der häufige Einsatz des § 679 BGB in der Rechtsprechungspraxis zeigt, dass auch die Gerichte dem Willen der Verwaltungsträger materiell nur geringes Gewicht als Kriterium zur Bestimmung der berechtigten, ausgleichspflichtigen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht beimessen896. Spielt der Wille des Geschäftsherrn für die Rechtfertigung eines Eingriffs in einen fremden Rechtskreis aber keine Rolle, so kann auch § 679 BGB, der einen solchen Willen bei Vorliegen besonderer Interessen unbeachtlich sein lässt, keine Bedeutung erlangen. Da aufgrund des übereinstimmenden oder unbeachtlichen Willens der Geschäftsherrnbehörde keine Durchbrechung der Zuständigkeitsordnung im öffentlichen Recht gerechtfertigt werden kann, bleibt kein Anwendungsbereich für die Legitimationsfunktion der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 1.
890
Schoch, JURA 1994, 241 (242); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (103). Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 6; Kischel, VerwArch 1999, 391 (395); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 255 f.; Oldiges, JuS 1989, 616 (622); Staake, JA 2004, 800 (803). 892 Kischel, VerwArch 1999, 391 (398); Nedden, GoAÖR, S. 59. 893 Siehe S. 114 ff.; von Einem, NWVBl 1992, 384 (386 f.); Kischel, VerwArch 1999, 391 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 793; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 549 f.; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (98); Staake, JA 2004, 800 (803). 894 Siehe Fn. 893. 895 Siehe S. 108 ff.; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 241; Schubert, NJW 1978, 687 (688); Wollschläger, JA 1979, 182 (183); Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 36. 896 Siehe S. 201 f. 891
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
(3) Koordinationsfunktion Die §§ 677 ff. BGB legitimieren im Zivilrecht nicht nur einen Eingriff in eine fremde Rechtssphäre und gewähren unter bestimmten Bedingungen einen Ausgleich für Vermögensverschiebungen, sondern koordinieren auch die Geschäftsführung. Würden nicht Schadensersatzvorschriften wie §§ 678, 677, 280 BGB oder Nebenpflichten wie die Pflicht des Geschäftsführers zur Herausgabe des Erlangten nach §§ 681 S. 2, 667 BGB und das Weisungsrecht des Geschäftsherrn gemäß §§ 681 S. 1 BGB das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag ergänzen, könnte wertungsmäßig nicht begründet werden, weshalb der Geschäftsherr Aufwendungsersatz zu leisten hat ohne die auftraglose Geschäftsführung in ihrer Ausführung beeinflussen zu können und der Geschäftsführer für Pflichtverletzungen weniger intensiv haftet als ein Beauftragter, dennoch aber Aufwendungsersatz auch über das objektiv Erforderliche hinaus erhält897. Auch die Koordinationsfunktion steht in grundsätzlichem Widerspruch zur gesetzlichen Ausgestaltung interbehördlicher Rechtsverhältnisse. Einer umfassenden Schadensersatzpflicht gemäß §§ 280 ff. BGB in Fallgruppe 1 stehen verfassungsrechtliche Bedenken entgegen898. Dies gilt noch in gesteigertem Maße für das Weisungsrecht des Geschäftsherrn. Die Behördenhierarchie ist wie die Kompetenzordnung grundsätzlich abschließend und überschneidungsfrei899. Insbesondere im Fall subsidiärer Zuständigkeit oder echter Doppelzuständigkeit könnte die Geschäftsherrnbehörde ein konturenloses und ungesetzliches Weisungsrecht gegenüber der auch-zuständigen Geschäftsführerbehörde erlangen und Weisungen erteilen, die im Ergebnis die auch-kostenverantwortliche Geschäftsführerbehörde mitbelasten. Auch lässt sich nicht rechtfertigen, weshalb allein aus der Tatsache, dass im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts eine der zuständigen Behörden zur Abwendung einer Gefahr begrüßenswerter Weise die Initiative ergreift, ihr eigenes Ermessen bei der Vornahme der Geschäftsführung über das Weisungsrecht der untätig gebliebenen Geschäftsherrnbehörde unbeachtlich sein soll. Dies erscheint dann besonders bedenklich, wenn die geschäftsführende Behörde auch noch sachnäher und kompetenter für die jeweilige Art der Geschäftsführung ist, wie es in der Regel bei der Gefahrenabwehr auf die Polizeibehörden zutrifft900. Die Herausgabepflicht des Geschäftsführers ist den interbehördlichen Rechtsverhältnissen fremd, da ihr die zivilrechtliche Wertung des Ausgleichs zwischen vor Fremdeinwirkung geschützten Vermögensmassen zugrunde liegt, während in Fallgruppe 1 das aus der Geschäftsführung Erlangte regelmäßig die Erfüllung einer Pflicht der Geschäftsherrnbehörde darstellt, die in natura nicht herausgegeben werden kann. § 667 BGB liegt die Wertung zugrunde, dass der Geschäftsherr die Herausgabe des Erlangten deshalb verlangen können muss, weil die Geschäftsführung in seinem Rechtskreis in aller Regel seine Rechtsgüter ver897 898 899 900
Siehe S. 205 ff. Siehe S. 111 f.; zu § 678 BGB siehe auch Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 55. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 31. Kischel, VerwArch 1999, 391 (396).
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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ändert und das Geschäftsführungsprodukt wie zuvor das Geschäftsführungsedukt seiner geschützten, subjektiven Rechtssphäre angehören und diese nicht aufgrund der auftraglosen Fremdgeschäftsführung verlassen sollen. Den interbehördlichen Rechtsverhältnissen sind geschützte, subjektive Rechtskreise fremd, es besteht bei der Verwendung der vorhandenen Mittel zur Aufgabenerfüllung weder Privatautonomie noch Handlungsfreiheit und das Eigentum der Verwaltungsträger ist auch nicht grundrechtlich geschützt901. Soweit das Erlangte vom Geschäftsführer überhaupt oder zumindest wertmäßig herausgegeben werden kann, weil er im Rahmen einer Doppelzuständigkeit tatsächlich die Befreiung von einer eigenen Pflicht erlangt hat, stellt sich die Frage, welcher Zweck damit überhaupt verfolgt werden soll. Nachdem die Rechtsprechung hierzu schweigt und bei echter Doppelzuständigkeit den Aufwendungsersatzanspruch aufgrund des Rechtsgedankens des § 426 BGB und nicht durch Anrechnung des Vorteils der eigenen Pflichterfüllung in entsprechender Anwendung des § 667 BGB modifiziert, kann ein Anwendungsbereich für die Koordinationsfunktion der §§ 677 ff. BGB nicht ausgemacht werden902. (4) Ausgleichsfunktion (a) Planwidrige Regelungslücke im geschriebenen öffentlichen Recht Kischel ist der Ansicht, dass bereits das Fehlen eines Anwendungsbereichs für die Legitimationsfunktion ein Anwendungsverbot auch für die Ausgleichsfunktion bedeutet, weil rechtswidriges Behördenhandeln stets ohne Ausgleich zu bleiben habe903. Die Frage, ob eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 1 einen Eingriff in fremde Zuständigkeiten rechtfertigen kann, ist unabhängig von der Frage zu beantworten, ob im Falle einer solchen Fremdgeschäftsführung hinterher ein Aufwendungsausgleich zu erfolgen hat. Ein zwingender Zusammenhang erschließt sich nicht und wird auch von Kischel nicht dargelegt. Kischels implizit auf Generalprävention zielende Argumentation, wonach rechtswidriges Behördenverhalten nicht auch noch gefördert werden dürfe, überzeugt nicht, weil Behörden der Rechtsstaatsbindung unterliegen und den Behördensachbearbeitern ein nachvollziehbares Eigeninteresse an einer rechtswidrigen Erweiterung ihres Aufgabenkreises, einer Erhöhung ihrer Arbeitsbelastung und einer Bereicherung zu Gunsten ihres Dienstherrn fehlt904. Es lässt sich damit nicht feststellen, dass zwingende Gründe des öffentlichen Rechts einer Ausgleichsfunktion der §§ 677 ff. BGB entgegen stehen. Zudem hat die bisherige Prüfung ergeben, dass das Konnexitätsprinzip, wonach Aufgaben- und Ausgabenverantwortung bei derselben Behörde zu liegen haben, auf der Sekundärebene ein Restitutionsgebot beinhaltet ohne das es häufig wirkungslos wäre905. Nedden argumentiert hiergegen, das Konnexitätsprinzip sei nur auf die 901 902 903 904 905
Siehe S. 108 ff.; Fn. 423; 424; 425. Siehe Fn. 834. Kischel, VerwArch 1999, 391 (403 f.). Siehe Fn. 437; a.A. offenbar Kischel, VerwArch 1999, 391 (404). Siehe S. 108 ff.
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kompetenzgemäße Aufgabenwahrnehmung anwendbar und für das Auseinanderfallen der ausführenden von der aufgaben- und ausgabenverantwortlichen Behörde enthalte es keine Regelung, weil die eingreifende, unzuständige Behörde seiner Auffassung nach die Aufgabenverantwortlichkeit an sich zieht, so dass Aufgabenund Ausgabenverantwortlichkeit auseinanderfallen906. Dies überzeugt nicht, weil es ja gerade der Aussagegehalt des Konnexitätsprinzips ist, dass die Ausgabenlast letztlich die gesetzlich aufgabenverantwortliche Behörde treffen muss. Denkt man den Gedanken Neddens weiter, so hätte das Konnexitätsprinzip gar keinen Regelungsgehalt, weil es bei der kompetenzgemäßen Ausführung der Verwaltungsaufgaben zwar dem Grunde nach anwendbar wäre, aber aufgrund der ohnehin schon bei der wahrnehmenden, aufgaben- und ausgabenverantwortlichen Behörde liegenden Kostenlast keine praktischen Folgen hätte und bei der nicht kompetenzgemäßen Aufgabenwahrnehmung generell nicht anwendbar wäre, so dass es auch für diesen Fall keine Konsequenzen fordert907. Im Übrigen erscheint auch die Behauptung Neddens, die eingreifende Behörde würde bei der auftraglosen Wahrnehmung fremder Verwaltungsangelegenheiten die Aufgabenverantwortlichkeit an sich ziehen, zweifelhaft, da dies aufgrund von Haftungsrisiken und kaum abschätzbaren haushaltsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Folgen für die geschäftsführende Behörde wohl kaum in die häufig vorkommende bloße Gefahrabwehr durch nur subsidiär zuständige oder unzuständige Verwaltungsträger hineininterpretiert werden kann und positiv festgestellt werden müsste908. Gegen die Argumentation Neddens lässt sich auch anführen, dass der Gesetzesvorbehalt einer Übernahme der Aufgabenverantwortlichkeit durch die ausführende Behörde bei Eingriffen in die Grundrechte von Privatrechtssubjekten deshalb entgegen steht, weil der Gesetzesvorbehalt sich nicht nur auf die materiellrechtlichen Eingriffsbefugnisse erstreckt, sondern auch die ergänzenden organisationsrechtlichen Bestimmungen wie die Einhaltung der gesetzlichen Zuständigkeit umfasst909. Nedden ist aber zuzustimmen, wenn er anführt, dass das Konnexitätsprinzip im Hinblick auf den Umfang eines Erstattungsanspruchs keine Aussage trifft910. Da es im öffentlichen Recht keine geschriebene, allgemeine Ausgleichsnorm für auftraglose Fremdgeschäftsführung gibt, Erstattungstatbestände in Fallgruppe 1 nur spezialgesetzlich wie in § 105 SGB X geregelt sind, das Konnexitätsprinzip aber auf die auftraglose Fremdgeschäftsführung anwendbar ist und als verfassungsrechtliche Grundentscheidung
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Siehe S. 108 ff. Siehe Fn. 431. 908 Siehe Fn. 431; so wohl auch Berger, DÖV 2014, 662 (665 f.), die anführt, dass die §§ 677 ff. BGB nicht den gesetzlichen Erfordernissen an eine Zuständigkeitsmodifikation genügen, was aber Voraussetzung für ein Übergehen der Aufgabenverantwortlichkeit wäre. 909 FS-Bartlsperger / Schenke, S. 549 f. 910 Siehe Fn. 432. 907
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einen Ausgleich fordert, liegt eine planwidrige Regelungslücke im geschriebenen öffentlichen Recht vor911. (b) Einbeziehung des ungeschriebenen öffentlichen Rechts Bevor zur Schließung einer Regelungslücke im öffentlichen Recht jedoch Rechtsinstitute aus einer anderen Teilrechtsordnung herangezogen werden dürfen, muss zunächst geprüft werden, ob nicht originär öffentlichrechtliche Rechtsinstitute in der Lage sind, die Regelungslücke zu schließen912. Begründet wird dies zutreffend mit der größeren Wesensähnlichkeit originär öffentlichrechtlicher Rechtssätze913. Lässt sich die Regelungslücke mit solchen Rechtsinstituten schließen, so liegt zumindest in der Teilrechtsordnung keine Regelungslücke vor. Hier bietet sich eine Prüfung der Lückenfüllung insbesondere durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch an, der ebenfalls auf einen Ausgleich für rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen in Sachverhalten mit Bezug zum öffentlichen Recht gerichtet ist. Es ist aber für die Annahme einer Lückenfüllung nicht ausreichend, lediglich festzustellen, dass der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch das zweckmäßigere Ausgleichsinstrument ist oder dass es keinen Bedarf für den über den Wertersatz des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch hinausgehenden Aufwendungsersatz nach §§ 677 ff. BGB gibt914. Lückenfüllung hat in ihrer Breite und ihrer Tiefe der Gesetzeslücke zu entsprechen. Wie dargelegt besteht die planwidrige Regelungslücke in Fallgruppe 1 lediglich in einem fehlenden Ausgleich für auftraglose Verwaltungstätigkeit im fremden Zuständigkeitsbereich. Ebenso wurde bereits festgestellt, dass ein über den Aufwendungsersatz hinausgehender Schadensersatzanspruch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken abzulehnen ist, da hierdurch nur die drohende Unterfinanzierung einer Behörde auf eine andere Behörde abgeladen wird, was zudem mit einer erheblichen Einschränkung der Verwaltungseffizienz einhergehen könnte915. Das Konnexitätsprinzip präzisiert die Anforderungen an einen vorzunehmenden Ausgleich nicht, entscheidet sich also weder für den Wertersatz des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs in Höhe des objektiv Erforderlichen noch für den weitergehenden Aufwendungsersatz der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, der auch nutzlose Aufwendungen und gefahrtypische Schäden ersetzt sowie Anspruch auf den Ersatz von Gemeinkosten und auf eine Vergütung gewährt. Zur Entscheidung, ob die Lückenschließung über den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch oder über eine Anwendung der §§ 677 ff. 911 Siehe Fn. 429; siehe auch Nedden, GoAÖR, S. 82, der das Bedürfnis für einen Ausgleichsmechanismus aber nur für den Fall zwischenbehördlicher Spontanhilfe bejaht. 912 Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 37; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 153; Nedden, GoAÖR, S. 166. 913 Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 68; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 542; siehe hierzu auch Fn. 108. 914 A.A. Wollschläger, JA 1979, 182 (183); ebenso Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 190; siehe hierzu auch Gusy, JA 1979, 69 (72). 915 Siehe S. 111 f.; Fn. 436.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
BGB im öffentlichen Recht erfolgt, darf nicht darauf abgestellt werden, ob die über den Tatbestand des Erstattungsanspruchs hinausgehenden spezifischen Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen der auftraglosen Geschäftsführung wie der Fremdgeschäftsführungswille dem öffentlichen Recht wesensfremd sind und die Anwendung der §§ 677 ff. BGB zur Lückenschließung deshalb abzulehnen sei oder ob eine Anwendung dieser Tatbestandsmerkmale zur Beantwortung der Ausgleichsfrage gerade deswegen angezeigt sei, weil der Erstattungsanspruch solche Merkmale nicht kennt916. Diese Argumentationsmuster entsprechen nicht der dargelegten Systematik der Rechtsfortbildung917. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch gewährt als originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut in Fallgruppe 1 einen Ausgleich für auftraglose Fremdgeschäftsführung durch einen Wertersatzanspruch in Höhe der objektiv erforderlichen Aufwendungen918. Nachdem das Konnexitätsprinzip keine Aussage zum Umfang des vorzunehmenden Ausgleichs trifft, kann der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch die planwidrige Gesetzeslücke vollumfänglich schließen, so dass das öffentliche Recht unter Einbeziehung ungeschriebener Rechtsinstitute diesbezüglich lückenlos ist919. Die Argumentation von Blas920, wonach die planwidrige Regelungslücke durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch nicht ausgefüllt werden könne, weil er andere Tatbestandsmerkmale als die §§ 677 ff. BGB hat und die auftraglose Geschäftsführung im Gegensatz zum Erstattungsanspruch eine Mehrzahl von Rechten und Pflichten auslöst, kann hiernach nicht überzeugen, weil offen bleibt, ob für diesen überschießenden Regelungsgehalt überhaupt eine auszufüllende Regelungslücke verbleibt, was positiv festzustellen wäre aber wie gezeigt zu verneinen ist. Auch die Ansicht Knapps921, wonach der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch die Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 1 nicht verdrängen könne, weil er das allgemeinere Rechtsinstitut sei und die auftraglose Geschäftsführung systematischen Vorrang genieße, entbehrt der Überzeugungskraft. Knapp überträgt hier die zivilrechtliche Systematik für das Verhältnis der §§ 677 ff. BGB zum Bereicherungsrecht ohne zu berücksichtigen, dass der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch ein eigenständiges, originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut ist und die zivilrechtliche Systematik auf das öffentliche Recht grundsätzlich nicht anwendbar ist. Im öffentlichen Recht genießen öffentlichrechtliche Anspruchsgrundlagen stets den systematischen Vorrang vor zivilrechtlichen Rechtsinstituten.
916 A.A. Klein, DVBl 1968, 166 (169); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 190; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 36. 917 Siehe S. 138 ff. 918 Siehe S. 75 ff.; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 553. 919 Siehe S. 108 ff. 920 Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 36. 921 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 139.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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Für eine Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht fehlt es somit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. bb) Methoden der Rechtsfortbildung Nachdem bei Einbeziehung des ungeschriebenen öffentlichen Rechts bereits keine Regelungslücke besteht, kommt eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB weder als Analogie noch als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder Rechtsgedanke in Frage. Die in der Wissenschaft vertretenen Auffassungen zum Vorliegen der Voraussetzungen dieser Formen der Rechtsfortbildung geben jedoch Anlass zu einer strukturierten Auseinandersetzung hiermit. (1) Analogie Um eine Herleitung der entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB über die Analogie annehmen zu können, müsste der im öffentlichen Recht nicht gesetzlich geregelte Fall der auftraglosen Geschäftsführung in Fallgruppe 1 mit der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im Wesentlichen vergleichbar sein und eine inhaltliche und strukturelle Nähe im Sinne funktionaler Äquivalenz aufweisen922. Für gewöhnlich wird die vergleichbare Interessenlage in der Wissenschaft mit den Argumenten abgelehnt, im öffentlichen Recht gelte keine Privatautonomie, öffentlichrechtliche Rechtsträger könnten nicht wie Privatrechtssubjekte in Not geraten, dürften ihre Mittel nicht freiverantwortlich einsetzen, sondern seien der Aufgabenerfüllung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, des Gesetzesvorbehalts und Gesetzesvorrangs und dem Primat der bestmöglichen Verfolgung des öffentlichen Interesses verpflichtet923. Diese Kritik ist zwar überzeugend und auch geeignet, die grundsätzliche Wesensähnlichkeit in Frage zu stellen, bleibt aber rechtssystematisch zu allgemein. Der Sachverhalt, dem die Konstellationen der auftraglosen Fremdgeschäftsführung im öffentlichen Recht in Fallgruppe 1 ähneln müssten, um die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der §§ 677 ff. BGB darzulegen, wird durch den Tatbestand der auftraglosen Geschäftsführung im Zivilrecht definiert. Lassen sich die im öffentlichrechtlichen Sachzusammenhang in Fallgruppe 1 anzutreffenden Sachverhalte unter die Tatbestandsmerkmale des Zivilrechts subsumieren, so ist eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen deswegen naheliegend, weil dann systematisch kongruente Sachverhalte bestehen, aber nur in einer Teilrechtsordnung hieran bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden. Dies gelingt jedoch nicht.
922
Siehe S. 140 ff.; Fn. 571. Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 42; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 76; Kischel, VerwArch 1999, 391 f.; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 186; Stelkens, DVBl 2003, 22 (24); a.A. Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 41. 923
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
(a) Geschäftsbesorgung für einen anderen Bereits der Begriff des „Geschäfts“ fügt sich nicht in das herkömmliche öffentlichrechtliche Systemverständnis ein. Das Geschäft ist eine typische Handlungsform der Privatrechtssubjekte zur Umsetzung, Veränderung oder Bewahrung von Vermögensrechten, mit der öffentlichrechtliche Rechtsträger lediglich im Rahmen der Fiskalverwaltung oder bei spezialgesetzlicher Gestattung wie im Rahmen öffentlichrechtlicher Verträge handeln. Im Rahmen hoheitlicher Verwaltung agieren Verwaltungsträger zur Maximierung ihrer Effektivität einseitig und durch Befehl, was im interbehördlichen Rechtsverhältnis grundsätzlich nicht abweichend zu beurteilen ist, wie die Regelungen des Aufsichtsrechts oder das zu Fallgruppe 1 vorliegende Fallmaterial zeigen. Da die Pflicht zur Aufgabenerfüllung weder für die zuständige Behörde noch für die Aufsichtsbehörde disponibel ist und etwaige Gegenleistungen im Gesetz geregelt sind, besteht im Bereich hoheitlicher Verwaltung auch kein Grund, ein Handeln durch Geschäfte, also Austauschverhältnisse zuzulassen. Die Fremdheit des ausgeführten Geschäfts bereitet in der öffentlichrechtlichen Systematik keine Probleme, so lange die geschäftsführende Behörde selbst nicht auch-zuständig ist. Im häufigen Fall einer subsidiären oder Doppelzuständigkeit der geschäftsführenden Behörde lässt sich jedoch nicht begründen, weshalb in der kompetenzmäßigen Handlung der zuständigen Behörde eine Geschäftsführung auch für eine andere Behörde liegen soll924. Die Rechtsfigur des auch-fremden Geschäfts, die bereits im Zivilrecht systematisch fragwürdig hauptsächlich das von der Rechtsprechung angestrebte Ergebnis eines Aufwendungsersatzanspruches gemäß §§ 677 ff. BGB herbeiführen soll, entzieht sich mangels Betroffenheit grundrechtlich geschützter, subjektiver Rechtsgüter der Verwaltungsträger in Fallgruppe 1 einer Begründung925. Da nur die objektive Rechtsordnung in Gestalt des Gebotes der bestimmungsgemäßen Mittelverwendung berührt ist und die Geschäftsführung ohnehin im Rahmen der Zuständigkeit der handelnden Behörde getätigt wurde, verlangt auch das Konnexitätsprinzip keinen Ausgleich. (b) Wille des Beteiligten als Kriterium Das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens bei dem Geschäftsführer und die Willenskonformität bei dem Geschäftsherrn als Anforderungen an eine berechtigte Geschäftsführung im Rahmen der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag leiten sich aus der Willensfreiheit der Privatrechtssubjekte im Rahmen ihrer Privatautonomie ab926. Der Wille der Privatrechtssubjekte ist nur deswegen als Tatbestandsmerkmal zur Abgrenzung verschiedener Rechtsfolgenanordnungen geeignet, weil Privatrechtssubjekte einen im Rechtsverkehr beachtlichen Willen bilden können927. Nachdem Verwaltungsträger selbst nicht willensfähig sind, ihren Be924 925 926 927
Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (104); Schubert, AcP 1978, 425 (445); siehe Fn. 747. Siehe S. 33 ff.; Fn. 423; 424; Maurer, JuS 1970, 561 (563). Siehe S. 27 ff.; Fn. 58. Siehe Fn. 58.
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diensteten bei der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben keine Privatautonomie zukommt und sie aufgabenbezogen ihren Willen selbst dann nicht frei bilden können, wenn sie Ermessenaufgaben erfüllen, da auch dies gesetzlich geregelt ist, kann der Wille eines Verwaltungsträgers kein Kriterium zur Abgrenzung unterschiedlicher Rechtsfolgenanordnungen sein. Dies korreliert mit der geringen Bedeutung, die dieses Tatbestandsmerkmal tatsächlich in der Rechtsprechungspraxis der Fallgruppe 1 wegen der häufigen Heranziehung des § 679 BGB hat928. Soweit die Rechtsprechungspraxis darüber hinaus ergebnisorientiert mit Fiktionen und Vermutungen arbeitet, haben Knapp und Schenke zutreffend eingewandt, dass dies im Widerspruch zum Amtsermittlungsgrundsatz der Verwaltungsgerichte steht und abzulehnen ist929. (c) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung Auch das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Auftrags und der fehlenden sonstigen Berechtigung ergibt sich aus der im Zivilrecht regelmäßig bestehenden Relativität der Rechtsverhältnisse. Ein Verwaltungsträger, der innerhalb seiner Zuständigkeiten eine Aufgabe wahrnimmt, handelt jedoch stets im Auftrag der objektiven Rechtsordnung und mit der Berechtigung, die sich aus seiner gesetzlichen Zuständigkeit ergibt930. Nur der unzuständige Geschäftsführer könnte in Fallgruppe 1 überhaupt ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung handeln. Nachdem nur relativ wirkende Berechtigungen für eine Behörde, in einen fremden behördlichen Zuständigkeitsbereich einzugreifen, im öffentlichen Recht soweit ersichtlich nicht existieren und auch keinen Sinn ergäben, da es gerade Zweck der Verwaltungstätigkeit ist, absolut gegenüber jedermann gültig und wirksam zu sein, ist das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Auftrags und der fehlenden sonstigen Berechtigung ungeeignet, Rechtsfolgenanordnungen voneinander abzugrenzen. Soweit man das Tatbestandsmerkmal in das Erfordernis einer fehlenden eigenen Zuständigkeit uminterpretiert, wird sein Wesensgehalt verändert, der für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Analogie aber gerade beibehalten werden müsste. (2) Allgemeine Rechtsgrundsätze Für eine Herleitung der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder allgemeiner Rechtsgedanke, müsste der ihr zugrunde liegende Kausalzusammenhang aus Tatbestand und Rechtsfolgen im öffentlichen Recht als ungeschriebene, übergeordnete Regel aus dem Gesamtzusammenhang der für den zu entscheidenden Fall grundsätzlich anwendbaren Normen abzuleiten sein931. Insbesondere Blas und Hoepffner haben als eine solche, auch im öffentlichen Recht gültige Grundregel den Zweck der Förderung spontaner, zwi928
Siehe Fn. 809. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 126; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 535. 930 Siehe Fn. 796; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; Kischel, VerwArch 1999, 391 (404); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 793. 931 Siehe S. 143 ff.; Fn. 586; 590. 929
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
schenmenschlicher Hilfsbereitschaft durch Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruches erkannt932. Hiergegen argumentieren Knapp, Wollschläger, Maurer und von Einem und führen an, dass der Grundgedanke der §§ 677 ff. BGB nicht die Förderung des altruistischen Einsatzes für den Mitmenschen sei, sondern die Bereitstellung einer Ausgleichsordnung für die Fremdgeschäftsbesorgung933. Nedden wird hierzu konkreter und führt an, dass zwar ein allgemeiner Rechtsgedanke vorhanden sei, wonach altruistische Geschäftsführung erwünscht sei, womit es aber auch sein Bewenden habe, da zwar hieraus noch ein Tatbestand, aber keinerlei Rechtsfolgen ableitbar seien934. All diese Ansichten begründen nicht nachvollziehbar, woraus die genannten Rechtsgrundsätze im öffentlichen Recht resultieren sollen. Nachdem die Geschäftsführung ohne Auftrag nur im Zivilrecht normiert ist, müsste sich aus Normen des öffentlichen Rechts oder ihm zugrunde liegenden Wertungen ergeben, dass die auftraglose Geschäftsbesorgung einer Behörde für eine andere Behörde auch im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit einen Ausgleichsanspruch begründen soll. Für eine solche Wertung finden sich im öffentlichen Recht keine Anhaltspunkte. Hilfsbereitschaft muss zwischen Behörden nicht gefördert werden, da Behörden kein subjektives Eigeninteresse an der Rettung ihrer Rechtsgüter oder der Erfüllung ihrer Aufgaben haben und überdies die abschließende Kompetenzordnung solche Hilfeleistung untersagt, sofern sie sie nicht ausnahmsweise ausdrücklich gestattet. Für eine solche ausdrückliche Gestattung sind die §§ 677 ff. BGB aber zu unbestimmt, weil sie einer Generalklausel gleich nahezu jede unbefugte Inanspruchnahme fremder Verwaltungszuständigkeit entgegen der Rechtsordnung rechtfertigen könnten. Die Ableitung aus einem der Rechtsordnung angeblich zugrunde liegenden und wenig präzise als Ausgleichsprinzip bezeichneten Grundsatzes ist ebenso abzulehnen, weil ein solches Prinzip – wenn es denn überhaupt existiert – im Konnexitätsprinzip aufgegangen ist. Das Konnexitätsprinzip trifft Aussagen jedoch nur im Rahmen der Ausgleichsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, so dass die vorgeschaltete Frage, welcher Tatbestand vorliegen muss, hiermit schon gar nicht beantwortet werden kann und überdies durch das Konnexitätsprinzip eine Rechtsfolgenanordnung über den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch hinaus nicht erkennbar ist935. Überdies ist auch Nedden zuzustimmen, wenn er anführt, dass selbst beim Vorliegen der zitierten Rechtsgrundsätze hieraus nicht abgeleitet werden kann, dass die §§ 677 ff. BGB mit ihren Tatbestandsmodifikationen wie § 679 BGB, den zahlreichen Nebenpflichten und besonderen Rechtsfolgen wie Schadensersatz und Aufwendungsersatz über das Erforderliche hinaus als Manifestation der ge-
932 Blas, BayVBl 1989, 648 (649); Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 44 ff., 96; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 28, 78 f.; ebenso Klein, DVBl 1968, 166 (167); unklar hierzu Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 642, 651. 933 von Einem, NWVBl 1992, 384; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 106; Maurer, JuS 1970, 561 (565); Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 35, 98. 934 Nedden, GoAÖR, S. 127. 935 Siehe S. 223 f.
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nannten, allgemeinen und unspezifischen Rechtsgrundsätze begründbar sind936. Von den Ansichten, die die Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze befürworten, wird selbst bei Unterstellung der Existenz und Richtigkeit des jeweils zugrunde liegenden Rechtssatzes die entscheidende Hürde, nämlich die Begründung und Ableitung des Tatbestandes und der Rechtsfolgen der §§ 677 ff. BGB aus dem materiellen Gehalt des Rechtsgrundsatzes, schlicht weggelassen. Während sich die Haftung der Verwaltungsträger für Pflichtverletzungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis wie gezeigt in Tatbestand und Rechtsfolgen vollständig auf die dargelegten Rechtsgrundsätze zurückführen lässt, erscheint dies angesichts des sehr viel umfangreicheren Regelungsgehalts der §§ 677 ff. BGB und des beschränkten Aussagegehalts der hierfür zitierten Rechtsgrundsätze als kaum lösbare Aufgabe. Es ist deshalb den Ausführungen von Schenke937 zuzustimmen, wonach der Nachweis, die Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht sei aus einem allgemeinen Rechtsgedanken herzuleiten, noch nie erbracht worden ist. c) Zusammenfassung In Fallgruppe 1 kann die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht als ein in Theorie und Praxis gescheitertes Rechtsinstitut bezeichnet werden. Die Rechtsprechung zeichnet ein unstimmiges, unsystematisches Bild der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht, das der Ausbildung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit entgegensteht. Zudem fehlt der dogmatische Unterbau des Rechtsinstituts. Trotz intensiver, jahrzehntelanger Bemühungen der Wissenschaft entfalten die Herleitungsversuche immer noch keine Überzeugungskraft938. Für die Rechtsfortbildung fehlt es bei Berücksichtigung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke im öffentlichen Recht, sondern – diese unterstellt – auch an einer geeigneten Methode zur Schließung durch die entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB. Der Grund hierfür liegt pauschal ausgedrückt in der Wesensfremde der auftraglosen Geschäftsführung in der öffentlichen Teilrechtsordnung. 2. Fallgruppe 2 (Ö/P) a) Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung Nach der zivilrechtlichen Konzeption der §§ 677 ff. BGB ist das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr auf der Rechtsfolgenseite in erster Linie geprägt durch den Aufwendungsausgleich. Dieser wird flankiert von Nebenpflichten und verschiedenen verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängi936 937 938
Siehe Fn. 934. FS-Bartlsperger / Schenke, S. 543 f. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 69.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
gen Schadensersatzansprüchen, die ihrerseits wieder spezialgesetzlicher Modifikation, insbesondere durch § 680 BGB unterliegen. Liegt ein hoheitlicher Sachzusammenhang der Geschäftsführung ohne Auftrag eines Verwaltungsträgers für ein Privatrechtssubjekt zugrunde, so verbieten die Grundrechte willkürliche Eingriffe der Verwaltungsträger in die private Vermögenssphäre zur Erlangung von Aufwendungsersatz. Des Weiteren gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG aber sowohl der Verwaltung als auch den Gerichten, wesensmäßig gleiche Sachverhalte im Rahmen der anwendbaren Gesetze auch gleich zu behandeln. Dies dient nicht nur der Herstellung materieller Gerechtigkeit, sondern soll unvermeidbare und rechtmäßige Grundrechtseingriffe für die betroffenen Privatrechtssubjekte auch vorhersehbar und in den Folgen einschätzbar gestalten. Nachdem die Rechtsprechung im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 konsequent zurückbaute und bereits Aussicht auf eine vollständige Abschaffung bestand, kehrte sich diese Entwicklung in jüngerer Zeit um. Die höchstrichterlichen Entscheidungen im Rechtsanwalts- und Leichenerstversorgungsfall setzten sich nicht nur in Widerspruch zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, sondern brachen auch mit eigenen Grundsätzen älterer Entscheidungen, insbesondere aus dem Rinderfall, weshalb beide Entscheidungen einer eingehenden Betrachtung bedürfen939. aa) Rechtsanwaltsfall Der Beschluss des BGH im Rechtsanwaltsfall verdeutlicht die Schwierigkeiten der Rechtsprechung im Rahmen der Qualifizierung eines fremden Geschäfts bei Handlungen einer Behörde sowohl im eigenen Aufgaben- wie auch im Interessenbereich eines Privatrechtssubjekts940. Die Entscheidung, wonach die RAK Aufwendungsersatz für die Beauftragung des Gutachters verlangen könne, obwohl § 15 BRAO eine abweichende abschließende Regelung enthält, verdient Kritik. Da der Rechtsanwalt von der RAK nicht gezwungen werden kann, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen, sondern dies allenfalls tun sollte, um nicht den Verlust seiner Anwaltszulassung zu riskieren, stellt die Beauftragung des Gutachters keine Pflicht des Privatrechtssubjekts, sondern nur eine Obliegenheit dar. Im Fernmeldekabelfall wurde noch höchstrichterlich festgestellt, dass bei abschließender Regelung von Aufwendungsersatzansprüchen gemäß § 53 TKG a.F. die Pflichterfüllung des Verwaltungsträgers für das Privatrechtssubjekt im Widerspruch zur ausdrücklichen Regelung, wonach das Privatrechtssubjekt selbst die Maßnahmen
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Siehe S. 73 f.; Fn. 182; 185; 187; der IV. Senat des BGH äußerte sich noch 2006 sehr zurückhaltend zur Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Konkurrenz zu öffentlichrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen und stellte fest, dass öffentlichrechtliche Kostenbestimmungen sachlich regelmäßig den gesamten Bereich des Aufwendungsersatzes für behördliche Einsätze abdecken, BGH, Urteil vom 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05 –, juris Rn. 13. 940 Siehe S. 56; Fn. 187.
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auf eigene Kosten durchzuführen hat, keine Aufwendungsersatzansprüche auslöst941. Dem ist zuzustimmen, da ansonsten spezialgesetzliche Kostenersatzvorschriften ausgehöhlt würden. Da auch § 15 BRAO eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen sowie des Kostenersatzes darstellt, ist a maiore ad minus davon auszugehen, dass die Erfüllung einer Obliegenheit des Geschäftsherrn dem behördlichen Geschäftsführer erst recht keinen Aufwendungsersatzanspruch gewähren kann, wenn schon die Geschäftsführung zur Pflichterfüllung dies nicht vermag942. Zur Erfüllung einer Obliegenheit kann das Privatrechtssubjekt gerade nicht gezwungen werden. Die Entscheidung unterliegt ausschließlich seiner eigenen Beurteilung und ist insoweit vergleichbar mit der behördlichen Ermessensausübung, bezüglich derer sowohl BVerwG als auch BGH in ständiger Rechtsprechung betonen, dass sie nicht durch Geschäftsführungshandlungen übergangen werden dürfe943. Auch die Argumentation des BGH, wonach die Beauftragung des Gutachters direkt durch die RAK keinen zusätzlichen Eingriff darstellt, überzeugt nicht, weil erst die Beauftragung durch die RAK zu einem Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Rechtsanwalt führt, der bei Nichtbeauftragung nicht entstanden wäre944. Nach den von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen aus dem Baumfall fehlt in einem derartigen Fall der faktischen Ersatzvornahme durch die Behörde nach Anordnung der Maßnahme gegenüber dem Privatrechtssubjekt darüber hinaus auch das Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung, was der BGH hier gar nicht erst anspricht, obwohl er davon ausgeht, dass die RAK zur Beauftragung berechtigt war, weil diese für sich genommen keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Privatrechtssubjekts darstelle945. Es drängt sich deshalb der Eindruck auf, dass es sich bei der Entscheidung des BGH im Rechtsanwaltsfall um eine von Billigkeitserwägungen getragene Einzelfallentscheidung mit dem Ziel handelt, dem Rechtsanwalt trotz des rechtswidrigen Handelns der RAK nicht die Kosten für das Gutachten nur deshalb zu erlassen, weil der Gutachter sich geweigert hatte, das Gutachten unmittelbar für den Rechtsanwalt zu erstellen. Der Ansicht des BGH kann wegen des dargelegten Gesetzesverstoßes dennoch nicht gefolgt werden. Die RAK hätte einen anderen Gutachter bestimmen können und müssen946. Wenn das Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts in Fallgruppe 2 den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB auch für Tätigkeiten lediglich im Interesse des Privatrechtssubjekts ohne eine korrespondierende Pflicht des Geschäftsherrn öffnet und selbst abweichende, ab941
BVerwG, Beschluss vom 28. 03. 2003 – 6 B 22/03 –, juris Rn. 7 ff. Siehe S. 73. 943 BVerwG, Urteil vom 06. 09. 1988 – 4 C 5/86 –, juris; BGH, Urteil vom 13. 07. 1995 – III ZR 160/94 –, juris. 944 BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 11 liefert keine Begründung für die These des fehlenden Eingriffs. 945 Auf die Form der Anordnung kommt es hierbei nicht an, VGH Mannheim, Beschluss vom 17. 02. 2004 – 5 S 1460/03 –, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 02. 11. 2013 – AnwZ (Brfg) 10/13 –, juris Rn. 11. 946 Feuerich / Vossebürger, § 15 Rn. 6. 942
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schließende Kostenerstattungsregelungen einem Aufwendungsersatzanspruch in einem solchen Fall nicht entgegen stehen sollen, so stellt dies eine unbestimmte Generalermächtigung der Verwaltung zu beliebigen Eingriffen in die geschützte Rechtssphäre der Privatrechtssubjekte contra lege dar. Einem derartigen Erstattungsverlangen stehen die Grundrechte der betroffenen Privatrechtssubjekte entgegen. bb) Leichenerstversorgungsfall Als jüngstes Beispiel höchstrichterlicher Zivilrechtsprechung zur Anwendung der §§ 677 ff. BGB kommt dem Beschluss des BGH im Leichenerstversorgungsfall besondere Signalwirkung für die zukünftige Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 zu947. Diese Entscheidung zeigt die rechtssystematischen Probleme, die eine Qualifizierung der Geschäftsführung anhand des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts bereitet und zeigt auf, wie die Zivilgerichte durch die Anwendung der §§ 677 ff. BGB spezialgesetzlich angeordnete Kostenfestsetzungsverfahren umgehen. Bereits die privatrechtliche Qualifizierung des Rechtsstreits durch den BGH vermag selbst nach den Kriterien der überwiegenden Ansicht, der der BGH folgt, unter Berücksichtigung der Rechtsnatur des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts nicht zu überzeugen. Der BGH erkennt zwar, dass die Bestattungspflicht des Beklagten aus § 20 BbgBestG eine öffentlichrechtlich zu qualifizierende Pflicht ist, stellt aber dennoch auf die privatrechtlich zu qualifizierende, allgemeine Totenfürsorgeberechtigung ab. Die polizeiliche Beschlagnahme einer Leiche aufgrund von § 159 StPO a.F. suspendiert Rechte und Pflichten des Totenfürsorgeberechtigten bis zur Freigabe der Leiche nach § 159 II StPO a.F. bereits deshalb, weil ihm Transport und Bestattung aufgrund der Beschlagnahme verboten und tatsächlich unmöglich sind948. Wenn das Privatrechtssubjekt im Zeitpunkt der behördlichen Geschäftsführung weder über das Recht verfügte noch die Pflicht hatte, die Versorgung der Leiche selbst durchzuführen, so kann es sich bei Fremdvornahme nicht auch um sein Geschäft handeln, denn es fehlt am Bezug zur Rechts- oder Interessensphäre des Geschäftsherrn. Eine Qualifizierung anhand des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts ist folglich nicht möglich. Zudem verkennt der BGH bei der Qualifizierung des Rechtsstreits aufgrund des privatrechtlichen Totenfürsorgerechts die Spezialität des § 20 BbgBestG. Die §§ 19, 20 BbgBestG stellen für den Bereich der Gefahrenabwehr die normative Konkretisierung der Pflichten des Totenfürsorgeberechtigten in der Beziehung zu den Polizei- und Ordnungsbehörden dar, indem sie detailliert regeln, wer die Bestattung auf welche Weise innerhalb der gesetzlichen oder einer behördlichen Frist vorzunehmen hat. § 159 II StPO a.F. ergänzt lediglich die landesrechtlichen Vorschriften des Bestattungswesens949. 947
Siehe S. 55; Fn. 185. SK-StPO II / Wohlers, § 94 Rn. 5; LR-StPO V / Erb, § 159 Rn. 1; OVG Berlin, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris. 949 LR-StPO V / Erb, § 159 Rn. 1. 948
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Nimmt nun ein Verwaltungsträger Bestattungshandlungen für das bestattungspflichtige Privatrechtssubjekt vor, so ist die Geschäftsführung nach den speziellen Vorschriften des BbgBestG in dessen Anwendungsbereich zu beurteilen und als öffentlichrechtlich zu qualifizieren; eine Beurteilung nach dem allgemeinen Totenfürsorgerecht wäre schon deshalb zweckwidrig, weil dieses keine dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügenden Voraussetzungen für eine Bestattung auf Kosten des Verpflichteten enthält. Das Argument des BGH zur materiellen Rechtmäßigkeit, eine Qualifizierung der Maßnahme anhand von § 20 BbgBestG käme nicht in Frage, weil eine polizeiliche Beschlagnahme nach § 159 StPO a.F. und gerade keine Ersatzvornahme nach § 20 BbgBestG vorgenommen worden sei, geht fehl und zeigt gerade, dass eine Qualifizierung anhand des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts ausscheiden muss, denn es handelte sich um Maßnahmen im Rahmen polizeilicher Ermittlungen zur Beweissicherung, die der Geschäftsherr nicht vornehmen kann, zu einem Zeitpunkt, als seine Pflicht zur Totenfürsorge suspendiert war950. Zutreffend wäre der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet gewesen951. Auch in materieller Hinsicht überzeugt die Argumentation nicht. Nachdem der BGH im Zementstaubfall festgestellt hatte, dass die Behörde beim Aufbringen der besonderen Schutzschicht auf die Straße ein eigenes Geschäft geführt hat, weil Veränderungen am Straßenkörper von der Straßenbaubehörde im Rahmen eigener Pflichterfüllung vorgenommen werden und es als zweifelhaft bezeichnete, ob dies schon deshalb so zu lösen sei, weil das Privatrechtssubjekt keine Veränderungen an der Fahrbahnoberfläche vornehmen kann, ließe sich diese Argumentation auch auf den Leichenerstversorgungsfall übertragen952. Die Leichenerstversorgung im Auftrag der Staatsanwaltschaft zur Ermittlung der Todesursache stellt eine Maßnahme im Kernbereich der Beweissicherung für eine mögliche Strafverfolgung dar, bei der die Staatsanwaltschaft schon deshalb ausschließlich zur eigenen Pflichterfüllung und nicht für den Totenfürsorgeberechtigten handelt, weil dieser als Täter noch nicht ausgeschlossen werden kann. Da das Privatrechtssubjekt die Leichenerstversorgung nach der behördlichen Beschlagnahme weder selbst durchführen darf noch kann, ist das Geschäft dem Rechts- und Interessenkreis des Privatrechtssubjekts für diesen Zeitraum kraft Gesetz entzogen, so dass es sich auch nicht um sein Geschäft und damit um ein für die Behörde fremdes Geschäft handeln kann953. In Bezug auf die materiellrechtliche Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht verwies der BGH lediglich darauf, dass die Kostenerstattungspflicht in § 159 StPO a.F. nicht abschließend geregelt und deswegen daneben ein Aufwendungsersatzanspruch aufgrund von §§ 677 ff. BGB gegeben 950
SK-StPO III / Wohlers, § 159 Rn. 1. OVG Berlin, Beschluss vom 23. 05. 2014 – OVG 12 N 12.13 –, juris. 952 BGH, Urteil vom 01. 03. 1974 – V ZR 82/72 –, juris Rn. 8. 953 Die Vornahme der Erstversorgung des Leichnams erfolgte auch nach Ansicht des BGHs nicht aufgrund eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien, sondern zur Beweissicherung gemäß § 159 StPO, BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 15. 951
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
sei954. Das Strafprozessrecht geht grundsätzlich davon aus, dass die Verfahrensbeteiligten ihre Kosten selbst tragen, wozu nach § 464a I S. 2 StPO auch die Auslagen der Staatskasse zur Vorbereitung der öffentlichen Klage, mithin die Auslagen im Ermittlungsverfahren gehören955. Erfolgt entgegen § 464 I StPO keine Kostenentscheidung, so fallen die Kosten der Staatskasse zur Last956. Die Ermittlungen im Falle eines unnatürlichen Todes zur Feststellung der Todesursache werden zwar nach einhelliger Meinung nicht als Ermittlungsverfahren im Sinne der StPO qualifiziert, der BGH bleibt jedoch den Nachweis dafür schuldig, dass für den Auslagenersatz bei den Ermittlungen zur Bestimmung der Todesursache durch die Staatsanwaltschaft eine planwidrige Regelungslücke bestehe, die durch eine hinreichend begründbare Methode der Rechtsfortbildung geschlossen werden könne, um eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB im Strafrecht überhaupt erst zu ermöglichen957. Eine dogmatisch und rechtssystematisch nachvollziehbare Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag der Staatsanwaltschaft im Strafrecht muss jedoch scheitern. Noch weniger als im Verwaltungsrecht darf die Strafverfolgungsbehörde sich bei der Erforschung des Sachverhalts dem Weisungsrecht eines möglicherweise an der zu erforschenden Straftat Beteiligten gemäß § 681 S. 1 BGB unterwerfen. Wenn die Interessen und der Wille des Geschäftsherrn nicht auf eine Aufklärung einer unbekannten Todesursache gerichtet sind, so stünde auch eine Schadensersatzhaftung der Staatsanwaltschaft entsprechend §§ 677, 280 BGB im Raum. Überhaupt ergibt der Maßstab einer willens- und interessengerechten Geschäftsbesorgung bei Maßnahmen der Strafverfolgung oder ihrer Vorbereitung keinen Sinn. Die Strafverfolgungsbehörde handelt aufgrund ihrer gesetzlichen Ermittlungsbefugnisse gegenüber jedermann berechtigt im Sinne des § 677 BGB, so dass es jedenfalls auch am Tatbestandsmerkmal der fehlenden sonstigen Berechtigung zur Geschäftsbesorgung fehlt958. Diese Ausführungen zeigen bereits, dass es im Strafprozessrecht wegen des regelmäßig bestehenden offenen Interessenkonflikts und der hoheitlichen Eingriffsbefugnisse, die sich mit einer fremdnützigen Geschäftsbesorgung nicht vereinbaren lassen, keine regelungsbedürftige Konstellation einer Geschäftsführung ohne Auftrag der Strafverfolgungsbehörde für Privatrechtssubjekte geben kann. Jedenfalls fehlt es stets an einer vergleichbaren Interessenlage im Rahmen einer Analogie oder an einer entsprechenden Rechtsüberzeugung als allgemeiner Rechtsgrundsatz. Eine Umgehung des strafprozessualen Kostenfestsetzungsver954
BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 13. SK-StPO VIII / Degener, Vor § 464 Rn. 8. 956 SK-StPO VIII / Degener, § 464 Rn. 10. 957 Zur strafprozessualen Qualifizierung der Leichensachen, BGH, Urteil vom 02. 12. 2003 – 1 StR 102/03 –, juris Rn. 17 f.; pauschal zur Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB beim Auslagenersatz in Leichensachen ohne dogmatisch nachvollziehbare Herleitung, BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 13. 958 Eine a.A. hierzu vertritt Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 640 f., der darauf abstellen will, ob eine relative Berechtigung der geschäftsführenden Behörde vorlag, die Geschäftsführung mit verpflichtender Wirkung für den privaten Geschäftsherrn vorzunehmen. Diese Meinung lässt sich nicht aus dem Wortlaut des § 677 BGB begründen. 955
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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fahrens durch die Geltendmachung des Auslagenersatzes im Zivilrechtsweg würde überdies die besonderen Anforderungen des Rechtsschutzes gegen die Kostenentscheidungen nach § 464 III StPO unterlaufen, wenn man eine Anwendbarkeit des § 464 StPO auf Leichensachen bejaht959. Der Leichenerstversorgungsfall zeigt deutlich die fehlende dogmatische Durchdringung bei der Qualifizierung der Geschäftsführung sowie den nachlassenden Begründungsaufwand bei der Herleitung des Rechtsinstituts und seiner Anwendung im Konflikt mit spezialgesetzlichen Verfahrensgrundsätzen und Kostenerstattungsverfahren. cc) Konsequenzen für den Rechtsanwender Die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in der Rechtsprechung erweist sich insbesondere in Fallgruppe 2 als kaum berechenbar. Während die im Hinblick auf öffentliches Recht sachnähere Verwaltungsgerichtsbarkeit den Aufwendungsersatzverlangen der Verwaltungsträger in Fallgruppe 2 zurückhaltend gegenüber steht, zeigt sich in der Zivilrechtsprechung eine bedenkliche Tendenz zur rechtssystematisch weitgehend entkleideten Expansion des Rechtsinstituts aus Billigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen entgegen früherer restriktiverer Rechtsprechungstendenzen, ohne sich von diesen jedoch ausdrücklich abzuwenden960. Es kann nicht davon gesprochen werden, dass sich im Hinblick auf die grundsätzlichen Voraussetzungen einer Anwendung oder im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale scharfe Konturen ergeben hätten. Aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung kann nicht beurteilt werden, ob ein fremdes Geschäft nun eine Pflicht des Geschäftsherrn, nur eine Obliegenheit oder allgemein ein Tätigwerden im Interesse des Privatrechtssubjekts erfordert und inwieweit eine korrespondierende Pflicht des Verwaltungsträgers das Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts wieder entfallen lässt oder lediglich der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens entgegen steht. Da 959
Zweifelhaft, LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 25. Siehe hierzu insbesondere auch Fn. 138; zu den zurückhaltenden Tendenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit siehe Fn. 183; 184; 189; 959; beachte insbesondere auch BVerwG, Urteil vom 01. 12. 2010 – 9 C 8/09 –, juris Rn. 55, in dem das BVerwG die Erschließungsmaßnahmen einer GmbH am Grundstück der privaten Klagepartei auf Veranlassung einer Gemeinde im Rahmen eines nichtigen Vertrages zwischen der GmbH und der Gemeinde als Geschäftsführung nur für die Gemeinde und nicht für die Klagepartei qualifizierte, weil es sich um eine Aufgabe der Gemeinde gemäß § 123 I BauGB handelte, obwohl die Erschließung auch im Interesse der Klagepartei lag; siehe hierzu auch VGH München, Beschluss vom 07. 11. 2016 – 4 ZB 15.2809 –, juris Rn. 9, indem das Gericht davon ausgeht, dass die Anwendung von §§ 677 ff. BGB ausschließende und vorrangige spezialgesetzliche Normen bereits dann vorliegen können, wenn diese für den vorliegenden Sachverhalt keine Regelung enthalten; ebenso skeptisch VG Hannover, Urteil vom 07. 11. 2016 – 10 A 598/16 –, juris Rn. 25 ff.; siehe ebenso VGH München, Urteil vom 24. 09. 2015 – 4 B 14.1831 –, juris Rn. 29, der die Beseitigung einer von einem Privaten verursachten Ölspur durch die Behörde nicht als Geschäftsführung ohne Auftrag der Behörde für das Privatrechtssubjekt qualifiziert, weil kein bestandskräftiger, ihm die Kostenerstattung aufgebender Verwaltungsakt und kein zivilrechtlicher Anspruch der Behörde gegen das Privatrechtssubjekt auf Kostenerstattung besteht. 960
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
auch die Herleitung der Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB von der Zivilrechtsprechung offen gelassen und nur vereinzelt auf den abschließenden Charakter bestimmter Kostenersatzregelungen Bezug genommen wird, bleibt offen, ob der BGH Regelungslücken nur in Bezug auf die Ausgleichsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag oder für das gesamte Rechtsinstitut erkennt und welche Folgerungen hieraus für die Anwendung resultieren961. Auch die Instanzrechtsprechung ergibt kein einheitliches Bild und distanziert sich vereinzelt ausdrücklich von den Ansätzen des BGH mit unterschiedlichen Argumenten962. Insbesondere im Hinblick auf die jüngste Kehrtwende der Zivilrechtsprechung durch die ausgeführten Entscheidungen des BGH kann nicht davon gesprochen werden, dass der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 ein im Hinblick auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinreichend konkretisiertes Anwendungskonzept zugrunde liegt. Die Rechtsprechung ist weder vorhersehbar noch garantiert sie die Gleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. b) Herleitung im Konflikt mit dem Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke Während die Rechtsprechung für die von ihr vorausgesetzte Herleitung der entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff. BGB als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder im Wege der Analogie offenbar vom Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke in Fallgruppe 2 ausgeht, wird dieses Problem in der Wissenschaft mit verschiedenen Ergebnissen diskutiert963. Für das Polizeirecht geht Schenke davon aus, dass keine Gesetzeslücke bei Handlungen der Verwaltung für ein Privatrechtssubjekt bestehe, weil sich hierdurch in den Rechtsfolgen erhebliche Abweichungen von den spezialgesetzlich normierten Kostenerstattungsansprüchen ergeben würden964. Knapp hingegen führt an, dass das öffentliche Recht tatsächlich im Hinblick auf die §§ 677 ff. BGB lückenhaft sei, da die Regelungen der auftraglosen Geschäftsführung nicht nur zu Ausgleichsansprüchen führen, sondern ein komplexes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien begründen würden965. Er geht auch davon aus, dass nicht grundsätzlich anzunehmen sei, dass Kostenersatzvorschriften des öffentlichen Rechts abschließend gemeint seien, da der Gesetzgeber nicht alle Tatbestände voraussehen könne, die einer Kostenerstattung bedürfen, wodurch sich 961 Siehe hierzu insbesondere die unterschiedlichen Maßstäbe der Verwaltungs- und Zivilgerichte, Fn. 185; 187; 189. 962 AG Frankfurt, Urteil vom 05. 01. 1990 – 31 C 4029/89 – 16 –, juris Rn. 25 ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 1977 – 2/24 S 46/77 –, juris Rn. 17; AG Krefeld, Urteil vom 05. 04. 1978 – 10 C 85/78, NJW 1979, 722 f.; siehe hierzu die Rechtsprechungsnachweise bei Fn. 960. 963 Siehe Fn. 705; 706; 707. 964 FS-Bartlsperger / Schenke, S. 544 ff. 965 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 103.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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dergestalt in einzelnen Sachverhaltskonstellationen zeigende Regelungslücken im Kostenersatzsystem auch planwidrig seien966. Meysen lehnt diesen Ansatz ab und argumentiert mit dem Gesetzesvorbehalt und Gesetzesvorrang gegen das Vorliegen einer Regelungslücke zumindest für die Legitimationsfunktion der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht, da die §§ 677 ff. BGB nicht in der Lage seien, Eingriffsgrundlagen zu ersetzen967. Nedden geht zwar davon aus, dass Regelungslücken bei den Kostenerstattungsnormen in Fallgruppe 2 nicht ausgeschlossen werden könnten und dass in bestimmten Fallkonstellationen ein Bedürfnis für die Anwendung entweder der Legitimations- oder Ausgleichsfunktion der §§ 677 ff. BGB bestehe, bezweifelt aber letztlich die Planwidrigkeit etwaiger Regelungslücken, da die Kostenerstattungsnormen abschließend gemeint seien968. Wollschläger erkennt grundsätzlich Anwendungsbedarf für die Ausgleichsfunktion der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht bei der formell fehlerhaften Ersatzvornahme, unterstellt somit zumindest hierfür eine planwidrige Regelungslücke, schließt die erkannte Lücke aber durch die Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches969. Festzustellen ist zunächst, dass auch in Fallgruppe 2 dem öffentlichen Recht ein den §§ 677 ff. BGB vergleichbarer, allgemeiner Legitimations-, Regelungs- und Ausgleichsmechanismus fehlt. Generalklauseln, wie sie insbesondere im Polizeiund Ordnungsrecht vorkommen und zu Erstattungsansprüchen führen, sind auf den sachlichen Anwendungsbereich des jeweiligen Spezialgesetzes beschränkt und nicht allgemein für das öffentliche Recht gültig. Unbestritten kann bleiben, dass es Sachverhalte im öffentlichen Recht gibt, die aus Billigkeitserwägungen einen Aufwendungsersatz auch außerhalb explizit normierter, öffentlichrechtlicher Kostenerstattungsnormen nahelegen, insbesondere im Fall der formell fehlerhaften Ersatzvornahme oder bei einer Tätigkeit der Verwaltungsbehörden für Privatrechtssubjekte außerhalb jeder öffentlichrechtlichen Kompetenz970. Ob diese Fallkonstellationen jedoch wertungsmäßig gleich zu behandeln sind mit Sachverhalten, auf die die Vorschriften der auftraglosen Geschäftsführung Anwendung finden, erscheint mehr als fraglich. Die Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Aufgaben oder die Verwaltungstätigkeit im Rahmen hoheitlicher Kompetenzen unterliegt in Fallgruppe 2 genauso wenig wie in Fallgruppe 1 der Handlungsfreiheit oder der Privatautonomie, da es für den behördlichen Geschäftsführer bei der Erfüllung seiner Aufgaben keinen Unterschied macht, ob er sie mit Wirkung für andere Verwaltungsträger oder gegenüber Privatrechtssubjekten erfüllt, solange die ihn verpflichtende oder 966
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 104; siehe Fn. 734. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 370 f. 968 Zum Ausgleichsbedürfnis im Fall formell fehlerhafter Ersatzvornahme, Nedden, GoAÖR, S. 98; Zum Legitimationsbedürfnis im Fall des Verwaltungshandelns außerhalb jeder behördlichen Zuständigkeit, Nedden, GoAÖR, S. 99; zur fehlenden Planwidrigkeit, Nedden, GoAÖR, S. 158 f. 969 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 82, 101. 970 Siehe Fn. 969. 967
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
berechtigende Rechtsgrundlage nicht explizit auf die Rechtsnatur des Adressaten abstellt und differenziert971. Wertungsmäßig kann deshalb nur der Vergleich mit anderen Sachverhalten aus Fallgruppe 2, für die die Geltung der §§ 677 ff. BGB explizit gesetzlich angeordnet wurde, nicht jedoch eine Vergleichsbetrachtung mit rein zivilrechtlichen Fallkonstellationen die planwidrige Regelungslücke im Hinblick auf eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 aufzeigen. Einer auftraglosen Geschäftsführung ähnliche aber normierte Regelungsmechanismen mit Legitimations-, Koordinations- und Ausgleichsfunktionen existieren für Fallgruppe 2 nicht. Der Grund hierfür ist nicht Nachlässigkeit des Gesetzgebers, sondern das dem Grundgesetz für hoheitliche Tätigkeit gegenüber den Privatrechtssubjekten zugrunde liegende Regelungskonzept. Eine Generalklausel mit Legitimations- und Ausgleichsfunktion für beliebige Tätigkeiten der Verwaltung mit Bezug zu Privatrechtssubjekten wäre verfassungswidrig, weil die Grundrechte die persönlichen Freiheiten der Privatrechtssubjekte umfassend schützen, Eingriffe nur bei Vorliegen einer verfassungsgemäßen, ausreichend bestimmten Eingriffsgrundlage hinzunehmen sind und die Verwaltungsträger diesen Gesetzesvorbehalt als Ausprägung des Rechtsstaatlichkeitsgebots gemäß Art. 20 III GG zu achten haben972. Aufgrund der in Art. 20 II GG niedergelegten Volkssouveränität muss jeder Eingriff der Verwaltung in die Rechte der Privatrechtssubjekte inhaltlich zurechenbar aus einem Gesetzgebungsakt der gewählten Volksvertretung ableitbar sein und Eingriffe der Verwaltungsträger müssen für die Adressaten grundsätzlich bezüglich Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß im Wesentlichen vorhersehbar sein, was unterlaufen würde, wenn auf Basis einer universell gültigen Eingriffsgeneralklausel entsprechend §§ 677 ff. BGB Verwaltungsträger zur Geschäftsführung ohne weitere Konkretisierung ihrer Befugnisse in geschützte Rechtspositionen von Privatrechtssubjekten eingreifen könnten973. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot sind die im Gesetzgebungsprozess unvermeidbaren Ungenauigkeiten zwar noch nicht schädlich, solange sich die Reichweite der Eingriffsermächtigung noch aus dem im Gesetz niedergelegten, objektivierten Willen des Gesetzgebers erkennen lässt974. Da die 971
Siehe Fn. 423; 424. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 241; Soergel / Beuthien, Vor §§ 677 ff Rn. 16; BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 239; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 508; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 5; Fleischfresser, VR 1988, 305 (306); Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 13; Kischel, VerwArch 1999, 391 (399); Maurer, JuS 1970, 561 (563 f.); 543; Oldiges, JuS 1989, 616 (621); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 410, 414; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 89; FS-Bartlsperger / Schenke, S. 539 f.; Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 17; Windthorst, JuS 1996, 605 (608); siehe Fn. 967. 973 Nedden, GoAÖR, S. 162 ff.; zum Maßstab der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit siehe, BVerfG, Beschluss vom 03. 02. 1959 – 2 BvL 10/56 –, juris Rn. 52 f.; BVerfG, Beschluss vom 07. 04. 1964 – 1 BvL 12/63 –, juris Rn. 27 ff.; BVerfG, Beschluss vom 15. 11. 1967 – 2 BvL 7/ 64 –, juris Rn. 65; Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 109; Gusy, JA 1979, 69 (71); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 52; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 80. 974 Vergleiche hierzu den Maßstab aus BVerfG, Beschluss vom 12. 11. 1958 – 2 BvL 4/56 –, juris Rn. 134. 972
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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§§ 677 ff. BGB aber einem anderen Teilrechtsgebiet entnommen sind und aufgrund der Privatautonomie von einer grundsätzlichen Disponibilität der von der Geschäftsführung betroffenen Rechtsgüter ausgehen, lassen sich die inhaltlichen Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis der Verwaltungsträger auch nicht aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers erschließen. Dies korrespondiert mit der Auffassung des historischen Gesetzgebers, der eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf die Tätigkeit der öffentlichen Hand gerade ablehnte975. Aufgrund des unterschiedlichen Regelungskonzepts des öffentlichen Rechts, wonach Eingriffe der Verwaltungsträger in geschützte Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte nur aufgrund einer verfassungskonformen Eingriffsgrundlage zulässig sind, fehlt es somit stets an der Planwidrigkeit etwaiger Regelungslücken. Existiert keine solche Eingriffsgrundlage, so ist ein Eingriff in die Grundrechte nicht vorgesehen und schlicht rechtswidrig. Das Fehlen einer Erstattungsgrundlage für solche Eingriffe ist damit elementarer Teil des Gesetzesplans. Anders als in Fallgruppe 1, in der sich ein Ausgleichsgebot unbestimmten Umfangs aus der Rechtsordnung entnehmen lässt, verbietet die Verfassung in Fallgruppe 2 die Anwendung der Vorschriften zur auftraglosen Geschäftsführung. Eine planwidrige Regelungslücke besteht für eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 nicht976. bb) Verwaltungsprivatrecht als Einfallstor zivilrechtlicher Rechtsinstitute Eine namhafte Mindermeinung in der Literatur vertritt die Auffassung, dass Verwaltungsträger durch die Wahl zulässiger privatrechtlicher Handlungsformen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts zu einer vollumfänglichen Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 gelangen könnten977. Stelkens argumentiert damit, dass auch Verwaltungsträger Inhaber zivilrechtlicher Ansprüche sein könnten und folgert hieraus, dass solche auch eine Eingriffsgrundlage darstellen müssten978. Weiterhin führt er aus, dass das öffentliche Recht zur Kostenerstattung im Falle eines wirksamen Vertragsabschlusses zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt nicht vorrangig vor dem Zivilrecht zu beachten sei, weshalb sich ein Vorrang des öffentlichrechtlichen Aufwendungsersatzrechts auch nicht für den Fall eines fehlenden Vertrages begründen lasse979. Dieser Ansicht ist mit der herrschenden Meinung zurecht entgegen zu halten, dass die Wahl privatrechtsförmiger Mittel durch die Verwaltung ihre Ein-
975 976 977 978 979
Siehe S. 64. Siehe Fn. 725. Linke, DVBl 2006, 148 (156); Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 638 ff. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 638, 651. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 639.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
griffsbefugnisse nicht contra lege erweitern kann980. Anders als Stelkens981 behauptet, stellt nicht erst das Erstattungsverlangen des Verwaltungsträgers, sondern bereits die Vornahme der Geschäftsführungshandlung selbst regelmäßig einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff dar, weil entweder die Befugnis des Privatrechtssubjekts zur kostensparenden Selbstvornahme der Handlung beseitigt wird oder in seine Dispositionsbefugnis als Eigentümer einer Sache oder in seine allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG eingegriffen wird982. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Verwaltungsträger sich zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben grundsätzlich direkt der §§ 677 ff. BGB bedienen dürfen, so können durch eine Anwendung nicht die spezielleren Voraussetzungen öffentlichrechtlicher Eingriffsgrundlagen oder das Erfordernis einer verfassungskonformen Eingriffsgrundlage als solcher umgangen werden, da ansonsten wiederum ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt vorläge, weil die §§ 677 ff. BGB eben nicht hinreichend bestimmt sind. Wenn Stelkens anführt, dass im Falle eines Vertragsschlusses zwischen Verwaltungsträger und Privatrechtssubjekt öffentliches Recht die Anwendung des zivilrechtlichen Schuldrechts nicht verdrängt, so verkennt er, dass der Gesetzesvorbehalt nur für Eingriffe in geschützte Rechtspositionen gilt, woran es im Falle einer freiwilligen Aufgabe von Rechtspositionen im Rahmen eines wirksamen Vertragsschlusses gerade fehlt983. Auch die weitere Argumentation Stelkens, wonach die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 schon deshalb zuzulassen sei, weil dem Privatrechtssubjekt als Geschäftsherrn im Ergebnis nicht mehr zugemutet würde als wenn ein anderes Privatrechtssubjekt die Aufgabe erfüllt hätte, kann nicht überzeugen984. Im Gegensatz zu Privatrechtssubjekten unterliegt der Staat bei seiner Aufgabenerfüllung aufgrund der großen, konfliktträchtigen Schnittmenge an öffentlicher Aufgabenerfüllung und parallel sowie entgegen laufenden privaten Interessen besonderen formell- und materiellrechtlichen Bindungen. Verwaltungsträger haben insbesondere stets den Verhältnismäßigkeits- und Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren sowie besondere verfahrensrechtliche Anforderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren (Notwendigkeit der Androhung der Ersatzvornahme, obligatorische Kostenschätzung) zu erfüllen, die bei einer Anwendung der §§ 677 ff. BGB wegfallen würden. Für das Privatrechtssubjekt wäre ein Ausweichen der Verwaltungsträger auf die auftraglose Geschäftsführung im Vergleich zur herkömmlichen öffentlichrechtlichen Aufgabenwahrnehmung mit spürbaren Nachteilen verbunden. Sollte eine Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch privatrechtsförmige Verwaltung zulässig sein, so dürfen durch sie nicht die Voraussetzungen der spezielleren, öffentlichrechtlichen Eingriffsgrundlagen umgangen werden, was wiederum der An980 Kischel, VerwArch 1999, 391 (413); Nedden, GoAÖR, S. 212 f.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 415; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 82. 981 Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 638. 982 Maurer, JuS 1970, 561 (565). 983 Ähnlich Wild, VR 1998, 131 (132). 984 Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 651.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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wendung der §§ 677 ff. BGB jeden Sinn entzieht985. Mit dem Verwaltungsprivatrecht lässt sich eine Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 nicht herleiten oder begründen. cc) Planwidrige Regelungslücken für isolierte Funktionen Der verfassungsrechtlich bedingte, abschließende Charakter öffentlichrechtlicher Eingriffsgrundlagen verbietet nicht nur die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 generell, sondern lässt auch keine planwidrige Regelungslücke für einzelne Funktionen der auftraglosen Geschäftsführung erkennen. Da nicht nur der Aufwendungsausgleich, sondern bereits die Geschäftsführung selbst regelmäßig einen Eingriff darstellt, bleibt für die Legitimationsfunktion kein Anwendungsbereich. Ist die Geschäftsführung rechtswidrig, so entfällt auch jeder Regelungsbedarf im Hinblick auf eine koordinierende Funktion. Im Rahmen dieser Funktion der auftraglosen Geschäftsführung ist auch die Haftung des Privatrechtssubjekts für gefahrtypische Zufallsschäden in Erweiterung der gesetzlichen Haftung als Eingriff zu werten986. Der Aufwendungsausgleich für Geschäftsführungshandlungen der Verwaltungsträger darf nur innerhalb der für die jeweilige Maßnahme vorgesehenen öffentlichrechtlichen Kostenersatznormen erfolgen987. Die Systematik des Gesetzesvorbehalts steht somit auch einer Anwendung der einzelnen Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 2 entgegen. dd) Besondere Fallkonstellationen (1) Formell rechtswidrige Ersatzvornahme Die Durchsetzung einer einem Privatrechtssubjekt behördlich aufgegebenen Maßnahme durch die Verwaltungsbehörde selbst anstatt durch den Adressaten im Rahmen einer behördlichen Ersatzvornahme unterliegt strengen Voraussetzungen. Bayerische Verwaltungsbehörden haben gemäß Art. 36 BayVwZVG grundsätzlich ein bestimmtes Zwangsmittel in Schriftform anzudrohen, dem pflichtigen Privatrechtssubjekt muss in der Androhung eine Frist gesetzt werden, die für die Selbstvornahme ausreichend bemessen ist, und der Kostenbetrag ist vorläufig zu veranschlagen. Unterläuft der Behörde hierbei ein Formfehler, so kann sie für die Ersatzvornahme keinen Aufwendungsersatz verlangen, weil gemäß Art. 41 I S. 1 BayVwZVG, 16 V BayKG solche Kosten nicht erhoben werden, die bei korrekter Sachbehandlung durch die Behörde nicht angefallen wären. Eine korrekte Sachbehandlung setzt voraus, dass die behördlichen Primär- und Sekundärmaßnahmen rechtmäßig waren, also insbesondere alle Verfahrensvorschriften des Verwaltungs-
985 986 987
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 90. Kischel, VerwArch 1999, 391 (408). A.A. Nedden, GoAÖR, S. 98.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
vollstreckungsrechts eingehalten wurden988. Diese Verfahrensvorschriften stellen nicht nur die Voraussetzungen des objektiv rechtmäßigen Verwaltungsvollstreckungsverfahrens dar, sondern dienen auch subjektiv dem Schutz des betroffenen Privatrechtssubjekts, welches durch ein gestrecktes Verfahren frühzeitig vor der Kostenlast der bevorstehenden Ersatzvornahme gewarnt wird und so die Möglichkeit zur kostensparenden Selbstvornahme hat989. Wenn in der Wissenschaft auch bei rechtswidriger Ersatzvornahme ein Aufwendungsersatzanspruch durch Anwendung der §§ 677 ff. BGB oder den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zu Lasten des Privatrechtssubjekts gefordert wird, weil diesem die Kostenlast durch das Gesetz zugewiesen sei oder der rechtstreue Bürger, der die Maßnahme freiwillig und auf eigene Kosten durchführt, nicht schlechter gestellt werden dürfe als der nicht rechtstreue Bürger, der zufällig mit einem Verfahrensfehler der Behörde bei der Ersatzvornahme konfrontiert wird, so lässt sich diese Ansicht mit dem Gesetzesvorbehalt nicht in Einklang bringen990. Auch ein wertungsmäßig nachvollziehbarer Bedarf an einer Kostenerstattungsregel durch Anwendung der auftraglosen Geschäftsführung darf die spezialgesetzlichen Anforderungen nicht unterlaufen. Es ist deshalb der Auffassung Bambergers zuzustimmen, der eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB, die zur Aushöhlung der Vorschriften zum Aufwendungsersatz in der Verwaltungsvollstreckung führen würde, ablehnt991. Auch für den Fall der formell rechtswidrigen Ersatzvornahme besteht keine planwidrige Regelungslücke. (2) Kompetenzlose Geschäftsführung Handelt eine Behörde bei der Vornahme einer Handlung für ein Privatrechtssubjekt außerhalb jeder öffentlichrechtlichen Kompetenz, so wird vertreten, dass die §§ 677 ff. BGB deshalb direkt und ohne öffentlichrechtliche Besonderheiten Anwendung finden können, weil kein geltendes Recht entgegen stehe und das Privatrechtssubjekt nicht schlechter gestellt werde als bei einer Geschäftsführung durch ein anderes Privatrechtssubjekt992. Zuzugeben ist dieser Ansicht, dass keine spezialgesetzlichen Normen einem Aufwendungsersatz ausdrücklich entgegen stehen. Nedden lehnt eine Anwendung der auftraglosen Geschäftsführung unter Verweis auf den Gesetzesvorbehalt dennoch auch bei Maßnahmen außerhalb jeder öffentlichrechtlichen Kompetenz mit der Begründung ab, eine solche Geschäftsführung würde dazu führen, dass das Handeln der Verwaltungsträger entgegen dem Demokratieprinzip 988
BayVGH, Urteil vom 17. 04. 2008 – 10 B 07.219 –, juris Rn. 16 ff. Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 153 f.; Nedden, GoAÖR, S. 151 ff. 990 Klein, DVBl 1968, 166 (168); FS-Bartlsperger / Schenke, S. 547; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 83 ff., 101; Wollschläger, JA 1979, 182 (184). 991 Bamberger, JuS 1998, 706 (708 ff.); Blas, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 109; Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 153 f.; Kischel, VerwArch 1999, 391 (405 f.); Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 52); Maurer, JuS 1970, 561 (565). 992 Wild, VR 1998, 131 (132 f.). 989
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nicht mehr durch den in den parlamentarischen Gesetzen zum Ausdruck kommenden Willen der Gemeinschaft bestimmt würde, sondern durch ein mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringendes, freies Entschließungsermessen der Verwaltungsträger993. Diese Argumentation Neddens überzeugt, erfasst aber nicht das gesamte verfassungsrechtliche Spektrum an Bedenken gegen eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB im kompetenzfreien Handlungsbereich der Behörden. Existiert keine öffentlichrechtliche Kompetenz, so ist ein Handeln der Verwaltungsbehörde im Gesetz und der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Der Ressourceneinsatz zur Erfüllung nicht vorgesehener Aufgaben gefährdet abstrakt die Fähigkeit der Behörde, ihre im Gesetz verbindlich festgelegten Aufgaben wahrzunehmen, weil die Wahrnehmung nicht eingeplanter Aufgaben typischerweise zu Lasten der Verwaltungseffizienz und -effektivität bei der Erfüllung der eingeplanten Aufgaben geht994. Ob die geschäftsführende Behörde einen Aufwendungsersatzanspruch auch tatsächlich realisieren kann, ist ungewiss. Das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 I GG würde der geschäftsführenden Verwaltungsbehörde zudem gebieten, in Zukunft auch in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen für Privatrechtssubjekte Geschäfte zu führen. Die Folgen für die organisatorische und finanzielle Integrität des betroffenen Verwaltungsträgers wären unabsehbar. Sofern im Bereich kompetenzfreier Geschäftsführung in Fallgruppe 2 eine Regelungslücke besteht, ist sie nicht planwidrig. ee) Substitution durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch (1) Auffassung der Rechtsprechung Das Konkurrenzverhältnis des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht bereitet der Rechtsprechungspraxis keine Schwierigkeiten, weil der BGH die Geschäftsführung der Verwaltungsbehörden für die Privatrechtssubjekte nach der Rechtsnatur des hypothetischen Geschäftsherrngeschäfts regelmäßig als zivilrechtlich qualifiziert, so dass keine öffentlichrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Parteien besteht und der Rechtsgrund der fehlgeleiteten Behördenleistung nicht als öffentlichrechtlich zu beurteilen ist, was einer Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs entgegen stehen soll995. Wie bereits gezeigt wurde, handelt eine Behörde bei der Rückforderung unrechtmäßig erbrachter Leistungen aufgrund des Rechtsstaatsgebots öffentlichrechtlich, wenn nicht ausdrücklich die Privatrechtsform gewählt wurde996. Die von der Zivilrechtsprechung vorgenommene gemischt zivil- und öffentlichrechtliche Qualifizierung kompetenzgemäßen Behördenhandelns ist wie
993 994 995 996
Nedden, GoAÖR, S. 162 ff.; Oldiges, JuS 1989, 616 (622). Siehe S. 108 ff.; Fn. 425; 427. Siehe S. 47 ff.; BGH, Beschluss vom 26. 11. 2015 – III ZB 62/14 –, juris Rn. 15. Siehe S. 75 ff.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
dargelegt aus rechtssystematischen Gründen abzulehnen997. Deshalb müsste die Zivilrechtsprechung sich eigentlich mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Rechtsinstituten auseinandersetzen. (2) Literaturmeinungen und kritische Reflektion Weit weniger zurückhaltend als der bei der Anwendung der §§ 677 ff. BGB steht die Literatur der Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs zum Ausgleich der Aufwendungen der Verwaltungsträger gegenüber998. Nedden stellt die These auf, dass eine Behörde bei Wahrnehmung auch eigener öffentlichrechtlicher Kompetenzen stets legitimiert handle und somit auch ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen durch das Privatrechtssubjekt bestehe999. Nur im Bereich der Wahrnehmung ausschließlich privater Interessen durch einen Verwaltungsträger soll aufgrund fehlender Legitimation der Rechtsgrund für das Behaltendürfen fehlen, so dass der Tatbestand des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs gegeben sei1000. Wollschläger hingegen geht davon aus, dass auch eine öffentlichrechtliche Eingriffsgrundlage, deren Voraussetzungen im konkreten Fall nicht vorliegen, keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstelle, so dass der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch dennoch eingreifen könne1001. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch mag zwar originäres öffentliches Recht darstellen, erfüllt aber wie die §§ 677 ff. BGB nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingriffsgrundlage1002. Auf der Rechtsfolgenseite ist er zwar auf die notwendigen Aufwendungen beschränkt, bleibt aber beim Tatbestand noch konturenloser als die §§ 677 ff. BGB und würde im Ergebnis wiederum behördliche Geschäftsführung auf Kosten des Bürgers in einem sachlich unüberschaubaren Anwendungsbereich ermöglichen1003. Dies lässt sich auch nicht dadurch einschränken, dass man mit Nedden annimmt, ein Handeln im sachlichen Anwendungsbereich öffentlichrechtlicher Kompetenzen stelle generell eine Legitimation und einen Rechtsgrund fürs Behaltendürfen dar. Die Vornahme behördlicher Handlungen im öffentlichrechtlichen Kompetenzbereich hat für sich genommen keine Rechtswirkungen für den materiellen Bestand von Vermögensrechten, sondern allenfalls tatsächliche Auswirkungen auf solche Rechte. Erst die Anwendung einer Eingriffsgrundlage aufgrund der Erfüllung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen 997
Siehe S. 47 ff. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 371; befürwortend nur für den Fall der Geschäftsführung ausschließlich im privaten Interesse, Nedden, GoAÖR, S. 176 f.; befürwortend für den Fall der rechtswidrigen Ersatzvornahme, Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 83 f. 999 Nedden, GoAÖR, S. 176 f. 1000 Nedden, GoAÖR, S. 177. 1001 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 83 f. 1002 Siehe Fn. 973; 974. 1003 Siehe S. 83. 998
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kann beispielsweise durch die Zuweisung von Aufwendungsersatzansprüchen für den Verwaltungsträger Vermögensrechte materiellrechtlich wirksam beschränken. Nur die Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Kompetenzen für sich genommen kann einen Eingriff in private Rechtspositionen nicht legitimieren und erst recht keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen erlangter Vorteile darstellen. Nachdem der Gesetzesvorbehalt nicht nur im Bereich der öffentlichrechtlichen Aufgabenwahrnehmung, sondern im Verhältnis der Behörden zu den Privatrechtssubjekten generell gilt, ist der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch in Fallgruppe 2 ebenso wenig geeignet Aufwendungsersatzansprüche der Verwaltungsträger zu begründen wie eine entsprechende Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag. c) Zusammenfassung Die Anwendung der §§ 677 ff. BGB verstößt in Fallgruppe 2 gegen den Vorbehalt des Gesetzes als grundlegendes Prinzip der Verfassung, was sich in der fehlenden Regelungslücke äußert. Die Vorschriften zur auftraglosen Geschäftsführung sind in diesem Zusammenhang nicht ausreichend bestimmt und sowohl die Geschäftsführung selbst wie auch das Aufwendungsersatzverlangen und die begleitenden Schadensersatzansprüche der Verwaltungsträger schränken die Grundrechte der Privatrechtssubjekte ein, so dass auch keine Regelungslücke für einzelne Funktionen der §§ 677 ff. BGB verbleibt. Aufgrund des klaren verfassungsrechtlichen Anwendungsverbots für die §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 2 erübrigt sich die Diskussion geeigneter Methoden zur Rechtsfortbildung. Die von einem Teil der Wissenschaft diskutierten Ausnahmen für kompetenzlose Geschäftsführung oder die formell rechtswidrige Ersatzvornahme stellen Aushöhlungen des Gesetzesvorbehalts dar, der aber gerade keine Ausnahmen zulässt. An der fehlenden Bestimmtheit scheitert auch eine Anwendung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs in der Fallgruppe 2. Diese Bedenken gegen eine Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag haben die Rechtsprechung nicht davon abgehalten, den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB zum Nachteil der Privatrechtssubjekte in jüngerer Zeit mit stetig sinkendem Begründungsaufwand und einer erkennbaren Tendenz zu billigkeitsgetragenen Einzelfallentscheidungen erheblich zu erweitern. 3. Fallgruppe 3 (P/Ö) a) Konturen des Rechtsinstituts in der richterlichen Rechtspraxis Die Geschäftsführung eines Privatrechtssubjekts für einen Verwaltungsträger dient auch in der Vorstellung des Geschäftsführers nur selten ausschließlich öffentlichrechtlichen Interessen, sondern soll vorrangig gefährdete private Vermö-
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gensrechte schützen1004. Soweit diese Rechte dem Schutz durch das Grundgesetz unterliegen, muss eine effektive Durchsetzungsmöglichkeit auch gegen den Willen der Verwaltungsträger gegeben sein. Die Sekundärebene des Rechtsschutzes gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln oder –unterlassen darf deshalb in Bezug auf die Effektivität wie gezeigt nicht hinter der Primärebene zurückbleiben1005. Aufgabe der Rechtsprechung muss es sein, diesen Maßstab in der Spruchpraxis zu verwirklichen. Gemessen hieran ist das tatsächlich von der Rechtsprechung bereit gestellte Schutzund Durchsetzungsniveau privater Vermögensrechte in Fallgruppe 3 kaum zu qualifizieren. Nachdem in den anderen Fallgruppen auch eine Geschäftsführung im Aufgabenbereich oder generell in der Interessensphäre des Geschäftsherrn ausreichen soll, wird in Fallgruppe 3 zum Nachteil des Privatrechtssubjekts teilweise eine konkrete und fällige Pflicht des Geschäftsherrn als Geschäftsführungsgegenstand verlangt1006. So liegt der Geschäftsführung der Behörde sowohl im Leichenerstversorgungsfall wie auch im Rechtsanwaltsfall keine konkrete und fällige Pflicht des Geschäftsherrn zugrunde, während das BVerwG in Fallgruppe 3 bei der Entscheidung des Erschließungsfalles eine konkrete Pflicht des Geschäftsherrn zur Geschäftsführung verlangte1007. Dies wird begründet mit der Schutzwürdigkeit des Ermessens der Verwaltungsbehörde, das aber im Rahmen der vom BVerwG im Uferdeckwerksfall geforderten umfassenden Interessenabwägung aufgeht und von den erkennenden Gerichten oft gar nicht oder nur oberflächlich geprüft wird1008. Für das Privatrechtssubjekt ist es vor der Geschäftsführung demnach nicht erkennbar, nach welchen Kriterien entschieden werden wird, ob es nunmehr Aufwendungsersatz beanspruchen kann. Auch bei einer Geschäftsführungshandlung eines Privaten in einem Aufgabenbereich der Behörde mit Ermessen liegt grundsätzlich ein fremdes Geschäft vor, weil die Vornahme solcher Handlungen sachlich dem Verwaltungsträger zugewiesen ist. Eine Korrektur aufgrund des der Behörde zustehenden Ermessens kann richtigerweise nicht beim Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts erfolgen1009. Höchst zweifelhaft erscheint aber auch die im Erschließungsfall des VGH Mannheim geäußerte Ansicht, dass es für die Zuerkennung eines Aufwendungsersatzanspruches ausreichend sei, dass zwar zum Zeitpunkt der Inangriffnahme der Geschäftsführungsmaßnahme noch keine konkrete Pflicht der Behörde vorgelegen habe, sich dies aber zwischenzeitlich geändert hätte, wenn der Geschäftsführer die Erschließung nicht bereits selbst durchgeführt hätte1010. Wenn man das Primat des Ermessens der Verwaltungsbehörde ernst nimmt, so wäre hier zu unterstellen gewesen, dass die Verwaltungsbehörde zwischenzeitlich ihr Ermessen 1004 1005 1006 1007 1008 1009
(1844). 1010
Nedden, GoAÖR, S. 188. Siehe S. 132 f.; Fn. 529; 536. Siehe S. 192 ff. Siehe Fn. 185; 187; BVerwG, Beschluss vom 13. 02. 1992 – 8 B 1/92 –, juris Rn. 5 ff. Siehe S. 204 f.; Fn. 824; 825; 826. So wohl auch VGH Mannheim, Urteil vom 21. 09. 1976 – II 427/72, NJW 1977, 1843 Siehe Fn. 1009.
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auch tatsächlich ausgeübt hätte, so dass kein Anlass für eine Fremdgeschäftsführung mehr bestanden hätte und ein Aufwendungsersatzanspruch des Privatrechtssubjekts deshalb scheitern müsse. Die Rechtsprechung verliert sich hier in unsystematischen Billigkeitskorrekturen, um die rechtssystematischen Mängel der §§ 677 ff. BGB bei einer Anwendung in Fallgruppe 3 notdürftig zu beheben. Da auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Interessenabwägung des BVerwG ein entgegen stehender Wille der Behörde gemäß § 679 BGB unbeachtlich werden kann, kaum konkretisiert, nicht gewichtet und überwiegend mit unberechenbaren Ergebnissen geprüft werden, kann von einem effektiven Rechtsschutz in der Rechtsprechungspraxis nicht die Rede sein1011. Weiter ist das Konkurrenzverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag zu anderen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstituten in Fallgruppe 3 ungeklärt. Im Einweisungsfall wurden Aufwendungen des Geschäftsführers zur Erfüllung einer konkreten behördlichen Pflicht vom BGH nur im Rahmen des verschuldensabhängigen und allgemein erheblich restriktiveren Amtshaftungsanspruches erläutert ohne die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erwähnen1012. In den Hausanschlussfällen des OVG Münster und des OVG Lüneburg fehlt jede Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag und Ersatzansprüchen aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen, obwohl sich die Prüfung beider Rechtsinstitute jeweils aufgedrängt hätte1013. Die Rechtsprechung in Fallgruppe 3 erscheint in der Gesamtschau wohl auch aufgrund der größeren Sachnähe der mehrheitlich entscheidenden Verwaltungsgerichtsbarkeit berechenbarer als die teilweise unsystematischen Urteile der Zivilrechtsprechung in Fallgruppe 2. Dennoch ist das angewendete Prüfungsschema nicht hinreichend klar umrissen, um eine im Hinblick auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit befriedigende Rechtssprechungspraxis zu ermöglichen. b) Herleitung und Verhältnis zum öffentlichrechtlichen Staatshaftungsrecht aa) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke Im Widerspruch zu einer im Schrifttum weit verbreiteten Meinung kann die planwidrige Regelungslücke des öffentlichen Staatshaftungsrechts im weiteren Sinne, die eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB ermöglichen soll, nicht pauschal unter Verweis auf das Fehlen einer Regelung zur auftraglosen Fremdgeschäftsführung im öffentlichen Recht bejaht werden1014. Hierdurch wird die Frage nicht beantwortet, ob das Fehlen eines solchen Rechtsinstituts dem Rege1011 1012 1013 1014
Siehe Fn. 1008. Siehe Fn. 194. Siehe Fn. 199; 200. Siehe Fn. 713.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
lungsplan des Gesetzgebers zuwiderläuft1015. Knapps Argumentation, die Regelungslücke müsse planwidrig sein, weil der Gesetzgeber die auftraglose Geschäftsführung in Fallgruppe 3 mit dem für verfassungswidrig erklärten Staatshaftungsgesetz im Rahmen der „ähnlichen Rechtsverhältnisse“ gemäß § 15 Nr. 1 StHG ausdrücklich zugelassen hätte, überzeugt nicht1016. Es ist bereits fraglich, ob ein solcher Wille des Gesetzgebers sich aus der Formulierung des § 15 Nr. 1 StHG noch erkennen lässt, denn die „ähnlichen Rechtsverhältnisse“ werden kumulativ mit den öffentlichrechtlichen Verträgen und Dienstverhältnissen aufgezählt, also rechtsgeschäftlichen Rechtsverhältnissen, die aufgrund beidseitiger Willensübereinstimmung begründet werden und sich dadurch von der Geschäftsführung ohne Auftrag rechtssystematisch unterscheiden. Dem Gesetzgeber musste das Rechtsinstitut der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht aufgrund seiner langen Geschichte ebenso bekannt gewesen sein wie der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch und dennoch regelte er die weitergehende Haftung nur für Letzteren ausdrücklich in § 15 Nr. 4 StHG1017. Im Übrigen betreffen die Regelungen sowohl des StHG als auch der anderen in § 15 StHG erwähnten Haftungsinstitute des Staatshaftungsrechts nicht die Rechtfertigung von Handlungen des Privaten für die Verwaltung und den Modus ihrer Ausführung, also die Legitimations- und Koordinationsfunktion, sondern nur den Ausgleich eingetretener Schäden. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass sich mit der Formulierung des § 15 Nr. 1 StHG die Planwidrigkeit einer Regelungslücke für eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 begründen lässt1018. Nedden leitet die planwidrige Regelungslücke daraus ab, dass ein tatsächliches Bedürfnis für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 existiere, wenn eine Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben unfähig oder nicht bereit sei1019. Ein subjektives Anwendungsbedürfnis für die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag vermag keine Planwidrigkeit zu begründen, denn diese Feststellung würde zunächst voraussetzen, dass der Regelungsplan des Gesetzgebers ein den §§ 677 ff. BGB vergleichbares Rechtsinstitut in Fallgruppe 3 vorsieht. Hiergegen spricht zunächst Art. 20 II S. 2 GG, der die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerade nicht den Privatrechtssubjekten, sondern ausschließlich den Hoheitsträgern zuweist1020. Erfüllen die Verwaltungsträger ihre Aufgaben nicht, so ist das Privatrechtssubjekt auf die Inanspruchnahme von Pri1015
Siehe S. 135 ff. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 151. 1017 Siehe S. 63 ff. 1018 A.A. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 151, der dies lediglich unter Verweis auf SB-StHG / Bonk, § 15 Rn. 60 annimmt, wobei auch Bonk diese These nicht begründet. 1019 Nedden, GoAÖR, S. 87 ff., 129 ff. 1020 Ehlers, AllgVerwR / Gurlit, § 35 Rn. 15; Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (102 f.); Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, S. 162; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 410; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 509; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 243; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 96. 1016
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märrechtsschutz zu verweisen, um willkürliche Eingriffe in die öffentlichrechtliche Aufgabenerfüllung zu vermeiden1021. Hiergegen führt Schenke an, dass zumindest im Bereich der öffentlichrechtlichen Gefahrenabwehr privates Handeln deshalb nicht untersagt sei, weil dem Landesgesetzgeber diesbezüglich gar keine Regelungskompetenz zukommt und die jeweiligen Landesgesetze zwar die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Verwaltungsträger voneinander abgrenzen, jedoch keine Abgrenzung zu den Zuständigkeiten der Privatrechtssubjekte in Bezug auf die Kompetenz zur Gefahrenabwehr erfolgt1022. Diese Begründung ignoriert den Regelungsgehalt des Art. 20 II S. 2 GG, denn die Erfüllung der öffentlichrechtlichen Aufgaben durch die vollziehende Gewalt ist bereits verfassungsrechtlich den Verwaltungsträgern zugewiesen, so dass eine Erlaubnis für die Privatrechtssubjekte, solche Aufgaben wahrzunehmen, ausdrücklich und im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit erfolgen müsste. Das Fehlen einer solchen Erlaubnis für die Privatrechtssubjekte im Bereich der auftraglosen Geschäftsführung spricht deshalb bereits gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Des Weiteren behauptet Schenke, dass der Vorrang der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz durch das Privatrechtssubjekt nicht eingreift, wenn ein solcher nicht rechtzeitig eingeholt werden könnte, weil ein Notfall vorliegt1023. Auch wenn schon unklar ist, wie genau ein derartiger Notfall zu definieren sein soll, so widerspricht die Argumentation Schenkes dem niedergelegten Willen des Gesetzgebers, der ein solches Nothilferecht als systematische Ausnahme zu Art. 20 II S. 2 GG wohlweislich gerade nicht in das Gesetz aufgenommen hat, weil es Willkürakten der Privatrechtssubjekte in fälschlicher oder zutreffender Annahme eines irgendwie gearteten Notfalles Tür und Tor geöffnet hätte. Privatrechtssubjekte sind weder kompetent noch hinreichend ausgestattet, um öffentlichrechtliche Aufgaben insbesondere im sensiblen Bereich der Gefahrenabwehr wahrzunehmen und sie unterliegen weder den verfahrensrechtlichen Rechtsstaatlichkeits-, Gleichbehandlungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen, die die Verwaltung gegenüber dem Bürger stets zu wahren hat noch ist die durchschnittliche Privatperson insbesondere bei einem Notfall in der Lage, die Reichweite dieser Grundsätze zu erkennen und entsprechend zu handeln1024. Es fehlt auch jede Begründung, weshalb das Vorliegen eines Notfalles einem Privatrechtssubjekt gestatten soll, sich als Hoheitsträger aufzuspielen. Durch die den §§ 677 ff. BGB innewohnende Verlagerung des Risikos vom Geschäftsführer 1021
Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 44 Rn. 7; Kischel, VerwArch 1999, 391 (401); Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 268, 371 f.; GVwR III / Morlok, § 54 Rn. 96; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 410; Saule, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 89; Schoch, JURA 1994, 241 (246); Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (103); Stober-VerwR I / Stober, § 55 Rn. 21. 1022 FS-Bartlsperger / Schenke, S. 562. 1023 FS-Bartlsperger / Schenke, S. 567. 1024 Siehe hierzu für den Fall der willentlichen Einschaltung von Privatrechtssubjekten, woraus mit einem Erst-Recht-Schluss auch der Fall der angemaßten Geschäftsführung durch das Privatrechtssubjekt abgelehnt werden kann, Gallwas, VVDStRL 29, 211 (220 f.); a.A. ohne überzeugende Begründung FS-Bartlsperger / Schenke, S. 567.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
auf den Geschäftsherrn, nutzlose Aufwendungen zur Erreichung des Geschäftsführungszwecks ersetzen zu müssen, würde der Bürger zur verbotenen Selbsthilfe motiviert1025. Eine planwidrige Regelungslücke für eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 liegt auch deshalb nicht vor, weil Verwaltungsträger die Aufgabenerfüllung nicht ohne gesetzliche Gestattung auf ein Privatrechtssubjekt übertragen dürfen, also auch keinen mit der Geschäftsführung durch das Privatrechtssubjekt konformen Willen bilden dürfen1026. Wenn Nedden hiergegen argumentiert, dass der wahre Wille der Behörde eben doch beachtlich sei, weil auch rechtswidrige Verwaltungsakte Bestandskraft erlangen können, so verkennt er, dass die Bestandskraft gerade nicht eine rechtswidrige Willensäußerung der Behörde schützen, sondern vor allem Rechtssicherheit gewährleisten soll1027. Dies geht auch aus §§ 44 VwVfG hervor, der die Willensäußerung der Behörde bei offensichtlichem und schwerem Rechtsverstoß als unwirksam und unbeachtlich ansieht. Nachdem der subjektive Wille der Behörde, ihre Aufgaben auf ein Privatrechtssubjekt zu übertragen, in der Rechtsordnung unbeachtlich ist, weil diese die ungesetzliche Aufgabenverlagerung auf ein Privatrechtssubjekt gerade verbietet, besteht kein öffentliches Interesse im Sinne des § 679 BGB an einer Aufgabenerfüllung durch einen anderen Geschäftsführer als die zuständige Behörde. Das komplexe Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag steht zentralen verfassungsrechtlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung diametral entgegen. Es kann keine Rede davon sein, dass die §§ 677 ff. BGB nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers eigentlich in die öffentliche Teilrechtsordnung hätten einbezogen werden müssen. Es besteht auch keine wertungsmäßig gleich zu behandelnde Fallgruppe im öffentlichen Recht, für die eine den §§ 677 ff. BGB vergleichbare Regelung des öffentlichen Rechts Anwendung findet. Eine planwidrige Regelungslücke scheidet für die Geschäftsführung im öffentlichen Recht in Fallgruppe 3 aus. bb) Planwidrige Regelungslücken für isolierte Funktionen (1) Legitimationsfunktion Die öffentlichrechtliche Kompetenzordnung ist für die Verwaltungsträger indisponibel, wobei ihr Wille in diesem Zusammenhang unbeachtlich ist und ein Aufbrechen der Zuständigkeitsverteilung nicht rechtfertigen kann1028. Da die Legitimationsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag im Zivilrecht sich aus der Übereinstimmung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn ableitet, wodurch ein Eindringen in die fremde Rechtssphäre überhaupt erst legalisiert wird, ist die Regelungslücke für ein Rechtsinstitut wie die §§ 677 ff. BGB
1025 1026 1027 1028
Kischel, VerwArch 1999, 391 (409). Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 411. Nedden, GoAÖR, S. 180 ff. Siehe Fn. 893; 895.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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in Fallgruppe 3 plangemäß1029. Es steht einer Verwaltungsbehörde nicht offen, die Aufgabenerfüllung nach Belieben auf Privatrechtssubjekte zu übertragen, da eine Behörde eine Aufgabe nicht nur materiell, sondern auch formell in dem gesetzlich vorgegebenen Verfahren unter Wahrung der Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsverfahrens erfüllen muss1030. Für die Legitimationsfunktion der §§ 677 ff. BGB besteht keine Regelungslücke im öffentlichen Recht. (2) Koordinationsfunktion Aufgrund der Unzulässigkeit der auftraglosen Fremdgeschäftsführung in Fallgruppe 3 wegen entgegen stehenden Verfassungs- und Gesetzesrechts besteht auch keine planwidrige Regelungslücke für eine Koordination einer solchen Geschäftsführung. Die koordinierenden Elemente der §§ 677 ff. BGB stehen überdies auch für sich genommen im Widerspruch zum Regelungskonzept des Gesetzgebers. Das Weisungsrecht des Geschäftsherrn gemäß §§ 677, 681 S. 1 BGB stellt für den privaten Geschäftsführer insbesondere im Fall der Vornahme eines auch-fremden Geschäfts einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff dar, für den wie in Fallgruppe 2 die Eingriffsgrundlage fehlt und nicht durch die Anwendung der zu unbestimmten §§ 677 ff. BGB ersetzt werden kann1031. Die öffentlichrechtliche Kompetenz an sich oder eine Befugnisnorm des Verwaltungsträgers zur Vornahme der Geschäftsführungshandlung ändern diese Bewertung nicht, denn der Verwaltungsträger erfüllt die Aufgabe ja nicht selbst, so dass er sich sachlich außerhalb der Eingriffsgrundlage bewegt. Eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht des privaten Geschäftsführers gemäß § 678 BGB wäre als Eingriff in die geschützten Rechte des Privatrechtssubjekts ebenfalls rechtfertigungsbedürftig. Andererseits werden die Wertungen des Amtshaftungsanspruchs sowie der Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis unterlaufen, wenn der Geschäftsführer verschuldensunabhängig Schadensersatz im Rahmen der Haftung des Geschäftsherrn für Zufallsschäden verlangen kann1032. Eine planwidrige Regelungslücke kann für die Koordinationsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht angenommen werden. (3) Ausgleichsfunktion Eine planwidrige Regelungslücke für die Ausgleichsfunktion der §§ 677 ff. BGB besteht in Fallgruppe 3 nur dann, wenn die öffentliche Rechtsordnung den umfassenden Aufwendungs- und Schadensausgleich entsprechend den zivilrechtlichen Vorgaben im öffentlichen Recht voraussetzt und andere originär öffentlichrechtliche 1029 Nedden, GoAÖR, S. 59; Oldiges, JuS 1989, 616 (622); Staake, JA 2004, 800 (803); a.A. Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 (103). 1030 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 57. 1031 Siehe S. 236 ff. 1032 MüKoBGB 611 ff / Seiler, Vor § 677 Rn. 31.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Rechtsinstitute nicht in der Lage sind, diese Regelungslücke zu schließen1033. Der umfangreiche und über die Rechtsfolgen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs und anderer spezifisch öffentlichrechtlicher Entschädigungsansprüche hinausgehende Aufwendungsausgleich nach den Regeln der §§ 677 ff. BGB war sowohl in der Rechtsprechungspraxis als auch in der Wissenschaft nicht nur in Fallgruppe 3 das ausschlaggebende Argument für die Anwendung der Regeln der auftraglosen Geschäftsführung im öffentlichen Recht1034. Als Begründung werden in der Regel nur Billigkeitserwägungen unter Verweis auf die Schutzwürdigkeit des Eingreifens der Privatrechtssubjekte zur Abwehr von Gefahren für ihre geschützten Rechtsgüter vorgetragen, was einen vollumfänglichen Aufwendungsersatz rechtfertigen soll1035. Die entscheidende Frage muss jedoch sein, ob der umfassende Ausgleich der §§ 677 ff. BGB dem Gesetzesplan der öffentlichen Teilrechtsordnung zu entnehmen ist oder ob das originär öffentlichrechtliche Staatshaftungsrecht im weiteren Sinne einen Ausgleich in ausreichendem Umfang bereits ermöglicht1036. (a) Qualifizierung des nach dem Regelungsplan zu gewährenden Ausgleichsanspruchs Wie das Zivilrecht knüpft auch das öffentliche Recht zur Quantifizierung eines Ausgleichs-, Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruches auf der Rechtsfolgenseite wertungsmäßig an den verwirklichten Tatbestand an. Eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung führt im Rahmen des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs lediglich zu einer Ausgleichung der Vermögensverschiebung, nicht jedoch zum Schadensersatz1037. Der Amtshaftungsanspruch setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verwaltungsträgers voraus und gewährt einen Schadensersatzanspruch durch Ersatz in Geld1038. Der verschuldensunabhängige Folgenbeseitigungsanspruch gewährt dagegen Beseitigung des von der Behörde herbeigeführten rechtswidrigen Zustandes lediglich durch Naturalrestitution1039. Zutreffend vertreten Wollschläger und Fleischfresser die Auffassung, das Aufwendungsersatzbegehren des Privatrechtssubjekts aufgrund einer auftraglosen Fremdgeschäftsführung in Fallgruppe 3 sei rechtssystematisch als Schadensersatzanspruch gegen den Verwaltungsträger wegen einer Pflichtverletzung zu bewer-
1033
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 153 ff. Siehe Rechtsprechungsnachweise bei Fn. 831; 832; 833; Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 159; Nedden, GoAÖR, S. 169 ff. 1035 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 159; Nedden, GoAÖR, S. 169 ff. 1036 So zutreffend auch Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 154, wenn er die Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 lediglich als ein weiteres Rechtsinstitut des Staatshaftungsrechts bewertet. 1037 Siehe S. 83; Fn. 307; 308; 309. 1038 Siehe S. 150; Fn. 609. 1039 Siehe S. 151 f.; Fn. 612. 1034
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
253
ten1040. Auch Knapp ist der Ansicht, dass eine Fremdgeschäftsführung darin erblickt werden könne, dass ein Privatrechtssubjekt die von der Behörde trotz Verpflichtung unterlassene Aufgabenerfüllung an sich ziehe und wahrnehme, so dass das von der Behörde unterlassene Geschäft gleichzeitig eine Amtspflichtverletzung darstelle1041. In seiner jüngeren Rechtsprechung gleicht auch der BGH den Aufwendungsersatzanspruch aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht an Schadensersatzansprüche aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung an1042. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Ausführungen im Hausanschlussfall des OVG Münster hinzuweisen, wonach es eine auftraglose Geschäftsführung des Privatrechtssubjekts für die Verwaltungsbehörde darstelle, wenn das Privatrechtssubjekt als Inhaber eines Schadensersatzanspruches, der ihm gegen die Behörde aufgrund einer entsprechenden Anwendung der §§ 280 ff. BGB zusteht, den Schaden selbst beseitigt, was eigentlich im Rahmen der Verpflichtung der Behörde zur Naturalrestitution von dieser hätte bewerkstelligt werden müssen1043. Da im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 II BGB auch der für die Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag verlangt werden kann, hätte auf die §§ 677 ff. BGB zur Erlangung des Geldersatzes gar nicht abgestellt werden müssen. Die Geschäftsführung zur Schadensbeseitigung ist dem Schadensersatzanspruch, der auf Naturalrestitution gerichtet ist, rechtsähnlich. Rechtsstrukturell ähnelt die Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 damit unter anderem auch dem Amtshaftungsanspruch. Die Beschränkung auf Geldersatz und Verweigerung der Naturalrestitution beim Amtshaftungsanspruch wird jedoch nur damit begründet, dass es sich beim Amtshaftungsanspruch um eine derivative Haftung handelt und ansonsten die erkennenden ordentlichen Gerichte Hoheitsakte der Verwaltung rückgängig machen könnten1044. Diese Erwägung hat jedoch keine Bedeutung, wenn aufgrund unterlassener Pflichterfüllung der Verwaltungsbehörden gerade keine hoheitlichen Handlungen rückgängig zu machen sind, sondern lediglich ein Aufwendungsausgleich zu erfolgen hat. Außerdem stellt Naturalrestitution einen auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz dar1045. Die Untersuchung hat bisher jedoch ergeben, dass im Bereich der Sekundäransprüche bei Verletzung öffentlichrechtlicher Pflichten durch Verwaltungsträger eine planwidrige Regelungslücke im geschriebenen öffentlichen Recht existiert1046. Eine planwidrige Regelungslücke 1040
S. 87.
Fleischfresser, VR 1988, 305 (307), Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag,
1041 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 157 f.; siehe hierzu auch VG Dresden, Urteil vom 29. 10. 2015 – 5 K 2394/14 –, juris Rn. 30 ff., wobei dieser Sachverhalt das Schulverhältnis betraf, das nach der Rechtsprechungspraxis ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis im weiteren Sinne darstellt. 1042 BGH, Urteil vom 13. 01. 2012 – V ZR 136/11 –, juris Rn. 8; siehe hierzu auch VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris Rn. 18 f. 1043 OVG Münster, Urteil vom 14. 06. 1995 – 22 A 2742/94 –, juris Rn. 5 ff. 1044 Siehe S. 123; Fn. 493; 610. 1045 Siehe S. 152; Fn. 621. 1046 Siehe S. 104 ff.; Fn. 406.
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
für einen umfassenden Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 683 BGB besteht in der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung jedoch nicht, wenn originär öffentlichrechtliche Rechtsinstitute diese Lücke bereits schließen können. Gelingt eine Lückenschließung durch öffentlichrechtliche Rechtsinstitute, so fehlt es für eine Rechtsfortbildung in Gestalt einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, so dass es auf die Frage, ob die §§ 677 ff. BGB eine solche Lücke überhaupt ausfüllen könnten, überhaupt nicht mehr ankommt1047. (b) Lückenfüllung durch den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch gewährt auf der Rechtsfolgenseite lediglich einen Anspruch auf Herausgabe des ohne Rechtsgrund Erlangten und hilfsweise Wertersatz für den Fall, dass das Erlangte nicht herausgegeben werden kann1048. Der Wertersatz bemisst sich jedoch nicht nach dem tatsächlich zur Geschäftsführung Aufgewendeten, sondern lediglich nach dem objektiven Wert des Erlangten, so dass nutzlose Aufwendungen, entgangener Gewinn und Zufallsschäden nicht erstattet werden sowie kein Schmerzensgeld gewährt werden kann1049. Die abweichende Auffassung von Wollschläger, nach der das objektiv Ersparte im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches und der Aufwendungsersatzanspruch des privaten Geschäftsführers gemäß § 683 BGB identisch seien, weil die Behörde sich durch die Geschäftsführung gerade die Beauftragung dieses Privatrechtssubjekts mit seinem individuellen Modus der Geschäftsführung erspart hat, kann nicht überzeugen1050. Zunächst wird im Regelfall nicht festzustellen sein, dass die Behörde dieses konkrete Privatrechtssubjekt tatsächlich hätte mit der Geschäftsführung beauftragen müssen, da die Behörde in aller Regel hierbei Ermessen ausüben und einen sachlich qualifizierten Geschäftsführer wählen kann. Des Weiteren zählen zum objektiv Ersparten keine nutzlosen Aufwendungen, Schmerzensgeld und entgangener Gewinn1051. Zufallsschäden des Geschäftsführers in seinen sonstigen Rechtsgütern sind als nicht obligatorische Begleiterscheinung der Aufgabenerfüllung auch nicht Bestandteil einer objektiv messbaren Vermögensmehrung beim Geschäftsherrn und deshalb auch nicht herauszugeben1052. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch gleicht nicht Vermögenseinbußen des Bereicherungsgläubigers aus, sondern lediglich den Vermögenszuwachs bei dem Bereicherungsschuldner1053. Der Erstattungsumfang erreicht damit nicht die Naturalrestitu-
1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053
Siehe S. 223; Fn. 912; 913. Siehe S. 83; Fn. 307; 308. Siehe S. 84; Fn. 309. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 61. Nedden, GoAÖR, S. 169. Siehe Fn. 1051. BVerwG, Beschluss vom 16. 11. 2007 – 9 B 36/07 Rn. 16.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
255
tion und der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch kann die Regelungslücke nicht auffüllen1054. (c) Lückenfüllung durch den Folgenbeseitigungsanspruch Der Folgenbeseitigungsanspruch gewährt auf der Rechtsfolgenseite zwar Naturalrestitution, nach jüngerer höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht jedoch generell Geldersatz in Form eines Folgenentschädigungsanspruches für den Fall der Unmöglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes in natura1055. Auch wenn Tendenzen der Rechtsprechung zur Gewährung von Naturalrestitution im Rahmen einer umfassenden, verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigung unverkennbar sind, kann nicht davon gesprochen werden, dass sich der auch im öffentlichen Recht geltende allgemeine Rechtsgrundsatz der Naturalrestitution bereits heute im Folgenbeseitigungsanspruch verwirklicht sieht1056. Um einen Aufwendungsersatzanspruch in Geld für die Selbstvornahme der Folgenbeseitigung durch das beeinträchtigte Privatrechtssubjekt zu schaffen, greift die Verwaltungsrechtsprechung aus diesem Grund auch auf die §§ 677 ff. BGB zurück, wobei das vom Privatrechtssubjekt vorgenommene fremde Geschäft die Erfüllung der Folgenbeseitigungspflicht der Behörde darstellt1057. Auch der Folgenbeseitigungsanspruch kann die Regelungslücke nicht schließen. (d) Lückenfüllung durch den Amtshaftungsanspruch Der Amtshaftungsanspruch umfasst einen Anspruch des Privatrechtssubjekts auf umfassende Geldentschädigung auch für notwendige Aufwendungen zur Schadensbeseitigung gemäß dem Maßstab der §§ 249 ff. BGB inklusive einer Ersatzpflicht für entgangenen Gewinn sowie Schmerzensgeld, jedoch keine Naturalrestitution1058. Nachdem auch die Aufwendungsersatzansprüche aufgrund der Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 auf Geldersatz gerichtet sind, geht der Amtshaftungsanspruch auf Rechtsfolgenseite teilweise noch über den Aufwendungsersatzanspruch der Geschäftsführung ohne Auftrag hinaus, weil er die fiktive Abrechnung gemäß § 249 II S. 1 BGB unter Einbeziehung der hypothetisch für die Geschäftsführung anfallenden Vergütung auch für den nichtprofessionellen Geschäftsführer ermöglicht, während der Aufwendungsersatz der Geschäftsführung ohne Auftrag die Unentgeltlichkeit der Geschäftsführungshandlungen zunächst
1054
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 155, 159. Siehe S. 151 ff.; Fn. 619. 1056 Siehe S. 151 ff.; Fn. 619; 620; 621. 1057 VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 24. 07. 2014 – 4 K 1055/13.NW –, juris Rn. 18 f.; auch im Einweisungsfall des BGH wurde die Beschränkung des Folgenbeseitigungsanspruchs dadurch umgangen, dass die unterlassene Pflichterfüllung der Behörde als Amtspflichtverletzung qualifiziert wurde, siehe Fn. 194. 1058 BGH, Urteil vom 25. 09. 1980 – III ZR 74/78 –, juris Rn. 26 f.; Schoch, JURA 1988, 648 (652); Coester-Waltjen, JURA 1995, 368 (371); siehe Fn. 609; 610; 611. 1055
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2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
unterstellt1059. Der Amtshaftungsanspruch gewährt im Gegensatz zum Aufwendungsersatzanspruch des § 683 BGB auch Schadensersatzansprüche für Folgeschäden im Vermögen des Geschäftsführers, die nicht aufgrund der Geschäftsführungshandlung, sondern unabhängig hiervon direkt in Folge der unterlassenen Pflichterfüllung durch die Behörde im Vermögen des Privatrechtssubjekts entstanden sind. Wenn der Amtshaftungsanspruch damit auf Rechtsfolgenseite zwar umfassenden Geldersatz, nicht jedoch Naturalrestitution gewährt, könnte eine Lückenfüllung im Zusammenwirken mit dem Folgenbeseitigungsanspruch plausibel erscheinen. Die bisherige Untersuchung hat jedoch ergeben, dass der Amtshaftungsanspruch aufgrund der Subsidiaritätsklausel, dem Verschuldenserfordernis und der Beweislastverteilung rechtsstaatlich nicht mehr vertretbare Rechtsschutzdefizite beim Schutz privater Rechtsgüter auf Sekundärebene öffentlichrechtlicher Pflichtenwahrnehmung durch Verwaltungsbehörden aufweist1060. Wie Knapp zutreffend aufzeigt, bleibt der Rechtsschutz durch den Amtshaftungsanspruch auch deshalb unzureichend, weil der Amtshaftungsanspruch eine der Behörde gerade gegenüber dem als Geschäftsführer auftretenden Privatrechtssubjekt bestehende Pflicht voraussetzt und eine Pflicht gegenüber einem Dritten wie im Vollzugshelferfall nicht ausreichen lässt, selbst wenn der Geschäftsführer durch die Wahrnehmung oder pflichtwidrige Unterlassung dieser Pflicht in seinen Rechten berührt wird1061. Wie bereits gezeigt wurde, ist der Amtshaftungsanspruch aufgrund qualitativer Defizite nicht geeignet, die planwidrige Regelungslücke im Bereich der Sekundäransprüche bei behördlichen Pflichtverletzungen zu schließen. (e) Lückenfüllung durch das nichtvertragliche, verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis Die im Rahmen dieser Untersuchung hergeleitete Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis für Pflichtverletzungen der Verwaltungsbehörden als ein aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitetes originär öffentlichrechtliches Rechtsinstitut bietet auf Rechtsfolgenseite eine vollwertige Naturalrestitution an und entfaltet eine erheblich höhere Rechtsschutzeffektivität als der diesbezüglich defizitäre Amtshaftungsanspruch1062. Eine Ausnahme bildet die fehlende Verzinsung bei Verzug, der spezifisch öffentlichrechtliche Wertungen entgegen stehen, wodurch diesbezüglich auch keine planwidrige Regelungslücke bestehen kann1063. Im Unterschied zum Amtshaftungsanspruch verlangt die Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis keine Verletzung einer gerade gegenüber dem Privatrechtssubjekt bestehenden Pflicht der Verwaltungsbehörde, sondern nur eine unmittelbare Betroffenheit der geschützten Rechtsgüter des Privatrechtssubjekts durch eine 1059 Siehe Fn. 830; 831; BGH, Urteil vom 07. 01. 1971 – VII ZR 9/70 –, juris Rn. 39; MüKoBGB 611 ff / Seiler, § 683 Rn. 24. 1060 Siehe S. 124 ff.; Fn. 197; 538; 539; 545. 1061 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 158. 1062 Siehe S. 135 ff. 1063 Siehe S. 168 ff.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
257
sachlich und zeitlich konkretisierte Pflicht einer Verwaltungsbehörde, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen oder abzuwenden1064. Ist das Vertrauen des Privatrechtssubjekts in die Herbeiführung oder Abwendung des jeweiligen Erfolges schützenswert und kann der Verwaltungsträger fehlendes Vertretenmüssen nicht darlegen und beweisen, so hat er den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde1065. Die anspruchsbeschränkende Wirkung des tatbestandlichen Erfordernisses schutzwürdigen Vertrauens in die ordnungsgemäße Pflichterfüllung der Verwaltungsbehörden sowie die Möglichkeit der Verwaltungsbehörde, fehlendes Vertretenmüssen der Pflichtverletzung darzulegen und zu beweisen, mit der Wirkung des Anspruchsausschlusses, entstammt den Besonderheiten der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung und stellt keine verfassungsrechtlich erhebliche Beschränkung des Rechtsschutzes dar. Für den Vertrauensschutz begründet sich dies aus der dargelegten Verankerung dieses Erfordernisses in der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung1066. Das Verschuldenskriterium findet sich sowohl im Amtshaftungsanspruch sowie im verfassungswidrigen Staatshaftungsgesetz. Die Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist somit in der Lage, die planwidrige Regelungslücke der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung durch Heranziehung eines originär öffentlichrechtlichen Rechtsinstituts zu schließen, so dass die Teilrechtsordnung im Verhältnis zum Zivilrecht keine planwidrige Regelungslücke mehr aufweist, die eine Anwendung der zivilrechtlichen §§ 677 ff. BGB im Wege der Rechtsfortbildung ermöglichen könnte1067. Knapp widerspricht dieser Auffassung mit der These, dass sich im öffentlichen Recht mit Ausnahme des öffentlichen Vertragsrechts noch kein allgemeines Leistungsstörungsrecht für nicht erfüllte Behördenaufgaben etablieren konnte1068. Er verkennt hierbei, dass sich ein Recht der Leistungsstörungen aus auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen entnehmen lässt. Zuzugeben ist Knapp zwar, dass auch die Haftung für Pflichtverletzungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in der Rechtsprechungspraxis keine hinreichend klaren Konturen ausgebildet hat1069. Wie geschildert leistet dies die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aber erst Recht nicht und im Gegensatz zu den §§ 677 ff. BGB gelingt die Herleitung einer originär öffentlichrechtlichen Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in Fallgruppe 3 ohne dogmatische Brüche. cc) Methoden der Rechtsfortbildung Für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 besteht mangels planwidriger Regelungslücke zwar kein Bedürfnis, aber anders als in Fallgruppe 2 ist die 1064 1065 1066 1067 1068 1069
Siehe S. 155 ff. Siehe S. 161 ff. Siehe S. 161 ff. Siehe S. 223. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 138 f. Siehe S. 95 ff.
258
2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
Anwendung auch nicht aufgrund entgegen stehenden Verfassungsrechts explizit verboten. Die Untersuchung, inwiefern bei Unterstellung einer Regelungslücke eine Rechtsfortbildung in Fallgruppe 3 begründet werden könnte, kann jedoch Aufschluss über die rechtssystematische Struktur der in dieser Fallgruppe anzutreffenden Sachverhaltskonstellationen geben. (1) Analogie Anders als Knapp annimmt, kann die Herleitung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht über eine Analogie zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nicht damit begründet werden, dass ein anzuerkennendes Interesse daran bestünde, die Rechtsfolgen der §§ 677 ff. BGB in einigen Sachverhaltskonstellationen anzuwenden und insbesondere Vermögensaufwendungen des Privatrechtssubjekts in tatsächlich entstandener Höhe und nicht nur im Umfang des objektiv Ersparten zu ersetzen1070. Wie bereits dargelegt, kann eine zur analogieweisen Herleitung erforderliche Wesensähnlichkeit der Sachverhalte nur angenommen werden, wenn sich die fraglichen Sachverhaltskonstellationen unter die Tatbestandsmerkmale der §§ 677 ff. BGB subsumieren lassen1071. Dies ist in Fallgruppe 3 weit naheliegender als in der zuvor untersuchten Fallgruppe 1, da der Geschäftsführer hier ein Privatrechtssubjekt ist, für dessen Handeln die §§ 677 ff. BGB ja gerade konzipiert sind. Nachdem die Geschäftsführung ohne Auftrag jedoch auch in Fallgruppe 3 von subjektiven Tatbestandsmerkmalen geprägt ist wie der Willensübereinstimmung mit dem Geschäftsherrnwillen, die im Rahmen des § 683 BGB ausschlaggebend für die zentrale Frage nach dem vollwertigen Aufwendungsersatzanspruch sind, obwohl solche subjektiven Tatbestandsmerkmale beim Verwaltungsträger zur Rechtsfolgenabgrenzung ungeeignet sind, kann eine ausreichende Wesensähnlichkeit mit den zivilrechtlichen Sachverhalten, auf die die §§ 677 ff. BGB direkt anwendbar sind, nicht positiv festgestellt werden1072. (2) Allgemeine Rechtsgrundsätze Während sich in Fallgruppe 1 kein auch im öffentlichen Recht gültiger, allgemeiner Rechtsgrundsatz identifizieren lässt, der eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB im öffentlichen Recht ermöglichen könnte, sprechen allgemeine Rechtsgrundsätze und Regelungsstruktur des öffentlichen Rechts in Fallgruppe 3 eher gegen das Bestehen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes oder Rechtsgedankens einer Geschäftsführung ohne Auftrag des Privatrechtssubjekts für die Verwaltungsbehörde. Durch die Schaffung eines gesetzlichen und richterrechtlichen Staatshaftungsrechts, das bereits entstandene Nachteile des Privatrechtssubjekts aufgrund von Pflichtverletzungen der Verwaltungsträger unter bestimmten Voraussetzungen kompensieren soll und die in § 839 III BGB niedergelegte Obliegenheit des Privatrechts1070 1071 1072
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 159. Siehe S. 140 ff. Siehe S. 226 f.
B. Kritik an der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht
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subjekts, zur Vermeidung solcher Rechtsverletzungen gerichtlichen Rechtsschutz einzuholen, enthält die öffentlichrechtliche Teilrechtsordnung vielmehr den Rechtsgrundsatz, dass das Privatrechtssubjekt sich nicht selbst in die Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten durch die Verwaltungsträger einzumischen hat. Aufgrund der aus öffentlichrechtlichen Rechtsgrundsätzen herzuleitenden Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis lässt sich auch für das Fehlen der Betroffenheit geschützter, subjektiver Rechtsgüter des Geschäftsführers kein abweichendes Ergebnis begründen, denn auch in diesem Fall besteht bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen eine Schadensersatzhaftung des Verwaltungsträgers. Die für die Annahme des Gegenteils notwendige positive Feststellung und Begründung eines auch im öffentlichen Recht geltenden, allgemeinen Rechtsgrundsatzes gelingt mangels Anhaltspunkten für das Bestehen eines solchen Rechtsinstituts im öffentlichen Recht jedenfalls nicht1073. Selbst wenn ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dergestalt erkennbar wäre, dass die Aufwendungen von Privatrechtssubjekten für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben vom Verwaltungsträger verschuldensunabhängig ersetzt werden sollen, wofür nichts spricht, so ließe sich aus dieser isolierten Feststellung keine Anwendung des komplexen Rechtsinstituts der §§ 677 ff. BGB mitsamt seinen Nebenpflichten, verschuldensabhängigen und -unabhängigen Schadensersatzansprüchen sowie typisch zivilrechtlichen Wertungen und Tatbestandsmerkmalen herleiten1074. Würde im öffentlichen Recht statt der hier diskutierten Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis vielmehr weiter die Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 favorisiert, so müsste das Privatrechtssubjekt zur optimalen Wahrung seiner Rechte frühzeitig in die Aufgabenerfüllung der Verwaltungsträger eingreifen, um bei entsprechendem oder auch nur vermeintlichem Verdacht amtliche Pflichtverletzungen zu verhindern, da das Privatrechtssubjekt ansonsten auf den defizitären und subsidiären Amtshaftungsanspruch verwiesen wäre, bei dem das Verschulden der Behörde positiv nachgewiesen werden muss und Naturalrestitution nicht gewährt wird, während der Aufwendungsersatzanspruch der Geschäftsführung ohne Auftrag verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und das Privatrechtssubjekt als Geschäftsführer weitgehende Kontrolle über den im Rahmen der Geschäftsführung herzustellenden Zustand behält, so dass eine Naturalrestitution für den Privaten im Anschluss nicht erforderlich ist1075. Die verfassungsrechtliche Ordnung setzt aber voraus, dass die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch die Verwaltungsbehörden grundsätzlich ohne Störung durch willkürliche Eingriffe der Privatrechtssubjekte außer im Falle gerichtlicher Intervention oder vorgesehener Mitwirkung durch Privatrechtssubjekte zu erfolgen hat. Damit ist nicht nur kein allgemeiner Rechtsgrundsatz im Hinblick auf die Möglichkeit einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 positiv feststellbar, sondern die öffentlichrechtliche Teilrechtsordnung enthält vielmehr den Grundsatz, dass ein solcher Eingriff des Privatrechtssubjekts zu unterbleiben hat. 1073 1074 1075
Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 150. Siehe hierzu Nedden, GoAÖR, S. 127. Ähnlich Kischel, VerwArch 1999, 391 (409).
260
2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
c) Zusammenfassung Rechtssystematisch stellt die Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Fallgruppe 3 im Ergebnis ein Rechtsinstitut des Staatshaftungsrechts zur Neutralisierung der Folgen unterlassener Pflichterfüllung durch die Verwaltungsträger dar. Unter Einbeziehung der in dieser Untersuchung aus auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleiteten Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis besteht weder für das komplexe Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag noch für einzelne Funktionen eine planwidrige Regelungslücke. Selbst bei Unterstellung einer solchen fehlt es im Rahmen der analogieweisen Herleitung an der Wesensähnlichkeit der zu regelnden Sachverhalte im öffentlichen Recht mit den Sachverhalten, auf die im Zivilrecht die §§ 677 ff. BGB Anwendung finden. Aufgrund des in Art. 20 II S. 2 GG niedergelegten verfassungsrechtlichen Grundsatzes, wonach öffentlichrechtliche Aufgaben ausschließlich durch die Verwaltungsträger wahrzunehmen sind und Privatrechtssubjekte hierauf lediglich durch Anrufung der Gerichte oder Schadensersatzverlangen im Rahmen der staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstitute Einfluss nehmen dürfen, kann ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zur Herleitung einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 nicht nur nicht positiv festgestellt, sondern sogar ausdrücklich abgelehnt werden. Auch wenn die Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 berechenbarer und konstanter ausfällt als in Fallgruppe 2, so fehlen auch hier die klaren tatbestandlichen Konturen, die einen ausreichenden Rechtsschutz privater Vermögensrechte ermöglichen könnten.
C. Fallspezifische Konsequenzen des herausgearbeiteten Haftungskonzepts I. Keine Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht Wie Wollschläger, der frühe Apologet einer Abschaffung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht, zutreffend festgestellt hat, sind die §§ 677 ff. BGB auf Sachverhalte mit Bezug zum öffentlichen Recht nicht anwendbar1076. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung bleibt in Fallgruppe 1 unter Einbeziehung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs und in Fallgruppe 3 bei Anwendung des Schadensersatzanspruches aufgrund der Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis keine planwidrige Regelungslücke mehr, während in Fallgruppe 2 die Rechtsordnung eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB zum Nachteil des Privatrechtssubjekts in allen denkbaren Fallkonstellationen untersagt1077. Dies betrifft nach 1076
Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 95 ff. Zu Fallgruppe 1 siehe S. 223 f.; zu Fallgruppe 2 siehe S. 236 ff.; zu Fallgruppe 3 siehe S. 256 f. 1077
C. Fallspezifische Konsequenzen des herausgearbeiteten Haftungskonzepts
261
der dargelegten Abgrenzungsmethode der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie anhand der Rechtsnatur des Handelns des Geschäftsführers zunächst alle Fälle der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag der Privatrechtssubjekts sowie sämtliche Fälle der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung der Verwaltungsträger1078. Bedienen sich Verwaltungsträger ausdrücklich der Privatrechtsform, so verbleibt in Fallgruppe 1 keine Regelungslücke für den Bereich der Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Kompetenzen. In Fallgruppe 2 ändert auch die ausdrückliche Wahl privatrechtlicher Handlungsformen durch die Verwaltungsträger nichts daran, dass alle Eingriffe in geschützte Rechte der Privatrechtssubjekte, sei es durch öffentlichrechtlich oder privatrechtlich zu qualifizierende Geschäftsführungshandlungen, einer Eingriffsgrundlage bedürfen, deren verfassungsrechtlichen Anforderungen die §§ 677 ff. BGB jedoch nicht genügen1079. Die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ist damit substitutionsbedürftig und substitutionsfähig. An diese Feststellungen schließt sich die Frage an, wie die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle nach der hier vertretenen Haftungskonzeption zu entscheiden gewesen wären.
II. Fallgruppe 1 (Ö/Ö) Die Sachverhalte der ersten Fallgruppe sind hiernach mit dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zu lösen. - Für den Stützmauerfall und den Ölverunreinigungsfall ergeben sich im Ergebnis keine Veränderungen, da die zugesprochenen Aufwendungen dem Wert des objektiv Erlangten entsprachen, was im Fall der echten Doppelzuständigkeit durch eine Anspruchsreduzierung um 50 % aufgrund der Mittelersparnis bei hypothetischer, gemeinsamer Vornahme der Störungsbeseitigung erreicht wird1080. - Der Beleuchtungsanlagenfall wurde vom erkennenden Gericht im Ergebnis zutreffend unter Verweis auf den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch entschieden1081. - Im Asylbewerberfall wäre dem geschäftsführenden Verwaltungsträger ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch allein deshalb zu versagen gewesen, weil der Geschäftsherr mangels eigener Verpflichtung durch die Handlungen der geschäftsführenden Behörde nichts erlangt hat1082.
1078 1079 1080 1081 1082
Siehe S. 37 ff. Siehe S. 238 f. Siehe Fn. 171; 173. Siehe Fn. 175. Siehe Fn. 177.
262
2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
- Im Schulbusfall wäre Wertersatz in Höhe des objektiv Erlangten aufgrund des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruches zu leisten gewesen1083. - Im Schwimmmeisterfall hätte die Klagepartei keinen Erstattungsanspruch geltend machen können, weil die Beklagte durch die Vornahme der Geschäftsführungshandlungen nichts erlangt hat1084. Im Ergebnis bleiben damit die dogmatischen und rechtssystematischen Probleme, die durch ein Abstellen auf in der Praxis kaum nachweisbare, subjektive Tatbestandsmerkmale wie den Fremdgeschäftsführungswillen und die Willensübereinstimmung der Geschäftsführung mit dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Geschäftsherrnwillen sowie deren Unschädlichmachung durch den im öffentlichen Recht ebenfalls systemfremden § 679 BGB ohne einen Mehrwert für die Falllösung generiert werden, im Rahmen des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ohne Bedeutung.
III. Fallgruppe 2 (Ö/P) In der zweiten Fallgruppe ist sowohl ein Abstellen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag wie auch auf den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zur Umgehung des Gesetzesvorbehalts unzulässig. - Der Verwaltungsbehörde wäre deshalb sowohl im Zementstaubfall wie auch im Bimsgrubenfall ein Aufwendungsersatzanspruch aufgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag bereits deshalb zu versagen gewesen, weil eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB zum Nachteil des Privatrechtssubjekt ausscheidet, wodurch sich zumindest im Bimsgrubenfall auch das Ergebnis geändert hätte und das Privatrechtssubjekt keinen Aufwendungsersatz hätte leisten müssen1085. - Im Rinderfall hätte sich das Ergebnis durch die hier vertretene Ablehnung einer Anwendung der §§ 677 ff. BGB zum Nachteil des Privatrechtssubjekts nicht geändert1086. - Dies gilt auch für die Entscheidung des Baumfalles, wobei die Ablehnung von Erstattungsansprüchen unter Verweis auf die fehlende Eingriffsgrundlage dogmatisch konsequenter erscheint als der Verweis auf die angebliche Berechtigung der Behörde zur Geschäftsführung, die einem Aufwendungsersatzanspruch entgegen stehen soll1087.
1083 1084 1085 1086 1087
Siehe Fn. 178. Siehe Fn. 179. Siehe Fn. 180; 181. Siehe Fn. 182. Siehe Fn. 183.
C. Fallspezifische Konsequenzen des herausgearbeiteten Haftungskonzepts
263
- Im Leichenerstversorgungsfall wäre der Behörde ein Aufwendungsersatzanspruch hingegen genauso zu versagen gewesen wie im Rechtsanwaltsfall1088. - Keine Veränderungen hätten sich im Fernmeldekabelfall ergeben, denn dort wurde mit zutreffender Begründung ein Aufwendungsersatzanspruch versagt, wobei noch angeführt werden müsste, dass auch beim Fehlen einer abschließenden Regelung des Kostenersatzes die §§ 677 ff. BGB keine Eingriffsgrundlage begründen könnten1089. Verwaltungsträger sind zur Durchsetzung von Eingriffen in geschützte Rechtsgüter der Privatrechtssubjekte sowohl im Hinblick auf das durchzuführende Verfahren als auch in Bezug auf die materiellen Anforderungen an einen rechtmäßigen Eingriff auf ihre öffentlichrechtlichen Eingriffsgrundlagen zu verweisen. Besteht nach diesen Normen keine Eingriffsmöglichkeit, so hat der Eingriff zu unterbleiben und ist andernfalls rechtswidrig. Ein Aufwendungsersatzanspruch steht der Verwaltungsbehörde deshalb nicht zu.
IV. Fallgruppe 3 (P/Ö) Die Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die schuldrechtliche Haftung in Fallgruppe 3 führt, soweit die Tatsachenfeststellungen in den Entscheidungen eine solche Einschätzung zulassen, zu erheblichen Veränderungen im Argumentationsmuster und den Ergebnissen der bislang in dieser Fallgruppe entschiedenen Fällen. - Der Uferdeckwerksfall wäre bei Anwendung der Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis durch Zuerkennung eines Schadensersatzanspruches in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen für das Privatrechtssubjekt zu entscheiden gewesen, da die Behörde hier sachlich und zeitlich konkretisiert die Pflicht hatte, das Uferdeckwerk zu erneuern und das durch den herbeizuführenden Erfolg individualisiert betroffene Privatrechtssubjekt schützenswertes Vertrauen in die Pflichterfüllung der Behörde haben durfte und sich aufgrund des Unterlassens dazu herausgefordert fühlen durfte, die Erneuerung zum Schutz seiner Rechtsgüter selbst vorzunehmen1090. - Dies gilt auch für den Einweisungsfall, in dem das Privatrechtssubjekt bei Anwendung der schuldrechtlichen Haftung nicht mit den Beschränkungen des defizitären Amtshaftungsanspruches und insbesondere dem Erfordernis des positiven Verschuldensnachweises konfrontiert wäre, sondern aufgrund vorliegender individualisierter, erfolgsbezogener Betroffenheit einer sachlich und zeitlich
1088 1089 1090
Siehe Fn. 185; 187. Siehe Fn. 189. Siehe Fn. 191.
264
2. Kap.: Substitution der Geschäftsführung ohne Auftrag
konkretisierten Behördenpflicht bei schutzwürdigem Vertrauen Schadensersatz in voller Höhe der Aufwendungen ohne Weiteres verlangen könnte1091. - Im Erschließungsfall des BVerwG wäre dem Privatrechtssubjekt auch aufgrund der schuldrechtlichen Haftung ein Aufwendungsersatzanspruch zu versagen gewesen1092. Weder war die Pflicht der Behörde zur Erschließung zeitlich bereits konkretisiert noch war der potentielle Erschließungsunternehmer durch den Erschließungserfolg individuell in seinen geschützten Rechten betroffen. Die Erwartung im Rahmen eines möglicherweise noch zustande kommenden Erschließungsvertrages Gewinn zu erzielen, stellt aufgrund der ungesicherten Erwerbsaussicht noch keine geschützte Rechtsposition dar. - Für den Erschließungsfall des VGH Mannheim würden sich bei Anwendung des hier vertretenen Erstattungskonzepts Unterschiede zum Nachteil des Privatrechtssubjekts ergeben1093. Bei Subsumtion des entschiedenen Sachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale der Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis müsste ein Schadensersatzanspruch des Privatrechtssubjekts abgelehnt werden, weil zum Zeitpunkt der Selbstvornahme auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts noch keine zeitlich konkretisierte Pflicht der Verwaltungsbehörde und ein korrespondierender Anspruch des Privatrechtssubjekts vorlag. Ob eine solche Pflicht der Behörde später bei unterstellter Nichtvornahme noch entstanden wäre, hat im Gegensatz zur Auffassung des Gerichts unbeachtlich zu bleiben, da eine solche Pflicht wegen Erreichung des Erfolges ja gerade nicht mehr entstehen kann und der objektive Tatbestand somit niemals vorlag oder vorliegen wird. Die Ersatzfähigkeit über den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch bleibt dem Grunde nach unberührt, wobei die geringere Effektivität vom Privatrechtssubjekt gegebenenfalls hinzunehmen ist. - Auch im Vollzugshelferfall könnte sich das Privatrechtssubjekt nicht auf Schadensersatzansprüche aufgrund der schuldrechtlichen Haftung berufen1094. Wenn die Pflicht der Polizeibehörde zur Blutentnahme auch sachlich und zeitlich konkretisiert gewesen sein mag, so waren nicht geschützte Rechtsgüter des Klägers individualisiert betroffen, sondern allenfalls solche des alkoholisierten Tatverdächtigen. Der Kläger könnte bei Vorliegen der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen lediglich über den weniger effektiven öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Verwaltungsbehörde oder über einen Anspruch aus zivilrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den alkoholisierten Tatverdächtigen vorgehen, der seinerseits wiederum Schadensersatzansprüche aufgrund schuldrechtlicher Haftung und Amtshaftung gegen die Polizeibehörde geltend machen könnte. 1091 1092 1093 1094
Siehe Fn. 194. Siehe Fn. 195. Siehe Fn. 196. Siehe Fn. 197.
C. Fallspezifische Konsequenzen des herausgearbeiteten Haftungskonzepts
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- Im Katzenfall würde ein Schadensersatzanspruch der klagenden Tierärztin zumindest an der fehlenden individuellen Betroffenheit ihrer Rechtsgüter scheitern, da diese durch die Herbeiführung des Erfolges, nämlich der Einschläferung der Katze nicht in ihren eigenen geschützten Rechtspositionen berührt wird, weshalb auch sie auf den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zu verweisen wäre, wenn nicht eine entsprechende gemeindliche Satzung ihr einen Aufwendungsersatzanspruch für ihr Tätigwerden gewährt1095. - Der vom OVG Münster im Ergebnis zutreffend entschiedene Hausanschlussfall könnte alleine mit der schuldrechtlichen Haftung ohne Zuhilfenahme der Geschäftsführung ohne Auftrag gelöst werden, weil der Geschädigte zur Beseitigung des Schadens in Eigenregie keiner besonderen Legitimation durch die §§ 677 ff. BGB bedarf, sondern die hierfür erforderlichen Aufwendungen selbst bei Nichtvornahme vom Schädiger verlangen kann1096. - Dies trifft auch für den Hausanschlussfall des OVG Lüneburg zu, da auch hier das Privatrechtssubjekt einen Schaden beseitigte, der aufgrund der Pflichtverletzung einer Behörde einem von der Herbeiführung des Erfolges individualisiert Betroffenem entstanden war und eine sachlich und zeitlich konkretisierte, öffentlichrechtlichen Pflicht bestand1097. Im Ergebnis bringt die Abschaffung der Geschäftsführung ohne Auftrag in Fallgruppe 3 den Privatrechtssubjekten nicht nur Vorteile, sondern verweist sie in manchen Sachverhaltskonstellationen mangels individualisierter Betroffenheit in eigenen Rechtspositionen auf den weniger effektiven öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, der nur einen Aufwendungsausgleich in Höhe des objektiv Erforderlichen gewährt. Dies erscheint angesichts der Tatsache, dass in solchen Fällen eben gerade nur die objektive Rechtsordnung und kein eigenes subjektives Recht gefährdet oder verletzt wird, auch gerecht.
V. Fallgruppe 4 (P/P) Die Sachverhaltskonstellationen der vierten Fallgruppe stellen ausschließlich Varianten der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag dar, die durch die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht berührt werden. Sofern man den teilweise kritisch zu würdigenden Annahmen der Rechtsprechung zum auch-fremden Geschäft und der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens folgt, ist hier keine Korrektur der Argumentation und des Ergebnisses veranlasst.
1095 1096 1097
Siehe Fn. 198. Siehe Fn. 199. Siehe Fn. 200.
3. Kapitel
Schlussfolgerungen und Ausblick A. Ergebnisse der Untersuchung Die Untersuchung der Anwendungsmöglichkeiten der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht unter besonderer Beachtung der Konkurrenzverhältnisse zu anderen Rechtsinstituten des Staatshaftungsrechts hat ergeben, dass die bereits im Zivilrecht in vielen Fragen des Tatbestandes umstrittene Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht nicht anwendbar ist. Die Abgrenzung der zivilrechtlichen von der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag hat nach den Kriterien der kompetenziell modifizierten Sonderrechtstheorie zu erfolgen, wobei die Zuordnung allein noch nichts über die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts in bestimmten Fallkonstellationen aussagt. Eine öffentlichrechtlich-zivilrechtliche Doppelnatur einer Behördenmaßnahme existiert nicht. Die Geschichte der Geschäftsführung ohne Auftrag war geprägt von sich abwechselnden Phasen der richterrechtlichen Expansion und Restriktion, wobei in der jüngeren Geschichte insbesondere bei Geschäftsführungshandlungen der Verwaltungsbehörden für Privatrechtssubjekte eine deutliche Erweiterung des Anwendungsbereichs durch die Rechtsprechung zu erkennen ist, um den Verwaltungsträgern Aufwendungsersatzansprüche gegen Privatrechtssubjekte zu gewähren. Begleitet wurde diese richterrechtliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts durch einen mit dem verfassungswidrigen Staatshaftungsgesetz gescheiterten Normierungsversuch und immer intensiverer rechtssystematischer Kritik von Seiten der Wissenschaft. Das Staatshaftungsrecht befindet sich bereits seit Langem in einem dogmatisch beklagenswerten Zustand sich teilweise im Anwendungsbereich überlappender und für sich genommen in Rechtsprechung und Literatur intensiv umstrittener Rechtsinstitute mit unklaren Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen. Während der originär öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch noch vergleichbar klare Strukturen aufweist, sind Tatbestand und Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis im engeren Sinne trotz großer Praxisrelevanz nicht hinreichend umrissen. Aufgrund nachgewiesener Defizite im Rechtsschutz der Privatrechtssubjekte gegen staatliche Pflichtverletzungen nach dem gültigen Staatshaftungsrecht lässt sich aus auch im öffentlichen Recht gültigen, allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine schuldrechtliche Haftung der Verwaltungsträger für die Nicht- oder Schlechterfüllung von sachlich und zeitlich konkretisierten öffentlichrechtlichen Pflichten gegenüber individualisiert von dem Erfolg der
B. Ausblick
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Pflichterfüllung in ihren geschützten Rechtspositionen betroffenen Privatrechtssubjekten, deren Vertrauen auf die Pflichterfüllung schützenswert war, begründen. Im Rechtsschutzniveau ähnelt diese schuldrechtliche Haftung den Schadensersatzansprüchen des verfassungswidrigen Staatshaftungsgesetzes. Die Herleitung der originär zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht scheitert in allen Fallgruppen bereits an einer planwidrigen Regelungslücke der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung. Für Geschäftsführungsmaßnahmen von Verwaltungsträgern für andere Verwaltungsträger im Bereich öffentlichrechtlicher Kompetenzen gilt zwar das Prinzip, dass letztendlich der Aufgabenverantwortliche auch die Ausgabenlast zu tragen hat, ohne dass die Rechtsordnung hierfür ausreichend normierte Ausgleichsansprüche zur Verfügung stellt, jedoch lässt sich diese planwidrige Regelungslücke vollständig mit dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch schließen. Bei Geschäftsführungsmaßnahmen der Verwaltungsträger für Privatrechtssubjekte verbietet der Gesetzesvorrang und -vorbehalt sowohl die Geschäftsführung an sich sowie das sich anschließende Erstattungsverlangen und flankierende Nebenpflichten und Schadensersatzansprüche zu Lasten der privaten Geschäftsherrn, weil staatliche Eingriffe in geschützte Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte außerhalb normierter Rechtsgrundlagen gerade zu unterbleiben haben und die §§ 677 ff. BGB selbst aufgrund mangelnder Bestimmtheit als Rechtsgrundlage ungeeignet sind. In Fallgruppe 3 besteht eine planwidrige Regelungslücke nur im Bereich von Sekundäransprüchen bei staatlichen Pflichtverletzungen und nicht im Bereich von Geschäftsführungsmaßnahmen von Privatrechtssubjekten für Verwaltungsträger, weil die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nach Art. 20 II S. 2 GG ausschließlich dem Staat vorbehalten ist. Diese Regelungslücke der öffentlichrechtlichen Teilrechtsordnung wird aber durch die Haftung im verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis bereits geschlossen, so dass auch hier keine planwidrige Regelungslücke verbleibt. Zusätzlich fehlt es in den Fallgruppen, in denen die Rechtsordnung die Anwendung der §§ 677 ff. BGB anders als in Fallgruppe 2 nicht implizit verbietet, auch an einer geeigneten Methode der Rechtsfortbildung, weil es für eine analogieweise Herleitung an der Wesensähnlichkeit und für eine Herleitung über allgemeine Rechtsgrundsätze an der Feststellung eines derartigen Rechtsgrundsatzes fehlt. Dadurch ergeben sich im gesichteten Fallmaterial erhebliche Auswirkungen auf die Falllösung mit Vor- und Nachteilen insbesondere für die Privatrechtssubjekte.
B. Ausblick Die richterrechtliche Expansion der im öffentlichen Recht systemfremden Geschäftsführung ohne Auftrag anhand von Billigkeitserwägungen und Einzelfallentscheidungen sowie der weiter rechtssystematisch defizitäre Zustand des gesamten Staatshaftungsrecht geben wenig Anlass, in naher Zukunft auf eine Präzisierung des Rechtsinstituts zu hoffen. Bei der Geschäftsführung von Verwaltungsbehörden für
268
3. Kap.: Schlussfolgerungen und Ausblick
andere Verwaltungsbehörden oder Privatrechtssubjekte erscheint die Anwendung der §§ 677 ff. BGB mehr als eine Invasion typisch zivilrechtlicher Wertungen und Ausgleichsmechanismen, für die das öffentliche Recht aber nur einen Fehlwirt darstellt denn als eine systematisch nachvollziehbare Rechtsfortbildung. In Fallgruppe 3 jedoch fügt sich die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag in das strukturlose Gesamtbild der staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstitute ohne Weiteres ein. Mit dem verfassungswidrigen Staatshaftungsgesetz scheiterte die systematisch dringend notwendige normative Erschließung des Staatshaftungsrechts bereits zu Beginn seiner Entwicklung. Während noch im Jahre 2004 von Seiten der Bundesregierung kein Normierungsbedarf für ein neues Staatshaftungsgesetz gesehen wurde, wurde dieses Vorhaben in die Koalitionsverträge der Jahre 2009 und 2013 ausdrücklich aufgenommen1098. Die Bundesregierung ist spätestens seit 2013 der Ansicht, dass das Staatshaftungsrecht „zersplittert“1099 sei. Obwohl der Bund bereits seit Mitte der 1990er Jahre gemäß Art. 74 I Nr. 25 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Staatshaftungsrecht innehat, ist seitdem nicht einmal ein weiterer Versuch der Normierung unternommen oder ernsthaft diskutiert worden und es drängt sich die Erkenntnis auf, dass der politische Wille zur Schaffung einer effektiveren Staatshaftung auch in Zeiten der Hochkonjunktur und stetig wachsenden Steuereinnahmen fehlt1100. Dies hat auch dazu geführt, dass in Brandenburg und Thüringen nach wie vor das Staatshaftungsgesetz der DDR vom 12. 05. 1969 im Range des Landesrechts gilt. Der dort in § 1 StHG der DDR normierte, formal in seiner Effektivität dem gescheiterten Staatshaftungsgesetz der BRD vergleichbare, ebenfalls verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch geschädigter Privatrechtssubjekte gegen die Verwaltungsträger für rechtswidrige Pflichtverletzungen wurde jedoch nach der Wende durch richterliche Auslegung an das Schutzniveau des Amtshaftungsanspruches angeglichen1101. Ein beachtlicher Teil der Wissenschaft, der die Hoffnung auf eine rechtssystematische Erschließung des Staatshaftungsrechts noch nicht aufgegeben hat, scheint auf die fortschreitende Konvergenz der Teilrechtsordnungen zu setzen um sich zivilrechtliche Werkzeuge dienlich zu machen. Wie das dogmatisch relativ unkomplizierte und systematisch überschaubare Staatshaftungsgesetz der BRD eindrucksvoll demonstrierte, steht einer Verschlankung, Zusammenfassung und verständlichen Kodifizierung der verschiedenen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstitute keinesfalls die dogmatische Komplexität der Materie entgegen. Die Geschäftsführung ohne Auftrag wird deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit noch auf absehbare Zeit die Rolle einer Lückenbüßerin im öffentlichen Recht einnehmen müssen.
1098
BT-Drucksache 15/3952, S. 1.; Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der FDP für die 17. Legislaturperiode, S. 112; Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 154. 1099 Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 154. 1100 GVwR III / Höfling, § 51 Rn. 116 f. 1101 BGW, Staatshaftungsrecht Rn. 268 ff.
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