Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung: Der Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag [1 ed.] 9783428552764, 9783428152766

Das Problem der faktischen Geschäftsführung und die mit dieser Rechtsfigur verknüpften Rechtsfolgen beschäftigen Rechtsp

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German Pages 258 Year 2018

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Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung: Der Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag [1 ed.]
 9783428552764, 9783428152766

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 113

Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung Der Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag

Von

Ferdinand Dreher

Duncker & Humblot · Berlin

FERDINAND DREHER

Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 113

Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung Der Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag

Von

Ferdinand Dreher

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15276-6 (Print) ISBN 978-3-428-55276-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85276-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis März 2017 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago), für die vielfältige Förderung während meines Studiums und meiner Zeit als Doktorand. So haben die Tätigkeit als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht sowie der Besuch seiner Schwerpunktvorlesungen bei mir nicht nur das Interesse am Gesellschaftsrecht geweckt, sondern auch am wissenschaftlichen Arbeiten. Die an das Studium anschließende Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut hat es mir sodann erlaubt, diese Interessen mit großer wissenschaftlicher Freiheit weiterzuverfolgen und zudem auch den gesamten universitären und wissenschaftlichen Betrieb näher kennen zu lernen. Weiterhin möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard), für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die hilfreichen Anmerkungen zur Arbeit herzlich danken. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ danke ich ferner den Herausgebern und dem Verlag Duncker & Humblot. Die Entstehung der Arbeit wurde großzügig gefördert durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Für die Drucklegung habe ich ferner durch die Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung und die Studienstiftung ius vivum erhebliche Druckkostenzuschüsse erhalten. Auch hierfür bin ich sehr dankbar. Im Verlauf der Entstehung dieser Arbeit hat mich eine Vielzahl von Menschen vielfältig unterstützt, etwa durch konstruktive Kritik, Ermutigungen oder Korrekturlesen. Beispielhaft genannt seien hier Frau Tessa Scheller sowie die Herren Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), Dr. Philipp Hofmann, Dr. Alexander Klausmann, Dr. Johannes Marl, LL.M. (Univ. of Glasgow), PD Dr. Falk Mylich, Dr. Thilo Schülke, Martin Vocks und Prof. Dr. Marc-Philippe Weller. Allen sei auf diesem Wege ebenfalls herzlich gedankt. Gewidmet ist diese Arbeit schließlich meinen Eltern, Dr. Kirsten Dreher und Dr. Bernhard Dreher, denen ich von Herzen für ihre vorbehaltlose Unterstützung wäh-

8

Vorwort

rend meines gesamten bisherigen Lebensweges danke. Ohne diese Unterstützung wäre die Entstehung dieser Arbeit sicher kaum möglich gewesen. Mailand, im Oktober 2017

Ferdinand Dreher

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung in den Problemkreis

19

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Erste Begriffsbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Faktische Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Der Geschäftsleiter kraft Rechtsscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Weitere Begrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Begrenzung der Untersuchung auf das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Begrenzung der Untersuchung auf die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Begrenzung der Untersuchung auf die Probleme des Gesellschafterschutzes und Gläubigerschutzes in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 D. Gründe für einen Neuansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 E. Rechtsvergleichendes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 F. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Kapitel 2 Herkömmliche Lösungsansätze für das Problem der faktischen Geschäftsführung im deutschen Recht

28

A. Die Entwicklung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. BGH WM 1973, 1354 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. BGHZ 75, 96 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. BGHZ 104, 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. BGHZ 150, 61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 V. BGH NZG 2005, 816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 VI. Weitere Entscheidungen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 VII. Obergerichtliche Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 VIII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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Inhaltsverzeichnis

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Methodische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Das Normanwendungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Begriff des Normanwendungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Verantwortungsrechtlicher Organbegriff als abweichender Ansatz . . . . . . 38 2. Verschiedene Perspektiven bei der Umsetzung des Normanwendungsmodells 39 3. Möglichkeit zur Abstraktion trotz Einzelnormanwendung . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Auseinandersetzung mit den Kriterien der Rechtsprechung zur Konkretisierung der Einzelnormanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Die Notwendigkeit des Tätigwerdens nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Befürwortende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . 43 c) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . 44 2. Die Notwendigkeit einer Billigung durch die Gesellschafter bzw. das Bestellungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Befürwortende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . 46 c) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . 46 3. Amtstauglichkeit als notwendige Voraussetzung für die faktische Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . 48 b) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . 49 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 5. Der faktische Geschäftsführer als Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Alternative Konkretisierungsmöglichkeiten für die Einzelnormanwendung . . . . 51 1. Konkretisierung des Typus zur Bestimmung der Voraussetzungen einer organspezifischen Gefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Konkretisierungsmöglichkeiten zur Bestimmung der Voraussetzungen einer Organverdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Die Diskussion um die Anwendung einzelner Normen auf den faktischen Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. § 15a Abs. 1 InsO (i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Modifizierte Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Lösung nach der Lehre vom Fortführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Grundsätzliche Kritik an der Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO . . . . . . . 58 2. § 43 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Anwendung auf externe Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Anwendung auf Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. § 64 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel 3 Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

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A. Anknüpfungspunkt für die Untersuchung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Analogie und teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Die Typenlehre von Larenz und Leenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Die Kritik von Stein und Dinkhoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Zentrale Argumente der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Analyse der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Die Irrelevanz allgemeiner Vorschriften für die Lückenfindung und -ausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) „Indizwirkung“ anderer Ansprüche für ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Exkurs: Überzeugungskraft der Argumentation jenseits des Normanwendungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Haftung des faktischen Geschäftsführers aus allgemeinen Vorschriften 79 bb) Haftung anderer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Organverdrängung und Perspektivwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 C. Lückenfindung und -ausfüllung – zugleich Kritik an der Übertragung einzelner Geschäftsführerpflichten auf faktisch tätige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Die dogmatische Begründung einer Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Ansätze zur Begründung einer Sonderverbindung und ihre Kritik . . . . . . . . . 84 a) Billigung und typisierte Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Der Verweis auf das Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Der Ansatz von Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Korrespondenz von Leitung und Verantwortlichkeit als „Gerechtigkeitsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Die Rückbindung einzelner Merkmale faktischer Geschäftsführung an den jeweiligen Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Außenauftritt und Billigung als notwendige Voraussetzung faktischer Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Die Wirkungsweise der Haftungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Die Inkongruenz von Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Die unterschiedliche Ausgangslage bei faktischem und bestelltem Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

12

Inhaltsverzeichnis b) Faktische Einflussmöglichkeit als inadäquater Ersatz für rechtlich abgesicherte Einflussmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Erweiterung der Rechtsstellung des faktischen Geschäftsführers . . . . . . . . 104 2. Der falsche Anreiz der Pflichtenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Wirkungsweise der Haftungsnormen beim bestellten Geschäftsführer . . . . 106 b) Wirkungsweise der Haftungsnormen beim faktischen Geschäftsführer – Perpetuierung des rechtswidrigen Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Der Sonderfall des Bestellungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Weitere normspezifische Argumente gegen eine Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Der faktische Geschäftsführer und die Drei-Wochen-Höchstfrist in § 15a Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Probleme im Zusammenhang mit § 43 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Kapitel 4 Der de facto director und der shadow director im englischen Gesellschaftsrecht 118 A. Methodische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 B. Überblick über das englische Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum de facto director . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Die gesetzliche „Definiton“ des de facto director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum de facto director bis Re Paycheck Services 3 Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Re Paycheck Services 3 Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Jüngste Entscheidungen zum de facto director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum shadow director . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Die gesetzlichen Definitionen des shadow director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Kriterien für die Stellung als shadow director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Fiduciary duties des shadow director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Verhältnis zum de facto director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 E. Rechtsvergleich vor dem Hintergrund der Kritik am deutschen Normanwendungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Vergleich der Voraussetzungen für die Einzelnormanwendung . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Argumente für eine Ausweitung des deutschen Begriffsverständnisses . . . . . 136

Inhaltsverzeichnis

13

2. Leitlinien der Einzelfallanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Vergleich der angewendeten Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. IA 1986 s. 214 (wrongful trading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Allgemeine directors’ duties (i.V.m. IA 1986 s. 212) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Vergleich der mit der Einzelnormanwendung verbundenen Anreizwirkung . . . . 157 1. Die verhaltenssteuernde Wirkung von CDDA 1986 s. 15 . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Weitergehende Anreizwirkung durch das Disqualifikationsrecht . . . . . . . . . . 161 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Kapitel 5 Neukonzeption der Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

165

A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Zur Notwendigkeit einer besonderen Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Leitlinien für eine Neukonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die GmbHGeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Der bestellte Geschäftsführer als Wahrer fremder Vermögensinteressen . . . . . . 167 1. Tätigkeit in fremdem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Haftung bei Verletzung der einzelnen Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Reichweite der Pflichten zur Berücksichtigung der Vermögensinteressen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung als Tätigkeit in fremdem Interesse ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Herleitung einer Verantwortlichkeit nach den Regeln der GoA . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Aufbau und Struktur der §§ 677 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Gemischt objektiv-subjektive und subjektive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Gemischt objektiv-subjektive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Subjektive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Berechtigte und unberechtigte GoA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 189 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Die Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf den faktischen Geschäftsführer . . . . 191 a) Faktische Geschäftsführung als fremdnützige Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Grundsätzliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) GoA und nichtiger Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

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Inhaltsverzeichnis bb) GoA und die Überschreitung von Organbefugnissen oder vertraglichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) GoA und pflichtgebundener Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd) Fremdnützige und eigennützige Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Der „doppelte“ Geschäftsherr des faktischen Geschäftsführers . . . . . . . . . 202 d) § 678 BGB als Instrument der Steuerung unerwünschter Einflussnahme 203 aa) Bei der Interessenwahrnehmung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . 204 bb) Bei der Interessenwahrnehmung gegenüber den Gläubigern . . . . . . . . 206 e) Die einzelnen Schadensposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Schäden infolge der Verletzung von Gesellschaftsinteressen . . . . . . . . 208 bb) Schäden infolge der Verletzung von Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . 209 f) Beginn und Ende der Verantwortlichkeit nach § 678 BGB . . . . . . . . . . . . . 214 g) Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 h) Weitere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 i) Rechte des faktischen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Besonderheiten bei Hintermännern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Weisungen der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Weisungen der Konzernmutter im GmbH-Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . 227

C. Abschließender Überblick über die Ergebnisse anhand von Fallgruppen . . . . . . . . . . . 230 I. Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Kreditgeber und Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Verantwortlichkeit als Hintermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Kreditgeber und Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Kapitel 6 Zusammenfassung in Thesen

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Verzeichnis der zitierten englischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AC AcP a.E. a.F. AG AktG Anh. AO Art. AT BB BCC BCLC Begr. BGB BGH BGHSt BGHZ BR BR-Drucks. bspw. BT BT-Drucks. bzw. CA (CA) CDDA Ch (Ch) c.i.c. CLJ COM Comp. Law. C.R. & I. DB ders. d. h. dies. DStR

anderer Ansicht Absatz Appeal Cases (Law Report) Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Anhang Abgabenordnung Artikel Allgemeiner Teil Betriebsberater British Company Cases (Law Report) Butterworths Company Law Cases (Law Report) Begründer/Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrat Bundesrats-Drucksache beispielsweise Bundestag Bundestags-Drucksache beziehungsweise Companies Act Court of Appeal Company Directors Disqualification Act Chancery Division (Law Report) Chancery Division culpa in contrahendo Cambridge Law Journal Commission Company Lawyer (Zeitschrift) Corporate Rescue and Insolvency (Zeitschrift) Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe/dieselben Deutsches Steuerrecht

16 DStR-Beih DStRE DZWIR EBOR Einl. et al. etc. EWCA Civ EWHC f./ff. FG Fn. FS FSMA GG GmbH GmbHG GmbHR GoA Herv. d. Verf. HGB (HL) h.M. Hrsg. Hs. IA ibid. i. d. F. i.E. i.e.S. insb. InsO Insolv. Int. Int. i.S.d. i.V.m. J JBL Jura JZ KG KTS LG LJ LQR LSE Ltd

Abkürzungsverzeichnis DStR-Beihefter DStR-Entscheidungsdienst Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insovenzrecht European Business Organization Law Review Einleitung et alii/aliae et cetera England and Wales Court of Appeal Civil Division England and Wales High Court folgende/fortfolgende Finanzgericht Fußnote Festschrift Financial Services and Markets Act Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau Geschäftsführung ohne Auftrag Hervorhebung durch Verfasser Handelsgesetzbuch House of Lords herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Insolvency Act ibidem (ebenda) in der Fassung im Ergebnis im engeren Sinne insbesondere Insolvenzordnung Insolvency Intelligence (Zeitschrift) Internationales im Sinne des/der in Verbindung mit Justice The Journal of Business Law Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Zeitschrift für Insolvenzrecht (früher Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen) Landgericht Lord Justice/Lady Justice The Law Quarterly Review London School of Economics private company limited by shares

Abkürzungsverzeichnis m. E. MoMiG

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meines Erachtens Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Mot. Motive m.w.N. mit weiteren Nachweisen n.F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungsreport Nr. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OR Schweizerisches Obligationenrecht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten plc public company limited by shares RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notarzeitschrift s. section S. Seite sog. sogenannte/sogenannter StGB Strafgesetzbuch SUP Societas Unius Personae u. a. unter anderem UKSC Supreme Court of the United Kingdom v and/against V.-C. Vice-Chancellor Verf. Verfasser vgl. vergleiche WL Westlaw UK WM Wertpapier-Mitteilungen WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜGAngebV WpÜG-Angebotsverordnung z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung

Kapitel 1

Einführung in den Problemkreis A. Einleitung Die Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung und die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen sollen, sehr allgemein gesprochen, der Tatsache Rechnung tragen, dass in einer Kapitalgesellschaft nicht immer nur ordnungsgemäß bestellte Organe, die umfangreichen, haftungsbewährten Pflichten unterliegen, Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen und damit die Interessen verschiedener mit der Gesellschaft verbundener Akteure berühren, sondern auch Personen, bei denen es an einer solchen ordnungsgemäßen Bestellung gerade fehlt. Wären diese Personen für ihre Einflussnahme in keinerlei Weise verantwortlich, bestünden wenig Anreize schädigende Handlungen gegenüber den beteiligten Interessengruppen zu unterlassen und für einmal eingetretene Schäden müssten die faktischen Geschäftsleiter ebenfalls nicht einstehen. Obgleich klar ist, dass ein solcher Zustand mehr als unbefriedigend wäre, ist die Frage, wie eine Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung im Einzelfall begründet werden kann und konkret auszugestalten ist, dennoch nicht leicht zu beantworten. Sie beschäftigt Wissenschaft und Praxis nicht nur in Deutschland, sondern in der Mehrzahl der europäischen Rechtsordnungen.1 So wird etwa im englischen Recht die Thematik im Zusammenhang mit den Begriffen des de facto und des shadow director diskutiert, im französischen Recht wiederum spricht man vom dirigeant de fait.2 Auf der Ebene des Europarechts setzte sich darüber hinaus jüngst die Europäische Kommission mit der faktischen Geschäftsführung auseinander, wie der Entwurf zu einer Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (sog. Societas Unius Personae) zeigt.3 Die vorliegende Arbeit untersucht im Folgenden ebenfalls die Frage, wie eine Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung begründet werden kann und auszugestalten ist. Sie setzt sich zum Ziel zumindest für

1 Vgl. den Überblick bei Gerner-Beuerle/Paech/Schuster, Study on directors’ duties and liability, LSE (2013), S. 45 ff., abrufbar unter http://eprints.lse.ac.uk/50438/. 2 Ibid., S. 48, 53. 3 COM (2014) 212 final, siehe hierzu Dreher, NZG 2014, 967. Der aktuelle Kompromissentwurf des Rates in Form einer allgemeinen Ausrichtung (Nr. 8811/15 DRS 39 CODEC 706) enthält hingegen keine Regelungen zur faktischen Geschäftsführung mehr. Das weitere Schicksal des Entwurfs ist im Übrigen unklar, siehe Bayer/J. Schmidt, BB 2016, 1923, 1924.

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Kap. 1: Einführung in den Problemkreis

den Teilbereich der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit in der GmbH eine überzeugende Antwort zu finden.4

B. Erste Begriffsbestimmung und Abgrenzung I. Faktische Geschäftsführung Wenn von der Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung gesprochen wird, dann wird damit eine Terminologie verwendet, die nach einer häufig zitierten Formulierung Karsten Schmidts zur „ juristischen Ungenauigkeit“5 verleitet. Diese im Jahre 2002 getätigt Feststellung ist auch heute noch durchaus zutreffend, wie ein Blick in die jüngste Rechtsprechung6 und in die aktuelle Literatur7 zeigt, in der zum Teil mit dem Begriff der faktischen Geschäftsführung auch Fallkonstellationen beschrieben werden, die einer grundlegend anderen Dogmatik folgen und denen gänzlich andere Wertungen zu Grunde liegen. Es ist daher bereits an dieser Stelle der Arbeit notwendig näher zu bestimmen, was mit dem Begriff der faktischen Geschäftsführung eigentlich gemeint ist. In Übereinstimmung mit dem jüngeren Schrifttum bezeichnet der Terminus „faktische Geschäftsführung“ ausschließlich Fälle, in denen eine Person rein tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt ohne hierzu in irgendeiner Form bestellt zu sein.8 Der so verstandene Begriff ist von zwei nur auf den ersten Blick ähnlichen Konstellationen abzugrenzen: Dem fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter und dem Geschäftsleiter kraft Rechtsscheins.

II. Der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter Wird eine Person auf Grundlage eines fehlerhaften und deshalb unwirksamen Bestellungsaktes als Geschäftsleiter einer GmbH oder AG tätig, so spricht man vom fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter. Die Gründe für die Unwirksamkeit des Bestellungsakts können vielfältig sein. Beispielhaft sei hier der Verstoß gegen ein Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 AktG genannt.9 Die Unwirksamkeit der Bestellung kann bereits zu Beginn der Tätigkeit als Geschäftsleiter vorliegen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten.10 Ebenso sollen 4

Zu den Gründen für diese Begrenzung siehe sogleich C. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 419. 6 Siehe etwa BGHZ 196, 195 Rn. 18. 7 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, vor § 35 Rn. 11. 8 Fleischer, AG 2004, 517, 518; ders., GmbHR 2011, 337, 338; Schürnbrand, Organschaft, S. 294; Sorge, Haftung, S. 34; Lieder, ZHR 178 (2014) 282, 295. 9 Strohn, DB 2011, 158. 10 Sorge, Haftung, S. 33. 5

B. Erste Begriffsbestimmung und Abgrenzung

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Fälle, in denen ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsleiter nach der Abberufung seine Tätigkeit fortsetzt den Tatbestand des fehlerhaft bestellten Geschäftsleiters erfüllen.11 Dogmatik und Rechtsfolgen unterscheiden die Fälle des fehlerhaft bestellten Geschäftsleiters deutlich von solchen des faktischen Geschäftsführers.12 Ist dogmatischer Anknüpfungspunkt zur Begründung einer Rechtsbeziehung zwischen fehlerhaft bestelltem Organ und Gesellschaft die aus der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft abgeleitete Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis, soll im Falle faktischer Geschäftsführung eine Sonderverbindung allein aus der tatsächlichen Übernahme von Geschäftsführungsaufgaben entstehen.13 Hinsichtlich der Rechtsfolgen wird der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter darüber hinaus nach überwiegender Auffassung zumindest für die Vergangenheit so behandelt als wäre die Bestellung wirksam gewesen, während die Fälle der faktischen Geschäftsführung als Normanwendungsprobleme gesehen werden und in erster Linie die Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten und der damit verknüpften Sanktionen diskutiert wird.14 Sofern also zum Teil auch Fälle fehlerhafter Bestellung als faktische Geschäftsführung bezeichnet werden15, sollte dies aufgegeben werden um nicht Gefahr zu laufen, dass die beachtlichen Unterschiede zwischen beiden Rechtsfiguren verwischt werden. In der vorliegenden Arbeit sollen in jedem Fall aufgrund dieser Unterschiede nur solche Fälle in die Untersuchung mit einbezogen werden, in denen nicht einmal ein fehlerhafter Bestellungsakt stattgefunden hat.

III. Der Geschäftsleiter kraft Rechtsscheins Eine weitere Fallkonstellation, die es von der faktischen Geschäftsführung abzugrenzen gilt, betrifft den sogenannten Geschäftsleiter kraft Rechtsscheins. Hiermit sind Fälle gemeint, in denen eine Person nach außen hin den Eindruck erweckt, bestellter Geschäftsleiter einer Gesellschaft zu sein.16 Wird ein solcher zurechenbarer Rechtsschein gesetzt, kann dies gegenüber gutgläubigen Dritten zu einer Haftung des Scheingeschäftsleiters nach allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen führen.17 Zu einer Anwendung von gesellschaftsrechtlichen Rechten und Pflichten 11

Schürnbrand, Organschaft, S. 274, mit der zutreffenden Begründung, dass sich aus dem zuvor bestehenden Rechtsverhältnis fortwirkende Rechte und Pflichten ableiten lassen; ebenso auch Strohn, DB 2011, 158, 159; Sorge, Haftung, S. 33. 12 Siehe hierzu den kurzen Vergleich beider Rechtsfiguren bei Lieder, ZHR 178 (2014) 282, 295 f. 13 Ibid., 290 ff. und 295. Ausführlich zu dieser Sonderverbindung auch im Kapitel 3 C. I. 14 Schürnbrand, Organschaft, S. 299; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 8 f.; Lieder, ZHR 178 (2014) 282, 296. 15 Siehe die Nachweise in Fn. 6 und 7. 16 Fleischer, AG 2004, 517, 518; ders., GmbHR 2011, 337, 388; Strohn, DB 2011, 158, 159; Sorge, Haftung, S. 34 f. 17 Ibid.

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Kap. 1: Einführung in den Problemkreis

kommt es hingegen nicht.18 Zwar kann die Problematik der Scheingeschäftsführung anders als die Problematik der fehlerhaften Bestellung auch parallel zur Problematik der faktischen Geschäftsführung auftreten, wenn der faktische Geschäftsleiter zugleich nach außen den Rechtsschein setzt, bestellter Geschäftsleiter der Gesellschaft zu sein. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese beiden Rechtsfiguren verschiedene Zwecke verfolgen, einer unterschiedlichen Dogmatik unterliegen und gänzlich verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen. Daher soll auch die Problematik der Scheingeschäftsführung aus der folgenden Untersuchung ausgeklammert werden.

C. Weitere Begrenzung der Untersuchung Sind damit der Begriff der faktischen Geschäftsführung näher definiert und zugleich die Konstellationen der fehlerhaften Bestellung und der Scheingeschäftsführung vom Untersuchungsgegenstand der Arbeit ausgeschlossen, sollen in einem zweiten Schritt aus verschiedenen, sogleich zu erläuternden Gründen noch weitere thematische Begrenzungen vorgenommen werden.

I. Begrenzung der Untersuchung auf das Zivilrecht Zunächst ist die vorliegende Untersuchung auf das Zivilrecht begrenzt, weil die strafrechtliche Seite der Thematik besondere Probleme aufweist, die im Zivilrecht hingegen keine Rolle spielen.19 So kommt zunächst das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG, das im Strafrecht der erweiterten Anwendung von an sich nur für den bestellten Geschäftsleiter geltenden Tatbeständen auf faktische Organe häufig entgegenstehen dürfte20, im Zivilrecht nicht direkt zur Anwendung.21 Gleiches gilt des Weiteren auch für § 14 Abs. 3 StGB, dessen Wertungen in der strafrechtlichen Literatur oft ergänzend gegen die Rechtsfigur des faktischen Organs ins Feld geführt werden.22 Auch indirekt wird die strafrechtliche Diskussion um Art. 103 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 3 StGB für das Zivilrecht und damit für die vorliegende Arbeit darüber hinaus nicht etwa deshalb relevant, weil die in der Regel für die Normanwendung entscheidenden Termini „Geschäftsführer“ oder „Vorstandsmitglied“ in verschiedenen straf- und zivilrechtlichen Normen zwingend den gleichen Inhalt 18

Strohn, DB 2011, 158, 159. Siehe für einen Überblick zur ähnlich vehement wie im Zivilrecht geführten Diskussion MüKo-GmbHG/Wißmann, § 82 Rn. 38 ff. 20 Michalski/Dannecker, § 82 Rn. 46 f. m.w.N. zum Streitstand; a.A. etwa die Rechtsprechung, siehe zuletzt BGH NJW 2015, 712. 21 Ebenso Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 340; Schürnbrand, Organschaft, S. 299; Strohn, DB 2011, 158, 164. 22 Siehe hierzu etwa U/H/L/Ransiek, vor § 82 Rn. 61. 19

C. Weitere Begrenzung der Untersuchung

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haben müssten. Eine unterschiedliche Auslegung, wie sie im Übrigen auch von der zivil- und strafrechtlichen Rechtsprechung tatsächlich praktiziert wird, ist vielmehr dann ohne Weiteres zulässig, wenn systematische und teleologische Gründe dies notwendig machen (Prinzip der Relativität der Rechtsbegriffe).23

II. Begrenzung der Untersuchung auf die GmbH Nach der Begrenzung auf das Zivilrecht soll die folgende Untersuchung darüber hinaus auf das Problem der faktischen Geschäftsführung in der GmbH begrenzt werden. Hintergrund dieser Einschränkung sind vor allem die Besonderheiten in der Organisationsstruktur der GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft, die von herausragender Bedeutung für die Frage sind, welche Art von Einflussnahme in der Gesellschaft eine Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsleiter nach sich ziehen kann und welche nicht.24 Die Besonderheiten betreffen zunächst das Verhältnis zwischen Mitgliedern und Geschäftsleitung. Während der Vorstand der AG nach § 76 AktG die Gesellschaft „in eigener Verantwortung“ leitet und dabei nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane gebunden ist, unterliegen die Geschäftsführer in der GmbH dem weitreichenden Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung (§ 37 GmbHG).25 Des Weiteren herrscht in der GmbH anders als in der AG (§ 23 Abs. 5 AktG) keine „Satzungsstrenge“, was verschiedene Modifikationen der Organisationsstruktur und damit verbunden der rechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung erlaubt.26 Schließlich hat das Konzernrecht im GmbH-Recht anders als im Aktienrecht (vgl. §§ 291 ff. AktG) keine besondere gesetzliche Regelung erfahren, was insbesondere im Hinblick auf die zulässige Einflussnahme im faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG) zu erheblichen Unterschieden bei beiden Gesellschaftsformen führt. Durch die Begrenzung der Untersuchung auf die GmbH verliert das Thema nicht etwa an praktischer Relevanz, denn gerade in der GmbH kommt der Problematik der faktischen Geschäftsführung eine besondere Bedeutung zu, wie eine Vielzahl von Entscheidungen zeigt.27 Erklären lässt sich dies mit den im Vergleich zur Aktien23 Zur Relativität der Rechtsbegriffe siehe Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 95. Üblicherweise wird die Relativität der Rechtsbegriffe so verstanden, dass einem Begriff innerhalb desselben Gesetzes unterschiedliche Bedeutung zukommen kann, siehe ibid. Es ist aber nicht ersichtlich, warum eine unterschiedliche Bedeutung nicht auch innerhalb einer Norm denkbar sein kann, so dass auch die Existenz von § 15a Abs. 4 InsO nicht dazu führt, dass bei der Frage der Anwendbarkeit von § 15a Abs. 1 InsO auf den faktischen Geschäftsführer die strafrechtliche Perspektive doch noch relevant würde. So befürwortet etwa auch Klöhn die Anwendbarkeit von Abs. 1 auf faktische Organe, siehe MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 75, während die Anwendbarkeit von § 15a Abs. 4 abgelehnt wird, siehe ibid., Rn. 328. 24 Siehe hierzu etwa Kapitel 2 B. IV. 2. 25 Hüffer/Koch, § 76 Rn. 25. 26 MüKo-GmbHG/Liebscher, § 45 Rn. 2. 27 So auch Strohn, DB 2011, 158; Weimar, GmbHR 1997, 473.

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Kap. 1: Einführung in den Problemkreis

gesellschaft geringeren Publizitätsanforderungen und der fehlenden Aufmerksamkeit des Kapitalmarkts sowie dem Fehlen eines Aufsichtsrats als zusätzlicher Kontrollmechanismus. All dies macht es für nicht dazu berechtigte Personen wesentlich leichter, faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen.28

III. Begrenzung der Untersuchung auf die Probleme des Gesellschafterschutzes und Gläubigerschutzes in der Insolvenz Trotz der Begrenzung auf das Zivilrecht und die Rechtsform der GmbH verbleibt ausgehend vom Verständnis der Problematik der faktischen Geschäftsführung als Normanwendungsproblem eine Vielzahl von Vorschriften in unterschiedlichsten Kontexten, deren Anwendung in die Untersuchung mit einbezogen werden könnte. Zu denken wäre im Grundsatz an jede Norm, die dem bestellten Geschäftsführer zum Schutze fremder Interessen Pflichten auferlegt.29 Blickt man allerdings auf die Beiträge zur faktischen Geschäftsführung, so fällt auf, dass häufig vor allem drei Normen im Mittelpunkt der Diskussion stehen: §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO (i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB).30 Ihre Bedeutsamkeit für Wissenschaft und Praxis ergibt sich zunächst daraus, dass in der Insolvenz einer Gesellschaft die Möglichkeit der Erweiterung des Adressatenkreises der gläubigerschützenden Geschäftsführerpflichten und einer damit verbundenen Haftung bei pflichtwidrigem Verhalten oft die einzige Chance für die Gläubiger darstellt, den vollständigen Forderungsausfall zu verhindern.31 Die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs von § 43 Abs. 2 GmbHG ist darüber hinaus auch für den Schutz der Gesellschafterinteressen von besonderer Bedeutung. Die Norm enthält als „zentrale Vorschrift des GmbHrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts“32 für Geschäftsführer gerade wegen ihrer weitreichenden Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen besonders „strenge Verhaltensvorgaben und prozessual schneidig durchzusetzende Sanktionen“,33 so dass eine Anwendbarkeit auch bei lediglich faktischer Einflussnahme auf die Geschäftsführung die Liquidation von Schäden für die Gesellschaft wesentlich er28

Allgemein zur besonderen Insolvenzanfälligkeit der GmbH auch Sorge, Haftung, S. 25. Neben Vorschriften des GmbHG kommen etwa auch steuerrechtliche Vorschriften in Betracht, vgl. D’Avoine, ZIP 2006, 1433 ff.; Beckmann, DB 2007, 994 ff.; Krause/Meier, DStR 2014, 905 ff. 30 Vgl. etwa beispielhaft Ehricke, Konzernunternehmen, S. 231 ff., 339 ff.; Schürnbrand, Organschaft, S. 299 ff.; Sorge, Haftung, S. 169 ff.; zur Anwendbarkeit weiterer Normen, vgl. Strohn, DB 2011, 158, 165. 31 Dies spiegelt sich auch in der Rechtsprechung wider, deren Entscheidungen in der Regel Sachverhalte zugrunde lagen, in denen die Gesellschaft insolvent geworden war, siehe sogleich Kapitel 2 A. 32 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 1. 33 Schürnbrand, Organschaft, S. 303. 29

D. Gründe für einen Neuansatz

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leichtern würde. Angesichts dieses Befundes und um die Übersichtlichkeit nicht zu gefährden, wird sich auch die vorliegende Arbeit auf die Untersuchung beschränken, wie der durch §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO vermittelte Gesellschafterund Gläubigerschutzes auch im Falle faktischer Geschäftsführung gewährleistet werden kann.

D. Gründe für einen Neuansatz Vor dem Hintergrund der nicht gerade geringen praktischen Relevanz der Problematik der faktischen Geschäftsführung mag es überraschen, dass auch nach jahrzehntelanger Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum lediglich Einigkeit über die methodische Einordnung als Problem der Einzelnormanwendung besteht (sog. Normanwendungsmodell), davon abgesehen aber noch immer weitestgehend streitig ist, welche Anforderungen an die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer zu stellen sind und welche konkrete Pflichtenstellung eine solche Qualifikation nach sich ziehen kann. Angesichts der bisherigen Entwicklung ist auch ernsthaft zu bezweifeln, dass sich die bisher eingenommenen Positionen noch einmal annähern und es drängt sich die Frage auf, ob die einzelnen Streitfragen nicht eher Anzeichen dafür sind, dass die als Lösung vorgeschlagene Einzelnormanwendung grundsätzlichere Probleme bereitet als allgemein angenommen. Statt der bisherigen Diskussionsrichtung zu folgen und lediglich zu einzelnen Streitfragen im Zusammenhang mit der Anwendung von §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO Stellung zu beziehen, soll in dieser Arbeit als Ausweg aus der aktuellen Situation eine Ebene tiefer angesetzt und untersucht werden, ob das Normanwendungsmodell grundsätzlich überzeugen kann. Dabei wird zu zeigen sein, dass es zwar unter bestimmten Voraussetzungen zum Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen durchaus eines besonderen Pflichten- und Haftungsregimes für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung bedarf34, als Anknüpfungspunkt hierfür Pflichten zu wählen, die wie §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO für den bestellten Geschäftsleiter konzipiert sind, hingegen weder zwingend noch überzeugend ist. Ausgehend von dieser Kritik am Normanwendungsmodell soll sodann ein grundlegender Neuansatz erarbeitet werden, der geeignet ist, viele der seit Jahren unverändert bestehenden Streitfragen hinter sich zu lassen, ohne dabei den vom Gesetzgeber mit der Schaffung von §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO bezweckten Schutz von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen zu vernachlässigen.

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Siehe insbesondere Kapitel 3 B. I. 2. c) und C. II. 2. sowie Kapitel 5 A. I.

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Kap. 1: Einführung in den Problemkreis

E. Rechtsvergleichendes Vorgehen Angesichts des Ziels dieser Arbeit einen Neuansatz zur Lösung der Problematik der faktischen GmbH-Geschäftsführung zu erarbeiten, ist es hilfreich auch einige rechtsvergleichende Überlegungen in die Untersuchung mit einzubeziehen, weil der Blick in eine andere Rechtsordnung oft sinnvolle Anregungen für die Verbesserung eines als unbefriedigend empfundenen Zustands in der eigenen Rechtsordnung liefern kann.35 Vorliegend bietet sich besonders eine Untersuchung des englischen Rechts an. Dies liegt zunächst daran, dass der dortigen Rechtslage im Hinblick auf die auch in dieser Arbeit befürwortete stärkere Einbeziehung von Hintermännern in die Verantwortlichkeit, ein gewisser Vorbildcharakter für das deutsche Recht zugesprochen wird.36 In methodischer Hinsicht ist das englische Recht zudem interessant, weil hier im Unterschied zum deutschen Recht eine Teilkodifikation der Problematik stattgefunden hat.37 Schließlich rückt das englische Recht auch gerade deshalb in den Fokus dieser Untersuchung, weil die Tatsache, dass auch dort faktische Organe bestimmten Geschäftsleiterpflichten unterworfen werden, in der Literatur häufig als zusätzliches Argument für eine gleichlaufende Lösung im deutschen Recht herangezogen wird.38 Dies kann vom in dieser Arbeit vertretenen Standpunkt aus nicht unberücksichtigt bleiben. Es muss vielmehr untersucht werden, ob das Argument überzeugen kann, oder ob nicht Unterschiede in beiden Rechtsordnungen einem solchen Schluss gerade entgegenstehen. Wäre letzteres der Fall, müsste dies im Übrigen auch Berücksichtigung finden, wenn über eine Lösung der Problematik der faktischen Geschäftsführung auf der Ebene des Europarechts nachgedacht wird.39

F. Gang der Untersuchung Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich zusammenfassend für die Arbeit folgendes Vorgehen. Zunächst gilt es die für den eingegrenzten Untersuchungsgegenstand relevante zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur aufzuarbeiten und zu systematisieren (Kapitel 2). Sodann soll hieran anknüpfend das allgemein zur Lösung der Problematik der faktischen Geschäftsführung vorgeschlagene Norm35

Zu diesem typischen zur Rechtsvergleichung anregenden „Einfall“ siehe Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33. 36 Fleischer, AG 2004, 517, 525; Sorge, Haftung, S. 111; jedenfalls für eine Einbeziehung des Hintermanns in die Insolvenzantragspflicht de lege ferenda Hartmann, Insolvenzantragspflicht, S. 185. Zur Einbeziehung von Hintermännern siehe auch Kapitel 5 B. III. 3. 37 Diesen Aspekt betont bereits Sorge, Haftung, S. 29. 38 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340; Sorge, Haftung, S. 119. 39 Dies gilt ungeachtet des sich abzeichnenden Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union, wobei freilich je nach Ausgestaltung dieses „Brexits“ Großbritannien von einer solchen Lösung nicht mehr unmittelbar betroffen wäre.

F. Gang der Untersuchung

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anwendungsmodell einer kritischen Untersuchung unterzogen werden, wobei die mangelnde Überzeugungskraft der Einzelnormanwendung vor allem am Beispiel von §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO illustriert werden soll (Kapitel 3). Im Lichte dieses Ergebnisses rücken sodann das englische Recht und die Rechtsfiguren des de facto director und shadow director ins Blickfeld, wobei es zum einen zu prüfen gilt, inwieweit sich die für das deutsche Recht geäußerten Kritikpunkte auch im englischen Recht wiederfinden. Zum anderen stellt sich aber auch die Frage, inwieweit die dortige Lösung nützliche Impulse für das zukünftige Vorgehen in Deutschland liefern kann (Kapitel 4). Darauf aufbauend soll schließlich in einem letzten Schritt ein eigenständiger Lösungsansatz für das deutsche Recht erarbeitet werden, der nach Möglichkeit die für das Normanwendungsmodell aufgezeigten Probleme vermeidet und zugleich Gesellschafter- und Gläubigerinteressen angemessen schützt (Kapitel 5).

Kapitel 2

Herkömmliche Lösungsansätze für das Problem der faktischen Geschäftsführung im deutschen Recht A. Die Entwicklung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer Als Ausgangspunkt für die hier zunächst angestrebte Darstellung der herkömmlichen Lösungsansätze für die Problematik der faktischen Geschäftsführung bietet es sich zunächst an, die Entwicklung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage nachzuzeichnen. Zum einen bieten die verschiedenen Urteile anschauliches Fallmaterial aus der Praxis. Zum anderen entstand die Literatur zum faktischen Geschäftsführer oft in Reaktion auf neue Entscheidungen der Gerichte und ist nur vor diesem Hintergrund verständlich. Im Unterschied zur strafrechtlichen Judikatur1 hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Konstellation des faktischen Geschäftsführers erst wesentlich später zu beschäftigen. Während verschiedene Fälle im Zusammenhang mit fehlerhaft bestellten Organen bereits vom Reichsgericht entschieden worden waren2, gelangte erst im Jahr 1973 eine Konstellation der faktischen Geschäftsführung vor das höchste deutsche Zivilgericht.

I. BGH WM 1973, 1354 Der ersten Entscheidung des BGH zur Problematik der faktischen Geschäftsführung lag folgende Fallkonstellation zugrunde: Die S-GmbH unterhielt bei der X-Bank ein Girokonto. Über dieses Konto wurde der GmbH durch die Bank in zwei Schritten insgesamt ein Kontokorrentkredit von 150.000 E eingeräumt, für den der Beklagte B, Gesellschafter der S-GmbH und ständig damit betraut die Rechtsangelegenheiten der Gesellschaft wahrzunehmen, eine Bürgschaft übernahm. Die Kreditinanspruchnahme erreichte ihren Höchststand bei einem Betrag von ca. 147.000 E. Im Anschluss hieran folgten allerdings eine Reihe von Einzahlungen durch Gläubiger der GmbH und durch die GmbH selbst auf dieses Konto, so dass im Moment der Insolvenzantragsstellung nur noch ein Minus von ca. 110.000 E bestand. Der Insolvenzverwalter der S-GmbH machte nun unter 1 2

Instruktiver Überblick über die strafrechtliche Judikatur bei Sorge, Haftung, S. 55 f. Vgl. hierzu auch die Nachweise in Kapitel 5 B. III. 2. b) aa).

A. Zivilgerichtliche Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer

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anderem geltend, B müsse der Insolvenzmasse den Betrag um den sich die Kreditschuld bei der X-Bank zwischen Höchststand und Insolvenzantragsstellung verringert habe nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 GmbHG a.F. (heute § 15a Abs. 1 bzw. Abs. 4 InsO) bzw. § 64 Abs. 2 GmbHG (heute § 64 S. 1 GmbHG) erstatten. Begründet wurde dies damit, dass B „in Wirklichkeit die einzige maßgebliche Person bei der GmbH gewesen“3 sei und wusste, dass die S-GmbH bereits vor Einräumung des Kontokorrentkredits bei der X-Bank insolvenzreif gewesen sei. Der Konkurs wäre durch B nur hinausgezögert worden, um durch die Verringerung der Kreditschuld bei der X-Bank sein eigenes Bürgschaftsrisiko zu verringern. Das Gericht urteilte, dass eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 GmbHG a.F. bzw. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. im vorliegenden Fall ausscheide. Eine Anwendung der Norm setze zwar nicht zwingend eine förmliche Bestellung voraus, notwendig sei aber stets, dass der Betreffende die Geschäfte der GmbH selbst wie ein Geschäftsführer führe. Nicht ausreichend sei hingegen ein wie auch immer gearteter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft, selbst wenn dieser wie im vorliegenden Fall erhebliche Ausmaße angenommen habe.4 Mit diesem Verständnis knüpfte der BGH an eine ältere strafgerichtliche Entscheidung zu einem „Strohmann-Fall“5 an, die ebenfalls auf dieses Kriterium abgestellt hatte.

II. BGHZ 75, 96 Der Sachverhalt von BGHZ 75, 96 steht im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank KGaA (H-Bank) im Jahr 1974. Klägerin war eine Landesbank und Girozentrale, die ihre durch den Zusammenbruch der H-Bank entstanden Verluste auszugleichen suchte. Die Klage richtete sich zum einen gegen den Mehrheitsaktionär des Gerling-Konzerns, Hans Gerling (G), der zugleich Verwaltungs- und Aufsichtsratsvorsitzender der H-Bank war, und zum anderen gegen den stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden und Mitglied des Aufsichtsrats der H-Bank (F), der zugleich das Finanzwesen im Gerling-Konzern leitete. Beide hatten durch ein satzungsmäßiges Weisungsrecht des Verwaltungsrats gegenüber der Geschäftsführung und durch die Position des Gerling-Konzerns als Mehrheitsgesellschafter der H-Bank erheblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der H-Bank, so dass unter anderem eine Haftung der beiden Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG a.F. (heute § 15a Abs. 1 InsO) in Rede stand. Der BGH kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass jedenfalls nach den engen Kriterien der Entscheidung aus dem Jahr 1973 eine Haftung nicht infrage

3 4 5

BGH WM 1973, 1354. BGH WM 1973, 1354, 1355. BGHSt 3, 32, 37.

30

Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

komme. Zwar hätten sowohl G als auch F eine „sehr starke Stellung“6 in der Gesellschaft innegehabt, diese sei jedoch nicht dazu ausgenutzt worden, den persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA völlig aus der ihm gesetzlich anvertrauten Geschäftsführerstellung zu verdrängen und die Geschäftsführung statt seiner auszuüben.7 Anders als in seiner ersten Entscheidung zum faktischen Geschäftsführer ließ das Gericht aber zumindest anklingen, dass eine entsprechende Anwendung von § 92 Abs. 2 AktG a.F. aufgrund der Tatsache nicht völlig ausgeschlossen sei, dass G und F den Geschäftsführer der KGaA nach festgestellter Überschuldung der Bank zum Stillhalten angehalten und die Sanierungsverhandlungen vollständig an sich gezogen hätten.8 Mangels Entscheidungserheblichkeit wurde allerdings von einer eindeutigen Stellungnahme abgesehen. Das Gericht hielt jedoch fest, dass bei einer entsprechenden Anwendung der Insolvenzantragspflicht auf den faktischen Geschäftsführer, diesem die gleichen Spielräume zur Unternehmenssanierung eingeräumt werden müssten, wie dem bestellten Organ.9

III. BGHZ 104, 44 Die Entscheidung BGHZ 104, 44 aus dem Jahr 1988 konkretisiert die Voraussetzungen für die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung ganz erheblich und enthält zudem eine Klarstellung zu BGHZ 75, 96. Das Gericht hatte dabei folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Die B-GmbH & Co. KG (B) hatte sich schriftlich dazu verpflichtet, zu allen wesentlichen Geschäften die Zustimmung der DAU GmbH & Co. KG einzuholen, die über eine Treuhänderin auch zugleich Kommanditistin der B war. Verbindungsmann zur Ausübung dieses Weisungsrechts war der Beklagte, der nach der Insolvenz der B vom Insolvenzverwalter mit der Begründung in Anspruch genommen wurde, er sei ohne formale Bestellung bei der B tatsächlich wie ein Geschäftsführer tätig geworden und habe deshalb für die Zahlungen, die nach Eintritt der Überschuldung geleistet wurden, nach §§ 130a Abs. 3, 177a HGB a.F. (heute § 130a Abs. 2, 177a HGB) bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 130a Abs. 1, § 177a HGB a.F. (heute § 15a Abs. 1 InsO)10 Schadensersatz zu leisten. Der Beklagte versuchte sich hingegen insbesondere mit dem Argument zu entlasten, er sei nur wenige Tage im Monat im Betrieb zugegen gewesen und hätte sich allein auf das Verkaufsgeschäft der B konzentriert. Er sei deshalb keineswegs wie ein Geschäftsführer tätig geworden und hätte auch keinen Überblick über die finanzielle Lage der Gesellschaft gehabt. 6

BGHZ 75, 95, 106. BGHZ 75, 95, 106. 8 BGHZ 75, 95, 107. 9 BGHZ 75, 95, 107 ff. 10 Auf welche der beiden Anspruchsgrundlagen der Kläger die Klage stützte, ist unklar, siehe Roth, ZGR 1989, 421, 422. 7

A. Zivilgerichtliche Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer

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Der BGH stellte in seiner rechtlichen Würdigung des Sachverhalts zunächst klar, dass entsprechende Versuche des Berufungsgerichts, aus BGHZ 75, 96 das Erfordernis einer völligen Verdrängung der zur Vertretung berufenen Geschäftsführer als Voraussetzung für eine Insolvenzantragspflicht des faktischen Geschäftsführers herauszulesen, das Urteil missverstünden. BGHZ 75, 96 habe lediglich den Sonderfall einer KGaA mit nur einem persönlich haftenden und daher zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter vor Augen gehabt, in dem es darum gehe, den Gebrauch von Herrschaftsmacht durch Weisungserteilung von der eigenen Übernahme der Geschäftsführung abzugrenzen. Die Verantwortlichkeit des Beklagten scheitere damit nicht bereits am Fehlen dieses Kriteriums.11 Des Weiteren hielt das Gericht fest: „Der Grund für die Haftung des tatsächlichen [faktischen, d. Verf.] Geschäftsführers liegt letztlich darin, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muss, wenn nicht der Schutzzweck des Gesetzes gefährdet werden soll.“12 Eine völlige Verdrängung sei jedenfalls in der GmbH dafür aber nicht erforderlich, weil diese stets mehrere Geschäftsführer haben könne.13 Entscheidend sei allein eine „materielle Betrachtungsweise, die aufgrund einer Gesamtschau darauf abstellt, ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, auch nach außen hervortretendes Handeln – so maßgeblich in die Hand genommen hat, dass ihm auch die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung des Konkursantrags zufällt.“14 Mit dieser Definition konkretisierte der BGH seine vorherige Rechtsprechung maßgeblich und lieferte zudem erstmals eine Begründung für die entsprechende Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf tatsächlich tätige Personen: Ziel dieses Vorgehens sei es, ein Leerlaufen des gesetzlichen Schutzzwecks der Geschäftsführerpflichten durch das Tätigwerden des faktischen Geschäftsführers zu verhindern. Für die Gesamtabwägung im konkreten Fall stellte der BGH insbesondere darauf ab, dass der Beklagte nach innen gegenüber den bestellten Geschäftsführern und Mitarbeitern die überragende und beherrschende Persönlichkeit gewesen sei, die sich um alles gekümmert und nach außen den für die Gesellschaft entscheidend wichtigen Verkaufssektor unter Ausschaltung der Geschäftsführer völlig an sich gezogen habe.15 Zudem sei der Beklagte zwar nicht mit laufenden Routineaufgaben betraut gewesen, habe aber die „maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden Maßnahmen“ getroffen.16 Der Beklagte sei somit insolvenzantragsverpflichtet gewesen. Hinsichtlich der sich an diese 11 12 13 14 15 16

BGHZ 104, 44, 48. Zum Begriff der Verdrängung siehe auch unten B. I. 2. BGHZ 104, 44, 47 f. BGHZ 104, 44, 48. BGHZ 104, 44, 48. BGHZ 104, 44, 48 f. BGHZ 104, 44, 49.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

Feststellung anschließenden Folgefragen etwa nach der Höhe eines konkreten Schadensersatzanspruchs verwies der BGH sodann zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurück an das Berufungsgericht.

IV. BGHZ 150, 61 Auch das Urteil BGHZ 150, 61 enthält weitere wichtige Klarstellungen. Zunächst jedoch zum Sachverhalt: An der L-GmbH waren G und M mit je 20 % beteiligt. Beide waren zudem bestellte Geschäftsführer. Zur Absicherung eines Darlehens für die L-GmbH hatten beide ihre Anteile an die Beklagte zu 1, eine GmbH, verpfändet. Für die Dauer des Darlehens wurde der Beklagten zu 1 zudem das Gewinnbezugsrecht von G und M übertragen und eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt, dass Stimmrecht in der LGmbH auszuüben und alle Gesellschafterfunktionen wahrzunehmen. Ebenfalls an der L-GmbH beteiligt war ferner zunächst S, der 60 % der Anteile für den Beklagten zu 2 als Treuhänder hielt. Später übertrug S den Anteil auf den E, der diesen wiederum als Treuhänder für den Beklagten zu 2 hielt und zudem als Geschäftsführer neben G und M bestellt wurde. Der Insolvenzverwalter der mittlerweile insolventen L-GmbH verlangte nun von den Beklagten zu 1 und 2 auf der Grundlage verschiedener Anspruchsgrundlagen Ersatz für Zahlungen, durch die die L-GmbH verschiedene Verbindlichkeiten des G bei Dritten getilgt hatte. Zur Frage der hier allein interessierenden faktischen Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2, 3 GmbHG hielt der BGH fest, dass eine Haftung der Beklagten zu 1 ausscheide, weil diese als juristische Person nach § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG nicht zum Geschäftsführer bestellt werden könne. Was aber für den bestellten Geschäftsführer gelte, müsse auch für jemanden gelten, der als faktischer Geschäftsführer in Betracht komme.17 Im Hinblick auf eine Haftung des Beklagten zu 2, enthielt sich der Senat einer Entscheidung, weil jedenfalls die Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung nicht vorlägen. Vielmehr habe der Beklagte zu 2 allein intern auf die Geschäftsführer eingewirkt, so dass diese zu reinen Befehlsempfängern geworden seien. Dies reiche aber, wie bereits in BGHZ 104, 44, 48 festgestellt, nicht für eine faktische Geschäftsführung aus, da hierfür ein Auftreten nach außen notwendig sei.18

V. BGH NZG 2005, 816 Die bisher noch offengebliebene Frage, ob den faktischen Geschäftsführer neben einer Insolvenzantragspflicht auch eine Haftung treffen kann, entschied der BGH zumindest für § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (heute § 64 S. 1 GmbHG) im Jahr 2005. 17 18

BGHZ 150, 61, 68. BGHZ 150, 61, 68 f.

A. Zivilgerichtliche Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer

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Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der H-GmbH nahm den Beklagten (B) als faktischen Geschäftsführer aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. auf Ersatz für Zahlungen in Anspruch, die nach Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen worden waren. Hintergrund war die Tatsache, dass B als Gesellschafter verschiedener Gesellschaften, mit denen die H-GmbH in Geschäftsbeziehungen stand, nicht nur vom einzigen Gesellschafter der H zur Wahrnehmung aller seiner Gesellschafteraufgaben bevollmächtigt war, sondern auch – unter Ausschluss des bestellten Geschäftsführers – den gesamten finanziellen Bereich der H-GmbH verantwortete. Obwohl die Gesellschaft bereits insolvenzreif war, hatte B sodann weiter Zahlungen an verschiedene Gesellschaften veranlasst. Ein Insolvenzantrag durch den bestellten Geschäftsführer wurde hingegen erst Monate nach der Insolvenzreife gestellt. Nach Auffassung des Gerichts sei der Beklagte als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren, weil er im Innenverhältnis nahezu in sämtlichen Bereichen (Finanzen, Buchhaltung, Personal) die Geschicke der GmbH wesentlich bestimmt habe.19 Des Weiteren habe der Beklagte im Außenverhältnis mit einer weitreichenden Vollmacht allein die Bankgeschäfte der Gesellschaft geführt.20 Im Übrigen sei der Beklagte auch in gewissem Umfang am sonstigen Geschäftsverkehr der GmbH beteiligt gewesen.21 Folge dieser Qualifikation sei die Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (heute § 64 S. 1 GmbHG).22

VI. Weitere Entscheidungen des BGH Weitere Entscheidungen des BGH ergingen zudem etwa zur Haftung faktischer Organe nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 StGB23 und zur möglichen Haftung von faktischen Mitgliedern eines Vereinsvorstands.24 Letztere Entscheidung stellte klar, dass für ein Tätigwerden nach außen nicht die Satzungspublizität eines entsprechenden Inneneinflusses genüge.25 Darüber hinaus enthalten diese Entscheidungen allerdings keine inhaltlichen Neuerungen, so dass auf eine detaillierte Darstellung hierzu verzichtet werden kann.

19

BGH NZG 2005, 816. Allein die (Mit-)Verfügungsgewalt über ein Gesellschaftskonto reicht jedoch nicht für die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung aus, vgl. BGH NZG 2008, 468, 469. 21 BGH NZG 2005, 816, 817. 22 BGH NZG 2005, 816. 23 BGH NZG 2005, 755. Die Anwendbarkeit von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB wird allerdings wegen der damit verbundenen besonderen strafrechtlichen Probleme und der Begrenzung der Untersuchung auf die § 15a InsO und §§ 43, 64 GmbHG nicht näher untersucht, siehe hierzu bereits Kapitel 1 C. I. und III. 24 BGHZ 175, 12. 25 BGHZ 175, 12, 23 f. 20

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

VII. Obergerichtliche Urteile Das Problem der faktischen Geschäftsführung hat auch eine umfangreiche oberlandesgerichtliche Rechtsprechung hervorgebracht. Aus der Vielzahl der Urteile sollen hier nur zwei jüngere Urteile herausgegriffen werden, die gegenüber der Rechtsprechung des BGH neue Aspekte oder Konkretisierungen enthalten. Interessant ist zunächst ein Urteil des OLG Köln aus dem Jahr 2011. Hierin setzte sich das Gericht insbesondere mit der Frage auseinander, ob eine Duldung durch die Gesellschafter(-mehrheit) notwendig ist, um eine faktische Geschäftsführerstellung anzunehmen. Während in der strafrechtlichen Rechtsprechung von einem solchen Erfordernis ausgegangen wird26, lehnte das Gericht ein solches Erfordernis zumindest für den zivilrechtlichen Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG ab, da die strafrechtlichen Argumente für die Notwendigkeit einer Duldung im Zivilrecht nicht durchgreifen würden.27 Ebenfalls von Interesse ist eine Entscheidung des OLG München, in der das Gericht im Zusammenhang mit der Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG festhielt, dass bei Maßnahmen, die auf die Konsolidierung oder Rettung des Unternehmens gerichtet sind, das Institut der faktischen Geschäftsführung restriktiv anzuwenden sei.28 Andernfalls würden Investitionen von außen in ein Unternehmen in der Krise wegen des drohenden Haftungsrisikos nachhaltig erschwert.29 Zudem sei es letztlich unerheblich, ob ein Tätigwerden eines Gesellschafters zu Sanierungszwecken von der Gesellschaftergesamtheit durch Beschluss gebilligt worden sei oder nicht. Allein das Fehlen dieses Beschlusses könne jedenfalls keine faktische Geschäftsführung begründen.30

VIII. Zwischenfazit Die Rechtsprechung des BGH im Zusammenhang mit dem Problem des faktischen Geschäftsführers kann spätestens seit BGHZ 104, 44 als gefestigt gelten. Zusammen mit einigen Klarstellungen späterer Urteile lässt sich die Position des Gerichts damit wie folgt darstellen: „Der Grund für die Haftung des tatsächlichen [faktischen, d. Verf.] Geschäftsführers liegt letztlich darin, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muss, wenn nicht der Schutz26

BGHSt 46, 62, 64 („mit Einverständnis der Gesellschafter“); OLG Karlsruhe NJW 2006, 1364 (Sofern der Gesellschaftsvertrag eine Bestellung durch die Mehrheit der Gesellschafter vorsieht, genügt auch eine Billigung durch die Mehrheit der Gesellschafter.). 27 OLG Köln ZInsO 2012, 1574, 1576. 28 OLG München ZIP 2010, 2295, 2298. 29 OLG München ZIP 2010, 2295, 2298. 30 OLG München ZIP 2010, 2295, 2298.

A. Zivilgerichtliche Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer

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zweck des Gesetzes gefährdet werden soll.“31. Maßgeblich für die Frage, ob eine Person als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren ist, sei eine „materielle Betrachtungsweise […] aufgrund einer Gesamtschau, bei der darauf abgestellt wird, ob der Betreffende […] die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln […] maßgeblich in die Hand genommen“ hat.32 Unerheblich sei dabei, ob der faktische Geschäftsführer einen daneben bestellten Geschäftsführer verdränge.33 Nicht als faktischer Geschäftsführer komme hingegen eine juristische Person in Frage, weil diese auch nicht ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführerin sein könne (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG).34 Zum von der strafrechtlichen Judikatur geforderten Kriterium einer Billigung durch die Gesellschafter(-mehrheit)35 hat der BGH noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Zumindest die obergerichtliche Rechtsprechung hat ein solches Erfordernis aber abgelehnt.36 Auf Grundlage der soeben dargelegten Definition hält der BGH den faktischen Geschäftsführer für insolvenzantragspflichtig37 und nimmt zudem dessen Ersatzpflichtigkeit aus § 64 S. 1 GmbHG an.38 Noch nicht entschieden aber zumindest angedeutet ist eine Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG.39 Der Überblick über die bisherigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen verdeutlicht auch die Vielfalt möglicher Fallkonstellationen faktischer Geschäftsführung. So kann sich die Problematik im Zusammenhang mit Gesellschaftereinfluss auf die Geschicke der Gesellschaft (auch und insbesondere im faktischen Konzern) stellen.40 Gleichzeitig ist aber faktische Geschäftsführung auch durch gesellschaftsfremde Dritte möglich.41 Die Vielfalt der Fallkonstellationen spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Kontexten wieder, in denen das Thema in der Literatur behandelt wird. Der Darstellung dieser Vielfalt im Schrifttum ist der folgende Abschnitt B. gewidmet.

31

BGHZ 104, 44, 47 f. BGHZ 104, 44, 48. 33 BGHZ 104, 44, 48. 34 BGHZ 150, 61, 68. 35 Vgl. die Nachweise in Fn. 26. 36 OLG Köln ZInsO 2012, 1574, 1576. 37 BGHZ 104, 44 ff. 38 BGH NZG 2005, 816. 39 BGHZ 150, 61, 68 f.; für eine solche Haftung auch OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317, 318; LG Hannover ZInsO 2016, 806. 40 BGH WM 1973, 1354; OLG Köln ZInsO 2012, 1574. 41 Vgl. BGHZ 104, 44; BGH NZG 2005, 816. 32

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur Das Phänomen der faktischen Geschäftsführung und die Rechtsprechung zu dieser Problematik haben im Laufe der Jahre umfangreiche Stellungnahmen aus dem Schrifttum hervorgerufen. Neben Monographien und Aufsätzen, die sich ausschließlich mit dem Phänomen der faktischen Geschäftsführung befassen42, finden sich Auseinandersetzungen mit der Problematik im konzernrechtlichen Schrifttum43, im Zusammenhang mit der Frage der Gesellschafterhaftung in der Kapitalgesellschaft44 und in Schriften, die sich mit der Haftung bei Kreditverträgen mit besonderen Klauseln, sog. „Covenants“, beschäftigen.45 Hinzuweisen ist schließlich auf die Ausführungen Schürnbrands im Zusammenhang mit seiner grundlegenden Arbeit zum Organbegriff im Recht der privaten Verbände.46 Im Folgenden ist trotz dieser teils ganz unterschiedlichen thematischen Einbettung der Beiträge eine einheitliche Darstellung gewählt worden, weil eine übersichtliche Darstellung bei der Vielzahl der Beiträge andernfalls kaum möglich ist. Sofern kontextspezifische Besonderheiten für die Argumentation der Autoren relevant sind, so wird dies allerdings Berücksichtigung finden.

I. Methodische Einordnung Im Gegensatz zu vielen inhaltlichen Fragen (dazu sogleich II.-IV.), ist die methodische Einordnung des Phänomens der faktischen Geschäftsführung in der Literatur heute verhältnismäßig unumstritten. 1. Das Normanwendungsmodell Anders als etwa die Rechtsfigur des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers, die häufig auf eine allgemeine Lehre vom fehlerhaften Organ zurückgeführt wird47, wird 42 Stein, Das faktische Organ, passim; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, passim; Sorge, Haftung, passim; Achsnich, Haftung des faktischen Organs, passim; Strohn, DB 2011, 158 ff.; Fleischer, GmbHR 2011, 337 ff.; Nadwornik, De facto und shadow directors, passim. 43 Rehbinder, ZGR 1977, 581, 639 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 413 ff.; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 231 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 396 ff. 44 Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 70 ff.; Burgard, NZG 2002, 606 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 115 ff., 275 ff. 45 Köndgen, in: Prütting (Hrsg.), Insolvenzrecht 1996, S. 127, 145 ff.; Kästle, Covenants, S. 144 ff.; Servatius, Covenants, S. 356 ff.; allgemein zur faktischen Geschäftsführung durch Kreditgeber Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355 ff.; Bork, WM 2014, 1841; sowie monographisch Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, passim; zur faktischen Geschäftsführung durch Unternehmensberater Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1782. 46 Schürnbrand, Organschaft, S. 294 ff. 47 Schürnbrand, Organschaft, S. 293. Siehe zum Begriff auch bereits Kapitel 1 B. II.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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im Schrifttum ganz überwiegend davon ausgegangen, dass das Problem der faktischen Geschäftsführung ein reines Normanwendungsproblem ist.48 a) Begriff des Normanwendungsmodells Ausgangspunkt für die methodische Einordnung der faktischen Geschäftsführung ist die Feststellung, dass eine umfassende Gleichstellung mit dem bestellten Geschäftsführer im Hinblick auf Rechte und Pflichten weder notwendig noch wünschenswert ist.49 Während beim unerkannt fehlerhaft bestellten Geschäftsführer im Interesse der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft und um Rückabwicklungsschwierigkeiten zu vermeiden eine umfassende Gleichstellung zumindest für die Vergangenheit geboten erscheinen mag, steht beim faktischen Geschäftsführer das Problem im Mittelpunkt, dass durch dessen sanktionslose Einwirkung auf die Geschäftsführung der mit den einzelnen Geschäftsführerpflichten bezweckte Gesellschafter- und Gläubigerschutz nicht ausreichend gewährleistet werden kann.50 Es geht daher in erster Linie um eine Verantwortlichkeitserweiterung im Einzelfall.51 Ob diese tatsächlich notwendig ist oder nicht, ergibt sich aber nicht aus allgemeinen Kriterien, sondern ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der jeweiligen Norm in der konkreten Situation zu bestimmen.52 Dieser Vorgehensweise müsste auf der Grundlage der Überlegung, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muss, wenn nicht der Schutzzweck des Gesetzes gefährdet werden soll“53, auch der BGH folgen, denn der „Schutzzweck des Gesetzes“ kann nur der Schutzzweck bestimmter Normen sein.54 Da der BGH von einer „materiellen Abwägung“55 im Einzelfall spricht, ist dieser Begriff zudem für normspezifische

48 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 221; Roth, ZGR 1989, 421, 432; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 419; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400; Schürnbrand, Organschaft, S. 299; Sorge, Haftung, S. 53; Scholz/ U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 6 Rn. 115. 49 Schürnbrand, Organschaft, S. 299. 50 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244; Sorge, Haftung, S. 49. 51 Stein, Das faktische Organ, S. 73; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244 f. Ob der Wortlaut der Norm im Wege der Analogie oder im Wege der teleologischen Extension erweitert wird, wird unterschiedlich beurteilt, vgl. Kapitel 3 A. 1. Für die hier zunächst dargestellten Fragen ist eine Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten freilich ohne Bedeutung, vgl. auch Sorge, Haftung, S. 53. 52 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 222; Roth, ZGR 1989, 421, 432; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 243 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 116; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 6 Rn. 115; Baumbauch/ Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3; a.A. Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107. 53 BGHZ 104, 44, 47 f. 54 So wohl auch die Deutung bei Strohn, DB 2011, 158, 160, und Sorge, Haftung, S. 39. 55 BGHZ 104, 44, 48.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

Wertungen offen.56 Eine ausdrückliche methodische Qualifikation hat das Gericht freilich bis heute unterlassen. b) Verantwortungsrechtlicher Organbegriff als abweichender Ansatz In jüngerer Zeit ist insbesondere von Holger Fleischer die Formulierung vom „verantwortungsrechtlichen Organbegriff“ in die Diskussion eingeführt worden57, wobei auf Vorarbeiten aus der schweizerischen Literatur58 Bezug genommen wird. Dieser verantwortungsrechtliche Organbegriff mag auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, hiermit sei eine Abkehr vom Normanwendungsmodell verbunden.59 Zum einen legt dieser Ansatz nämlich einen verstärkten Fokus auf die dogmatische Begründung einer Gleichbehandlung von bestelltem Geschäftsführer und faktisch tätiger Person in bestimmten Bereichen durch die Herleitung einer Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung60, obwohl dies unter der Prämisse der Einzelnormanwendung jedenfalls nicht zwingend ist.61 Zum anderen tritt die Einzelnormanwendung in den Beiträgen leicht in den Hintergrund und es wird davon ausgegangen, dass den faktischen Geschäftsführer grundsätzlich dieselben Pflichten treffen wie den bestellten Geschäftsführer.62 Letztlich argumentiert aber auch die 56

Ob dies tatsächlich geschieht, ist eine andere Frage. Im Hinblick auf die grundsätzlich vergleichbare strafrechtliche Rechtsprechung kritisiert jedenfalls Stein, ZHR 148 (1984) 207, 219, die Frage nach dem Adressatenkreis von § 64 GmbHG a.F. würde von den Gerichten aus der Norm auf die Figur des faktischen Geschäftsführers verlagert. 57 Fleischer, AG 2004, 517 ff.; ders., GmbHR 2011, 337 ff. Teile von Fleischers Konzeption wurden etwa von Schürnbrand, Organschaft, S. 310 ff., und Sorge, Haftung, S. 133 ff., aufgegriffen. 58 Bspw. Forstmoser, FS Meier-Hayoz, 1982, S. 125 f. Stein deutet das Schweizer Konzept als eigenes Rechtsinstitut, dessen funktionale Grenzen allerdings enger zu ziehen seien als im deutschen Recht, vgl. Das faktische Organ, S. 73 (Fn. 7). 59 Servatius, Covenants, S. 358, spricht bspw. von einem „generalklauselartigen Ansatz“ und auch Nadwornik, De facto und shadow directors, S. 127, unterscheidet einzelne Ansätze. 60 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340, unter Verweis auf Krebs, Sonderverbindung, S. 118 f., der wiederum auf Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 232 ff., verweist. 61 Gegen die Notwendigkeit einer Sonderverbindung bei der faktischen Organschaft für die Anwendung einzelner Haftungsnormen auch Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 201. Gegen die zwingende Notwendigkeit einer Sonderverbindung vom Standpunkt des Normanwendungsmodells spricht ferner die Tatsache, dass verbreitet nicht nur § 15a InsO und § 64 S. 1 GmbHG, sondern auch § 43 GmbHG als gesetzliche Pflicht eingeordnet werden, vgl. zu § 15a InsO Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 Rn. 55; zu § 64 S. 1 GmbHG Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 167 f. (für den wortgleichen § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.); zu § 43 GmbHG Ehricke, Konzernunternehmen, S. 338; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 272 (Fn. 1); für die AG MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 11; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 45; grundlegend Mestmäcker, Verwaltung, S. 211 f.; a.A. allerdings Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 170; Wagner, ZHR 178 (2014) 227, 233. 62 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; ebenso Strohn, DB 2011, 158, 165, der dies sogar als h.M. bezeichnet. Gegen eine solche Abstraktion des Begriffs des faktischen Geschäftsführers

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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„Lehre vom verantwortungsrechtlichen Organbegriff“ bei der begrifflichen Ausformung der faktischen Geschäftsführung mit dem Zweck des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes.63 Ein solcher Schutz lässt sich aber im Grundsatz nur aus einzelnen Normen ableiten. Zudem pflichtet Fleischer dem BGH bei, dass eine Qualifikation als faktischer Geschäftsführer nur durch eine „,materielle Betrachtung‘ anhand einer ,Gesamtschau‘ aller Einzelumstände“ möglich sei64 und deutet zumindest Unterschiede im Hinblick auf § 43 Abs. 2 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO an.65 Somit stimmt Fleischers Ansatz im Ergebnis doch mit den zum Normanwendungsmodell dargelegten Überlegungen überein. Es wird nur stärker auf abstrahierbare Gemeinsamkeiten (dazu sogleich unter 3.) bei der Einzelnormanwendung abgestellt, als dies bei anderen Autoren der Fall ist.

2. Verschiedene Perspektiven bei der Umsetzung des Normanwendungsmodells Bei aller Einigkeit im Hinblick auf die methodische Einordnung ist jedoch bereits an dieser Stelle auf einen grundlegenden Unterschied bei der Anwendung des Modells hinzuweisen. Dieser betrifft die Frage, aus welcher Perspektive für jeden Fall beurteilt werden soll, ob der Schutzzweck einer konkreten Norm gefährdet ist oder nicht. Stein nimmt hier stets den bestellten Geschäftsführer in den Blick und fragt sich, ob das Tätigwerden der nicht bestellten Person das bestellte Organ als Verantwortungsträger ausschalte und damit den betroffenen Interessengruppen den Primärschutz gesetzesmäßiger Pflichterfüllung und den Sekundärschutz des Haftungszugriffs entziehe.66 Sei dies der Fall, bestehe eine Schutzlücke, deren Schließung sodann durch eine entsprechende Anwendung der jeweiligen Geschäftsleiterpflichten auf die faktisch tätige Person erreicht werden könne.67 Andere Autoren halten es hingegen – wie die Rechtsprechung68 – für sachgerecht, jeweils allein die faktisch tätige Person in den Blick zu nehmen. Sofern dessen Engagement im von einzelnen Normen hat sich vom Standpunkt des Normanwendungsmodells insbesondere Stein gewendet, vgl. Das faktische Organ, S. 30, 47. Freilich abstrahiert Stein selbst den Gedanken der Organverdrängung als normunabhängiges Grundprinzip, vgl. Das faktische Organ, S. 185; hierauf hinweisend auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244 (Fn. 449), der davon ausgeht, dass Stein damit genau die Grundlage beschreibt, die für die faktische Betrachtungsweise ausschlaggebend ist. 63 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342, 343. 64 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340 f. 65 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343. 66 Stein, Das faktische Organ, S. 184 f.; ähnlich dies., ZHR 148 (1984) 207, 233 (für § 64 GmbHG a.F.); zustimmend KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43. Ebenfalls zustimmend und den Gedanken verallgemeinernd Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244, 341, der allerdings den Begriff der Organverdrängung anders deutet, als dies hier geschieht und so nicht zu einem Perspektivunterschied kommt (vgl. auch unten Fn. 75). 67 Stein, Das faktische Organ, S. 184, 185. 68 Vgl. u. a. BGHZ 104, 44, 48.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

konkreten Einzelfall eine „organspezifische Gefährdungslage“ hervorrufe, sei der notwendige Schutz von Gesellschaftern und Gläubigern in dieser Lage wiederum durch die Anwendung einzelner Pflichten- und Haftungstatbestände auf diese Person zu erzielen.69 Haftungsgrund für den faktischen Geschäftsführer sei damit die Okkupierung der Organstellung70 bzw. die Notwendigkeit eines Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung.71 Gegen eine Einbeziehung des bestellten Geschäftsführers in die Beurteilung der Schutzzweckfrage wird dabei insbesondere eingewandt, dass es aus Gründen der Verhaltenssteuerung nicht auf das Vorhandensein gesetzlicher Geschäftsführer ankommen könne.72 Zudem könne sich auch der bestellte Geschäftsführer nicht dadurch exkulpieren, dass neben ihm noch weitere Organmitglieder an der Pflichtverletzung beteiligt gewesen seien.73 Stein selbst bezeichnet den Zustand, in dem eine Haftungsextension, d. h. die Einzelnormanwendung nötig ist, weil ein Dritter das Organ als Verantwortungsträger ausschaltet und damit den betroffenen Interessengruppen den Primärschutz gesetzesmäßiger Pflichterfüllung und den Sekundärschutz des Haftungszugriffs entzieht, verkürzt als „Organverdrängung“.74 Diese stellt nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis75 den Gegenbegriff zur „organspezifischen Gefährdungslage“ dar, die den Zustand eines bestehenden Schutzbedürfnisses aus der gegenteiligen Perspektive auf die faktisch tätige Person beschreibt. 3. Möglichkeit zur Abstraktion trotz Einzelnormanwendung Ausgehend vom Verständnis des faktischen Geschäftsführers als Normanwendungsproblem, wäre eigentlich die weitere Darstellung der Literatur nur vor dem Hintergrund einzelner Normen sinnvoll (hier §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO).76 Die von der Einzelnorm losgelöste Argumentation mit der Figur der faktischen Geschäftsführung birgt hingegen prima facie die Gefahr, dass die entscheidenden Wertungsgesichtspunkte für eine Erweiterung des Adressatenkreises der jeweiligen Geschäftsführerpflicht keine ausreichende Berücksichtigung mehr

69

Fleischer, AG 2004, 517, 525; Schürnbrand, Organschaft, S. 310. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 18, der aus der Okkupierung der Organstellung zugleich eine Sonderverbindung ableitet. 71 Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 10. 72 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341. 73 Schürnbrand, Organschaft, S. 310. 74 Stein, Das faktische Organ, S. 185. 75 Häufig wird der Begriff der Organverdrängung nicht als Zustand verstanden, sondern innerhalb der Perspektive auf den faktischen Geschäftsführer als Eingrenzungskriterium für die Intensität von dessen Einflussnahme diskutiert und so dann abgelehnt, vgl. bspw. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341. Dieses Verständnis beachtet aber m. E. den dargestellten Perspektivunterschied bei Stein nicht ausreichend. 76 So etwa die Vorgehensweise von Schürnbrand, Organschaft, S. 299 ff. 70

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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finden.77 Nun ist es allerdings so, dass sich in der Diskussion durchaus einige Argumentationsmuster abstrahieren lassen78, ohne dass dies für die Anwendung im Einzelfall eine Abkehr vom Normanwendungsmodell bedeuten würde.79 Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass einzelne Normen zwar unterschiedliche Schutzinteressen berücksichtigen, im Grundsatz aber Geschäftsführerpflichten zumindest entweder Gesellschafter – oder Gläubigerinteressen dienen, häufig sogar beiden zugleich.80 Eine Argumentation mit beiden Interessenkreisen lässt sich also durchaus losgelöst von einzelnen Tatbeständen führen. Zudem lassen sich auch insofern abstrakte Aussagen treffen, als die faktische Geschäftsführung von anderen Rechtsinstituten wie der Scheingeschäftsführung abgegrenzt und durch diese Abgrenzung die Entbehrlichkeit einzelner Merkmale für das Vorliegen einer faktischen Geschäftsführerstellung begründet wird.81 Da eine so vorgenommene Abstraktion den Vorteil einer übersichtlicheren Darstellung und der Vermeidung von Wiederholungen mit sich bringt, soll im Folgenden, ähnlich wie in anderen Beiträgen zum Thema82, zunächst die Diskussion im Schrifttum um Tätigkeitsmerkmale und Eigenschaften des faktischen Geschäftsführers dargestellt werden, die von verschiedener Seite für zwingend notwendig gehalten werden, damit die Anwendung einzelner Normen unter dem Gesichtspunkt der Schutzzweckgefährdung überhaupt in Frage kommt (II.). Dabei muss, da die Frage der Schutzzweckgefährdung sich, wie gezeigt, aus unterschiedlichen Perspektiven beurteilen lässt (vgl. I. 2.), die Darstellung der Beiträge zu den einzelnen Streitfragen stets auch die jeweilige Perspektive des Autors bei der Umsetzung des Normanwendungsmodells berücksichtigen.

77 Hierfür kritisiert Stein bspw. die strafrechtliche Rechtsprechung, vgl. ZHR 148 (1984) 207, 219; siehe auch bereits Fn. 56. 78 Insofern ist Fleischers Vorgehensweise durchaus überzeugend, vgl. I. 1. b). Auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 115, weist darauf hin, dass die praktizierten Regeln für verschiedene Gebote im Wesentlichen gleichlaufen und weitgehend einheitlich entwickelt wurden. 79 A.A. Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107, der genau eine solche Abstraktion vornimmt, hierin aber eine allgemeine für den Bereich des Privatrechts gültige Begriffsdefinition sieht. Diese „Definition“ ist allerdings ähnlich allgemein gehalten wie die Vorgaben aus der Rechtsprechung: „Dieser hat wegen faktischen Handelns einzustehen, wenn er die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen hat.“, siehe ibid., S. 1114. 80 § 43 GmbHG dient in erster Linie dem Interesse der Gesellschaftergesamtheit, berücksichtigt aber auch Gläubigerinteressen in Abs. 3, vgl. Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 5, 63; § 15a InsO und § 64 GmbHG schützen wiederum in erster Linie Gläubigerinteressen, siehe MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 1, 57. 81 Beispielhaft für die Abgrenzung zum Scheingeschäftsführer Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342. 82 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340 ff., 345 ff.; Strohn, DB 2011, 158, 160 ff., 165 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 398 ff., 402 ff.; Sorge, Haftung, S. 55 ff., 169 ff.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

II. Auseinandersetzung mit den Kriterien der Rechtsprechung zur Konkretisierung der Einzelnormanwendung Die von der unter A. dargestellten Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte aufgestellten Kriterien für die Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen haben in der Literatur im Wesentlichen zu drei großen Streitfragen geführt, deren Darstellung es sich nun zu widmen gilt: Ist es stets oder zumindest im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter Pflichten nötig, dass die faktisch tätige Person auch nach außen hin als Geschäftsführer auftritt (1.)? Ist es stets oder zumindest im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter Pflichten nötig, dass das Tätigwerden des faktischen Geschäftsführers von den Gesellschaftern gebilligt wird (2.)? Ist die Amtstauglichkeit als bestellter Geschäftsführer Voraussetzung für die Anwendbarkeit einzelner Geschäftsführerpflichten bei faktischem Tätigwerden (3.)? 1. Die Notwendigkeit des Tätigwerdens nach außen a) Befürwortende Stimmen Der BGH fordert in ständiger Rechtsprechung für das Vorliegen einer faktischen Geschäftsführerstellung und damit für die Anwendung einzelner Geschäftsführerpflichten zwingend ein „eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln“.83 Dem sind in der Literatur eine beachtlichen Anzahl von Autoren gefolgt.84 Hauptargument für das zwingende Erfordernis des Außenauftritts ist, dass dieses die Tätigkeit des rechtlich dem Geschäftsführungsorgan angehörenden Mitglieds so nachhaltig präge, dass nur bei einem Auftreten des faktischen Organs nach außen eine Vergleichbarkeit gegeben sei, die eine Erstreckung der Geschäftsführerverantwortung rechtfertige.85 Zudem sei ohne ein Abstellen auf dieses Kriterium eine Abgrenzung zu anderen Haftungsgrundlagen für Einflussnahme etwa aus dem Konzernrecht oder für existenzvernichtende Eingriffe nicht zu gewährleisten.86 Ebenso sei andernfalls keine Abgrenzung von haftungsbewährter faktischer Geschäftsführung zur zulässigen Einflussnahme der Gesellschafter durch Weisungen möglich.87 Auch die Tatsache, dass andere Rechtsordnungen Hintermänner in die Haftung mit einbezögen, sei kein zwingendes Argument für eine Einbeziehung im deutschen Recht, weil die Einbe-

83

BGHZ 104, 44, 48. MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19; Baumbauch/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3; Cahn, ZGR 2003, 298, 314 f.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 204 f.; Drygala, ZIP 2005, 423, 429; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 20; Peetz, GmbHR 2017, 57, 64 ff. 85 BGHZ 150, 61, 70; Peetz, GmbHR 2017, 57, 66. 86 MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22. 87 Baumbauch/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3. 84

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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ziehung in anderen Rechtsordnungen lediglich das Fehlen eines Konzernrechts oder das Fehlen anderer Haftungsgrundlagen kompensiere.88 Diese Argumentation hat im Schrifttum allerdings auch beachtlichen Widerspruch hervorgerufen, wobei sich die Kritik, wie bereits angesprochen, zumindest im Hinblick auf einige Argumente danach unterteilen lässt, ob der faktische Geschäftsführer oder der bestellte Geschäftsführer in den Blickpunkt genommen wird, um ein Leerlaufen des Schutzzwecks der jeweiligen Geschäftsführerpflicht zu beurteilen (vgl. I. 2.). b) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer Ausgehend von der Prämisse, der faktische Geschäftsführer hafte, weil er das bestellte Organ als Verantwortungsträger ausschalte und damit den betroffenen Interessengruppen den Primärschutz gesetzesmäßiger Pflichterfüllung und den Sekundärschutz des Haftungszugriffs entziehe, ergibt sich von selbst, dass ein Tätigwerden nach außen für die Normanwendung im Einzelfall kein sachgerechtes Kriterium sein kann. Wie auf den bestellten Geschäftsführer eingewirkt wird, ist nämlich letztlich völlig unerheblich. In den Blick genommen wird vielmehr allein das Ergebnis, dass die gesetzliche Pflichterfüllung durch den Geschäftsführer verhindert wird.89 Zudem wird angeführt, dass ein Abstellen auf das Auftreten nach außen ohne sachlichen Zusammenhang diejenigen Personen von vornherein von einer Haftung ausklammern würde, die, obgleich sie umfangreichen Einfluss ausüben könnten, regelmäßig nicht nach außen in Erscheinung träten (Berater, Rechtsvertreter, Kreditgeber).90 Des Weiteren wäre der Außenauftritt nur dann ein gerechtfertigtes Kriterium der faktischen Geschäftsführung, wenn es bei der Erweiterung der Geschäftsführerpflichten auf nicht bestellte Personen um einen Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs ginge. Dies sei aber gerade nicht der Fall.91 Im Hinblick auf Überschneidungen mit dem Weisungsrecht der Gesellschaftergesamtheit wird zudem darauf hingewiesen, dass eine solche jedenfalls bei Nicht-Gesellschaftern von vornherein ausscheide.92 Ferner sei das Weisungsrecht der Gesellschafter auch keinesfalls grenzenlos. Zunächst existierten weisungsfeste Pflichten sowie gesellschaftsrechtliche Grenzen aus der Satzung oder der Treuepflicht.93 Darüber hinaus 88

MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22; a.A. für das englische Recht Sorge, Haftung, S. 112. 89 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 234 (für § 64 GmbHG a.F.); zur Möglichkeit der Verallgemeinerung des Gedankens siehe Ehricke, Konzernunternehmen, S. 341. 90 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 220 (für § 64 GmbHG a.F.); dies gilt aber auch für § 43 Abs. 2 und § 64 GmbHG n.F. 91 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 220; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 246 (beide für § 64 GmbHG a.F.); auch dies gilt freilich für § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 GmbHG n.F. nicht minder. 92 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 246. 93 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 238 f.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

wird teilweise auch vorgetragen, dass jedenfalls bei einer Weisungsdichte, die die bestellten Geschäftsführer zu bloßen Befehlsempfängern herabstufe, eine „quantitative Grenze“ des Weisungsrechts erreicht sei. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, die Geschäfte der Gesellschaft praktisch selbst zu führen und sich zugleich durch das Haftungsprivileg aus § 13 Abs. 2 GmbHG den daraus resultierenden haftungsrechtlichen Konsequenzen zu entziehen.94 c) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer Wird hingegen der faktische Geschäftsführer in den Blick genommen, um zu beurteilen, ob sein Verhalten eine organtypische Gefährdungslage hervorruft, die wiederum eine Anwendung der Geschäftsleiterpflichten rechtfertigen soll, so ist das Argument des BGH, ein Tätigwerden nach außen präge die Geschäftsführertätigkeit so nachhaltig, dass ein Verzicht nicht infrage komme, auf den ersten Blick stichhaltig.95 So ließe sich argumentieren, dass eine organtypische Gefährdungslage eben immer erst gegeben ist, wenn der faktische Geschäftsführer auch nach außen tätig wird. Gegen diese Überlegung wird allerdings angeführt, dass ein Auftreten nach außen für den bestellten Geschäftsführer zwar typisch aber keinesfalls zwingend sei.96 Zudem spiele es unter Gesellschafter- und Gläubigerschutzgesichtspunkten keine Rolle, ob sich der Einfluss auf die Geschäftsführung im Außenverhältnis niederschlage oder nicht.97 Ebenso wird betont, dass das Abstellen auf das äußere Auftreten die Gefahr mit sich bringe, dass die dogmatischen Unterschiede zwischen dem Geschäftsführer kraft Rechtsschein und dem faktischen Geschäftsführer verwischten.98 Ferner sei der Außenauftritt auch kein notwendiges Abgrenzungsmerkmal zu zulässigen Weisungen der Gesellschafter, wobei hierfür im Wesentlichen dieselben Argumente angeführt werden, wie soeben unter a) dargestellt.99 Im Hinblick auf alternative Haftungsgrundlagen, deren Anwendungsbereich sich mit der Haftung des faktischen Geschäftsführers überschneiden würde, wenn man nicht auf ein Auftreten im Außenverhältnis abstellte, wird argumentiert, dass auch den bestellten Gesellschafter-Geschäftsführer etwa neben der Haftung aus §§ 30, 31 GmbHG oder § 826 BGB eine Haftung wegen der Verletzung seiner Geschäfts94 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 239. Einzelheiten sind hier allerdings strittig, vgl. U/H/L/Paefgen, § 37 Rn. 27 f.; vgl. auch unten B. IV. 2. b). 95 Ähnlich Schürnbrand, Organschaft, S. 307. 96 Schürnbrand, Organschaft, S. 307 f.; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 137. 97 Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400; Redeker, DZWIR 2005, 497, 500; Haas, NZI 2006, 494, 499; Schürnbrand, Organschaft, S. 308 (für § 43 Abs. 2 GmbHG); Sorge, Haftung, S. 106; ebenso bereits Burgard, NZG 2002, 606, 608. 98 Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Schürnbrand, Organschaft, S. 308. 99 Vgl. Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Schürnbrand, Organschaft, S. 308 f.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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führerpflichten treffen könnten, ohne dass hier eine Sperrwirkung angenommen würde.100 Zudem sei zu bedenken, dass die Haftung des faktischen Geschäftsleiters nicht lediglich der Schadenskompensation diene, sondern auch eine Steuerungswirkung entfalten solle. Bei einer Sperrwirkung anderer Haftungstatbestände würde zwar gleichfalls eine Schadenskompensation erzielt, aber mangels entsprechenden Verhaltensverbots nicht die Steuerungsfunktion der Geschäftsführerhaftung erfüllt.101 2. Die Notwendigkeit einer Billigung durch die Gesellschafter bzw. das Bestellungsorgan a) Befürwortende Stimmen Ob für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung stets oder zumindest im Zusammenhang mit einzelnen Normen eine Billigung der Gesellschafter bzw. des zuständigen Bestellungsorgans nötig ist, hat der BGH bis jetzt nicht entschieden. Das OLG Köln hat ein solches Erfordernis jedenfalls abgelehnt.102 Dennoch hat dieses Kriterium, das durch die strafrechtliche Rechtsprechung unter anderem unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten, wenngleich rechtlich unwirksamen Bestellung in die Diskussion eingeführt wurde103, durchaus einige Befürworter im Schrifttum gefunden.104 Teilweise wird allerdings die Notwendigkeit einer Billigung auf einzelne Normen begrenzt.105 Im Hinblick auf § 15a Abs. 1 InsO argumentiert etwa Strohn, dass die Kenntnis oder zumindest Duldung der Gesellschafter zwingend nötig sei. Jemand dessen Handeln die Gesellschafter nicht kennen oder nicht dulden, könne schwerlich die Pflicht treffen, darüber zu urteilen, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen beantragt wird oder nicht.106 Andere Autoren, die eine Billigung normunabhängig für notwendig halten, argumentieren, dass gerade die Billigung als Äußerung des Willens der Gesellschaft, die Geschäftsführung einer bestimmten Person zu übertragen, der primäre Geltungsgrund der Haftungserweiterung sei.107 Allein eine einseitige Anmaßung der Leitungsmacht könne hingegen keine faktische Organstellung begründen.108 100

Sorge, Haftung S. 110. Sorge, Haftung S. 110, vgl. hierzu auch Kapitel 3 B. I. 2. c) aa). 102 OLG Köln ZInsO 2012, 1574, 1576; a.A. möglicherweise OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317, 318 („Jedenfalls dann, wenn […] ein Gesellschafter mit Zustimmung des Mitgesellschafters und Alleingeschäftsführers […] die Führung der Geschäfte übernimmt.“). 103 BGHSt 3, 32, 38 f.; sowie die Nachweise in Fn. 26. 104 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 3; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 17; Michalski/Nehrlich, § 64 Rn. 16 f.; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 205. 105 Strohn, DB 2011, 158, 162 f.; offen lassend Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343. 106 Strohn, DB 2011, 158, 162. 107 Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108. 101

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

Ebenso wie das Erfordernis des nach außen Tretens des Handelns des faktischen Geschäftsführers, hat allerdings auch das Erfordernis einer Billigung durch die Gesellschafter im Schrifttum breite Kritik erfahren. Diese Kritik wird wiederum aus den beiden unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, aus denen ein Leerlaufen des Schutzzwecks der jeweiligen Geschäftsführerpflicht beurteilt wird. b) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer Nimmt man für die Frage, ob der Schutzzweck der Geschäftsführerpflichten leerzulaufen droht, den bestellten Geschäftsführer und die Wirkung, die das Handeln des faktisch Tätigen auf diesen hat, in den Blick, so ergibt sich auch hier, dass eine Billigung durch die Gesellschafter kein entscheidendes Kriterium für die Normanwendung sein kann. Es spiele keine Rolle, worauf die Machtstellung des faktisch Tätigen begründet sei, solange er mit seinem unangefochtenen Einfluss bewirke, dass der bestellte Geschäftsführer seine zugewiesenen Aufgaben nicht wahrnehmen könne.109 Auch die unberechtigte Anmaßung der Geschäftsführerstellung könne daher haftungsbegründend wirken.110 Ferner könne die Billigung auch als etwaiger Anknüpfungspunkt für eine Bestellungsfiktion keine Rolle spielen.111 Ohne förmlichen Beschluss oder Wahlakt fehle es an einer rechtserheblichen Willensbildung der Gesellschaft, die wiederum der alleinige Anknüpfungspunkt für ein berechtigtes Vertrauen des faktisch Tätigen in eine wirksame Berufung als Geschäftsführer sein könne.112 c) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer Auch vom Standpunkt aus, die Anwendung einzelner haftungsbewährter Organpflichten komme immer dann in Betracht, wenn eine organtypische Gefährdungslage vorliege, wird erhebliche Kritik an dem Versuch geübt, über die Kenntnisnahme oder Duldung des Bestellungsorgans eine Bestellung des faktischen Geschäftsführers zu fingieren. Die Argumentation ist dabei freilich ähnlich wie die unter a) dargestellte: Das bloße Einverständnis des Bestellungsorgans stelle überhaupt keinen Bestellungsakt dar.113 Dies gelte zunächst deshalb, weil eine konkludente Beschlussfassung auch in der GmbH ausscheide. Selbst wenn man jedoch von

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Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 17. Stein, ZHR 148 (1984) 207, 234 (für § 64 GmbHG a.F.). 110 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 234 (für § 64 GmbHG a.F.); Ehricke, Konzernunternehmen, S. 235, der ein subjektives Element ebenfalls für entbehrlich hält. 111 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 216. 112 Stein, Das faktische Organ, S. 122. 113 Schürnbrand, Organschaft, S. 306; ausführlich auch Sorge, Haftung, S. 121 f.; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343, spricht davon, dass andernfalls Einverständniserklärungen fingiert würden. 109

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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einer solchen Möglichkeit ausginge, würde es dennoch regelmäßig am entsprechenden Willen der Gesellschafter fehlen.114 Im Hinblick auf die Argumentation eine Billigung sei notwendiges Zurechnungselement für eine Haftung, wird angeführt, dass es einer solchen Zurechnung gerade nicht bedürfe. Anders als in Fällen der Rechtsscheinshaftung gehe es nicht um die Frage, ob das Handeln des faktischen Geschäftsführers für und gegen die Gesellschaft wirke, sondern nur darum, ob der Gesellschaft ein durch das pflichtwidrige Verhalten der faktisch tätigen Person entstandener Schaden zu ersetzen sei.115 Die Gefahr solcher Schäden wiederum bestehe bei der Usurpierung der Geschäftsführerfunktion ganz unabhängig von einer Billigung der Gesellschafter.116 Gegen ein Erfordernis der Billigung des Tätigwerdens des faktischen Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht wird schließlich vorgetragen, dass auch hier ein derartiges subjektives Kriterium nicht erforderlich sei, um den befürchteten Missbräuchen vorzubeugen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn man davon ausgehe, dass den faktischen Geschäftsführer im Rahmen von § 15a Abs. 1 InsO lediglich die Pflicht träfe, auf die insolvenzantragsberechtigte Person einzuwirken, so dass diese den entsprechenden Antrag stelle.117 Sofern es überhaupt denkbar sei, dass das Handeln des faktischen Geschäftsführers den Gesellschaftern völlig verborgen bleibe, scheine es nahezu ausgeschlossen, dass der Insolvenzantrag auf Hinwirken des faktisch Tätigen in diesen Fällen ohne weitere Prüfung durch die antragsberechtige Person gestellt werde.118 3. Amtstauglichkeit als notwendige Voraussetzung für die faktische Geschäftsführung Die Amtstauglichkeit als notwendige Voraussetzung für eine faktische Geschäftsführerstellung wird lediglich im Hinblick auf juristische Personen diskutiert. Unumstritten ist hingegen, dass die Haftung des faktischen Geschäftsführers die Geschäftsfähigkeit voraussetzt und zudem eine Exkulpation mit dem Argument einer der Tatbestände des § 6 Abs. 2 S. 2, 3 GmbHG liege vor, nicht infrage kommt.119 Im Hinblick auf die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, der festlegt, dass Geschäftsführer einer GmbH nur eine natürliche Person sein kann, hat der BGH hin114

Sorge, Haftung, S. 121 f. Schürnbrand, Organschaft, S. 306 f. (für § 43 Abs. 2 GmbHG); MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 234; ders., GmbHR 2011, 337, 343. 116 Sorge, Haftung, S. 123. 117 Sorge, Haftung, S. 125 f., mit dem Hinweis, dass auch Strohn, der eine Billigung in diesem Fall fordere, nicht von einem eigenen Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers ausgehe, vgl. Strohn, DB 2011, 158, 165. Siehe insgesamt zu diesem Themenkomplex unten B. IV. 1. 118 Sorge, Haftung, S. 125. 119 Statt aller Schürnbrand, Organschaft, S. 305 f. 115

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

gegen festgehalten, dass damit a maiore ad minus auch der faktische Geschäftsführer nur eine natürliche Person sein könne.120 Dies hat in der Literatur durchaus Zustimmung gefunden.121 Andere Autoren wiederum halten die Argumentation des BGH nicht für zwingend, zweifeln aber daran, dass die Untauglichkeit juristischer Personen nennenswerte praktische Konsequenzen für die Haftung habe, da jedenfalls dann, wenn die gesetzlichen Vertreter der juristischen Person als faktische Geschäftsführer zu qualifizieren seien, im Ergebnis auch eine Inanspruchnahme der juristischen Person möglich sei. Dementsprechend sei die Einschränkung durch die Rechtsprechung letztlich unproblematisch.122 Freilich hat die Begrenzung des Adressatenkreises auf natürliche Personen auch Kritik hervorgerufen, die nun in der bereits bewährten Weise dargestellt werden soll. a) Kritik vom Blickpunkt auf den bestellten Geschäftsführer Aus den Beiträgen der Autoren, die bisher für die Perspektive auf den bestellten Geschäftsführer angeführt wurden, lässt sich zumindest teilweise indirekt darauf schließen, dass juristische Personen als faktische Geschäftsführer infrage kommen.123 Ausführlich begründet wird diese Annahme aber – soweit ersichtlich – nicht. Für eine Einbeziehung ließe sich vorbringen, dass es aus der Perspektive auf den bestellten Geschäftsführer allein darauf ankommt, dass durch tatsächliche Machtausübung dessen Pflichterfüllung verhindert wird.124 Nimmt man aber die Macht und ihre Wirkung in den Fokus, so ist es durchaus denkbar, dass eine juristische Person diese ausübt. Des Weiteren beanspruchen auch einige Argumente von Autoren, die den faktischen Geschäftsführer in den Blick nehmen, Geltung aus der hier eingenommenen Perspektive [dazu sogleich b)].

120

BGHZ 150, 61, 68. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3; Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 13; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 5; Achsnich, Haftung des faktischen Organs, S. 141. 122 So etwa Strohn, DB 2011, 158, 163, der annimmt, dass dann, wenn eine natürliche Person im Auftrag einer juristischen Person als faktischer Geschäftsführer tätig werde, ein Anspruch dieser Person aus § 670 BGB gegen ihren Prinzipal bestehe. In diesen Anspruch könne der Gläubiger des Haftungsanspruchs gegen den faktischen Geschäftsführer vollstrecken; zur selben Einschätzung kommt MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 20, der allerdings anders als Strohn auf eine Zurechnung über § 31 BGB abstellt; zustimmend Sorge, Haftung, S. 131. 123 Stein spricht von herrschenden Unternehmen im Konzern als möglicherweise der Antragspflicht nach § 64 GmbHG a.F. unterworfenen Personen, vgl. ZHR 148 (1984) 207, 232, sowie von der Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 43 Abs. 2 GmbHG, vgl. Das faktische Organ, S. 186 f. Herrschendes Unternehmen dürfte im Regelfall eine juristische Person sein. Auch KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43 sprechen allgemein vom Mehrheitsaktionär ohne zwischen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden. Ehricke folgt der Zurechnungslösung (siehe bereits Fn. 122), vgl. Konzernunternehmen, S. 229 (Fn. 379). 124 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 234. 121

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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b) Kritik vom Blickpunkt auf den faktischen Geschäftsführer Vom Blickpunkt auf die faktisch tätige Person wird überwiegend argumentiert, die Untauglichkeit juristischer Personen widerspreche der Tatsache, dass die Inhabilitätsgründe aus § 6 Abs. 2. S. 2 GmbHG unstreitig nicht für den faktischen Geschäftsführer gelten würden. Weil auch hier das a maiore ad minus Argument nicht greife, müsse dies auch bei § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG nicht zwingend der Fall sein.125 Gerade aus Gläubiger- und Gesellschafterschutzgründen sei eine Einbeziehung juristischer Personen vielmehr geboten. Ist der Haftungsgrund die Okkupierung der Organstellung, so sei nicht ersichtlich, warum hierfür nur natürliche Personen in Betracht kommen sollten.126 Gegen den konstruktiven Umweg einer Qualifikation des Vertreters der juristischen Person als faktisches Organ wendet Fleischer zudem ein, dass dieser angesichts des Verantwortungsgefälles zwischen juristischer Person und Organwalter wertungsmäßig nicht überzeugen könne.127 4. Zwischenfazit Die Darstellung der vielfältigen Literatur zum faktischen Geschäftsführer hat gezeigt, dass ein beachtlicher Teil der Literatur anders als die Rechtsprechung darauf verzichtet, für die Bestimmung des Schutzbedürfnisses und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Einzelnormanwendung jenseits verschiedener allgemeiner Formeln, zwingende Anforderungen an das Handeln bzw. die Person des faktisch Tätigen zu stellen.128 Dies betrifft sowohl Autoren, die die Perspektive auf den faktischen Geschäftsführer wählen, als auch solche, die den bestellten Geschäftsführer in den Blick nehmen (vgl. I. 2.). Zwar könne das Tätigwerden nach außen wie ein Geschäftsführer ein Indiz für die Notwendigkeit der Anwendung einzelner Geschäftsführerpflichten sein129, unter Schutzzweckgesichtspunkten lasse sich das zwingende Vorliegen dieser Voraussetzung allerdings nicht rechtfertigen [vgl. II. 1. b) und c)]. Gleiches gilt für die Notwendigkeit der Billigung durch die Gesellschafter und der Amtstauglichkeit der faktisch tätigen Person [vgl. II. 2. b) und c) sowie 3. b) und c)]. Somit bliebe es allein bei einer Einzelfallentscheidung, bei der es aus der 125 Sorge, Haftung, S. 129; Strohn, DB 2011, 158, 163; Schürnbrand, Organschaft, S. 305; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401. 126 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343; Burgard, NZG 2002, 606, 608 (für § 43 GmbHG); jetzt auch U/H/L/Paefgen, § 6 Rn. 47. 127 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 193; ähnlich wohl Scholz/Uwe H. Schneider, § 43 Rn. 28c. 128 Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1010; Schürnbrand, Organschaft, S. 310 (für § 43 Abs. 2 GmbHG); Sorge, Haftung, S. 99; ebenso auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 242. Auch nach Stein kommt es nicht darauf an, „in welcher Weise und mit welchen Mitteln“ jemand bewirkt, dass der Geschäftsführer seine Pflichten verletzt, siehe ZHR 148 (1984) 207, 234. 129 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 246; Sorge, Haftung, S. 113.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

jeweiligen Perspektive zu beurteilen gilt, wann die Erweiterung des Adressatenkreises einer Norm unter Schutzzweckgesichtspunkten gerechtfertigt ist (vgl. I. 2.). Es wäre also beispielsweise aus der Perspektive auf die faktisch tätige Person zu untersuchen, ob im konkreten Fall eine Okkupierung der Organstellung vorliegt, die eine organspezifische Gefährdungslage bewirkt.130 Die bis hierhin vor allem teleologisch begründete Entbehrlichkeit von Außenauftritt und Billigung durch die Gesellschafter wird von den Autoren, die zur Bestimmung des Schutzbedürfnisses auf den faktischen Geschäftsführer und die Art und Weise seines Tätigwerdens blicken, des Weiteren dadurch untermauert, dass das Phänomen der faktischen Geschäftsführung in ein rechtstheoretisches Konzept eingeordnet wird, welches die Entbehrlichkeit zwingender Merkmale ebenfalls erklärt. Dieser Einordnung widmet sich der folgende Unterabschnitt. 5. Der faktische Geschäftsführer als Typus Eine Reihe von Autoren argumentiert, dass der faktische Geschäftsführer als „Typus“ zu qualifizieren sei.131 Verwiesen wird dabei auf ein Konzept, dass im wesentlichen Karl Larenz und sein Schüler Detlef Leenen erarbeitet haben.132 Ein Typus ist nach Karl Larenz dadurch definiert, dass „die zur Kennzeichnung angegebenen Merkmale […] jeweils in unterschiedlicher, nicht generell festzulegender Stärke zutreffen können und es insgesamt weniger auf solche einzelnen Merkmale als das gesamte Erscheinungsbild ankommt“133 Einzelne Merkmale könnten ferner auch gänzlich fehlen; der Typus sei offen.134 Für die Zuordnung einer Erscheinung zum Typus sei allein danach zu fragen, ob diese im Wesentlichen die Züge des Typus trage und sich unter dem konstitutiven Wertungsgesichtspunkt des Typus als gleichgelagert erweise.135 Gegenbegriff zum Typus ist nach diesem Verständnis der Begriff i. e.S., dessen Kennzeichen die innere Geschlossenheit sei136 und unter den nur subsumiert werden könne, wenn alle in die Definition des Begriffs aufgenommenen Merkmale erfüllt seien.137 In Bezug auf den faktischen Geschäftsführer folgt aus diesem Verständnis, dass eine Diskussion um zwingende Merkmale eigentlich obsolet ist.138 Ein Typus kann 130

Schürnbrand, Organschaft, S. 310. Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 340 f.; Schürnbrand, Organschaft, S. 308; Sorge, Haftung, S. 133 f.; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 73, 344; Peetz, GmbHR 2017, 57, 63. 132 Zusammenfassend Larenz, Methodenlehre, S. 461 ff.; grundlegend Leenen, Typus, passim. 133 Larenz, Methodenlehre, S. 465. 134 Leenen, Typus, S. 34. 135 Leenen, Typus, S. 44. 136 Leenen, Typus, S. 33. 137 Larenz, Methodenlehre, S. 440. 138 Sorge, Haftung, S. 99. 131

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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weder über das zwingende Merkmal des Außenauftritts noch über andere stets notwendige Erfordernisse wie die Billigung der Gesellschafter verfügen. Geprägt wird der Typus allein von der konstituierenden Wertentscheidung, d. h. hier der gesteigerten (organspezifischen) Gefahr für Gesellschafter und Gläubiger durch die Einflussnahme der faktisch tätigen Person.139 Da auch der BGH von der Notwendigkeit einer „materiellen Betrachtung“ anhand einer „Gesamtschau“ aller Einzelumstände spricht, ließe sich dies mit dem Typuskonzept durchaus vereinbaren.140 Freilich würden dem Typus aber insbesondere durch das Abstellen auf den Außenauftritt zu enge Grenzen gesetzt141 [vgl. bereits II. 1. c)].

III. Alternative Konkretisierungsmöglichkeiten für die Einzelnormanwendung Geht man davon aus, dass die unter II. 1.–3. diskutierten Merkmale, die das haftungsauslösende Verhalten des faktischen Geschäftsführers beschreiben bzw. die Person des faktischen Geschäftsführers näher bestimmen, nicht zwingend vorliegen müssen, so stellt sich die Frage, wie sich Fälle zulässiger Einflussnahme jenseits des konkreten Einzelfalls überhaupt von solchen unzulässiger Einflussnahme abgrenzen lassen. Eine gewisse Leitlinie scheint jedenfalls nötig, um die gebotene Rechtsicherheit bei der Einzelnormanwendung zu gewährleisten.142 Im Grundsatz bliebe sonst nämlich an Gemeinsamkeiten aller Fälle tatsächlich nichts anderes als die bei allen Normen stets übereinstimmende Grundperspektive, die entweder den faktischen Geschäftsführer oder dem bestellten Geschäftsführer in den Blick nimmt, um die Gefährdung des Schutzzwecks der jeweiligen Geschäftsführerpflicht zu beurteilen (vgl. bereits I. 2. und II. 5.). Welche Konkretisierungsmöglichkeiten aus der jeweiligen Perspektive vorgeschlagen werden, um dies zu vermeiden, soll in diesem Abschnitt dargestellt werden. 1. Konkretisierung des Typus zur Bestimmung der Voraussetzungen einer organspezifischen Gefährdungslage Ausgehend von der Qualifikation des faktischen Geschäftsführers als Typus versuchen einige Autoren, die notwendige Konkretisierung im Hinblick auf den konstitutiven Wertungsgesichtspunkt des Typus durch die Bezugnahme auf eine Formel zu erzielen, die im Schweizer Recht entwickelt wurde.143 Der faktische Geschäftsführer müsse organspezifische Funktionen in organtypischer Weise 139 140 141 142 143

Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340 f.; Sorge, Haftung, S. 97 f. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342. Ebenso Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1010. Zu den Bezügen zum Schweizer Recht siehe bereits oben I. 1. b).

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

wahrnehmen, um als solcher qualifiziert zu werden.144 Nur wenn dies der Fall sei, lasse sich von einer organspezifischen Gefährdungslage sprechen, die den Typus präge. Diese Konkretisierung zielt vor allem auf eine Abgrenzung in dreifacher Weise: Zunächst werde in Fällen äußerer Druckwirkung etwa durch Großabnehmer oder Kreditgeber trotz gewichtigen Einflusses selten in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur eingedrungen. Nur ein solches Eindringen rechtfertige aber die Anwendung des organschaftlichen Verantwortlichkeitsregimes.145 Darüber hinaus könne durch ein Abstellen auf die Übernahme organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise, eine Abgrenzung zur zulässigen Einflussnahme der Gesellschafter im Rahmen ihrer mitgliedschaftlichen Befugnisse gewährleistet werden.146 Schließlich soll die Konkretisierung des Typus die Aussonderung von Fällen ermöglichen, in denen statt der Geschäftsleiterverantwortlichkeit die schuldrechtliche Arbeitnehmerhaftung den sachgerechten Anknüpfungspunkt darstellt.147 Insbesondere das Merkmal der Ausübung organspezifischer Funktionen, das voraussetze, dass Aufgaben übernommen würden, die nicht nur das Alltagsgeschäft beträfen, sondern den Kernbereich der dem Geschäftsführer vorbehaltenen Leitung der Gesellschaft, dient den Autoren dabei zur Abgrenzung von der letztgenannten Fallgruppe.148 In den beiden ersteren Fällen soll es hingegen üblicherweise an einer Wahrnehmung der Funktionen in organtypischer Weise fehlen. Hierfür sei notwendig, dass das faktische Organmitglied „in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur eindringt und im Ergebnis selbst den Willen der Gesellschaft bildet“, anstatt lediglich eigene Interessen wahrzunehmen.149 Für die Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise soll es ferner genügen, dass der Umfang des Tätigwerdens dem eines Mitgeschäftsleiters entspricht.150 Darüber hinaus gelte im Hinblick auf die Dauer des Tätigwerdens, dass

144

Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 341; unter Bezugnahme auf Forstmoser, FS Meier-Hayoz, 1982, S. 125, 146 ff.; zustimmend Schürnbrand, Organschaft, S. 311 ff.; Sorge, Haftung, S. 133 ff.; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 91 f. Zur faktischen Organschaft im Schweizer Recht siehe auch Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 301 ff.; Isler, FS Zobl, 2004, S. 287, 292 ff. 145 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341. 146 Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 341. 147 Fleischer, AG 2004, 517, 524; ebenso Schürnbrand, Organschaft, S. 311; Sorge, Haftung, S. 133. 148 Fleischer, AG 2004, 517, 526; Schürnbrand, Organschaft, S. 311. Bei der GmbH bestehen hier anders als bei der AG allerdings Probleme, weil das gesetzliche Organisationsmodell der GmbH vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung der Aufgabenverteilung der Geschäftsführer offen hält, vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 312 f.; kritisch daher auch Haas, DStR 1998, 1359; ders., NZI 2006, 494, 499. Siehe zur dieser Diskussion auch Kapitel 3 C. II. 2. 149 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344; Sorge, Haftung, S. 145. 150 Sorge, Haftung, S. 140 m.w.N.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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im Regelfall über einen gewissen Zeitraum Einfluss genommen werden müsse.151 Ausgehend von der Qualifikation des faktischen Geschäftsführers als Typus sei dies freilich keineswegs zwingend. So könne das Zeitelement zurücktreten, wenn es sich um Einzeleingriffe handele, die die Gesellschaft aufgrund ihrer Intensität ebenso schädigen könnten, wie eine dauerhafte Einflussnahme.152 Kommt eine Einordnung in den Typus des faktischen Geschäftsführers nur in Betracht, wenn wie soeben beschrieben organspezifischen Funktionen in organtypischer Weise ausgeübt werden, lässt sich hier als letztes fragen, ob dieser Maßstab im Sanierungsfall modifiziert werden muss, wie das OLG München dies in der bereits dargestellten Entscheidung aus dem Jahr 2010 angenommen hat.153 Gegen eine solche Modifikation wird allerdings eingewandt, dass für sie jeglicher normativer Anknüpfungspunkt fehle. Insbesondere die Sanierungsprivilegien nach § 39a Abs. 4 S. 2 InsO und § 37 Abs. 1. S. 1, Abs. 2. S. 1 WpÜG i.V.m. § 9 S. 1 Nr. 3 WpÜGAngebV ließen sich nicht heranziehen, weil diese zum einen eine objektive Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft und nicht bloß einen Sanierungswillen beim Gesellschafter voraussetzten, und zum anderen dem Ausgleich über den Sanierungsbetrag hinaus bestehender zusätzlicher Nachteile dienten und nicht wie die Haftung des faktischen Geschäftsführers der Sanktion sorgfaltswidrigen Verhaltens.154 Die Besonderheiten der Sanierungssituation könnten stattdessen im Rahmen einzelner organschaftlicher Pflichten berücksichtigt werden. So bleibe dem faktischen Geschäftsführer etwa im Zusammenhang mit seiner Insolvenzantragspflicht ein kurz bemessener zeitlicher Spielraum um Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.155 2. Konkretisierungsmöglichkeiten zur Bestimmung der Voraussetzungen einer Organverdrängung Stein beschreibt den Zustand, in dem die Einzelnormanwendung notwendig ist, dahingehend, dass ein Dritter den Geschäftsführer als Verantwortungsträger ausgeschaltet habe und damit „der Gesellschaft, den Gesellschaftern und den Gläubigern der Primärschutz gesetzlicher Pflichterfüllung und der Sekundärschutz des Haftungszugriffs“ genommen sei.156 Sie lehnt damit konsequent die unter II. diskutierten Kriterien für eine Konkretisierung der faktischen Geschäftsführerstellung 151 Fleischer, AG 2004, 517, 525; Schürnbrand, Organschaft, S. 312; Sorge, Haftung, S. 141; ebenso Konzen, NJW 1989, 2977, 2985; Strohn, DB 2011, 158, 162; U/H/L/Casper, § 64 Rn. 40. 152 Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Strohn, DB 2011, 158, 162; Sorge, Haftung, S. 142; a.A. Schürnbrand, Organschaft, S. 312. 153 OLG München ZIP 2010, 2295, 2298, ohne freilich auf die Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise abzustellen. 154 Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1113 ff. 155 Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1115; Sorge, Haftung, S. 166. 156 Stein, Das faktische Organ, S. 185.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

ab. Das Verhalten, mit dem jemand den Zustand der Organverdrängung herbeiführt, ist aus ihrer Perspektive irrelevant.157 Die Frage, wann die einzelnen Geschäftsführernormen zur Anwendung kommen, konkretisiert sich daher allein nach zwei Faktoren: Zum einen soll eine Einzelnormanwendung nur infrage kommen, wenn die Haftung der bestellten Organe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen adäquaten Schutz bieten kann.158 Letzteres meint insbesondere Probleme bei der Durchsetzbarkeit der Ansprüche.159 Zum anderen müsse geprüft werden, ob eine Haftung der faktisch tätigen Person nach den Normen des allgemeinen Zivilrechts nicht einen gleichwertigen Schutz gewährleisten könne.160 Hierbei denkt Stein insbesondere an eine Haftung aus einer bestehenden Sonderverbindung (schuldrechtlicher Vertrag, mitgliedschaftliche Treuepflicht)161 sowie an die Anstifterhaftung nach § 830 Abs. 2 BGB.162 Erst wenn sich bei der Untersuchung der beiden Faktoren ergebe, dass weder die eine noch die andere Haftung greife, bestehe tatsächlich eine Schutzlücke, die es durch die Einzelnormanwendung zu schließen gelte.163 Beispielsfälle für Haftungslücken, die eine Einzelnormanwendung notwendig machen sollen, d. h. Fälle der Organverdrängung, sind nach diesen Regeln etwa die Situation des Strohmanngeschäftsführers164 und die Fälle der Führungslosigkeit.165 Ebenso bestehe ein Schutzbedürfnis in eng begrenzten Konstellationen bei illegalen Weisungen166 und illegalen Eingriffen167 durch Personen, die in der Gesellschaft eine Machtstellung einnehmen. In allen anderen Fällen lasse sich hingegen ausreichender Schutz auf anderem Wege gewährleisten, so dass keine Notwendigkeit für eine Einzelnormanwendung bestehe. Brächte man hingegen, wie von anderen Autoren gefordert, auch in diesen Fällen die Geschäftsleiterpflichten 157

Stein, ZHR 148 (1984) 207, 234. Stein, Das faktische Organ, S. 151. 159 Stein, Das faktische Organ, S. 172, 184. 160 Dies ergibt sich, wie Ziemons bereits treffend festgestellt hat, bei Stein aus dem Gesamtkonzept der Arbeit, vgl. Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 71. Beispielhaft Stein, Das faktische Organ, S. 170 f., sowie S. 184 („daß eine Schadenskompensation mit der gesetzlichen Organhaftung nicht erreicht wird und kein anderer für den Schaden nach Maßstäben der Organhaftung einzustehen hat.“ (Herv. d. Verf.)). 161 Stein, Das faktische Organ, S. 146, 169, 179. 162 Stein, Das faktische Organ, S. 162. 163 So auch Ziemons, die darauf hinweist, dass Stein die Legitimation der Rechtsfortbildung im Entzug des Haftungssubstrats sehe, vgl. Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 72. In ihrem Aufsatz ZHR 148 (1984) widerspricht sich Stein m. E. insoweit selbst, als sie im Zusammenhang mit der Anwendung von § 64 GmbHG a.F. anders als in ihrer Dissertation allein darauf abstellt, dass der Primärschutz der Insolvenzantragspflicht durch die Ausschaltung des bestellten Geschäftsführers herabgesetzt werde und dies mit einer angemessenen Erweiterung der Haftungsmasse kompensiert werden müsse, vgl. ZHR 148 (1984) 207, 233. Der mangelhafte Sekundärschutz spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle mehr. 164 Stein, Das faktische Organ, S. 153, 186. 165 Stein, Das faktische Organ, S. 151, 191. 166 Stein, Das faktische Organ, S. 172 f., 187. 167 Stein, Das faktische Organ, S. 179, 190. 158

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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samt Haftung zur Anwendung, so würde dies allein zu unnötigen und sachlich nicht begründbaren Haftungserweiterungen führen.168 Damit zieht Stein den Anwendungsbereich für die faktische Geschäftsführung insgesamt wesentlich enger als die Kritiker des Konzepts der Organverdrängung in Rechtsprechung und Literatur, die eine mögliche Haftung des bestellten Geschäftsführers unberücksichtigt lassen wollen.169

IV. Die Diskussion um die Anwendung einzelner Normen auf den faktischen Geschäftsführer Ähnlich wie die Frage, welche Anforderungen an das Verhalten des faktischen Geschäftsführers zu stellen sind und wann tatsächlich ein konkretes Schutzbedürfnis wegen dessen Einflussnahme besteht, wird in der Literatur kontrovers diskutiert, ob und in welchem Umfang die hier angesichts des begrenzten Untersuchungsgegenstands allein interessierenden § 15a Abs. 1 InsO (i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) sowie die §§ 43 und 64 GmbHG auf den faktischen Geschäftsführer Anwendung finden können und müssen. 1. § 15a Abs. 1 InsO (i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) Ob den faktischen Geschäftsführer die haftungsbewährte Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags trifft, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, gehört in der Literatur zu den umstrittensten Fragen innerhalb der Thematik. Untrennbar verbunden ist sie mit der Frage, ob dem faktischen Geschäftsführer zugleich auch ein Insolvenzantragsrecht nach § 15 Abs. 1 InsO zusteht. Während der BGH sich zu letzterem noch nicht ausdrücklich geäußert hat, wird im Schrifttum gerade mit dem Hinweis, ein solches Recht könne sinnvollerweise nicht bestehen [siehe d)], auch die Anwendung der korrespondierenden Pflicht nach § 15a Abs. 1 InsO mangels Befolgungsmöglichkeit abgelehnt. Andere wiederum wollen § 15a Abs. 1 InsO nur modifiziert zur Anwendung bringen und so eine Haftung in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB begründen [siehe b) und c)]. Ein Teil des Schrifttums nimmt schließlich ein Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers an und kommt vor dem Hintergrund der andernfalls bestehenden Schutzzweckgefährdung damit auch zur Anwendbarkeit von § 15a Abs. 1 InsO [siehe a)].

168

Stein, Das faktische Organ, S. 183. Schürnbrand, Organschaft, S. 310; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341; Sorge, Haftung, S. 100 f. 169

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

a) Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers Für ein eigenes Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers sprechen sich verschiedene Stimmen im Schrifttum aus.170 Begründet wird die Insolvenzantragsberechtigung damit, dass auch der insolvenzantragsstellende Gläubiger das Bestehen seiner Forderung nur glaubhaft machen müsse. Insofern müsse es genügen, dass der faktische Geschäftsführer seine Stellung als faktischer Geschäftsführer gegenüber dem Insolvenzgericht glaubhaft mache, so dass das Gericht kurzfristig eine Entscheidung über dessen Antragsberechtigung treffen könne.171 Hierbei entstehende tatsächliche Probleme aufgrund der unklaren Kriterien für das Vorliegen der faktischen Geschäftsführung seien hinzunehmen.172 b) Modifizierte Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO Die Annahme eines Insolvenzantragsrechts des faktischen Geschäftsführers hat allerdings im Schrifttum, wie bereits angerissen, auch erheblichen Widerspruch hervorgerufen.173 Ein solches sei mit dem Zweck des Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht zu vereinbaren. Dieser bestehe darin, die Zulässigkeit eines Antrags möglichst schnell und sicher zu bestimmen, damit gegebenenfalls gläubigerschützende Maßnahmen eingeleitet werden können. Die Antragsberechtigung des faktischen Geschäftsführers könne der Insolvenzrichter jedoch regelmäßig nur durch eine zeitaufwendige Prüfung feststellen.174 Die bloße Glaubhaftmachung der faktischen Geschäftsführerstellung durch den Antragsteller reiche im Übrigen im Zusammenhang mit § 15 InsO gerade nicht aus.175 Doch selbst wenn man dies ausreichen ließe, würde für den Fall, dass die Glaubhaftmachung nach Ansicht des Gerichts scheitert, eine faktische Geschäftsführerstellung aber dennoch vorlag, eine Haftungslücke entstehen, da in einem solchen Fall nicht mehr ohne Weiteres von einem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ausgegangen werden könne.176 Würde man allerdings aus dem fehlenden Antragsrecht des faktischen Geschäftsführers schließen, dass auch eine haftungsbewährte Pflicht nach § 15a Abs. 1 InsO für den faktischen Geschäftsführer ausschiede, so würde dies ebenfalls zu einem unbilligen Ergebnis führen: Der faktische Geschäftsführer würde, obwohl er 170 Uhlenbruck/Hirte, § 15 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 Rn. 59; Weimar, GmbHR 1997, 473, 477; Brand/Brand, NZI 2010, 712, 715; Gundlach/Müller, ZInsO 2011, 1055, 1056; wohl auch Wagner, FS K. Schmidt, 2009, S. 1655, 1690. 171 Gundlach/Müller, ZInsO 2011, 1055, 1056. 172 Gundlach/Müller, ZInsO 2011, 1055, 1056; ähnlich Brand/Brand, NZI 2010, 712, 714. 173 Sorge, Haftung, S. 183 ff.; Strohn, DB 2011, 158, 165; MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 61; MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 75; U/H/L/Casper, § 64 Rn. 65; ebenso bereits Stein, ZHR 148 (1984) 207, 230 (für § 64 GmbHG a.F.). 174 Strohn, DB 2011, 158, 165; Sorge, Haftung, S. 184 f. 175 Sorge, Haftung, S. 184. 176 Strohn, DB 2011, 158, 165.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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für das Leerlaufen des Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht verantwortlich sei, weder zur Verantwortung für Schäden gezogen, die durch das Ausbleiben der Antragsstellung bei den Gläubigern entstünden, noch bestünde irgendein verhaltenssteuernder Effekt, solche Schäden von vornherein zu vermeiden.177 § 15a Abs. 1 InsO soll daher modifiziert zu Anwendung kommen. So bestehe für den faktischen Geschäftsführer lediglich die Pflicht, auf die zur Stellung des Insolvenzantrags berechtigte Person einzuwirken, so dass diese wiederum den notwendigen Insolvenzantrag stellt.178 Zu einer solchen Einwirkung sei der faktische Geschäftsführer aufgrund seiner herausgehobenen Machtstellung (vgl. bereits III. 1.) anders als zur eigenständigen Insolvenzantragsstellung regelmäßig zumindest faktisch in der Lage, so dass bei einer schuldhaften Verletzung dieser Einwirkungspflicht eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO greifen könne.179 Auf diese Weise sei die Erfüllung des Normzwecks von § 15a Abs. 1 InsO gesichert. Ob nun der faktische Geschäftsführer oder eine andere dazu berechtigte Person den Insolvenzantrag stelle, sei für den Gläubigerschutz jedenfalls im Ergebnis unerheblich, solange dies nur rechtzeitig geschehe.180 c) Lösung nach der Lehre vom Fortführungsverbot Einen ähnlichen Ansatz, der ebenfalls zu einer Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO führt, verfolgen unter anderem Ehricke181 und Wimmer-Leonhardt.182 Diese berufen sich auf das von K. Schmidt in die Diskussion eingeführte Verständnis des § 15a Abs. 1 InsO als Verbot der Fortführung eines Unternehmens trotz Insolvenzreife.183 Die Stellung des Insolvenzantrags sei hierbei lediglich ein formaler Akt, der zum Verlust der Geschäftsführungsbefugnis führe, so dass eine Fortführung der Geschäfte rechtlich nicht mehr möglich sei. Dieser Akt müsse nicht notwendigerweise vom faktischen Geschäftsführer durchgeführt werden.184 So verstanden könne der faktische Geschäftsführer der von § 15a Abs. 1 InsO statuierten Pflicht ohne Weiteres nach-

177

Stein, ZHR 148 (1984) 207, 230 (für § 64 GmbHG a.F.). Ausführlich Sorge, Haftung, S. 189 ff.; Nauschütz, NZG 2005, 921, 922; Strohn, DB 2011, 158, 165; U/H/L/Casper, § 64 Rn. 65; MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 61; MüKoInsO/Klöhn, § 15a Rn. 75; Bork/Schäfer/Bork, § 64 Rn. 68; ebenso bereits Stein, ZHR 148 (1984) 207, 230 (für § 64 GmbHG a.F.). 179 Sorge, Haftung, S. 193 (Die Möglichkeit, dass einem Einwirken nicht Folge geleistet werde, sei in das Reich der Fabel zu verweisen.). 180 Sorge, Haftung, S. 190. 181 Konzernunternehmen, S. 234. 182 Konzernhaftungsrecht, S. 404. 183 Siehe im vorliegenden Zusammenhang: Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 154; ders., FS Rebmann, 1989, S. 419, 434. 184 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234. 178

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

kommen, indem er den Geschäftsbetrieb bei Insolvenzreife einstelle.185 Die tatsächliche Erstreckung dieser Pflicht auf den faktischen Geschäftsführer sei wiederum unter Schutzzweckgesichtspunkten notwendig.186 Auch dieser Lösungsansatz kommt freilich nicht umhin, auf ein Einwirken des faktischen Geschäftsführers auf eine antragsberechtige Person abzustellen, um den „formalen Akt“ der Antragsstellung herbeizuführen.187 Die dogmatische Grundlage für die Haftung nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m § 823 Abs. 2 BGB ist aber mit dem Fortführungsverbot eine andere, als diejenige der Autoren unter b), so dass sich eine Differenzierung anbietet. d) Grundsätzliche Kritik an der Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO Auch die soeben dargestellten Versuche den faktischen Geschäftsführer in den Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 InsO einzubeziehen, sind nicht ohne Kritik geblieben. Zwar teilen die betreffenden Autoren die Argumente, die gegen ein eigenes Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers vorgebracht werden.188 Sie halten allerdings die vorgenommenen Umgehungskonstruktionen ebenfalls für untauglich, so dass eine Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO auf faktische Organmitglieder grundsätzlich ausscheiden muss. Gegen die Konstruktion des Fortführungsverbots wird angeführt, dass sich der Zweck des § 15a Abs. 1 InsO nicht in einem solchen Verbot erschöpfe, sondern die Norm darüber hinaus auch darauf abziele, den gegenwärtigen Gläubigern ein geordnetes, am Grundsatz der Gleichbehandlung orientiertes, staatliches Insolvenzverfahren zu sichern.189 Gegen die Einwirkungslösung wird wiederum angeführt, dass sie sich beachtlich vom Wortlaut der Norm entferne.190 Zudem sei die vom faktischen Geschäftsführer verlangte Einwirkung auf die antragsberechtigte Person in keiner Weise rechtlich abgesichert.191 Würde man hier allein auf den faktischen Einfluss verweisen, wäre dies wertungswidersprüchlich, weil man damit vom faktischen Geschäftsführer verlangen würde, eine ihm nicht gebührende Machtstellung erneut auszunutzen, um auf Personen einzuwirken, die eigentlich über die Stellung des Insolvenzantrags „eigenverantwortlich und weisungsfrei“ entscheiden sollten.192 Ob eine faktische 185 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 404. 186 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234 (andernfalls würden „untragbare Ergebnisse“ drohen). 187 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234. 188 Haas, DStR 1998, 1359, 1360; ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, S. E 48; Schürnbrand, Organschaft, S. 300; gegen ein Insolvenzantragsrecht des faktischen Vorstands auch KK-AktG/Mertens/Cahn, Anh. § 92 Rn. 34; ähnlich für die AG noch GK-AktG/Habersack, 4. Auflage 2008, § 92 Rn. 33; siehe jetzt aber anders GK-AktG/Habersack/Foerster, § 92 Rn. 41. 189 Schürnbrand, Organschaft, S. 301. 190 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 240. 191 Schürnbrand, Organschaft, S. 301. 192 Ibid.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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Einflussnahmemöglichkeit derartigen Ausmaßes überhaupt bestehe, sei angesichts der Tatsache, dass ein Ausschalten oder „an die Wand spielen“ der bestellten Organe nach überwiegender Ansicht für eine faktische Geschäftsführerstellung nicht notwendig sei, durchaus zweifelhaft.193 Darüber hinaus bedürfe es einer Täterhaftung des faktischen Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung auch gar nicht, da bestehende Schutzlücken sinnvoller über die Anstifter- und Gehilfenhaftung nach § 830 Abs. 2 BGB sowie in Extremfällen über § 826 BGB geschlossen werden könnten.194 2. § 43 Abs. 2 GmbHG Die Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG auf faktisch tätige Personen ruft anders als die Anwendung von § 15a Abs. 1 InsO wenig grundsätzliche Kritik hervor.195 Für einzelne Anwendungsfälle bestehen allerdings durchaus Streit und Unklarheit inwieweit die Anwendung der Norm auf faktisch tätige Personen zu sachgerechten Ergebnissen führt. Eine Diskussion trifft dabei die Einbeziehung von Gesellschaftern, die andere die Einbeziehung von Kreditgebern, insbesondere bei Krediten, die durch Covenants abgesichert sind.196 a) Anwendung auf externe Kreditgeber Im Hinblick auf Kreditgeber argumentiert Servatius, eine Haftung nach § 43 Abs. 2 müsse deshalb ausscheiden, weil diese Norm fremdnützige Interessenwahrungspflichten aufstelle, die grundsätzlich ungeeignet seien die Wahrnehmung legitimer Eigeninteressen der Kreditgeber haftungsrechtlich zu erfassen.197 So fehle es an einer dogmatischen Grundlage für die Bestimmung der auch von den Befürwortern einer Kreditgeberhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG anerkannten Grenze zwischen zulässiger Verwirklichung eigener Interessen und unzulässiger Einflussnahme auf die Geschäftsführung bzw. der Begründung, warum die Eigenbelange überhaupt hintangestellt werden müssten, nur weil zu deren Verwirklichung Einfluss auf die Unternehmensleitung ausgeübt werde.198 Das Abstellen auf den als unzulässig qualifizierten Eingriff in die korporative Sphäre sei jedenfalls ungeeignet, weil 193

Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 240. Schürnbrand, Organschaft, S. 302; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 240. Vgl. allgemein zu diesem Argument auch Kapitel 3 B. I. 2. c). 195 Für eine sehr eingeschränkte Anwendung etwa noch Michalski/Haas, GmbHG, 1. Auflage 2002, § 43 Rn. 30, unter Verweis auf Stein, Das faktische Organ, die allgemein einen engeren Ansatz verfolgt als die überwiegende Meinung im Schrifttum. Vgl. bereits III. 2. Für die aktienrechtliche Parallelvorschrift äußerst kritisch auch KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43. 196 Vgl. zu dieser Finanzierungsform bereits Fn. 45. 197 Servatius, Covenants, S. 369. 198 Servatius, Covenants, S. 370. 194

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

es im Hinblick auf die vermögensmäßigen Folgen der Einflussnahme keine Rolle spiele, ob auf diese Art eingegriffen werde oder ob lediglich durch gezielte Beeinflussung des Organwalters im Einzelfall Schäden entstünden. Es leuchte daher nicht ein, warum nur erstere Eingriffe eine Haftung nach sich ziehen sollten.199 b) Anwendung auf Gesellschafter Zum Verständnis der Diskussion um die Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG auf Gesellschafter, die Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, sind zunächst einige Ausführungen zur Struktur dieser Vorschrift notwendig. Im Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 ist anerkannt, dass eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers ausscheidet, wenn er auf Weisung der Gesellschafter handelt, oder diese zumindest vorab ihr Einverständnis mit der Maßnahme zum Ausdruck bringen.200 Die Weisung oder Billigung kann entweder durch einen förmlichen Gesellschafterbeschluss erfolgen oder durch die formlose Zustimmung aller Gesellschafter.201 Ihre Grenze findet dieser Haftungsausschluss allerdings dort, wo die Weisung oder Billigung zu einem Verstoß gegen gläubigerschützende Zahlungsverbote und Geschäftsleiterpflichten führt, die der Disposition der Gesellschafter entzogen sind.202 Die Tatsache, dass Gesellschafterweisungen eine Pflichtverletzung und damit eine Haftung des Geschäftsführers ausschließen können, hat zunächst Konsequenzen für den Fall, dass ein oder mehrere Gesellschafter sich ordnungsgemäß zum Geschäftsführer bestellen lassen. So haftet der Alleingesellschafter-Geschäftsführer in den Grenzen von § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG überhaupt nicht, weil dieser praktisch seine eigenen Weisungen ausführt.203 Gleiches gilt, wenn alle Gesellschafter einer mehrgliedrigen GmbH an einer Geschäftsführungsmaßnahme mitwirken.204 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich für die drei denkbaren Konstellationen faktischer Einflussnahme des oder der Gesellschafter205 folgendes: Nimmt ein Gesellschafter Geschäftsführungsmaßnahmen im entsprechenden Umfang eigenhändig war und tritt dabei nach außen wie innen anstelle des bestellten 199

Servatius, Covenants, S. 361, 371. Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 61 m.w.N. zur Rechtsprechung. Ebenso möglich ist in den Grenzen von § 43 Abs. 3 GmbHG die Abdingbarkeit der Haftung, ein Verzicht hierauf sowie die nachträgliche Entlastung, die allerdings nur Präklusionswirkung hat, vgl. Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 77 f. (Einzelheiten strittig). 201 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 274. 202 Unmittelbar gilt dies nach § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG nur für Verstöße gegen § 30 und § 33 GmbHG. Die Vorschrift wird von der herrschenden Meinung aber auch analog auf bestimmte andere gläubigerschützende Pflichten angewandt, vgl. Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 63. Siehe ausführlich hierzu auch Kapitel 5 B. I. 203 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3. 204 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 276. 205 Hierbei handelt es sich freilich um eine Generalisierung in Bezug auf die im vorliegenden Kontext relevanten Unterschiede des jeweiligen Verhaltens. 200

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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Geschäftsführers auf, heißt dies im Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 GmbHG: Der faktische Alleingesellschafter-Geschäftsführer haftet in den Grenzen des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG gar nicht, da die Haftung des faktischen Geschäftsführers nicht über die des bestellten Geschäftsführers hinausgehen kann.206 Andere faktische Gesellschafter-Geschäftsführer in Mehrpersonen-GmbHs haften nur dann auch im disponiblen Bereich von § 43 Abs. 2, wenn die Maßnahme ohne eine auf einem Gesellschafterbeschluss oder einer Billigung aller Gesellschafter beruhende Weisung stattfand.207 Auch wenn es an einer solchen Weisung fehlt, wird allerdings in Zweifel gezogen, ob es einer Anwendung des § 43 Abs. 2 überhaupt bedürfe, um ausreichenden Schutz zu gewährleisten, oder ob nicht auch eine Haftung wegen Treuepflichtverletzung genügen würde.208 Für die Anwendung von § 43 Abs. 2 unabhängig von der Existenz der Treuepflicht wird hingegen angeführt, dass eine Treuepflichtverletzung nach ganz überwiegender Ansicht für den Bereich der Geschäftsführung nicht wegen bloßen Untätigbleibens begründet werden könne. Eine Pflicht zum Tätigwerden sei aber in den Fällen, in denen der Gesellschafter wie der ordentlich bestellte Gesellschafter selbst die Geschicke der Gesellschaft in die Hand nehme zum Schutze der Gesellschaft durchaus sinnvoll, etwa wenn allein dem faktischen Geschäftsführer sich der GmbH bietende Geschäftschancen bekannt seien.209 Ebenfalls denkbar ist, dass ein Gesellschafter in einer mehrgliedrigen GmbH an der Gesellschaftsversammlung vorbei Weisungen an die bestellte Geschäftsführung erteilt. Haben die Weisungen des Gesellschafters einen entsprechenden Umfang (vgl. bereits oben II. 5.) erreicht, so wird die Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG auf den anweisenden Gesellschafter vielfach vertreten210, wobei freilich anders als in der Rechtsprechung auf ein Auftreten im Außenverhältnis als notwendiges Merkmal faktischer Geschäftsführung verzichtet wird.211 Für solche Fallkonstellationen wird allerdings auch von anderen Autoren noch stärker als in der erstgenannten Fallkonstellation bezweifelt, ob es einer Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG überhaupt bedürfe, weil es hier lediglich um die Pflicht gehe, Einflussnahme zu unterlassen.212 Diese Pflicht lasse sich wiederum dogmatisch schlüssig auch aus der Treuepflicht des Gesellschafters herleiten, wobei sich hinsichtlich der Haftungsmodalitäten bei einer 206

Haas, NZI 2006, 494, 499; Schürnbrand, Organschaft, S. 318, 321; Strohn, DB 2011, 158, 165; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345. 207 Schürnbrand, Organschaft, S. 321. 208 Haas, NZI 2006, 494, 499. 209 Schürnbrand, Organschaft, S. 314, 319 f., der freilich anerkennt, dass damit der faktische Geschäftsleiter (egal ob Gesellschafter oder nicht) zu weiterer an sich unerwünschter Einflussnahme angeregt wird. Siehe hierzu Kapitel 3 C. III. 2. 210 Strohn, DB 2011, 158, 161; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Sorge, Haftung, S. 148. 211 Strohn, DB 2011, 158, 161; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342; Sorge, Haftung, S. 113. 212 Schürnbrand, Organschaft, S. 320 f.; zweifelnd an der Notwendigkeit der Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG auch Haas, NZI 2006, 494, 499; ähnlich auch bereits Mertens, FS R. Fischer, 1979, S. 461, 464.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

Pflichtverletzung keine wesentlichen Unterschiede zu einer Lösung über die Geschäftsführerhaftung ergeben würden.213 Schließlich ist es auch möglich, dass die Gesellschaftergesamtheit durch lückenlose Weisungen bzw. satzungsmäßige Umorganisation, die bestellten Geschäftsführer zum bloßen Exekutivorgan macht, dem keine eigene Geschäftsführungskompetenz mehr zukommt. Im Unterschied zur zweiten Fallkonstellation werden hier prima facie nur Kompetenzen ausgeübt, die den Gesellschaftern zustehen, nämlich das Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG bzw. die Satzungsautonomie. Dennoch wird in solchen Situationen vertreten, dass Gesellschafter als faktische Geschäftsführer in den Anwendungsbereich einzelner Geschäftsleiterpflichten und einer gegebenenfalls drohenden Haftung einbezogen werden könnten. Dies betrifft in erster Linie zwar die zwingenden Pflichten wie die Insolvenzantragspflicht, deren Erfüllung nicht zur Disposition der Gesellschafter steht.214 Aber auch in Bezug auf die hier interessierende allgemeine Sorgfaltshaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG wird eine Anwendung auf die beschriebenen Sachverhalte für sinnvoll erachtet.215 Hauptargument ist dabei zunächst, dass der Sinn und Zweck der Trennung zwischen Geschäftsleitern und Gesellschaftern dem Weisungsrecht der Gesellschafter eine Grenze setze, weil andernfalls die Gesellschafter durch Weisungen die Geschäftsleitung vollständig übernehmen und sich gleichzeitig hinter dem Trennungsprinzip verschanzen könnten, um so einer Verantwortlichkeit zu entgehen.216 Nähme man dies hin, würden ferner Zufallsergebnisse drohen, die unter Schutzzweckgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen seien.217 Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass bei der Figur des faktischen Geschäftsleiters die Herrschaftsfunktion im Vordergrund stünde218, sei es schließlich auch nur konsequent auf den Träger dieser Funktion für eine Haftung abzustellen.219

213 Schürnbrand, Organschaft, S. 318 f.; für eine Anknüpfung an die Treuepflicht auch Haas, NZI 2006, 494, 499. 214 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 239 f., für die Insolvenzantragspflicht; anders ders., wohl aber im Ergebnis für § 43 Abs. 2 GmbHG, siehe Konzernunternehmen, S. 342. 215 Sorge, Haftung, S. 115 ff.; ebenso wohl Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112; Sorges Ausführungen sind allerdings m. E. insoweit widersprüchlich, als er einerseits den faktischen Alleingesellschafter-Geschäftsführer von einer Haftung im dispositiven Bereich freistellen will (vgl. Sorge, Haftung, S. 148), zugleich aber eine Haftung der Gesellschafter für lückenlose Weisung annimmt. 216 Sorge, Haftung, S. 115, unter Verweis auf Ehricke, Konzernunternehmen, S. 239 f., der dies im Kontext der Insolvenzantragspflicht äußert. Vgl. auch bereits oben B. II. 1. 217 Sorge, Haftung, S. 116. 218 So bereits Roth, ZGR 1989, 421, 433. 219 Sorge, Haftung, S. 117.

B. Der faktische Geschäftsführer in der Literatur

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Dieser Standpunkt wird allerdings auch verbreitet abgelehnt, weil die dieser Frage vorausgehende Grundannahme, es gebe einen Mindestbereich eigenverantwortlicher Geschäftsführung, für falsch befunden wird.220 Zunächst gebe es für die Annahme eines solchen Mindestbereichs keinen Anhaltspunkt im Gesetz.221 Zudem würden sich zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme erhebliche Abgrenzungsprobleme stellen.222 Schließlich seien im hier allein interessierenden dispositiven Bereich der Geschäftsleiterpflichten auch keine schutzwürdigen Drittinteressen ersichtlich, so dass kein Grund für eine Begrenzung der Einflussnahme bestehe.223 Werde aber das Verhalten der Gesellschafter damit als rechtlich zulässig eingeordnet, so scheide eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG zwingend aus.224 Mit den Überlegungen zu einer Haftung der Gesellschafter wegen faktischer Geschäftsführung im Bereich an sich zulässiger Kompetenzausübung ist der Bogen zu anderen Ansätzen geschlagen, die versuchen, Gesellschafter über verschiedene dogmatische Konstruktionen generell in die Verantwortung für (zulässige) Einflussnahme auf die Geschäftsleitung zu nehmen.225 Diese Diskussion geht allerdings über die Problematik faktischer Geschäftsführung weit hinaus und soll daher hier nicht weiter vertieft werden.226. 3. § 64 GmbHG Die Anwendung von § 64 S. 1 GmbHG227 auf faktische Geschäftsführer wird in der Literatur – soweit ersichtlich – als unproblematisch angesehen, sofern das Rechtsinstitut der faktischen Geschäftsführung nicht völlig abgelehnt wird.228 Die Anwendung sei unter Schutzzweckgesichtspunkten notwendig229, wobei allerdings 220 Schürnbrand, Organschaft, S. 317; Strohn, DB 2011, 158, 161 f.; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345. 221 U/H/L/Paefgen, § 37 Rn. 28. 222 Ibid. 223 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 46. 224 Siehe die Nachweise bei Fn. 220. Gleiches gilt in diesen Fällen für die Anwendbarkeit von § 15a InsO und § 64 GmbHG. 225 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, passim; Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, passim; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, passim. 226 Auch die Kritik von Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 277 f., an der Lehre vom faktischen Geschäftsführer im Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 GmbHG ist in diesem Zusammenhang zu sehen und bedarf – zumindest an dieser Stelle – daher keiner Vertiefung. Siehe allerdings Kapitel 5 B. II. 227 Die Ausführungen sind auf § 64 S. 3 GmbHG übertragbar, vgl. statt aller Sorge, Haftung, S. 199 f., 203 f. 228 Dazu sogleich Kapitel 3 B. I. 229 Sorge, Haftung, S. 203; für eine Anwendung auch Strohn, DB 2011, 158, 166; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 16; MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 142; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64 Rn. 6; Bork/Schäfer/Bork, § 64 Rn. 5; U/H/L/Casper, § 64 Rn. 81; Scholz/ K. Schmidt, § 64 Rn. 57.

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Kap. 2: Herkömmliche Lösungsansätze

die Voraussetzungen, wann eine faktische Geschäftsführerstellung vorliegt unterschiedlich beurteilt werden (vgl. bereits oben II. und III.). Im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Zahlungen des faktischen Geschäftsführers wird argumentiert, dass diese regelmäßig aufgrund der (konkludenten) Genehmigung der formellen Mitgeschäftsleiter i.S.d. § 177 Abs. 1 BGB oder durch Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht gegeben sei.230

C. Fazit Der Überblick über die zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur zum faktischen Geschäftsführer zeigt ein kaleidoskopartiges Bild. Kaum eine Sachfrage ist unstreitig und auch im Hinblick auf die an sich als gefestigt geltende methodische Grundlage des Normanwendungsmodells lassen sich bei näherem Hinsehen einige Unterschiede ausmachen (vgl. I. 2.). Zwar mag man anerkennen, dass zumindest die Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer einigermaßen gefestigt ist. Angesichts der vielfältigen, teils berechtigen Kritik aus der Literatur und angesichts der bestehenden Unsicherheiten in der Praxis231, ist damit aber noch nicht viel gewonnen. Zusammenfassend finden sich damit nur zwei sehr grundlegende Aussagen, die in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend geteilt werden.232 Zum einen ist heute weitestgehend anerkannt, dass in bestimmten Situationen ein besonderes Pflichten- und Haftungsregime für Personen notwendig ist, die Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein. Zum anderen wird als Anknüpfungspunkt für dieses Regime nahezu einvernehmlich die entsprechende Anwendung einzelner Geschäftsführerpflichten und damit korrespondierender Haftungstatbestände befürwortet. Die Überzeugungskraft beider Annahmen gilt es im folgenden Kapitel zu untersuchen.

230

Sorge, Haftung, S. 203. Hierauf verweisen etwa KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43; zu Unsicherheiten in der Praxis siehe auch Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355. 232 Zu den wenigen abweichenden Stimmen sogleich Kapitel 3 B. I. 231

Kapitel 3

Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells A. Anknüpfungspunkt für die Untersuchung und Kritik Eine kritische Untersuchung der Übertragung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen erfordert zunächst, sich der dem Normanwendungsmodell zu Grunde liegenden Methodik der Analogie und der teleologischen Extension zu versichern.

I. Analogie und teleologische Extension Die Geschäftsleiterpflichten werden methodisch im Wege der Analogie1 oder im Wege der teleologischen Extension praeter verba legis2 angewendet. Beiden Fällen ist gemein, dass eine Regelung auf einen Sachverhalt erstreckt wird, den sie ihrem möglichen Wortsinn nach nicht umfasst, um dadurch den Zweck der gesetzlichen Regelung zu verwirklichen und einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch zu vermeiden.3 Notwendig ist in beiden Fällen zunächst die Feststellung einer 1 Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 10; Henssler/Strohn/Oetker, § 43 GmbHG Rn. 9; wohl auch Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 28; Haas, NZI 2006, 494; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43; Gehrlein, Der Konzern 2007, 1, 13; ebenso bereits Reich, DB 1967, 1663, 1666; für eine Analogie wohl auch Strohn, DB 2011, 158, 165; unentschlossen Schürnbrand, Organschaft, S. 299. 2 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340; Böge, GmbHR 2014, 1121, 1125; ebenso bereits Blaurock, FS Stimpel, 1985, S. 553, 563; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117. Der Begriff der teleologischen Extension stammt von Canaris, Lücken, S. 89 f. Dieser ordnet das Vorgehen ausdrücklich nicht mehr als Auslegung, sondern als Rechtsfortbildung ein. Diese Einordnung findet sich im rechtsmethodischen Schrifttum u. a. auch bei Larenz, Methodenlehre, S. 397; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 904, wobei teilweise die Unterscheidung zur Analogie für entbehrlich gehalten wird, vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 475. Anders Sorge, Haftung, S. 42, der die teleologische Extension bei der Auslegung einordnet. Stein, Das faktische Organ, S. 186, verneint eine analoge Anwendung und spricht von Auslegung, beschreibt aber sodann nichts anderes als eine teleologische Extension, wenn sie zwischen „formellen“ und „materiellen Normadressaten“ unterscheidet. 3 Larenz, Methodenlehre, S. 398 f.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

Lücke im Gesetz, wobei die Lückenfindung bei der sog. „teleologischen Lücke“4 nach denselben Kriterien wie die Lückenausfüllung (durch Analogie oder teleologische Extension) erfolgt5 bzw. mit ihr identisch ist.6 Die Lückenfeststellung ist stets ein wertender Akt.7 Will man das Normanwendungsmodell einer kritischen Untersuchung unterziehen, so liegt es nahe, genau an diesem wertenden Akt anzusetzen und zu überprüfen, ob die Vergleichbarkeit der Fälle wirklich gegeben ist bzw. eine Erstreckung der jeweiligen Norm auf nicht bestellte Personen wirklich sinnvoll ist, um dem Normzweck volle Geltung zu verschaffen. Geht man, was sehr zweifelhaft ist, davon aus, dass die Anwendbarkeit der Normen sich bereits durch eine teleologische Auslegung begründen lässt8, so kann das für die Lückenfeststellung gefundene Ergebnis auch auf die Auslegungslösung übertragen werden, da insofern dieselben am Normzweck orientierten Erwägungen maßgeblich sind.9 Nun ist allerdings die Überprüfung der Lückenfindung und -ausfüllung im Wege der Analogie oder teleologischen Extension jedenfalls dann obsolet, wenn das Bestehen einer Lücke bereits feststeht. Dies könnte man zumindest auf den ersten Blick in den Fällen annehmen, in denen der Gesetzgeber die betreffende Frage bewusst der Rechtsprechung und Wissenschaft zur Lösung überlassen wollte. Dafür wiederum, dass der Gesetzgeber dies im vorliegenden Fall (nachträglich) getan hat, ließe sich folgende Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zum MoMiG anführen: „Durch die hier vorgesehene Regelung (§ 15a Abs. 3 InsO, d. Verf.) zu der Fallgruppe der führungslosen Gesellschaft werden die Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer und die weitere Rechtsentwicklung hierzu nicht berührt.“10 Doch auch wenn man diese Formulierung als Regelungsauftrag versteht, heißt dies nicht, dass die Lückenfeststellung (und -ausfüllung) mit den Mitteln der Analogie und teleologischen Extension entbehrlich würde.11 Dies ergibt sich daraus, dass sich 4

Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 474. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 474. 6 Canaris, Lücken, S. 148; Larenz, Methodenlehre, S. 401. 7 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 834; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 635; Pawlowski, Methodenlehre, S. 475, Larenz, Methodenlehre, S. 375. 8 So etwa Ehricke, Konzernunternehmen, S. 231; Sorge, Haftung, S. 169 ff.; für § 64 GmbHG a.F. Hartmann, Insolvenzantragspflicht, S. 109; wohl ebenso K. Schmidt, FS Rebmann, 1989, S. 418, 434; für § 15a Abs. 1 InsO und § 43 Abs. 1 GmbHG auch Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 202, 213. 9 Zum damit angesprochenen Grundproblem der Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung durch das Kriterium des möglichen Wortsinns, vgl. Canaris, Lücken, S. 19 ff., 23; kritisch zu diesem Kriterium MüKo-BGB/Säcker, Einl. Rn. 119, 138. Viele Autoren äußern sich nicht deutlich, ob sie die Einzelnormanwendung im Wege der Rechtsfortbildung oder im Wege der Auslegung erzielen wollen, vgl. bspw. Schürnbrand, Organschaft, S. 299; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400 f.; Roth, ZGR 1989, 421, 432 f. 10 BT-Drucks. 16/6140 S. 56 (Herv. d. Verf.). Zur Frage inwieweit die Regierungsbegründung sich überhaupt als Anhaltspunkt für den Willen des Gesetzgebers eignet Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 15. 11 Hierauf hinweisend Canaris, Lücken, S. 134 f. Der Begriff der „bewussten Lücke“ ist insofern missverständlich. 5

A. Anknüpfungspunkt für die Untersuchung und Kritik

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die für die Lückenfindung (und Ausfüllung) relevanten Wertungsgesichtspunkte12 aus der Aussage, ein Problem müsse gelöst werden bzw. eine Regelung müsse gefunden werden, nicht gewinnen lassen. Aus der zitierten Begründung des Regierungsentwurfs ist zudem auch keine grundsätzliche Billigung der Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen zu erblicken, da sonst ein Verweis auf die weitere Rechtsentwicklung unnötig gewesen wäre.13 Es ist nur allgemeiner abzulesen, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer besonderen Regelung für den faktischen Geschäftsführer anerkannt hat und die Ausgestaltung Rechtsprechung und Schrifttum überlässt. Dies mag zwar im Hinblick auf die Deutlichkeit im Vergleich zu den an anderen Stellen zu findenden Aussagen, die üblicherweise als Beispiele für Regelungsaufträge genannt werden, nur eine abgeschwächte Formulierung sein.14 Im Ergebnis macht dies aber ebenso wenig einen Unterschied, wie die Tatsache, dass hier vom Gesetzgeber erst nachträglich Stellung bezogen wurde. Ebenso wenig lässt sich eine Billigung der Anwendung der einzelnen Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer direkt oder indirekt aus dem mit dem MoMiG neugeschaffenen § 6 Abs. 5 GmbHG und den zu der Vorschrift existierenden Gesetzesmaterialien ablesen.15 Zwar heißt es in den Materialien tatsächlich, die Norm solle verhindern, „dass die Regelungen über den Ausschluss von der Funktion des Geschäftsführers einer GmbH durch die Einschaltung eines Strohmanns umgangen werden“.16 Die Gesellschafter haften daher, „wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Person, die die für eine Geschäftsführerstellung nach Abs. 2 erforderlichen Zuverlässigkeitskriterien nicht erfüllt, zum Geschäftsführer bestellen, nicht abberufen oder ihr faktisch die Führung der Geschäfte überlassen und diese Person die ihr nach § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.“17 Allerdings ist zunächst zu bedenken, dass viele Strohmannkonstellationen, auf die hier verwiesen wird, jedenfalls mangels Außenauftritts zumindest nach Ansicht der Rechtsprechung und einigen Stimmen in der Literatur keine faktische Geschäftsführung darstellen, so dass diese Person gar keine Verantwortlichkeit träfe.18 Ganz allgemein wird die Haftung der Gesellschafter zudem unabhängig davon ge12

Hierzu bereits oben A. I. A.A. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340; Sorge, Haftung, S. 179. Die Äußerung beträfe im Übrigen auch nur die Rechtsprechung zur Insolvenzantragspflicht und nicht die weiteren hier diskutierten Normen. 14 Vgl. etwa Mot. zum BGB II, S. 541. 15 A.A. aber U/H/L/Paefgen, § 6 Rn. 107; Bork/Schäfer/Schäfer, § 6 Rn. 23; Henssler/ Strohn/Oetker, § 6 GmbHG Rn. 62; Sorge, Haftung, S. 208. 16 BR-Drucks. 354/07 S. 10. 17 BR-Drucks. 354/07 S. 10. Die sprachlichen Änderungen der Empfehlung des BR im Rechtsauschuss des BT hatten nur noch eine klarstellende Funktion, vgl. BT-Drucks. 16/9737 S. 55. 18 U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHR 2012, 365, 368; ebenso in Scholz/ U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 6 Rn. 59. 13

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

sehen, ob die Person, der die Führung der Geschäfte überlassen wird, tatsächlich haftet.19 All dies spricht dafür, die Regelung und die Gesetzesmaterialien so zu deuten, dass es für eine Haftung der Gesellschafter nur darauf ankommt, ob „ein wirksam bestellter Geschäftsführer seine Aufgaben verletzt hätte, wenn er an Stelle der inhabilen Person die Aufgaben wahrgenommen hätte“.20 Die Bezugnahme auf die Verletzung von „Obliegenheiten“ in § 6 Abs. 5 GmbHG und der Verweis auf § 43 GmbHG in den Materialien war zwar nötig, damit die Gesellschafter nicht für jeglichen Schaden haften, der sich aus der Tätigkeit der faktisch tätigen Person ergibt, da sich das eigene Verschulden der Gesellschafter nur auf die Überlassung der Geschäftsführung bezieht. Für diesen Zweck genügt aber die beschriebene Frage nach der „fiktiven Haftung“ eines bestellten Geschäftsführers.21 Aussagen über eine tatsächliche Verantwortlichkeit der betreffenden Personen als faktischer Geschäftsführer sollten daher nicht aus der Begründung herausgelesen werden. Ist damit die Überprüfung, ob eine Lücke tatsächlich besteht weiterhin notwendig, so müsste im Weiteren eigentlich bei jeder Norm getrennt angesetzt werden (vgl. bereits Kapitel 2 B. I. 3.). Da allerdings, wie bereits gezeigt, durchaus eine Abstraktion der Argumentation möglich ist, kann auch der wertende Akt zunächst losgelöst von einzelnen Normen vorgenommen werden, wobei freilich auf normspezifische Aspekte eingegangen werden muss. Bevor allerdings hiermit begonnen wird, muss in einem Zwischenschritt geklärt werden, welche Bedeutung dem „Typus“, als weiteres methodisches Konzept, das ebenfalls in die Diskussion zum faktischen Geschäftsführer eingeführt wurde, zukommt.

II. Die Typenlehre von Larenz und Leenen Wie bereits angerissen, wird mit der Feststellung der faktische Geschäftsführer sei ein Typus auf ein Konzept Bezug genommen, dass unter anderem Karl Larenz22, aber vor allem dessen Schüler Detlef Leenen in seiner Dissertation ausgearbeitet haben.23 Der Typus ist nach diesem Konzept vom Begriff im engeren Sinne zu unterscheiden. Letzterer sei in sich geschlossen24 und unter ihn könne nur subsumiert werden, wenn alle in die Definition des Begriffs aufgenommenen Merkmale erfüllt seien.25 Der 19 Es kommt nur auf die Pflichtwidrigkeit und nicht auf die Schuldhaftigkeit der Handlung an, vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 6 Rn. 54, 61; Bork/Schäfer/Schäfer, § 6 Rn. 23. 20 U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHR 2012, 365, 368; ebenso in Scholz/ U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 6 Rn. 59. 21 Freilich haften die Gesellschafter nicht für alle Pflichtverstöße, sondern als weiteres Korrektiv nur für solche, die in einem Zurechnungszusammenhang mit der Inhabilität stehen, vgl. U/H/L/Paefgen, § 6 Rn. 113; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 6 Rn. 23. 22 Larenz, Methodenlehre, S. 461 ff., insbesondere S. 466 f. 23 Leenen, Typus, passim. 24 Leenen, Typus, S. 33. 25 Larenz, Methodenlehre, S. 440.

A. Anknüpfungspunkt für die Untersuchung und Kritik

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Typus hingegen zeichne sich durch seine Offenheit aus26 und eine Erscheinung werde zum Typus allein dann zugeordnet, wenn sie im Wesentlichen die Züge des Typus trage und sich unter dem konstitutiven Wertungsgesichtspunkt des Typus als gleichgelagert erweise.27 Grundsätzlich sei sowohl die Kodifikation von Typen als auch von Begriffen möglich, wobei die Gründe für das eine oder andere Vorgehen des Gesetzgebers vielfältig seien.28 Ob die Abgrenzung zwischen Typus und Begriff im engeren Sinne nach Larenz und Leenen tatsächlich überzeugen kann, ist im rechtsmethodischen und rechtstheoretischen Schrifttum hoch umstritten. So haben insbesondere Koch/Rüßmann und Rüthers/Fischer/Birk der Typuslehre vorgeworfen, dass ihre Ergebnisse vor dem Hintergrund der modernen Definitionslehre unhaltbar seien.29 Die Überzeugungskraft dieser Kritik wäre allerdings Gegenstand einer eigenen rechtstheoretischen Untersuchung und kann daher in dieser gesellschaftsrechtlichen Arbeit nicht näher untersucht werden. Sie mag allerdings als erstes Indiz dafür dienen, dass die Einführung des Typuskonzepts in die Diskussion zum faktischen Geschäftsführer nicht unproblematisch ist. Im spezifischen Kontext des Normanwendungsmodells, das es hier zu untersuchen gilt, stellt sich jenseits rechtstheoretischer Grundlagenstreitigkeiten jedenfalls die Frage, wie sich das Typuskonzept zur Methodik des Analogieschlusses und zur teleologischen Extension verhält, da in der gesellschaftsrechtlichen Literatur auf beide Konzepte zugleich rekurriert wird.30 Diese Frage stellt sich umso mehr, als Leenen selbst darauf hinweist, dass die Unterscheidung zwischen Typus und Begriff i. e.S. sich nicht ohne Weiteres in die traditionelle Methodenlehre, die auf die Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung fixiert sei, einfügen lasse.31 Grundsätzlich kann das Typuskonzept im Zusammenhang mit konkreten Normen, wie hier § 43 GmbHG oder § 15a Abs. 1 InsO in zweierlei Hinsicht relevant werden. Entweder man deutet eine Norm von vornherein so, dass sie einen Typus kodifiziert hat und nicht etwa einen Begriff i. e.S.32, oder man geht davon aus, dass eine Norm zwar einen Begriff enthält, der begrifflichen Fassung des Gesetzes aber ein typologisches Stadium vorangestellt ist, dass sich von der begrifflichen Fassung dadurch 26

Leenen, Typus, S. 34. Leenen, Typus, S. 44. 28 Leenen, Typus, S. 96, 175. 29 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 932; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 76; zustimmend, wenngleich die Praktikabilität der Gegenentwürfe anzweifelnd auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 618. Grundlegende Kritik am Typuskonzept aus rechtstheoretischer Sicht findet sich auch bei Kuhlen, Typuskonzeptionen, S. 99 f.; kritisch aus der Sicht des Steuerrechts m.w.N. Pahlke, DStR-Beih 2011, 66, 67 f. 30 Schürnbrand, Organschaft, S. 299, 308; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340 f.; Sorge, Haftung, S. 97 f. Die Kritik aus dem rechtstheoretischen Schrifttum bleibt bei den Autoren allerdings weitgehend unberücksichtigt. 31 Leenen, Typus, S. 173. 32 Leenen, Typus, S. 175. 27

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

unterscheidet, dass für den Typus allein „sachliche (sog. primäre) Wertungen relevant sind, während im Hinblick auf die zwingend vorliegenden Merkmale des Begriffs sekundäre Wertungen hinzutreten.33 Es liegt auf der Hand, dass für den Fall eines kodifizierten Typus die klassische Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung nicht funktionstüchtig ist.34 Der Typus als offenes Gebilde kennt keine „Grenze des möglichen Wortsinns“.35 Würde man dieses Modell auf den vorliegenden Fall übertragen und davon ausgehen, dass die Formulierung „Geschäftsführer“36 in den betreffenden Normen einen Typus darstellt, so wäre die Frage allein, welche Fälle unter dem primären Wertungsgesichtspunkt von der Norm erfasst sind.37 Ein Verweis auf die Methodik der Analogie und teleologischen Extension wäre daher unnötig und widersprüchlich. Den Terminus „Geschäftsführer“ als kodifizierten Typus zu deuten, kann allerdings nicht überzeugen. Nach Leenen wird der Begriff durch den Nachweis sekundärer Wertungen identifiziert, die dazu dienten aus den Zügen eines Typus eines oder mehrere Merkmale auszuwählen unter die eindeutig subsumiert werden könne.38 Hierfür eigneten sich insbesondere „leicht ersichtliche äußere Kriterien.“39 Es liegt nahe die Bestellung als ein solches Merkmal zu qualifizierten, dass im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit den sekundären Zwecken der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit40 dient, in dem bestimmte Pflichten und Rechte klar und einfach einer Person zuordnet werden. Im Regelfall ist die bestellte Person auch tatsächlich als Geschäftsführer tätig, aber auch der „Zölibatsgeschäftsführer“ bleibt beispielsweise aufgrund seiner Bestellung Adressat der zwingenden Geschäftsführerpflichten.41 Damit wäre im vorliegenden Fall in Anwendung von Leenens Modell davon auszugehen, dass die hier interessierenden Normen zwar den Begriff des „bestellten Geschäftsführers“ kodifiziert haben, ihnen aber möglicherweise ein Typus des „faktischen Geschäftsführers“ zu Grunde liegt, dessen typusbildender, primärer Wertungsgesichtspunkt sich als die gesteigerte (organspezifische) Gefahr für Gesellschafter und Gläubiger durch die Einflussnahme der faktisch tätigen Person auf

33 Leenen, Typus, S. 109 f., 175. So ist es möglich, dass eine sprachliche Formulierung sowohl einen Begriff i. e.S. als auch einen Typus bezeichnet, vgl. Leenen, Typus, S. 57. 34 Leenen, Typus, S. 173. 35 Leenen, Typus, S. 173. 36 Im Falle von § 15a InsO „Mitglieder des Vertretungsorgans“. 37 Insofern könnte unter Umständen auch der atypische Fall des nicht bestellten Geschäftsführers direkt von der Norm erfasst sein, vgl. allgemein Leenen, Typus, S. 177. 38 Leenen, Typus, S. 101, 176. 39 Leenen, Typus, S. 101. 40 Leenen, Typus, S. 101, 176. Es ließe sich auch überlegen, der Anknüpfung an die Bestellung eine Ordnungsfunktion zuzuschreiben, da die Notwendigkeit der Bestellung und die mit ihr verbundenen Bestellungsverbote auch dazu dienen, bestimmte Personen von der Geschäftsführung einer Gesellschaft fernzuhalten; vgl. allgemein hierzu Leenen, Typus, S. 104 f. 41 Zum Zölibatsgeschäftsführer Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 39.

A. Anknüpfungspunkt für die Untersuchung und Kritik

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die Geschäftsführung42 beschreiben ließe.43 In einer solchen Konstellation könne im Rahmen der „teleologischen Methode“ der „Typus der Sinnermittlung von Begriffen dienen“.44 Auf diese Weise ließe sich möglicherweise für die hier interessierenden Normen der zu enge Begriff des (bestellten) Geschäftsführers unter Rückgriff auf den zugrundeliegenden Typus korrigieren.45 Im Hinblick auf den jeweiligen Ablauf der Sinnermittlung bleibt Leenen freilich vage und spricht lediglich davon, dass „die Ausschöpfung des teleologisches Gehalts eines Begriffs die Berücksichtigung des Zusammenspiels der (primären und sekundären, der Verf.) Wertungen sowie schließlich eine Wertung des Rangverhältnisses der Wertungen zueinander“ verlange.46 Konkret handhabbare Vorgaben lassen sich daraus nicht gewinnen, so dass die genaue Funktionsweise der Beziehung von Typus und Begriff innerhalb des Konzepts der Analogie oder der teleologischen Extension ungeklärt bleibt. Dies gilt nicht nur für das rechtstheoretische Schrifttum, sondern vor allem im Hinblick auf die Verwendung der Begrifflichkeiten im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum zum faktischen Geschäftsführer. Schon deshalb sollte darauf verzichtet werden, auf den Typus als Konzept für die Erweiterung des Anwendungsbereichs einzelner Geschäftsführerpflichten zurückzugreifen. Die klassische Methodenlehre als alleiniger Anknüpfungspunkt scheint stattdessen als „ausgetretener Pfad“ der sicherere Weg.47 Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die Qualifikation des faktischen Geschäftsführers als Typus im vorliegenden Kontext überhaupt einen eigenständigen Erkenntnisgewinn zu Tage fördert. Bydlinski wirft der Typuslehre für den Fall eines kodifizierten Typus vor, dass der Wertungsgesichtspunkt, der den Typus prägen soll, nichts anderes als die ratio legis sei, so dass im Ergebnis kein sachlicher Unterschied zwischen Typuszuordnung und teleologischer Auslegung von präzisierungsbedürftigen Begriffen oder ihrer analogen Anwendung bestehe.48 Nach Leenen selbst besteht der Unterschied zwischen Typus und deutungsbedürftigem Begriff darin, dass für den Typus der Wertungsgesichtspunkt konstitutiv sei, während der teleologisch gebildete Begriff auch ohne die ihm zugrunde liegende Wertung allein aufgrund des Vorliegens seiner Begriffsmerkmale anwendbar sei.49 Ob Bydlinskis Kritik für den Fall des kodifizierten Typus zutrifft, braucht mangels Relevanz hier nicht entschieden werden. Für den vorliegenden Fall, in dem tatsächlich ein Begriff kodifiziert 42

Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342. Genau genommen verbirgt sich bei einer solchen Lesart hinter der Formulierung „Geschäftsführer“ sowohl ein Begriff als auch ein Typus, vgl. die Nachweise in Fn. 33. Um beides besser auseinanderhalten zu können, bietet es sich allerdings in der Tat an, die Formulierungen vom bestellten und vom faktischen Geschäftsführer zu verwenden. 44 Leenen, Typus, S. 175. Teleologische Rechtsfindung umfasst die Verfahren der Auslegung wie Analogie gleichermaßen, vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 547. 45 Vor einer leichtfertigen Korrektur warnt Leenen freilich, siehe Typus, S. 101 f., 192. 46 Leenen, Typus, S. 192. 47 Ähnlich Kern, Typizität, S. 32. 48 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 547; ähnlich Pahlke, DStR-Beih 2011, 66, 68. 49 Leenen, Typus, S. 44 f. 43

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

wurde und es nur um die Frage geht, inwieweit ein zugrundeliegender Typus auf die Auslegung oder erweiternde Anwendung des Begriffs Einfluss hat, spielt der von Leenen angeführte konstitutive Unterschied jedenfalls keinerlei Rolle. Da es sich beim Geschäftsführer um einen Begriff i. e.S. handelt, stellt die primäre Wertung eines zugrundliegenden Typus für diesen Begriff jedenfalls kein konstitutives Element dar, sondern tatsächlich nichts anderes als einen Aspekt der ratio legis.50 Macht man sich bei den Überlegungen zur analogen Anwendung und zur teleologischen Extension auf Grundlage der ratio legis deutlich, dass diese sich in der Regel aus verschiedenen Aspekten zusammensetzt und berücksichtigt man zudem, dass sachliche Wertungen immer eine gewissen Unschärfe aufweisen, so dass die Ablehnung zwingender Merkmale jenseits einer formelhaften Umschreibung der faktischen Geschäftsführerstellung durchaus naheliegt, so erweist sich der Typus letztlich im vorliegenden Kontext als überflüssiger Argumentationstopos. Steht dies fest, kann im weiteren Verlauf der Arbeit entsprechend der unter I. dargestellten Vorgehensweise kritisch analysiert werden, inwieweit einzelnen Geschäftsführerpflichten auf Fälle faktischer Tätigkeit, die vom Wortsinn der jeweiligen Norm nicht umfasst sind, dennoch im Wege der Analogie oder teleologischen Extension angewendet werden müssen, um den Zweck der gesetzlichen Regelung zu verwirklichen und einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch zu vermeiden.

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur Erster Anknüpfungspunkt einer kritischen Analyse des dem Normanwendungsmodell zugrundeliegenden wertenden Akts kann es nur sein, zunächst nach entsprechender Kritik am Modell im Schrifttum zu suchen, diese auf ihre Überzeugungskraft zu überprüfen und gegebenenfalls fruchtbar zu machen. Blickt man auf die Vielzahl der Veröffentlichungen zum faktischen Geschäftsführer, so finden sich in der Tat auch einige wenige Stimmen in der Literatur, die eine ausfüllungsbedürftige Lücke als Voraussetzung für die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen entweder gänzlich ablehnen, oder aber die bestehende Lücke wesentlich enger bestimmen als dies die herrschende Meinung und die Rechtsprechung tun.

50 Allgemein zur Rolle der primären Wertung bei der teleologischen Begriffsbildung Leenen, Typus, S. 109 f.

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur

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I. Die Kritik von Stein und Dinkhoff Grundsätzlich ablehnend gegenüber der Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf die verschiedenen Fallkonstellationen faktischer Geschäftsführung hat sich im Schrifttum vor allem Dinkhoff51 geäußert. Darüber hinaus hat sich aber auch Stein52, wie bereits dargelegt, gegen die Argumentationsfigur des „faktischen Organs“ ausgesprochen, die die Übertragung von bestimmten Geschäftsleiterpflichten auf Personen allein wegen deren faktischer Tätigkeit im Aufgabenkreis der Organe rechtfertigen soll. Stein wendet sich damit auch gegen die in Kapitel 2 B. I. 2. beschriebene Perspektive, die faktisch tätige Person und nicht das bestellte Organ in den Blick zu nehmen.53 Diese Perspektive sei kein geeigneter Maßstab und würde über das Ziel hinausschießen, weil in vielen der so erfassten Fälle gar keine Haftungslücken bestünden, die eine Übertragung notwendig machen würden.54 Die Notwendigkeit der Einzelnormanwendung bestehe stattdessen nur in besonderen Konstellationen55, auf die sogleich noch einmal näher einzugehen sein wird. 1. Zentrale Argumente der Kritik Sowohl Stein als auch Dinkhoff führen für ihre These, mangels Lücke sei die Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf Personen, die ohne als Geschäftsführer bestellt zu sein, faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, nicht notwendig bzw. nur in begrenzten Fällen geboten, unter anderem zwei zentrale Argumente an. Zum einen erzeuge in vielen Fällen eine Haftung der bestehenden bestellten Organe und Gesellschafter einen ausreichenden Schutz für die betroffenen Interessengruppen. Zum anderen lasse sich, insbesondere dann, wenn eine Inanspruchnahme der bestellten Organe ausscheide, eine Haftung der faktisch tätigen Person häufig auch

51 Faktischer Geschäftsführer, passim. Mit anderer Argumentation ablehnend auch Hüffer, AktG, 10. Auflage 2012, § 93 Rn. 12; Nadwornik, De facto und shadow directors, S. 124 ff. 52 Das faktische Organ, passim; ihr folgend KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 43; Drygala, ZIP 2005, 423, 431; Pelz, RNotZ 2003, 415, 418. 53 Stein, Das faktische Organ, S. 183 f.; dies., ZHR 148 (1984) 207, 234. Steins Kritik ist allerdings auch vor dem Hintergrund der damals noch nicht soweit fortgeschrittenen Durchdringung der gesamten Thematik zu sehen und heute daher nur noch abgeschwächt zutreffend. So wurde damals im Hinblick auf die Rechtsfolgen häufig nicht zwischen fehlerhaftem und faktischem Organ unterschieden. Ebenso war das Normanwendungsmodell (vgl. Kapitel 2 B. I. 1.) noch nicht in die Diskussion eingeführt, sondern es wurde häufig mit einem allgemeinen Rechtsinstitut argumentiert, obwohl sich in Wahrheit Einzelnormerwägungen hinter der Argumentation verbergen (vgl. zur Kritik hieran Stein, Das faktische Organ, S. 30). Auch die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise (vgl. Kapitel 2 B. III. 1.) war damals noch nicht in die Diskussion eingeführt. 54 Stein, Das faktische Organ, S. 183. Mit dieser Grundannahme und der These von der Organverdrängung steht Stein auch heute noch konträr zur herrschenden Meinung (vgl. sogleich B. I. 2. und III.). 55 Vgl. auch bereits Kapitel 2 B. III. 2.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

über Normen des allgemeinen Zivilrechts konstruieren und so Schutz gewährleisten.56 Zum ersten Argument wird ausgeführt, dass jedenfalls dann, wenn ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer vorhanden sei, ein Haftungsadressat existiere, der zugleich in der Lage sei auch einen wirksamen Primärschutz durch Erfüllung der mit der Haftung korrespondierenden Pflicht zu gewährleisten.57 Nach Stein scheidet nur im Fall des Strohmanngeschäftsführers58 und in eng begrenzten Konstellationen bei illegalen Weisungen59 und illegalen Eingriffen60 durch Personen, die in der Gesellschaft eine Machtstellung einnehmen, die Haftung des bestellten Organs aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen aus, so dass je nach Sachlage bestimmte Geschäftsleiterpflichten auf den Hintermann des Strohmanns bzw. den illegal Weisenden oder Eingreifenden zur Anwendung zu bringen seien, um bestehende Lücken zu schließen. Tatsächliche Gründe für einen Wegfall der Haftung des bestellten Organs betreffen dabei, wie bereits erwähnt, vor allem Probleme bei der Durchsetzbarkeit bestehender Ansprüche etwa wegen der Insolvenz des Geschäftsführers.61 Dinkhoff verweist hingegen auch für die Strohmannkonstellationen allein auf die Haftung des bestellten Geschäftsführers, wobei Probleme bei der Durchsetzung der Ansprüche hinzunehmen seien.62 Auch für den Fall, dass ein bestellter Geschäftsführer gänzlich fehlt, lehnt Dinkhoff die Übertragung von Geschäftsleiterpflichten ab und will stattdessen auf die Haftung der Gesellschafter, insbesondere auf die Haftung wegen Treuepflichtverletzung, rekurrieren.63 Stein hingegen bringt auch für die Fälle der Führungslosigkeit einzelne Organpflichten zur Anwendung, wobei die für die Führungslosigkeit verantwortlichen Gesellschafter Adressat der Pflichten sein sollen. Mangels Existenz des eigentlichen Verantwortungsträgers versage nämlich auch hier andernfalls der Primär- und Sekundärschutz der betreffenden Normen.64 Die Ansprüche gegen die Gesellschafter wegen Treuepflichtverletzungen genügten hingegen nicht, weil sie in der Praxis kaum durchsetzbar seien und zudem eine Einhaltung der Organpflichten so auch nicht erzwungen werden könne.65 56 Dies ergibt sich, wie Ziemons bereits treffend festgestellt hat, bei Stein aus dem Gesamtkonzept der Arbeit, vgl. Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 71; beispielhaft: Stein, Das faktische Organ, S. 170 f.; ebenso Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 183. 57 Stein, Das faktische Organ, S. 149, 155, 183; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 88. Die ebenfalls erwähnte Möglichkeit der Haftung des Aufsichtsrats ist in der GmbH jedenfalls nicht die Regel. 58 Stein, Das faktische Organ, S. 153, 186. 59 Stein, Das faktische Organ, S. 172 f., 187. 60 Stein, Das faktische Organ, S. 179, 190. 61 Stein, Das faktische Organ, S. 172, 184. 62 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 47 f., 61. 63 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 65 ff., 87. 64 Stein, Das faktische Organ, S. 150 f., 191. 65 Stein, Das faktische Organ, S. 150.

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur

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Stein und Dinkhoff lehnen ein besonderes Verantwortlichkeitsregime in den meisten bzw. in allen Fällen, die typischerweise unter dem Stichwort der faktischen Geschäftsführung diskutiert werden, allerdings nicht allein deshalb ab, weil andere Personen statt der faktisch tätigen Person einer Haftung unterliegen, sondern ziehen hierfür, wie eingangs angesprochen, ein zweites Argument hinzu.66 In vielen Fällen faktischer Einflussnahme lasse sich eine Haftung der faktisch tätigen Person auch über die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts konstruieren und dadurch weiterer Gesellschafter- und Gläubigerschutz gewährleisten. Auch deshalb bestehe in vielen Fällen keine Schutzlücke. So wird zunächst auf die Möglichkeit der Haftung aus einer zwischen der Gesellschaft und der fraglichen Person bestehenden Sonderverbindung hingewiesen, namentlich eine schuldvertragliche Bindung67 oder die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.68 Eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB könne sich zudem unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeitsübernahme ergeben.69 Darüber hinaus sei es in vielen Fällen, insbesondere bei illegalen Weisungen, möglich, eine Anstifter- oder Gehilfenhaftung über § 830 Abs. 2 BGB zu konstruieren.70 Zum Schutze Dritter komme auch eine Haftung unter Rechtsscheinsgesichtspunkten in Betracht.71 Schließlich könne auch je nach Fallgestaltung § 826 BGB zur Anwendung kommen.72 Zusammenfassend beurteilen sowohl Dinkhoff als auch Stein damit das Schutzbedürfnis für Gesellschafter und Gläubiger, das in der Regel als Grund für die Notwendigkeit einer Erstreckung von Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen angeführt wird, gänzlich anders als die weit überwiegende Ansicht in der Literatur und die Rechtsprechung. Nur die wenigen bestehenden Haftungslücken, wenn der Geschäftsführer als Verantwortungsträger ausgeschaltet werde, sind nach Ansicht Steins durch eine Anwendung der Geschäftsleiterpflichten im Einzelfall zu füllen. Dinkhoff hingegen sieht auch in den von Stein genannten Fällen grundsätzlich keine Lücken gegeben.

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Vgl. bereits Kapitel 2 B. III. 2. Stein, Das faktische Organ, S. 146; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 166. 68 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer S. 67 f., 71 f., 175; Stein, Das faktische Organ, S. 169 f., 179. Für einen ausreichenden Schutz vor der Einflussnahme von Gesellschaftern im disponiblen Bereich von § 43 Abs. 2 GmbHG durch die Treuepflicht auch Haas, NZI 2006, 494, 499. 69 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 168. Stein, Das faktische Organ, S. 157 (Fn. 39), hält den Anwendungsbereich von § 823 Abs. 1 BGB hingegen für begrenzt, wobei sie nicht auf die Möglichkeit der Verantwortlichkeitsübernahme eingeht. 70 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 79 ff., 171; Stein, Das faktische Organ, S. 156 ff. 71 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 173. 72 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 169 f.; Stein, Das faktische Organ, S. 153, 156, 174, die allerdings darauf hinweist, dass die Haftung wegen der hohen Anforderungen von § 826 BGB selten eingreifen dürfte. 67

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

2. Analyse der Argumente Im Folgenden soll überprüft werden, inwieweit die von Stein und Dinkhoff angeführten Argumente überzeugen können und damit auch für die eigene Untersuchung verwertbar sind. a) Die Irrelevanz allgemeiner Vorschriften für die Lückenfindung und -ausfüllung Die Grundannahme von Stein und Dinkhoff ist, dass eine Lücke nur bestehe, wenn sich nicht bereits nach den allgemeinen Vorschriften eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers herleiten lasse. Das ist auf den ersten Blick auch naheliegend, denn die allgemeinen Vorschriften sind durchaus in der Lage in einigen Konstellationen faktischer Geschäftsführung Rechtsfolgen herbeizuführen, so dass man nicht stets sagen kann, der Fall wäre überhaupt nicht geregelt. Nun hat aber zum einen der Gesetzgeber die allgemeinen Vorschriften gerade nicht geschaffen, um konkret die Fälle faktischer Geschäftsführung zu regeln, sondern um viel allgemeineren Wertungen Ausdruck zu verleihen. Zum anderen ist der Lückenbegriff nicht so zu verstehen, dass eine Lücke nur dann vorläge, wenn überhaupt keine Normen den Fall regeln.73 Eine Lücke ist kein „nichts“.74 Das Gesetz ist vielmehr lückenhaft „nur im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich erschöpfende und in diesem Sinne „vollständige“ sowie sachgerechte Lösung.“75 Die Lücke liegt also dann vor, wenn die Fälle des faktischen Geschäftsführers entgegen dem Wortlaut von den Geschäftsleiterpflichten erfasst sein müssten, damit das Gesetz nicht wertungswidersprüchlich ist76 oder der Normzweck dieser Pflichten erfüllt werden kann.77 Ist dies so, so kann man diese Lücke im Vergleich zum Sollzustand im Wege der Analogie bzw. teleologischen Extension schließen. Innerhalb der Fragestellung, ob die Erweiterung der Normen auf die beschriebenen Fälle geboten ist, weil die Fälle im Wesentlichen gleich sind bzw. weil eine Verwirklichung des Normzwecks nur durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs möglich ist, lässt sich freilich überlegen, ob die Existenz von allgemeinen Vorschriften, die eine Haftung des faktischen Geschäftsführers begründen können, im konkreten Fall ein relevanter Faktor ist. Hierzu ist festzustellen, dass auch der bestellte Geschäftsführer neben seiner speziellen Verantwortlichkeit nach dem GmbHG, der InsO etc. nach allgemeinen Vorschriften haften kann.78 Auch im Falle des Gesellschafter-Geschäfts73

Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 221. Larenz, Methodenlehre, S. 375. 75 Larenz, Methodenlehre, S. 375. 76 Dies entspräche nach Canaris, Lücken, S. 90, der Perspektive bei der Analogie. 77 Dies entspräche nach Canaris, Lücken, S. 90, der Perspektive bei der teleologischen Extension. 78 Vgl. statt aller Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 258 („Es besteht […] grundsätzlich Anspruchskonkurrenz.“). 74

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur

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führers tritt die Haftung als Geschäftsführer neben die Haftung als Gesellschafter.79 Die Existenz anderer Haftungsansprüche kann damit jedenfalls keinen wesentlichen Unterschied zu den Fällen faktischer Geschäftsführerhaftung beschreiben, der die Nichterstreckung der besonderen Haftung auf diese rechtfertigte. Daneben hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, dass die allgemeinen Vorschriften für den Fall des bestellten Geschäftsführers gerade keinen ausreichenden Schutz für die betroffenen Interessengruppen bieten.80 Fragt man sich, ob zur Verwirklichung dieses besonderen Schutzes eine Erstreckung auf die Fälle der faktischen Geschäftsführung notwendig ist, kann die Heranziehung der allgemeinen Vorschriften damit ebenfalls keine Antwort bieten, weil der Gesetzgeber selbst die qualitative Verschiedenheit der Schutzregime zum Ausdruck gebracht hat. Mithin ist die Existenz einer Haftung des faktischen Geschäftsführers aus der „konsequenten Anwendung der allgemeinen Vorschriften“ kein tragfähiges Argument gegen die Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten im Wege der Analogie oder teleologischen Extension.81 Gleiches gilt auch für das Argument, die Haftung anderer Personen schaffe oft einen angemessen Schutz, so dass keine Lücke bestehe, die eine Anwendung der besonderen Geschäftsleiterpflichten auf den faktisch Tätigen notwendig mache. Die relevante Frage lautet nicht allein, ob im Ergebnis ein Ausgleich für die betroffenen Interessengruppen möglich ist oder nicht.82 Es geht nicht nur um die Füllung einer „Haftungslücke“83, sondern darum, ob eine konkrete Norm idealiter auf den in Rede stehenden Fall anwendbar sein sollte, weil die Rechtsordnung andernfalls widersprüchlich wäre bzw. weil der Normzweck sonst leerliefe.84 Vergleicht man die Fälle des bestellten Geschäftsführers und des faktischen Geschäftsführers um die Notwendigkeit einer analogen Anwendung einzelner Normen zu beurteilen, so ist in der Tat das in der Literatur vorgebrachte Argument überzeugend, dass auch im Fall des bestellten Geschäftsführers die Pflichtenbindung und die daran anknüpfende Haftung nicht deshalb wegfallen, weil andere Personen, insbesondere andere (Mit-)

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Sorge, Haftung, S. 110. Schürnbrand, Organschaft, S. 303 (für § 43 Abs. 2 GmbHG). 81 Mit anderer Begründung im Ergebnis ebenso Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 72. 82 Dann wäre es in der Tat folgerichtig zunächst alle relevanten Anspruchsgrundlagen durchzuprüfen und eine „Lücke“ auch dann anzunehmen, wenn eine Haftung des bestellten Geschäftsführers mangels Durchsetzbarkeit (Insolvenz) scheitert. Dagegen zu Recht kritisch Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 73; Schürnbrand, Organschaft, S. 309. 83 So der Begriff von Stein, Das faktische Organ, S. 144. 84 Der Unterschied wird gerade bei § 15a InsO deutlich. Es geht nicht darum, dass letztlich irgendjemand haftet, wenn die Stellung des Insolvenzantrags unterbleibt, sondern zunächst allein um die Frage, ob die Insolvenzantragspflicht auch Personen treffen muss, die nicht zum Geschäftsführer bestellt worden sind, weil diese dem bestellten Geschäftsführer wertungsmäßig derart gleichen, dass ein anderes Ergebnis widersprüchlich wäre bzw. weil der Zweck der Pflicht andernfalls leerliefe. 80

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

Geschäftsführer ebenfalls haften.85 Auch für die Frage, ob eine teleologische Extension notwendig ist, weil nur auf diese Weise der Normzweck der jeweiligen Geschäftsleiterpflicht erfüllt werden kann, kommt es zudem allein auf die ratio legis der konkreten Norm an.86 Die Haftung Dritter spielt hierfür aber keine Rolle. b) „Indizwirkung“ anderer Ansprüche für ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers? Eine Möglichkeit, die Haftung nach allgemeinen Vorschriften und die Haftung Dritter zu berücksichtigen, könnte sich eröffnen, wenn man davon ausgeht, dass diese Haftung jedenfalls einen so grundlegenden Schutz bietet, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Erfassung der mitunter schwierig abzugrenzenden Fälle faktischer Geschäftsführung durch die einzelnen Geschäftsleiterpflichten verzichtet hat. Die ausreichende Erfassung der Fälle wäre gewissermaßen ein „Indiz“87 für ein beredtes Schweigen, welches die Annahme einer Lücke ausschließen würde.88 Nun ist allerdings der Gesetzgeber, wie bereits dargelegt wurde, durchaus nicht schweigsam geblieben. Es besteht vielmehr Grund zu der Annahme, dass der Gesetzgeber gerade eine Regelungsbedürftigkeit der Fälle der faktischen Geschäftsführung sieht.89 Vom heutigen Standpunkt aus kann damit auch von einer Indizwirkung nicht mehr ausgegangen werden.90 c) Exkurs: Überzeugungskraft der Argumentation jenseits des Normanwendungsmodells Innerhalb des wertenden Aktes der Einzelnormanwendung sind, wie gezeigt, die Haftung des faktischen Geschäftsführers nach den allgemeinen Vorschriften sowie die Haftung Dritter nicht zu berücksichtigen. Außerhalb dieses Modells stellt sich aber die für diese Arbeit und ihren vom Normanwendungsmodell abweichenden Ansatz (vgl. Kapitel 5) ebenfalls bedeutsame Frage, inwieweit die von Stein und Dinkhoff im einzelnen aufgeführten Normen die Gesellschaft und ihre Gläubiger tatsächlich vor den Gefahren faktischer Einflussnahme auf die Geschäftsführung schützen. Je nach dem in welchem Umfang dies der Fall ist, scheint der Bedarf für die hier vertretene eigenständige Lösung größer oder kleiner.91 85

Schürnbrand, Organschaft, S. 310. Allgemein Canaris, Lücken, S. 90. 87 So lange ausdrückliche Äußerungen fehlen, kann es immer nur um das Finden von Indizien gehen. 88 Vgl. allgemein zum „beredten Schweigen“ Larenz, Methodenlehre, S. 370. 89 Vgl. A. I. 90 Freilich muss berücksichtigt werden, dass die Publikationen von Stein und Dinkhoff zeitlich vor dem MoMiG liegen. 91 Thematisch ließe sich diese Frage auch erst im 5. Kapitel dieser Arbeit behandeln, in dem der eigene Ansatz ausgearbeitet werden soll. Angesichts der Tatsache, dass die Ansätze Steins 86

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur

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aa) Haftung des faktischen Geschäftsführers aus allgemeinen Vorschriften Zunächst argumentieren sowohl Stein als auch Dinkhoff damit, dass häufig zwischen Gesellschaft und faktischem Geschäftsführer eine Sonderverbindung bestehe, aus der eine Pflichtenstellung mit entsprechender Haftung abgeleitet werden könne.92 Dies mag zweifelsohne gerade für den Fall richtig sein, dass ein Gesellschafter faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt.93 Problematisch bleibt aber bei der Anknüpfung an eine der von beiden Autoren diskutierten verschiedenen Sonderverbindungen, dass ihr Vorliegen oder Nichtvorliegen in keinem Zusammenhang mit der konkreten Schutzbedürftigkeit für Gesellschaft und Gläubiger steht. Da weder die Stellung als Gesellschafter noch eine schuldvertragliche Verbindung die betreffende Person zu so weitgehender Einflussnahme auf die Geschäftsführung berechtigen, wie dies in den Fällen faktischer Geschäftsführung üblicherweise der Fall ist, besteht kein Grund diese Fälle anders zu behandeln als diejenigen, in denen eine solche Sonderverbindung nicht vorliegt und die Person aber genauso wenig zur Einflussnahme befugt ist.94 Dass in solchen Fällen nur deliktische Ansprüche zum Tragen kommen sollen, die keinen vergleichbaren Schutz bieten können (dazu sogleich), leuchtet nicht ein. Eine weitere Anspruchsgrundlage, die von Stein und Dinkhoff angeführt wird, um den faktischen Geschäftsführer in einer Vielzahl von Fällen einer Verantwortlichkeit zu unterwerfen, ist die Anstifter- oder Gehilfenhaftung aus § 830 Abs. 2 BGB. Dies mag auf den ersten Blick ein durchaus überzeugender Ansatz sein. Allerdings modifizieren beide Autoren die Voraussetzungen für die Anwendung der Norm im Vergleich zu Rechtsprechung und herrschender Lehre ganz beträchtlich. So halten sowohl Stein als auch Dinkhoff es nicht für erforderlich, dass die angestiftete Haupttat in jedem Fall ebenfalls vorsätzlich begangen wurde.95 Dies ist allerdings alles andere als unproblematisch. Abgesehen davon, dass diese Grundsatzentscheidung nicht allein im hier interessierenden Kontext auf ihre Richtigkeit überprüft werden müsste, sondern im Hinblick auf Implikationen für unzählige andere Fälle einer Untersuchung bedürfte,96 spricht für das Festhalten am Vorsatzerfordernis und Dinkhoffs im vorliegenden Zusammenhang bereits ausführlich erklärt wurden, bietet es sich aber an, die aufgeworfene Frage bereits hier zu beantworten. 92 Stein, Das faktische Organ, S. 146, 169 f., 179; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 67 f., 71 f., 166, 175. 93 Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B. IV. 2. b). 94 Auch Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 176, geht davon aus, dass der Gesellschafter, der nicht seine mitgliedschaftlichen Befugnisse ausübe, sondern darüber hinaus faktisch Einfluss nehme, der Gesellschaft wie ein Dritter gegenüberstehe. 95 Stein, Das faktische Organ, S. 161 (jedenfalls bei Verkehrs- und Schutzpflichtverletzungen); Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 82, 171; a.A. BGHZ 70, 277, 285; BGH NJW 2004, 3423, 3425; MüKo-BGB/Wagner § 830 Rn. 32 m.w.N. 96 Ähnlich Schürnbrand, Organschaft, S. 302, und GK-AktG/Habersack/Foerster, § 92 Rn. 116.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

bereits die Anknüpfung des zivilrechtlichen Anstifterbegriffs an den wegen § 26 StGB zwingend nur vorsätzliches Verhalten erfassenden Begriff des Strafrechts.97 Im Übrigen würde gerade im Hinblick auf Sondertatbestände wie § 15a Abs. 1 InsO der Verzicht auf das Vorsatzerfordernis eine konstruktive Nähe zur mittelbaren Täterschaft begründen, die bei solchen Tatbeständen gerade ausgeschlossen sein sollte.98 Im Hinblick auf § 826 BGB wird von Dinkhoff angeführt, gerade der Einfluss gesellschaftsfremder Dritter zeichne sich „nicht selten durch vorsätzliches und rechtsmissbräuchliches Verhalten aus.99 Im Übrigen sei der Anwendungsbereich der Norm „riesig und beliebig erweiterbar“.100 Dies gilt freilich nur für den sachlichen Schutzbereich und nicht für den Tatbestand der Norm.101 Bereits Stein weist daher darauf hin, dass die Norm wegen der Notwendigkeit des Nachweises sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nur selten eingreifen dürfte.102 Daneben ist der Tatbestand aufgrund der Generalklausel der „guten Sitten“103 nicht unbedingt geeignet, klare Verhaltensvorgaben oder sichere Rechtsregeln für die Praxis hervorzubringen. Wird schließlich § 823 Abs. 1 BGB ins Spiel gebracht, so ist hier zunächst einzuwenden, dass in der Regel nur primäre Vermögensschäden vorliegen werden, die von der Norm aber mangels Verletzung eines absoluten Rechts nicht erfasst sind.104 Wenn Dinkhoff zudem annimmt, den faktischen Geschäftsführer würden aufgrund einer „faktischen Verantwortungsübernahme“ auch Verkehrssicherungspflichten des bestellten Geschäftsführers gegenüber Dritten für die Verletzung von den in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgütern durch sonstige Mitarbeiter treffen,105 so kann dies ebenfalls nicht überzeugen. Hiermit ist zunächst eine Materie angeschnitten, die in vielen Einzelfragen hoch umstritten ist, wie allein die Diskussion um das Baustoffurteil des VI. Zivilsenats des BGH106 zeigt.107 Die Lösung der Fälle über diesen Weg ist damit durchaus geeignet, neue Probleme in die Diskussion hineinzutragen. Im Übrigen hat jedenfalls Haas im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht überzeugend dargelegt, dass der Übernahmegedanke, der eine Haftung des faktischen Geschäftsführers begründen soll, nicht verfängt: Zum einen ist es bei weitem nicht in allen Fällen so, dass der primär verpflichtete Geschäftsführer, wie für eine Verantwortungsübernahme notwendig, sein Einverständnis erklärt, sondern häufig 97

Statt vieler Staudinger/Eberl-Borges, § 830 Rn. 32. Bayer/Lieder, WM 2006, 1, 9 (zu § 64 Abs. 1 GmbHG a.F.). 99 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 169. 100 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 169. 101 MüKo-BGB/Wagner, § 826 Rn. 4 (auch allgemein zur heutigen Funktion von § 826 BGB im System des Deliktsrechts). 102 Stein, Das faktische Organ, S. 153, 156, 174. 103 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 836. 104 Hierauf weist auch Stein, Das faktische Organ, S. 157 (Fn. 39) hin. 105 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 168 sowie S. 54 ff. 106 BGHZ 109, 297. 107 Vgl. zum Ganzen Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 82 ff. 98

B. Kritik an der Lückenfindung und -ausfüllung aus der Literatur

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geschieht dies (wenn überhaupt) lediglich im Einverständnis mit den Gesellschaftern.108 Zum anderen beruht der Gedanke der Übernahmehaftung darauf, dass der „Übernehmer beim primär Verpflichteten berechtigtes Vertrauen weckt.“109 Dies besteht in den relevanten Fällen aber regelmäßig deshalb nicht, weil dem faktischen Geschäftsführer die entsprechenden Rechte zur Pflichterfüllung fehlen.110 Ein anderer allgemeiner Gesichtspunkt spricht ebenfalls gegen eine Lösung über die genannten Vorschriften. Zwar ist es richtig, dass auch einer allgemeinen zivilrechtlichen Haftung entsprechende Handlungs- und Unterlassenspflichten vorausgehen.111 Dennoch sind die betreffenden Normen teils so allgemein formuliert, dass ihre Präventionswirkung hinter derjenigen spezifischer Pflichten zurückbleibt.112 Zudem regen sie die Erfüllung dieser Pflichten durch den bestellten Geschäftsführer allenfalls mittelbar an. Somit ist die Haftung nach allgemeinen Vorschriften gerade im Hinblick auf die ihr zukommende Steuerungsfunktion im Vergleich zu einer spezifischen Haftung unzulänglich.113 bb) Haftung anderer Personen Ebenso wie das Argument, eine Haftung des faktischen Geschäftsführers aus den genannten allgemeinen Vorschriften biete ausreichend Schutz, kann auch das Argument die Haftung anderer Personen, insbesondere des bestellten Geschäftsführers, genüge, nicht überzeugen. Es mag zwar durchaus richtig sein, dass in vielen Fällen auch die bestellten Geschäftsführer, ein anderes Organ oder die Gesellschafter haften und so eine Ausgleichsmöglichkeit für die Gesellschaft und die Gläubiger besteht. Damit ist aber zunächst nur die Kompensationsfunktion der Haftung erfüllt, während über die Präventionsfunktion noch keine Aussage getroffen ist.114 Zwar wird vorgetragen, dass auch diese tatsächlich in fast allen Fällen greife,115 dies scheint allerdings mehr als zweifelhaft. Zunächst wird insbesondere in Strohmannfällen die Existenz eines Geschäftsführers eine umfassende Pflichterfüllung nicht garantieren können, wenn de facto alle wichtigen Entscheidungen ohne den bestellten Geschäftsführer getroffen werden.116 Darüber hinaus wird aber auch in anderen Fällen die Pflichterfüllung durch den bestellten Geschäftsführer jedenfalls behindert.117 Des 108

Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 239. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 239. 110 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 239. Siehe hierzu ausführlich III. 1. 111 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 162. 112 So in Bezug auf § 15a InsO auch Sorge, Haftung, S. 110; allgemein zur Präventionsfunktion Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9 f.; Wagner, ZHR 178 (2014) 227, 251 ff. 113 Ebenso Sorge, Haftung, S. 110. 114 Die Bedeutung der Präventionsfunktion betont auch Sorge, Haftung, S. 28. 115 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 88 („Der Primärschutz [ist] damit gegeben.“). 116 So auch Stein, Das faktische Organ, S. 186. 117 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 116. 109

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

Weiteren knüpft die Haftung anderer Personen häufig auch an andere Verhaltensgebote an, so dass der mit den spezifischen Geschäftsleiterpflichten bezweckte Primärschutz nicht unmittelbar gewährleistet ist.118 Schließlich erscheint es wertungsmäßig auch durchaus überzeugend, dass dem erhöhten Risiko für Gesellschaft und Gläubiger durch die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers auch eine entsprechende zusätzliche Haftung gegenüber steht.119

II. Zwischenfazit Alles in allem lässt sich festhalten, dass die bisherige Kritik an der Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen nicht überzeugen kann. In methodischer Hinsicht ist das Bestehen oder Nichtbestehen einer Haftung des faktischen Geschäftsführers nach den allgemeinen Vorschriften genauso wie eine Haftung Dritter allein kein taugliches Kriterium, um das Bestehen einer Lücke für die Einzelnormanwendung zu untersuchen. In sachlicher Hinsicht bieten die vorgeschlagenen allgemeinen Vorschriften als Haftungsgrundlage darüber hinaus für Gläubiger und Gesellschafter in Fällen faktischer Geschäftsführung ebenso wenig ausreichenden Schutz wie die Haftung anderer Personen. Zum einen ist eine Haftung zum Teil überhaupt nur durch erhebliche Modifikationen der Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerkstelligen, die allerdings kaum auf ihre Auswirkungen auf andere Anwendungsfälle der jeweiligen Norm untersucht wurden und daher abzulehnen sind. Zum anderen kommt den vorgeschlagenen allgemeinen Vorschriften nicht dieselbe Präventionswirkung zu wie den spezifischen Pflichten des bestellten Geschäftsführers. Letzteres trifft des Weiteren auch auf die Haftung Dritter zu, deren Vorliegen im Übrigen ebenfalls nicht in allen relevanten Fällen gesichert ist. Angesichts dieser Erkenntnisse müssen für eine kritische Würdigung des bisherigen Vorgehens von Rechtsprechung und herrschender Meinung somit andere Anknüpfungspunkte gesucht werden. Bevor dies jedoch sogleich geschieht, soll noch kurz der Blick darauf gelenkt werden, ob mit der Ablehnung von Steins Position auch eine Ablehnung ihrer Perspektive zur Beurteilung der Schutzbedürftigkeit von Gesellschaftern und Gläubigern (vgl. Kapitel 2 B. I. 2.) einhergehen muss.

118

So mögen die Gesellschafter zwar gewisse Organisationspflichten im Hinblick auf die Gesellschaft treffen, wie Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 87, anführt. Diese sind aber eben nicht mit der Pflicht identisch, diese Geschäfte tatsächlich ordnungsgemäß zu führen. 119 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 233 im Hinblick auf § 64 GmbHG a.F., anders als in ihrer Dissertation, vgl. dies., Das faktische Organ, S. 184; ebenso Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244; Sorge, Haftung, S. 49.

C. Lückenfindung und -ausfüllung

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III. Organverdrängung und Perspektivwahl In Kapitel 2 B. I. 2. und III. 2. wurde dargestellt, dass Stein den Zustand, der eine Einzelnormanwendung notwendig macht, als „Organverdrängung“ bezeichnet und diese Situation dahingehend konkretisiert, dass „der Gesellschaft, den Gesellschaftern und den Gläubigern der Primärschutz gesetzlicher Pflichterfüllung und der Sekundärschutz des Haftungszugriffs“ genommen sei.120 Dies sei erst dann der Fall, wenn die Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers sich nicht in gleichem Umfang aus den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts herleiten lasse und zudem keine andere Person (die bestellten Organe oder die Gesellschafter) neben dem faktischen Geschäftsführer als Verantwortungsträger zur Verfügung stehe. Nachdem nun gezeigt wurde, dass der Blick auf Ansprüche gegen den faktischen Geschäftsführer aus allgemeinen Vorschriften und auf Ansprüche gegen Dritte unter methodischen und sachlichen Gesichtspunkten fehlgeht, kann folglich auch der gesamte Ansatz der „Organverdrängung“ zur alleinigen Bestimmung der spezifischen Gefahr faktischer Geschäftsführung nicht überzeugen. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass Steins Perspektive (vgl. Kapitel 2 B. I. 2.) auf Grundlage eines anderen Ansatzes jenseits des Normanwendungsmodells nicht doch fruchtbar gemacht werden kann. Darauf wird im fünften Kapitel im Zusammenhang mit dem hier vertretenen Ansatz näher einzugehen sein.121

C. Lückenfindung und -ausfüllung – zugleich Kritik an der Übertragung einzelner Geschäftsführerpflichten auf faktisch tätige Personen Die bisher im Schrifttum angeführten Hauptargumente gegen das Bestehen einer Lücke als Legitimationsvoraussetzung für die rechtsfortbildende Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen konnten nicht vollends überzeugen. Eine kritische Untersuchung des „wertenden Akts“ (hierzu bereits A. I.), der dem Modell zugrunde liegt, muss daher andere Anknüpfungspunkte finden. Diesem Ziel ist der folgende Teil der Arbeit gewidmet, wobei an verschiedener Stelle durchaus auf Vorarbeiten in der Literatur angeknüpft werden kann.

I. Die dogmatische Begründung einer Sonderverbindung Für die Beurteilung, ob in bestimmten Fällen auf eine Person, die nicht als Geschäftsführer bestellt ist, dennoch einzelne Geschäftsführerpflichten angewendet werden müssen, damit keine Wertungswidersprüche entstehen und die jeweilige 120 121

Stein, Das faktische Organ, S. 185. Siehe Kapitel 5 B. III. 2. e) und 3.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

Norm ihren Zweck erfüllen kann, liegt es nahe, zunächst den Punkt zu untersuchen, der beide Fälle offensichtlich unterscheidet: die Bestellung. Diese begründet zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft eine Sonderverbindung, die die Quelle für Rechte und Pflichten der bestellten Person ist.122 Beim faktischen Geschäftsführer fehlt diese Sonderverbindung, was zumindest auf den ersten Blick bereits gegen eine Vergleichbarkeit spricht.123 Allerdings ist in der Literatur versucht worden, mit verschiedenen Begründungsmustern auch zwischen faktischem Geschäftsführer und Gesellschaft eine Sonderverbindung herzuleiten, um die Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten auf eine in dogmatischer Hinsicht vergleichbare Grundlage zu stellen und somit zu rechtfertigen. 1. Ansätze zur Begründung einer Sonderverbindung und ihre Kritik Zur Herleitung einer Sonderverbindung finden sich im Wesentlichen drei Ansatzpunkte. Teilweise wird als Geltungsgrund für eine Sonderverbindung an die Billigung der Gesellschafter angeknüpft. Andere wiederum gehen vom Vorliegen einer Sonderverbindung aus, weil die Haftung des faktischen Geschäftsführers als eine „Art typisierte Vertrauenshaftung“ zu deuten sei.124 Schließlich bedient sich eine Reihe von Autoren der Argumentationsfigur der Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung. a) Billigung und typisierte Vertrauenshaftung Die Diskussion um die Notwendigkeit einer Billigung der Gesellschafter und das Merkmal des Außenauftritts, dass eine Art „typisierte Vertrauenshaftung“ begründen soll, wurde bereits grundlegend im zweiten Kapitel der Arbeit dargestellt, so dass insoweit hierauf verwiesen werden kann.125 Für die Frage, inwieweit beide Ansätze 122

Bork/Schäfer/Schäfer, § 6 Rn. 15. So Hüffer, AktG, 10. Auflage 2012, § 93 Rn. 12 („[…], weil bloß tatsächliche Umstände keine rechtliche Sonderverbindung zu begründen vermögen.“); kritisch auch Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 210. Ähnlich auch Nadwornik, De facto und shadow directors, S. 124 ff., dessen Ansicht, die Übertragung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen verstoße gegen die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, allerdings verkennt, dass es lediglich um eine Verantwortlichkeitserweiterung geht und nicht um die Begründung eines (vertraglichen) Rechtsverhältnisses mit klagbaren Leistungspflichten. Im Übrigen ist auch zu bedenken, dass die Geschäftsleiterhaftung als gesetzliche Haftung zu qualifizieren ist, auf deren Übernahme sich der privatautonome Akt der Übernahme der Organstellung gerade nicht beziehen muss, siehe Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 272 (Fn. 1). Vgl. auch die Nachweise in Kapitel 2 Fn. 61. 124 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 211; ebenso Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 359, deren Unterscheidung zwischen Qualifikation des faktischen Organs und Normanwendung, jedenfalls auf Grundlage des Normanwendungsmodells nicht übezeugt, weil beides einen einheitlichen Schritt darstellt. 125 Kapitel 2 B. II. 1. u. 2. 123

C. Lückenfindung und -ausfüllung

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geeignet sind, im vorliegenden Kontext eine Sonderverbindung zu begründen, ist folgendes zu bedenken. Es mag durchaus richtig sein, dass in Fällen der Vertrauenshaftung eine Sonderverbindung vorliegt.126 Die Beschreibung als Vertrauenshaftung wird aber der Problematik der faktischen Geschäftsführung als Normanwendungsproblem nicht gerecht, weil diejenigen Normen, deren Anwendung hier diskutiert wird, „einen nach innen gerichteten Schutz und keinen auf den Verkehr gerichteten Vertrauensschutz zum Gegenstand haben“.127 Vertrauensschutzaspekte sind daher in den hier zu überprüfenden „wertenden Akt“ nicht mit einzubeziehen. In Bezug auf das Merkmal der Billigung ist darüber hinaus festzustellen, dass nicht deutlich wird, warum gerade sie eine Sonderverbindung begründen soll.128 Eine Bestellungsfiktion wird jedenfalls zu Recht abgelehnt.129 Soweit die Billigung als Zurechnungsvoraussetzung gesehen wird130, ist zudem ebenfalls das in der Literatur vorgebrachte Argument überzeugend, dass die hier interessierende Sachfrage keine Frage der Zurechnung von Verhalten des faktischen Organs zur Gesellschaft ist, sondern eine der Verantwortlichkeitserstreckung.131 Auch auf eine Zurechnung kommt es damit für den hier interessierenden „wertenden Akt“ nicht an. Damit können beide Ansätze jedenfalls für das Normanwendungsmodell eine Sonderverbindung nicht überzeugend begründen. b) Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung Für die Existenz einer Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung wird zunächst ausgeführt, dass Sonderverbindungen aufgrund faktischer Übernahme bereits aus dem Deliktsrecht bekannt seien.132 Darüber hinaus wird auch auf einen Ansatz verwiesen, den Krebs in seiner Dissertation näher ausgearbeitet hat.133

126

So Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 211. Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117; ähnlich Fleischer, AG 2004, 517, 525. 128 A.A. Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 201, der allerdings eine Sonderverbindung nicht für zwingend notwendig hält, um eine Analogie zu begründen. 129 Schürnbrand, Organschaft, S. 306. 130 So noch Ulmer/Casper, § 64 Rn. 39; ähnlich auch Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 17; a.A. jetzt U/H/L/Casper, § 64 Rn. 40. 131 Schürnbrand, Organschaft, S. 307; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343. Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B. I. 1. 132 Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 340; Schürnbrand, Organschaft, S. 303; Sorge, Haftung, S. 51; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 64; Bork, WM 2014, 1841, 1843; in Bezug auf § 15a InsO auch MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 75. 133 Fleischer, AG 2004, 517, 523; ders., GmbHR 2011, 337, 340; Schürnbrand, Organschaft, S. 303; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 64, wobei freilich stets nur auf Stellen in Krebs’ Habilitation „Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten“ verwiesen wird (S. 118 f., 166 f.), an denen dieser wiederum auf seine Dissertation verweist. Siehe im Anschluss an Fleischer, AG 2004, 517, 524, auch Hüffer/Koch, § 93 Rn. 38. 127

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

aa) Der Verweis auf das Deliktsrecht Diejenigen Autoren, die auf das Deliktsrecht als Beispiel für die Möglichkeit der Knüpfung von Haftungsfolgen an die tatsächliche Übernahme von Verantwortung rekurrieren, verweisen allesamt auf Fälle, in denen es tatsächlich für die Pflichtenübertragung nicht auf eine wirksame vertragliche Vereinbarung ankommt.134 Ansonsten haben diese Sonderverbindungen aber, wie bereits an anderer Stelle angerissen135, durchaus weitere Voraussetzungen namentlich das Einverständnis des primär Verpflichteten sowie ein berechtigtes Vertrauen dieser Person darauf, dass der Übernehmer die gebotenen Maßnahmen trifft.136 Jedenfalls an letzterem dürfte es in den Fällen faktischer Geschäftsführung regelmäßig fehlen.137 Auch wenn mit dem Verweis auf das Deliktsrecht gar nicht bezweckt war, eine Vergleichbarkeit der Fälle anzudeuten, so lassen sich jedenfalls allein aus der Existenz der Verantwortlichkeit kraft faktischer Übernahme im Deliktsrecht angesichts der aufgezeigten Unterschiede keine konkreten Schlüsse für die Frage nach der Existenz einer Sonderverbindung im hier interessierenden Kontext ziehen. bb) Der Ansatz von Krebs Als Argument für die Existenz einer Sonderverbindung kraft Leitung wird allerdings nicht nur auf das Deliktsrecht verwiesen, sondern immer wieder auch auf Krebs, der das „Prinzip der Haftung für sorgfaltswidrige Leitung“ ausführlich in seiner Dissertation untersucht hat.138 Zur Erläuterung dieses Prinzips sind zunächst einige grundlegende Ausführungen nötig. Dem Konzept von Krebs liegt der Gedanke eines Gleichlaufs von „(Leitungs-) Macht und Verantwortung“ zugrunde.139 Dieser ist vom Prinzip des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung zu trennen.140 Während letzteres Prinzip die Frage eines Gleichlaufs von Einfluss und persönlicher Haftung für Geschäftsschulden behandelt, hat der Gedanke des Gleichlaufs von Leitung und Verantwortung eine „Schadensersatzpflicht […] für gemeinschaftswidriges Verhalten“ zum Gegenstand.141 Dieser Gedanke allein könne aber, laut Krebs, nur die wertungsmäßige Plausibilität des 134 Siehe zu diesen Fällen statt aller MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 376, § 831 Rn. 51; im vorliegenden Kontext Wagner, FS K. Schmidt, 2009, S. 1665, 1690. 135 B. I. 2. c) aa). 136 Im vorliegenden Kontext Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 239; allgemein MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 377. 137 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 239. Dies übersehen m. E. Wagner, FS K. Schmidt, 2009, S. 1665, 1690, und MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 75. 138 Krebs, Geschäftsführungshaftung, passim. 139 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 233. 140 So auch Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 233. 141 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 545 f.; auf einen Gleichlauf von Herrschaft und Haftung abstellend allerdings Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 10.

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Prinzips der Haftung für sorgfaltswidrige Leitung begründen. Daneben bedürfe es auch eines konstruktiven Nachweises im Wege der Gesamtanalogie.142 Hierfür knüpft Krebs sodann an die §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3, 323 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 309 Abs. 2 AktG an und versucht nachzuweisen, dass sich aus den Normen nicht nur als Zwischenschritt das Prinzip der Haftung des gesetzlichen Vertreters der leitenden Gesellschaft in der GmbH & Co. KG abstrahieren lässt, sondern darüber hinaus auch das allgemeine Prinzip der „Haftung für sorgfaltswidrige Leitung“.143 Dabei sei die Abstraktion zulässig, weil die in den Zwischenschritten erarbeiteten Unterprinzipien sich jeweils nicht mit einer nur für sie zutreffenden Begründung, sondern mit den allgemeinen Gefahren der Leitung und der Schutzbedürftigkeit der geleiteten Gesellschaft begründen ließen.144 Das so abstrahierte Prinzip begründe eine Sonderverbindung zwischen Leitendem und der geleiteten Gesellschaft.145 Ein Anwendungsfall dieses Prinzips seien wiederum die Fälle der faktischen Geschäftsführung, die sich andernfalls nicht schlüssig erklären ließen.146 Gegen den Ansatz von Krebs ist allerdings von verschiedenen Seiten Kritik geäußert worden.147 Diese richtet sich weniger gegen die wertungsmäßige Plausibilität des Ansatzes, als gegen die methodische Herleitung. Vor dem Hintergrund, dass Krebs’ Ansatz zunächst dazu dient, die direkte Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der KG in der GmbH & Co. KG zu erklären, wird kritisiert, dass die von Krebs verwendeten Normen nicht Fälle der „mittelbaren Geschäftsführung“ beträfen, sondern das Organ einer Muttergesellschaft im Verhältnis zu ihrer Tochter.148 Andere argumentieren, dass die betreffenden aktienrechtlichen Vorschriften zwar tatsächlich insoweit verallgemeinerungsfähig seien, „als sie nicht unmittelbar der Bewältigung des Konzernkonflikts dienen“, aber dies nichts daran ändere, dass es sich „um punktuelle Rechtssätze aus einem speziellen 142

Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 232. Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 234 ff.; zustimmend für die Haftung des GmbHGeschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft in der GmbH & Co. KG Brandes, Juristische Personen, S. 81 ff.; ebenso für die GmbH & Co. KG allerdings ohne überzeugende dogmatische und methodische Begründung und ohne Verweis auf Krebs Bergmann, Fremdorganschaft, S. 26 ff. 144 Krebs, Sonderverbindung, S. 239. 145 Krebs, Sonderverbindung, S. 118 f. mit Verweis auf Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 154 ff., 232 ff. 146 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 269 ff. 147 Schürnbrand, Organschaft, S. 195 f.; Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 59 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Anh. A § 177a Rn. 270; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1649 (Fn. 107); Schlegelberger/Martens, HGB § 164 Rn. 10; Gänzle, Rechtsstellung des Kommanditisten, S. 88 ff.; Nietsch, GmbHR 2014, 348, 350. 148 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Anh. A § 177a Rn. 270; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1649 (Fn. 107). Da die Herleitung der Haftung in der GmbH & Co. KG eine Zwischenstufe zur Abstraktion des Prinzips der Haftung für sorgfaltswidrige Leistung darstellt, können die Argumente auch als Argumente gegen das Oberprinzip herhalten. 143

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Kodifikationszusammenhang handelt“149. Schließlich wird kritisiert, dass für die Gesamtanalogie nicht an die Gesamtheit der Vorschriften, die die Verantwortlichkeit von Leitungsorganen normieren, also insbesondere § 93 AktG und § 43 GmbHG, angeknüpft worden sei. Ob sich auch unter Einbeziehung dieser Vorschriften das Prinzip der Haftung für sorgfaltswidrige Leitung abstrahieren lasse, habe Krebs jedenfalls nicht nachgewiesen.150 Blickt man in die Materialien zum AktG 1965, so drängt sich in der Tat der Eindruck auf, dass die von Krebs herangezogenen Normen als Grundlage für ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip nicht herangezogen werden können. Dies gilt zunächst für § 309 AktG, für den ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Norm „die durch Beherrschungsvertrag begründete Leitungsmacht der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens mit einer entsprechenden Verantwortlichkeit“ verknüpft.151 Die Norm wurde also geschaffen, um gerade die qualifizierten Einflussnahmemöglichkeiten im Vertragskonzern zu kompensieren und nicht jegliche Form von Leitung einer Verantwortlichkeit zu unterwerfen.152 Die von Krebs für die Möglichkeit zur Verallgemeinerung angeführte Aussage, der gesetzliche Vertreter könne „die Geschicke der Gesellschaft ebenso wie der Vorstand“ bestimmen153, betrifft zudem tatsächlich nur die Beweislast in Abs. 2 S. 2 und nicht die Haftung als solche.154 Auch § 317 Abs. 3 AktG scheint ferner schon deshalb als Anknüpfungspunkt für ein allgemeines Prinzip der Haftung bei sorgfaltswidriger Leitung ungeeignet, weil die Regelung im Zusammenhang mit Abs. 1 zu sehen ist, der nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers verhindern soll, dass die mit einem Beherrschungsvertrag verbundene Leitungsmacht in Anspruch genommen wird, ohne dass eine solcher Vertrag geschlossen wurde.155 Auch hier hindert also der spezifisch konzernrechtliche Regelungszusammenhang an einer Verallgemeinerung. Abgesehen von der methodisch nicht überzeugenden Anknüpfung an das Aktienkonzernrecht, stellt sich zudem tatsächlich die Frage, warum Krebs allein an diese Normen anknüpft und nicht versucht hat, das Prinzip aus allen Vorschriften abzuleiten, die die Verantwortlichkeit von Leitungsorganen regeln. Dies ist auch deshalb verwunderlich, weil beispielsweise U. H. Schneider, auf den sich Krebs an mehreren Stellen beruft156, für ein ähnlich lautendes Prinzip der Haftung für sorgfaltswidriges Verhalten gerade auf diese Vorschriften verweist.157 Den positiv-rechtlichen Nach149 Schürnbrand, Organschaft, S. 195; für den lediglich punktuellen Aussagegehalt von § 309 AktG bereits Schlegelberger/Martens, HGB § 164 Rn. 10. 150 Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 60 f. 151 Begr. RegE AktG 1965 abgedruckt bei Kropff, S. 404. 152 So auch Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 60. 153 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 106. 154 Begr. RegE AktG 1965 abgedruckt bei Kropff, S. 405. 155 Begr. RegE AktG 1965 abgedruckt bei Kropff, S. 418, 419. 156 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 23 f., 270 f., 280 f. 157 U. H. Schneider, BB 1981, 249, 257. Auch bei Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 6. Auflage, 1978/1983, § 43 Rn. 266 findet sich kein expliziter Verweis auf die von Krebs

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weis für die Existenz seines Prinzips liefert allerdings auch Schneider nicht.158 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass auch der Ansatz von Krebs zur Begründung einer Sonderverbindung in den Fällen faktischer Geschäftsführung nicht überzeugen kann. cc) Korrespondenz von Leitung und Verantwortlichkeit als „Gerechtigkeitsprinzip“ Ohne eine dogmatisch und methodisch tragfähige Grundlage bleibt vom Prinzip der Haftung für sorgfaltswidrige Leitung nicht mehr als die von Wiedemann stammende Wendung vom „Gerechtigkeitsprinzip, wonach Leitung und Verantwortlichkeit korrespondieren.“159 Die wertungsmäßige Richtigkeit dieser Aussage soll auch hier nicht geleugnet werden. Nur ergibt sich aus dieser Formel gerade nicht, wann faktische Einflussnahme ein Maß erreicht hat, das wie die Tätigkeit des bestellten Geschäftsführers als „Leitung“ bezeichnet werden muss, so dass eine konkrete Verantwortlichkeit wie die aus § 43 Abs. 2 GmbHG angemessen wäre. Darüber hinaus ist nicht gesagt, dass legale und „illegale Leitung“ wie im Fall der faktischen Geschäftsführung160 im Hinblick auf die Verantwortlichkeit stets gleich zu behandeln sind. So könnte es vielmehr sein, dass illegale Leitung eine andere Verantwortlichkeit nach sich zieht als legale Leitung. Dem „Gerechtigkeitsprinzip“ wäre unter Umständen auch damit genüge getan. Zur hier interessierenden Frage, inwieweit die Fälle der faktischen und bestellten Geschäftsführung wertungsmäßig vergleichbar sind, lässt sich damit mangels konkreter Vorgaben auch aus dem Prinzip des Gleichlaufs von Leitung und Verantwortung keine Antwort gewinnen. 2. Zwischenfazit Der kurze Überblick über die Versuche zur Begründung einer Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung hat gezeigt, dass die Aussage K. Schmidts, die Existenz einer solchen Sonderverbindung sei „rechtsdogmatisch noch nicht geklärt“161, noch immer Geltung beansprucht. Ebenso kann der Verweis auf die Existenz faktisch genannten Vorschriften als Grundlage für eine Gesamtanalogie, sondern bloß der Hinweis, dass der von Schneider angenommene Rechtssatz für den Konzern in § 309 (und § 323) AktG seinen gesetzlichen Ausdruck finde. 158 Ebenso Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 65; ebenso in Bezug auf Krebs’ unterlassene Untersuchung der § 43 GmbHG/§ 93 AktG Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 61. 159 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 546. 160 Der Begriff der „illegalen Leitung“ findet sich bei Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 174. 161 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1223; ebenso bereits nahezu unverändert in der 1. Auflage, Gesellschaftsrecht 1986, S. 911. Gleiches gilt für die „Okkupierung der Organstellung“ als Anknüpfungspunkt für eine Sonderverbindung, vgl. etwa MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 18. Auch hier fehlt der konstruktive Nachweis.

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begründeter Sonderverbindungen im Deliktsrecht keine Begründung für die Existenz einer solchen im vorliegenden Kontext bilden. Somit scheidet das Vorliegen einer Sonderverbindung als ein Anknüpfungspunkt für die wertungsmäßige Vergleichbarkeit von faktischem und bestelltem Geschäftsführer aus. Auch wenn diese Feststellung bereits als Argument gegen das Normanwendungsmodell dienen kann, ist die Tatsache, dass sich eine Sonderverbindung nicht sicher begründen lässt, wohl auch kein zwingendes Hindernis für die Einzelnormanwendung, sofern die Vergleichbarkeit der Fälle anders begründbar ist.162 Diese Möglichkeit soll im Folgenden weiter überprüft werden, wobei nun die verschiedenen in der Literatur diskutierten Voraussetzungen für die Einzelnormanwendung in den Blickpunkt geraten.

II. Die Rückbindung einzelner Merkmale faktischer Geschäftsführung an den jeweiligen Normzweck Ausgehend von der methodischen Einordnung als Analogie oder teleologische Extension müssten sich die einzelnen Voraussetzungen, die in Rechtsprechung und Literatur für die Einzelnormanwendung diskutiert werden, auf den Normzweck der jeweiligen Vorschriften zurückführen lassen bzw. unter wertenden Gesichtspunkten eine Vergleichbarkeit zwischen faktischem Geschäftsführer und bestelltem Geschäftsführer begründen können, so dass die Einbeziehung der nicht geregelten Fälle in den Anwendungsbereich von §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO nicht nur möglich, sondern auch nötig wäre, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Zugleich müsste wiederum in allen Fällen, in denen diese Merkmale nicht vorliegen, eine Anwendung der Normen ausgehend vom Zweck der einzelnen Vorschriften bzw. im Hinlick auf eine wertungsmäßige Vergleichbarkeit gerade ausscheiden. 1. Außenauftritt und Billigung als notwendige Voraussetzung faktischer Geschäftsführung163 Die in der Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagenen Kriterien für die Einzelnormanwendung wurden bereits im zweiten Kapitel dieser Arbeit darge162

So auch Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 201. Eine Sonderverbindung ist wohl auch deshalb entbehrlich, weil die hier interessierenden Normen § 15a InsO sowie §§ 43, 64 GmbHG, als gesetzliche Pflichten einzuordnen sind, für § 15a InsO vgl. Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, Anh. zu § 64 Rn. 55; für § 64 S. 1 GmbHG Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 167 f. (zum wortgleichen § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.); für § 43 GmbHG vgl. Ehricke, Konzernunternehmen, S. 338; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401; ähnlich auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 272 (Fn. 1); für die AG MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 11; GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 45; grundlegend Mestmäcker, Verwaltung, S. 211 f.; a.A. allerdings Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 170. 163 Die Frage, ob wegen § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG zwingend nur natürliche Personen als faktische Geschäftsführer infrage kommen, sei hier ausgeklammert, da eine Analyse vor dem

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stellt.164 Gleiches gilt für die Kritik hieran aus dem jüngeren Schrifttum. Zudem wurde die Voraussetzung der Billigung auch bereits in diesem Kapitel im Zusammenhang mit der Frage nach einer Sonderverbindung zwischen faktischem Geschäftsführer und Gesellschaft diskutiert165, so dass zunächst im Hinblick auf die vorgetragenen Argumente hierauf verwiesen werden kann. Ganz allgemein ist im vorliegenden Zusammenhang festzustellen, dass die genannten Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung durchaus naheliegend allesamt dem „Vorbild“ des bestellten Geschäftsführers entlehnt sind. Die Merkmale „zeichnen“ gewissermaßen das Bild einer Person, die wie ein bestellter (Mit-)Geschäftsführer nach dem gesetzlichen Leitbild, zumindest für einen Teilbereich der Geschäfte (mit Wissen oder Billigung der Gesellschafter) umfassend auch nach außen Verantwortung übernimmt. Dieses Bild wird auch in den Formulierungen der Rechtsprechung sichtbar, wenn diese darauf abstellt, dass der faktische Geschäftsführer „die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln […] maßgeblich in die Hand genommen“ habe.166 Im Hinblick auf die hier interessierende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Vergleichbarkeit zwischen bestelltem und faktischem Geschäftsführer besteht, so dass eine Verantwortlichkeitserweiterung notwendig wird, scheint damit prima facie der richtige Weg eingeschlagen. Nun ist allerdings die Kritik an den einzelnen Merkmalen aus der jüngeren Literatur nach Ansicht des Autors von den Befürwortern der jeweiligen zwingenden Voraussetzung nicht überzeugend widerlegt worden. So stellt sich in der Tat die Frage, warum es darauf ankommen soll, dass der faktische Geschäftsführer nach außen auftritt, wenn, wie bereits angesprochen, Vertrauensschutzaspekte im Kontext von § 43 GmbHG keine Rolle spielen167 und sein bestelltes Pendant ohne Weiteres eine Verantwortlichkeit nach dieser Norm treffen kann, auch wenn es nie nach außen hin tätig geworden ist.168 § 43 Abs. 2 GmbHG verfolgt den Zweck, den umfangreichen Befugnissen und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers innerhalb der Gesellschaft eine entsprechende strenge Verantwortlichkeit gegenüberzustellen.169 Ein Außenauftritt ist für das Bestehen der mit den Einflussmöglichkeiten verbundenen Gefahren aber keine zwingende Voraussetzung, auch wenn das Tätigwerden nach außen stets ein erhebliches Gefährdungspotential birgt. Einen entscheidenden WertungsgesichtsHintergrund der Regelungen im englischen Recht wesentlich gewinnbringender ist, siehe Kapitel 4 E. I. 1. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass in der Tat, wie in der Literatur vielfach vertreten, eine direkte Verantwortlichkeit der juristischen Person als faktischer Geschäftsführer begrüßenswert wäre, weil dies zu sachgerechten Ergebnissen führt. 164 Kapitel 2 B. II. 165 C. I. a). 166 BGHZ 104, 44, 48; zur „Bildhaftigkeit“ auch Sorge, Haftung, S. 140. 167 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 231. 168 Eine solche Aufgabenverteilung ist durchaus denkbar, vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 308. 169 Schürnbrand, Organschaft, S. 303; ähnlich Burgard, NZG 2002, 606, 608.

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punkt für die Frage, ob eine Übertragung von Geschäftsleiterpflichten auf nicht bestellte Personen im Wege der Analogie oder teleologischen Extension sachgerecht und notwendig ist, kann das Merkmal des Außenauftritts damit im Hinblick auf diese Norm nicht liefern. Darüber hinaus ist auch für die Verpflichtung des bestellten Geschäftsführers nach § 15a Abs. 1 InsO das Tätigwerden nach außen kein relevantes Wertungskriterium: Diese Pflicht, (vor allem) im Interesse der Gläubiger rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen, trifft den bestellten Geschäftsführer unter anderem deshalb, weil er aufgrund seiner Tätigkeit den entsprechenden Informationsstand hat, um die finanzielle Lage der Gesellschaft zu beurteilen.170 Eine solche Position hängt freilich nicht davon ab, dass der bestellte Geschäftsführer für die Gesellschaft auch nach außen hin tätig wird. Es kann daher nicht überzeugen, dies plötzlich bei einer Verantwortlichkeitserstreckung auf faktisch tätige Personen als entscheidendes Kriterium zu berücksichtigen. Ferner spielen auch hier Vertrauensschutzaspekte keine Rolle.171 Auch die letzte im vorliegenden Kontext interessierende Norm, § 64 GmbHG, steht zwar im Zusammenhang mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers,172 was auf den ersten Blick das Anknüpfen an einen Außenauftritt nahelegen mag. Bedenkt man aber, dass die Verantwortlichkeit des bestellten Geschäftsführers nach § 64 GmbHG schon greift, wenn ihm die Zahlung zurechenbar ist, weil sie „von ihm veranlasst worden ist bzw. mit seinem Wissen und Wollen geschehen ist oder aber er die Zahlung hätte verhindern können“173, so zeigt sich auch hier, dass der Außenauftritt kein entscheidender Wertungsgesichtspunkt sein kann, wenn es darum geht, die rechtsfortbildende Anwendbarkeit der Norm auf faktisch tätige Personen zu überprüfen. Es besteht ebenfalls kein Zusammenhang mit dem Normzweck des Gläubigerschutzes.174 Auch das Merkmal der Billigung steht in keinem direkten Zusammenhang mit den genannten Normzwecken. Dies wurde bereits bei der Frage nach dem Bestehen einer Sonderverbindung zwischen faktisch tätiger Person und Gesellschaft festgestellt.175 Es geht bei den hier interessierenden Normen eben gerade nicht um eine Zurechnung von Verhalten, sondern um die Verantwortlichkeit der tätigen Person gegenüber der Gesellschaft.176 Warum das Merkmal der Billigung im Rahmen des hier zu untersuchenden „wertenden Aktes“ jenseits der abzulehnenden Bestellungsfiktion Berücksichtigung finden soll, leuchtet daher nicht ein. Das Gefährdungspotential für die 170

Stein, ZHR 148 (1984) 207, 231 zur Vorgängervorschrift § 64 GmbHG a.F.; a.A. Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 105. Zur gläubigerschützenden Funktion der Insolvenzantragspflicht BT-Drucks. 16/6140, S. 55. 171 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 220; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117. 172 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 3, 6. 173 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 62, 123. 174 Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, S. E 48. 175 C. I. a). 176 Schürnbrand, Organschaft, S. 307; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343. Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B. I. 1. und Kapitel 3 C. I. 1. a).

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Gesellschaft und die Gläubiger ist bei fehlender Billigung jedenfalls nicht geringer.177 Der Einwand Strohns, eine Person, die nicht mit Kenntnis und Duldung der Gesellschafter tätig werde, dürfe nicht über die bedeutsame Frage der Insolvenzantragsstellung entscheiden178, greift schließlich jedenfalls dann nicht voll durch, wenn man richtigerweise davon ausgeht, dass dem faktischen Geschäftsführer kein Insolvenzantragsrecht zusteht.179 Zusammenfassend lässt sich damit für die hier diskutierten zwingenden Merkmale feststellen, dass sie mangels Rückbindung an den jeweiligen Normzweck keinen entscheidenden Wertungsgesichtspunkt für eine Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen im Wege der Analogie oder teleologischen Extension darstellen können. Dies spricht zwar nicht gegen das Normanwendungsmodell als solches, da viele Vertreter des Modells die hier diskutierten Merkmale ebenfalls ablehnen.180 Die Rechtsprechung und diejenigen Literaturstimmen, die für die genannten Merkmale eintreten, müssen sich allerdings vorhalten lassen, dass auf dieser Grundlage eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie oder teleologischen Extension nicht überzeugend vertreten werden kann. Sofern teilweise darauf hingewiesen wurde, das Festhalten am Merkmal des Außenauftritts solle allein der Sorge einer ausufernden Gesellschafterhaftung und Problemen bei der Abgrenzung zu anderen Haftungsgrundlagen wie etwa aus dem Konzernrecht begegnen181, so ist hier klarzustellen, dass diese Gefahr durchaus ernstzunehmen ist.182 Zur Vermeidung dieser das Merkmal des Außenauftritts einzuführen, schießt jedoch über das Ziel hinaus und privilegiert in vielen Fällen die Einflussnehmenden zu unrecht vor allem zu Lasten der Gläubiger. Statt der Anwendung eines zu engen Begriffs der faktischen Geschäftsführung wäre es daher sowohl innerhalb des Normanwendungsmodells als auch im Hinblick auf die hier angestrebte eigenständige Lösung sachgerechter, genau zu untersuchen, was legitime Einflussnahme der Gesellschafter im Unterschied zu illegitimer Einflussnahme ausmacht, um erstere vom Begriff der faktischen Geschäftsführung ausnehmen zu können und so den Befürwortern des Außenauftritts die Sorge ausufernder Gesellschafterhaftung zu nehmen.183

177

Stein, ZHR 148 (1984) 207, 221; Sorge, Haftung S. 123. Strohn, DB 2011, 158, 163. 179 Sorge, Haftung, S. 125. Vgl. hierzu auch C. III. 1. 180 Vgl. Kapitel 2 B. II. 4. 181 Schürnbrand, Organschaft, S. 308. Diese Gefahr betonen etwa MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19 und U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22. 182 Dies gilt sowohl innerhalb des Normanwendungsmodells als auch für die hier vertretene eigene Lösung, siehe unten Kapitel 5 B. III. 3. 183 Hierfür auch Schürnbrand, Organschaft, S. 308 f.; Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 238 f.; Sorge, Haftung S. 110. 178

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2. Die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise Statt mit Kriterien wie dem Außenauftritt oder der Billigung durch das Bestellungsorgan, wird – wie im zweiten Kapitel dargestellt – von einer immer größer werdenden Anzahl von Autoren184 die Frage, unter welchen Voraussetzungen faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung dem organschaftlichen Verantwortlichkeitsregime unterstellt werden soll, mit der dem schweizerischen Schrifttum entlehnten Formel „der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise“ beantwortet.185 Diese wird in erster Linie zur Konkretisierung der Anwendungsfälle der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung verwendet186, aber dient den Autoren teilweise auch für alle anderen hier diskutierten Normen als Anknüpfungspunkt.187 Dies scheint angesichts der Offenheit der Formel einerseits und bestehenden Gemeinsamkeiten der jeweiligen Normen (vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B. I. 1. a) und 3.) andererseits durchaus möglich. Trotz der „generellen Leitlinie“188, die die Formel bildet, bleibt es jedenfalls für jede Norm und jede Anwendung bei der Abwägung im Einzelfall.189 Die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise wird von den genannten Autoren als Konkretisierung des Typus des faktischen Geschäftsführers verstanden190, so dass damit keine abschließende Definition, sondern lediglich der Versuch der genaueren Beschreibung der „äußeren Grenzen“ faktischer Geschäftsführung unternommen werden soll.191 Da allerdings gezeigt wurde, dass die Verwendung der Typuslehre im vorliegenden Kontext keinen Erkenntnisgewinn bringt und die methodische Grundlage des Normanwendungsmodells nur unnötig verkompliziert192, soll hier diese Formel allein unter dem Gesichtspunkt untersucht werden, ob sie zutreffend den entscheidenden Wertungsgesichtspunkt für eine Einzelnormanwendung im Wege der teleologischen Extension oder Analogie umschreibt. Mit anderen Worten ist zu fragen, ob die Formel geeignet ist, diejenigen Fälle faktischer Einflussnahme 184

Forstmoser, FS Meier-Hayoz, 1982, S. 125, 146 ff. Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., GmbHR 2011, 337, 341; Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1010; ihm folgend Schürnbrand, Organschaft, S. 311 ff.; Sorge, Haftung, S. 133 ff. 186 Vgl. Forstmoser, FS Meier-Hayoz, 1982, S. 125, 150, der die Formel im Hinblick auf die allgemeine aktienrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR verwendet. 187 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Sorge, Haftung, S. 169; anders Schürnbrand, Organschaft, S. 303, 311, der die Formel nur im Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 GmbHG/§ 93 Abs. 2 AktG verwendet. 188 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341. 189 Sorge, Haftung, S. 169. 190 Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1010; Schürnbrand, Organschaft, S. 308, 311; Sorge, Haftung, S. 133 ff. 191 Sorge, Haftung, S. 133; ebenso spricht Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341, von einer generellen Leitlinie, die als „funktionelle Abgrenzung […] Selektionskraft in drei Richtungen“ entfaltet. 192 Siehe A. II. 185

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zu identifizieren, die eine Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten notwendig machen, weil eine wertungsmäßige Vergleichbarkeit zum bestellten Geschäftsführer besteht, und von denjenigen zu trennen, in denen eine solche Vergleichbarkeit gerade fehlt. Dies wurde in der Literatur verschiedentlich bezweifelt, worauf nun einzugehen ist. Zunächst wird kritisiert, die Formel sei derart unbestimmt, dass eine „berechenbare Rechtsanwendung“ nicht zu gewährleisten sei.193 Hiergegen wenden die Befürworter ein, dass Abgrenzungsprobleme keine Besonderheit des vorliegenden Falles seien, sondern eine durchaus zu bewältigende Herausforderung, der sich die Rechtsanwendung häufig stellen müsse.194 In der Tat erscheint die Gefahr einer völlig unberechenbaren Rechtsanwendung übertrieben, wie sich an den Ausführungen zu den einzelnen denkbaren Fallgruppen faktischer Geschäftsführung auf Grundlage der Formel zeigt.195 Gewisse Unschärfen überraschen zudem im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei Analogie und teleologischer Extension jeweils um einen wertenden Akt handelt, nicht.196 Doch selbst wenn man die Frage anders beurteilen würde, erschiene dies als alleiniger Anknüpfungspunkt für die Kritik insoweit dünn, als die alternativ vorgeschlagene Anknüpfung an die Organverdrängung ebenso wenig überzeugen kann.197 Verwandt mit der Kritik, die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise sei zu unbestimmt, ist die insbesondere von Haas angesprochene Schwierigkeit, organspezifische Funktionen der Geschäftsführung von solchen der Gesellschafter abzugrenzen. So gebe es kein gesetzlich definiertes Berufsbild eines Geschäftsleiters und auch beim Anknüpfen an wirtschaftliche Kriterien bestehe das Problem, dass etwa die Bestimmung der Grundzüge der Unternehmenspolitik oder die Entscheidung über ungewöhnliche Unternehmensmaßnahmen zwar Managementaufgaben darstellten, nach herrschender Ansicht aber dennoch in den Kompetenzbereich der Gesellschafter fielen.198 Diese Zweifel an der Möglichkeit, die Wahrnehmung organspezifischer Funktionen der Geschäftsführung zu identifizieren, überzeugen nicht vollumfänglich. Zunächst gibt es zwar keine gesetzliche Definition des Geschäftsführers, aber nach der Vorstellung des Gesetzes durchaus originäre Geschäftsführungsaufgaben wie explizit zuge-

193 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 43 Rn. 43; allgemein kritisch hierzu bereits Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 108 ff. 194 Schürnbrand, Organschaft, S. 311 unter Verweis auf BGHZ 155, 318, 324; ebenso Sorge, Haftung, S. 134. Auch Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1010, halten die gebotene Rechtssicherheit für gegeben. 195 Vgl. etwa Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344 ff. 196 Hierfür bedarf es freilich nicht des Rückgriffs auf den Typus, vgl. A. II. 197 Vgl. B. I. und II. 198 Haas, NZI 2006, 494, 499; Michalski/Haas, GmbHG, 1. Auflage 2002, § 43 Rn. 26 f.; ähnlich auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3.

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wiesene Einzelpflichten und die „laufende Geschäftsführung“.199 An diese kann jedenfalls angeknüpft werden. Was die Frage nach den Kompetenzen der Gesellschafterversammlung angeht, so ist die allerdings nicht herrschende Auffassung vorzugswürdig, dass jedenfalls die Grundzüge der Unternehmenspolitik nicht in die Grundsatzkompetenz der Gesellschafter fallen.200 Zum einen lässt sich noch immer nicht eindeutig bestimmen, was unter den Grundzügen der Unternehmenspolitik überhaupt zu verstehen ist und zum anderen ergeben sich Probleme, wenn man von einer Zuständigkeit der Gesellschafter ausgeht, diese es aber unterlassen, entsprechende Grundzüge vorzugeben.201 Im Hinblick auf die ungewöhnlichen Maßnahmen dürfte tatsächlich eine originäre Kompetenz der Gesellschafter vorliegen, weil die Schwierigkeiten, die sich bei den Grundzügen der Unternehmenspolitik zeigen, nicht in gleichem Maße bestehen.202 Schürnbrand hat allerdings zutreffend festgestellt, dass auch in diesem Fall eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers denkbar ist, weil dieser wie sein bestelltes Pendant seine Kompetenzen überschreitet, wenn er über entsprechende Maßnahmen selbst entscheidet.203 Die Umsetzung der ungewöhnlichen Maßnahme wiederum fällt zudem ohnehin in die Zuständigkeit der Geschäftsführung. Lediglich in den Fällen, in denen sich die faktische Einflussnahme auf die Mitwirkung bei der Beschlussfassung zu ungewöhnlichen Maßnahmen beschränkt, würde eine Haftung zu Recht wegfallen, weil es sich funktional nicht um eine Aufgabe der Geschäftsführung handelt. Abgrenzungsschwierigkeiten zeigen sich hierbei aber nicht. Schließlich wird vorgetragen, dass jedenfalls im Rahmen der Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG nicht deutlich werde, warum ab einem bestimmten Maß der Einflussnahme die Wahrnehmung an sich legitimer Interessen, etwa von Kreditgebern, zurücktreten müsse.204 Im Übrigen bleibe letztlich offen, warum nur organtypische Einflussnahme eine Verantwortlichkeit nach sich ziehen solle, obwohl durchaus auch eine einzelne Weisung bereits erhebliches Schädigungspotential mit sich bringen könne.205 Auch diese Kritik schlägt nicht durch. Zunächst geht es nicht um die Überwindung von legitimer Interessenwahrnehmung durch das Kriterium der 199 So nun auch Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 29; ebenso Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Sorge, Haftung, S. 135; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 3; für eine klare Abgrenzbarkeit von Geschäftsführungs- und Gesellschafteraufgaben auch Steffek, JZ 2009, 77, 79. 200 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 37 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 37 Rn. 8; Schürnbrand, Organschaft, S. 312; Kort, ZIP 1991, 1274, 1276; a.A. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 8 m.w.N. 201 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 37 Rn. 8; Schürnbrand, Organschaft, S. 312. 202 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 37 Rn. 10 m.w.N.; a.A. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 37 Rn. 7; Schürnbrand, Organschaft, S. 312. 203 Schürnbrand, Organschaft, S. 313. 204 Servatius, Covenants, S. 370. 205 Servatius, Covenants, S. 361, 371.

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Einflussnahme206, sondern um die Abgrenzung von legitimer Interessenwahrnehmung und illegitimer Einflussnahme.207 Es besteht funktional ein Unterschied, ob ein Kreditgeber eigene Interessen wahrnimmt, oder dazu übergeht, die Interessenwahrnehmung seines Vertragspartners durch ein Eindringen in die korporative Sphäre und die Bildung von dessen Willen wahrzunehmen.208 Ist die entsprechende Schwelle überschritten, rechtfertigt dieser Unterschied es, in Bezug auf die hier interessierende Frage der Vergleichbarkeit mit einem bestellten Organ, die Kreditgebereigenschaft in den Hintergrund treten zu lassen. Die Tatsache, dass an sich legitime Interessen bestehen, die auch verwirklicht werden dürfen, erlaubt nicht die Durchsetzung dieser auf jegliche Art. Im Hinblick auf das zweite Argument gilt es zu bedenken, dass zwar einzelne Weisungen ein durchaus erhebliches Gefährdungspotential bergen können, die spezifische Organverantwortlichkeit aber gerade nicht jede Gefahr sanktionieren will, sondern solche, die gerade mit der funktionalen Stellung des Organs zusammenhängen.209 Ob eine solche spezifische Gefahr auch bei der Tätigkeit des faktisch Einflussnehmenden begründet wird, ist damit einer der Gesichtspunkte für den wertenden Akt als Voraussetzung für Analogie bzw. teleologische Extension. Daraus ergibt sich Folgendes: Wenige Einzelmaßnahmen können im Ausnahmefall ihrem Umfang nach so tiefgreifend sein, dass sie die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur verletzen und eine Gefährdungslage erzeugen, die mit derjenigen bei der Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers vergleichbar ist.210 Weist die einzelne Einflussnahme aber eine solche Gefahr gerade nicht auf, so mag es zwar unter anderen, hier nicht näher zu vertiefenden Gesichtspunkten wünschenswert sein, den Einflussnehmenden dennoch einer Verantwortlichkeit zu unterwerfen. Die speziellen Vorschriften der organschaftlichen Verantwortlichkeit sind hierfür aber nicht der richtige Anknüpfungspunkt. Kann also die bisher vorgetragene Kritik jedenfalls nicht vollumfänglich überzeugen, stellt sich die Frage, ob mit der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise nicht die Lösung für die eingangs aufgeworfene Frage gefunden ist, weil sie (konkretisiert im Einzelfall) den entscheidenden Wertungsgesichtspunkt für die Vergleichbarkeit faktischer Einflussnahme mit derjenigen eines bestellten Geschäftsführers herausarbeitet und damit die Notwendigkeit der Übertragung einzelner Normen des organschaftlichen Verantwortlichkeitsregimes im Wege der Analogie oder teleologischen Extension begründen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar beschreibt die Formel mit ihrer funktionalen Betrachtungsweise durchaus zutreffend das mit der Tätigkeit eines 206

So aber Servatius, Covenants, S. 370. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341, 344; so in Erwiderung auf Servatius auch Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 260. 208 Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., GmbHR 2011, 337, 344; Schürnbrand, Organschaft, S. 314; kritisch gegenüber der Funktionstüchtigkeit einer solchen Abgrenzung aus dem Schweizer Schrifttum Vogel, Die Haftung der Muttergesellschaft, S. 307. 209 Schürnbrand, Organschaft, S. 303. 210 Hierfür etwa Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342; a.A. Schürnbrand, Organschaft, S. 312. 207

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bestellten Geschäftsführers vergleichbare spezifische Gefährdungspotential faktischer Geschäftsführung, indem sie einerseits zu enge Begriffsmerkmale wie den Außenauftritt und die Billigung durch das Bestellungsorgan vermeidet, andererseits aber auch die Fälle richtigerweise ausscheidet, in denen ein Schädigungspotential und damit eine Gefährdung von Gesellschaftern und Gläubigern zwar durchaus bestehen kann, dieses aber gerade nicht auf den Umständen beruht, die den Gesetzgeber zur Kodifikation der besonderen Organverantwortlichkeit bewegt haben. Damit sind gewichtige Wertungsgesichtspunkte zur Begründung einer Vergleichbarkeit herausgearbeitet.211 Es gilt allerdings weiter zu fragen, ob angesichts des mit der funktionalen Betrachtung identifizierten vergleichbaren Gefährdungspotentials für Gesellschafter und Gläubiger, die Einzelnormanwendung auch das geeignete Mittel bildet, um dieser Gefährdung zu begegnen. Dies ist, wie sogleich zu zeigen sein wird, in verschiedener Hinsicht gerade nicht der Fall, so dass letztlich die rechtsfortbildende Anwendung der einzelnen Geschäftsleiterpflichten keinen Ansatz zur sachgerechten Lösung des Problems bietet. Zudem lässt die alleinige Konzentration auf die vergleichbare Gefährdungslage unberücksichtigt zu untersuchen, ob die faktische Geschäftsführung im Unterschied zur Geschäftsführung durch einen bestellten Geschäftsführer nicht auch bestimmte Besonderheiten aufweist, denen die Einzelnormanwendung wegen ihres Zuschnitts auf den bestellten Geschäftsführer gerade nicht Herr werden kann. Auch hierauf wird im Folgenden einzugehen sein.

III. Die Wirkungsweise der Haftungsnormen In den Fokus rückt nach dem zuvor Gesagten nun als nächster wichtiger Aspekt des hier zu untersuchenden „wertenden Akts“ die Wirkungsweise der einzelnen Normen212, d. h. die Art und Weise, wie durch sie versucht wird, den Normzweck zu realisieren. Nur wenn die Gefährdung der Schutzzwecke, die mit der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise identifiziert wurde, auch durch die Normanwendung derart gehandhabt werden kann, dass die Erreichung des Normzwecks gesichert ist, kann eine Analogie oder teleologische Extension wertungsmäßig überzeugen. Bevor diese Frage beantwortet werden kann, gilt es jedoch zunächst die Wirkungsweise der hier diskutierten Normen zu erläutern. Die §§ 43 Abs. 2, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO weisen folgende Gemeinsamkeiten auf: Zunächst sollen alle betreffenden Normen den Verpflichteten durch die drohende Haftung zur Pflichterfüllung anhalten. Dies gilt für § 43 GmbHG ebenso213 wie für § 64 GmbHG.214 Auch die Insolvenzantragspflicht nach § 15a 211

Die Formel kann daher auch für den eigenen Ansatz nutzbar gemacht werden, siehe unten Kapitel 5 A. II. und B. III. 212 Vgl. zu dieser Kategorisierung auch Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 65. 213 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 2; Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 2.

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Abs. 1 InsO zielt auf präventiven Gläubigerschutz ab,215 wobei zur Pflichterfüllung durch die drohende Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB angeregt wird.216 Des Weiteren haben die genannten Normen aber auch noch eine andere Funktion für den Fall, dass die Präventionsfunktion leerläuft: die Kompensation.217 So knüpft das Gesetz an einen Pflichtverstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft. Bei einem Verstoß gegen § 64 GmbHG trifft den Geschäftsführer eine Erstattungspflicht für nach Insolvenzreife geleistete bzw. zur Zahlungsunfähigkeit führende Zahlungen. Ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht wiederum kann zu Gunsten der Gläubiger über § 823 Abs. 2 BGB zu einer Haftung führen und damit Kompensation bewirken.218 Soll der umfassende Schutz der Gesellschafter- und Gläubigerinteressen also einerseits durch Prävention andererseits durch Kompensation erzielt werden, so muss untersucht werden, ob dies auch gelingt, wenn Anwendungssubjekt der Norm nicht ein bestellter, sondern ein faktischer Geschäftsführer ist. 1. Die Inkongruenz von Rechten und Pflichten a) Die unterschiedliche Ausgangslage bei faktischem und bestelltem Geschäftsführer Voraussetzung für die Erfüllung der Präventions- und Ausgleichsfunktion der hier betrachteten Normen ist, dass der Normadressat zur Pflichterfüllung in der Lage ist. Im Hinblick auf das in § 43 Abs. 2 GmbHG enthaltene Schädigungsverbot219 gegenüber der Gesellschaft stellen sich hierbei keine besonderen Probleme.220 Sofern zum Schutze der Gesellschafter und Gläubiger aber die betreffenden Normen eine Pflicht zur Vornahme von konkreten Handlungen statuieren, muss der Normadressat auch über das entsprechende Recht hierzu verfügen. Andernfalls können Schäden weder vermieden werden, noch kann im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Handlungsgebot der betreffenden Person ein Vorwurf gemacht werden, der eine Haftung nach sich zieht. Betrachtet man unter diesen Vorzeichen die umfassende Pflichtenstellung des bestellten Geschäftsführers, die diesen je nach Situation auch zu einer Vielzahl von Handlungen verpflichtet, so zeigt sich, dass die Pflichten214

Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 3, 6; a.A. zu § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. wohl Hartmann, Insolvenzantragspflicht, S. 84. 215 K. Schmidt/K. Schmidt/Herchen, § 15a InsO Rn. 1; allgemein zur Verhaltenssteuerungsfunktion des Insolvenzrechts Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 66 f. 216 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 546; ausführlich zur Kompensations- und Präventionsfunktion der zivilrechtlichen Pflichten und Haftungsnormen für Geschäftsleiter nach Insolvenzeintritt, ibid., S. 451 ff. 217 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 2; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 4. 218 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 452, 453 ff. 219 Vgl. hierzu Schürnbrand, Organschaft, S. 314. 220 Die Entscheidung des OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317, kann hierfür als Beispiel dienen.

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stellung mit einer Reihe von Rechten korrespondiert, die dem Geschäftsführer durch die Bestellung vermittelt werden. Diese Rechte betreffen vielfältige Aspekte: Die Berechtigung des bestellten Geschäftsführers zur Stellung des Insolvenzantrags wurde bereits angesprochen. Daneben ist der bestellte Geschäftsführer aber vor allem zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (§ 35 Abs. 1 GmbHG) und verfügt zudem über umfangreiche Informationsrechte221, insbesondere um seiner Überwachungsund Organisationspflicht bei der arbeitsteiligen Geschäftsführung nachkommen zu können.222 Erst seine umfassende Rechtsposition versetzt den bestellten Geschäftsführer in die Lage, Handlungsgebote zu befolgen und Schäden zu vermeiden. Tut er dies schuldhaft nicht, muss sich der Geschäftsführer vorwerfen lassen, die ihm mögliche Handlung unterlassen zu haben. Er hat dann den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Der faktische Geschäftsführer verfügt hingegen über keine vergleichbare Rechtsposition. Zwar ist es auf der Grundlage des Normanwendungsmodells durchaus möglich dem faktischen Geschäftsführer auch Rechte zuzuerkennen.223 Ganz überwiegend werden dem faktischen Geschäftsführer aber weder Vertretungsmacht noch Rechte im Innenverhältnis zuerkannt.224 Die Inkongruenz von Rechten und Pflichten wurde bereits im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht angerissen. Diese setzt eigentlich ein entsprechendes Recht zur Stellung des Insolvenzantrags voraus, welches aber dem faktischen Geschäftsführer heute zu Recht überwiegend nicht zugestanden wird.225 Bei näherem Hinsehen stellt sich die Problematik fehlender Rechte aber auch im Zusammenhang mit der Anwendung der anderen hier diskutierten Normen, die ebenfalls Handlungspflichten statuieren können. Im Zusammenhang mit § 43 GmbHG ist zu überlegen, ob der faktische Geschäftsführer, der neben bestellten Geschäftsführern tätig wird, auch verpflichtet ist, diese so wie ein bestellter Geschäftsführer zu überwachen.226 Dies würde eigentlich entsprechende Informationsrechte voraussetzen, die man dem faktischen Geschäftsführer aber nicht zuerkennen will.227 Auch das nach § 51a Abs. 1 GmbHG bestehende Informationsrecht eines faktischen Geschäftsführers, der zugleich Gesellschafter ist, kann für sich genommen keine Lösung der Problematik bieten. Zum einen ist dieses Informationsrecht nicht grenzenlos, wie § 51a Abs. 2 GmbHG zeigt228, und zum anderen bleiben dabei die Fälle unberücksichtigt, in denen ein 221

Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 59. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 33. 223 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 6 Rn. 115. 224 Strohn, DB 2012, 158, 164; Sorge, Haftung, S. 49 f. 225 Vgl. oben Kapitel 2 B. IV. 1. 226 Hierfür wohl Sorge, Haftung, S. 211. Die Überwachungspflicht des bestellten Geschäftsführers ist insbesondere auch im Zusammenhang mit § 43 Abs. 3 GmbHG von Bedeutung, siehe hierzu MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 286. 227 Für ein Informationsrecht aber Weimar, GmbHR 1997, 473, 477 (Fn. 36). 228 Daneben bestehen weitere imanente Schranken, wobei deren Verlauf im Einzelnen strittig ist, vgl. MüKo-GmbHG/Hillmann, § 51a Rn. 76 ff. 222

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Nicht-Gesellschafter als faktischer Geschäftsführer fungiert. Für den Fall eines vertraglich ausbedungenen Informationsrechts229 gilt das Gleiche. Weder steht das Vorliegen eines vertraglichen Informationsrechts in jedem Fall fest, noch ist sicher gesagt, dass die vertraglich ausbedungenen Rechte die gleiche Qualität haben, wie das Informationsrecht des bestellten Geschäftsführers. Ein vergleichbares Problem stellt sich im Zusammenhang mit der Anwendung von § 43 GmbHG ferner dann, wenn man annimmt, dass den faktischen Geschäftsführer unter Umständen auch eine Pflicht zur Wahrnehmung von Geschäftschancen trifft.230 So scheint es zweifelhaft, ob ein Vertragsabschluss oder die Vornahme anderer Rechtshandlungen für die Gesellschaft Gegenstand einer Handlungspflicht sein können, wenn das Handeln des faktischen Geschäftsführers nach außen üblicherweise nur unter Rechtsscheinsgesichtspunkten Wirksamkeit erlangt.231 Auch im Hinblick auf einen möglichen Verstoß des faktischen Geschäftsführers gegen § 64 S. 1 und S. 3 GmbHG greifen ähnliche Überlegungen. So besteht die Zahlungspflicht nur bei einem Verschulden, das wiederum an die Pflicht des Geschäftsführers anknüpft, sich über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu informieren.232 Die Informationspflicht gilt insbesondere auch dann, wenn die Geschäftsführung auf verschiedene Bereiche verteilt ist.233 Insbesondere wenn der faktische Geschäftsführer neben einem bestellten Geschäftsführer tätig wird, stellt sich somit auch hier die Frage, wie ersterer seiner Informationspflicht nachkommen soll, ohne über entsprechende Informationsrechte zu verfügen.234 Prima facie lässt sich damit festhalten, dass die Möglichkeit zur Pflichterfüllung durch den faktischen Geschäftsführer im Hinblick auf verschiedene Handlungspflichten nicht ohne Weiteres gewährleistet ist und deshalb die den haftungsbewährten Pflichten zukommende Präventionsfunktion nicht eingreifen kann. Mangels konkreter Handlungsmöglichkeit dürfte dem faktischen Geschäftsführer im Falle 229

Zu Informationsrechten in Covenants vgl. Bochmann, Covenants, S. 27. Zur Frage der Durchsetzbarkeit dieser Rechte, ibid., S. 61 ff. 230 Zu einer solchen Pflicht Schürnbrand, Organschaft, S. 314; Sorge, Haftung, S. 211. Für eine Übertragung verschiedener Handlungspflichten spricht sich auch Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 404, aus. 231 In der Tat dürfte in vielen Fällen eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegen, vgl. Strohn, DB 2011, 158, 164. Der Verweis auf § 15 Abs. 3 HGB überzeugt hingegen nicht, weil der faktische Geschäftsführer nur in seltensten Fällen ins Handelsregister eingetragen sein dürfte. 232 MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 158 f., 196. 233 MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 159. Für den vorliegenden Fall heißt dies wieder, dass neben dem faktischen Geschäftsführer noch andere bestellte Organe tätig sind. 234 Dies soll nicht heißen, dass der faktische Geschäftsführer nicht bereits durch die faktische Geschäftsführungstätigkeit selbst in gewissem Umfang Informationen erlangt. Gerade bei arbeitsteiliger Geschäftsführung reichen die aus der eigenen Tätigkeit gewonnenen Informationen aber eben nicht immer aus, um die richtige Entscheidung zu treffen.

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eines Unterlassens auch kein Vorwurf zu machen sein, der zu einer Haftung desselben führen würde. Auch die Kompensationsfunktion steht damit in Frage. Nun ließe sich hieraus schließen, dass eben nur solche Pflichten auf den faktischen Geschäftsführer angewendet werden können, die keine Handlungen von diesem verlangen, sondern lediglich ein Unterlassen.235 Nur bei diesen Pflichten, die keine korrespondierenden Rechte erfordern, scheint unter Wertungsgesichtspunkten eine Anwendung im Wege der Analogie oder der teleologischen Extension möglich. Dies hätte zur Folge, dass § 15a Abs. 1 InsO überhaupt nicht und § 43 Abs. 2 und § 64 GmbHG nur sehr eingeschränkt anwendbar wären.236 Wenn man aber wie die überwiegende Ansicht davon ausgeht, dass es für die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung einer Einflussnahme bedarf, die „eine hoch anzusetzende Wesentlichkeitsschwelle“237 überschritten hat, dürfte im Regelfall für Gesellschafter und Gläubiger mit diesem reduzierten Pflichtenprogramm kein ausreichender Schutz bestehen, weil einen bestellten Geschäftsführer, der in vergleichbarem Umfang tätig wird, auch eine Vielzahl von Handlungspflichten treffen. Deren Präventions- und Kompensationsfunktion würde beim faktischen Geschäftsführer trotz gleicher Gefährdung von vornherein leerlaufen – ein unbefriedigendes Ergebnis. Nun sind in der Literatur allerdings, insbesondere von Vertretern der funktionalen Perspektive, verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen worden, um auch Handlungspflichten auf den bestellten Geschäftsführer anwenden zu können und der Gesellschaft so ausreichenden Schutz durch Prävention und gegebenenfalls Kompensation zu bieten. Die Überzeugungskraft dieser Lösungen gilt es jetzt zu untersuchen.

235 Auch Schürnbrand, Organschaft, S. 314, weist darauf hin, dass nicht nur für jede einzelne Norm, sondern für jede einzelne Pflicht, geprüft werden muss, ob eine Übertragbarkeit in Frage kommt. 236 Anders wäre dies freilich im Hinblick auf § 15a InsO, wenn man im Anschluss an K. Schmidt davon ausginge, dass die Norm einen Begehungstatbestand enthielte, der allein an die Fortführung des Unternehmens trotz Insolvenzreife anknüpfen würde, vgl. K. Schmidt/ K. Schmidt/Herchen, § 15a InsO Rn. 2; ebenso Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 404. Hiergegen spricht aber nicht nur der Wortlaut der Norm, sondern auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber einzelne Aspekte der Fortführung gerade in anderen Normen (§ 64 GmbHG) geregelt hat, siehe MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 150. § 64 GmbHG ließe sich allenfalls problemlos anwenden, wenn man bereits die Veranlassung von Zahlungen im Bewusstsein der fehlenden Kenntnis und der fehlenden rechtlichen Möglichkeit zur Beschaffung von Informationen über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft als tatbestandliche Handlung fasste. Dies würde sich aber ebenfalls deutlich von der Konzeption des Gesetzes entfernen und daher den Rahmen von Analogie und teleologischer Extension sprengen, weil dann praktisch die faktische Geschäftsführung selbst zum Gegenstand des Tatbestands würde. Somit bleibt es dabei, dass § 64 GmbHG mangels entsprechender Rechtsposition nur Anwendung finden kann, wenn beim faktischen Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Zahlung positives Wissen um die finanzielle Lage der Gesellschaft nachgewiesen wurde. Dies dürfte jedoch nicht immer einfach sein, siehe hierzu bereits auch Fn. 234. Zu einer ähnlichen Frage im Zusammenhang mit der wrongful trading-Haftung im englischen Recht siehe Kapitel 4 Fn. 193 mit dazugehörigem Text. 237 Schürnbrand, Organschaft, S. 310; Sorge, Haftung, S. 134.

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b) Faktische Einflussmöglichkeit als inadäquater Ersatz für rechtlich abgesicherte Einflussmöglichkeiten Im Zusammenhang mit dem Problem eines fehlenden Insolvenzantragsrechts des faktischen Geschäftsführers wurde bereits auf die in der Literatur häufig vorgetragene Lösung eingegangen, den faktischen Geschäftsführer zu verpflichten, den bestellten Geschäftsführer zur Insolvenzantragsstellung zu bewegen.238 Es soll mithin eine rein faktische Einflussnahmemöglichkeit genügen, um hieran entsprechende Handlungspflichten zu knüpfen. Diese Überlegung ließe sich grundsätzlich auch auf die soeben beschriebenen anderen Fälle der Inkongruenz von Rechten und Pflichten übertragen. So ließe sich die Anwendung der haftungsbewährten Überwachungspflichten damit begründen, dass der faktische Geschäftsführer die hierfür notwendigen Informationen aufgrund seiner herausgehobenen Machtstellung erlangen könnte. Ebenso könnte man vom faktischen Geschäftsführer verlangen zur Nutzung einer Geschäftschance auf den bestellten Geschäftsführer einzuwirken, um gegebenenfalls Probleme mangelnder Rechtsmacht im Außenverhältnis zu umgehen. Es fragt sich allerdings, ob die faktische Machtstellung tatsächlich immer ausreichend ist, um hieran die Pflicht zu deren Nutzung zu knüpfen. So hat Haas im Zusammenhang mit § 15a Abs. 1 InsO das überzeugende und verallgemeinerungsfähige Argument vorgetragen, dass die „Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers nicht voraussetzt, dass dieser die wahren Geschäftsführer wie Marionetten lenkt und steuert.“239 Vor diesem Hintergrund sei nicht klar, „welche Einflussmöglichkeiten der faktische Geschäftsführer hat, um die wahren Geschäftsführer zur Antragstellung zu zwingen bzw. wie dies nachgewiesen werden soll.“240 Zwar wird von anderer Seite versichert, dass eine Einflussmöglichkeit im Regelfall bestehen dürfte, weil der faktische Geschäftsführer maßgeblich die Geschäftsleitung bestimme.241 Zweifelsfrei vorhersagen lässt sich dies freilich nicht, so dass immer ein beachtliches Risiko bleibt, dass gerade in den entscheidenden Situationen die Präventions- und Kompensationsfunktion der Haftung versagen. Dass die Möglichkeit von Meinungsverschiedenheiten zumindest im Kontext der Insolvenzantragspflicht nicht fernliegend ist, lässt sich im Übrigen auch aus den gesetzlichen Regelungen der § 15a Abs. 1 InsO und § 15 Abs. 2 InsO ablesen. So ist jedes einzelne Mitglied der Geschäftsführung verpflichtet gegebenenfalls allein Insolvenzantrag zu stellen.242 Mit dieser Verpflichtung korrespondiert das Recht aus § 15 Abs. 2 InsO unter der zu238

Ausführlich Sorge, Haftung, S. 189 ff.; Nauschütz, NZG 2005, 921, 922; Strohn, DB 2011, 158, 165; MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 61; MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 75; Bork/Schäfer/Bork, § 64 Rn. 68; U/H/L/Casper, § 64 Rn. 65; ebenso bereits Stein, ZHR 148 (1984) 207, 230 (für § 64 GmbHG a.F.). 239 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 240. 240 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 240. 241 So etwa Sorge, Haftung, S. 193, der meint, Konstellationen, in denen der bestellte Geschäftsführer sich weigere die Insolvenzantragsstellung vorzunehmen, seien „wohl getrost in das Reich der Fabel [zu] verweisen“. 242 MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 70.

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sätzlichen Voraussetzung der Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes, Insolvenzantrag zu stellen. Das Gesetz verweist damit den bestellten Geschäftsführer gerade nicht darauf, alle Mitglieder der Geschäftsführung von der Notwendigkeit einer Antragsstellung zu überzeugen, sondern erlaubt und verlangt das alleinige Tätigwerden. Für den Fall der faktischen Geschäftsführung bliebe das Schutzniveau auf Grundlage der Einwirkungslösung damit in jedem Fall erheblich hinter dem des gesetzlichen Leitbildes zurück. Folglich kann das Abstellen auf die faktische Einflussnahmemöglichkeit keinen adäquaten Ersatz für die Rechte des bestellten Geschäftsführers bieten und das Problem der Inkongruenz von Rechten und Pflichten des faktischen Geschäftsführers ist noch immer nicht zufriedenstellend gelöst. c) Erweiterung der Rechtsstellung des faktischen Geschäftsführers Eine andere Lösung der Problematik läge darin, dem faktischen Geschäftsführer punktuell doch Rechte zuzuerkennen, die ihn in die Lage versetzen würden, in den hier beschriebenen Fällen den entsprechenden Pflichten wie etwa der Überwachungspflicht nachzukommen. Auch diese Überlegung findet sich bereits im Zusammenhang mit § 15 InsO243 und ließe sich im Grundsatz auch auf andere Fälle übertragen. Gegen eine Übertragung einzelner Rechte spricht allerdings zunächst, dass dies den bestehenden Zustand noch weiter perpetuieren würde.244 Gerade in Fällen in denen das Gesetz eine Bestellung der betreffenden Person und damit die ordnungsgemäße Ausstattung mit den einzelnen Rechten verbietet (vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 oder 3 GmbHG), kann es nicht überzeugen, dieser gerade jene Rechte dennoch zu übertragen.245 Ein weiteres Problem, dass ebenfalls bereits im Kontext der Diskussion um ein Insolvenzantragsrecht des faktischen Geschäftsführers angerissen wurde, liegt darin, dass die Stellung einer Person als faktischer Geschäftsführer sich nicht ohne Weiteres feststellen lässt, so dass die notwendig rasche Überprüfung einer Insolvenzantragsberechtigung unmöglich wäre.246 Auch in den anderen hier angedachten Situationen würden die unklaren Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung dazu führen, dass dieser seine Rechtsposition nicht ohne Weiteres nachweisen kann. Im Konfliktfall dürfte die zuerkannte Rechtsposition damit häufig wertlos sein, so dass auch auf diese Weise die Prävention von Schäden und gegebenenfalls ihr Ausgleich durch den Ersatzanspruch nicht ohne Weiteres gewährleistet werden können. Somit kann auch die punktuelle Ausweitung

243 Uhlenbruck/Hirte, § 15 InsO Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 Rn. 59; Weimar, GmbHR 1997, 473, 477; Brand/Brand, NZI 2010, 712, 715; Gundlach/Müller, ZInsO 2011, 1055, 1056. 244 Vgl. hierzu auch ausführlich C. II. 2. 245 Ebenso Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 117, der allerdings zu Unrecht davon ausgeht, dass der faktische Geschäftsführer tatsächlich die gleichen Rechte hat wie der bestellte Geschäftsführer. 246 Strohn, DB 2011, 158, 165; Sorge, Haftung, S. 184 f.

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der Rechtsstellung des faktischen Geschäftsführers die Inkongruenz von Rechten und Pflichten nicht sinnvoll überwinden. Damit lässt sich festhalten, dass es bisher nicht gelungen ist, die Übertragung von Handlungspflichten auf den faktischen Geschäftsführer überzeugend zu begründen. Hierfür notwendige Rechte stehen dem faktischen Geschäftsführer richtigerweise nicht zu. Faktische Einflussnahmemöglichkeiten bieten zudem keinen adäquaten Ersatz für die mangelnde Rechtsposition. Bleibt damit unter Wertungsgesichtspunkten nichts anderes übrig, als lediglich solche Pflichten analog oder im Wege der teleologischen Extension anzuwenden, die an ein Unterlassen des Geschäftsführers anknüpfen, führt dies, wie gezeigt wurde, ebenfalls zu unbefriedigenden Ergebnissen. Der Schutz der Gesellschafter und der Gläubiger ist erheblich herabgesetzt, weil trotz vergleichbarer Gefährdungslage das Pflichtenprogramm des faktischen Geschäftsführers, das der Prävention von Schäden dienen soll und dessen Verletzung Ansprüche zur Schadenskompensation nach sich ziehen kann, im Vergleich zum bestellten Geschäftsführer stark reduziert ist. Der bestellte Geschäftsführer wiederum kann dem ihm auferlegten Pflichtenprogramm zugleich aufgrund der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers ebenfalls nicht immer ohne Weiteres nachkommen, so dass auch hier die verhaltenssteuernde Wirkung von Pflichten und Haftung herabgesetzt sein kann.247 Ausgehend vom reduzierten Schutz für Gesellschafter und Gläubiger, ist es überzeugend anzunehmen, dass den betroffenen Interessengruppen am besten damit gedient wäre, wenn der faktische Geschäftsführer seine Einflussnahme von vornherein unterließe.248 Dies gilt für die Gläubiger umso mehr in Fällen, in denen der faktische Geschäftsführer einem Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 oder 3 GmbHG unterliegt und, um dieses zu umgehen, lediglich faktisch die Geschäfte führt. Hier zeigt § 6 Abs. 5 GmbHG deutlich, dass der Gesetzgeber ein solches Vorgehen missbilligt.249 Dieser Befund unterscheidet den faktischen Geschäftsführer offensichtlich von seinem bestellten Pendant. Das Normanwendungsmodell kann diesem Unterschied, wie sogleich zu zeigen sein wird, aber nicht ausreichend Rechnung tragen, was als weiteres Argument gegen die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer und zugleich als Argument für einen Neuansatz dienen soll.

247 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 116. Zwar mag der bestellte Geschäftsführer einer Haftung unterliegen, weil er die Einflussnahme des faktischen Geschäftsführers zugelassen hat. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Pflichtenbefolgung im Hinblick auf die vom faktischen Geschäftsführer übernommenen organspezifischen Funktionen erheblich erschwert ist. Vgl. zur Haftung des bestellten Geschäftsführers auch bereits B. I. 2. c) bb). 248 Für die Gesellschafter gilt dies freilich nur dann, wenn sie der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers nicht einvernehmlich zugestimmt haben, siehe hierzu ausführlich Kapitel 5 B. III. 2. d) aa). 249 Ausführlich hierzu sogleich C. III. 2. c).

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

2. Der falsche Anreiz der Pflichtenübertragung Zur näheren Erläuterung der soeben aufgestellten These müssen noch einmal der Anwendungsgrund sowie die Wirkungsweise der hier untersuchten Geschäftsführerpflichten bei bestelltem und faktischem Geschäftsführer näher betrachtet werden. a) Wirkungsweise der Haftungsnormen beim bestellten Geschäftsführer Die strenge organschaftliche Verantwortlichkeit trifft den bestellten Geschäftsführer, wie bereits erwähnt, deshalb, „weil er als Verwalter fremden Vermögens weitreichende Einwirkungsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft hat.“250 Die Insolvenzantragspflicht trifft den bestellten Geschäftsführer wiederum unter anderem, weil er aufgrund seiner Tätigkeit den entsprechenden Informationsstand hat, um die finanzielle Lage der Gesellschaft zu beurteilen.251 Nun ist es allerdings nicht so, dass dem bestellten Geschäftsführer die Erlangung von Einflussmöglichkeiten und die Erarbeitung eines gewissen Informationsstands einfach freigestellt wären. Zum Tätigwerden im Interesse der Gesellschaft ist der bestellte Geschäftsführer nicht nur berechtigt, sondern vielmehr auch verpflichtet.252 Diese Pflicht resultiert unmittelbar aus dem Organverhältnis.253 Mit der Bestellung ist der Geschäftsführer zur sofortigen Aufnahme seiner Tätigkeit angehalten. Dem Gesetz liegt damit die Vorstellung zugrunde, dass das Tätigwerden des bestellten Geschäftsführers nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist. Erst auf dieser Grundlage werden dem Geschäftsführer sodann die hier untersuchten Verhaltenspflichten und Verbote auferlegt, um seine laufende Tätigkeit zum Schutz von Gesellschaftern und Gläubigern zu steuern (Prävention). Bei einem Verstoß droht so dann die Schadensersatzpflicht (Kompensation). b) Wirkungsweise der Haftungsnormen beim faktischen Geschäftsführer – Perpetuierung des rechtswidrigen Zustands Während das Gesetz vom bestellten Geschäftsführer also das sofortige Tätigwerden verlangt, wird das Tätigwerden des faktischen Geschäftsführers im Ausgangspunkt in der Literatur teils als „illegale Leitung“254, teils als „rechtswidriger Zustand“255 oder aber gar als „Rechtsmissbrauch“256 beschrieben. Diese Einschätzung ist durchaus zutreffend, denn den Gesellschaftern und den Gläubigern ist, wie 250

Schürnbrand, Organschaft, S. 303. Vgl. auch bereits C. II. 1. Stein, ZHR 148 (1984) 207, 231 zur Vorgängervorschrift § 64 GmbHG a.F.; a.A. Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 105. 252 Henssler/Strohn/Oetker, § 35 GmbHG Rn. 15. 253 Henssler/Strohn/Oetker, § 35 GmbHG Rn. 15. 254 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 179. 255 Schürnbrand, Organschaft, S. 315. 256 Sorge, Haftung, S. 48, 192. 251

C. Lückenfindung und -ausfüllung

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unter III. 1. dargelegt, am besten damit gedient, dass der faktische Geschäftsführer seine Einmischung in die Geschäftsführung unterlässt. Dies wird in der Literatur nur dann anders beurteilt, wenn der faktische Geschäftsführer die Geschäfte derart an sich gezogen hat, dass die bestellten Organe zu sachgerechten Entscheidungen nicht mehr in der Lage sind. In diesen Fällen soll trotz der Rechtswidrigkeit der Tätigkeit unter Umständen eine Pflicht zum Weiterhandeln bestehen, mit der eine entsprechende Haftung bei Unterlassen korrespondiert.257 Die Fortdauer des „rechtswidrigen Zustands“ sei hinzunehmen, um durch die Pflichtenübertragung noch größere Schäden zu vermeiden. Die Präventionsfunktion der Pflichten greift jedoch, wie unter III. 1. aufgezeigt wurde, mangels korrespondierender Rechtsposition beim faktischen Geschäftsführer nicht ein. So mag ein Tätigwerden in diesen Fällen vom Ergebnis her zwar ausnahmsweise wünschenswert erscheinen, eine konkrete Rechtspflicht zum Handeln, die eine entsprechende Steuerungsfunktion in diese Richtung entfalten würde, lässt sich auf den faktischen Geschäftsführer aber nicht übertragen. Es bleibt damit bei der Feststellung, dass der faktische Geschäftsführer seine Tätigkeit in jedem Fall beenden muss, bestenfalls aber gar nicht erst aufnehmen sollte. Letzteres würde darüber hinaus selbst dann gelten, wenn man von einer Pflicht zum Tätigwerden in den geschilderten Ausnahmefällen ausginge. Betrachtet man vor diesem Hintergrund den Effekt, den eine entsprechende Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer hat, so mag die Haftungsandrohung in der Tat einen gewissen Schutz für die Gesellschaft erzeugen, weil der faktisch Tätige zur Unterlassung schädigender Handlungen angehalten wird (Prävention) und bei einem Verstoß haftet (Kompensation). Dieser Schutz bleibt freilich, wie gezeigt, lückenhaft.258 Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang aber die Tatsache, dass die Anwendung der Normen den schwerwiegenden Effekt hat, dass der faktische Geschäftsführer gewissermaßen unbehelligt tätig werden kann, so lange er die Gesellschaft nur ordnungsgemäß führt. Vom erstmaligen Tätigwerden hält ihn darüber hinaus gar nichts ab. Mit anderen Worten führt die Lösung der Problematik der faktischen Geschäftsführung über das Normanwendungsmodell nicht nur zu einer Perpetuierung des in der Literatur als „rechtswidrig“ eingeschätzten Zustands,259 sondern sie ist auch völlig ungeeignet die Entstehung dieses Zustands von vornherein zu verhindern. Die Wirkungsweise der hier untersuchten Normen, die auf Schadensprävention und -ausgleich bei der laufenden Geschäftsführung gerichtet ist, kann schlichtweg nichts anderes gewährleisten, da sie auf den bestellten Geschäftsführer zugeschnitten ist, dessen Lage anders ist. Dies stellt einen letzten, entscheidenden und bisher nicht ausreichend gewürdigten Wertungsgesichtspunkt dar, der gegen die Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer im Wege der Analogie oder 257

Für § 43 Abs. 2 GmbHG Schürnbrand, Organschaft, S. 314 f.; für § 15a InsO Sorge, Haftung, S. 192. 258 Vgl. C. III. 1. 259 Dies kritisiert im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht auch Schürnbrand, Organschaft, S. 301. Im Zusammenhang mit § 43 GmbHG soll dies aber nicht gelten.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

teleologischen Extension spricht. Dies gilt umso mehr als ein alternativer Lösungsansatz [siehe Kapitel 5 B. III. 2. d)] denkbar ist, der gerade dieser Besonderheit der faktischen Geschäftsführung Rechnung tragen kann und so Gesellschafter und Gläubiger wesentlich besser schützt. c) Der Sonderfall des Bestellungsverbots Die Feststellung, dass eine solche Lösung vorzugswürdig ist und dass das Normanwendungsmodell zu wertungsmäßigen Unstimmigkeiten führt, lässt sich schließlich auch noch mit einem Blick auf die Rechtslage im Fall des einem Bestellungsverbot unterliegenden faktischen Geschäftsführers untermauern. In dieser Konstellation ist, wie bereits angerissen, gerade den Gläubigern in besonderem Maße damit gedient, dass der faktische Geschäftsführer seine Tätigkeit von vornherein unterlässt, weil dieser durch ein vorangegangenes Verhalten bereits verdeutlicht hat, nicht als GmbH-Geschäftsführer geeignet zu sein.260 Spezielle Normen, die das Verhalten des faktischen Geschäftsführers in diese Richtung steuern, sind allerdings kaum vorhanden.261 Auf Grundlage des Normanwendungsmodells besteht jedenfalls wiederum nur die Möglichkeit, den bereits tätig gewordenen faktischen Geschäftsführer von bestimmten gesellschaftsschädigenden Verhaltensweisen abzuhalten und gegebenenfalls auch für diese verantwortlich zu machen.262 Zwar regelt darüber hinaus § 6 Abs. 5 GmbHG eine Haftung der Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Geschäfte überlassen. Damit wird für den faktischen Geschäftsführer selbst aber noch kein Anreiz geschaffen, die Geschäfte nicht aufzunehmen. Selbst für die Fälle, in denen ein Gesellschafter als faktischer Geschäftsführer tätig wird, hilft der nun anwendbare § 6 Abs. 5 im Hinblick auf die richtige Anreizsetzung nicht weiter, weil die Norm dann neben der Haftung als faktisches Organ nach § 43 GmbHG gar keine eigene Bedeutung mehr hat.263 Eine direkte Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers wegen der Umgehung des Bestellungsverbots mit entsprechender verhaltenssteuernder Wirkung lässt sich zudem auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG herleiten, weil rein faktische Einflussnahme keine der tatbestandlich vorausgesetzten Versicherungen bei der Eintragung erfordert.264 Die Schutzgesetzeigenschaft von § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG wird zudem überwiegend 260 Zur sich aus den Ausschlusstatbeständen in § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG ergebenden Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers siehe auch MüKo-GmbHG/Goette, § 6 Rn. 24. 261 Dem Tätigkeitsverbot kommt immerhin in begrenztem Maße selbst eine Präventionswirkung zu, siehe hierzu Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 624. 262 A.A. Drygala, ZIP 2005, 423, 431, der die Haftung des faktischen Organs ohne auf diesen Umstand einzugehen für ausreichend hält, um Umgehungen von § 6 Abs. 2 GmbHG zu vermeiden. 263 Roth/Altmeppen, § 6 Rn. 32. Dies liegt an der Struktur von § 6 Abs. 5 GmbHG, der nicht nur auf das Überlassen der Geschäfte abstellt, sondern auch eine zumindest „gedachte Pflichtverletzung“ des faktischen Organs voraussetzt, siehe hierzu bereits A. I. 264 Dies übersieht m. E. Drygala, ZIP 2005, 423, 431.

C. Lückenfindung und -ausfüllung

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ohnehin abgelehnt.265 Eine Verantwortlichkeit für fehlende Angaben ließe sich allenfalls über § 9a GmbHG herstellen, wobei dies auch nur in der Gründungssituation der Gesellschaft relevant wäre.266 Einzig § 145c StGB und die gewerberechtlichen Ordnungswidrigkeiten vermögen darüber hinaus noch in begrenztem Maße den Anreiz zu schaffen, dass eine einem Berufsverbot unterliegende Person entgegen § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 GmbHG nicht als faktischer Geschäftsführer tätig wird, um so der Strafbarkeit bzw. einer Geldbuße zu entgehen.267 Davon abgesehen bleibt aber die Umgehung eines Bestellungsverbots durch die faktische Aufnahme der Geschäfte selbst völlig sanktionslos. 3. Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Untersuchung der Wirkungsweise der §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO die entscheidenden Argumente gegen deren Anwendung auf den faktischen Geschäftsführer im Wege der Analogie oder teleologischen Extension geliefert hat. Der diesem methodischen Vorgehen zugrundeliegende wertende Akt hat zu berücksichtigen, dass eine Normanwendung nur dort Sinn hat, wo die Steuerungsfunktion der haftungsbewährten Pflichten eingreifen kann. Dies trifft im Falle des faktischen Geschäftsführers lediglich auf solche Pflichten zu, die von diesem allein ein Unterlassen verlangen. Doch auch im Hinblick auf diese Pflichten hat sich letztlich gezeigt, dass eine Anwendung auf faktisch tätige Personen wertungsmäßig nicht überzeugen kann. Sie bieten zwar einen gewissen Schutz für die Gesellschaft, ermöglichen es dem faktischen Geschäftsführer aber zugleich auch solange ungestört Einfluss zu nehmen, bis tatsächlich eine Pflichtverletzung auftritt. Die Einflussnahme des faktischen Organs ist aber unabhängig von der konkreten Pflichtverletzung grundsätzlich sowie in besonderem Maße im Fall eines Bestellungsverbots nach § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG unerwünscht. Diese Wertung muss das Normanwendungsmodell zwangsläufig unberücksichtigt lassen, weil faktischer und bestellter Geschäftsführer sich in diesem Punkt unterscheiden.

265

MüKo-GmbHG/Wißmann, § 82 Rn. 16 m.w.N. Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 618, 719, der auch zu Recht darauf hinweist, dass es schwierig sein dürfte, für die Gesellschaft überhaupt einen kausalen Schaden gerade aufgrund der fehlenden Angaben nachzuweisen. Im Übrigen setzt die Anwendung von § 9a GmbHG natürlich voraus, dass man den faktischen Geschäftsführer grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Norm mit einbezieht, siehe hierzu Roth/Altmeppen, § 9a Rn. 11. 267 Siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 719. 266

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

IV. Weitere normspezifische Argumente gegen eine Anwendung von Geschäftsleiterpflichten auf faktisch tätige Personen Nachdem im bisherigen Teil der Untersuchung des Normanwendungsmodells versucht wurde, einzelne Argumentationsmuster zu abstrahieren und so Gemeinsamkeiten in der Diskussion um die Anwendung einzelner Normen aufzuzeigen, soll nun als letztes noch einmal kurz auf einige normspezifische Aspekte eingegangen werden, die bisher noch keine Erwähnung gefunden haben. Sie exemplifizieren die bisher artikulierte Kritik und dienen als weitere Argumente gegen die Anwendung der Normen auf faktisch tätige Personen im Wege der Analogie oder teleologischen Extension. 1. Der faktische Geschäftsführer und die Drei-Wochen-Höchstfrist in § 15a Abs. 1 InsO Im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht in § 15a Abs. 1 InsO steht dem Geschäftsführer ein dreiwöchiger Spielraum für Sanierungsversuche zu.268 Bestehen objektive Sanierungschancen, so kann der Geschäftsführer trotz Einritt des Insolvenzgrundes die Stellung des Insolvenzantrags hinauszögern, ohne deshalb bereits wegen Insolvenzverschleppung zu haften.269 Für den faktischen Geschäftsführer soll diese privilegierende Frist ebenfalls gelten.270 Dies ist auf der methodischen Grundlage von Analogie und teleologischer Extension nur folgerichtig und insofern auch sachlich nicht fernliegend, als vom bestellten Geschäftsführer aufgrund der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers an sich wünschenswerte Initiativen zur Sanierung nicht ohne Weiteres zu erwarten sein dürften.271 Allerdings sind angesichts der fehlenden Rechte des faktischen Geschäftsführers, insbesondere angesichts fehlender Vertretungsmacht im Außenverhältnis, Zweifel an dessen Tauglichkeit zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen durchaus angebracht.272 Der Gesellschaft und vor allem den Gläubigern dürfte stattdessen im Fall realer Sanierungschancen, zumindest dann, wenn die faktische Geschäftsführung das bestellte Organ zuvor völlig verdrängt hat, eher damit gedient sein, dass der faktische 268

Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 Rn. 60. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 163. 270 BGHZ 75, 96, 107 f.; Stein, ZHR 148 (1984) 207, 236; Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1109, 1015; Sorge, Haftung, S. 196. Nicht zu verwechseln ist dies mit der Frage, ob die Anforderungen an das Vorliegen des „Tatbestands“ der faktischen Geschäftsführung in der Sanierungssituation modifiziert werden müssen, vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B. III. 1. Dies ist richtigerweise abzulehnen, siehe hierzu Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1013 ff., mit ausführlicher Begründung. 271 Stein, ZHR 148 (1984) 207, 236. 272 Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen der faktische Geschäftsführer einem Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 oder 3 GmbHG unterliegt. 269

C. Lückenfindung und -ausfüllung

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Geschäftsführer die Urteils- und Handlungsfähigkeit des bestellten Organs durch Versorgung mit Informationen und anschließenden Rückzug aus der Geschäftsführung schnellstmöglich wieder herstellt. Erweist sich die bestehende Geschäftsführung darüber hinaus, wie etwa in Strohmannkonstellationen wahrscheinlich, als nicht in der Lage, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so wäre die beste Lösung, auf die Bestellung eines tauglichen Geschäftsführers hinzuwirken. Auf diese Weise würde die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur wieder hergestellt und der Gesellschaft ihr primärer Pflichtadressat zurückgegeben. Eine Steuerungswirkung in diese Richtung kann § 15a Abs. 1 InsO allerdings nicht entfalten, weil die Norm auf Fälle zugeschnitten ist, in denen die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur intakt ist. Ihre Anwendung führt, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, nur zur Perpetuierung einer ungewünschten Situation. 2. Probleme im Zusammenhang mit § 43 GmbHG Eine weitere Unstimmigkeit zeigt sich bei der Anwendung von § 43 Abs. 2 GmbHG. Auch hier soll der faktische Geschäftsführer nicht strenger haften als sein bestelltes Pendant, so dass damit auch die Business Judgment Rule auf den faktischen Geschäftsführer zur Anwendung kommen müsste.273 Durch diese wird dem Geschäftsführer ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Handlungsspielraum zugestanden, „der durch ein geschäftliches Entscheidungsermessen geprägt ist“.274 Die Business Jugdment Rule verfolgt im Aktienrecht unter anderem den Zweck, die Geschäftsführung zur Eingehung vernünftiger Risiken im Interesse der Aktionäre zu ermutigen, in dem sie den Vorstand vor haftungsrechtlicher Inanspruchnahme schützt.275 Auch wenn dies im GmbH-Recht eine weniger entscheidende Rolle spielt als im Aktienrecht, weil GmbH-Gesellschafter häufig aufgrund einer finanziellen Beteiligung mit einem Großteil ihres Vermögens und wegen fehlender Diversifikationsmöglichkeiten risikoscheuer sein dürften als (Klein-)Aktionäre,276 so ist doch zweifelhaft, ob es wirklich sinnvoll ist, den faktischen Geschäftsführer im Rahmen seiner generell zu missbilligenden Tätigkeit auch noch zur Eingehung von Risikogeschäften zu ermutigen. Ebenfalls nicht ohne Weiteres überzeugen kann im Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 die Aussage, der faktische Geschäftsführer unterliege ebenso wie der bestellte 273 So etwa Fleischer, AG 2004, 517, 528; ders., GmbHR 2011, 337, 345; Schürnbrand, Organschaft, S. 304; Sorge, Haftung, S. 210. 274 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 23. Methodisch ergibt sich die Anwendbarkeit der Business Jugdment Rule im GmbH-Recht nach überwiegender Auffassung aus einer Analogie zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, vgl. Fleischer, NZG 2011, 521, 524; Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 36; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 22. 275 Fleischer, NZG 2011, 521, 522 f. 276 Fleischer, NZG 2011, 521, 523. Freilich wird auch für den faktischen AG-Vorstand eine Anwendung der Business Judgment Rule vertreten, so dass sich in der AG die Frage umso dringlicher stellt.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

Geschäftsführer der organschaftlichen Treuepflicht.277 Die Treuepflicht als Hauptpflicht des Geschäftsführers entspringt in dogmatischer Hinsicht der Organstellung.278 Im Vergleich zur Rücksichtnahmepflicht aus § 242 BGB erzeugt die Treuepflicht des Geschäftsführers wesentlich strengere Verhaltensanforderungen.279 Geltungsgrund dieser gesteigerten Pflichtenstellung ist heute nach überwiegender Auffassung, im Anschluss an grundlegende Überlegungen von Zöllner280, die Tatsache, dass der bestellte Geschäftsführer über weitgehende Befugnisse zur Einwirkung auf die Gesellschaft verfügt.281 Er wird aus diesem Grunde auch häufig als Treuhänder bezeichnet282, wobei sich die erhöhte Rücksichtspflicht auch ohne diese Einordnung begründen lässt.283 Einzelne Aspekte der Treuepflicht betreffen unter anderem die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Gesellschaft, sowie das Wettbewerbsverbot und das Verbot Geschäftschancen der Gesellschaft anstelle dieser selbst wahrzunehmen.284 In den Worten der Rechtsprechung muss „der Geschäftsführer einer GmbH bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben allein das Wohl des Unternehmens im Auge haben. Er darf nicht seinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil verfolgen.“285 Angesichts der vorstehenden Aussagen liegt die Kritik an der Übertragung der Treuepflicht auf die faktischen Geschäftsführer auf der Hand. Was die Anknüpfung an die Organstellung betrifft, gelten zunächst die bereits zu Beginn dieses Kapitels geäußerten Zweifel an der Herleitung einer vergleichbaren Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung.286 Dies allein mag nun noch nicht zwingend gegen eine Treuepflicht des faktischen Geschäftsführers sprechen, denn auch gesteigerter so277

MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 156; ders., WM 2003, 1045, 1046; im Zusammenhang mit dem aus der Treuepflicht abgeleiteten Wettbewerbsverbot auch U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 83; zweifelnd für das Wettbewerbsverbot allerdings Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 159. 278 Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 951; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 38; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 86. 279 Fleischer, WM 2003, 1045, 1045; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 86. 280 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 337 ff. (allerdings in Bezug auf die Treuepflicht des Gesellschafters). 281 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 155; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 88; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 39; Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 26; Hopt, ZGR 2004, 1, 18; Schmolke, RIW 2008, 365, 369; Fleischer/Harzmeier, NZG 2015, 1289, 1290. Ähnlich im Zusammenhang mit der Treuepflicht des Aktionärs auch BGHZ 103, 184, 195; BGHZ 129, 136, 143. Zu alternativen Begründungsmustern siehe Kumpan, Interessenkonflikt, S. 91 ff. 282 Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 269, 421 ff.; ähnlich auch Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 26. Der Treuhandbegriff ist freilich umstritten, vgl. nur den Überblick bei Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 79 ff. 283 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 342; ähnlich auch Hopt, ZGR 2004, 1, 18 ff. 284 Zu den aus der Treuepflicht resultierenden Einzelpflichten siehe ausführlich MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 165 ff. 285 BGH NJW-RR 1989, 1255, 1257. 286 Vgl. oben C. I. 1.

D. Fazit

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zialer Kontakt soll nach verschiedentlicher Auffassung zumindest Rücksichtnahmepflichten nach § 242 BGB begründen können.287 Besonders zweifelhaft scheint die Übertragung der strengen Treuepflicht aber deshalb, weil diese ihre Begründung in erster Linie gerade in der Rechtsmacht des Geschäftsführers über die Gesellschaft findet. Deutlich wird dies, wenn als Beispiel für die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Vertretungsmacht nach außen288 oder sonstige Befugnisse zur Einwirkung auf das Gesellschaftsvermögen abgestellt wird.289 Der faktische Geschäftsführer ist aber weder zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt, noch hat er rechtlich abgesicherte Befugnisse zur Einwirkung auf das Gesellschaftsvermögen. Zwar wird als Grund für die Treuepflicht neben der Rechtsmacht auch auf faktische Einflussnahmemöglichkeiten hingewiesen290 und auch im Treuhandrecht wird unter Umständen eine faktische Machtposition für ausreichend gehalten, um gesteigerte Rücksichtnahmepflichten zu begründen.291 Allein der Hinweis liefert allerdings keine ausreichende Begründung dafür, warum der faktische Geschäftsführer trotz erheblicher Unterschiede in der Rechtstellung ebenso weitreichenden Treuepflichten unterliegen soll, wie sein bestelltes Pendant.292 Im Gegenteil: Der Boden für eine teleologische Extension oder Analogie zur Treuepflicht des bestellten Organs scheint eher dünn. Im Übrigen müsste, selbst wenn man die grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die Herleitung der Treuepflicht nicht teilt, in jedem Fall bei einer Anwendung der Treuepflicht auf den faktischen Geschäftsführer die im Vergleich zur bestellten Geschäftsführung reduzierte Rechtsmacht mehr Berücksichtigung finden, als dies bisher in der Diskussion der Fall ist.

D. Fazit Die umfassende Untersuchung des Normanwendungsmodells hat eine Reihe von interessanten Erkenntnissen hervorgebracht. In methodischer Hinsicht wurde zunächst geklärt, dass trotz verschiedener Äußerungen des Gesetzgebers in den Materialien zum MoMiG nicht von einer Billigung der Anwendung der Geschäftslei287 MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 94 und m.w.N. zur Diskussion in Rn. 93. Die Anerkennung solcher Rücksichtnahmepflichten auf Grundlage gesteigerten sozialen Kontakts hat eine andere Qualität als die (versuchte) Herleitung einer Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung mit daran anknüpfenden weitreichenden Geschäftsleiterpflichten. Für ein derart ausgeprägtes Pflichtenprogramm reicht gesteigerter sozialer Kontakt nicht aus. 288 Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. 289 Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 88. Im Zusammenhang mit der Treuepflicht des Gesellschafters auf die Befugnis zur Einflussnahme abstellend auch Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 20 f. 290 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 39. 291 Löhnig, Treuhand, S. 160 f. 292 Zweifelnd in Bezug auf das Wettbewerbsverbot auch Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 159.

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

terpflichten auf faktische Organe auszugehen ist. Die Aussagen sind vielmehr im Sinne eines Regelungsauftrags zu deuten. Dieser entbindet freilich nicht von der Notwendigkeit der Lückenfindung und -ausfüllung im Wege der Analogie oder teleologischen Extension. Diesen Instituten ist dabei gemein, dass letztlich nur ein „wertender Akt“ darüber befinden kann, ob eine schließungsbedürftige Lücke vorliegt, die eine Anwendung einer Norm über den Wortlaut hinaus möglich macht. Mit einem solchen methodischen Vorgehen lässt sich wiederum die von einigen Autoren in die Diskussion eingeführte Typuslehre nicht ohne Weiteres in Einklang bringen, weil die genaue Funktionsweise der Beziehung von Typus und Begriff innerhalb der Institute der Analogie und der teleologischen Extension ungeklärt ist. Zudem bringt diese Lehre für die hier interessierende Konstellation jedenfalls keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn, weil die primäre Wertung des Typus im Fall einer Begriffskodifikation nur einen Aspekt der ratio legis darstellt und die sich aus der ratio legis ergebenden Wertungen für eine Analogie oder teleologische Extension ohnehin zentral sind. Die Verwendung der Typuslehre verkompliziert die methodischen Grundlagen der Thematik daher nur unnötig und sollte aufgegeben werden. Bleibt es damit allein bei der Methodik der Rechtsfortbildung im Wege der Analogie oder teleologischen Extension, so galt es im Folgenden den diesen Instituten zugrundeliegenden „wertenden Akt“ Schritt für Schritt nachzuvollziehen, um so die Überzeugungskraft des Normanwendungsmodells überprüfen zu können. Erster Anknüpfungspunkt war hierbei die bisher im Schrifttum geäußerte Kritik am Modell, die sich gegen das Vorliegen einer Lücke als Voraussetzung für eine rechtsfortbildende Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer wendet. Die Auseinandersetzung mit der Kritik hat allerdings gezeigt, dass die vorgetragenen Argumente in methodischer Hinsicht nicht überzeugen können. So ist die Tatsache, dass eine Haftung des faktischen Geschäftsführers aus allgemeinen Vorschriften denkbar ist, per se kein Argument gegen das Vorliegen einer Lücke. Mit dem Begriff ist nämlich nicht das Fehlen jeglicher rechtlicher Regelung gemeint, sondern die Frage, ob dem Gesetz im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich erschöpfende und in diesem Sinne „vollständige“ Lösung eine Regelung fehlt.293 Innerhalb dieser Frage kann die Existenz der Haftung nach allgemeinen Vorschriften ebenso wie die Haftung Dritter durchaus Berücksichtigung finden. Da aber beides auch beim bestellten Geschäftsführer möglich ist, ohne dass dies etwas an seiner organschaftlichen Verantwortlichkeit ändert, kann der Verweis auf andere Anspruchsgrundlagen und -gegner als Argument jedenfalls keinen Ausschlag geben. Auch in sachlicher Hinsicht können zudem der Verweis auf die Haftung des faktischen Organs aus bestimmten allgemeinen Vorschriften und der Verweis auf die Haftung Dritter nicht überzeugen. Weder deliktische Anspruchsgrundlagen noch das Anknüpfen an bestehende Vertragsverhältnisse oder die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht können ausreichenden Schutz für Gläubiger und Gesellschafter bieten. Dies gilt unter anderem deshalb, weil die Befürworter der 293

Larenz, Methodenlehre, S. 375.

D. Fazit

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Verwendung dieser Ansprüche deren Tatbestandsvoraussetzungen teilweise erheblich modifizieren müssen, um überhaupt alle relevanten Fälle abdecken zu können. Solche Grundsatzentscheidungen wurden aber hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf andere Anwendungsfälle der Normen kaum untersucht und sind daher abzulehnen. Auch die Haftung Dritter kann schließlich nicht in vollem Umfang Schutz gewähren, da ihr Vorliegen ebenfalls nicht in allen Konstellationen gesichert ist und zudem häufig an andere Verhaltensgebote knüpft, so dass die Präventionsfunktion nicht im gleichen Maße wie bei den Geschäftsführerpflichten gewährleistet ist. Angesicht dieser Erkenntnisse waren als nächster Schritt diejenigen Argumente zu untersuchen, die in Rechtsprechung und Literatur für die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten über den Wortlaut hinaus vorgetragen werden. Hierbei hat sich gezeigt, dass sich die von einigen Autoren herangezogene Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung als vergleichbare dogmatische Grundlage zu einer durch Bestellung begründeten Sonderverbindung bis heute methodisch und dogmatisch nicht sicher begründen lässt. Zwar knüpfen in der Tat in verschiedenen Fällen Haftungsfolgen an eine rein faktische Verantwortungsübernahme an. Dies besagt aber nichts über die Existenz einer Sonderverbindung kraft faktischer Leitung für den hier interessierenden Fall. Auch die bisher zur Herleitung einer Sonderverbindung im Wege der Gesamtanalogie herangezogenen Normen lassen einen solchen Schluss nicht zu. Damit scheidet dieser Anknüpfungspunkt für eine Vergleichbarkeit von faktischem und bestelltem Geschäftsführer aus. Ebenfalls als untauglicher Anknüpfungspunkt haben sich sodann die in Rechtsprechung und Literatur vorgeschlagenen Begriffsmerkmale des Außenauftritts und der Billigung durch das Bestellungsorgan erwiesen. Jedenfalls für die hier untersuchten Normen fehlt es an einem erkennbaren Bezug zum jeweiligen Normzweck. Dieser wäre jedoch notwendig, damit die Merkmale einen Beitrag dazu leisten könnten, diejenigen Fälle, in denen eine erweiterte Anwendung der Geschäftsleiterpflichten im Wege der Analogie oder teleologischen Extension angesichts der besonderen Gefahrenlage für Gläubiger und Gesellschafter sinnvoll oder gar notwendig wäre, von denjenigen zu trennen, in denen dies gerade nicht der Fall ist. Einen solchen Beitrag kann, wie im Folgenden erläutert wurde, allerdings die Formel von der Ausübung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise leisten. Sie beschreibt das mit der Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers vergleichbare besondere Gefährdungspotential faktischer Geschäftsführung ohne unsachgemäß einschränkende Begriffsmerkmale wie den Außenauftritt zutreffend und spricht damit einen wichtigen Wertungsgesichtspunkt an, der für eine erweiterte Anwendung von Geschäftsleiterpflichten spricht. Zugleich werden zudem Fälle abgegrenzt, in denen eine Organhaftung unangemessen wäre. Trotz dieser richtigen Erkenntnisse kann das Normanwendungsmodell im Ergebnis allerdings dennoch nicht überzeugen, weil andere Wertungsgesichtspunkte entscheidend dagegen sprechen, dass eine Anwendung einzelner Normen auf faktische Geschäftsführer sinnvoll ist, um unsachgemäße Ungleichbehandlungen zu vermeiden bzw. die Verwirklichung des je-

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Kap. 3: Untersuchung und Kritik des Normanwendungsmodells

weiligen Normzwecks zu ermöglichen. Dies wird deutlich, wenn man die Wirkungsweise der untersuchten Normen ins Blickfeld rückt. Die haftungsbewehrten Geschäftsführerpflichten verwirklichen ihr Ziel des Gesellschafter- bzw. Gläubigerschutzes auf zweierlei Weise: durch Prävention und Kompensation. Dies setzt aber voraus, dass der jeweilige Adressat der Pflicht auch zu ihrer Verwirklichung in der Lage ist. Im Hinblick auf diverse Handlungspflichten stellt dies den faktischen Geschäftsführer jedoch vor unlösbare Probleme, weil ihm im Unterschied zu seinem bestellten Pendant keine entsprechenden Rechte zustehen sollen. Versuche aus der Literatur diese Problematik durch das Abstellen auf faktische Einflussmöglichkeiten statt Rechtspositionen zu lösen, konnten ebenso wenig überzeugen, wie der Ansatz, dem faktischen Geschäftsführer in begrenztem Umfang doch Rechte zuzuerkennen. Eine Anwendung von Handlungspflichten (wie etwa der Insolvenzantragspflicht) im Wege der Analogie oder teleologischen Extension scheidet aufgrund dieser Überlegungen damit grundsätzlich aus und es kommt für den faktischen Geschäftsführer lediglich eine Übertragung von Pflichten infrage, die an ein Unterlassen anknüpfen. Ein solches Pflichtenprogramm gewährleistet aber im Vergleich zu den Pflichten eines in ähnlichem Umfang tätigen bestellten Geschäftsführers nur einen herabgesetzten Schutz, zumal zugleich durch das Tätigwerden des faktischen Geschäftsführers auch der daneben existierende bestellte Geschäftsführer bei seiner Pflichterfüllung behindert wird. Angesichts dieser Tatsache wäre Gesellschaftern und vor allem Gläubigern grundsätzlich am besten damit gedient, wenn der faktische Geschäftsführer seine Einflussnahme von vornherein unterließe.294 Eine solche Verhaltenssteuerung kann die Übertragung einzelner Geschäftsleiterpflichten aber nicht bewirken, weil die Pflichten auf den bestellten Geschäftsführer zugeschnitten sind, dessen Tätigwerden anders als das des faktischen Organs notwendig und erwünscht ist. Stattdessen perpetuiert das Normanwendungsmodell einen für Gesellschafter und Gläubiger gefährlichen Zustand und ist darüber hinaus auch ungeeignet diesen Zustand von vornherein zu verhindern.295 Hierin ist ein weiterer entscheidender Wertungsgesichtspunkt gegen die Übertragung von Geschäftsleiterpflichten auf den faktischen Geschäftsführer und zugleich ein Appell für die Suche nach einem Ansatz zu sehen, der das Verhalten des faktischen Geschäftsführers gerade so steuert, dass er sein Tätigwerden von vornherein unterlässt. Ergänzt wurde dieses Ergebnis schließlich noch einmal durch die Feststellung, dass Unstimmigkeiten im Hinblick auf die rechtsfortbildende Anwendung der Geschäftsführerpflichten sich auch aus der Tatsache ergeben, dass der faktische Geschäftsführer nicht strenger haften soll als sein bestelltes Pendant und somit auch in den Genuss verschiedener Haftungsprivilegierungen kommt, ohne dass diese ihren Zweck vollumfänglich erfüllen könnten. Weitere Probleme ergeben sich zudem im 294

Noch wichtiger wird dies in Fällen, in denen der faktische Geschäftsführer einem Tätigkeitsverbot nach § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG unterliegt, siehe bereits oben C. III. 2. c). 295 Dies wäre im Übrigen auch ein Problem, wenn man eine Haftung allein nach den von Stein und Dinkhoff vorgeschlagenen Vorschriften annähme.

D. Fazit

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Hinblick auf die Anwendung der gesteigerten Geschäftsführer-Treuepflicht auf den faktischen Geschäftsführer. Alles in allem ist damit nach der Untersuchung des wertenden Akts der Lückenfindung und -ausfüllung die zu Beginn dieses Kapitels aufgeworfene Frage beantwortet: Eine Vergleichbarkeit zwischen bestelltem Geschäftsführer und seinem faktischen Pendant ist nicht gegeben. Eine Erstreckung der hier untersuchten Norm auf nicht bestellte Personen ist nicht sinnvoll, um dem jeweiligen Normzweck volle Geltung zu verschaffen. Eine Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf faktische Geschäftsführer im Wege der Analogie bzw. teleologischen Extension scheidet daher aus. Nachdem dies für das deutsche Recht festgestellt wurde, soll im Folgenden der Blick hin zum englischen Recht gewendet werden, um zu untersuchen, wie dort mit Fällen der faktischen Geschäftsführung umgegangen wird und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum deutschen Recht bestehen. Vor dem Hintergrund der bisher herausgearbeiteten Kritik am Normanwendungsmodell und angesichts des Ziels der Arbeit, einen Neuansatz für die Lösung des Problems der faktischen Geschäftsführung zu präsentieren, sind dabei vor allem zwei Aspekte von besonderem Interesse. Zum einen wird zu untersuchen sein, ob der Vergleich mit dem englischen Recht ein weiteres Argument für die Ausweitung des zu engen Verständnisses der Rechtsprechung vom Begriff der faktischen Geschäftsführung liefern kann. Dies ließe sich im Hinblick auf die Ausarbeitung des eigenen Ansatzes im 5. Kapitel nutzbar machen. Zum anderen wird zu überprüfen sein, ob die in diesem Kapitel gefundenen Vorbehalte gegen die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf faktische Organe auch im englischen Recht ihre Berechtigung haben, oder ob nicht vielmehr Unterschiede in der englischen Rechtsordnung dazu führen, dass ähnliche Probleme wie im deutschen Recht nicht bestehen. In diesem Fall würde der Verweis einiger Stimmen in der Literatur auf das englische Recht als Argument für das Normanwendungsmodell in Deutschland jedenfalls nicht verfangen. Bevor all dies geschehen kann, rückt allerdings als erstes die Methodik der Rechtsvergleichung als notwendige Grundlage für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen in den Blick.

Kapitel 4

Der de facto director und der shadow director im englischen Gesellschaftsrecht A. Methodische Grundlegung Eine rechtsvergleichende Arbeit bedarf einer sauberen methodischen Grundlegung. Nun zeigt sich aber bei einem Blick ins rechtsvergleichende Schrifttum, dass hinsichtlich der Frage, was eine solche ausmacht, alles andere als Einigkeit besteht.1 Die umfangreiche Diskussion hier aufzugreifen, würde allerdings den Rahmen der Arbeit deutlich sprengen. Stattdessen wird ungeachtet vielfältiger Kritik2 dieser Arbeit die Methode der funktionalen Rechtsvergleichung zugrunde gelegt, weil diese nicht nur die „klassische Form der Rechtsvergleichung“ darstellt, auf der die Mehrzahl von rechtsvergleichenden Untersuchungen aufbaut,3 sondern auch und vor allem, weil sie zur im hier vorliegenden Kontext zielführenden rechtsvergleichenden Fragestellung des Problemvergleichs hervorragend passt.4 Vergleichbarkeit wird bei dieser Methode trotz möglicherweise bestehender Unterschiede in der rechtlichen Konstruktion verschiedener Institute des jeweiligen Rechts dadurch hergestellt, dass auf die identische Funktion dieser Institute abgestellt wird: sie lösen ein zuvor beschriebenes Sachproblem.5 Auf diese Weise lassen sich zunächst unterschiedliche Lösungen eines Problems in verschiedenen Rechtsordnungen identifizieren, ohne dass damit gesagt wäre, welche der beiden Lösungen „besser“ oder „schlechter“ wäre. Im Gegenteil, in Bezug auf die untersuchte, spezifische Funktion sind beide Lösungen sogar per definitionem gleichwertig.6 Grundsätzlich kann eine rechtsvergleichende Arbeit auch sehr ertragreich sein, wenn überhaupt keine Bewertung der einzelnen Lösungen vorgenommen wird.7 Da allerdings der Anlass für die 1

Vgl. Kischel, Rechtsvergleichung, S. 92. Für einen Überblick siehe ibid., S. 95 ff. 3 Ibid., S. 93. Grundlegend zu dieser Methode Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 31 ff. 4 Kischel, Rechtsvergleichung, S. 183. 5 Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 340, 371. Die Universalität eines Sachproblems ist freilich ebenfalls nur ein konstruktiver Schritt um Vergleichbarkeit zu ermöglichen, vgl. ibid., S. 368 f. 6 Ibid., S. 374. 7 Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 340, 374. 2

A. Methodische Grundlegung

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Rechtsvergleichung die Tatsache ist, dass die deutsche Lösung des hier sogleich noch einmal genau zu beschreibenden Sachproblems nicht überzeugen kann und hierfür weitere Argumente aus dem Vergleich mit dem englischen Recht gewonnen werden sollen8, wird eine Bewertung der beiden Ansätze letztlich unumgänglich. Ermöglicht wird dies durch einen Rückgriff auf externe Kriterien, die außerhalb der untersuchten, spezifischen Funktion liegen, etwa die Kosten, die verschiedene Lösungen mit sich bringen, oder ihre Funktionalität im Hinblick auf andere Sachprobleme.9 Die soeben dargelegte Methodik gibt den „Fahrplan“ für dieses Kapitel vor. Zunächst geht es um die Identifikation funktionaler Äquivalente zum deutschen Normanwendungsmodell, die im englischen Recht das Sachproblem der „faktischen Geschäftsführung“ lösen. Losgelöst von deutschen Systembegriffen10, lässt sich dieses Problem auf die Frage zuspitzen, wie die Kompensation von Beeinträchtigungen der Vermögensinteressen von Mitgliedern und Gläubigern einer Gesellschaft aufgrund der Einflussnahme auf die Geschäftsführung dieser Gesellschaft durch Personen ohne entsprechende Berechtigung und Bestimmung bewerkstelligt wird.11 Ist das funktionale Äquivalent zum deutschen Normanwendungsmodell, das den betroffenen Interessengruppen direkt oder indirekt Kompensation durch die entsprechende Anwendung von § 43 GmbHG bzw. § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB sowie § 64 GmbHG gewährt, auch für das englische Recht identifiziert und beschrieben, gilt es in einem zweiten Schritt näher hinzusehen und im Detail Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten und zu erklären. Hierauf aufbauend kann sodann anhand von externen Kriterien versucht werden, eine qualitative Beurteilung der Lösung in beiden Rechtsordnungen vorzunehmen.

8

Siehe hierzu bereits Kapitel 1 E. Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 340, 375. Nicht möglich ist hingegen der Vergleich mit einer „idealen Lösung“, weil eine solche nicht existiert, ibid., S. 374. Auch nach dem Rückgriff auf externe Kriterien bleibt ein wertender Vergleich freilich ausgesprochen schwierig, siehe zu den Problemen ibid., S. 375. 10 Zu dieser Notwendigkeit siehe Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33. 11 Je spezifischer ein Problem ist, desto schwieriger wird es freilich dieses ohne Rückgriff auf rechtliche Begriffe zu beschreiben, siehe Kischel, Rechtsvergleichung, S. 175 f. Es scheint daher der Rückgriff auf die rechtlichen Begriffe wie „Gesellschaft“ und „Geschäftsführung“ verzeihlich. Insofern als hier von Mitgliedern gesprochen wird, ist dies der Tatsache geschuldet, dass rein tatsächlich eine Gesellschaft kein eigenes Interesse haben kann, siehe Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 315. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gesellschafterschutz sowohl im deutschen wie im englischen Recht grundsätzlich mittelbar, d. h. über Ansprüche der Gesellschaft realisiert wird. Entsprechend handelt es sich bei den zu kompensierenden Schäden auch um Schäden der Gesellschaft, siehe für das deutsche Recht ausführlich Kapitel 5 B. I. 2. Zur Rechtslage in England siehe Hannigan, Company Law, S. 179 f. Das Sachproblem ist bewusst ohne Bezugnahme auf die beiden aus dem deutschen Recht bekannten Perspektiven beschrieben worden, siehe hierzu Kapitel 2 B. I. 2. 9

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

B. Überblick über das englische Gesellschaftsrecht Das soeben geschilderte Sachproblem beschäftigt sich mit der tatsächlichen Einflussnahme auf die Leitung einer Gesellschaft. Zur Vergewisserung der in der Beschreibung enthaltenen Begrifflichkeiten und um die Untersuchung der funktionalen Äquivalente zur faktischen Geschäftsführung in der deutschen GmbH zu kontextualisieren, bietet es sich an, zunächst eine kurze Erläuterung einiger Kernaspekte des englischen Gesellschaftsrechts vorzunehmen. Diesem ist die Unterscheidung zwischen Aktiengesellschaft und GmbH fremd. Stattdessen unterscheidet der Companies Act 2006 als zentraler legislativer Akt dieses Rechtsgebiets zwischen public companies limited by shares (plc) und private companies limited by shares (Ltd).12 Letztere bildet das funktionale Äquivalent zur deutschen GmbH und steht daher im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung. Hinsichtlich der Organisationsstruktur verfügt die Limited über zwei Organe: das board of directors und das general meeting der members.13 Die Leitung der Gesellschaft ist üblicherweise dem board of directors zugeordnet.14 Die de jure directors unterliegen dabei einem umfangreichen Pflichtenprogramm, dass vor allem in CA 2006 s. 170 ff. kodifiziert ist,15 wobei sich die Sanktionen bei Verstößen nach s. 178 bestimmen und diese en gros denen des deutschen Rechts ähneln.16 Zusammengenommen stellt dieser Normkomplex das funktionale Äquivalent zu Geschäftsleiterpflichten und -haftung in Deutschland nach § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG dar.17 Daneben ist aus Gläubigerschutzgesichtspunkten vor allem die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer nach IA 1986 s. 214 (wrongful trading) bedeutsam.18 Diese ist als (ein) funktionales

12 CA 2006 s. 4 (1) und (2). Für beide Unterformen der company gelten zum Teil verschiedene Regeln. Daneben ist eine Haftungsbegrenzung auch durch Garantie möglich (company limited by guarantee), vgl. CA 2006 s. 3 (3). Denkbar ist auch eine company ohne Haftungsbegrenzung [CA 2006 s. 3 (4)]. Diese Gesellschaftsformen sind für die vorliegende Untersuchung allerdings nicht relevant und werden daher ausgeklammert. 13 CA 2006 s. 112 und s. 301. Statt im Wege der Gesellschafterversammlung können die members in der Limited auch im Wege der written resolution Entscheidungen treffen (s. 288). 14 Art. 3 und 4 der Model Articles for Private Companies Limited by Shares. 15 Daneben sind insbesondere IA 1986 s. 213 (fraudulent trading) und s. 214 (wrongful trading) relevant. 16 Bedkowski, Geschäftsleiterpflichten, S. 483 ff. Siehe auch unten E. II. 2. 17 Cahn/Donald, Comparative Company Law, S. 338 f. (zur parallelen Vorschrift des § 93 AktG). Über die prozedurale Vorschrift IA 1986 s. 212 können directors’ duties darüber hinaus auch für den Gläubigerschutz relevant werden, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 281. 18 Neben IA 1986 s. 214 wurde durch den Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 mit IA 1986 s. 246ZB zudem eine Parallelvorschrift geschaffen, die die Geltendmachung der wrongful trading-Haftung auch für den Fall der insolvent administration durch den administrator erlaubt. Siehe hierzu auch Fn. 175.

B. Überblick über das englische Gesellschaftsrecht

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Äquivalent zu § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB sowie § 64 S. 1 GmbHG zu sehen.19 Der de jure director mit entsprechendem Pflichtenprogramm wird bei der Neugründung einer Gesellschaft nach CA 2006 s. 9 und 12 bestellt. Das weitere Bestellungsverfahren wird sodann durch die articles of association bestimmt, wobei die model articles eine Bestellung durch Gesellschafterbeschluss oder durch die bisherigen directors vorsehen.20 Ist die Bestellung fehlerhaft oder liegt von vornherein kein Bestellungsakt vor, so spricht man im englischen Recht häufig ohne nähere sprachliche Differenzierung vom de facto director.21 Trotz dieser sprachlichen Ungenauigkeiten ist die Unterscheidung allerdings rechtlich relevant, wie etwa CA 2006 s. 161 zeigt, der nur auf fehlerhaft bestellte directors Anwendung findet.22 Insofern wird zwischen „defective appointment“ und „no appointment at all“ unterschieden.23 Angesichts des eingangs beschriebenen Sachproblems, das auf eine Einflussnahme ohne Berechtigung und Bestimmung abstellt und angesichts des auch für das deutsche Recht entsprechend begrenzten Untersuchungsgegenstands auf Fälle, in denen keinerlei Bestellungsakt vorliegt, konzentriert sich die Arbeit im Folgenden auf die Darstellung der Rechtsfolgen in Fällen, in denen „no appointment at all“ vorliegt. Auch der Begriff des de facto director wird nur in diesem Sinne verwendet. Neben dem de facto director existiert als zweite relevante Fallgruppe der Einflussnahme auf eine Gesellschaft ohne Berechtigung und Bestimmung der shadow director. Dieses Institut weitet den Anwendungsbereich von eigentlich an den de jure director gerichteten Normen noch weiter auf andere nicht förmlich bestellte Personen aus. Im folgenden Abschnitt sollen zunächst die gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung zum de facto director untersucht werden. Im Anschluss gilt es sodann, das Institut des shadow director näher zu analysieren.

19 Siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 450 f. Das Gleiche gilt auch für IA 1986 s. 246ZB. 20 Siehe Hannigan, Company Law, S. 156 und Art. 17 der Model Articles for Private Companies Limited by Shares. Voraussetzung ist stets auch die Zustimmung des potentiellen director, siehe Hannigan, Company Law, S. 156. Für Bestellungshindernisse vgl. CA 2006 s. 156A und s. 157 sowie hinsichtlich der Disqualifizierungsgründe des CDDA 1986 und daran anknüpfende Rechtsfolgen Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 594 f. und 599 f. 21 Siehe bspw. Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [54 ff.] (Lord Collins) mit einem Überblick über die Rechtsprechungsgeschichte; Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 162 oder Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [35]. Generell wird auch auf authorities zurückgegriffen, die fehlerhaft bestellte Geschäftsführer betreffen, um die Anwendung von Pflichten auf faktische Geschäftsführer zu begründen, vgl. etwa Ultraframe UK Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch) [1257] oder Primlake Limited (In Liquidation) v Matthews Associates [2006] EWHC 1227 (Ch) [284] jeweils unter Verweis auf Re Canadian Land Reclaiming and Colonizing Co (1880) 14 Ch 660 (CA) 670. 22 Morris v Kanssen [1946] AC 459 (HL) 470 f. im Hinblick auf die Vorgängervorschrift CA 1929 s. 143. 23 Ibid., 471.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

C. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum de facto director I. Die gesetzliche „Definiton“ des de facto director Ausgangspunkt für die Analyse des Instituts des de facto director ist häufig CA 2006 s. 250. Dort heißt es: „In the Companies Acts ,director’ includes any person occupying the position of director, by whatever name called“. Teilweise wird diese Aussage so verstanden, dass der de facto director in diesem Gesetz dem de jure director vollständig gleichgestellt sei.24 Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass der Norm für die hier interessierenden Fragen, was einen de facto director ausmacht und welche Normen auf diesen Anwendung finden, nahezu keinerlei Bedeutung zukommt. Zwar nehmen zum Teil auch Urteile diese oder vergleichbare „Definitionen“ in anderen Gesetzen als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zur Anwendbarkeit von Normen auf faktische Geschäftsführer,25 zugleich wird allerdings auch immer wieder betont, dass der Begriff des de facto director in keinem Gesetz Erwähnung finde und dass der Companies Act darüber hinaus keine Definition des Begriffs des director enthalte.26 Richtigerweise stellt CA 2006 s. 250 daher nur klar, dass die Bezeichnung des director etwa als govenor oder trustee keinerlei Einfluss auf die Klassifizierung als director hat.27 Keineswegs lässt sich aus ihr eine generelle Gleichstellung im Hinblick auf den gesamten Companies Act entnehmen. Stattdessen ist auch im englischen Recht das Problem der faktischen Geschäftsführung grundsätzlich als Normanwendungsproblem einzuordnen.28 Zwar 24 Sorge, Haftung, S. 43; noch weitergehender für eine allgemein gleiche Rechts- und Pflichtenstellung Hartmann, Insolvenzantragspflicht, S. 176; Nadwornik, De facto und shadow directors, S. 6 f. 25 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 289 [für CDDA 1986 s. 22 (4)]; Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [61] [für CDDA 1986 s. 22 (4)]; Secretary of State for Trade and Industry v Hall [2006] EWHC 1995 (Ch) [30] (für CDDA 1986 s. 22 (4) und IA 1986 s. 251); Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [18] (für CA 2006 s. 250). 26 Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) 399; Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [20]; Re Sports Management Group Ltd (In Liquidation) 2016 WL 02997017 [14]. 27 Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) 488; Hannigan, Company Law, S. 155; Girvin/Frisby/Hudson, Charlesworth’s Company Law, S. 315; John Birds, in: Boyle and Birds’ Company Law, S. 550; Goodison, in: Mortimore (Hrsg.), Company Directors, Rn. 3.18; zurückhaltender allerdings Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 470 (Fn. 26). 28 Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) 488; Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [21] und [93]; Hannigan, Company Law, S. 164; John Birds, in: Boyle and Birds’ Company Law, S. 550. Aus dem deutschen Schrifttum ebenso Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 394. Im Zusammenhang mit den wenigen und inhaltlich begrenzten Vorschriften des CDDA 1986 ließe sich auch von einer umfassenden Gleichstellung ausgehen, vgl. Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 289 und Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [61]. Auf die begrenzten Folgen einer Gleichstellung in diesem Gesetz weist auch Sorge, Haftung, S. 48, zu

C. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum de facto director

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gibt es ähnlich wie in der deutschen Rechtsprechung die Tendenz jedenfalls im Hinblick auf Haftungs- und Verbotsvorschriften generell von einer Anwendbarkeit auf faktische Geschäftsführer auszugehen29, Ausgangspunkt bleiben aber die Feststellungen, dass nicht alle Normen des Companies Act ihrem Sinn und Zweck nach auf einen de facto director Anwendung finden können30 und dass die inhaltlichen Anforderungen an den Begriff des de facto director von Norm zu Norm verschieden sein können.31

II. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum de facto director bis Re Paycheck Services 3 Ltd Ähnlich wie in Deutschland hatten sich die Gerichte in England zunächst vor allem mit Fällen fehlerhafter Bestellung zu beschäftigen. Erst im Jahr 1988 musste sich der High Court in der Entscheidung Re Lo-Line Electric Motors Ltd and Others32 erstmals mit dem Problem der Geschäftsführung ohne jeglichen Bestellungsakt auseinandersetzen. Die Entscheidung betraf die Frage, inwieweit eine disqualification order nach CDDA 1986 s. 633 auch auf de facto directors Anwendung finden kann. Sir Nicholas Browne-Wilkinson V.-C. bejahte dies unter Verweis auf den Willen des Gesetzgebers.34 Hinsichtlich der Anforderungen an eine de facto director-Stellung enthält das Urteil allerdings jenseits der Formulierung, die betreffende Person müsse es übernommen haben, als director zu handeln („a person […] just assuming to act as a director“), kaum Anhaltspunkte, da der Beklagte akzeptiert hatte, die Gesellschaft als de facto director ohne jegliche Bestellung geführt zu haben und lediglich die Anwendbarkeit von CDDA 1986 s. 6 bestritt.35 Recht hin, während dieselbe Aussage hinsichtlich des CA 2006 und IA 1986, siehe ibid., hingegen unzutreffend ist. Hier scheidet eine vollständige Gleichstellung in jedem Fall aus, wie etwa CA 2006 s. 40 und s. 161 zeigen. Im Übrigen ergibt sich aus der Feststellung, dass beide Gesetze im Vergleich zum deutschen Recht weniger Rechte, sondern in erster Linie Pflichten kodifizieren, keine Antwort auf die wichtige Frage, ob die entsprechenden Pflichten nicht dennoch korrespondierende (unkodifizierte) Rechte voraussetzen, siehe hierzu unten E. II. 29 Dies gilt insbesondere für die hier relevanten CA 2006 s. 170 ff. und IA 1986 s. 214. Siehe auch Kapitel 2 B. I. 1. zum deutschen Recht. 30 Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) 489. 31 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [93]. 32 [1988] Ch 477 (Ch). 33 Diese Vorschrift entspricht der damaligen s. 300 des CA 1985. Auch wenn diese und andere Entscheidungen zur Disqualifizierung nach CDDA 1986 nicht unmittelbar eine Lösung des eingangs beschriebenen Sachproblems darstellen, da die Normen nicht der Kompensation dienen, sind sie relevant, da sie Aussagen hinsichtlich des Tatbestands des de facto director enthalten, die auch bei der Anwendung von der Kompensation dienenden Normen von Bedeutung sind. Zu den disqualification proceedings siehe auch E. III. 34 Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) 489. 35 Ibid., 488 und 490.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Im Anschluss an diese Entscheidung folgten in den neunziger Jahren und um die Jahrtausendwende im regelmäßigen Abstand neue Entscheidungen, in der Regel ebenfalls im Zusammenhang mit disqualification proceedings.36 Schritt für Schritt bildeten sich so erste Konturen des Begriffs des de facto director heraus. Besondere Relevanz kommt dabei zunächst der Entscheidung Re Hydrodan (Corby) Ltd37 zu, weil hier zum ersten Mal auch die Anwendung der wrongful trading-Haftung nach IA 1986 s. 214 auf de facto directors akzeptiert wurde. Daneben unternimmt die Entscheidung aber auch den Versuch, konkrete Kriterien für die Normanwendung aufzustellen. Millet J hielt insbesondere für relevant, ob die betreffende Person vorgebe, ein director zu sein („purports to be a director“) und ob diese von der Gesellschaft auch als ein solcher ausgegeben werde („he is held out as a director by the company“).38 Zentral sei schließlich, dass Funktionen wahrgenommen würden, die ordnungsgemäß nur von einem director wahrgenommen werden könnten. Nicht jede Art von Tätigkeit im Management sei hierfür ausreichend.39 Im Anschluss an Re Hydrodan (Corby) Ltd beschäftigte sich der High Court immer wieder mit der Frage, ob die von Millet J aufgestellten Kritieren zwingend sind oder nicht und ob sich darüber hinaus überhaupt ein abschließender Test für die Stellung als faktischer Geschäftsführer finden lässt.40 Herauszuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle41 aus dem Jahr 1997, die wenig später auch in Re Kaytech42, der ersten Court of Appeal-Entscheidung zum de facto director, Zustimmung fand. In Tjolle äußerte Jacob J, dass die entscheidende Aussage in Re Hydrodan (Corby) Ltd darin zu sehen sei, dass die betreffende Person tatsächlich in der Position gewesen sei, die Funktion eines director wahrzunehmen; sie müsse, mit anderen Worten, Teil der Corporate Governance-Struktur der Gesellschaft gewesen sein („[W]as this individual part of the corporate governance structure?“).43 Hierfür könne es relevant sein, dass die Person vorgebe, ein director der Gesellschaft zu sein oder die Gesellschaft sie als einen solchen ausgebe. Einen zwingenden oder abschließenden Test

36

Re Richborough Furniture Ltd [1996] BCC 155 (Ch); Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch); Secretary of State for Trade and Industry v Hall [2006] EWHC 1995 (Ch). 37 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch). 38 Ibid., 163. 39 Ibid. 40 Re Moorgate Metals Ltd [1995] BCC 143 (Ch) 154; Re Richborough Furniture Ltd [1996] BCC 155 (Ch) 168. 41 [1998] BCC 282 (Ch). 42 Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA). 43 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 290.

C. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum de facto director

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für die Stellung als faktischer Geschäftsführer gebe es allerdings nicht („I think what is involved is very much a question of degree“).44 Die in Tjolle formulierte und in Re Kaytech akzeptierte Rechtsposition wurde in der Folgezeit in weiteren Entscheidungen zur Anwendung gebracht. Hervorzuheben sind insbesondere die Entscheidungen Primlake Limited (In Liquidation) v Matthews Associates45 und Secretary of State for Trade and Industry v Hollier46. In ersterer Entscheidung stellte Collins J (später Lord Collins und einer der Richter in Re Paycheck Services, hierzu sogleich) fest, dass den de facto director unzweifelhaft dieselben haftungsbewährten fiduciary duties (heute: insbesondere CA 2006 s. 172) träfen wie den de jure director und berief sich hierbei auf die Entscheidung Ultraframe UK Ltd v Fielding47 sowie auf eine ältere Entscheidung zum fehlerhaft bestellten Geschäftsführer.48 Daneben stellt das Urteil ein anschauliches Beispiel für einen Fall dar, in dem tatsächlich eine faktische Geschäftsführerstellung und eine daran anknüpfende Haftung vorlagen.49 In der Hollier-Entscheidung, die hinsichtlich der Anforderungen an die faktische Geschäftsführerstellung ebenfalls darauf abstellt, ob die betreffende Person Teil der Corporate Governance-Struktur war, wurde zudem ergänzt, dass der de facto director nicht notwendigerweise in das Tagesgeschäft der Gesellschaft involviert sein müsse und es genüge, wenn director-Funktionen nur im Hinblick auf einen Teil der Aktivitäten der Gesellschaft übernommen würden.50

III. Re Paycheck Services 3 Ltd Die zentrale Entscheidung zur Thematik der faktischen Geschäftsführung im englischen Recht stellt seit 2011 die erste und einzige Supreme Court-Entscheidung Re Paycheck Services dar.51 Neuere Urteile beginnen ihre Analyse der authorities in der Regel mit dieser Entscheidung. Auch wenn die eigentliche (Kern-)Streitfrage, unter welchen Voraussetzungen der director einer Gesellschaft, die ihrerseits als corporate director einer anderen Gesellschaft fungierte, als de facto director letzterer Gesellschaft qualifiziert werden kann, aufgrund von mehreren Gesetzesänderungen 44 Ibid. Ebenso wie die von Millet J in Re Hydrodan (Corby) Ltd aufgestellten Kriterien wird heute auch der in Re Richborough Furniture Ltd [1996] BCC 155 (Ch) 170 formulierte sog. „equal footing test“ behandelt. 45 [2006] EWHC 1227 (Ch). 46 [2006] EWHC 1804 (Ch). 47 [2005] EWHC 1638 (Ch). 48 Primlake Limited (In Liquidation) v Matthews Associates [2006] EWHC 1227 (Ch) [284] und [334]. 49 Vgl. zu dieser Einschätzung Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [122] (Lord Walker). 50 Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [73]. 51 [2010] UKSC 51.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

heute kaum noch von Bedeutung ist, sind andere Fallkonstellationen denkbar, in denen die Äußerungen der Richter zu dieser Frage weiterhin von Relevanz sind.52 Insoweit ist es notwendig, die Diskussion hier vollständig wiederzugeben. Unabhängig davon enthält das Urteil aber auch wichtige, autoritative Aussagen hinsichtlich der Voraussetzungen einer de facto director-Stellung. Anders als im deutschen Recht erlaubte der Companies Act für eine gewisse Zeit, dass eine company als einzigen director eine weitere company einsetzte (sog. corporate director). Zum Zeitpunkt des Urteils Re Paycheck Services war diese Vorschrift bereits entschärft worden, so dass jede Gesellschaft über mindestens eine natürliche Person als director verfügen musste (CA 2006 s. 155).53 Zukünftig wird es außer in Ausnahmefällen überhaupt nicht mehr möglich sein, Gesellschaften zu directors zu ernennen.54 Nimmt man jedoch diese Möglichkeit als gegeben an, so ist das Problem im Hinblick auf die faktische Geschäftsführung offensichtlich. Der corporate director kann selbst nicht handeln und bedarf hierzu mindestens einer natürlichen Person als director. Der oder die director(s) unterliegen gegenüber dem corporate director dem üblichen Pflichtenprogramm. Ihre Handlungen entfalten allerdings nicht nur gegenüber dem corporate director Wirkung, sondern auch gegenüber der Gesellschaft, deren director der corporate director ist. Zwar ist die rechtliche Konstruktion an sich darauf ausgelegt, dass die natürlichen Personen gerade keine Pflichten gegenüber der zweiten Gesellschaft treffen, aber zugleich kommt der natürlichen Person auch direkte Entscheidungsgewalt im Hinblick auf die zweite Gesellschaft zu, was für die Annahme einer de facto director-Stellung und der Anwendung entsprechender haftungsbewährter Pflichten (hier der fiduciary duties i.V.m. IA 1986 s. 212 (misfeasance)) spräche. Dieses Spannungsverhältnis war bereits Gegenstand der Entscheidung Re Hydrodan (Corby) und Millet J hatte hierzu in einer häufig zitierten Formulierung festgestellt, dass der director jedenfalls nicht „without more“ de facto director der zweiten Gesellschaft sei, sofern er nur an der Entscheidungsfindung innerhalb der ersten Gesellschaft hinsichtlich der zweiten Gesellschaft mitgewirkt habe.55 Während in Re Hydrodan (Corby) die betreffenden Personen lediglich Teil eines Kollektivs (board of directors) waren, welches Entscheidungen hinsichtlich einer Unter-Untergesellschaft traf, so dass eine Verant52

Siehe hierzu C. IV. und Fn. 83 mit dazugehörigem Text. Zur historischen Entwicklung siehe Ellis, Comp. Law. 2016, 203 ff. 54 Vgl. CA 2006 s. 156A-C i. d. F. des Small Business, Enterprise and Employment Act 2015. Die Regelung sollte ursprünglich in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 in Kraft treten, vgl. Consultation des Department of Business, Innovation and Skills, The Register of people with significant control, S. 10, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/ uploads/attachment_data/file/437974/bis-15-315-register-of-people-with-significant-controlconsultation.pdf. Ein konkretes Datum für das Inkrafttreten gibt es allerdings auch im Februar 2017 noch nicht. Nach s. 156B wird es zudem die Möglichkeit geben, auf Grundlage von regulations des Secretary of State auch wieder begrenzte Ausnahmen vom Verbot des corporate director zu schaffen. Hierzu liegen allerdings ebenfalls noch keine endgültigen Informationen vor. 55 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 164. 53

C. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum de facto director

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wortlichkeit aus diesem Grunde abgelehnt werden konnte, zeigte sich das Problem des corporate director in Re Paycheck Services in seiner ganzen Brisanz, da hier der Beklagte als Einzelperson director des corporate director war und damit unmittelbar alle Entscheidungen für die zweite Gesellschaft traf. Während die Mehrheit der Richter dennoch eine faktische Geschäftsführerstellung ablehnte, weil der Beklagte lediglich seine Funktion als director des corporate director wahrgenommen habe, sprachen sich sowohl Lord Walker als auch Lord Clarke für eine Verantwortlichkeit aus, weil bei einer gegenteiligen Entscheidung praktisch keine Fälle denkbar seien, in denen das Kriterium „something more“ erfüllt sei und dies Gläubiger gefährde sowie zu Wertungswidersprüchen führe.56 Neben der Diskussion zum corporate director sind die Äußerungen der Supreme Court Justices zu den Anforderungen an eine de facto director-Stellung ebenso von höchster Relevanz. Im Wesentlichen schlossen sich alle Richter dem in Tjolle und Re Kaytech entwickelten Ansatz an. Lord Hope folgte der Feststellung von Jacob J, dass es keinen abschließenden Test gebe, um eine Person als de facto director zu qualifizieren. Stattdessen müsse man untersuchen „what the person actually did to see whether he assumed those responsibilities [of the office of director, d. Verf.] in relation to the subject company“.57 Ähnlich formulierte Lord Collins, der im Mittelpunkt der Untersuchung (jedenfalls im Hinblick auf die Anwendung der haftungsbewährten fiduciary duties) die Frage sah, ob der Beklagte Teil der Corporate Governance-Struktur gewesen sei und damit Funktionen wahrgenommen habe, die die Anwendung von fiduciary duties notwendig machten.58 Auch die Richter, die abweichende Vota verfassten, schlossen sich in dieser Frage der Mehrheit an59, wobei Lord Walker ebenfalls unterstrich, dass die Formulierung, eine Person habe die Funktion eines director übernommen, neutral zu verstehen sei und es allein darauf ankomme, wie die Person tatsächlich tätig geworden sei („assuming was used in a neutral sense, simply drawing attention to what the individual in question actually did“).60

56 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [101] und [115] (Lord Walker) sowie [143] (Lord Clarke). Uneinigkeit bestand zudem deshalb, weil Lord Collins die Frage, ob ein director eines corporate director de facto director der zweiten Gesellschaft sein kann, als in erster Linie rechtlich qualifizierte („question of law“), während Lord Clarke (wohl zu Recht) davon ausging, es handele sich um eine tatsächliche Frage („question of fact“), vgl. ibid., [133] (Lord Clarke) und [53] (Lord Collins). Kritisch gegenüber dem Mehrheitsvotum auch Kershaw, Company Law in Context, S. 326. 57 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [39]. 58 Ibid., [93]. 59 Ibid., [128] und [137] (Lord Clarke). 60 Ibid., [108].

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

IV. Jüngste Entscheidungen zum de facto director Auch im Anschluss an die Supreme Court-Entscheidung folgte eine Vielzahl weiterer Urteile zur Thematik der faktischen Geschäftsführung, wobei insbesondere die Entscheidungen Re Mumtaz Properties, Re Snelling House Ltd, Re Idessa Ltd und Smithton v Naggar herauszuheben sind. Re Mumtaz und Re Snelling House zeigen beispielhaft das Vorgehen der englischen Gerichte seit Re Paycheck Services und dass insbesondere auf die Dicta von Lord Hope und Lord Collins abgestellt wird.61 Re Snelling House ist darüber hinaus interessant, weil der Fall einen bereits disqualifizierten director zum Gegenstand hatte und in besonderem Maße die Gefahren aufzeigt, die in einer solchen Situation für Gläubiger entstehen können.62 Die Re Idessa-Entscheidung ist hingegen hervorzuheben, weil sie soweit ersichtlich den einzigen Fall darstellt, in dem ein de facto director wegen wrongful trading nach IA 1986 s. 214 tatsächlich zur Verantwortung gezogen wurde.63 Die Entscheidung Smithton v Naggar aus dem Jahr 2014 ist schließlich von großer Bedeutung, weil sie die Schwierigkeiten aufzeigt, die sich bei der Beantwortung der Frage stellen können, ob eine Person Teil der Corporate Governance-Struktur einer Gesellschaft war und Funktionen eines director wahrgenommen hat. Die erste Schwierigkeit besteht hinsichtlich der Frage, welche Tätigkeiten tatsächlich „directorial in nature“ sind.64 Arden LJ stellte hierzu fest, dass der Companies Act keine Ausführungen enthalte („the Companies Act does not elucidate that matter“) und erster Anknüpfungspunkt daher die in den (model) articles vorgesehene Aufgabenverteilung zwischen Gesellschaftern und directors sei.65 Daraus ergebe sich, dass die betreffende Person allein oder mit anderen über die Letztentscheidungsgewalt hinsichtlich des Managements zumindest eines Teils der Geschäfte der Gesellschaft verfügen müsse. („On that basis it means a person who either alone or with others has ultimate control of the management of any part of the company’s business“).66 Auch wenn sich allerdings vor diesem Hintergrund herausstelle, dass die relevante Tätigkeit „directorial in nature“ sei oder der Beklagte die „directorial nature“ seiner Tätigkeit nicht bestritten habe, bestehe darüber hinaus als separate Verteidigung die Möglichkeit geltend zu machen, man sei in einer anderen „capacity“ tätig geworden.67 Diese Unterscheidung ergibt sich laut Arden LJ aus dem Mehrheitsvotum in Re Paycheck Services. Dort sei zwar akzeptiert worden, dass der 61

Re Mumtaz Properties [2011] EWCA Civ 610. Arden LJ beschreibt den faktischen Geschäftsführer als Teil der Corporate Governance-Struktur und als eines der Nervenzentren, von dem die Aktivitäten der Gesellschaft ausgingen, vgl. [47]. 62 [2012] EWHC 440 (Ch) [46]. Siehe hierzu auch unten E. III. 63 [2011] EWHC 804 (Ch). 64 Ibid., [28 f]. Hierzu auch im Ansatz bereits Lord Collins in Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [91]. 65 Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [31 f.]. 66 Ibid. 67 Ibid., [61 – 65].

D. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum shadow director

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Beklagte durch sein Handeln die Funktionen eines director wahrgenommen habe. Dies habe die Mehrheit der Richter aber dennoch nicht daran gehindert, eine Verantwortlichkeit zu verneinen, weil der Beklagte in der „capacity“ als director des corporate director tätig geworden sei.68 In Naggar wiederum hatte sich der Beklagte dazu entschieden, nicht die „directorial nature“ seiner Tätigkeit zu bestreiten, sondern stattdessen darauf zu verweisen, dass er in der „capacity“ als chairman eines Hauptaktionärs und als Hauptkunde sowie auf Grundlage eines joint venture agreements tätig geworden sei.69 Diese Verteidigung war bereits im erstinstanzlichen Urteil erfolgreich und wurde auch durch den Court of Appeal nicht beanstandet. Insgesamt entsteht damit der Eindruck, dass gerade im Kontext von Konzernen, Joint Ventures und anderen Firmengeflechten die Qualifikation als de facto director in erheblichem Maße davon abhängt, ob eine Tätigkeit, die sich funktional als Tätigkeit eines director beschreiben ließe, im konkreten Fall auch durch eine andere rechtlich abgesicherte Stellung (i. d. R. der als director einer anderen Gesellschaft) nachvollziehbar erklärt werden kann und tatsächlich auch in Ausfüllung dieser Stellung wahrgenommen wurde.70 Ist dies der Fall, so scheidet eine Verantwortlichkeit als de facto director aus.

D. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum shadow director Eine weitere Möglichkeit eine Verantwortlichkeit faktisch einflussnehmender Personen zu begründen, ergibt sich durch die Regelungen zum sog. shadow director. Anders als der Begriff des de facto director findet der Begriff des shadow director in mehreren Gesetzen ausdrücklich Erwähnung. Der shadow director unterliegt nur insoweit den für de jure directors geltenden Regeln, als die jeweilige Norm dies ausdrücklich anordnet. So fällt der shadow director zwar unter die wrongful tradingHaftung und (mit Einschränkungen) unter die allgemeinen haftungsbewährten Pflichten eines director. IA 1986 s. 212 findet hingegen beispielsweise keine Anwendung.71

68

Ibid., [27 – 29]. Ibid., [62]. 70 Im Hinblick auf ein Tätigwerden in der „capacity“ eines shareholder ist die Rechtsprechung nicht ganz eindeutig, siehe hierzu einerseits Re Richborough Furniture Ltd [1996] BCC 155 (Ch) 170 und andererseits Secretary of State for Trade and Industry v Jones [1999] BCC 336 (Ch) 349 f. und Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) 401. 71 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [29]. Zu Recht kritisch Moore, Company Law Newsletter 2013, Nr. 345, 1, 3, aufgrund der Tatsache, dass s. 212 nur eine prozedurale Norm ist und die zugrundeliegende materielle Pflicht durchaus auch den shadow director treffen kann. Instruktiver Überblick über die anwendbaren Vorschriften des CA 2006 und des IA 1986 bei Goodison in: Mortimore (Hrsg.), Company Directors, Rn. 3.19 ff. 69

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

I. Die gesetzlichen Definitionen des shadow director Eine gesetzliche Definition des Begriffs des shadow director findet sich etwa in CA 2006 s. 251. Dort heißt es seit der Verabschiedung des Small Business, Enterprise and Employment Act 2015: 251 „Shadow director“ (1) In the Companies Acts “shadow director”, in relation to a company, means a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act. (2) A person is not to be regarded as a shadow director by reason only that the directors act (a) on advice given by that person in a professional capacity; (b) in accordance with instructions, a direction, guidance or advice given by that person in the exercise of a function conferred by or under an enactment; (c) in accordance with guidance or advice given by that person in that person’s capacity as a Minister of the Crown (within the meaning of the Ministers of the Crown Act 1975)”. (3) A body corporate is not to be regarded as a shadow director of any of its subsidiary companies for the purposes of – Chapter 2 (general duties of directors), Chapter 4 (transactions requiring members’ approval), or Chapter 6 (contract with sole member who is also a director), by reason only that the directors of the subsidiary are accustomed to act in accordance with its directions or instructions.

Die Definition in Abs. 1 und Abs. 2, die sich wortgleich auch in IA 1986 s. 251 and CDDA 1986 s. 22 findet, liefert einige wichtige Anhaltpunkte für die Frage, wann eine Person als shadow director zu qualifizieren ist. Zunächst setzt die Definition voraus, dass die Gesellschaft überhaupt über directors verfügt, die beeinflusst werden können.72 Daneben ergibt sich aus der Formulierung „accustomed to act“, dass eine einzelne Anweisung im Hinblick auf eine bestimmte Entscheidung nicht ausreicht, um eine Person als shadow director verantwortlich zu machen.73 Zudem stellt Abs. 2 klar, dass professionelle Berater (beispielsweise Rechtsanwälte), die in dieser Kapazität beratend tätig werden, nicht als shadow director zu qualifizieren sind. Im Hinblick auf den CA 2006 ist schließlich die Ausnahmeregelung in Abs. 3 für Konzernmütter beachtenswert.

72 73

Siehe hierzu auch Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 163. Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2002] EWHC 2200 (Ch) [43].

D. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum shadow director

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II. Entwicklung der Rechtsprechung In Ergänzung zu den wichtigen Aussagen zum Tatbestand des shadow director, die sich bereits aus dem Gesetz ableiten lassen, hat die Rechtsprechung weitere Konturierungsversuche unternommen. Die Mehrzahl der entschiedenen Fälle betrifft wiederum disqualification orders. Waren die Urteile anfangs von einer eher bildhaften Sprache geprägt, so dass der shadow director etwa als Puppenspieler („puppet master“)74 oder als im Schatten lauernd („he lurks in the shadows“)75 beschrieben wurde, hat sich mit der Zeit ein sachlicherer Ton durchgesetzt. Als Leiturteil kann die Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Deverell gelten.76 Auch Re Paycheck Services enthält zudem wichtige Aussagen zum Verhältnis von de facto director und shadow director.77 1. Kriterien für die Stellung als shadow director In der Entscheidung Deverell, einem Disqualifizierungsverfahren, hatte der Court of Appeal über die Frage zu entscheiden, ob der Tatbestand des shadow director in CDDA 1986 s. 22 nur erfüllt ist, wenn das board of directors durch die Weisungen des shadow director in eine unterwürfige („subservient“) Rolle gedrängt wurde. Ebenso war fraglich, ob neben der Erteilung von„directions“ und „instructions“ auch „advice“ zu einer Stellung als shadow director führen kann. Morritt LJ fasste seine Erkenntnisse hierzu in fünf Feststellungen zusammen, die wesentliche Leitlinien für die Qualifikation als shadow director bilden78 : (1) Die Definition des shadow director sei vor dem Hintergrund des Ziels der Gesetzgebung, die Öffentlichkeit vor untauglichen directors zu schützen und angesichts gleichlautender Formulierungen in anderen Gesetzen nicht deshalb eng auszulegen, weil im Rahmen des CDDA auch quasi-strafrechtliche („quasipenal“) Konsequenzen drohten. (2) Zweck der Qualifikation von Personen als shadow directors sei es, diejenigen zu identifizieren, die wirklichen Einfluss („real influence“) auf die Angelegen74

Re Unisoft Group Ltd (No. 2) [1994] BCC 766 (Ch) 775. Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 163. 76 [2001] Ch 340. Siehe dort insbesondere die Kritik an den vorangegangenen bildreichen Formulierungen in [35]. 77 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [109] (Lord Walker) und [127] (Lord Clarke). 78 Die Aussagen beziehen sich in erster Linie auf die Regelungen im CDDA 1986. Es ist allerdings kein Grund ersichtlich, warum diese nicht auch auf andere wortgleiche Definitionen des shadow director in anderen Gesetzen Anwendung finden sollten. Insofern gilt hier hinsichtlich des eingangs aufgeworfenen Sachproblems dasselbe wie für die Disqualifizierungsentscheidungen zum de facto director, siehe Fn. 33. Die Entscheidungen sind aufgrund ihrer Aussagen zum Tatbestand des shadow director auch von Relevanz für die Anwendbarkeit der Haftung aus wrongful trading und CA 2006 s. 171 ff. 75

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

heiten der Gesellschaft ausübten. Dafür sei es allerdings nicht notwendig, dass Einfluss auf alle Aktivitäten der Gesellschaft ausgeübt werde. (3) Damit eine bestimmte Art von Kommunikation als „direction“ oder „instruction“ eingeordnet werden könne, komme es in erster Linie nicht auf den Nachweis einer entsprechenden subjektiven Einordnung der beteiligten Parteien an, sondern es genüge nachzuweisen, dass objektiv eine Kommunikation mit entsprechenden Konsequenzen stattgefunden habe. (4) Die Tatsache, dass „professional advice“ vom Tatbestand der Schattengeschäftsführung ausgeschlossen sei, lasse den Rückschluss zu, dass die Erteilung von „advice“ grundsätzlich den Tatbestand der Schattengeschäftsführung erfüllen könne. Im Übrigen hätten die Konzepte „direction“ und „instruction“ mit „advice“ gemeinsam, dass es in jedem Fall um „guidance“ gehe. (5) Während es zweifelsohne ausreichend sei, dass infolge der Weisungen das board eine „subservient role“ eingenommen habe oder gar von jeglicher eigener Ermessensausübung absehe, dürfe dies nicht dazu führen, dass an die gesetzliche Formulierung „accustomed to act“ überhöhte Anforderungen gestellt würden.79 Daneben machte Morritt LJ deutlich, dass es keinesfalls zwingend sei, dass der shadow director lediglich im Hintergrund tätig werde. Auch wenn in voller Öffentlichkeit Einfluss genommen werde, komme eine Stellung als shadow director in Frage.80 Diese Feststellung traf zudem auf ausdrückliche Zustimmung durch Lord Walker in Re Paycheck Services.81 Auch findet sich in dieser Entscheidung Zustimmung für die Aussage, Ziel der Qualifikation einer Person als shadow director sei es, die Personen zu identifizieren, die tatsächlich Einfluss in der Gesellschaft ausgeübt hätten („real influence“).82 Ebenso wie für de facto directors gilt als weitere Begrenzung, dass eine Tätigkeit als shadow director ausscheiden kann, wenn in einer anderen „capacity“ gehandelt wurde. So lehnte Millet J in Re Hydrodan (Corby) die shadow director-Stellung von directors einer Gesellschaft gegenüber ihrer Urenkel-Gesellschaft ab, weil diese lediglich in ihrer Stellung als directors innerhalb des boards der Obergesellschaft gehandelt hätten.83 Allenfalls, wenngleich eher untypischerweise, komme in einer solchen Situation die shadow director-Stellung der Obergesellschaft selbst in Frage, wobei auch dies im konkreten Fall allerdings nicht geltend gemacht wurde.84 79 Für alle fünf Punkte siehe Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch 340 (Ch) [35]. 80 Ibid., [36]. 81 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [109]. 82 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [127] (Lord Clarke). 83 Als logischer Zwischenschritt wäre hierfür die Obergesellschaft selbst als director irgendeiner Art (shadow oder de facto) der Urenkelgesellschaft zu qualifizieren, vgl. Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 164. 84 Ibid.

D. Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung zum shadow director

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2. Fiduciary duties des shadow director Noch immer nicht vollständig geklärt scheint die Frage, ob shadow directors in jedem Fall dieselben fiduciary duties treffen wie einen de jure oder de facto director. Während Lewison J dies in der Entscheidung Ultraframe (UK) Ltd v Fielding noch ablehnte, kam der High Court in der Entscheidung Vivendi SA v Richards zum gegenteiligen Ergebnis. Auch in der Literatur wird überwiegend eine Gleichstellung befürwortet.85 Während Lewison J seine Ablehnung noch damit begründet hatte, dass der Gesetzgeber sich gegen eine Gleichstellung mit dem de jure und de facto director entschieden habe und dass der indirekte Einfluss des shadow director in der Regel nicht ausreiche, um diesem Treuepflichten aufzuerlegen86, wird die Anwendung von fiduciary duties in Vivendi damit begründet, dass die Einflussnahme des shadow director ebenso bedeutsam für die Gesellschaft sein könne wie diejenige eines de facto director, letzterer aber unzweifelhaft Adressat der fiduciary duties sei.87 Zudem sprächen Gründe der „public policy“ – soweit relevant – für eine Anwendung der fiduciary duties. Interessant ist vor diesem Hintergrund die jüngste Änderung von CA 2006 s. 170 (5). Statt „The general duties apply to shadow directors where, and to the extent that, the corresponding common law rules or equitable principles so apply“, heißt es dort nun „The general duties apply to a shadow director of a company where and to the extent that they are capable of so applying.” Diese Änderung zielt darauf ab, bestehende Begrenzungen zu beseitigen88, was dahingehend interpretiert werden kann, dass in Zukunft fiduciary duties ohne Weiteres auch auf shadow directors angewendet werden können.89 Welche Faktoren die Anwendung einer bestimmten Pflicht auf den faktischen Geschäfts-

85

Prentice/Payne, LQR 2006, 558, 562; Kershaw, Company Law in Context, S. 330; Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 472 f. Yiap, JBL 2012, 579, 588, spricht sich dafür aus, dass allgemein in Gesetzen und Urteilen deutlicher gemacht werden sollte, warum bestimmte Pflichten nicht auf shadow directors Anwendung finden können. 86 Ultraframe (UK) Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch) [1289]. Im Kern geht es hier um die Überlegung, unter welchen Voraussetzungen es allgemein möglich ist, Personen fiduciary duties aufzuerlegen, vgl. ibid., [1285 ff.]. Siehe hierzu auch E. II. 2. 87 Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch) [142]. 88 Siehe hierzu Department of Business, Innovation and Skills, Small Business, Enterprise and Employment Act: Companies: Transparency Fact Sheets, S. 4, abrufbar unter: https://www. gov.uk/government/publications/small-business-enterprise-and-employment-bill-factsheets sowie die Explanatory Notes zum Small Business, Enterprise and Employment Bill para 538, abrufbar unter: http://www.publications.parliament.uk/pa/bills/cbill/2014-2015/0011/en/15011 en.htm. 89 Ebenso Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 472 f. Kritisch gegenüber der Neuregelung hingegen Witney, JBL 2016, 311, 318 ff., weil diese den Gerichten nicht genügend Flexibilität bei der Anwendung der general duties auf den shadow director gewähre. Siehe zur Neuregelung aus dem deutschen Schrifttum auch J. Schmidt, AG 2015, R228, R229 und Stiegler, ZIP 2016, 1808, 1815.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

führer verhindern können, bleibt allerdings auch nach der neuen gesetzlichen Regelung unklar. Hier werden erste Entscheidungen abzuwarten sein.90 3. Verhältnis zum de facto director Zum Verhältnis zwischen de facto und shadow director existieren ebenfalls unterschiedliche Aussagen. Während sich Millet J in Re Hydrodan (Corby) noch deutlich dafür aussprach, dass beide Kategorien sich gegenseitig ausschlössen, hielten spätere Entscheidungen es für möglich, dass beide Rechtsfiguren gleichzeitig vorliegen könnten.91 Dabei sind allerdings zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. So führte Lewison J in seiner Diskussion der Frage in Re Mea Corp beispielhaft Fälle an, in denen eine Person hinsichtlich eines Geschäftsfelds als shadow director und im Hinblick auf ein anderes als de facto director tätig wird.92 Daneben findet sich aber beispielsweise in Re Kaytech in den Überlegungen von Walker LJ (später Lord Walker) die Feststellung, dass beide Funktionen auch im Hinblick auf denselben Geschäftsbereich überlappen könnten („something of a mixture“).93 Letztlich dürfte damit zwar Steffek in seiner Einschätzung zuzustimmen sein, dass de facto und shadow director grundsätzlich danach abzugrenzen sind, ob die Geschäftsführung unmittelbar selbst oder nur mittelbar durch einen bestellten Geschäftsführer wahrgenommen wird.94 Zugleich scheint aber zweifelhaft, ob eine solche Abgrenzung in der Praxis überhaupt durchführbar ist, weil häufig auch im Hinblick auf einzelne Geschäftsfelder ein Mischung aus unmittelbaren und mittelbaren Handlungen vorliegen dürfte.95 Angesichts dieser Feststellung und der Tendenz den shadow director im Hinblick auf seine Pflichten dem de facto director stärker gleichzustellen, stellt sich die Frage, ob eine Unterscheidung überhaupt noch sinnvoll ist. In der Tat wurde dies im Schrifttum zuletzt verschiedentlich angezweifelt. Insbesondere werde eine solche Unterscheidung in anderen gesetzgeberischen Akten bereits nicht mehr vorgenommen und auch andere common law-Rechtsordnungen hätten so entschieden.96 Hinweise auf historische Gründe für die Unterscheidung finden sich in Re Paycheck 90 Zudem besteht nach s. 89 (2) des Small Business, Enterprise und Employment Act 2015 die Möglichkeit, dass der Secretary of State im Wege von regulations die Anwendbarkeit der general duties weiter konkretisiert, siehe hierzu Witney, JBL 2016, 311, 323 f. 91 Re Mea Corp Ltd [2006] EWHC 1846 (Ch) [89]; zustimmend Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [110] (Lord Walker) und [127] (Lord Clarke). 92 Re Mea Corp Ltd [2006] EWHC 1846 (Ch) [89]. 93 Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) 402. 94 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 401 f. 95 Zu diesem Einwand siehe bereits Dreher, NZG 2014, 967, 969 (Fn. 36). 96 Moore, Company Law Newsletter 2013, Nr. 345, 1, 4; Griffin, Insolv. Int. 2011, 24 (3), 44, 47 (im Hinblick auf FSMA 2000). Stattdessen wird vorgeschlagen, beide Institute hinsichtlich der Rechtsfolgen gleichzustellen, oder beide unter CA 2006 s. 250 zu fassen, siehe Griffin, Insolv. Int. 2011, 24 (3), 44, 47.

E. Rechtsvergleich

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Services.97 So seien mit dem Begriff des de facto director zunächst nur Fälle erfasst gewesen, in denen eine fehlerhafte Bestellung vorgelegen habe. Erst mit Re Lo-Line Electric Motors habe als „judicial innovation“ eine Ausdehnung des Begriffs auf in keiner Weise bestellte Personen stattgefunden, durch die der Unterschied zwischen de facto director und shadow director erodiert worden sei. Die zeitlich weit vor Re Lo-Line liegende Schaffung der Kategorie des shadow director durch den Gesetzgeber dürfte damit ursprünglich als behutsame Erweiterung der organschaftlichen Verantwortlichkeit auf faktisch Einflussnehmende jenseits des damals wesentlich engeren Begriffs des de facto director intendiert gewesen sein. Nachdem die Rechtsprechung im Anschluss an Re Lo-Line nun allerdings wesentlich großzügiger eine Verantwortlichkeit auch für lediglich faktische Einflussnahme annimmt, lässt sich in der Tat gut argumentieren, dass separate Begrifflichkeiten und ein reduziertes Pflichtenprogramm für den shadow director nicht mehr sinnvoll sind und daher abgeschafft werden sollten. Allerdings scheint jedenfalls der Gesetzgeber, wie die jüngsten Änderungen im Companies Act verdeutlichen, nicht an eine Abschaffung der Unterscheidung zu denken.

E. Rechtsvergleich vor dem Hintergrund der Kritik am deutschen Normanwendungsmodell Bereits die Darstellung der Rechtslage zum de facto und shadow director macht deutlich, dass auch das englische Recht faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung als besondere Problematik qualifiziert, die zum Schutze der Gläubiger und Gesellschafter einer spezifischen Lösung bedarf. Darüber hinausgehende Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Recht soll der nun folgende Detailvergleich zum Vorschein bringen. Dabei wird in zwei Schritten vorzugehen sein. Zunächst soll in einem ersten Schritt der „Tatbestand“98 des de facto und shadow director mit dem der faktischen Geschäftsführung verglichen werden, wobei dabei die Rechtsfolgenseite, d. h. die konkrete Funktionsweise der Kompensation gewährenden Haftungsnormen, zunächst noch unberücksichtigt bleiben soll.99 Ziel des 97

Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [91], [96] (Lord Collins). Der „Tatbestand“ der faktischen Geschäftsführung müsste eigentlich im Kontext der jeweiligen funktional äquivalenten Einzelnorm mit demjenigen des de facto und shadow director verglichen werden, weil beide Rechtsordnungen faktische Geschäftsführung als Problem der Einzelnormanwendung sehen, siehe oben Kapitel 2 B. I. 3. und Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [93] (Lord Collins). Allerdings ist bis zu einem gewissen Grad eine Abstraktion möglich und eine solche wird von der Rechtsprechung und Literatur in beiden Rechtsordnungen regelmäßig auch vorgenommen. Daneben hat eine von der Einzelnorm losgelöste Darstellung des Tatbestands auch den Vorteil der Übersichtlichkeit. 99 Diese Auftrennung ergibt sich aus dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Ansatz, dass eine spezielle Verantwortlichkeit für Fälle faktischer Geschäftsführung zwar notwendig ist, mit dem Normanwendungsmodell eine solche aber nicht überzeugend begründet werden kann, vgl. oben Kapitel 3 D. sowie unten Kapitel 5 A. I. 98

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Vergleichs der Voraussetzungen der Einzelnormanwendung ist es, weitere Argumente für das hier befürwortete weite Verständnis des Begriffs der faktischen Geschäftsführung im deutschen Recht zu finden.100 Die Lösung in beiden Rechtsordnungen wird hierfür bewertet, in dem als Maßstab Kosten und Präventionswirkung beider Ansätze gegenübergestellt werden.101 In einem zweiten Schritt werden sodann die einzelnen funktionalen Äquivalente zu § 43 GmbHG sowie § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 64 GmbHG in ihrer Anwendung auf de facto und shadow director näher untersucht, um zu vergleichen, ob das englischen Recht die für das deutsche Recht identifizierten Probleme der Inkongruenz von Rechten und Pflichten und der falschen Anreizwirkung besser bewältigt oder sich diese Probleme möglicherweise von vornherein nicht stellen.102

I. Vergleich der Voraussetzungen für die Einzelnormanwendung Angesichts der Tatsache, dass im deutschen Recht keine vergleichbare Unterscheidung existiert und weil beide Institute Reaktionen auf dasselbe Sachproblem darstellen, bietet es sich, um Wiederholungen zu vermeiden, für den zuerst vorzunehmenden Vergleich der Voraussetzungen für die Einzelnormanwendung an, de facto und shadow director gemeinsam zu behandeln. 1. Argumente für eine Ausweitung des deutschen Begriffsverständnisses Im Ausgangspunkt wird sowohl im deutschen wie im englischen Recht angenommen, dass eine Person einzelfallabhängig als faktischer Geschäftsführer bzw. de facto oder shadow director qualifiziert werden muss und diese Qualifikation stets von einer „Gesamtschau“ der Umstände abhängig ist.103 Darüber hinaus setzt die Rechtsprechung in Deutschland allerdings zwingend voraus, dass der faktische Geschäftsführer auch eigenhändig nach außen als solcher tätig wird.104 Im englischen Recht hingegen scheidet dieses Kriterium für den shadow director schon per definitionem aus, für den de facto director wurde spätestens mit Re Kaytech von einem

100 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. II. 1. und 2. Dies kann sodann für die eigene Lösung fruchtbar gemacht werden, siehe Kapitel 5 A. II. 101 Siehe zu Bewertungsmöglichkeiten bereits A. 102 Dies ist für die Kritik am Normanwendungsmodell relevant. 103 BGHZ 104, 44, 48. Für das englische Recht beispielhaft die Zusammenfassung in Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [33 ff.], insbesondere [40]: „The court should look at all the circumstances ,in the round‘.“. 104 Siehe oben Kapitel 2 A. III.

E. Rechtsvergleich

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solchen zwingenden Kriterium endgültig Abstand genommen.105 Die Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung hat somit zumindest auf dem Papier in England einen deutlich größeren Anwendungsbereich. Vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit vorgetragenen Kritik am restriktiven Ansatz der deutschen Rechtsprechung106 stellt sich daher nun die Frage, inwieweit die englische Rechtslage als weiteres Argument für die hier befürwortete Aufgabe der Position des BGH hinzugezogen werden kann. Dies wird in der deutschen Literatur häufig getan107, andererseits aber auch abgelehnt.108 Die ablehnenden Stimmen in der Literatur verweisen dabei insbesondere auf den Umstand, dass die Einbeziehung von Hintermännern im englischen Recht der Tatsache geschuldet sei, dass dort im Unterschied zu Deutschland weder ein Konzernrecht noch andere Haftungsgrundlagen existierten, um gegebenenfalls unsachgemäße Einflussnahme von Hintermännern zu sanktionieren.109 Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der faktischen Geschäftsführung in Deutschland sei daher unnötig und würde zudem auch zu Abgrenzungsproblemen und möglicherweise gar zu ungerechtfertigten Haftungserweiterungen führen.110 Fügt man dieses Argument in das zu Anfang dieses Kapitels dargestellte methodische Korsett ein, verbirgt sich dahinter nichts anderes als die Aussage, dass das hier untersuchte Sachproblem111 im deutschen Recht nur teilweise durch das Institut der faktischen Geschäftsführung gelöst werde und daneben andere Rechtsinstitute namentlich das Konzernrecht und die Gesellschafterhaftung bestünden, die hinsichtlich ihrer Kompensationsfunktion funktional äquivalent zur Haftung eines shadow director oder eines nicht nach außen auftretenden de facto director im englischen Recht seien. In der Tat lässt sich nicht leugnen, dass bestimmte Arten von Einflussnahme durch Hintermänner beispielsweise eine Haftung wegen Treuepflichtverletzung oder gemäß § 826 BGB nach sich ziehen können.112 Dass allerdings alle Konstellationen tatsächlicher Einflussnahme ohne Außenauftritt, insbesondere im Fall von Nicht-Gesellschaftern, durch andere 105 Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) 401 f. Siehe zuvor bereits Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 290. Siehe zudem zuletzt auch Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [90 ff.]. 106 Siehe oben Kapitel 3 C. II. 1. 107 Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., GmbHR 2011, 337, 342; Sorge, Haftung, S. 112. 108 MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22. 109 MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 19; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22. 110 U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22, 25. 111 Zum Begriff siehe oben A. 112 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 B. I. 2. c) und Kapitel 2 B. IV. 2. b). Wenn Spindler im Kontext des Aktienrechts darüber hinaus auch auf das Konzernrecht verweist, vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 19, gilt im Hinblick auf das hier allein interessierende GmbH-Konzernrecht, dass zwar im Vertragskonzern Teile des Aktienkonzernrechts analoge Anwendung finden können und so insbesondere § 309 Abs. 2 AktG analog auch als funktionales Äquivalent zur shadow director-Haftung gesehen werden kann, siehe Nadwornik, De facto und shadow directors, S. 184 f., 192. Im faktischen GmbH-Konzern ergibt sich eine Verantwortlichkeit der Konzernmutter hingegen allein aus der Treuepflicht (Schutz der Minderheitsgesellschafter) bzw. aus § 826 BGB und den Kapitalerhaltungsvorschriften (Schutz der Gläubiger), vgl. ausführlich MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 398 f., 401 ff., 519 ff.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Kompensation gewährende Institute erfasst sind, ist hingegen durchaus zu bezweifeln.113 Doch selbst wenn man dies annähme114, so hieße dies nicht, dass diese Lösungen zu einer spezifischen bei der faktischen Geschäftsführung ansetzenden Lösung gleichwertig wären. Dies trifft zwar hinsichtlich der Kompensationsfunktion zu, nicht aber hinsichtlich der Präventionsfunktion. So korrespondiert mit der Haftung wegen Treuepflichtverletzung bzw. § 826 BGB lediglich ein allgemeines Schädigungsverbot, das die Verantwortlichen in ihrer Funktion als Gesellschafter anspricht.115 Eine Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer würde hingegen die betreffende Person unmittelbar in dieser Funktion ansprechen und könnte zudem mit dieser konkrete Verhaltensregeln verknüpfen, die der spezifischen Gefahr faktischer Geschäftsführung besser beikommen würden als die wenig präzise formulierte gesellschaftsrechtliche Treuepflicht oder der weit gefasste § 826 BGB.116 113

So wird für Nichtgesellschafter beispielsweise auf die Haftung von Treugebern als Quasi-Gesellschafter verwiesen, vgl. U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 22. Für eine Qualifikation als solcher ist nach h.M. allerdings zumindest eine mittelbare Beteiligung an der Gesellschaft erforderlich, vgl. Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 282 ff. m.w.N. Fehlt es an dieser, müsste somit auch diese Option ausscheiden. Eine Haftung wegen Treuepflichtverletzung scheidet zudem nach h.M. in der Einpersonen-GmbH aus, siehe MüKoGmbHG/Merkt § 13 Rn. 106 f. m.w.N. Interessant, wenngeich ebenfalls nicht unproblematisch, wäre in diesem Zusammenhang möglicherweise der Ansatz von Prütting, § 117 AktG im GmbH-Recht analog anzuwenden, siehe ZGR 2015, 849. 114 Hierfür spricht zumindest die sog. presumptio simultidinis. Zu dieser Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 340, 369 ff. 115 Für die Treuepflicht siehe Schürnbrand, Organschaft, S. 319 m.w.N. Die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB zielt darauf ab, aktive Eingriffe der Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen, die zur Insolvenz führen oder diese vertiefen, zu verhindern, siehe MüKo-GmbHG /Liebscher, Anh. § 13 Rn. 535 ff. 116 Siehe hierzu bereits oben Kapitel 3 B. I. 2. c) aa) aus der Perspektive des hier abgelehnten Normanwendungsmodells. Dies gilt ebenso auf Grundlage des hier vorgeschlagenen eigenen Ansatzes, da dieser ebenfalls eigenständige haftungsbewährte Verhaltenspflichten des faktischen Geschäftsführers formuliert, vgl. Kapitel 5 B. III. Als vollständig gleichwertig kann man in dieser Hinsicht allenfalls die Regelungen für den Vertragskonzern ansehen. Zunächst bietet die Verlustausgleichspflicht der Muttergesellschaft nach § 302 AktG analog sowie die Haftung nach § 309 AktG analog umfassenden Schutz für Gläubiger und Minderheitsgesellschafter vor schädigender Einflussnahme durch die Konzernmutter. In der Insolvenz der Muttergesellschaft, die einen Anspruch nach § 302 AktG analog ebenso wertlos macht wie theoretische Ansprüche gegen diese wegen faktischer Geschäftsführung, bleibt ein Vorgehen gegen das Organ der Muttergesellschaft nach § 309 Abs. 1 – 4 AktG analog. Dieser bietet weiteren Schutz, insbesondere wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass ein dichtes Weisungsnetz bzw. funktionsäquivalentes Tätigwerden unter Umständen auch Handlungspflichten nach sich ziehen kann, vgl. Hüffer/Koch, § 309 Rn. 10 m.w.N., und wenn man die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs durch die Gläubiger nach § 309 Abs. 4 AktG berücksichtigt. Ob darüber hinaus eine Verantwortlichkeit des Organs der Muttergesellschaft als faktischer Geschäftsführer notwendig und sinnvoll ist, scheint schon wegen des Verantwortlichkeitsgefälles zwischen Organ und Obergesellschaft zweifelhaft, siehe hierzu sogleich die Nachweise in Fn. 141 mit dazugehörigem Text. Ausführlich zur Verantwortlichkeit wegen faktischer Geschäftsführung im GmbH-Vertragskonzern auf Grundlage des hier vertretenen Ansatzes auch Kapitel 5 B. III. 3. c) sowie Kapitel 5 C. I. 2. und II. 2.

E. Rechtsvergleich

139

Nun ließe sich als Argument für die zurückhaltendere Lösung im deutschen Recht anführen, dass diese die Funktion erfülle, die rechtlich zulässige und in Teilen durchaus erwünschte Einflussnahme im Konzern oder allgemein durch Gesellschafter abzusichern und nicht durch die drohende Gefahr einer übermäßigen Haftung von vornherein unattraktiv zu machen.117 Auch hier zeigt der Blick ins englische Recht aber, dass dieses legitime Ziel keinesfalls auf Kosten der Präventionsfunktion geschehen muss. So bestimmt CA 2006 s. 251 (3) gewissermaßen als „Rückausnahme“, dass eine Muttergesellschaft nicht bereits deshalb als shadow director Adressat der allgemeinen Geschäftsleiterpflichten werden kann, weil die directors der Tochtergesellschaft regelmäßig Weisungen der Muttergesellschaft folgen. Zudem hat Steffek nachgewiesen, dass rechtstatsächlich eine übermäßige Gefahr für Konzernobergesellschaften auch hinsichtlich einer Haftung nach IA 1986 s. 214 nicht besteht.118 Es scheint also, dass Konzernmütter und Gesellschafter durch die grundsätzliche Einbeziehung von Hintermännern in die Verantwortlichkeit als shadow oder de facto director nicht über Gebühr belastet werden. Zusammenfassend lässt sich damit trotz der Existenz funktionaler Äquivalente zur shadow director-Haftung im deutschen Recht die Lösung des englischen Rechts als Argument für eine Ausweitung des Begriffsverständnisses der faktischen Geschäftsführung auch in Deutschland anführen. Hinsichtlich ihrer Präventionswirkung wäre eine Lösung über an diesen Begriff anknüpfende spezielle, haftungsbewährte Verhaltenspflichten einer Lösung über allgemeiner gehaltene Regelungen überlegen.119 Darüber hinaus lässt sich zudem im englischen Recht erkennen, dass eine Ausweitung der Haftung auf Hintermänner nicht zwingend übermäßig prohibitiv auf die Einflussnahme durch Gesellschafter wirken muss. Für das deutsche Recht böte es sich in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen und übermäßiger Haftung beispielsweise an, statt mit dem Merkmal des Außenauftritts überinklusiv, behutsam eine genauere Definition zulässiger Einflussnahme durch Gesellschafter vorzunehmen und für diesen Fall von einer Verantwortlichkeit für faktische Geschäftsführung abzusehen.120 Ist dies gelungen, könnte man für die weitere Konkretisierung des Verhältnisses zwischen Hintermann

117

wird. 118

Dies ist letztlich gemeint, wenn auf die Gefahr von Abgrenzungsproblemen hingewiesen

Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 406, 439, 504 f., wobei dies allerdings wohl in erster Linie seine Ursache in der Struktur und Funktionsweise von s. 214 hat. Zum Teil könnte hier möglicherweise Abhilfe durch den Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 geschaffen worden sein, weil die durch diesen neugeschaffene IA 1986 s. 246ZD unter anderem die Abtretung („assignment“) des „right of action“ nach s. 214 erlaubt. 119 Dies gilt sowohl für das aus anderen Gründen abgelehnte Normanwendungsmodell als auch für den hier vertretenen eigenen Ansatz. Siehe bereits die Verweise in Fn. 115 und 116. 120 Siehe hierzu bereits die Überlegungen in Kapitel 3 C. II. 2 sowie Kapitel 5 B. III. 3. und C. II.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

und bestelltem Geschäftsführer sodann an die Erkenntnisse zum shadow director aus der englischen Rechtsprechung anknüpfen.121 Ein weiterer im Hinblick auf den Rechtsvergleich der Voraussetzungen für die Einzelnormanwendung relevanter Aspekt ist die in der deutschen Literatur in Anlehnung an Entscheidungen in Strafsachen verschiedentlich aufgestellte Forderung, eine Qualifikation als faktischer Geschäftsführer müsse stets voraussetzen, dass das Tätigwerden vom Bestellungsorgan gebilligt wurde.122 Zu Recht hat dies jedoch, wie gezeigt, in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland keine Zustimmung gefunden.123 Zum einen ist das Gefährdungspotential faktischer Geschäftsführung jedenfalls nicht geringer, wenn ohne die Billigung des Bestellungsorgans Einfluss genommen wird.124 Zum anderen ist eine solche Billigung auch nicht geeignet, eine Sonderverbindung zwischen faktischem Organ und Gesellschaft zu begründen, die die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten rechtfertigen würde.125 Ergänzend bleibt an dieser Stelle nur noch hinzuzufügen, dass ein Blick ins englische Recht zeigt, dass Befürworter des Billigungskriteriums auch aus dieser Rechtsordnung nicht mit Unterstützung rechnen können. Hier haben die Gerichte für den de facto director die Notwendigkeit einer Billigung durch das Bestellungsorgan jedenfalls nie explizit diskutiert126 und Kriterien wie „being held out by the company as director“, die sich in diese Richtung deuten ließen127, werden heute ebenfalls nicht mehr als zwingend für die Qualifikation als de facto director vorausgesetzt.128 Gleiches sollte grundsätzlich auch für den shadow director gelten.129 Sofern allerdings der shadow director einen bestellten director anweist und dieser laut Satzung für die Bestellung neuer directors zuständig ist130, ist eine Billigung durch das Bestellungsorgan logische Voraussetzung einer Qualifikation als shadow director.131 Bisher blieb in dieser Arbeit die Frage unbeantwortet, ob die Amtstauglichkeit im deutschen Recht richtigerweise als Voraussetzung faktischer Geschäftsführung einzuordnen ist und damit juristische Personen nicht als faktische Geschäftsführer qualifiziert werden können. Lediglich die Position der deutschen Rechtsprechung sowie die Auseinandersetzung mit dieser in der Literatur wurden bisher darge121

Für eine Anknüpfung an den Tatbestand des shadow director auch Sorge, Haftung, S. 142 ff. 122 Siehe oben Kapitel 2 B. II. 2. a). 123 Siehe oben Kapitel 2 A. VII. 124 Siehe oben Kapitel 3 C. II. 1. 125 Siehe oben Kapitel 3 C. I. 1. a). 126 Ebenso Sorge, Haftung, S. 124. 127 Hierzu Noonan/Watson, JBL 2008, 587, 606. 128 Siehe etwa Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 289; Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [89 ff.]. 129 Gegen die Notwendigkeit des Merkmals der Billigung beim shadow director wohl auch Sorge, Haftung, S. 124. 130 Siehe hierzu bereits oben B. 131 Unpräzise insoweit Sorge, Haftung, S. 124.

E. Rechtsvergleich

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stellt.132 Ein Blick ins englische Recht war für die Beantwortung dieser Frage lange Zeit nicht besonders hilfreich, da dort anders als in Deutschland juristische Personen zu directors einer Gesellschaft bestellt werden konnten, so dass sich ein vergleichbares Problem wie in Deutschland nicht stellte. Jüngste gesetzgeberische Änderungen führen nun allerdings dazu, dass ein Vergleich mit dem englischen Recht für die Beantwortung der Frage für Deutschland durchaus erkenntnisfördernd ist. So legt für das englische Recht CA 2006 s. 156 A (1) in Zukunft fest, dass juristische Personen nicht zum director einer Gesellschaft bestellt werden können.133 Zugleich stellt CA 2006 s. 156 A (4) aber auch eindeutig klar, dass dies nicht daran hindert, eine juristische Person gegebenenfalls als de facto oder shadow director zu qualifizieren. Es zeigt sich damit, dass das von der Rechtsprechung in Deutschland geführte a majore ad minus Argument in der Tat keinesfalls zwingend ist. Unabhängig davon wurde allerdings in der Literatur verschiedentlich darauf hingewiesen, dass trotz der Position der Rechtsprechung auch im deutschen Recht eine Verantwortlichkeit der juristischen Person im Ergebnis möglich sei. Sofern hierfür schlicht auf § 31 BGB verwiesen wird und über diese Vorschrift die faktische Geschäftsführerstellung des Leiters der betreffenden juristischen Person dieser zugerechnet werden soll,134 kann dies jedoch nicht überzeugen.135 Die Zurechnung über § 31 BGB setzt nämlich etwa im Falle eines Unterlassens voraus, dass die juristische Person selbst Adressat der entsprechenden Handlungspflicht ist.136 Dies lehnt der BGH aber beispielsweise im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht gerade ab.137 Nach geltendem Recht kommt damit wohl nur eine Lösung über § 670 BGB in Betracht, so dass dem faktischen Geschäftsführer ein Ersatzanspruch gegen die juristische Person zusteht, deren bestellter Geschäftsführer er ist, oder der Gläubiger nach einer erfolgreichen Klage gegen den faktischen Geschäftsführer in diesen Anspruch vollstrecken kann.138 Hinsichtlich der Kompensationsfunktion ist diese Lösung wiederum mit dem englischen Ansatz gleichzusetzen. Für einen direkten Anspruch und damit für die englische Lösung sprechen allerdings zunächst Kosten- und Zeitgesichtspunkte.139 Die Geltendmachung und gegebenenfalls Vollstreckung direkt gegen die juristische Person dürfte regelmäßig nicht nur wesentlich schneller von-

132

Siehe oben Kapitel 2 B. II. 3. Zum Inkrafttreten der Regelung siehe bereits Fn. 54. 134 MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 20; Sorge, Haftung, S. 131. 135 Ebenso Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 150 f. 136 Soergel/Hadding, § 31 Rn. 14. 137 Siehe oben Kapitel 2 A. IV. und Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 151. 138 Siehe hierzu Strohn, DB 2011, 158, 163; Bork, WM 2014, 1841, 1844. 139 Tätsächliche Kosten englischer und deutscher Gerichtsverfahren im Vergleich bleiben hier unberücksichtigt. 133

142

Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

stattengehen, sondern auch weniger Kostenrisiken bergen als der Umweg über das Organ der juristischen Person.140 Darüber hinaus stellt sich zudem die Frage, ob es wirklich angemessen ist, das bestellte Organ der juristischen Person als faktischen Geschäftsführer zu qualifizieren, nur um letztlich doch auf diese zugreifen zu können. Fleischer hat dagegen zu Recht das Verantwortlichkeitsgefälle zwischen juristischer Person und Organ angeführt.141 Dieses Argument lässt sich gut durch einen Blick ins englische Recht verdeutlichen. So zeigen die Sachverhalte von Re Hydrodan Corby und Re Paycheck Services deutlich nicht nur die Notwendigkeit, überhaupt zwischen der Tätigkeit des Organs für die Gesellschaft und einem eigenständigen Tätigwerden zu unterscheiden, sondern auch, dass grundsätzlich weitere besondere Umstände („something more“) nötig sind, um zu zeigen, dass der director nicht allein in ersterer Kapazität tätig wurde.142 Diese Beobachtungen treffen für Deutschland ebenso zu. Auch hier wird das Organ regelmäßig in erster Linie für die Gesellschaft tätig werden, für die es bestellt ist, nicht hingegen aus eigenem Antrieb und mit einer eigenen, unabhängigen Agenda.143 Dies sollte Berücksichtigung finden, indem gezielt nach Indizien für ein Tätigwerden in letzterer Kapazität gesucht und nur dann eine Qualifikation als faktischer Geschäftsführer vorgenommen wird.144 Andernfalls treten Wertungswidersprüche auf, die Sandhaus besonders deutlich mit dem Beispiel eines Geschäftsführers einer GmbH illustriert, der aufgrund von Weisungen seiner Gesellschafter Tätigkeiten aufnimmt, die als faktische Geschäftsführung einer anderen GmbH qualifiziert werden können.145 In einer solchen Situation allein den bestellten Geschäftsführer ersterer Gesellschaft als faktischen Geschäftsführer verantwortlich zu machen, würde in keiner Weise die tatsächlichen Gegebenheiten widerspiegeln. Schließlich stößt die Konstruktion über das Organ der juristischen Person auch an ihre Grenzen, wenn mehrere Mitglieder des Geschäftsführungsorgans gemeinschaftlich handeln und ihre Tätigkeit erst zusammengenommen Ausmaß und Umfang einer faktischen Geschäftsführung annimmt.146 Hier lassen sich die Einzel140 Zwar kann der Gläubiger die zusätzlichen Kosten für einen eventuell notwendigen Prozess gegen den Drittschuldner (die juristische Person) nach § 788 ZPO gegenüber dem Schuldner (deren Organ) geltend machen, siehe BGH NJW 2006, 1141. Sofern aber dieser in der Zwischenzeit insolvent wird, ist ein solcher Anspruch wertlos. Im Übrigen kann in einem solchen Fall auch die Zwangsvollstreckung in die Forderung wegen § 88 InsO gänzlich unwirksam sein. 141 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 193; ähnlich Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 28c; zustimmend auch Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 152 f. 142 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) 164; Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [94 ff.]. 143 Hoffmann, WM 2012, 10, 12; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 152. 144 A.A. etwa Sorge, Haftung, S. 150. 145 Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 153. 146 Ibid. Diese Problematik ist ebenfalls aus Re Hydrodan (Corby) Ltd bekannt, siehe [1994] BCC 161 (Ch) 164.

E. Rechtsvergleich

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personen nicht ohne Weiteres individuell haftbar machen, so dass die Gefahr besteht, dass eine Verantwortlichkeit am Ende gänzlich entfällt.147 Überzeugender ist damit auch für das deutsche Recht, anders als vom BGH vertreten, eine Lösung, die auch eine Qualifikation juristischer Personen als faktische Geschäftsführer ermöglicht. Konstruktiv ließe sich hierfür allerdings noch immer nicht unmittelbar auf § 31 BGB rekurrieren, weil § 31 BGB an sich zwar die Zurechnung schädigender Handlungen ermöglicht, nicht aber die Zurechnung der faktischen Geschäftsführerstellung selbst.148 Vielmehr bedürfte es hierfür einer analogen Anwendung der Norm, die wertungsmäßig aus den eben genannten Gründen aber überzeugen dürfte.149 2. Leitlinien der Einzelfallanwendung Der rechtsvergleichende Blick nach England kann weitere Argumente für eine Ausweitung des deutschen Begriffsverständnisses der faktischen Geschäftsführung liefern.150 Damit am Ende einer solchen Entwicklung allerdings nicht allein die Einzelfallentscheidung steht, die Rechtsunsicherheit nach sich zu ziehen droht, bedarf es konkretisierender Leitlinien, an denen sich die Gerichte und die Praxis orientieren können und die das spezifische Gefährdungspotential faktischer Geschäftsführung angemessen widerspiegeln. Hierfür bietet sich, wie an anderer Stelle bereits angerissen, für das deutsche Recht die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise an.151 An dieser Formel wurde unter anderem kritisiert, dass sie zu unbestimmt sei, um überhaupt eine Abgrenzung von für die faktische Geschäftsführung relevantem und irrelevantem Verhalten zu ermöglichen.152 Zudem sei es auch nur schwerlich möglich, überhaupt originäre Geschäftsführertätigkeiten zu definieren.153 Angesichts der Tatsache, dass im englischen Recht bereits de lege lata ein wesentlich weiteres Begriffsverständnis faktischer Geschäftsführung existiert als in Deutschland, bietet es sich zur weiteren Entkräftung der gerade beschriebenen Kritik an, als letzten Punkt zu untersuchen, ob die Leitlinien, die in England zur Konkretisierung der Einzelfallanwendung genutzt werden, dieselben Probleme hervorufen, wie sie für den Fall eines Rekurrierens auf die organtypischen Funktionen in organtypischer Weise im deutschen Recht befürchtet werden. 147

Auf diese Gefahr hinweisend auch Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 153. Es stellen sich jedenfalls komplizierte Fragen der alternativen oder kumulativen Kausalität. 148 Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 156 f. 149 Ausführlich ibid., S. 159. 150 Dies gilt sowohl im Hinblick auf das hier abgelehnte Normanwendungsmodell als auch auf den im 5. Kapitel erarbeiteten eigenen Ansatz. 151 Siehe bereits ausführlich Kapitel 3 C. II. 2., insbesondere dort Fn. 211. 152 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 43 Rn. 43 sowie Kapitel 3 C. II. 2. 153 Haas, NZI 2006, 494, 499 sowie Kapitel 3 C. II. 2.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Wie zu Beginn dieses Kapitels dargelegt, stellen die englischen Gerichte heute für die Qualifikation als de facto director vor allem darauf ab, ob die betreffende Person Teil der Corporate Governance-Struktur der Gesellschaft ist und tatsächlich objektiv die Funktionen („function“) eines director wahrnimmt.154 Hierfür ist es nicht nötig, dass die Geschäfte vollständig allein geführt werden und in außergewöhnlichen Umständen können auch Einzelmaßnahmen zu einer Verantwortlichkeit führen.155 Angestellte nehmen regelmäßig nicht Funktionen eines director wahr.156 Diese Feststellungen zeigen, dass der englische Ansatz recht nahe bei der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise liegt und auch hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Tätigkeit zu ähnlichen Ergebnissen kommt.157 Dass aufgrund der Weite der Formulierungen in England nun aber eine untragbare Rechtsunsicherheit eingetreten wäre, lässt sich nicht beobachten.158 In verschiedenen englischen Urteilen wird allerdings immer wieder betont, dass durchaus Schwierigkeiten bestehen, überhaupt zu definieren, was denn die Funktionen eines director seien.159 Damit zeigt sich eine deutliche Parallele zur Kritik an der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise im deutschen Recht. Zur Lösung der Problematik wird in England als erster Anknüpfungspunkt auf die durch die Satzung vorgegebene Aufgabenverteilung unter den Gesellschaftsorganen verwiesen.160 Darüber hinaus ist auch der individuelle Charakter der Gesellschaft (etwa als Familiengesellschaft) von erheblicher Bedeutung.161 Beides zusammen scheint ausreichend, um Geschäftsführungsmaßnahmen von Tätigkeiten auf darunterliegenden Ebenen oder externer Einflussnahme unterscheiden zu können. Dass weder weit gefasste Begrifflichkeiten noch Schwierigkeiten bei der Bestimmung originärer Geschäftsführerfunktionen in England letztlich unüberwindbare Hindernisse für eine berechenbare Rechtsanwendung darstellen, lässt sich den Kritikern der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise damit als weiteres Argument 154 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 290; Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) 402; vor allem Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [39] und [93] und zuletzt insbesondere Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [28 ff.]. Für die Qualifikation als shadow director heißt es ähnlich, entscheidend sei „real influence in the corporate governance of a company“, wobei freilich Besonderheiten gelten, siehe oben D. 155 Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [31 f.] und [41]. 156 Siehe etwa Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 300 f. 157 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341 f.; Sorge, Haftung, S. 138 ff.; mit Einschränkungen auch Schürnbrand, Organschaft, S. 311 ff. 158 In der Rechtsanwendung wird die Formel durch der bisherigen Rechtsprechung entnommene weitere Charakteristika ausgefüllt, ohne dass hierdurch zwingende Ein- oder Ausschlusskriterien postuliert würden; siehe beispielhaft Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [37 ff.]. 159 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [91]; Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [28 ff.]. 160 Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 [31]. 161 Re Mumtaz Properties [2011] EWCA Civ 610 [46].

E. Rechtsvergleich

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entgegenhalten. Auch in Deutschland sollte für den Fall der Anwendung der Formel Rechtsunsicherheit jedenfalls dann nicht zu befürchten sein, wenn man, wie richtigerweise vorgeschlagen wird, berücksichtigt, dass nicht zwingend erforderlichen Merkmalen wie dem Außenauftritt durchaus eine starke Indizfunktion zukommen kann162, und für die Bestimmung der Geschäftsleiterfunktionen auf die gesetzlich zumindest implizit festgelegte Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft sowie gegebenenfalls vorgenommene Modifikationen durch die Satzung abstellt.163 Bevor nach diesem Plädoyer für die zukünftige Ausweitung des Begriffsverständnisses des faktischen Geschäftsführers nun die Rechtsfolgen einer solchen Qualifikation mit denen einer Qualifikation als de facto oder shadow director im Detail verglichen werden, ist als letzte rechtsvergleichende Randnotiz zu möglichen Entwicklungen hinsichtlich des „Tatbestands“ der faktischen Geschäftsführung in Deutschland noch auf Folgendes hinzuweisen. Die Kodifikation des shadow director im englischen Recht zeigt, dass eine solche keinesfalls eine einfache Lösung für die soeben beschriebenen Qualifikationsprobleme bietet. Zwar enthält die Definition in CA 2006 s. 251 durchaus einige bedeutsame Klarstellungen, wesentliche Fragen im Zusammenhang mit der notwendigen Qualität der Einflussnahme bleiben jedoch unbeantwortet und sind damit weiterhin der Rechtsprechung überlassen.164 Angesichts dieser Erfahrungen spricht viel dafür, dass auch in Deutschland eine Kodifikation kaum einen wesentlichen Gewinn an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erzielen würde.165 In jedem Fall müsste vor einer solchen eine Vielzahl von Vorfragen beantwortet werden, um ungewollte Lücken oder eine übermäßige Haftung zu vermeiden.166

II. Vergleich der angewendeten Normen Die Untersuchung des deutschen Normanwendungsmodells im 3. Kapitel der Arbeit hat gezeigt, dass im Falle faktischer Geschäftsführung zwar richtigerweise ein besonderes Schutzbedürfnis für Gläubiger und Gesellschafter besteht,167 die Lösung über eine entsprechende Anwendung der Geschäftsführerpflichten aber nicht überzeugen kann. Mangels entsprechender Rechte, insbesondere mangels Insolvenzantragsrechts, können dem faktischen Geschäftsführer nicht dieselben Hand162

Sorge, Haftung, S. 99. Für das englische Recht siehe Fn. 158. Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 29; Sorge, Haftung, S. 135, 138 (mit Verweis auf die ähnliche Position des englischen Rechts); siehe ausführlich auch Kapitel 3 C. II. 2. 164 Siehe oben D. 165 Am Nutzen einer Kodifikation zweifelnd auch Fleischer, GmbHR 2011, 337, 346 und Sorge, Haftung, S. 217. Zu den Problemen einer Kodifikation auf europäischer Ebene siehe Dreher, NZG 2014, 967, 969 f. sowie F. 166 Hierzu ausführlich Sorge, Haftung, S. 215 f. (allerdings auf Grundlage des Normanwendungsmodells). 167 Siehe Kapitel 3 B. I. 2. c). 163

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

lungspflichten auferlegt werden wie dem bestellten Pendant und folglich muss auch eine daran anknüpfende Haftung entfallen. Das Normanwendungsmodell kann damit weder seine Präventions- noch seine Kompensationsfunktion vollständig erfüllen. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die Anwendung der funktional äquivalenten Normen im englischen Recht auf den de facto und shadow director ähnliche Probleme mit sich bringt wie die Anwendung der §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB im deutschen Recht. Allgemein lässt sich hierfür zunächst auf die bereits zu Beginn des Kapitels diskutierte Frage verweisen, inwieweit der de facto director dem de jure director gleichgestellt ist. Hierzu wurde festgestellt, dass jedenfalls innerhalb des Companies Act 2006 der de facto director nicht stets wie ein de jure director zu behandeln ist, sondern vielmehr für jede Norm einzeln eine Anwendbarkeit geprüft werden muss.168 Ginge man allerdings entgegen der hier vertretenen Auffassung mit einigen Stimmen im Schrifttum davon aus, dass die Rechtsprechung heute so zu lesen sei, dass der de facto director im Rahmen der hier behandelten Gesetze169 oder gar noch weitergehend stets einem de jure director gleichgestellt sei170, so würde dies dazu führen, dass dem de facto director in erheblichem Umfang oder gar vollumfänglich auch die Rechte eines director zustünden.171 Wäre dies der Fall, so würde die folgende Untersuchung müßig und man könnte es bei dem Hinweis belassen, dass angesichts der völligen Gleichstellung eine mit der Situation beim deutschen Normanwendungsmodell vergleichbare Problematik der Diskrepanz von Rechten und Pflichten nicht bestünde. Tatsächlich ist die fehlende Rechtsposition des de facto director aber in der Rechtsprechung zumindest im Zusammenhang mit disqualification proceedings bereits vereinzelt thematisiert worden. Jacob J weist einerseits in der Tjolle-Entscheidung daraufhin hin, dass insbesondere dann, wenn es rechtlich bedeutsam sei, was ein mutmaßlicher de facto director über Missstände und die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft hätte wissen müssen, berücksichtigt werden müsse, ob dieser überhaupt entsprechende rechtliche oder tatsächliche Informationsmöglichkeiten gehabt habe.172 Etherton J äußert sich andererseits in der Entscheidung Hollier zurückhaltender und hält jedenfalls die Anwendung von CDDA s. 6 auch dann für möglich, wenn die betreffende Person gewissermaßen in Kenntnis ihrer Unkenntnis regelmäßig schädigende Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen habe.173 Dass 168 169 170

S. 6 f. 171

Siehe C. I. Sorge, Haftung, S. 43. Hartmann, Insolvenzantragspflicht, S. 176; Nadwornik, De facto und shadow directors,

So dann auch ohne nähere Begründung Noonan/Watson, JBL 2006, 763, 766 f. Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 290. 173 Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [75]. Insofern ist die Rechtslage zurzeit etwas unklar. Beide Urteile sollten in jedem Fall im Kontext der weit formulierten Tatbestände des CDDA gesehen werden (siehe hierzu sogleich E. III. 1.) Die Aussagen wurden in anderen Kontexten bisher jedenfalls nicht rezipiert. Gerade die großzü172

E. Rechtsvergleich

147

darüber hinaus aber die Rechtsprechung bisher zur Frage der Rechtsposition des de facto director nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat, mag man als erstes Indiz dafür deuten, dass die angewendeten Normen nicht im gleichen Umfang Probleme aufwerfen wie ihre funktionalen Äquivalente in Deutschland. In der deutschen Literatur wird jedenfalls gern darauf hingewiesen, dass sich bei der wrongful tradingHaftung nach IA 1986 s. 214 anders als bei § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB die Problematik eines fehlenden Insolvenzantragsrechts nicht stelle.174 1. IA 1986 s. 214 (wrongful trading) Die gläubigerschützende wrongful trading-Haftung bestimmt eine Verantwortlichkeit unter folgenden Voraussetzungen: 214 Wrongful trading.175 (1) Subject to subsection (3) below, if in the course of the winding up of a company it appears that subsection (2) of this section applies in relation to a person who is or has been a director of the company, the court, on the application of the liquidator, may declare that that person is to be liable to make such contribution (if any) to the company’s assets as the court thinks proper. (2) This subsection applies in relation to a person if — (a) the company has gone into insolvent liquidation, (b) at some time before the commencement of the winding up of the company, that person knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation or entering insolvent administration, and (c) that person was a director of the company at that time; but the court shall not make a declaration under this section in any case where the time mentioned in paragraph (b) above was before 28th April 1986. (3) The court shall not make a declaration under this section with respect to any person if it is satisfied that after the condition specified in subsection (2)(b) was first satisfied in relation to him that person took every step with a view to minimising the potential loss to

gigere Position von Etherton J scheint jedenfalls kaum mit dem unmittelbar auf Informationspflichten und damit zugleich auf korrespondierende Rechte bezugnehmenden Wortlaut der wrongful trading-Haftung vereinbar (hierzu sogleich). 174 Siehe etwa Sorge, Haftung, S. 184. 175 I.d.F. des Small Business, Enterprise and Employment Act 2015. Die hier getroffenen Ausführungen dürften auch für die neue Parallelvorschrift in s. 246ZB gelten. Anders ist mit der insolvent administration statt der insolvent liquidation nur der Anknüpfungspunkt der Haftung. Antragsteller ist folglich dann auch der administrator und nicht der liquidator. Da alle bisherigen Entscheidungen sich mit der herkömmlichen wrongful trading-Regelung nach s. 214 beschäftigen, soll diese hier allein im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Zum Verfahren der administration siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 159 ff.

148

Kap. 4: Der de facto director und der shadow director the company’s creditors as (on the assumption that he had knowledge of the matter mentioned in subsection (2)(b)) he ought to have taken.

Auf den shadow director findet diese Haftung nach s. 214 (7) Anwendung, für den de facto director ist die Anwendbarkeit seit Re Hydrodan (Corby) Ltd anerkannt.176 Diese Entscheidung ist soweit ersichtlich neben Re Idessa177 die einzige wrongful trading-Entscheidung, die einen de facto director zum Gegenstand hatte. Letzteres Urteil ist zudem das einzige, in dem das Vorgehen des liquidator von Erfolg gekrönt war. Orientiert man sich allein am Normtext, so ist gar nicht so leicht auszumachen, welches Verhalten der directors haftungsbegründend sein kann. Abs. 2 nennt insoweit nur die Voraussetzungen, dass ein director einer jetzt insolventen Gesellschaft zu einem Zeitpunkt vor der Einleitung des winding up-Verfahrens „wusste oder hätte wissen müssen, dass keine vernünftige Aussicht darauf bestand, dass die Gesellschaft eine überschuldete Liquidation würde vermeiden können.“178 Eine Verantwortlichkeit knüpft damit jedenfalls nicht wie im deutschen Recht an die unterlassene Stellung eines Insolvenzantrags an.179 Zugleich greift aber die in der Literatur verschiedentlich anzutreffende Annahme180, IA 1986 s. 214 konstituiere ein Fortführungsverbot anders als für die in der Praxis kaum relevante Schwestervorschrift in IA 1986 s. 213 (fraudulent trading) zu kurz.181 Vielmehr handelt es sich beim wrongful trading im Ausgangspunkt um eine Art Erfolgshaftung, die über Abs. 3 allerdings die Möglichkeit für den (de facto) director schafft, sich durch den Nachweis zu exkulpieren, alle notwendigen Schritte vorgenommen zu haben, um Verluste für Gesellschaftsgläubiger zu minimieren.182 Vor diesem Hintergrund kann

176 [1994] BCC 161 (Ch). Diese Entscheidung ist auch für die Verantwortlichkeit als shadow director relevant. 177 [2011] EWHC 804 (Ch). 178 So die Übersetzung bei Steffek, NZI 2010, 589, 590. Erkennbarkeit der materiellen Insolvenz allein genügt hierfür nicht; siehe ibid. Ergänzend ist der Übersetzung seit dem Small Business, Enterprise und Employment Act 2015 noch hinzuzufügen, dass es nun auch genügt, wenn der director wusste oder hätte wissen müssen, dass keine vernünftige Aussicht auf Vermeidung einer insolvent administration bestand. 179 Eine Insolvenzantragspflicht nach deutschem Verständnis existiert im englischen Recht nicht; siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 139. 180 MüKo-InsO/Schlegel, Anh. Länderberichte England und Wales Rn. 38; Henssler/ Strohn/Servatius, Int. Gesellschaftsrecht Rn. 167. Insofern lässt sich das englische Recht wohl auch nicht ohne Weiteres als Argument für eine Interpretation von § 15a InsO als reines Fortführungsverbot anführen. Siehe zu dieser Idee bereits Kapitel 2 B. IV. 1. c). 181 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 385. 182 Aus diesem Grunde die Haftung letztlich doch als Verhaltenshaftung einordnend, Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 453. Für eine Qualifikation als Zustandshaftung Schall, ZIP 2005, 965, 967.

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es, anders als bei einem reinen Fortführungsverbot unter Umständen gerade geboten sein, die Geschäfte der Gesellschaft nicht einzustellen.183 Für die hier interessierende Anwendung von IA 1986 s. 214 auf den de facto und shadow director stellt sich auf den ersten Blick das Problem, dass es zur Beurteilung, ob dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass die insolvent liquidation (bzw. insolvent administration) unvermeidbar war, auf dessen Informationsstand hinsichtlich der finanziellen Lage der Gesellschaft ankommt. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Abs. 4, dass nicht nur der tatsächliche Informationsstand relevant ist, sondern auch diejenigen Informationen, die der director hätte in Erfahrung bringen können („the facts which a director ought to know or ascertain“).184 Damit sind Informationspflichten des Geschäftsleiters angesprochen185, die jedenfalls im Ausgangspunkt wiederum entsprechende Rechte voraussetzen.186 Des Weiteren ist problematisch, dass Abs. 3, der nur das Ziel der Verlustvermeidung vorgibt, auch dazu führen kann, dass im konkreten Einzelfall aktive Handlungen des de facto oder shadow director notwendig gewesen wären, um diesem eine Exkulpation zu ermöglichen.187 Auch hierfür müssten zumindest theoretisch entsprechende Rechte verfügbar sein.188 In der Praxis dürften allerdings weder Informationspflichten noch zur Exkulpation notwendige Handlungen zu größeren Problemen bei der Verantwortlichkeitserstreckung auf de facto und shadow director führen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der director einer Limited im Vergleich zum GmbH-Geschäftsführer189 nur sehr begrenzt verpflichtet ist, sich über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu informieren, insbesondere gibt es keine verstärkten Selbstinformationspflichten in der Krise und Insolvenz.190 Der director hat lediglich 183 Keay, Company directors’ responsibilities to creditors, S. 95; Davies, 7 EBOR (2006), 301, 314. 184 Siehe hierzu Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 5 BCC 569 (Ch) 595. 185 Steffek, Gläubigerschutz in Kapitalgesellschaft, S. 353 f. 186 Siehe zu dieser Problematik im Kontext von CDDA 1986 s. 6 auch Jacob J in Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) 290. 187 Zu dieser Struktur von Abs. 3 siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 385. In der Praxis ist in der Regel die einzig sinnvolle Option die Einleitung eines formalen Insolvenzverfahrens; siehe Davies, 7 EBOR (2006), 301, 314. Zu den Möglichkeiten des de facto director dies zu veranlassen, siehe sogleich Fn. 200 mit dazugehörigem Text. 188 Genau genommen ist der de facto director freilich nicht verpflichtet entsprechende Handlungen vorzunehmen, so dass s. 214 in dogmatischer Hinsicht keinerlei Handlungspflichten statutiert. Wäre mangels entsprechender Rechte aber die Exkulpationsmöglichkeit abgeschnitten oder aber in jedem Fall gegeben, würde dies zu unbefriedigenden Ergebnissen für den de facto director bzw. die Gläubiger führen; siehe hierzu auch sogleich. 189 Zum GmbH-Geschäftsführer siehe bereits Kapitel 3 C. III. 1. a). 190 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 356 ff., 458. Daneben dürfte es auch an einer dem deutschen Recht vergleichbaren Überwachungspflicht gegenüber Mitgeschäftsführern fehlen. Die Buchführungspflichten (hierzu sogleich) treffen allerdings alle di-

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

jährlich accounts und einen directors’ report zu erstellen (CA 2006 s. 394 und s. 415) sowie diese den Gesellschaftern und im Anschluss dem registrar vorzulegen (CA 2006 s. 423 und s. 441).191 Entsprechend werden den directors auch nur die darin enthaltenen begrenzten Informationen als Wissen unterstellt,192 was dazu führt, dass es in der Praxis fast immer notwendig ist nachzuweisen, über welche Wissensgrundlage der director tatsächlich verfügte und nicht welche Informationen verfügbar hätten sein können.193 Deutlich wird das auch im Fall Re Idessa, in dem der de facto director die monatlichen „management accounts“, aus denen sich die finanzielle Situation der Gesellschaft ergab, tatsächlich zur Verfügung hatte.194 Im Hinblick auf mögliche Probleme mit dem Verteidigungsmechanismus nach Abs. 3 ist zunächst festzuhalten, dass dieser in der Praxis kaum eine Rolle spielt, weil die directors in der Mehrzahl der Fälle das Unternehmen einfach weiterführen, sei es aus Unkenntnis, sei es aus einer betrügerischen Absicht heraus.195 Beispielshaft ist insofern erneut die Entscheidung Re Idessa, in der die Beklagten nicht einen entlastenden Beweis vorbringen konnten und der Richter stattdessen feststellte, dass die directors sich keinerlei Gedanken über die Gesellschaftsgläubiger gemacht sowie weiterhin Gesellschaftsgelder für gesellschaftsfremde Zwecke verwendet hätten.196 rectors unabhängig von der konkreten Aufgabenverteilung, vgl. Secretary of State for Trade and Industry v Hall [2006] EWHC 1995 (Ch) [17]. 191 Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 5 BCC 569 (Ch) 594 f. In Brooks v Armstrong [2015] EWHC 2289 (Ch) [182] wurde ergänzend klargestellt, dass die erst spätere Verfügbarkeit der Informationen aus dem Jahresabschluss, nicht daran hindert nachzuweisen, dass die directors tatsächlich dieselben Informationen bereits vorher aus einer anderen Quelle erhalten haben (hier die monthly managament accounts) und daraus die Hoffnungslosigkeit der Lage hätten erkennen können. Damit scheint die grundsätzlich restriktive Linie im Hinblick auf Informationspflichten auch nach einigen Urteilen, die sich durchaus weitergehender hätten deuten lassen (hierzu Steffek, NZI 2010, 589, 591), beibehalten worden zu sein. 192 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 357. Insofern stellt sich die Situation bei § 64 S. 1 GmbHG wohl anders dar, siehe bereits Kapitel 3 C. III. 1. a). 193 Ibid., S. 360 f., 362 f. Dies kann auch bei einem de facto director möglich sein, weil Teil der Corporate Governance-Struktur der Gesellschaft zu sein, naturgemäß mit sich bringt, dass die betreffende Person zumindest bis zu einem gewissen Umfang auch über die finanzielle Situation der Gesellschaft informiert war. Siehe hierzu auch auch sogleich Fn. 232 mit dazugehörigem Text sowie bereits Kapitel 3 Fn. 234 und 236. Fehlt es hingegen an jeglicher Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft, scheidet eine de facto director-Stellung ohnehin aus. Siehe hierzu auch Fn. 260. 194 Re Idessa [2011] EWHC 804 (Ch) [39], [116 ff.]. In Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) wurde bereits die de facto director-Stellung abgelehnt, so dass sich nachfolgende Fragen nach den Tatbestandsvoraussetzungen von s. 214 gar nicht stellten. Ist etabliert, dass der (de facto) director über eine entsprechende Informationsgrundlage verfügte, stellt der Fahrlässigkeitsvorwurf in s. 214 (2) (b) („ought to have concluded“) sodann auf einen inneren Erkenntnisprozess ab und nicht auf ein bestimmtes Tun oder Unterlassen, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 453. 195 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 386 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004) 174, 194; Keay, Company directors’ responsibilities to creditors, S. 95. 196 [2011] EWHC 804 (Ch) [120].

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Zudem ist der Katalog der typischerweise im Rahmen von Abs. 3 notwendigen Tätigkeiten197 wohl unproblematisch auf den de facto und shadow director anwendbar. Insbesondere im Hinblick auf die in der Regel gebotene Einleitung eines förmlichen Insolvenzverfahrens stellt sich das Problem eines fehlenden Insolvenzantragsrechts nicht in gleichem Umfang wie in Deutschland. Anders als im deutschen Recht besteht zum einen die Möglichkeit für die Gesellschafter im Wege des voluntary oder compulsory winding up die Abwicklung der Gesellschaft zu veranlassen, zum anderen sind auch die Anforderungen an einen Gläubigerantrag wesentlich geringer.198 Schließlich kann unter bestimmten Voraussetzungen auch von staatlicher Seite ein compulsory winding up herbeigeführt werden.199 Damit multiplizieren sich im Vergleich zum deutschen Recht die Möglichkeiten für den de facto director im Gläubigerinteresse auf die Einleitung eines Insolvenzverfahrens hinzuwirken, wenn ihm nicht gar selbst als Gläubiger oder (Mehrheits-)Gesellschafter ein eigenes Insolvenzantragsrecht zukommt.200 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Anwendung von IA 1986 s. 214 auf shadow und de facto director wesentlich weniger problematisch ist als die Anwendung der im Hinblick auf die in ihrer Kompensationsfunktion äquivalenten § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 64 S. 1 GmbHG auf faktische Geschäftsführer im deutschen Recht. Während dort mangels entsprechender Rechte und der Inadäquanz faktischer Einwirkungsmöglichkeiten als Alternative eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers in den meisten Fällen ausscheiden müsste201 und in jedem Fall auch nach der Position der Rechtsprechung die Präventionswirkung der Normanwendung mangels gleichwertiger Möglichkeit zur Pflichtbefolgung hinter derjenigen beim bestellten Geschäftsführer zurückbleibt202, werden durch die flexible Struktur von s. 214 de facto und shadow director in gleichem Maße wie der de jure director zum normgemäßen Handeln angehalten (Prävention) und können andernfalls zur Verantwortung gezogen werden (Kom197 Hierzu Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 387; Davies, 7 EBOR (2006) 301, 314. 198 Siehe IA 1986 s. 84 ff. und s. 124 sowie Schall, ZIP 2005, 965, 965 f. Auch die Einleitung des administration-Verfahrens ist durch verschiedene Akteure möglich, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 162 f. 199 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 191 f. 200 Zu den Möglichkeiten eines einzelnen director die Abwicklung der Gesellschaft einzuleiten siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 389. Für ein Insolvenzantragsrecht des de facto director, Sorge, Haftung, S. 184. Da allerdings selbst einer von mehreren bestellten directors nicht allein Insolvenzantrag stellen kann, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 388 f., würde für ein solches immer noch das gemeinsame Tätigwerden von de facto und de jure director erforderlich sein. Allgemein zum Umfang der Gleichstellung des de facto director innerhalb von IA 1986, siehe bereits oben E. II. 1. 201 So die hier vertretene Position, vgl. Kapitel 3 C. III. 1. Die Kompensationsfunktion der Haftung fällt bei § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB gänzlich und bei § 64 S. 1 GmbHG häufig weg. 202 Siehe hierzu Kapitel 3 C. III. 1.

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pensation).203 Denkbare Probleme bei der Normanwendung bleiben anders als im Zusammenhang mit § 15a Abs. 1 InsO und § 64 GmbHG wohl theoretischer Natur. Zwar nimmt auch s. 214 in einem gewissen Umfang auf Informationspflichten und damit korrespondierende Rechte beim de facto director Bezug, in der Praxis spielen diese aber selbst beim de jure director, der über eine entsprechende Rechtsposition verfügt, kaum eine Rolle. Darüber hinaus zeigt sich das englische Recht im Hinblick auf den Kreis der Antragsberechtigten des Insolvenzverfahrens wesentlich offener, so dass im Zusammenhang mit der in der Praxis ebenfalls kaum relevanten Exkulpationsmöglichkeit nach s. 214 (3) der Verweis auf faktische Einflussnahmemöglichkeiten zur Herbeiführung des Insolvenzverfahrens weniger problematisch erscheint als im deutschen Recht mit seinem Fokus auf die Antragsstellung durch die Geschäftsführer der GmbH. 2. Allgemeine directors’ duties (i.V.m. IA 1986 s. 212)204 Nach der wrongful trading-Haftung rücken nun die allgemeinen directors’ duties in den Mittelpunkt der Untersuchung. Diese stellen den zweiten funktional äquivalenten Normkomplex zu den im deutschen Recht untersuchten Regelungen dar und es stellt sich auch hier die Frage, in welchem Umfang die Anwendung einzelner Pflichten eine entsprechende Rechtsposition voraussetzt und deren Fehlen somit die bekannten Probleme hervorruft. Bis zum Inkrafttreten des Companies Act 2006 waren die allgemeinen directors’ duties („directors’ general duties“) nicht kodifiziert, sondern lediglich Teil des Richterrechts. Ziel der Kodifikation war es in erster Linie die Klarheit und Zugänglichkeit der Regeln zu verbessern sowie notwendige Modernisierungen zu bewirken.205 Im Ausgangspunkt unterscheiden die s. 171 ff. zwischen zwei Arten von Pflichten, fiduciary duties und der duty of care [vgl. s. 178 (2)]. S. 172 regelt dabei sehr allgemein die fiduciary „duty to promote the success of the company“ und die weiteren fiduciary duties wie etwa s. 175 lassen sich auf diese Grundregel zurück203

Damit ist kein Urteil darüber verbunden, ob der wrongful trading-Haftung auch in ihrer Anwendung auf den de jure director eine größere präventive Wirkung zukommt als der haftungsbewährten Insolvenzantragspflicht bzw. § 64 S. 1 GmbHG in ihrer Anwendung auf den bestellten Geschäftsführer. Es wird lediglich festgestellt, dass das Schutzniveau, das durch die Anwendung von IA 1986 s. 214 auf de facto und shadow director in England erzielt wird, anders als bei der Anwendung der deutschen Funktionsäquivalente auf den faktischen Geschäftsführer nicht hinter dem Schutzniveau zurückbleibt, das bei der Anwendung der Norm auf das bestellte Organ erreicht wird. 204 Als prozedurales Vehikel begründet IA 1986 s. 212 keine eigenständigen Pflichten der directors, siehe Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [55]. Die Norm erlaubt aber die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Pflichtverletzungen dieser auch durch den official receiver oder Gläubiger, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 281. Darüber hinaus gibt s. 212 (3) den Gerichten im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes einen weiten Ermessensspielraum, ibid., S. 285. 205 Hannigan, Company Law, S. 176.

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führen, so dass bei einem Verstoß gegen eine der spezielleren Vorschriften häufig auch ein Verstoß gegen s. 172 vorliegt.206 S. 174 regelt die duty of care, skill and independent judgment und schreibt in diesem Zusammenhang einen objektiv-subjektiven Sorgfaltsstandard fest.207 Die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen s. 171 ff. richten sich nach s. 178, die wiederum auf das common law und equitable principles verweist. Damit kommt bei Verstößen gegen s. 174 Schadensersatz („damages“), bei Verstößen gegen fiduciary duties wie s. 172 unter anderem ein Anspruch auf die Rückführung „veruntreuter Vermögenswerte“ („restoration of missappropriated assets“) bzw. compensation oder ein Gewinnabschöpfungsanspruch („liability to account“) in Betracht.208 Das soeben beschriebene Pflichtenprogramm schuldet der director allein der Gesellschaft (s. 170 (1)) und im Hinblick auf die zentrale duty to promote the success of the company (s. 172) ist anerkannt, dass diese in erster Linie auf die Interessen der Gesellschafter ausgerichtet ist.209 Darüber hinaus ist spätestens seit der West MerciaEntscheidung210 aber ebenso klar, dass in der Insolvenz bzw. in Insolvenznähe verstärkt auch Gläubigerinteressen zur Leitlinie des Geschäftsführerhandelns werden müssen und Entscheidungen, die hiergegen verstoßen, eine Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft nach sich ziehen können.211 Einzelheiten dieser in der Regel als fiduciary duty verstandenen Pflicht212, insbesondere das Verhältnis zu

206 Haywood in: Mortimore (Hrsg.), Company Directors, Rn. 12.05. Siehe auch Item Software v Fassihi [2004] EWCA Civ 1244 [41] (Arden LJ). 207 Hannigan, Company Law, S. 242. D. h., es wird ein objektiver Standard vorausgesetzt, der jedoch aufgrund individueller Fähigkeiten angehoben werden kann. 208 Ibid., S. 277 f., 285 f., 293. Zur begrifflichen Unterscheidung von compensation und damages, siehe Bedkowski, Geschäftsleiterpflichten, S. 408. 209 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 264. 210 West Mercia Safetywear Ltd v Dodd & Anor [1988] 4 BCC 30 (CA); siehe aus der jüngeren Rechtsprechung auch GHLM Trading v Maroo [2012] EWHC 61 (Ch) und Re HLC Environmental Projects Ltd [2013] EWHC 2876 (Ch). Kritisch zur West Mercia-Entscheidung Sealy, CLJ 1988, 175. 211 Die hieraus resultierenden Pflichten sind in erster Linie ein funktionales Äquivalent zu § 64 S. 1 GmbHG, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 450. Je weiter man eine Verantwortlichkeit im Vorinsolvenzstadium annimmt, desto stärker zeigen sich auch funktionale Parallelen zu § 64 S. 3 GmbHG, siehe ibid., S. 307 f. In der Praxis waren die betreffenden Gesellschaften aber regelmäßig bereits insolvent, so dass ein konkreter Zeitpunkt vor der Insolvenz nicht entscheidungserheblich war, vgl. ibid. Unklar in dieser Hinsicht GHLM Trading v Maroo [2012] EWHC 61 (Ch) [173]. Die Frage, ob die Gläubigerinteressen die Gesellschafterinteressen in der Insolvenz vollständig verdrängen, ist ebenfalls ungeklärt, vgl. Keay, LQR 2014, 433, 450 ff. 212 Siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 287, mit dem Hinweis, dass sich die Handlungen des director in einigen Fällen auch als Sorgfaltspflichtverstoß gegenüber den Gläubigern qualifizieren ließen. Auch nach der Kodifizierung der allgemeinen directors’ duties bleibt die West Mercia-Pflicht Richterrecht, vgl. CA 2006 s. 172 (3).

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

IA 1986 s. 239 („preferences“)213 sowie mögliche Rechtsfolgen214 sind allerdings mehr als umstritten und können hier nicht weiter vertieft werden. Von Bedeutung ist aber, dass die West Mercia-Pflicht bisher nur in Form der Pflicht im Insolvenzfall Zahlungen an Gesellschafter oder directors215 sowie Zahlungen an einzelne Gläubiger zu unterlassen, praktisch relevant geworden ist.216 Hinsichtlich darüber hinausgehender konkreter Verhaltenspflichten im Interesse der Gläubiger fehlt es hingegen weitestgehend an Richtlinien aus der Rechtsprechung. Klar ist lediglich, dass ausgehend von der Einordnung als fiduciary duty grundsätzlich nur zu überprüfen ist, ob der director subjektiv davon ausging („honestly believed“), dass die Entscheidung im besten Interesse der Gesellschaft (hier der Gläubigergesamtheit) war.217 Für den Fall, dass der director sich hierüber allerdings überhaupt keine Gedanken macht, kann der Maßstab objektiviert werden, so dass dann zu fragen ist, ob ein „intelligent and honest man in the position of a director of the company concerned could, in the circumstances, have reasonably believed that the transaction was for the benefit of the company“.218 Trotz des zumindest im Ausgangspunkt anderen Prüfungsmaßstabs wird in der Literatur zur weiteren Konkretisierung des im Interesse der Gläubiger erforderlichen Verhaltens jenseits des Unterlassens bestimmter Zahlungen vorgeschlagen, sich an Entscheidungen zur wrongful tradingHaftung zu orientieren.219 Angesichts der Tatsache, dass auch bei der West MerciaHaftung in der Praxis das Problem hauptsächlich darin besteht, dass die directors den Betrieb der Gesellschaft trotz Krise einfach unverändert fortsetzen220 und angesichts der Tatsache, dass die Zielvorgabe in IA 1986 s. 214 (3) regelmäßig das Hauptinteresse der Gläubigergesamtheit darstellen dürfte, scheint dies ein durchaus vielversprechender Weg. Betrachtet man nun vor dem Hintergrund der Kritikpunkte am deutschen Normanwendungsmodell die Anwendung der allgemeinen directors’ duties auf de facto und shadow director, so lassen sich im Wesentlichen drei Problemkreise erkennen.

213

Siehe hierzu GHLM Trading v Maroo [2012] EWHC 61 (Ch) [168 ff.] und Re HLC Environmental Projects Ltd [2013] EWHC 2876 (Ch) [136] sowie Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 220. 214 Siehe hierzu etwa Morgan, C.R. & I. 2014, 123. 215 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 454. 216 Re HLC Environmental Projects Ltd [2013] EWHC 2876 (Ch) [106]; im Ansatz auch GHLM Trading v Maroo [2012] EWHC 61 (Ch) [168]. Nach diesen jüngeren Entscheidungen dürfte die Feststellung von Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 454, die West Mercia-Pflicht diene nicht der Durchsetzung der par conditio creditorum wohl nicht mehr vollumfänglich zutreffen. Die weitere Rechtsentwicklung insbesondere höhergerichtliche Entscheidungen bleiben abzuwarten. 217 Re HLC Environmental Projects Ltd [2013] EWHC 2876 (Ch) [91 – 93]. 218 Ibid. m.w.N. aus der Rechtsprechung. 219 Keay, LQR 2014, 433, 464. Für eine Kongruenz von West Mercia-Pflicht und wrongful trading auch Schall, ZIP 2005, 965, 968. 220 Ibid., 464. Siehe zum entsprechenden Problem bei der wrongful trading-Haftung E. II. 1.

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Zunächst rückt in dogmatischer Hinsicht die für das deutsche Recht vorgetragene Kritik an der Anwendung von Treuepflichten auf den faktischen Geschäftsführer in den Fokus. Dazu wurde unter anderem festgestellt, dass die für die Auferlegung einer besonderen Treuepflicht als Begründung angeführte besondere Rechtsmacht des bestellten Geschäftsführers über die Gesellschaft beim faktischen Geschäftsführer nicht ohne Weiteres vorhanden ist.221 Der Blick ins englische Recht zeigt hier nun, dass die Anwendung der funktional äquivalenten fiduciary duties jedenfalls auf den de facto director nicht als problematisch gesehen wird. Nach den jüngeren Entwicklungen in der Rechtsprechung und der Änderung von CA 2006 s. 170 (5) deutet zudem vieles darauf hin, dass fiduciary duties in Zukunft auch auf den shadow director in vollem Umfang angewendet werden.222 Daher könnte man zunächst meinen, dass bei der Anwendung der fiduciary duties im englischen Recht ein vergleichbares Begründungsdefizit bestünde wie in Deutschland. Betrachtet man allerdings die Gründe, die im englischen Recht zur Rechtfertigung der Anwendung besonderer Treuepflichten angeführt werden, so zeigt sich, dass dort die Rechtsprechung in erster Linie nicht auf die Rechtsmacht über fremdes Vermögen abstellt, sondern stärker mit Vertrauensschutzaspekten argumentiert und zudem fragt, ob sich aus dem konkreten Verhalten ergebe, dass die betreffende Person die Verantwortlichkeit für fremde Vermögensinteressen übernommen habe („undertaking/assumption of responsibility“).223 Zwar zeigt die Entscheidung Ultraframe, dass man auch auf dieser Grundlage an der Anwendbarkeit der Treuepflicht jedenfalls auf shadow directors zweifeln kann,224 in jedem Fall scheint die Begründung der Anwendbarkeit aber einfacher möglich als auf Grundlage des deutschen Verständnisses dieser Pflichten. Der zweite denkbare Problemkreis hängt mit der Tatsache zusammen, dass die allgemeinen Geschäftsleiterpflichten nach CA 2006 s. 171 ff. vom de facto und shadow director verschiedentlich konkrete Handlungen verlangen können (etwa die Wahrnehmung von Geschäftschancen oder die Überwachung von nachgeordneten Unternehmensangehörigen225), die wiederum entsprechende Rechte voraussetzen, über die beide nicht verfügen.226 Nimmt man allerdings die konkreten Sachverhalte in den Blick, in denen die allgemeinen Geschäftsleiterpflichten auf de facto oder shadow directors angewendet wurden, so zeigt sich, dass es sich fast ausnahmslos um 221

Siehe Kapitel 3 C. IV. 2. Hierzu oben D. II. 2. 223 Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch) [137 ff.]; Ultraframe (UK) Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch) [1285 ff.]. Hiermit ist allerdings kein subjektiver Standard gemeint, vgl. Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch) [139]. Siehe zu diesem Test bei der Anwendung der fiduciary duties auf den de facto director auch Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 [93]. Rechtsvergleichend zur unterschiedlichen dogmatischen Begründung der Treuepflichten im englischen und deutschen Gesellschaftsrecht, Torwegge, Treue- und Sorgfaltspflichten, S. 229 f. 224 Ultraframe (UK) Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch) [1289]. Auch lässt sich fragen, ob überhaupt berechtigtes Vertrauen durch einen de facto director geweckt werden kann. 225 Hannigan, Company Law, S. 248 ff.; Schall/Doralt s. 174 Rn. 6. 226 Siehe ausführlich hierzu Kapitel 3 C. III. 1. und IV. 2. 222

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Fälle handelt, in denen diese pflichtwidrige Zahlungen an sich selbst oder Dritte zu verantworten hatten und die hinsichtlich fehlender Rechte keine Schwierigkeiten aufweisen.227 In den wenigen Fällen, in denen ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, wurde das Vorliegen einer de facto oder shadow director-Stellung hingegen von vornherein abgelehnt.228 Insofern bestand für die Gerichte bisher jedenfalls keine praktische Notwendigkeit, sich mit dem Problem der fehlenden Rechtsposition auseinanderzusetzen. Sollte es hierzu kommen, dürfte allerdings auch für das englische Recht eine Ausweitung der Rechtsposition oder ein Abstellen auf die faktische Machtstellung aus den bekannten Gründen229 keine überzeugende Lösung darstellen. Ein letzter theoretisch denkbarer Problemkreis findet sich im Zusammenhang mit der West Mercia-Rechtsprechung aufgrund der mit dieser verknüpften Informationspflichten in Insolvenznähe sowie aufgrund der sich aus dieser möglicherweise ergebenden Handlungspflichten zugunsten der Gläubiger. Die Befolgung dieser Pflichten müsste auf den ersten Blick zu Schwierigkeiten führen, weil de facto und shadow director wiederum die hierfür notwendigen Rechte fehlen. Die soweit ersichtlich einzige Entscheidung, in der ein shadow director wegen der Verletzung der West Mercia-Pflicht zur Verantwortung gezogen wurde, kann allerdings als starkes Indiz dafür gelten, das Probleme in der Praxis auch hier regelmäßig nicht auftreten dürften.230 Wie die bisherigen Urteile zur Verletzung der West Mercia-Pflicht durch de jure directors hatte auch die Vivendi-Entscheidung pflichtwidrige Zahlungen entgegen dem Interesse der Gläubigergesamtheit zum Gegenstand.231 Soweit dabei die Kenntnis von der finanziellen Lage der Gesellschaft relevant wird und es hierfür wiederum auch auf Informationspflichten ankommt, ist zu bedenken, dass auch diese Pflichten grundsätzlich nicht weiter gehen als bereits im Abschnitt über die wrongful trading-Haftung beschrieben.232 Letztlich kommt es damit auch im West MericaKontext im Prozess darauf an, dem de facto oder shadow director tatsächliches

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Primlake Limited (In Liquidation) v Matthews Associates [2006] EWHC 1227 (Ch); Apex v Morina [2011] EWHC 2983 (Ch); Re Mumtaz Properties [2011] EWCA Civ 610; Re Snelling House [2012] EWHC 440 (Ch). Die Problematik der Informationspflichten spielt hier regelmäßig keine Rolle, weil die Pflichtwidrigkeit aufgrund der Eigennützigkeit der Zahlungen offenkundig ist. 228 Ultraframe (UK) Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch); Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939. 229 Siehe bereits Kapitel 3 C. III 1. b) und c). 230 Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch). Für den de facto director existiert keine Entscheidung, in der die West Mercia-Pflicht ausdrücklich Erwähnung findet, sie ist aber unstreitig auf diesen anwendbar. 231 Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch). Siehe hierzu auch bereits Fn. 215 und 216 mit dazugehörigem Text. 232 Siehe zu den begrenzten Informationspflichten im Zusammenhang mit der West MerciaPflicht Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 296; siehe auch Hannigan, Company Law, S. 230 f.

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Wissen um die finanzielle Situation der Gesellschaft nachzuweisen.233 Hinsichtlich über die Zahlungsverbote hinaus gegebenenfalls notwendiger konkreter Handlungen des de facto oder shadow director im Gläubigerinteresse ist zunächst festzuhalten, dass das englische Recht keine Sanierungspflicht kennt.234 Nimmt man des Weiteren das typischerweise in einer wrongful trading-Situation nach IA 1986 s. 214 (3) entlastend wirkende Verhalten zum Maßstab für Verhaltensanforderungen, so wurde bereits gezeigt, dass de facto und shadow director diesen wohl in der Regel gerecht werden können.235 Zusammenfassend lässt sich damit auch im Hinblick auf die allgemeinen Geschäftsleiterpflichten festhalten, dass die Normanwendung auf de facto und shadow director für die Gerichte insgesamt weniger Schwierigkeiten bereitet als die Anwendung der funktionalen Äquivalente auf den faktischen Geschäftsführer in Deutschland. So knüpft die Treuepflicht (CA 2006 s. 172) dogmatisch nicht an die Einwirkungsmacht des director, was eine Anwendung auch auf den de facto director leichter erklärlich macht. Unabhängig von der dogmatischen Begründung zeigen sich darüber hinaus auch bei der Anwendung der Treuepflicht in der Rechtspraxis keine größeren Probleme, weil hiermit in erster Linie nur ein Verbot schädigender Zahlungen verknüpft ist. Auch im Hinblick auf die gläubigerschützende West Mercia-Pflicht in ihrer bisherigen Ausprägung ist das Fehlen von Rechten des de facto und shadow director wohl nicht von Relevanz. Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings auch, dass hinsichtlich einiger Handlungspflichten, etwa aus CA 2006 s. 174, für die es bisher an Anwendungsbeispielen aus der Praxis fehlt, für de facto und shadow director durchaus vergleichbare Probleme wie im deutschen Recht zu erwarten sind. Hier wird abzuwarten sein, wie die englischen Gerichte sich positionieren.

III. Vergleich der mit der Einzelnormanwendung verbundenen Anreizwirkung Nach der Feststellung, dass die Anwendung der hier untersuchten Geschäftsleiterpflichten und Haftungstatbestände auf de facto und shadow director vor allem in der Praxis weniger problematisch ist als die Anwendung der funktionalen Äquivalente im deutschen Recht auf den faktischen Geschäftsführer, gilt es nun den zweiten 233 Auch in Vivendi SA v Richards war die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft dem shadow director bekannt, vgl. [2013] EWHC 3006 (Ch) [152 – 157]. 234 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 298, wobei Sanierungsanstrengungen des director natürlich von den Gläubigern und Gesellschaftern erwartet werden, ibid. 235 Siehe bereits E. II. 1. Dies gilt insbesondere für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Die Vivendi-Entscheidung ist zudem ebenfalls Beleg für die bereits getroffene Feststellung (Fn. 220 mit dazugehörigem Text), dass auch im Zusammenhang mit der West Mercia-Pflicht das Problem vor allem darin liegen dürfte, dass die Geschäftsführer keinerlei Maßnahmen zugunsten der Gläubiger ergreifen.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

Hauptkritikpunkt am deutschen Normanwendungsmodell auf seine Relevanz im englischen Recht zu untersuchen. So wurde im 3. Kapitel festgestellt, dass durch die Anwendung der Geschäftsleiterpflichten für den faktischen Geschäftsführer keinerlei Anreize geschaffen werden, die Einflussnahme auf die Geschäfte der GmbH von vornherein zu unterlassen. Die Notwendigkeit einer solchen Verhaltenssteuerung ist dabei zunächst mit dem Hinweis begründet worden, dass andernfalls ein Verstoß gegen ein Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 GmbHG für den faktischen Geschäftsführer praktisch konsequenzlos wäre.236 Darüber hinaus spricht aber auch unabhängig vom Vorliegen eines Berufsverbots das trotz Einzelnormanwendung (§ 43 GmbHG etc.) aufgrund fehlender Rechte geminderte Schutzniveau für Gläubiger und Gesellschaft dafür, stets gezielt Anreize für den faktischen Geschäftsführer zu schaffen, seine Tätigkeit von vornherein zu unterlassen.237 Im Hinblick auf die Situation im englischen Recht ist zunächst festzustellen, dass auch hier die entsprechende Anwendung der Geschäftsleiterpflichten für den de facto und shadow director keinen solchen Anreiz schafft.238 Gerade damit dürfte aber auch in England den Gläubigern einer Gesellschaft, jedenfalls in den Fällen, in denen die Rechtsordnung einer Person die Wahrnehmung der Geschäftsführung wegen eines bestimmten vorangegangenen Fehlverhaltens gerade untersagt hat, am meisten gedient sein. Ob darüber hinaus allerdings das Tätigwerden eines de facto oder shadow director stets am besten von vornherein völlig unterbunden werden sollte, scheint weniger eindeutig als im deutschen Recht. Zunächst wird die Tätigkeit eines de facto oder shadow director anders als in Deutschland nicht generell negativ etwa als „Rechtsmissbrauch“239 oder „illegale Leitung“240 qualifiziert. Negativ konnotierte Formulierungen in Bezug auf die shadow director-Stellung wie „he lurks in the shadows“, die sich in diese Richtung deuten ließen, sind heute jedenfalls nicht mehr relevant.241 Zudem hat die Untersuchung der Anwendung der Geschäftsleiterpflichten auf de facto und shadow director ergeben, dass Probleme wegen fehlender Rechte nicht in gleichem Maße auftreten wie beim faktischen GmbH-Geschäftsführer. Damit greift der für das deutsche Recht angeführte Grund für die Notwendigkeit, ein Tätigwerden des faktischen Geschäftsführers idealiter stets von vornherein zu unterbinden, in England nicht in vollem Umfang. Angesichts der sich hieraus ergebenden unterschiedlichen Ausgangslage zwischen Fällen, in denen eine Person entgegen einem entsprechenden Verbot dennoch faktisch auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt, und Fällen, in denen ein solches Verbot nicht besteht, soll im Folgenden zunächst nur untersucht werden, inwieweit das englische Recht 236

Siehe Kapitel 3 C. III. 2. c). Siehe Kapitel 3 C. III. 1. c) sowie III. 2. a) und b). 238 Die Anwendung der directors’ duties oder der wrongful trading-Haftung regt lediglich dazu an, Gesellschafts- und Gläubigerschädigungen zu unterlassen und die Geschäfte der Limited ordnungsgemäß zu führen. 239 So zum deutschen Recht Sorge, Haftung, S. 48. 240 So zum deutschen Recht Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 179. 241 Siehe oben D. II. 237

E. Rechtsvergleich

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Regeln enthält, die ersterer Situation möglichweise Herr werden könnten (1.). Im Anschluss daran wird sodann noch kurz auf die Rechtslage in letzterer Situation einzugehen sein (2.). 1. Die verhaltenssteuernde Wirkung von CDDA 1986 s. 15 Zum besseren Verständnis der nun zu untersuchenden ersten Frage ist zunächst ein kurzer Überblick über die Regelungen des Company Directors Disqualification Act sinnvoll. Der CDDA 1986 enthält eine Reihe von Tatbeständen, bei deren Vorliegen zum Schutz der Allgemeinheit, insbesondere der Gläubiger,242 ein Gericht eine sog. disqualification order [s. 1 (1)] aussprechen kann, die den Adressaten dieser order je nach verwirklichtem Tatbestand für bis zu 15 Jahre vom director-Amt ausschließt.243 Name des Ausgeschlossenen, Dauer des Ausschlusses sowie weitere persönliche Informationen werden zudem in ein öffentliches Online-Register eingetragen.244 Der am häufigsten angewendete Tatbestand für eine Disqualifizierung findet sich in CDDA 1986 s. 6.245 Diese sog. unfitness wird für die Rechtsanwendung durch einen Anhang zum CDDA konkretisiert, der zum einen auf die Verantwortlichkeit der betreffenden Person für Gesetzesverstöße oder die Insolvenz der Gesellschaft, zum anderen auf Pflichtverstöße des director etwa im Hinblick auf die Treuepflicht verweist.246 Trotz dieses Verweises ist aber zu betonen, dass für das Vorliegen von CDDA 1986 s. 6 ein Verstoß gegen die directors’ duties weder notwendig noch hinreichend ist.247 Zwar dürfte in den meisten unfitness-Fällen zugleich 242 Re Blackspur Group plc [1998] BCC 11 (CA) 15 (Lord Woolf); Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) 486. 243 Siehe hierzu und zum weiteren Verfahren Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 594 f. (einzelne Tatbestände), S. 601 f. (zu den verschiedenen Antragsstellern), S. 603 (Dauer der Disqualifizierung). 244 CDDA 1986 s. 18 sowie Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 609. Ob die Publizität erfolgreich Verstöße verhindern kann, lässt sich durchaus bezweifeln, siehe hierzu etwa den Sachverhalt von Re Snelling House [2012] EWHC 440 (Ch) [46]. 245 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 595. Durch den Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 wurden zudem zwei weitere Tatbestände geschaffen, deren Bedeutung es erst noch abzuwarten gilt. CDDA 1986 s. 5A und s. 8ZA erlauben die Disqualifizierung jetzt auch für den Fall, dass eine Person im Ausland wegen bestimmter offences verurteilt worden ist bzw. für den Fall, dass eine Person das Verhalten einer anderen Person beeinflusst hat und das so beeinflusste Verhalten bereits Grundlage einer Disqualifizierung letzterer Person nach s. 6 war. Zu letzterem siehe auch Fn. 259. 246 Vgl. CDDA 1986 s. 12C i.V.m. Schedule 1 i. d. F. des Small Business, Enterprise and Employment Act 2015. Steffek unterteilt die zur unfitness ergangenen Entscheidungen in die Untergruppen „lack of probity“ und „incompetence“, wobei die Gerichte häufig auf Verhaltensweisen abstellen, die sich beiden Gruppen zuordnen lassen, vgl. Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 655. 247 Re Barings plc (no. 5) [1999] 1 BCLC 433 (Ch) 486; Re AG (Manchester) Ltd [2008] EWHC 64 (Ch) [176]; Re Stakefield (Midlands) Ltd [2010] EWHC 3175 (Ch) [251]. Dies dürfte auch auf Grundlage der neugefassten CDDA 1986 s. 12C gelten, obgleich das Gericht mitt-

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

auch eine Pflichtverletzung vorliegen, üblicherweise machen die Gerichte die Disqualifizierung aber eher an Begriffen wie lack of probity und incompetence fest.248 Verstößt ein director gegen die disqualification order, so droht neben strafrechtlichen Sanktionen249 vor allem die Haftung nach CDDA 1986 s. 15. Diese Vorschrift normiert, dass die unzulässigerweise als director tätige Person den Gläubigern direkt und gesamtschuldnerisch („jointly and serverally liable“) für alle während des Verstoßes begründeten Gesellschaftsschulden haftet.250 Durch den Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 wurde zudem mit CDDA 1986 s. 15A ein neuer und potentiell sehr weitreichender Haftungstatbestand geschaffen.251 Die Vorschrift sieht vor, dass auf Antrag des Secretary of State das Gericht, den disqualifizierten director zur Kompensation von Schäden verurteilen kann, die Gläubigern der jetzt insolventen Gesellschaft durch das Verhalten, das auch zur Disqualifikation geführt hat, entstanden sind.252 Damit besteht im Zusammenhang mit dem Disqualifizierungsverfahren erstmalig auch die Möglichkeit der Kompensation von bereits vor der Disqualifizierung eingetretenen Schäden. Vor dem Hintergrund dieses kurzen Überblicks wird deutlich, dass ein disqualifizierter de jure, de facto oder shadow director durch die anschließende Wahrnehmung von Managementfunktionen in einer Limited (als de facto/shadow director)253 gegen das Tätigkeitsverbot aus CDDA 1986 s. 1 (1) verstoßen und nach s. 15 persönlich für die Schulden der Gesellschaft haften würde. Den Gläubigern ist damit zunächst unabhängig von einer gegebenenfalls bestehenden Verantwortlichkeit des de facto oder shadow director für die Verletzung der allgemeinen directors’ duties oder nach IA 1986 s. 214, ein Anspruch an die Hand gegeben, der insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Forderungsausfälle verhindern kann.254 Noch bedeutsamer ist allerdings, dass bereits die Androhung einer Haftung beim Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot ohne weitere Voraussetzungen das Verhalten des disqualifizierten director dahingehend steuert, dass dieser zur Haftungsvermeidung die faktische Einflussnahme auf die Gesellschaft von vornherein lerweile den Anhang zwingend mit in die Überlegungen einbeziehen muss („must“ statt „shall“). 248 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 656 mit dem Hinweis, dass dies eine freiere Beweiswürdigung ermöglicht. 249 CDDA 1986 s. 13. 250 Zu Anwendungsbeispielen aus der Rechtsprechung, siehe Hannigan, Company Law, S. 385 f. 251 Dies ist insbesondere der Fall, weil wie dargelegt kein zwingender Nexus zwischen der Verletzung von directors’ duties und unfitness besteht. 252 Zum Umfang der Kompensation und zur Abwicklung siehe CDDA 1996 s. 15B und C. 253 Siehe hierzu die Definiton in CDDA 1986 s. 15 (4). 254 Siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 628 f. Die Geltendmachung hängt nicht von der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft ab. Daneben besteht für die Gläubiger aufgrund des öffentlichen Registers aller disqualifizierten directors auch die Möglichkeit, sich im Zweifel selbst zu informieren und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Auch hieran fehlt es im deutschen Recht.

E. Rechtsvergleich

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unterlässt.255 Damit greift für das englische Recht jedenfalls im Fall eines bereits disqualifizierten director auch der zweite große Kritikpunkt am deutschen Normanwendungsmodell nicht durch. 2. Weitergehende Anreizwirkung durch das Disqualifikationsrecht Für die zweite hier identifizierte Fallgruppe des de facto oder shadow director, der auch problemlos die Stellung eines de jure director hätte einnehmen können, mithin also nicht bereits disqualifiziert war, stellt sich, wie eingangs bereits dargelegt, zunächst die Frage, ob dem regulatorischen Ziel des Unterbindens des erstmaligen Tätigwerdens als de facto oder shadow director überhaupt die gleiche Bedeutung zukommt wie im deutschen Recht. Dies kann man angesichts der vergleichsweise besser funktionierenden Einzelnormanwendung durchaus bezweifeln.256 Geht man zumindest davon aus, dass es im Hinblick auf Rechtssicherheit, den reibungslosen Ablauf des Rechtsverkehrs sowie die zumindest theoretisch denkbaren Probleme bei der Anwendung von Geschäftsleiterpflichten dennoch zu begrüßen wäre, wenn de facto und shadow director ihre Einflussnahme von vornherein unterließen, so kann jedenfalls CDDA 1986 s. 15 bei der Verwirklichung dieses Ziels nicht helfen, weil dessen Präventionswirkung nur bei bereits disqualifizierten directors greift. Ferner halten auch die allgemeinen Geschäftsleiterpflichten, wie bereits erwähnt, nicht von der erstmaligen Aufnahme der faktischen Einflussnahme selbst ab. Es ließe sich daher allenfalls als letzter hier noch nicht angesprochener Punkt überlegen, ob dass Disqualifikationsrecht insgesamt eine Wirkung in diese Richtung entfalten kann, weil der CDDA anders als § 6 GmbHG nicht nur inzidentell als Folge eines anderen Verfahrens, sondern direkt eine Verbindung zwischen Fehlverhalten und Tätigkeitsverbot herstellt.257 Zunächst lässt sich hierzu festhalten, dass die Disqualifizierungsgründe des CDDA 1986 auf den de facto director258 und zum Teil (s. 4, 6 und 8) auch auf den shadow director Anwendung finden.259 Gleiches gilt dementsprechend auch für die neue Haftung nach CDDA 1986 s. 15A. In der Praxis sind bisher, 255

Dieser Effekt wird durch die hier nicht näher untersuchten strafrechtlichen Sanktionen nach CDDA 1986 s. 13 noch weiter verstärkt. Zudem kommt dem Tätigkeitsverbot selbst eine gewisse Präventionswirkung zu, siehe hierzu Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 624 und S. 723 f. Auf die Bedeutung der Trias von Verbot, Publizität und Sanktion für die Verhaltenssteuerung hinweisend bereits Fleischer, WM 2004, 157, 161. 256 Siehe hierzu bereits E. II. und III. 257 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 628. 258 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BC 282 (Ch) 289 und Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [61] sowie oben C. II. 259 Siehe CDDA 1986 s. 4 (2), s. 6 (3C) und s. 8 (1). Daneben schafft die durch den Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 eingeführte CDDA 1986 s. 8ZA eine weitere Möglichkeit, Personen wegen indirekter faktischer Einflussnahme zu disqualifizieren. Es handelt sich hierbei wie Schedule 1, der nur für den Fall, dass ein director Gegenstand des Verfahrens ist, auf die entsprechenden Pflichten verweist, zeigt, aber nur um ein im Disqualifizierungskontext auftretendes Phänomen, das deshalb nicht weiter untersucht werden soll.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

soweit ersichtlich, allerdings nur CDDA 1986 s. 6 und s. 8 auf de facto und shadow director angewendet worden.260 Hieraus ergibt sich ohne Zweifel erneut, ähnlich wie aus der Anwendung der allgemeinen directors’ duties und der wrongful tradingHaftung, ein generalpräventiver Effekt, weil de facto und shadow director bereits durch das Wissen um die Existenz der Disqualifizierungsgründe dazu angehalten sind, das den einzelnen Tatbeständen (insbesondere CDDA 1986 s. 6) zugrunde liegende gesellschafts- und gläubigerschädigende Verhalten zu unterlassen.261 Ein entsprechendes Verständnis der Disqualifizierungsgründe findet sich im Übrigen auch immer wieder in der englischen Rechtsprechung.262 Da ein solches Verhalten allerdings auch ausreichend ist, um eine Disqualifizierung zu vermeiden, dürften die Regelungen des CDDA darüber hinaus wohl kaum eine Steuerungswirkung erzeugen. Es bleibt damit beim Befund, dass jenseits der Sonderkonstellation des bereits disqualifizierten director auch das englische Recht keine besonderen Regeln enthält, die de facto und shadow directors dazu anregen, gar nicht erst als solche tätig zu werden und gegenteiliges Verhalten gegebenenfalls sanktionieren.

F. Fazit Die Untersuchung der Institute des de facto und shadow director im englischen Recht hat wichtige Erkenntnisse zu Tage gefördert. Zunächst hat sich gezeigt, dass das Normanwendungsmodell in England nicht in gleichem Umfang zu Problemen führt wie im deutschen Recht. Zum einen knüpft die Anwendung der funktionalen Äquivalente zu § 43 GmbHG, § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB sowie § 64 GmbHG in der bisherigen Praxis weit weniger stark an das Vorhandensein direktoraler Rechte an; insbesondere existiert keine an einem entsprechenden Recht 260 CDDA 1986 s. 8, die wie s. 6 ebenfalls an den Begriff der unfitness anknüpft, erlangt nur im Fall einer company investigation Bedeutung, siehe Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 653. Die Anwendung beider Normen dürfte sich im Hinblick auf das bereits bekannte Problem der fehlenden Rechte von de facto und shadow director als unkompliziert darstellen, weil zunächst der Begriff der unfitness sehr flexibel ist, was das vorwerfbare Fehlverhalten angeht. Darüber hinaus besteht keine zwingende Verbindung zwischen einer Pflichtverletzung und dem Verdikt der unfitness, siehe bereits E. III. 1. und soweit Pflichtverletzungen relevant sind, gelten zudem die Ausführungen zur wrongful trading-Haftung und den fiduciary duties, siehe E. II. 1. und E. II. 2. Die Tjolle-Entscheidung (siehe bereits Fn. 186), die auf den ersten Blick Probleme im Hinblick auf die Anwendbarkeit von s. 6 andeutet, ist vor dem Hintergrund des zugrunde liegenden Sachverhalts zu verstehen. Problematisch war weniger die Anwendbarkeit von s. 6 als solche, sondern die Frage, ob eine Person, vor der alle wichtigen Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft geheimgehalten wurden und die daher auch keine originär direktoralen Tätigkeiten wahrnahm, überhaupt als de facto director qualifiziert werden kann (in diese Richtung auch Etherton J in Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch) [75]. Dies ist in der Tat abzulehnen. 261 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 626 f. Die Möglichkeit einer Haftung nach der neugeschaffenen s. 15A dürfte diesen Effekt noch einmal verstärken. 262 Siehe etwa Re Blackspur Group plc [1998] BCC 11 (CA) 15.

F. Fazit

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anknüpfende Insolvenzantragspflicht des de facto oder shadow director. Zum anderen enthält das englische Recht anders als das deutsche Recht spezielle Regeln, die jedenfalls im besonders problematischen Fall eines bereits disqualifizierten director, Anreize für diesen schaffen, von vornherein nicht als de facto oder shadow director tätig zu werden und ein gegenteiliges Verhalten unabhängig von einer Verantwortlichkeit etwa wegen der Verletzung von directors’ duties sanktionieren. Angesichts dieser unterschiedlichen Ausgangslage lässt sich die Einzelnormanwendung in England kaum als unterstützendes Argument für das Normanwendungsmodell im deutschen Recht anführen. Die Erkenntnisse unterstreichen vielmehr die im 3. Kapitel aufgezeigte Notwendigkeit, Veränderungen am bisherigen Ansatz im deutschen Recht vorzunehmen, um die beschriebenen Probleme auch hier einer Lösung zuzuführen. In diesem Zusammenhang unterstützt des Weiteren der Blick ins englische Recht auch die im 3. Kapitel vorgetragene Forderung, das in der Rechtsprechung vertretene, zu enge Begriffsverständnis faktischer Geschäftsführung zugunsten der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise aufzugeben. So hat die Untersuchung zunächst widerlegt, dass sich das Festhalten am Merkmal des Außenauftritts überzeugend mit den im Unterschied zum englischen Recht in Deutschland bestehenden Regelungen des Konzernrechts oder der Gesellschafterhaftung begründen lässt. Ebenso zeigt der Vergleich mit dem englischen Recht, dass der Ausschluss juristischer Personen von der faktischen Geschäftsführerstellung nicht nur keine zwingende Folge der Untauglichkeit zur Bestellung als Geschäftsführer ist, sondern darüber hinaus auch zu Wertungswidersprüchen sowie zu einer zeit- und kostenintensiveren Rechtsdurchsetzung führt. Schließlich verdeutlicht die Analyse der englischen Rechtspraxis, dass trotz des weiten Verständnisses der Begrifflichkeiten des de facto und shadow director konkrete Leitlinien für die Einzelfallanwendung gebildet werden können, die der Gefahr der Rechtsunsicherheit entgegen wirken. Eine letzte Erkenntnis des Rechtsvergleichs, auf die hier noch am Rande hinzuweisen ist, betrifft schließlich die Sinnhaftigkeit die Problematik der faktischen Geschäftsführung auf der Ebene des Europarechts einheitlich zu regeln. Würde eine Lösung auf der Basis eines Normanwendungsmodells angestrebt, wäre es mit der Schaffung eines autonomen und für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Begriffsverständnisses der faktischen Geschäftsführung nicht getan,263 denn je nach Struktur und Funktionsweise der dann noch immer geltenden nationalstaatlichen Geschäftsleiterpflichten würden die aus dem deutschen Recht bekannten Probleme bei der Einzelnormanwendung weiterhin bestehen.264 Sinnvoll wäre eine Rechtsangleichung daher wohl allenfalls, wenn auch das Pflichtenprogramm der Ge263

Insofern war auch der erste Entwurf der SUP-Richtlinie problematisch, siehe hierzu Dreher, NZG 2014, 967. Der aktuelle Kompromissentwurf des Rates in Form einer allgemeinen Ausrichtung (Nr. 8811/15 DRS 39 CODEC 706) enthält keine Regelungen zur faktischen Geschäftsführung mehr. 264 Im Übrigen steht eine Kodifikation auf europäischer Ebene natürlich vor den gleichen Problemen wie eine Kodifikation auf nationaler Ebene, siehe hierzu E. I. 2. a.E.

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Kap. 4: Der de facto director und der shadow director

schäftsleiter und das daran anknüpfende Verantwortlichkeitsregime harmonisiert würden265, wobei darauf zu achten wäre, dass die auf den faktischen Geschäftsführer anwendbaren Normen grundsätzlich nur Handlungsverbote enthalten und dass zudem Anreize für diesen geschaffen werden, seine Tätigkeit von vornherein zu unterlassen. Eine umfassende Harmonisierung des Pflichtenprogramms würde allerdings einen äußerst invasiven Eingriff in das nationale Gesellschaftsrecht darstellen und bedürfte umfangreicher Vorarbeiten.266 Es ist daher zumindest zurzeit wohl vorzugswürdig, eine Lösung für die Problematik der faktischen Geschäftsführung auch weiterhin allein auf nationaler Ebene zu suchen.

265 266

186.

In diese Richtung bereits Dreher, NZG 2014, 967, 972 m.w.N. Hommelhoff, AG 2013, 211, 221 sowie Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177,

Kapitel 5

Neukonzeption der Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung A. Vorüberlegungen In den bisherigen Kapiteln der Arbeit wurde deutlich, dass eine Lösung der Problematik der faktischen Geschäftsführung über die entsprechende Anwendung einzelner Geschäftsleiterpflichten jedenfalls für die hier untersuchten Normen des deutschen Rechts (§ 43 GmbHG, § 64 GmbHG, § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) nicht überzeugen kann. Dieses Kapitel widmet sich daher nun einem Alternativvorschlag für ein besonderes Verantwortlichkeitsregime. Die Notwendigkeit eines solchen Regimes soll zunächst noch einmal kurz verdeutlicht werden. Sodann sind die Leitlinien für einen Alternativvorschlag darzulegen. Diese ergeben sich aus den Erkenntnissen der Kapitel 3 und 4.

I. Zur Notwendigkeit einer besonderen Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme Faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung in der GmbH birgt, wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, erhebliche Gefahren für Gesellschafter und Gläubiger der jeweiligen Gesellschaft. Sei es durch eigenhändiges Tätigwerden oder durch Weisungen an die bestellten Geschäftsführer: letztlich treffen Personen Entscheidungen für die Gesellschaft und ihr Vermögen, die dazu nicht berechtigt und teilweise (insbesondere im Falle eines Bestellungsverbots) auch nicht geeignet sind. Ohne eine spezielle Verantwortlichkeit dieser Personen würde, anders als im Fall des bestellten Geschäftsführers, der zum Schutz der Gesellschafter und Gläubiger bei seinen Entscheidungen für die Gesellschaft gerade der Verantwortlichkeit nach §§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m § 823 Abs. 2 BGB unterliegt, die Kompensation für aus der Einflussnahme resultierende Schäden oft ausbleiben, und mangels Haftungsrisikos auch keinerlei Anreiz bestehen, solche Schäden zu vermeiden.1 Ein solcher Zustand widerspräche nicht nur dem Gerechtigkeitsprinzip des 1 Siehe zur Problematik des risikolosen Tätigwerdens auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 244.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Gleichlaufs von Herrschaft und Verantwortlichkeit2, sondern würde auch zur Umgehung des gesetzlich vorgegebenen Bestellungsverfahrens und des hieran anknüpfenden Pflichtenprogramms einladen. Zwar mag im Einzelfall eine Verantwortlichkeit der betreffenden Person aus deliktischen Anspruchsgrundlagen oder der Treuepflicht der Gesellschafter erwachsen und natürlich bleibt den geschädigten Interessengruppen oft ein Schadensersatzanspruch gegen den bestellten Geschäftsführer oder einen der Gesellschafter. Letztlich bleibt dies aber eine ungenügende Alternative, weil diese Anspruchsgrundlagen bei weitem nicht in allen Fällen sicher Kompensation gewähren können, in denen dies aufgrund der spezifischen Gefahrenlage wertungsmäßig angemessen wäre, und weil die Präventionswirkung dieser Anspruchsgrundlagen deutlich hinter derjenigen einer spezifischen, stets beim faktischen Geschäftsführer ansetzenden Lösung zurückbleibt.3 Den unzureichenden Schutz allgemeiner Vorschriften hat im Übrigen auch der Gesetzgeber anerkannt, wie der in den Materialien des MoMiG enthaltene Regelungsauftrag zum Problem faktischer Geschäftsführung zeigt.4

II. Leitlinien für eine Neukonzeption Ist damit noch einmal verdeutlicht, dass eine besondere Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung in der GmbH notwendig ist, sind als nächstes die Leitlinien eines solchen Verantwortlichkeitsregimes kurz zu skizzieren. Mehrere Aspekte sind dabei besonders hervorzuheben. Zunächst hat die Problematik der Handlungspflichten des faktischen Geschäftsführers gezeigt, dass neue haftungsbewährte Verhaltensregeln so formuliert sein müssen, dass deren Befolgung für den faktischen Geschäftsführer auch ohne Weiteres möglich ist.5 Des Weiteren sollte, wie die Untersuchung des deutschen und englischen Rechts ergeben hat, ein Verantwortlichkeitsregime das Verhalten des faktischen Geschäftsführers im Idealfall so steuern, dass dieser seine Tätigkeit gar nicht erst aufnimmt.6 Hinsichtlich dieser Präventionswirkung aber vor allem im Hinblick auf die einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln nachfolgende Haftung bedarf es zudem eines Modells, das die Möglichkeit bietet, sowohl Gläubigerinteressen als auch Interessen von (Minderheits-)Gesellschaftern zu berücksichtigen, da dies die in erster Linie von der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers betroffenen Interessengruppen sind.7 Schließlich ist im Hinblick auf die Frage, wann die Einflussnahme ein Ausmaß 2 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. I. 1. b) cc). Siehe auch Schürnbrand, Organschaft, S. 294, der dem Rechtssatz, dass auch der faktisch die Gesellschaft Leitende im Schadensfall in Anspruch genommen werden kann, „rechtsethische Überzeugungskraft“ zuspricht. 3 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 B. I. 2. c) und Kapitel 4 E. I. 1. 4 Siehe zu diesem Regelungsauftrag bereits Kapitel 3 A. I. 5 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 C. III. 1. und Kapitel 4 E. II. 6 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 C. III. 2. un Kapitel 4 E. III. 7 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. III. sowie sogleich ausführlich B. I. – III.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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erreicht hat, dass gerade der besondere Schutz des sogleich auszuarbeitenden Verantwortlichkeitsregimes erforderlich wird, grundsätzlich auf die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise abzustellen.8 Diese beschreibt nicht nur das mit der faktischen Geschäftsführung zusammenhängende Gefährdungspotential zutreffend, sondern ist auch hinreichend konkret, um notwendige Abgrenzungen zu ermöglichen und Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Im Hinblick auf den Sonderfall des einflussnehmenden Hintermanns ist zudem noch zusätzlich zu beachten, dass auch das Verhältnis zwischen diesem und dem bestellten Geschäftsführer eine bestimmte Qualität aufweisen muss. Hier bietet es sich an, sich an der englischen Rechtsprechung zum shadow director zu orientieren.9

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung Ausgehend von der Notwendigkeit einer besonderen Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers zum Schutz der Gesellschafter- und Gläubigerinteressen fragt sich, aus welchen gesetzlichen Vorschriften sich diese herleiten lässt. Bei der Suche nach einer Anspruchsgrundlage sind dabei die soeben aufgezeigten Leitlinien für eine Lösung zu beachten. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) den richtigen Anknüpfungspunkt für eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers bilden. Ausgangspunkt der Herleitung der Verantwortlichkeit ist nun zunächst die Feststellung, dass der bestellte Geschäftsführer mit der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen betraut ist.

I. Der bestellte Geschäftsführer als Wahrer fremder Vermögensinteressen 1. Tätigkeit in fremdem Interesse Zentrale Pflicht des bestellten Geschäftsführers ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung der Gesellschaft.10 § 43 Abs. 1 GmbHG legt für diese Pflicht den

8 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 C. II. 2. und Kapitel 4 E. I. Zur Frage, ob damit auch stets die Perspektive auf dem faktischen Geschäftsführer liegt, siehe sogleich B. III. 2. e) und III. 3. 9 Ebenso Sorge, Haftung, S. 142 ff. Siehe hierzu bereits Kapitel 4 E. I. 1. sowie sogleich ausführlich B. III. 3. 10 Diese Pflicht ergibt sich aus § 43 Abs. 1 GmbHG, siehe MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 10 m.w.N. zur Gegenansicht, die die Verhaltenspflichten aus der Geschäftsführungsaufgabe ableiten will. Der Streit ist freilich eher theoretischer Natur, siehe Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 43 Rn. 8. Der Inhalt der Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung der Gesell-

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Sorgfaltsmaßstab „eines ordentlichen Geschäftsmannes“ fest, der als strenger Sorgfaltsmaßstab eines „Verwalters fremder Vermögensinteressen“ zu verstehen ist.11 Bezugspunkt der Leitungspflicht ist grundsätzlich allein das Gesellschaftsinteresse.12 Teils wird in der Regel ohne inhaltliche Unterscheidung auch vom „Unternehmensinteresse“ gesprochen.13 Was sich hinter diesen Begriffen verbirgt, ist allerdings Gegenstand anhaltender Streitigkeiten.14 Richtigerweise ist für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses allein die Gesamtheit der Gesellschafter als „personales Substrat“15 maßgeblich16 : Sie legen den Gesellschaftszweck (idR Gewinnerzielung17) als maßgeblichen Bezugspunkt für das Gesellschaftsinteresse in der Satzung fest18 und können darüber hinaus durch Weisungen das Gesellschaftsinteresse weiter konkretisieren.19 Grenzen findet diese Konkretisierungsbefugnis bei schaft ist einzelfallabhängig und kann nicht abschließend definiert werden, siehe Bork/Schäfer/ Klöhn, § 43 Rn. 24. 11 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 10; ähnlich MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 7. 12 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 13; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 64 ff.; Bork/ Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 5; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 45 f. 13 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 13. Auch Ziemons weist daraufhin, dass häufig vom Unternehmensinteresse gesprochen werde, obwohl das Gesellschaftsinteresse gemeint sei. Sie selbst unterscheidet Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse, wobei ersteres die „Resultante der Interessen verschiedener im Unternehmen zusammengefasster Interessenträger“ ist, während letzteres nur einen Teil des Unternehmensinteresses ausmacht, das durch den Gesellschaftszweck geprägt ist, siehe Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 86 f. Der Sache nach besteht damit aber auch hier nur ein terminologischer Unterschied, wenn man sich fragt, ob Bezugspunkt der Leitungssorgfalt nur das Gesellschaftsinteresse ist, oder darüber hinaus auch das Unternehmensinteresse, vgl. zur so gestellten Frage Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 625. 14 Vgl. zum Ganzen MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 13 ff.; ders., GmbHR 2010, 1307 ff. Insbesondere besteht Streit darüber, ob neben dem Gesellschafterinteresse auch Interessen der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls berücksichtigt werden müssen. 15 Diese Formulierung findet sich bei Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 98. Näher zum auch in der ökonomischen Literatur anerkannten Umstand, dass nur natürliche Personen ein Interesse haben können, Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 315. 16 Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 5; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 68; MüKo-GmbHG/ Fleischer, § 43 Rn. 16 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 20; MüKo-GmbHG/ Merkt, § 13 Rn. 107; auch BGH NJW 2000, 1571 und BGH NZG 2003, 528 lassen sich in diese Richtung interpretieren. 17 Vgl. hierzu U/H/L/Ulmer/Löbbe, § 1 Rn. 12. 18 Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 68; Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 419; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 198, 200. Vom Zweck der Gesellschaft ist der Unternehmensgegenstand zu unterscheiden. Während ersterer nach § 33 BGB nur einstimmig geändert werden kann, genügt für die Änderung des Unternehmensgegenstands die satzungsändernde Mehrheit der Stimmen. Anders ist dies nur, wenn die Änderung des Unternehmensgegenstands sich auch auf den Zweck auswirkt, vgl. zum Ganzen sowie zu den umstrittenen Einzelfragen ausführlich MüKo-GmbHG/Fleischer, § 1 Rn. 6 ff., insb. Rn. 15. 19 U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 228; für das österreichische Recht ebenso Koppensteiner, FS Claussen, 1997, S. 213, 220; ähnlich auch Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 17, der aber auf den Unternehmensgegenstand und nicht auf den Gesellschaftszweck abstellt.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Mehrheitsentscheidungen nur in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft. Verstößt eine Mehrheitsmaßnahme gegen die Treuepflicht, so ist die entsprechende Weisung anfechtbar und es besteht erst dann eine Folgepflicht des Geschäftsführers, wenn die Weisung unanfechtbar geworden ist.20 Einvernehmlich können die Gesellschafter freilich selbst einzelne, zweckwidrige und die Gesellschaft schädigende Maßnahmen anweisen und der Geschäftsführer muss diese umsetzen.21 Ein von der Gesellschaftergesamtheit unabhängiges Eigeninteresse der Gesellschaft, das den Geschäftsführer bei der Befolgung seiner Leitungspflicht binden und das auch bei einvernehmlichen schädigenden Weisungen aller Gesellschafter eine Folgepflicht des Geschäftsführers verhindern würde, besteht hingegen nicht22 (zur Existenzvernichtungshaftung siehe sogleich). Die Dispositionsfreiheit der Gesellschaftergesamtheit über das Gesellschaftsinteresse und damit auch die Orientierung der Leitungspflicht des Geschäftsführers hieran ist jedoch nicht grenzenlos. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwingende Vermögensinteressen der Gläubiger23 betroffen sind. Dies betrifft unter anderem den Bereich der Kapitalerhaltung (§ 30 GmbHG) sowie die Pflichten im Zusammenhang 20 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 18, 22; U/H/L/Raiser, Anh. § 47 Rn. 132 f. m.w.N.; siehe auch BGH NJW 1980, 1527, 1528 (Folgepflicht bei unanfechtbar gewordener Weisung). Bei einem schuldhaften Verstoß gegen die Treuepflicht haftet der Gesellschafter gegebenenfalls auf Schadensersatz, siehe U/H/L/Raiser, § 14 Rn. 101. 21 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 18; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 201, der diesen Fall wohl zu Recht als zulässige punktuelle Satzungsdurchbrechung einordnet, weil gleichwohl gegen den Gesellschaftszweck verstoßen wird. Im Ergebnis ebenso, wenngleich den Beschluss nicht als punktuelle Satzungsdurchbrechung einordnend Schön, ZHR 168 (2004) 268, 280; a.A. Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 106 f., die von einer dauerhaften Satzungsdurchbrechung ausgeht. Insgesamt zeigt die geschilderte Streitfrage, dass Zweifel an der Abgrenzbarkeit von dauerhaften und punktuellen Satzungsdurchbrechungen berechtigt sind, vgl. Zöllner, FS Priester, 2007, S. 879, 888. Geht man daher davon aus, dass bei bewussten und unbewussten Satzungsdurchbrechungen die Rechtsfolge stets Anfechtbarkeit ist, vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 48, so ist eine einstimmige, zweckwidrige Weisung wirksam. 22 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 14 Rn. 42; Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 5; MüKoGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 107; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 68; Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1508; wohl auch BGH NJW 2000, 1571. Für ein (weitergehendes) Eigeninteresse der Gesellschaft allerdings mit unterschiedlicher Begründung Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 330 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 419; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505 ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 520 ff.; Winter, ZGR 1994, 570, 587 f.; Ziemons, Gesellschafterhaftung für Einflußnahmen, S. 97 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1843 f; ausführlich und überzeugend gegen diese Ansätze wiederum Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 314 ff. Zur hier nicht näher zu untersuchenden Frage, inwieweit ein solches Verhalten zu einer Untreuestrafbarkeit führen kann, vgl. MüKo-StGB/Dierlamm, § 266 Rn. 147 ff., der dies zu Recht ablehnt. Zur Abdingbarkeit der Treuepflicht, die ebenfalls nicht an einem „Eigeninteresse“ der Gesellschaft scheitert, Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 772 ff.; zurückhaltender Fleischer/ Harzmeier, NZG 2015, 1289, 1296 f. 23 Beispielhaft sind hier nur einige dieser Gläubigerpflichten genannt. Zu daneben bestehenden Grenzen aufgrund von Pflichten im öffentlichen Interesse, siehe sogleich.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

mit der Insolvenz der Gesellschaft (insb. § 15a Abs. 1 InsO, § 64 S. 1 und S. 3 GmbHG). Ist die Gesellschaft insolvent, so hat der Geschäftsführer die Gesellschaft allein im Interesse der Gläubiger zu leiten.24 Bei Weisungen der Gesellschafterversammlung, etwa keinen Insolvenzantrag zu stellen oder bestimmte Zahlungen entgegen § 64 S. 1 oder S. 3 GmbHG vorzunehmen, besteht zudem keine Folgepflicht.25 Darüber hinaus bildet das statuarische Stammkapital unabhängig von der Insolvenz26 eine im Gläubigerinteresse gebundene Kapitalbasis, die nicht durch Auszahlungen an die Gesellschafter angetastet werden darf.27 Verbotsadressat von § 30 Abs. 1 GmbHG ist wiederum der Geschäftsführer.28 Er hat im Interesse der Gläubiger Auszahlungen zu unterlassen und darf gegenteilige Weisungen der Gesellschafter(-gesamtheit) nicht befolgen.29 Begrenzt wird die Pflicht zu Förderung des Gesellschaftsinteresses darüber hinaus nicht nur durch gläubigerschützende Normen, sondern auch die sog. Legalitätspflicht des Geschäftsführers geht dieser Pflicht stets vor.30 Das Gesetz ist einzuhalten, auch wenn dies objektiv nachteilig für das Unternehmen ist31 und auch gegenteilige Weisungen der Gesellschafter führen hier nicht zu einer Folgepflicht.32 Neben den bereits erwähnten gläubigerschützenden Pflichten betrifft die Legalitätspflicht vor allem Pflichten im öffentlichen Interesse. Teils treffen diese Pflichten die Gesellschaft (bspw. kartellrechtliche Vorschriften)33, teils den Geschäftsführer direkt (bspw. § 34 AO).34 Auch wenn Pflichtadressat die Gesellschaft ist, ist der Geschäftsführer als Organ für die Pflichterfüllung verantwortlich. Eine Verletzung der Pflicht im Außenverhältnis stellt zugleich auch eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH im Innenverhältnis dar.35 Darüber hinaus ist der Geschäftsführer schließlich nicht nur dazu verpflichtet sich selbst gesetzeskonform zu verhalten, sondern er hat auch Gesetzesverstöße nachgeordneter Mitarbeiter 24

Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 5; ders., ZGR 2008, 110, 155 (für die AG); BGHZ 146, 264, 275 (für § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.). 25 BGH NZG 2009, 1385; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 57a, 62. 26 Zur Unterscheidung zwischen Unterbilanz, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit siehe Bork/Schäfer/Thiessen, § 30 Rn. 27 ff. 27 U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 254; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 76. 28 BGHZ 148, 167, 169 ff.; MüKo-GmbHG/Ekkenga, § 30 Rn. 4. 29 BGHZ 31, 258, 278; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 22. 30 Scholz/U. H. Scheider, § 43 Rn. 74; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 12; MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 12. 31 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 43. 32 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 59 ff.; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 37 Rn. 1, 25, 34; Bayer, GmbHR 2014, 897, 905. 33 Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 107 f. Bei einem Verstoß gegen die Kartellrechtsvorschriften kann der Geschäftsführer zudem wegen § 9 Abs. 1 OWiG auch statt der Gesellschaft selbst auf Zahlung eines Bußgelds in Anspruch genommen werden. 34 Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 75, 359. 35 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 31 m.w.N. auch zur Rechtsprechung.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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durch Schutzvorkehrungen von vornherein zu verhindern und bei Verdacht mögliche Verstöße aufzuklären (sog. Compliance-Pflicht).36 Auch für diese Pflicht besteht, jedenfalls hinsichtlich eines „ob“ keine Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit.37 2. Haftung bei Verletzung der einzelnen Vermögensinteressen Die somit aufgezeigte Tätigkeit des Geschäftsführers in unterschiedlichen Interessenbereichen spiegelt sich auch auf der Rechtsfolgenseite wieder.38 Grundsätzlich unterliegt auch die Haftung der Geschäftsführer bei Verstößen gegen die Geschäftsführungspflichten der Dispositionsfreiheit der Gesellschaftergesamtheit.39 So scheidet eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG aus, wenn der Geschäftsführer auf Grundlage einer rechtmäßigen Weisung der Gesellschafterversammlung gehandelt hat.40 Ebenso können die Gesellschafter auf die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG durch Beschluss nachträglich verzichten oder sie im Voraus (vorbehaltlich § 276 Abs. 3 BGB) einschränken.41 Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer haftet 36

Vgl. hierzu insb. bei mittelständischen Unternehmen und zur Unterscheidung der Compliance-Pflicht von der Compliance-Organisationspflicht Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. Vgl. im Übrigen auch MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 142 („Der Geschäftsleiter [muss] über seine eigene Rechtstreue hinaus […] auch auf den nachgeordneten Unternehmensebenen für regelgetreues Verhalten sorgen […].“). 37 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 59; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 37 Rn. 25 ff., insb. 34. Versteht man die Compliance-Pflicht dahingehend, dass es nicht nur um Gesetzesverstöße, sondern auch um Verstöße gegen die Satzung oder selbst gesetzte Standards geht, vgl. Merkt, ZIP 2014, 1705, 1706, so besteht allerdings jenseits der Gesetzesverstöße durchaus Dispositionsfreiheit. 38 Es ist allerdings richtig, dass aus einer fehlenden Dispositionsbefugnis über einzelne Pflichten nicht zwingend die fehlende Dispositionsbefugnis über die Haftung gegenüber der Gesellschaft folgt, vgl. Fleischer, BB 2011, 2435, 2438. Auch Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 776 f., weist zu Recht darauf hin, dass die Fragen nach Pflichtendispens und Haftungsdispens zu trennen sind. 39 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 302 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 185 f., 273 f. 40 BGHZ 119, 257, 261; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 275; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 214; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 119. Damit sind Weisungen gemeint, bei denen eine Folgepflicht besteht. Ein Einverständnis bzw. eine Billigung durch alle Gesellschafter lässt eine Haftung ebenfalls entfallen, siehe BGH NZG 2003, 528, sowie im Detail MüKo-GmbHG/ Fleischer, § 43 Rn. 279. 41 BGH NJW 2002, 3777 (für den Fall der Begrenzung der Verjährung); BGH NZG 2003, 528 (nachträglicher Verzicht); Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 77, 79; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 281, 315. Prüfungsmaßstab bleibt aber auch hier bei Mehrheitsentscheidungen die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Wird gegen sie verstoßen, ist der Mehrheitsbeschluss anfechtbar, vgl. MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 317. Im Hinblick auf die Einschränkung der Haftung im Voraus wird teilweise vertreten, diese sei generell oder jedenfalls für grobe Fahrlässigkeit nicht möglich, vgl. hierzu mit umfassenden, überzeugenden Gegenargumenten MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 303 f., 312. Ebenfalls nicht überzeugen kann eine Analogie zu § 93 Abs. 5 S. 2 und 3 AktG, vgl. ibid., Rn. 307.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

darüber hinaus überhaupt nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG, weil er sich bei jeder Geschäftsführungsmaßnahme gewissermaßen selbst anweist.42 Die GmbH ist damit zwar ein rechtlich selbstständiger Vermögensträger43, dennoch verfügen die Gesellschafter aber, wie durch die gesetzlich festgeschriebene Dispositionsfreiheit manifestiert, grundsätzlich „wie über eigenes Vermögen“.44 Anders ist die Rechtslage hingegen im Bereich der zwingenden gläubigerschützenden Pflichten. Hier besteht in gewissem Umfang eine vom Willen der Gesellschafter unabhängige, haftungsrechtliche Verantwortlichkeit. Das gilt zunächst im Rahmen von § 43 Abs. 3 GmbHG gegenüber der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn die Ersatzzahlungen zur Befriedigung der Gläubiger benötigt werden.45 Selbst eine einstimmige Weisung kann hier keine Haftungsbefreiung bewirken, denn diese ist wegen ihres Verstoßes gegen § 30 GmbHG nichtig.46 Gleiches gilt für nachträglichen Verzicht oder vorherige Freistellung.47 Gegen die Geltendmachung des Anspruchs aus § 43 Abs. 3 scheidet selbst der Einwand unzulässiger Rechtsausübung bei Ausführung eines einstimmigen (allerdings nichtigen) Gesellschafterbeschlusses durch den Geschäftsführer aus.48 Ansprüche aus § 64 GmbHG stehen ebenfalls in gleichem Umfang nicht zur Disposition der Gesellschafter (vgl. § 64 S. 4 42

BGHZ 119, 257, 261; BGH NJW 2000, 1571; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 274; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 276; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 220. 43 MüKo-GmbHG/Merkt, § 13 Rn. 3. 44 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 276; a.A. Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 337 f.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1843. Dieser Ansicht liegt allerdings eine ungerechtfertigte Überbetonung der rechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft zugrunde; hiergegen überzeugend Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 276; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 315 f. Siehe außerdem sogleich B. II. 45 Umstritten ist hier allerdings wiederum, ob über die Haftung doch disponiert werden kann, wenn die Zahlung tatsächlich nicht zur Gläubigerbefriedigung benötigt wird, vgl. Krieger, in: Henze et al. (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 163 (Fn. 55). Jedenfalls für einen nachträglichen Verzicht oder eine Freistellung von der Haftung wird man dies bejahen können. Da die Weisung aber gegen ein gesetzliches Verbot (§ 30 GmbHG) verstößt, ist sie in jedem Fall nichtig, und kann daher keine haftungsbefreiende Wirkung haben; noch weitergehend Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 274. 46 Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 183; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 296. Gleiches gilt auch für eine einstimmig erklärte Billigung. Trifft die Gesellschaft durch die gegen § 30 verstoßende Maßnahme ein über der pflichtwidrigen Auszahlung liegender Schaden, so ist dieser nach § 43 Abs. 2 geltend zu machen, vgl. U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 270. Eine Weisung führt allerdings richtigerweise hier nicht zu einer Freistellung, weil der Vorgang einheitlich zu beurteilen ist und insofern eine (teil-)wirksame Weisung mit Folgepflicht zu einer Pflichtenkollision führen würde, vgl. ähnlich auch U. H. Schneider/Krieger/Haas/Wigand, § 16 Rn. 7 (Fn. 2). Denkbar ist aber der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bei einstimmigem Gesellschafterbeschluss sowie ein nachträglicher Verzicht oder die vorherige Freistellung von der Haftung. Insofern liegt der Fall ähnlich wie bei einem Verstoß gegen § 15a InsO, hierzu sogleich. 47 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 295, 308. Auch wenn nur der Verzicht ausdrücklich geregelt ist, ergibt sich die Unzulässigkeit vorheriger Haftungseinschränkungen aus einem Größenschluss, siehe ibid., Rn. 308. 48 Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 235; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 136.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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i.V.m. § 43 Abs. 3 GmbHG). Inhaber des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO sind schließlich allein die Gläubiger, so dass auch hier die Gesellschafter nicht über die Haftung der Geschäftsführer entscheiden können.49 In der Literatur wird darüber hinaus diskutiert, § 43 Abs. 3 S. 2 und 3 GmbHG mit den beschriebenen Folgen für die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter auch auf eine Reihe dort nicht genannter gläubigerschützender Normen anzuwenden.50 Nahezu unstreitig ist heute zu Recht die analoge Anwendung für solche Normen und Rechtsinstitute, die wie §§ 30, 33 GmbHG direkt dem Kapitalschutz der Gesellschaft dienen. Dies betrifft § 43a GmbHG sowie eine Haftung bei Mitwirkung an existenzvernichtenden Eingriffen.51 Ob darüber hinaus aber weitere gläubigerschützende Normen in den Anwendungsbereich von § 43 Abs. 3 GmbHG mit einbezogen werden können, ohne den Boden der zulässigen Analogie zu verlassen, ist allerdings mehr als zweifelhaft.52 § 43 Abs. 3 GmbHG bezieht sich nur auf den Kapitalschutz der Gesellschaft und nicht auf Gläubigerschutz im Allgemeinen.53 Im Übrigen hat der Gesetzgeber wie in § 64 S. 4 GmbHG nur in Einzelfällen Bezug auf § 43 Abs. 3 genommen und gerade keine allgemeine Regel geschaffen, nach der bei Verstößen gegen gläubigerschützende Pflichten stets keine Dispositionsfreiheit der Gesellschafter bestünde.54 Deshalb ist § 43 Abs. 3 GmbHG beispielsweise nicht analog auf Verstöße gegen § 41 GmbHG oder § 42a GmbHG anwendbar. Auch eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft wegen eines Verstoßes gegen § 15a Abs. 1 InsO steht darüber hinaus nach richtiger Auffassung zur Disposition der Gesellschafter.55 49

Daneben sind Direktansprüche der Gläubiger auch aus verschiedensten deliktischen Anspruchsgrundlagen denkbar, vgl. den Überblick bei Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 321 ff., 328 ff. Angesichts des auf § 15a InsO begrenzten Untersuchungsgegenstands kann hierauf allerdings nicht näher eingegangen werden. 50 Eine Analogie für alle zwingenden gläubigerschützenden Geschäftsleiterpflichten befürworten Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 65; U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 265; Scholz/ U. H. Schneider, § 43 Rn. 261; ähnlich weitgehend Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 63. 51 Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 63; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 65; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 309; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 32; Bachmann, Reform der Organhaftung?, S. 110; a.A. Janert, BB 2013, 3016, 3019, mit dem unzutreffenden Verweis auf die andernfalls gefährdete Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. 52 Ebenso MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 310; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34; Werner, GmbHR 2014, 792, 795 f.; noch weitergehend wohl Henssler/Strohn/Oetker, § 43 GmbHG Rn. 53; a.A. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 65 m.w.N. 53 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 310; ihm folgend auch Werner, GmbHR 2014, 792, 796. 54 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 310; ihm folgend auch Werner, GmbHR 2014, 792, 796. 55 BGH NJW 1974, 1088, 1089; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34; Janert, BB 2013, 3016, 3108 f.; Michalski/Haas, 1. Auflage 2002, § 43 Rn. 235 (für die Zulässigkeit des Einwands unzulässiger Rechtsausübung); ebenso wohl auch Bachmann, Reform der Organhaftung?, S. 112; a.A. Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 63, 76; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 235a, Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 65; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 261; auch in diese Richtung tendierend BGH DStR 1994, 1092, 1094 (obiter dictum). Nicht

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Durch § 64 GmbHG sowie die Außenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO sind die Gläubiger ausreichend geschützt.56 Schadensersatzansprüche aufgrund eines eigenständigen Gesellschaftsschadens wegen verzögerter Insolvenzantragsstellung sind daneben denkbar.57 Eine Analogie zu § 43 Abs. 3 oder § 64 S. 4 GmbHG lässt sich hierfür aber nicht begründen, weil der Anspruch weder dem Kapitalschutz noch der Regulierung des Insolvenzquotenschadens dient, so dass die Vergleichbarkeit als Voraussetzung für die Rechtsfortbildung fehlt. Trotz Ablehnung einer Analogie sollte allerdings noch einmal folgendes klargestellt werden: Eine Weisung der Gesellschafter in Bezug auf zwingende Geschäftsführerpflichten bewirkt aufgrund ihrer Nichtigkeit keine Folgepflicht und erzeugt damit auch keine automatische Haftungsfreistellung des Geschäftsführers.58 Nur folgt hieraus eben nicht notwendigerweise, dass auch die Binnenhaftung bestehen bleiben muss.59 So ist bei einstimmiger Weisung eine Haftung in diesen Fällen aufgrund der Arglisteinrede ausgeschlossen.60 Im Übrigen sind auch eine Freistellung61 von der Haftung oder ein nachträglicher Verzicht62 möglich, weil die zwingende gläubigerschützende Pflicht selbst hierdurch nicht berührt wird.63 zwingend in diese Richtung deuten lässt sich hingegen BGH NZG 2009, 1385, weil das Urteil explizit nur § 30 und § 64 GmbHG nennt, für die § 43 Abs. 3 GmbHG ohnehin gilt. Keinerlei Aussage zu dieser Frage enthält schließlich das von Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 Rn. 63 zitierte Urteil BGH ZIP 2003, 945, 946. Auch BGH WM 1986, 237, 239, das von Baumbach/Hueck/ Haas, § 64 Rn. 219 für die Auffassung zitiert wird, eine Weisung habe keine freistellende Wirkung, wenn der Anspruch zur Gläubigerbefriedigung benötigt werde, enthält keine Aussagen hierzu. 56 Dies betonen auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34. 57 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 219. 58 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 33, die allerdings verkennen, dass im Falle einer einstimmigen Weisung oder Billigung wegen der Arglisteinrede eine Haftung im Ergebnis ausscheiden kann (hierzu sogleich). 59 Fleischer, BB 2011, 2435, 2438. 60 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 35; Michalski/Haas, 1. Auflage 2002, § 43 Rn. 235; BGH NJW 1974, 1088, 1089; a.A. Bayer, GmbHR 2014, 897, 905 f., der den Rückgriff auf die Arglisteinrede für unnötig hält, weil die Weisung im Innenverhältnis trotz fehlender Befolgungspflicht bereits unmittelbar haftungsausschließend wirken soll. 61 Fleischer, BB 2011, 2435, 2438 f.; Janert, BB 2013, 3016, 3018 f.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 43 Rn. 46 (allerdings nicht für grobe Fahrlässigkeit, vgl. hiergegen die Nachweise in Fn. 41). 62 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 53. Bei Mehrheitsbeschlüssen ist freilich sowohl bei Freistellung als auch beim Verzicht eine Grenze stets die Treuepflicht der zustimmenden Gesellschafter. Deren Verstoß kann zur Anfechtbarkeit des Beschlusses durch den ablehnenden Minderheitsgesellschafter führen. Darüber hinaus mag bei einem Verzicht in Insolvenznähe die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO in Betracht kommen, Bachmann, Reform der Organhaftung?, S. 112. 63 Diesen Unterschied zur Weisung verkennt Bayer, GmbHR 2014, 897, 905, der bereits der gegen gläubigerschützende Bestimmungen verstoßenden Weisung unmittelbar haftungsfreistellende Wirkung zuerkennt. Während Verzicht und Freistellung nur die Haftung betreffen, kann eine Weisung nicht einerseits keine Folgepflicht begründen, weil sie nichtig ist, zugleich

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Wurde somit deutlich, dass auch bei einem Verstoß gegen gläubigerschützende Normen die Innenhaftung des Geschäftsführers je nach Fall durchaus zur Disposition der Gesellschaftergesamtheit stehen kann, stellt sich nun noch die Frage, ob dies auch für die Innenhaftung des Geschäftsführers für die Verletzung von gesetzlichen Pflichten im öffentlichen Interesse gilt. Dies ist zu bejahen.64 Zwar besteht auch hier bei Weisungen, die darauf abzielen, dass der Geschäftsführer zwingende Pflichten (der Gesellschaft) im öffentlichen Interesse verletzt, keine Folgepflicht und es kommt nicht zu einer automatischen Haftungsfreistellung.65 Ein nachträglicher Verzicht ist aber ebenso möglich wie vorherige Einschränkungen der Haftung.66 Ebenso kann die Arglisteinrede der Geltendmachung der Haftung entgegenstehen.67 Für die Dispositionsbefugnis spricht, dass die Pflichten im öffentlichen Interesse nicht dem Kapitalschutz der Gesellschaft dienen, so dass eine Analogie zu § 43 Abs. 3 GmbHG nicht überzeugend begründet werden kann. Daneben besteht auch in vielen Fällen durch eine entsprechende Direkthaftung (beispielsweise § 69 AO) oder Bußgeldpflichtigkeit des Geschäftsführers (§ 9 Abs. 1 OWiG) ausreichend Schutz für öffentliche Interessen und Anreiz für den Geschäftsführer sich normkonform zu verhalten. Die vorstehende Untersuchung der Pflichten des Geschäftsführers hat gezeigt, dass nur bei bestimmten Pflichten die aus einer Pflichtverletzung resultierende schadensersatzrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers nicht der Disposition der Gesellschaftergesamtheit unterliegt. Dies liegt daran, dass die Geschäftsführer im Zusammenhang mit diesen Pflichten allein Vermögensinteressen der Gläubiger wahrnehmen. Zwar dienen auch andere Pflichten dem Interesse der Gläubiger und ganz grundsätzlich ist eine ordnungsgemäße Geschäftsführung in der Regel nicht nur im Interesse der Gesellschafter, sondern auch der Gläubiger. Insofern schützt auch § 43 Abs. 2 GmbHG reflexhaft Gläubigerinteressen.68 Die untersuchten Regelungen des §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG sowie § 15a Abs. 1 InsO stechen jedoch insofern heraus, als das Gesetz durch sie gerade als Korrelat der Haftungsbeaber Rechtswirkungen im Hinblick auf eine Haftung entfalten. Eine nichtige Weisung zieht keinerlei Rechtswirkung nach sich. 64 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 310; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34; Janert, BB 2013, 3016, 3018. 65 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 59; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 127; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 33. 66 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 309 f.; Janert, 2013, 3016, 3018 f.; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 34 (Freistellung allerdings nicht für grobe Fahrlässigkeit). 67 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 35; a.A. Bayer, GmbHR 2014, 897, 905 f., der den Rückgriff auf die Arglisteinrede für unnötig hält, weil die Weisung im Innenverhältnis trotz fehlender Befolgungspflicht bereits unmittelbar haftungsausschließend wirken soll, vgl. hierzu bereits Fn. 63. 68 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 Rn. 12. Der Gläubigerschutz ist bei § 43 Abs. 2 im Unterschied zu § 43 Abs. 3 und § 64 GmbHG „doppelt reflexiv“ ausgestaltet, weil Anspruchsinhaber nicht nur die Gesellschaft ist, sondern der Anspruch eben auch zur Disposition der Gesellschafter steht, siehe MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 305.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

schränkung zwei Vermögensmassen (das Stammkapital und das Gesellschaftsvermögen in der Insolvenz) heraushebt, die in besonderem Maße den Vermögensinteressen der Gläubigern zu dienen bestimmt sind und über die deshalb durch den Geschäftsführer (und durch die Gesellschafter) nur eingeschränkt verfügt werden darf.69 Der Sache nach geht es daher auch bei den an eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers anknüpfenden Ersatzansprüchen nicht um den Ersatz von Schäden der Gesellschaft, sondern direkt oder mittelbar um Vermögensschäden der Gläubiger. Für Verstöße gegen § 15a Abs. 1 InsO haftet der Geschäftsführer den Gläubigern direkt über § 823 Abs. 2 BGB.70 Im Hinblick auf den Ersatz von Zahlungen nach § 64 S. 1 GmbHG ist Anspruchsinhaber zwar im Sinne einer für das GmbH-Recht typischen Haftungskanalisierung71 die Gesellschaft selbst. Im Kern geht es aber (genau wie beim Ersatz des Insolvenzquotenschadens nach § 15a Abs. 1 InsO72) darum, dass die verteilungsfähige Vermögensmasse im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zur Vermeidung eines vollständigen Forderungsausfalls erhalten bleibt.73 Daher setzt § 64 S. 1 GmbHG auch keinen Schaden der Gesellschaft voraus, sondern ist ein Ersatzanspruch eigener Art.74 Anders verhält sich dies auf den ersten Blick bei der Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG, die zwar dem Gläubigerschutz dienen soll, von der ganz herrschenden Meinung aber als Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gedeutet wird.75 Allerdings wird für die Norm ein besonderer Schadensbegriff 69

Ähnlich bereits Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 39 f. Zur Haftung als Korrelat für die Haftungsbeschränkung siehe auch Zöllner, FS Konzen, 2006, S. 999, 1021. Diese zwei Vermögensmassen sind allerdings nicht vor jeder Verfügung geschützt. So schützt § 30 GmbHG bspw. nicht vor der Verwirtschaftung des Vermögens und auch in der Insolvenz ist nicht jede Zahlung nach § 64 S. 1 GmbHG zu erstatten, vgl. Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek § 64 Rn. 31 f. Darüber hinaus kann das Stammkapital natürlich durch die Gesellschafter in einem förmlichen Verfahren herabgesetzt werden. 70 MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 199 ff. m.w.N. Zur Haftung für einen darüber hinausgehenden Schaden der Gesellschaft siehe bereits Fn. 46. 71 Hierzu Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 197 f. Wohl mit Recht für den Begriff der Konzentration anstatt der Kanalisierung Medicus, ZGR 1998, 570, 578. 72 Haas, ZIP 2009, 1257, 1259; Poertzgen, GmbHR 2011, 642, 647; MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 151. 73 BGH 146, 264, 275; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64 Rn. 4; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 Rn. 16; Goette, DStR 2003, 887, 893. § 64 S. 3 ergänzt diesen Zweck, siehe Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64 Rn. 48. Zum Zahlungsbegriff und dessen Bezug zum Schuldnervermögen, siehe Haas, NZG 2004, 737, 739. 74 So zu Recht die Rechtsprechung, vgl. BGH GmbHR 2008, 702 und die h.M., vgl. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 12 m.w.N. Gleiches gilt auch für § 64 S. 3, siehe Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, § 64 Rn. 47. 75 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 285 m.w.N. Beachtlich ist im vorliegenden Kontext auch der Ansatz von Habersack/Schürnbrand, die auf die Nähe des Anspruchs aus § 43 Abs. 3 GmbHG zu § 64 S. 1 GmbHG hinweisen und daher durchaus überzeugend zur Einordnung der Norm als Erstattungsanspruch eigener Art kommen, vgl. Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 960. Im Aktienrecht ist die Parallele besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass die § 64 S. 1 GmbHG entsprechende Vorschrift in § 93 Abs. 3 AktG geregelt ist und § 93 Abs. 3 AktG ansonsten wiederum § 43 Abs. 3 GmbHG entspricht.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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vertreten, der von §§ 249 ff. BGB erheblich abweicht.76 So bleiben Rückzahlungsansprüche wie § 31 Abs. 1 GmbHG unberücksichtigt; es findet weder eine schadensersatzrechtliche Gesamtbetrachtung noch ein Vorteilsausgleich statt.77 Ein Schaden scheidet nur dann aus, wenn der Fehlbetrag endgültig wieder ausgeglichen ist.78 Die Norm zielt damit im Ergebnis nicht auf den Schutz der Gesellschaft vor Schäden ab, sondern auf den Erhalt des durch das Stammkapital gebildeten Haftungsfonds zu Gunsten der Gläubiger. Dass es letztlich um die Liquidation von Vermögensschäden der Gläubiger aufgrund eines andernfalls in größerem Umfang drohenden Forderungsausfalls geht, zeigt schließlich auch die Anknüpfung des Verzichtsverbots an die Notwendigkeit zur Befriedigung der Gläubiger.79 Der Gesetzgeber hielt es allerdings für ausreichend, dass trotz der Verstöße gegen zentrale Kapitalschutznormen den Gläubigern nur auf dem Umweg über die Gesellschaft ein Ersatzanspruch zusteht.80 Auch dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Haftungskonzentration.81 Als Zwischenergebnis lässt sich damit zunächst festhalten, dass der Geschäftsführer in zweierlei Vermögensinteresse tätig wird. Er handelt in erster Linie im Gesellschaftsinteresse, verstanden als das Interesse der Gesellschaftergesamtheit. Daneben handelt er aber in bestimmten Situationen auch allein im Gläubigerinteresse und ist den Gläubigern daher unmittelbar oder mittelbar über die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet, wenn er entgegen § 30 oder § 64 GmbHG Zahlungen vornimmt oder verspätet Insolvenzantrag stellt. Die soeben beschriebene herausgehobene Berücksichtigung von Vermögensinteressen der Gläubiger, findet sich im Übrigen – darauf sei hier am Rande hingewiesen – auch bei der Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter wieder. Diese Haftung ist zwar ebenfalls als Schadensersatzanspruch der Gesellschaft konzipiert und in diesem Sinne einfach reflexiv ausgestaltet.82 Zudem spricht der BGH auch ausdrücklich von einem „eigenständigen Vermögensinteresse“ der Gesellschaft, so dass auch der Alleingesellschafter „seiner GmbH“ schaden kann.83 Auch der Existenzvernichtungshaftung geht es aber „nicht um den Schutz der Gesellschaft um ihrer selbst willen“, sondern um den Schutz der Gläubiger.84 Der Anspruch aus § 826 BGB 76

MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 293. U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 269; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 293. 78 U/H/L/Paefgen, § 43 Rn. 269. 79 Sofern die Ansprüche zur Befriedigung der Gläubiger nicht notwendig sind, soll die Haftung auch wieder der Gesellschafterdisposition unterliegen, vgl. hierzu bereits Fn. 45. 80 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 284 unter Verweis auf Begr. GmbHG S. 95. Insofern ist der Gläubigerschutz auch hier „einfach reflexiv“ ausgestaltet. Es fehlt allerdings an der doppelten Reflexivität, vgl. den Nachweis in Fn. 68. 81 Ibid. 82 BGHZ 173, 246, 257 („Trihotel“). 83 BGHZ 179, 344, 355, Rn. 36 („Sanitary“); ähnlich bereits BGHZ 149, 10, 16 („Bremer Vulkan“) („Eigenbelange der abhängigen GmbH“). 84 Weller, ZIP 2007, 1681, 1686; Zöllner, FS Konzen, 2006, S. 999, 1008. 77

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

ist daher auch auf den zur Gläubigerbefriedigung und zum Ausgleich der Kosten des Insolvenzverfahrens benötigten Betrag begrenzt.85 Die Gläubiger erleiden einen konkreten Schaden, der in der Uneinbringlichkeit ihrer Forderung zu sehen ist.86 Die Tatsache, dass Anspruchsinhaberin die Gesellschaft ist, trägt hier wiederum nur dem Grundsatz der „Haftungskanalisierung“ Rechnung.87 Die Bemühung eines eigenständigen Gesellschaftsinteresses zur Begründung der Anspruchsinhaberschaft der Gesellschaft ist daher (auch hier) nicht notwendig.88 3. Reichweite der Pflichten zur Berücksichtigung der Vermögensinteressen der Gläubiger Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich für die Pflichtenbindung des bestellten Geschäftsführers folgendes Bild. Grundsätzlich ist der Geschäftsführer im Vermögensinteresse der Gesellschaft, verstanden als Interesse der Gesellschaftergesamtheit, tätig. Bei Pflichtverletzungen im Rahmen dieser Tätigkeit haftet er der Gesellschaft für entstandene Schäden. Daneben ist der Geschäftsführer aber in bestimmten Situationen verpflichtet, allein die Vermögensinteressen der Gläubiger zu verfolgen und hat darüber hinaus bei einem Verstoß direkt oder reflexiv über die Gesellschaft Ersatz zu leisten, ohne dass die Gesellschafter hierauf Einfluss nehmen können. Doch damit hat es nicht sein Bewenden. Vielmehr verpflichten die hier herausgehobenen Normen nicht nur in bestimmten Situationen Gläubigerinteressen zwingend zu berücksichtigen, sondern sie setzen voraus, dass der Geschäftsführer sich stets im Gläubigerinteresse über die finanzielle Lage in der Gesellschaft informiert und Angestellte sowie Mitgeschäftsführer überwacht.89 Tut er dies nicht, so kann sich der Geschäftsführer weder im Rahmen von § 15a Abs. 1 InsO (i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB)90 noch im Zusammenhang mit § 64 GmbHG91 oder § 43 Abs. 3 85

BGHZ 173, 246, 268 („Trihotel“); Weller, ZIP 2007, 1681, 1686. Schwab, ZIP 2008, 341, 344, der sich aus diesem und weiteren Gründen für eine Außenhaftung der Gesellschafter ausspricht. 87 Hierauf stellt auch der BGH ab, siehe BGHZ 173, 246, 261 („Trihotel“). Siehe auch bereits die Anmerkung in Fn. 80. 88 So auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 320 f; ähnlich Kleindiek, NZG 2008, 686, 689; weiterhin Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, S. 314 ff., insb. S. 317 (allerdings zur Rechtslage vor „Bremer Vulkan“). Missverständlich ist im vorliegenden Kontext auch die Formulierung des BGH, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sei zu wahren, denn dieses ist nur zweckgebunden, soweit es dem von den Gesellschaftern privatautonom gesetzten Unternehmenszweck zu dienen bestimmt ist. Vorliegend geht es aber um das Gläubigerinteresse, siehe Zöllner, FS Konzen, 2006, S. 999, 1015 f. 89 Bereits Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 128 ff., betont den hohen Stellenwert einer solchen gläubigerschützenden „wirtschaftlichen Selbstprüfungspflicht“ für den Gläubigerschutz aus §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG und nutzt sie darüber hinaus als Anknüpfung für eine Außenhaftung der Geschäftsführer. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es allerdings nicht die bestehende Haftung für den bestellten Geschäftsführer zu erweitern, so dass dieser Haftungsansatz hier nicht weiter verfolgt werden soll. 90 BGHZ 181, 199; BGH NJW 2007, 2118, 2120; MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 173 f. 86

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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GmbHG92 damit entlasten, er habe die finanzielle Lage der Gesellschaft nicht gekannt und ihn treffe deshalb kein Verschulden. Vielmehr trifft ihn in diesen Fällen eine volle Verantwortlichkeit. Die Informationspflichten stehen wiederum nicht zur Disposition der Gesellschafter; selbst der Zölibatsgeschäftsführer unterliegt der Verpflichtung.93 Mit der Pflicht zur Information korrespondieren wiederum entsprechende Informationsrechte.94 Die zwingende Notwendigkeit sich im Gläubigerinteresse zu informieren, bewirkt also, dass jeder Geschäftsführer stets und nicht etwa nur in Insolvenznähe95 gewissermaßen als „der Diener zweier Herren“96 tätig wird und sowohl Vermögensinteressen der Gläubiger als auch der Gesellschafter wahrnehmen muss. Da es sich allerdings bei den gläubigerschützenden Informationspflichten um Pflichten handelt, die die unternehmerischen Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Transaktion selbst nicht berühren, ist eine Pflichtenkollision mit den Pflichten gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen.97 4. Zwischenfazit Mit dem Nachweis, dass der bestellte Geschäftsführer stets sowohl Vermögensinteressen der Gesellschafter als auch der Gläubiger wahrnimmt und beiden Interessengruppen unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist eine erste wichtige Grundlage für die Herleitung einer Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers aus den Regeln der GoA gelegt. § 677 BGB spricht ganz allgemein von der Besorgung eines Geschäfts für einen anderen ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. Nimmt nun der bestellte Geschäftsführer, wie gezeigt, ein Geschäft

91

MüKo-GmbHG/H. F. Müller, § 64 Rn. 132, 145; OLG Koblenz GmbHR 2008, 37, 38. Peters, GmbHR 2008, 682, 684; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 128 f. 93 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 45; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 32, 35. Die Pflichten allein auf § 43 Abs. 1 GmbHG zu stützen, wie dies Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 128, vorschlägt, ist deshalb nicht überzeugend, weil dies für eine Disponibilität spräche. Die vorgelagerte Pflicht zur Information als zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der gläubigerschützenden Pflichten muss sich vielmehr auch direkt aus den gläubigerschützenden Einzelpflichten ergeben, da diese andernfalls weitestgehend entwertet wären. Eine Haftung ergibt sich allerdings erst bei einem Verstoß gegen die unmittelbar in §§ 30, 64 GmbHG oder § 15a Abs. 1 InsO enthaltenen Ge- oder Verbote, weil die Verletzung der Informationspflicht nicht unmittelbar mit einem Vermögensnachteil für die Gläubiger verbunden ist. 94 U/H/L/Paefgen, § 37 Rn. 30; Peters, GmbHR 2008, 682, 685; vgl. auch bereits Kapitel 3 C. III. 1. a). 95 In diesem Fall verdichtet sich die Informationspflicht zu einer Insolvenzerkennungspflicht, siehe MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 173. 96 So der Titel eines Theaterstücks von Carlo Goldoni. 97 Zum Problem der Interessenkollision zwischen Gesellschafter- und Gläubigerinteressen bei Transaktionen in der AG, vgl. Klöhn, ZGR 2008, 110, 112 ff. 92

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

(Interessen) für Gesellschaft und Gläubiger wahr98 und liegt seine Berechtigung hierzu in der Bestellung99, so liegt es nahe, den faktischen Geschäftsführer, der die gleichen Funktionen ausübt, aber über keine Berechtigung verfügt, nach §§ 677 ff. BGB zur Verantwortung zu ziehen. Dieser Gedanke soll im Folgenden näher erläutert werden.

II. Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung als Tätigkeit in fremdem Interesse ohne Auftrag Die Überlegung Einflussnahme auf die Geschäftsführung durch nicht bestellte Personen mit der Dogmatik der Geschäftsführung ohne Auftrag zu verknüpfen, ist nicht gänzlich neu. Während sich im direkten Zusammenhang mit der faktischen Geschäftsführung nur vereinzelte Hinweise finden100, wurde der Gedanke der negotiorum gestio im Kontext der Haftung von Gesellschaftern für Einflussnahme auf die Geschäftsführung entgegen dem Interesse der Gläubiger verschiedentlich fruchtbar gemacht. So weist etwa Flume darauf hin, dass die Führung fremder Geschäfte immer pflichtgebunden sei und sich diese Pflichtbindung für den Fall, dass eine vertragliche Grundlage fehle, aus der negotiorum gestio ergebe.101 Da die Angelegenheiten der Gesellschaft auch für den (Allein-)Gesellschafter fremde Geschäfte seien, hafte dieser insbesondere im Fall der einheitlichen Leitung im faktischen Konzern nach §§ 677 ff. BGB.102 Ähnlich und zum Teil von älteren Schriften Flumes beeinflusst, hat zudem Wilhelm in seiner Habilitationsschrift die Idee der Pflichtgebundenheit der Führung fremder Geschäfte fruchtbar gemacht. Er knüpft eine Verantwortlichkeit allerdings sodann nicht unmittelbar an die Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern konstruiert eine Organhaftung der Gesellschafter gegenüber der als eigenständig zu qualifizierenden juristischen Person für sorgfaltswidrige Geschäftsführung.103 Schließlich hat auch Schön darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen die Geschäftsführer auf Veranlassung der Gesellschafter in der 98 Der Begriff des Geschäfts in § 677 BGB ist weit zu verstehen und umfasst auch die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, wie sie dem engeren Geschäftsbesorgungsbegriff in § 675 BGB zugrunde liegt, siehe MüKo-BGB/Seiler § 677 Rn. 2 und MüKo-BGB/ Heermann, § 675 Rn. 3 sowie unten III. 1. 99 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. III. 2. a). 100 Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 59; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Achsnich, Haftung des faktischen Organs, S. 158 ff. 101 Flume, BGB AT I/2, S. 88 f. Hier besteht eine größere Nähe zum bereits erwähnten Gerechtigkeitsprinzip des Gleichlaufs von Herrschaft und Verantwortlichkeit, siehe A. I. 102 Ibid. Der Haftungsmaßstab soll der eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sein. Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 177, weist allerdings zu Recht darauf hin, dass zumindest zum Teil auch § 678 BGB zur Anwendung kommen müsste. 103 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 330 ff., insbesondere S. 337; ähnlich, wenngleich in der konkreten Ausgestaltung anders Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1842 ff. Kritisch zur Verwendung der Organterminologie Flume, BGB AT I/2, S. 90.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Krise der Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger mit dem Gesellschaftsvermögen spekulieren, eine Verantwortlichkeit beider allenfalls nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag herzuleiten sei.104 Die soeben beschriebenen Ansätze weisen zwar deutliche Überschneidungen mit der Problematik der faktischen Geschäftsführung auf105, haben aber zum einen einen engeren Fokus allein auf die Gesellschafter106, zum anderen wird der Interessenkreis der Gläubiger (von den Autoren als „Eigeninteresse der Gesellschaft“ beschrieben) wesentlich weiter gezogen, als dies in dieser Arbeit im Einklang mit der Rechtsprechung und herrschenden Lehre geschieht. Diese Feststellung mag auf den ersten Blick verwundern, wurden doch gerade die Gläubigerinteressen als stets bei der Geschäftsführung präsent beschrieben. Trotz dieses ständigen Tätigwerdens in zwei Interessenkreisen ergibt sich eine konkrete Verantwortlichkeit nach den gesetzlichen Vorgaben, wie gezeigt, aber erst, wenn bestimmte Vermögensmassen (Stammkapital, Gesellschaftsvermögen in der Insolvenz) durch bestimmte Verfügungen (insbesondere Zahlungen entgegen § 30 oder § 64 GmbHG) oder in Form bestimmter Schäden (im Fall der Insolvenzverschleppungshaftung) betroffen sind. Auch die Gesellschafter haften den Gläubigern grundsätzlich für die Einflussnahme auf die Geschäftsführung nur im Falle der Existenzvernichtung nach § 826 BGB107 und im Fall der Vermögensvermischung.108 Sofern die Einflussnahme darüber hinaus den Umfang der faktischen Geschäftsführung erreicht, kommt ebenfalls eine Verantwortlichkeit zum Schutze der Gläubiger infrage (hierzu sogleich III. 2. b) bb) sowie C. I. 1. und C. II. 1.). Diese kann aber konsequenterweise nur solche Verfügungen und Vermögensschäden erfassen, die auch vom bestellten Geschäftsführer im Falle eines Verstoßes gegen die von § 43 Abs. 3 GmbHG erfassten Pflichten, § 64 GmbHG oder gegen die Insolvenzantragspflicht zu ersetzen wären [siehe hierzu im Detail sogleich III. 2. e)]. Sofern also von den genannten Autoren, insbesondere von Wilhelm, Versuche unternommen wurden, jede Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsführung einer Sorgfaltshaftung zu unterwerfen, sofern dies für die 104 Schön, ZHR 168 (2004) 268, 290, wobei offen bleibt, ob diese als Außen- oder Innenhaftung zu konzipieren wäre. 105 Siehe etwa die Hinweise bei Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 368; Flume, BGB AT I/2, S. 89, der davon spricht, dass die Leitung „usurpiert“ wird; sowie Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 179. 106 Auch wird nicht zwischen Geschäftsleiter- und Gesellschafterfunktionen unterschieden, so dass es beispielsweise keine entscheidende Rolle spielt, ob die Gesellschafter von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen oder selbst die Leitung in die Hand nehmen, vgl. etwa Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1847. 107 Siehe hierzu bereits B. I. 2. Auch Fälle der materiellen Unterkapitalisierung finden ausschließlich im Rahmen von § 826 BGB Berücksichtigung, siehe U/H/L/Raiser, § 13 Rn. 139 ff. 108 U/H/L/Raiser, § 13 Rn. 130 ff. Daneben kann sich aus dem allgemeinen Zivilrecht eine Haftung ergeben ibid., Rn. 119 ff. Gegenüber der Gesellschaft kommt zudem im Fall der Mehrpersonengesellschaft eine Haftung wegen der Verletzung der Treuepflicht in Betracht, siehe hierzu bereits Fn. 20.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Gläubigerbefriedigung notwendig ist, lässt sich dies nicht mit der gesetzlich vorgegebenen Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen vereinbaren.109 Auch wenn das weite Verständnis des „Eigeninteresses“ der Gesellschaft und die damit verbundene weitreichende Haftung der Gesellschafter folglich nicht geteilt wird, weisen die Überlegungen Flumes und anderer jedoch bereits auf einige Aspekte hin, die bei einer Lösung des Problems der faktischen Geschäftsführung über die Grundsätze der negotiorum gestio von Bedeutung und von Vorteil sein können. Zunächst kann insbesondere das Prinzip der Pflichtgebundenheit der Führung fremder Geschäfte fruchtbar gemacht werden, das, wenn eine vertragliche Grundlage fehlt, durch die Geschäftsführung ohne Auftrag seinen positiv-rechtlichen Ausdruck findet.110 Des Weiteren wird deutlich, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag die Tätigkeit in verschiedenen Interessenkreisen erfassen kann und so insbesondere Gläubigerinteressen angemessen Berücksichtigung finden können. Äußerst hilfreich könnte sich darüber hinaus vor dem Hintergrund des hier formulierten Ziels, den faktischen Geschäftsführer bereits von der erstmaligen Aufnahme seiner Tätigkeit abzuhalten111, die bisher im Schrifttum nur am Rande angerissene Anwendung von § 678 BGB112 erweisen, da diese Norm vor „ungewollte[r] Einmischung“ in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn schützen soll113 und daher hervorragend geeignet erscheint, das Verhalten des faktischen Geschäftsführers in eben jene Richtung zu steuern. Schließlich unterstreicht die hier vorgetragene Kritik an der zu weiten Gesellschafterhaftung bei Flume, Wilhelm und Altmeppen ein weiteres Mal die bereits an anderer Stelle geäußerte Notwendigkeit, die Grenzen der zulässigen Einflussnahme von Gesellschaftern auf die Geschäftsführung insbesondere im Fall von Weisungen mit besonderer Sorgfalt abzustecken, damit eine Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer nach dem hier vertretenen Ansatz nur dann greift, wenn sie wirklich geboten ist. 109 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008) 274, 291. Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1844 f., spricht zwar richtigerweise die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über die Haftung nach § 43 GmbHG an, die einer weiten Verantwortlichkeit entgegensteht. Die von ihm stattdessen vorgeschlagene Analogie zu § 93 Abs. 5 S. 2 und 3 AktG lässt sich allerdings methodisch ebenfalls nicht überzeugend begründen, siehe MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 307 m.w.N. Allgemein zur Dispositionsbefugnis der Gesellschafter siehe bereits B. I. insbesondere Fn. 41 mit dazugehörigem Text. 110 Die konkrete Anknüpfung an die gesetzlichen Regelungen zur GoA sichert ab, dass die Verantwortlichkeit wegen faktischer Geschäftsführung nicht nur mit Gerechtigkeitsprinzipien begründet wird, wie dies an anderer Stelle bereits für das Normanwendungsmodell kritisiert wurde, vgl. Kapitel 3 C. I. 1. b) bb) und cc). Freilich bedarf es noch des positiv-rechtlichen Nachweises, dass die GoA zur Lösung der Problematik der faktischen Geschäftsführung auch tatsächlich Anwendung finden kann. Dieser soll im folgenden Unterabschnitt B. III. erbracht werden. 111 Siehe A. II. 112 Siehe Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 177. 113 MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 1.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Aufbauend auf diesen Überlegungen, lässt sich eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag, wie folgt, grob skizzieren. Das mit der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise verbundene Eindringen in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur114 führt dazu, dass der faktische Geschäftsführer wie der bestellte Geschäftsführer fremde Geschäfte der Gesellschaft wahrnimmt. Dies geschieht allerdings ohne Auftrag oder Berechtigung, so dass die §§ 677 ff. BGB Anwendung finden können. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vorschrift des § 678 BGB, dessen Anwendung klare Anreize für den faktischen Geschäftsführer schaffen kann, seine Tätigkeit von vornherein zu unterlassen und andernfalls den Ersatz von mit seiner Geschäftsführung verbundenen Schäden der Gesellschaft ermöglicht. Dem steht die fehlende Rechtsposition des faktischen Geschäftsführers nicht entgegen, denn im Rahmen von § 678 kommt es allein auf ein Übernahmeverschulden nicht hingegen auf ein Ausführungsverschulden an.115 Der für § 678 BGB maßgebliche Wille des Geschäftsherrn bestimmt sich dabei grundsätzlich nach dem Willen der Gesellschaftergesamtheit, weil deren Wille den Willen der Gesellschaft bildet.116 Allerdings wird der faktische Geschäftsführer darüber hinaus wie sein bestelltes Pendant zugleich auch immer im Vermögensinteresse der Gläubigergesamtheit tätig. Auch zum Schutze dieser Interessen kann § 678 BGB angewendet werden.117 Eine Ersatzpflicht kommt allerdings nur insoweit infrage, wie das Gesetz das Stammkapital und das Gesellschaftsvermögen in der Insolvenz als Haftungsfonds im Interesse der Gläubiger auch vor Verfügungen und schädigenden Handlungen des bestellten Geschäftsführers schützen würde.118

III. Herleitung einer Verantwortlichkeit nach den Regeln der GoA119 Nach der ersten Skizze einer möglichen Lösung der Problematik im vorherigen Abschnitt gilt es, diese nun Schritt für Schritt herzuleiten. Zunächst rücken hierfür Aufbau und Struktur der §§ 677 ff. BGB als normativer Anknüpfungspunkt der Verantwortlichkeit in den Fokus der Untersuchung.

114

Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. II. 2. Jauernig/Mansel, § 678 Rn. 2 und 3. 116 Siehe bereits B. I. 1. 117 Zur Ausgestaltung dieser Haftung als Innenhaftung siehe unten B. III. 2. d). 118 Siehe bereits B. II. sowie sogleich ausführlich B. III. 2. c) und d) bb). 119 Angesichts der bereits an verschiedenen Stellen hervorgetretenen Besonderheiten bei der rechtlichen Würdigung der Einflussnahme von Hintermännern wird im Folgenden zur besseren Verständlichkeit die eigene Lösung zunächst nur für den eigenhändig tätigen faktischen Geschäftsführer dargestellt. Für die Besonderheiten bei der Einflussnahme durch einen Hintermann siehe sogleich B. III. 3. 115

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

1. Aufbau und Struktur der §§ 677 ff. BGB Die Geschäftsführung ohne Auftrag in den §§ 677 ff. BGB stellt ein Rechtsinstitut dar, über dessen soziale Funktion120, Dogmatik und Systematik sowie Reichweite seit geraumer Zeit Unklarheit besteht. Während die Rechtsprechung den Normkomplex traditionell recht flexibel und großzügig anwendet121, wird in der Literatur teilweise das Institut der negotiorum gestio gar für völlig entbehrlich gehalten.122 Zwar wurde in einer Vielzahl von Monographien und Aufsätzen der Versuch unternommen, den genannten Unklarheiten abzuhelfen123, doch letztlich hat bis heute keiner dieser Vorschläge allgemeine Zustimmung erfahren. Stattdessen hat sich zumindest zum Teil eine gewisse Ernüchterung verbreitet, die sich in Aussagen wie der Seilers widerspiegelt, eine „erneute begriffliche und terminologische Unruhe sollte diesem Gebiet nach den vorangegangenen jahrhundertelangen Auseinandersetzungen […] möglichst erspart bleiben“.124 Unabhängig davon, ob dieser Wunsch seine Berechtigung hat oder nicht, ist diese Arbeit sicher nicht der richtige Ort, erneut „Unruhe“ im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag zu stiften. Stattdessen soll im Folgenden lediglich versucht werden, das bestehende Meinungsspektrum und die wichtigsten Streitpunkte grob nachzuzeichnen und hieran anknüpfend mögliche Hindernisse einer Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach §§ 677 ff. BGB von verschiedenen Standpunkten aus aufzuzeigen und zu entkräften. Ist dies gelungen, kann im Anschluss sodann die konkrete Anwendung einzelner Normen der GoA auf den faktischen Geschäftsführer angegangen werden. a) Gemischt objektiv-subjektive und subjektive Ansätze Während ältere Konzeptionen der Geschäftsführung ohne Auftrag allein auf das Führen eines fremden Geschäfts abstellten, hat das BGB in § 687 Abs. 1 einer solchen rein objektiven Theorie, die ohne das Merkmal des Fremdgeschäftsfüh-

120 So der Begriff bei Köndgen, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 374. Teilweise wird auch gleichsinnig vom „Leitbild“ oder „bestimmenden Grundgedanken“ gesprochen, siehe etwa Schubert, AcP 178 (1987) 425, 428 bzw. MüKo-BGB/Seiler, vor § 677 Rn. 1. Im Wesentlichen stehen sich hier die beiden Funktionen der Förderung der „erwünschten häufig von altruistischen Motiven getragenen Hilfestellung“ und der Vermeidung der „unerbetenen Einmischung in fremde Angelegenheiten“ gegenüber, siehe Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 1, wobei die bisherige Arbeit gezeigt hat, dass im Falle des faktischen Geschäftsführers vor allem letzere Funktion der GoA relevant ist. 121 Zu jüngeren, etwas restriktiveren Tendenzen in der Rechtsprechung siehe Thole, NJW 2010, 1243 ff. 122 Jansen, ZEuP 2007, 958, 991. 123 Siehe insbesondere Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, passim; Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, passim; Bergmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, passim; Schubert, AcP 178 (1978) 425; Gursky, AcP 185 (1985) 13; Loyal, AcP 212 (2012) 364. 124 MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 24.

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rungswillens auskommt, eine deutliche Absage erteilt.125 Dementsprechend werden im Hinblick auf die dogmatische und systematische Analyse der §§ 677 ff. BGB heute auch nur noch „gemischt objektiv-subjektive“ und rein „subjektive“ Ansätze vertreten.126 Innerhalb dieser Ansätze bestehen allerdings im Detail erhebliche Unterschiede, auf die aber nur insoweit eingegangen werden soll, als diese von Relevanz für die vorliegende Arbeit sind. aa) Gemischt objektiv-subjektive Ansätze Der BGH und viele Stimmen im Schrifttum folgen einem sog. gemischt objektivsubjektiven Ansatz. Zentrale Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB sind nach dieser Ansicht das Vorliegen eines fremden Geschäfts sowie des Fremdgeschäftsführungswillens, wobei letzterer in der Praxis häufig in den Hintergrund tritt, was diesem Ansatz den Vorwurf eingebracht hat, tatsächlich ein rein objektiver Ansatz zu sein.127 Der Begriff des fremden Geschäfts, der in § 677 BGB selbst nicht enthalten ist, sondern aus § 687 BGB entnommen und auf die gesamte Geschäftsführung ohne Auftrag übertragen wird128, wird dabei unterteilt in objektiv fremde Geschäfte, sog. auch-fremde Geschäfte und subjektiv fremde Geschäfte.129 Unter einem objektiv fremden Geschäft versteht man nach der Formulierung der Rechtsprechung ein Geschäft, dass bereits seinem „Inhalt nach in einen fremden Rechts- oder Interessenkreis eingreif[t]“.130 Subjektiv fremde Geschäfte wiederum sind solche Geschäfte, die an sich als neutral oder gar objektiv eigene Geschäfte zu qualifizieren wären, und die nur durch den nach außen in Erscheinung tretenden „Willen des Geschäftsführers zur vordringlichen Wahrnehmung fremder Interessen“ zu fremden Geschäften werden.131 Das auch-fremde Geschäft, dessen Reichweite und Behandlung im Schrifttum besonders umstritten sind132, erfordert schließlich, dass neben der Wahrnehmung eigener Interessen auch die Wahrnehmung fremder Interessen „im Vordergrund steht oder gar vordringlich ist“.133 Alternativ zu diesem Verständnis drückt sich die Fremdheit eines Geschäfts nach der im Schrifttum

125

Siehe statt aller Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 23 f. So die hier übernommene Terminologie bei Thole, NJW 2010, 1243, 1247. 127 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 26; Gursky, AcP 185 (1985) 13, 15. 128 Begründung hierfür ist unter anderem, dass die Existenz von § 679 BGB andernfalls nicht zu erklären sei, siehe NK-BGB/Schwab, § 677 Rn. 2. 129 Jauernig/Mansel, § 677 Rn. 3; NK-BGB/Schwab, § 677 Rn. 2, 33; HK-BGB/Schulze, § 677 Rn. 3 jeweils m.w.N. 130 BGH NJW 2000, 72, 73; BGH NJW 2009, 2590 jeweils m.w.N.; ähnlich MüKo-BGB/ Seiler, § 677 Rn. 6; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 13. 131 BGH NJW 2009, 2590, 2591; BGH NJW 1982, 875, 877; BGH NJW 1964, 1825, 1826. 132 Siehe den Überblick zum Streitstand bei Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 140. 133 BGH NJW 2009, 2590, 2591; BGH NJW 1999, 858, 869; BGH NJW 1972, 619. 126

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

ebenfalls auf Zustimmung getroffenen134 Formulierung Wollschlägers durch eine „höherrangige Zuständigkeit am Gegenstand der Tätigkeit aus, d. h. den Umstand, daß ein anderer näher dran ist, deren Nutzen und Kosten zu übernehmen.“135 Das zweite wichtige Tatbestandsmerkmal der Geschäftsführung ohne Auftrag, der Fremdgeschäftsführungswille136, besteht wiederum aus zwei Elementen, dem Bewusstsein über die Fremdheit des Geschäfts und dem Willen das Geschäft als fremdes zu führen.137 Nach der Rechtsprechung wird im Fall des objektiv fremden, aber grundsätzlich auch im Fall des auch-fremden Geschäfts widerleglich das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens vermutet.138 Im Hinblick auf das subjektiv fremde Geschäft, das gerade erst durch den Willen des Geschäftsführers zum fremden Geschäft wird, ergibt sich hingegen von selbst, dass der Fremdgeschäftsführungswille positiv nachgewiesen werden muss.139 bb) Subjektive Ansätze Der soeben beschriebene Ansatz der Rechtsprechung ist allerdings verschiedentlich auch auf Kritik gestoßen, wobei diese nicht den Begriff der Geschäftsbesorgung betrifft, der nach heute allgemeiner Meinung im weiten Sinne zu verstehen ist und Tätigkeiten aller Art umfasst140, sondern die Fokussierung auf den Terminus des fremden Geschäfts und dessen Ableitung aus § 687 BGB. Diese sei zunächst schon deshalb zweifelhaft, weil die Rechtsprechung das fremde Geschäft in § 677 BGB wesentlich weiter fassen müsste als in seinem ursprünglichen Kontext in § 687 BGB, so dass von § 677 nicht lediglich objektiv fremde Geschäfte erfasst wären,

134 Siehe etwa Oppermann, AcP 193 (1993) 497, 502 (mit Einschränkungen). Wohlwollend, wenngleich im Ergebnis ablehnend äußert sich auch Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 129. 135 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 319. Dieser geht allerdings davon aus, dass die Fremdheit des Geschäfts stets objektiv zu bestimmen sei und hält das subjektiv fremde Geschäft für „totes Recht“, siehe ibid., S. 319 f. Darüber hinaus wird die Fremdheit als ein relativer Begriff verstanden, so dass auch der Terminus des auch-fremden Geschäfts obsolet wird, siehe ibid., S. 66 f und S. 320. Die in der Literatur teilweise anzutreffende Einordnung von Wollschlägers Ansatz als rein objektiv ist allerdings nicht zutreffend, da der Fremdgeschäftsführungswille weiterhin eine wenn auch untergeordnete Rolle spielt, siehe Fn. 137 mit dazugehörigem Text. 136 Zu dessen zwingender Notwendigkeit als Tatbestandsmerkmal wegen § 687 Abs. 1 BGB siehe bereits Fn. 125 mit dazugehörigem Text. 137 BGH NJW 2000, 72; Jauernig/Mansel, § 677 Rn. 4; HK-BGB/Schulze, § 677 Rn. 4; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73 f. 138 BGHZ 191, 325 Rn. 16; BGH NJW 2009, 2590; BGH NJW 1964, 1825, 1826. Kritisch zur Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens beim auch-fremden Geschäft etwa Thole, NJW 2010, 1243, 1247. 139 HK-BGB/Schulze, § 677 Rn. 5; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 14. 140 MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 2. Siehe auch bereits Fn. 98 mit dazugehörigem Text.

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sondern ebenso subjektiv fremde und auch-fremde Geschäfte.141 Darüber hinaus habe § 687 Abs. 2 BGB in dogmatischer Hinsicht rein gar nichts mit der Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 BGB zu tun, sondern sei als eigenständiges Rechtsinstitut zu verstehen.142 Auch deshalb könne dem fremden Geschäft für den Tatbestand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag keine Bedeutung zukommen.143 Stattdessen komme es für die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB in erster Linie nur auf das Vorliegen der Geschäftsführungsabsicht bzw. des Fremdgeschäftsführungswillens an.144 Wie sich diese entscheidende Komponente bestimmen lässt, ist allerdings auch innerhalb der subjektiven Theorie umstritten. Während bei Wittmann die Geschäftsführungsabsicht dann vorliegt, wenn die relevante Tätigkeit ihrem „sozialen Sinn“ nach als fremdnützige Interessenwahrnehmung zu qualifizieren ist145 und Bergmann dem zustimmend daneben sogar völlig auf ein empirisch nachzuweisendes Geschäftsführungsbewusstsein verzichtet146, findet sich Gursky am anderen Ende des Meinungsspektrums und versteht den Fremdgeschäftsführungswillen als „reale (nachweisbare) Willensrichtung des Geschäftsführers“.147 Wie deren Nachweis in der Praxis gelingen soll, lässt Gursky allerdings weitestgehend offen, so dass man an der Praktikabilität dieses Ansatzes zweifeln kann. Sofern man stattdessen mit Wittmann und Bergmann auf den „sozialen Sinn“ der Tätigkeit und damit auf objektive Kriterien abstellt, muss man hingegen akzeptieren, dass man den subjektiven Ansatz wieder stärker in die Nähe der gemischt objektiv-subjektiven Ansätze rückt. b) Berechtigte und unberechtigte GoA Eine weitere häufig anzutreffende Auffassung unterscheidet die GoA ferner in die berechtigte und unberechtigte GoA, wobei Vertreter dieser Auffassung sich sowohl

141

Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 119; Gursky, AcP 185 (1985) 13, 17. Reichard, AcP 193 (1993) 567, 585 spricht von der widersprüchlichen Ableitung eines Prinzips aus dem Sonderfall. 142 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 2. Den kontradiktorischen Gegensatz zwischen § 677 und § 687 Abs. 2 BGB betont auch schon Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 23. Die genaue Einordnung der Rechtsnatur des § 687 Abs. 2 BGB ist jedoch umstritten, siehe hierzu Wenckstern, AcP 200 (2000) 240, 250 ff. m.w.N. sowie sogleich B. III. 1. c). 143 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 4. 144 Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 23 ff.; Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 143. Gursky, AcP 185 (1985) 13, 28 ff., und Soergel/Beuthien, § 677 Rn. 3 sprechen statt von der Geschäftsführungsabsicht vom Fremdgeschäftsführungswillen. 145 Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 26. 146 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 31 f.; a.A. Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 23. 147 Gursky, AcP 185 (1985) 13, 29.

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im Lager des gemischt subjektiv-objektive Ansatzes148 als auch im Lager des subjektiven Ansatzes finden.149 Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung ist § 683 BGB, der den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers davon abhängig macht, ob die Übernahme des Geschäfts dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dieses Erfordernis wird abstrahiert und soll unabhängig vom Aufwendungsersatzanspruch zum Tatbestand der berechtigten („eigentlichen“) GoA gehören.150 Ein Unterschied zwischen dieser und der unberechtigten GoA soll neben der Anwendung von § 683 BGB vor allem darin bestehen, dass im Falle der unberechtigten GoA, die weder Interesse noch Willen des Geschäftsherrn entspricht, statt § 677 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB und § 681 S. 2 i.V.m § 667 BGB lediglich deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche Anwendung fänden, weil das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA nicht zum Entstehen komme.151 Die Anwendung von § 677 BGB sei zudem nicht sachgerecht, weil der unberechtigte Geschäftsführer die Geschäftsführung überhaupt zu unterlassen habe.152 Schließlich wäre die Genehmigungsmöglichkeit nach § 684 S. 2 überflüssig, wenn § 681 S. 2 BGB ohnehin Anwendung fände.153 Auch die Unterteilung in berechtigte und unberechtigte GoA ist jedoch nicht ohne Kritik geblieben. So wurde vorgetragen, dass die Übertragung des Merkmals der Geschäftsführung entsprechend dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn von § 683 BGB auf § 677 BGB mit Wortlaut, Systematik und Intention des historischen Gesetzgebers nicht zu vereinbaren sei.154 Die §§ 677 ff. BGB folgten einem römischrechtlich orientierten actionenrechtlichen Aufbau und der Gesetzgeber habe sich bewusst dagegen entschieden, die Ansprüche des Geschäftsherrn (actio directa) an die gleichen Voraussetzungen zu knüpfen wie die Ansprüche des Geschäftsführers (actio contraria).155 Dementsprechend kämen die §§ 677 ff. BGB mit Ausnahme des § 683 stets zur Anwendung, wenn die sonstigen Voraussetzungen der GoA vorlägen.156 Dieser recht beachtliche Unterschied zur Idee der Unterteilung in berechtigte und unberechtigte GoA wird allerdings dann weitestgehend nivelliert, wenn man mit 148 Siehe bspw. Jauernig/Mansel vor § 677 Rn. 4 f.; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 451. Die Position der Rechtsprechung ist nicht ganz klar, siehe die Nachweise bei Loyal, AcP 212 (2012) 364, 366. 149 Siehe bspw. Gursky, AcP 185 (1985) 13, 42 f. 150 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 96. Eine Berechtigung kann sich auch durch nachträgliche Genehmigung nach § 684 BGB ergeben. 151 So etwa Jauernig/Mansel, vor § 677 Rn. 5; Gursky, AcP 185 (1985) 13, 42 f. Aus dem Recht der GoA kommen nur § 678 BGB sowie §§ 680, 681 S. 1 und § 682 BGB zur Anwendung. 152 Gursky, AcP 185 (1985) 13, 43. 153 Ibid. 154 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 98; Loyal, AcP 212 (2012) 364, 367 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 45 f. 155 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 98. 156 Ibid., 90 ff.; differenzierend Loyal, AcP 212 (2012) 364, 372 ff.

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einer Ansicht, die vor allem im jüngeren Schrifttum vertreten wird, auch im Fall der unberechtigten GoA die § 677 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB und § 681 S. 2 i.V.m § 667 BGB anwendet, weil der unberechtigte Geschäftsführer nicht besser stehen sollte als der berechtigte.157 c) Angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB Weitere Meinungsverschiedenheiten treten für den Fall auf, dass eine Person ein fremdes Geschäft als eigenes behandelt, obwohl sie weiß, dass sie dazu nicht berechtigt ist. Diese häufig als „angemaßte Eigengeschäftsführung“ bezeichnete Tätigkeit158 erfüllt die Voraussetzungen von § 687 Abs. 2 BGB und stellt einen Sondertatbestand dar, der teils als bereicherungsrechtlich, teils als deliktisch, teils auch als zwischen beiden Rechtsgebieten liegend oder als „fiktive Treuhand“ beschrieben wird.159 Er enthält (wohl aus Gründen der Billigkeit)160 ein Wahlrecht für den Geschäftsherrn, so dass dieser in gewissem Umfang die Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag trotz fehlendem Fremdgeschäftsführungswillen herbeiführen kann. Für diejenigen Autoren, die im Hinblick auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) einen subjektiven Ansatz vertreten, wird hier der Begriff des fremden Geschäfts erstmals relevant und es stellt sich die Frage nach einer autonomen Definition. Auf Grundlage der gemischt subjektiv-objektiven Ansätze stellt sich hingegen die Frage, inwieweit sich die im Rahmen von § 677 BGB getroffenen Ausführungen auf den vorliegenden Kontext übertragen lassen. Allgemeiner Konsens ist, dass § 687 Abs. 2 BGB weder subjektiv fremde noch auchfremde Geschäfte erfasst.161 Darüber hinaus findet sich zwar häufig die Aussage, der Begriff des objektiv fremden Geschäfts sei wie in § 677 BGB zu definieren162, zugleich wird aber von verschiedener Seite zu Recht darauf hingewiesen, dass dies nicht konsequent durchgehalten werden kann und der Begriff im Zusammenhang mit § 687 Abs. 2 jedenfalls faktisch enger angewendet wird.163 Hintergrund für das allgemein befürwortete, restriktive Vorgehen ist die Überlegung, dass eine zu großzügige Anwendung von § 687 Abs. 2 BGB bereicherungsrechtliche und deliktische Wertungen aushebeln würde.164 Zwar dürfte Bergmann darin zuzustimmen 157

Rn. 7. 158

Siehe etwa HK-BGB/Schulze, vor § 677 Rn. 6 und Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677

HK-BGB/Schulze, § 687 Rn. 3; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 687 Rn. 3; Soergel/Beuthien, § 687 Rn. 2. 159 Für einen Überblick über die vertretenen Ansätze siehe Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 10 m.w.N. 160 So Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 3; ähnlich Jauernig/Mansel, § 687 Rn. 5. 161 BGH NJW 2000, 72, 73. Siehe auch bereits B. III. 1. a) bb). 162 HK-BGB/Schulze, § 687 Rn. 3; Jauernig/Mansel, § 687 Rn. 6; Prütting, ZGR 2015, 849, 853. 163 MüKo-BGB/Seiler, § 687 Rn. 18; Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 15. 164 MüKo-BGB/Seiler, § 687 Rn. 19.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

sein, dass auch ein allein vom Deliktsrecht oder der Eingriffskondiktion abgeleitetes Verständnis des fremden Geschäfts nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führt, doch muss auch dieser anerkennen, dass sich die Praxis in der Regel an den Ergebnissen der sog. Zuweisungslehre orientieren kann, nach der es darauf ankommt, ob ein Gut und dessen Nutzung allein einer bestimmten Person zugewiesen sind.165 Im Kern geht es damit in erster Linie um den vorsätzlichen Eingriff in absolute Rechte.166 Darüber hinausgehende Fallkonstellationen sind denkbar und Beispiele sind auch in der Rechtsprechung zahlreich vertreten; unabhängig vom konkret vertretenen Verständnis des fremden Geschäfts ist in diesen Fällen allerdings stets besondere Vorsicht geboten. Liegt tatsächlich ein fremdes Geschäft vor, so kommt es für die Anwendbarkeit von § 687 Abs. 2 BGB weiter darauf an, dass das Geschäft in eigennütziger Absicht geführt wird („als eigenes“). Während die überwiegende Ansicht hierfür auf den tatsächlichen Willen des Geschäftsherrn abstellt167, will Bergmann die eigennützige Absicht als Gegenstück zum Fremdgeschäftsführungswillen ebenfalls normativ nach der Zweckrichtung der Geschäftsführung bestimmen.168 d) Zwischenfazit Der kurze Überblick über die Vielzahl der Meinungen zur Dogmatik und Systematik der GoA und zu § 687 BGB hat gezeigt, dass trotz großer Detailunterschiede viele der Ansätze im Kern letztlich doch auch deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen. So wird etwa der subjektive Ansatz, der wohl insgesamt besser mit der Systematik des Gesetzes und der Intention des historischen Gesetzgebers zu vereinbaren ist, tatsächlich nur dann praktikabel, wenn, wie überwiegend vertreten, (auch) objektive Elemente zur Bestimmung des Fremdgeschäftsführungswillens hinzugezogen werden. Dies führt aber zu einer deutlichen Annäherung an die objektiv-subjektiven Ansätze.169 Des Weiteren bringt der Vergleich zwischen dem Konzept der berechtigten und unberechtigten GoA und der actionenrechtlichen Deutung der §§ 677 ff. BGB jedenfalls dann kaum noch praktische Unterschiede hervor, wenn man die gerade im jüngeren Schrifttum häufig vertretene Position einnimmt, dass trotz des Festhaltens an der begrifflichen Aufteilung die Anwendung der §§ 677, 280 BGB und §§ 681 S. 2, 667 BGB auch auf die unberechtigte GoA 165

Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 12, 17. Siehe zum Zusammenspiel von Zuweisungstheorie und Rechtswidrigkeitstheorie auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 169 f. 166 MüKo-BGB/Seiler, § 687 Rn. 19; Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 20; Jauernig/ Mansel, § 687 Rn. 6; HK-BGB/Schulze, § 687 Rn. 4. 167 Jauernig/Mansel, § 687 Rn. 7; HK-BGB/Schulze, § 687 Rn. 3; MüKo-BGB/Seiler, § 687 Rn. 8. 168 Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 31. Ein empirisch bestimmbares subjektives Tatbestandsmerkmal sei nur das tatsächliche Wissen um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung zur Geschäftsführung, ibid., Rn. 37. 169 Thole, NJW 2010, 1243, 1244, spricht von „Versöhnungsversuchen“.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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möglich ist. Im Zusammenhang mit der angemaßten Eigengeschäftsführung besteht schließlich trotz unterschiedlicher Einordnung der Rechtsnatur der Norm und trotz der Verwendung unterschiedlicher Terminologien bei der Bestimmung des fremden Geschäfts letztlich doch Einigkeit darüber, dass die Anwendung von § 687 Abs. 2 BGB nicht zur Umgehung von Wertungen des Bereicherungs- und Deliktsrechts führen darf, und dass deshalb jeder Fall, der keinen Eingriff in absolute Rechte betrifft, einer besonderen Prüfung unterzogen werden muss. Wenn nun im Folgenden die konkrete Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf Fälle der faktischen Geschäftsführung untersucht wird, sollen in erster Linie diejenigen Ansätze, die die soeben aufgezeigten grundlegenden Gemeinsamkeiten aufweisen, Berücksichtigung finden, weil auf diese Weise die Prüfung zum einen nicht Gefahr läuft zu unübersichtlich zu werden170 und zum anderen durch die Anknüpfung an den gerade beschriebenen Grundkonsens der hier vertretene Ansatz auch am besten gegen mögliche Kritikpunkte verteidigt werden kann. 2. Die Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf den faktischen Geschäftsführer a) Faktische Geschäftsführung als fremdnützige Tätigkeit Aus der Perspektive des gemischt objektiv-subjektiven Ansatzes hängt die Qualifikation der faktischen Geschäftsführung in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise als echte Geschäftsführung ohne Auftrag zunächst davon ab, ob mit ihr die Führung eines fremden Geschäfts verbunden ist. Nimmt man dafür die verschiedenen Definitionen des objektiv fremden Geschäfts in den Blick, nach denen es darum geht, ob die Geschäftsführung ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- oder Interessenkreis eingreif[t]“171 bzw. dem Geschäftsherrn eine „höherrangige Zuständigkeit am Gegenstand der Tätigkeit“ zukommt172, so scheint die Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise jedenfalls sprachlich unproblematisch unter beide Formulierungen fassbar.173 Führt man sich vor Augen, dass die GmbH als juristische Person zur Wahrnehmung „ihrer“ Interessen174 und Geschäfte überhaupt stets Organe bedarf, die die ihnen gesetzlich und durch Satzung zugeschriebenen Funktionen auch tatsächlich ausüben, so lässt sich der Fall, in dem eine Person faktisch dieselben Or170 Aus diesem Grund werden etwa der allein am tatsächlichen Willen des Geschäftsführers anknüpfende Ansatz Gurskys und auch diejenigen Ansätze, die bei der unberechtigten GoA das Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ablehnen, unberücksichtigt bleiben. 171 BGH NJW 2000, 72, 73; BGH NJW 2009, 2590 jeweils m.w.N.; ähnlich MüKo-BGB/ Seiler, § 677 Rn. 6; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 13. 172 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 319. 173 Zur engeren Begrifflichkeit des fremden Geschäfts in § 687 Abs. 2 BGB siehe sogleich B. III. 2. b) dd). 174 Zum Begriff siehe bereits B. I.

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ganfunktionen wahrnimmt, ohne Weiteres als Eingriff in den Rechts- und Interessenkreis der GmbH darstellen, weil letztlich der interne Willensbildungsprozess der juristischen Person zumindest teilweise übernommen wird.175 Auch lässt sich sagen, dass die GmbH „näher dran“ ist als der faktische Geschäftsführer, Nutzen und Kosten seiner Tätigkeit zu tragen, weil die aus Gesetz und Satzung abgeleiteten und durch den faktischen Geschäftsführer wahrgenommenen Organfunktionen inhaltlich stets auf die Gesellschaft ausgerichtet sind.176 Nimmt man damit das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts an, wird nach Ansicht der Rechtsprechung der Fremdgeschäftsführungswille sodann vermutet.177 Auch aus der Perspektive des subjektiven Ansatzes von Wittmann und Bergmann, für die es entscheidend auf den normativ zu bestimmenden Geschäftsführungswillen ankommt, lässt sich leicht argumentieren, die faktische Geschäftsführung sei ihrem „sozialen Sinn“178 nach als fremdnützige Interessenwahrnehmung zu qualifizieren, weil gerade nicht lediglich legitime Eigeninteressen vertreten werden, sondern in die Organisationsstruktur der Gesellschaft eingedrungen wird. Dass der Geschäftsführer dazu unter Umständen auch durch eigennützige Motive veranlasst wurde, ist hingegen irrelevant.179 Sofern darüber hinaus von Wittmann ein tatsächliches Geschäftsführungsbewusstsein verlangt wird,180 dürfte dies ebenfalls wenig problematisch sein, weil die faktische Geschäftsführung gerade die Entscheidungfindung für die GmbH zum Gegenstand hat. Trotz des positiven Vorbefunds, dass sich die faktische Geschäftsführung auf Grundlage verschiedener Ansätze als fremdnützige Tätigkeit im Sinne des § 677 BGB einordnen lässt181, wäre es allerdings zu kurz gegriffen, die Prüfung an dieser Stelle einzustellen und direkt die Anwendung der §§ 677 ff. BGB weiter im Detail 175 Es ist zwar richtig, dass das Handeln im eigenen oder fremden Namen grundsätzlich kein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen eines fremden Geschäfts ist, siehe RGZ 138, 45, 49. Vorliegend geht es aber gerade nicht um das Verhalten im Außenverhältnis, sondern um die innere Willensbildung. 176 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 54, weist dann auch zu Recht darauf hin, dass sich im Falle einer Bestellung zur Geschäftsbesorgung „unschwer feststellen lasse, was jeweils fremdes Geschäft ist.“ Fehlt die Bestellung, kommt diese Identifikationsfunktion nach der hier vertretenen Auffassung der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise zu. 177 Im Zusammenhang mit Wollschlägers Ansatz spielt das subjektive Element eine untergeordnete Rolle, siehe Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 72. 178 Zu diesem Kriterium siehe bereits die Nachweise in Fn. 145 und 146. 179 Staudinger/Bergmann, § 677 Rn. 177. Wenn also etwa in Anlehnung an den Sachverhalt von BGH WM 1973, 1354 der faktische Geschäftsführer veranlasst, dass die insolvente Gesellschaft eine ihrer Verbindlichkeiten zu Lasten der übrigen Gläubiger tilgt, weil er für diese auch persönlich gebürgt hat, stellt dies lediglich ein Motiv dar, das die Geschäftsführung nicht zur Eigengeschäftsführung werden lässt. 180 Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 23. 181 Auch Flume, BGB AT I/2, S. 88, geht ohne Weiteres davon aus, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter, etwa im faktischen Konzern, die Voraussetzungen der GoA erfüllt, siehe ausführlich bereits B. II.

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auszuarbeiten. Um die Anwendbarkeit der GoA auf Fälle der faktischen Geschäftsführung tatsächlich argumentativ zu untermauern, ist es wie häufig im Zusammenhang mit unscharfen Begrifflichkeiten notwendig, einzelne in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Fallgruppen näher in den Blick zu nehmen, die die in den weiten Tatbestandsmerkmalen der GoA enthaltenen Wertungen konkretisieren und damit Leitlinien für die Subsumtion neuartiger Fälle liefern.182 Aus der unüberschaubaren Vielzahl von Fällen, in denen die Anwendung der GoA in der Vergangenheit zumindest diskutiert wurde, sind im vorliegenden Kontext dabei vor allem diejenigen zu berücksichtigen, die wegen gewisser Parallelen im Sachverhalt auch als grundsätzliche Argumente gegen die Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf den faktischen Geschäftsführer ins Feld geführt werden könnten. Ist diese Möglichkeit überprüft und ausgeschlossen, gilt es sich als letzten Punkt vor der Ausarbeitung der Lösung im Detail schließlich der Frage zu widmen, ob die faktische Geschäftsführung in bestimmten Situationen auch als angemaßte Eigengeschäftsführung relevant werden kann. In diesem Fall wäre zu überlegen, ob der enge Begriff des fremden Geschäfts in § 687 Abs. 2 BGB auch die faktische Geschäftsführung erfassen kann oder nicht, und ob damit möglicherweise ein weiterer grundsätzlicher Einwand gegen die hier vorgetragene Lösung besteht. b) Grundsätzliche Einwände Die hier relevanten Konstellationen betreffen zunächst die Frage der Anwendbarkeit der GoA im Fall eines nichtigen Vertrags, des Weiteren die Anwendbarkeit der GoA im Fall der Überschreitung von Organbefugnissen oder vertraglichen Vereinbarungen. Ebenso wird auch die Problematik der Anwendbarkeit der GoA im Falle des pflichtgebundenen Geschäftsführers zu diskutieren sein. Als letztes ist schließlich der Sonderfall des § 687 Abs. 2 BGB zu untersuchen. aa) GoA und nichtiger Vertrag Nimmt der Geschäftsführer die Geschäftsführung gegenüber dem Geschäftsherrn aufgrund eines nichtigen Vertrages wahr, so ist umstritten, ob die §§ 677 ff. BGB Anwendung finden können. Die Rechtsprechung bejaht dies grundsätzlich183, 182 Ähnlich in Bezug auf die allgemeine Vorgehensweise bei der Anwendung von § 677 BGB auch MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 24. 183 BGH NJW 1962, 2010, 2011; BGH NJW 1988, 132 133; BGH NJW 2012, 3366, 3368. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer von der fehlenden Leistungspflicht weiß, siehe BGH NJW 2012, 3366, 3368. Allerdings dürfe der Geschäftsführer Tätigkeiten, die einem gesetzlichen Verbot widersprechen, nicht für erforderlich halten, so dass die Anwendung von §§ 683, 670 BGB ausscheide, siehe BGH NJW-RR 1997, 564 f. In der jüngeren Rechtsprechung gibt es auch einige restriktivere Tendenzen, vgl. BGH NJW 2009, 2590, 2591, wobei diese Fälle, so der zutreffende Hinweis bei Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 335, Austauschverträge betreffen und keine Fälle aus dem Auftragsrecht oder Geschäftsbesorgungsrecht

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

während in der Literatur überwiegend von der Unanwendbarkeit ausgegangen wird.184 Begründen lässt sich letztere Position zum einen mit dem Fehlen des Fremdgeschäftsführungswillens zum anderen mit dem Vorrang des Bereicherungsrechts für die Rückabwicklung gescheiterter Güterbeziehungen.185 Folgt man diesen Überlegungen, kann man nur befürworten, dass die Rechtsprechung für die Verantwortlichkeit im Falle der fehlerhaften Bestellung anders als in einigen frühen Entscheidungen186 heute nicht mehr an die Geschäftsführung ohne Auftrag anknüpft.187 Zum einen fehlt dem aufgrund fehlerhafter Bestellung und nichtigen Anstellungsvertrags tätigen Geschäftsführer ebenfalls der Fremdgeschäftsführungswille, weil dieser nur einer eigenen Verpflichtung nachkommen will188, zum anderen werden hier zwar keine Wertungen des Bereicherungsrechts umgangen, weil dieses nach den Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung ohnehin nicht zur Anwendung kommt, die mit dieser Rechtsfigur verbundenen Wertungen stehen aber der Anwendung der GoA in gleichem Maße entgegen.189 Anders als im Fall der fehlerhaften Geschäftsführung fehlt es in den hier untersuchten Fällen der faktischen Geschäftsführung hingegen stets gänzlich an einem Bestellungsakt sowie an einer anstellungsvertraglichen Grundlage für die Einflussnahme.190 Insofern haben die Einwände, die gegen die Anwendung der §§ 677 ff. BGB im Falle nichtiger Verträge sprechen, für den Fall der faktischen Geschäftsführung keine Relevanz.

sind. Dementsprechend ist die Bedeutung dieser Entscheidungen für die vorliegenden Fälle gering. 184 Soergel/Beuthien, § 677 Rn. 22; Erman/Dornis, § 677 Rn. 43; Lorenz, NJW 1996, 883, 885; Thole, NJW 2010, 1243, 1248. 185 Thole, NJW 2010, 1243, 1248. Auf dem Boden der gemischt subjektiv-objektiven Theorie geht es um die Frage, inwieweit beim auch-fremden Geschäft der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten ist. Wittmann und Bergmann halten die Ergebnisse der Rechtsprechung ausgehend von ihrem subjektiven Ansatz allerdings für zutreffend, siehe Staudinger/ Bergmann, vor § 677 Rn. 334 und Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 118 f. 186 RG Recht 1909 Nr. 2398 (AG); kritisch hierzu bereits Reich, DB 1967, 1663, 1666. 187 BGHZ 168, 188 Rn. 14; BGHZ 196, 195 Rn. 19, 24. 188 Ist nur eines der beiden Rechtsverhältnisse unwirksam, so wird der fehlerhafte Geschäftsführer schon nicht „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ tätig. In der Regel dürften aber beide Rechtsverhältnisse fehlerhaft sein, siehe Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 169. 189 Auch wenn man die Argumente des fehlenden Fremdgeschäftsführungswillens und des Vorrangs des Bereicherungsrechts wie Bergmann (siehe Fn. 185) nicht für überzeugend hält, dürfte letzteres Argument entscheidend gegen die Anwendung der GoA sprechen. Siehe hierzu auch Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 171 f. 190 Zur Frage der Überschreitung vertraglicher und organschaftlicher Befugnisse siehe sogleich.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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bb) GoA und die Überschreitung von Organbefugnissen oder vertraglichen Vereinbarungen Während es in den Fällen faktischer Geschäftsführung stets an jeglicher Bestellung zum Geschäftsführer fehlt und auch ein Anstellungsvertrag nicht vorliegt, kann es durchaus vorkommen, dass dennoch eine Sonderverbindung zwischen Gesellschaft und faktischem Geschäftsführer besteht, die in gewisser Weise zur Einflussnahme auf die Belange der Gesellschaft berechtigt. Zu denken wäre etwa an die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter, das Weisungsrecht des Alleingesellschafters sowie schuldvertraglich ausbedungene Rechte im Zusammenhang mit sog. Covenants. Überschreiten nun die betreffenden Personen die ihnen zustehenden Rechtspositionen und führen die Geschäfte der GmbH faktisch durch die Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise, so stellt sich die Frage, ob die Existenz der vertraglichen Vereinbarung ein Hindernis für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB darstellen kann. Anlass für diese Überlegung bietet die Tatsache, dass die Rechtsprechung die Anwendbarkeit der GoA bzw. von § 687 Abs. 2 BGB191 auf Fälle, in denen ein bestelltes Organ seine Kompetenzen überschreitet, ablehnt und stattdessen eine Verantwortlichkeit aus der Verletzung der gesellschafts-192 oder anstellungsvertraglichen Pflicht193, die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis nicht zu überschreiten, ableitet. Diese Position, die auch in der Literatur fast ausnahmslos auf Zustimmung getroffen ist194, ist in der Tat zutreffend, wenn man bedenkt, dass das Tatbestandsmerkmal „ohne Auftrag“, jedenfalls dann nicht erfüllt ist, wenn das Vertrags- oder Gesellschaftsrecht die Befugnisse des Geschäftsführers abschließend regelt.195 Hieraus aber zu schließen, dass auch in Fällen faktischer Geschäftsführung die Anwendung von §§ 677 ff. BGB ausscheiden muss, wenn die einflussnehmende Person in einer organisationsrechtlichen oder schuldvertraglichen Beziehung zur Gesellschaft steht, wäre allerdings vorschnell. Vielmehr unterscheiden zwei Aspekte die vorliegenden Fälle ganz wesentlich von den Fällen der Überschreitung organschaftlicher oder schuldvertraglicher Befugnisse. Zunächst gilt der Vorrang der privatautonom getroffenen Regelung nur insoweit, als die relevanten Handlungen auch tatsächlich unter den Vertragsgegenstand

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Zur ebenfalls relevanten Frage, ob die Anwendbarkeit von § 687 Abs. 2 BGB auch daran scheitert, dass in diesen Fällen nicht in ein absolutes Recht eingegriffen wird, siehe sogleich Fn. 217. 192 BGH NJW-RR 1988, 995 (für die OHG); a.A. noch RGZ 158, 302, 112 f.; siehe zuletzt auch etwas unklar BGH NJW 2013, 1958 Rn. 27. Die Entscheidung zur OHG ist für die Frage nach der Relevanz der Sonderverbindung zwischen Gesellschaftern und GmbH für die Anwendung der Regeln der GoA nur von begrenzter Aussagekraft, weil die Gesellschafter in der GmbH anders als in der OHG nicht zur eigenhändigen Geschäftsführung berufen sind. 193 BGH NJW-RR 1989, 1255 (für die GmbH). 194 MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 49; Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 190; aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum siehe MüKo-HGB/Rawert, § 114 Rn. 61 ff. m.w.N. 195 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 190.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

fallen.196 Im Vergleich zu den Mitwirkungsrechten der Gesellschafter oder den typischerweise durch Covenants vermittelten Rechtspositionen stellt die Geschäftsführung in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise aber regelmäßig ein „aliud“197 dar, das gänzlich andere Formen der Einflussnahme zum Gegenstand hat.198 Darüber hinaus stellt die vertragliche Regelung wohl auch nur insoweit eine abschließende Regelung dar, als es um Einzelakte geht, die gegen den Vertrag verstoßen und die Interessen des Vertragspartners berühren. Die faktische Geschäftsführung geht aber zum einen in der Regel über die Vornahme von Einzelakten hinaus und betrifft zum anderen, wie gezeigt, nicht nur das Interesse der Gesellschaft, verstanden als Interesse der Gesellschaftergesamtheit, sondern auch die Interessen der Gläubiger.199 Diese sind aber nicht unmittelbar an der vertraglichen Beziehung beteiligt.200 Es lässt sich somit festhalten, dass für den Fall, dass ein Gesellschafter oder Vertragspartner der GmbH eigenhändig faktisch deren Geschäfte führt, die zwischen beiden Parteien existierende Sonderverbindung der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig nicht entgegen stehen kann.201 Im Zusammenhang mit der Frage nach der Anwendbarkeit der GoA bei der Überschreitung organschaftlicher und vertraglicher Pflichten, bietet es sich an, noch kurz die Frage anzureißen, in welcher Form und in welchem Umfang es in der GmbH überhaupt zulässig ist, Kompetenzen auf gesellschaftsfremde Dritte zu übertragen und die GmbH-interne Organisationsstruktur zu verändern. Hier ist zwischen schuldvertraglichen Abreden und Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu unter196

Ibid. Diese Terminologie verwendet auch Schmid, Geschäftsführung ohne Auftrag, Rn. 1191 (Fn. 62). 198 Zu den typischen Inhalten von Covenants siehe Kästle, Covenants, S. 53 ff. Diese enthalten in aller Regel allerdings keine durchsetzbaren Leistungspflichten, siehe Bochmann, Covenants, S. 46. Die Entscheidungshoheit der bestellten Geschäftsführer bleibt also grundsätzlich unberührt. Ein Verstoß gegen die im Covenant vereinbarten Vorgaben erlaubt es dem Kreditgeber aber unter Umständen, den Kredit zu kündigen, siehe Kästle, Covenants, S. 75 f. Mittels der Androhung der Kündigung kann dieser sodann faktischen Druck auf die bestellten Geschäftsführer erzeugen, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen umzusetzen, oder die Geschäftsführer gar dazu verleiten, die Geschäftsführung ganz dem Kreditgeber zu überlassen. Dieser wird dann zum faktischen Geschäftsführer, siehe Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 29 f. Die dann tatsächlich eingenommene Machtposition ist aber gerade nicht Regelungsgegenstand des Vertrags, so dass dessen Existenz der Anwendung der GoA nicht entgegen steht. Zur faktischen Geschäftsführung durch Kreditgeber siehe auch unten C. I. 4 und C. II. 3. 199 Zur Problematik der Einzelakte siehe auch sogleich B. III. 2. b) dd). 200 Die Interessen der Gläubiger werden insbesondere auch im Zusammenhang mit den noch zu erörternden Grenzen des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung relevant, siehe unten B. III. 3. 201 So für den Gesellschafter auch Flume, BGB AT I/2, S. 88. Anders ist die Situation grundsätzlich dann, wenn sich der oder die Gesellschafter lediglich auf die Ausübung des ihnen zustehenden Weisungsrechts beschränken und nicht eigenhändig die Geschäftsführung übernehmen, siehe B. III. 3. 197

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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scheiden. Die Grenze für schuldrechtliche Vereinbarungen ergibt sich aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität, der besagt, dass „das Schicksal eines Verbandes […] grundsätzlich nicht von außenstehenden Personen abhängen [darf], die nicht die gleichen Interessen verfolgen wie die Gesellschafter selbst und deren Rechtsausübung deshalb nicht ausreichend beschränkt und kontrolliert werden kann“.202 Dementsprechend kann im Wege der schuldrechtlichen Vereinbarung Dritten allenfalls eine beratende Position eingeräumt werden203, die in keinem Fall als faktische Geschäftsführung zu qualifizieren ist. Im Gesellschaftsvertrag können indes wegen der in der GmbH geltenden Satzungsfreiheit weitreichende Modifikation der gesetzlich vorgesehenen Kompetenzverteilung vorgenommen werden, so dass etwa auch die laufende Geschäftsführung auf Dritte übertragen werden kann.204 In einem solchen Fall werden die betreffenden Personen allerdings zu Organmitgliedern und unterliegen entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten205, so dass sich auch hier die Problematik der faktischen Geschäftsführung nicht stellt.206 Nimmt hingegen eine Person, der lediglich eine schuldrechtliche Rechtsposition eingeräumt wurde, faktisch organschaftliche Funktionen wahr, so steht, wie im vorherigen Absatz erläutert, der Anwendung von §§ 677 ff. BGB nichts entgegen, weil die faktische Geschäftsführung nicht unter den Vertragsgegenstand fällt. Für die Sonderkonstellation, dass durch schuldrechtlichen Vertrag erfolglos der Versuch unternommen wird, einem Dritten (Organ-)Kompetenzen einzuräumen, die eigentlich nur in Form einer gesellschaftsvertraglichen Regelung übertragbar wären, und dieser diese tatsächlich wahrnimmt, sollten schließlich die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung zur Anwendung kommen. Hier betrifft die Unwirksamkeit zwar nicht die Bestellung (eine solche findet ja gerade nicht statt), die Unwirksamkeit der Einrichtung des „Organs“ als solches führt aber für die Vergangenheit zu gleichartigen Abwicklungsproblemen und es existiert zudem auch hier zwischen den

202 Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 111. Im vorliegenden Kontext besonders relevant ibid., S. 113 („[…] in jeder rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Gesellschaft soll sichergestellt werden, daß die geschäftsführenden Entscheidungsorgane in ihrer Amtsführung auf das gemeinsame Gesellschaftsinteresse verpflichtet werden und daß diese Verpflichtung durch Kontrollbefugnisse (Aufsichts- und Abberufungsakte) oder durch Schadenersatzrechte durchsetzbar ist.“). Zustimmungs- oder Alleinentscheidungsrechte für außenstehende Dritte ohne deren Einrücken in eine Organstellung sind daher mit der Verbandssouveränität unvereinbar. 203 MüKo-GmbHG/Spindler, § 52 Rn. 723 (für das Beispiel des Beirats); ebenso Lutter/ Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 111. Zu Covenants siehe bereits Fn. 198. 204 MüKo-GmbHG/Spindler, § 52 Rn. 754; ebenso Lutter/Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 117. 205 MüKo-GmbHG/Spindler, § 52 Rn. 761 f. Auf diese Weise und weil die Satzungshoheit bei den Gesellschaftern verbleibt, wird der Grundsatz der Verbandssouveränität gewahrt. 206 Zum Sonderfall des zum bloßen Exekutivorgan herabgestuften Geschäftsführers, siehe unten B. III. 3. (insbesondere Fn. 370 mit dazugehörigem Text).

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Parteien eine über ein bloßes Einverständnis oder eine Billigung hinausgehende Willensäußerung, an die eine Verantwortlichkeit geknüpft werden kann.207 cc) GoA und pflichtgebundener Geschäftsführer Ebenfalls zu überlegen ist, inwieweit die Tatsache, dass eine Person einem Dritten gegenüber zur faktischen Geschäftsführung der GmbH verpflichtet ist, der Anwendung der §§ 677 ff. BGB entgegenstehen kann. Dies dürfte insbesondere in Fällen relevant werden, in denen es darum geht, ob eine juristische Person oder aber deren Leitungsorgan als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren ist. Denkbar ist etwa, dass der Geschäftsführer einer Holding-Gesellschaft aufgrund seiner Pflicht das Gesellschaftsinteresse zu fördern, auf die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft faktisch Einfluss nimmt, oder dass ein Geschäftsführer die faktische Geschäftsführung einer anderen Gesellschaft aufgrund von Weisungen der Gesellschaftergesamtheit übernimmt, denen zu folgen er verpflichtet ist. An anderer Stelle wurde bereits dargelegt, dass es wertungsmäßig in der Regel nicht überzeugen kann, statt der juristischen Person selbst deren Organe als faktische Geschäftsführer zu qualifizieren.208 Dieser Befund lässt sich durch die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag nun noch weiter dogmatisch absichern. So stellen sich Fälle des pflichtgebundenen Geschäftsführers vom Standpunkt des subjektiv-objektiven Ansatzes als auch-fremdes Geschäft dar, bei dem allerdings die Rechtsprechung in jüngerer Zeit jedenfalls dann die Anwendung der GoA ablehnt, wenn der Geschäftsführer aufgrund eines mit dem Dritten geschlossenen Vertrages tätig wird, der „Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt“.209 In der Literatur wird wiederum diese Argumentation als unnötig abstrakt kritisiert und stattdessen schlicht gefordert, die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillen in diesen Fällen aufzugeben und höhere Anforderungen an die Prüfung von dessen tatsächlichem Vorliegen zu stellen.210 Auch vom Standpunkt des subjektiven Ansatzes wird dies zum Teil so vertreten211, während andere ausgehend von einem normativen Verständnis des Fremdgeschäftsführungswillens näher an der Argumentation der Rechtsprechung liegen.212 Betrachtet man die eingangs genannten Beispielsfälle faktischer Geschäftsführung durch Or207 Siehe bereits zur fehlerhaften Bestellung oben B. III. 2. b) aa) und Kapitel 1 B. II. Freilich setzt dies zumindest voraus, dass der Versuch des Vertragsschlusses der Gesellschaft zurechenbar ist, siehe zu diesem Erfordernis der fehlerhaften Bestellung Schürnbrand, Organschaft, S. 275 f. Fehlt es hieran, sollten wiederum die Regeln der GoA zur Anwendung kommen, wobei der nichtige Vertrag mangels Zurechenbarkeit zur Gesellschaft dem nicht entgegen steht. 208 Siehe Kapitel 4 E. I. 1. 209 BGH NVwZ-RR 2012, 707 Rn. 16; BGH NJW-RR 2004, 81, 83. 210 Thole, NJW 2010, 1243, 1245 ff.; für schärfere Anforderungen an den subjektiven Tatbestand auch MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 20. 211 Siehe etwa Gursky, AcP 185 (1985) 13, 38. 212 Siehe etwa Wilke, Jura 2013, 547, 533.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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gane juristischer Personen vor dem Hintergrund dieser Überlegungen, so zeigt sich deutlich, dass das Organ aufgrund seiner Pflichtgebundenheit regelmäßig nicht als faktischer Geschäftsführer nach den Regeln der GoA zur Verantwortlichkeit gezogen werden kann. Zunächst dürfte eine tatsächliche Untersuchung des Geschäftsführungswillens etwa im Beispielsfall des aufgrund von Weisungen der Gesellschafter tätigen Organs in der Mehrzahl der Fälle zu Tage fördern, dass dieses lediglich in der Absicht tätig geworden ist, seine Folgepflicht gegenüber der Weisung zu erfüllen. Darüber hinaus regelt auch das Organverhältnis bzw. der Anstellungsvertrag zwischen Organ und Gesellschaft dessen Rechte und Pflichten sowie die Entgeltfrage ausführlich und abschließend, so dass auch nach den Kriterien der Rechtsprechung die Anwendung der GoA ausscheiden muss. Anders mag dies lediglich dann sein, wenn das Organ aus eigenem Antrieb heraus tätig wird und der Fremdgeschäftsführungswille damit positiv nachgewiesen werden kann. Einen weiteren Begründungsansatz, warum die Organe einer juristischen Person im Regelfall nicht als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren sind, wenn sie für diese faktisch Einfluss auf die Geschäfte einer anderen Gesellschaft nehmen, bietet darüber hinaus Bergmann. Dieser weist darauf hin, dass sich auch bei der Geschäftsführung ohne Auftrag der Geschäftsherr eines Geschäftsführungsgehilfen bedienen könne.213 Daher müsse gerade im Problemkreis des pflichtgebundenen Geschäftsführers zunächst nach dem sozialen Sinn der Gesamtumstände bestimmt werden, ob die betreffende Person überhaupt selbst Geschäftsführer oder lediglich Geschäftsführungsgehilfe sei.214 Im Falle eines rechtsfähigen Verbands (wie der GmbH) seien wiederum die Organe regelmäßig ihrem sozialen Sinn nach nur für diesen tätig, so dass eine geschäftsführungsrechtliche Beziehung ausschließlich mit dem Verband zustande komme.215 dd) Fremdnützige und eigennützige Tätigkeit Nachdem die bisherigen Problemkonstellationen alle ausschließlich die sog. echte Geschäftsführung ohne Auftrag betrafen, rückt nun § 687 Abs. 2 BGB in den Blickpunkt. Bereits zu Beginn dieses Abschnitts wurde argumentiert, warum die faktische Geschäftsführung in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise grundsätzlich sowohl als objektiv fremdes Geschäft im Sinne des gemischt objektiv-subjektiven Ansatzes zu qualifizieren ist, so dass die Vermutung für das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens greift, als auch ihrem sozialen Sinn nach als fremdnützige Interessenwahrnehmung zu verstehen ist und damit vom Standpunkt des subjektiven Ansatzes die §§ 677 ff. BGB zur An-

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Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn 181. Ibid., Rn. 322. 215 Ibid., Rn. 183. Das Verhalten wird dabei über § 31 BGB zugerechnet, siehe auch bereits Kapitel 4 E. I. 1. 214

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

wendung kommen können.216 Beide Feststellungen sind hier noch einmal zu bekräftigen. Gleichzeitig ist aber auch darauf hinzuweisen, dass der faktische Geschäftsführer im Zusammenhang mit bestimmten schädigenden Einzelmaßnahmen durchaus auch in eigennütziger Absicht tätig werden kann. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen der Geschäftsführer, wäre er ordnungsgemäß bestellt, durch seine Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot beginge oder einer Verantwortlichkeit wegen der Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft unterfiele.217 Die grundsätzliche Qualifikation der faktischen Geschäftsführung als Fremdgeschäftsführung wird allerdings durch diesen Befund nicht in Frage gestellt. Weil aber die Geschäftsführung einer Gesellschaft anders als der typische Fall der GoA nicht lediglich eine Einzelmaßnahme darstellt, sondern ein Maßnahmenbündel bildet218, ist allerdings besondere Vorsicht geboten, wenn im Hinblick auf einen bestimmten Schaden Ansprüche geltend gemacht werden. Es muss stets überprüft werden, ob sich der Schaden auch tatsächlich als Folge einer Tätigkeit darstellt, die zu diesem Maßnahmenbündel gehört oder stattdessen ausnahmsweise aus einer separat zu beurteilenden Einzelmaßnahme resultiert und daher möglicherweise nicht ersetzt werden kann.219 Die Feststellung, dass die faktische Geschäftsführung grundsätzlich als Führung eines objektiv-fremden Geschäfts zu qualifizieren ist, könnte man anzweifeln, weil mit der Führung fremder Geschäfte in § 687 BGB in erster Linie nur Eingriffe in absolute Rechte gemeint sind.220 Zwar wird der Begriff des objektiv fremden Geschäfts im Zusammenhang mit der echten Geschäftsführung inhaltlich weiter verstanden bzw. ist dort nach Auffassung der subjektiven Erklärungsansätze gar nicht 216

Siehe bereits B. III. 2. a). Siehe hierzu die Entscheidung BGH NJW-RR 1989, 1255, in der der BGH zu Recht davon ausgeht, dass die eigenständige Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers im Geschäftszweig der Gesellschaft allenfalls unter § 687 Abs. 2 BGB gefasst werden könnte. Dessen Anwendung scheitert allerdings im Ergebnis daran, dass das bestehende Organverhältnis die Anwendung dieser Norm ausschließt, siehe bereits B. III. 2. b) bb). Auch im Fall der faktischen Geschäftsführung wäre die Anwendung von § 687 Abs. 2 BGB darüber hinaus problematisch, weil durch den Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot lediglich ein schuldrechtlich abgesteckter Interessenbereich verletzt wird, vgl. im einzelnen MüKo-BGB/Seiler § 687 Rn. 24. 218 Auch eine solche Mehrzahl von zusammenhängenden Geschäften kann grundsätzlich den Tatbestand der GoA erfüllen, siehe MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 2; Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 107. Dass die faktische Geschäftsführung eine einheitliche Geschäftsführung darstellt und nicht mehrere aufeinanderfolgende Einzelgeschäftsführungen, ergibt sich aus dem sozialen Sinn der Handlung, siehe allgemein Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 225. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nicht nur eine dauerhafte Tätigkeit, sondern schwerwiegende Einzelmaßnahmen eine Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer nach sich ziehen können, siehe die Nachweise in Kapitel 2 Fn. 152, dürfte es sich hierbei, wie das von Fleischer, GmbHR 2011, 337, 342, genannte Beispiel der Übernahme von Sanierungsverhandlungen anstelle der bestellten Geschäftsführer zeigt, stets um Maßnahmen mit multiblen Rechtsfolgen handeln. 219 Siehe hierzu Fn. 217 und unten B. III. 2. h). 220 Siehe B. III. 1. c). 217

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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relevant221, so dass man sich mit dem Hinweis begnügen könnte, der faktische Geschäftsführer werde, wie dargelegt, eben typischerweise nicht in eigennütziger sondern in fremdnütziger Absicht tätig. Zur Absicherung des hier verfolgten Ansatzes gegen entsprechende Kritik soll aber auch dargelegt werden, warum sich die faktische Geschäftsführung selbst unter den engen Begriff des fremden Geschäfts in § 687 BGB subsumieren lässt. Zunächst lässt sich die Einordnung der faktischen Geschäftsführung als Führung eines objektiv fremden Geschäfts nicht deshalb ablehnen, weil der Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb keine angemaßte Eigengeschäftsführung begründen kann. Diese Feststellung ist zweifellos richtig, weil diesem Recht kein wirtschaftlicher Zuweisungsgehalt zukommt.222 Die mit dieser Fallgruppe assoziierten Sachverhalte haben aber wenig mit der faktischen Geschäftsführung in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise gemein. Während der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einzelne, gezielt den Unternehmensbetrieb schädigende Maßnahmen von außen zum Gegenstand hat223, geht es bei der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise darum, dass als Teil der internen Organisationsstruktur der Gesellschaft Entscheidungen für diese getroffen werden.224 Auch BGHZ 7, 208 lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Sachlage nicht dafür ins Feld führen, dass die faktische Geschäftsführung kein objektiv fremdes Geschäft darstellen kann. Das Urteil, das häufig fälschlich als Beleg dafür zitiert wird, dass ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht den Tatbestand von § 687 BGB erfüllt225, betraf den Fall der Fortführung eines fehlerhaft erworbenen Unternehmens. Der BGH lehnte die Anwendung von § 687 Abs. 2 BGB mit der Begründung ab, dass die im Rahmen des Gewerbebetriebs getätigten Geschäfte eigene Geschäfte des Erwerbers gewesen seien.226 Ob dies tatsächlich zutreffend war, lässt sich durchaus bezweifeln.227 In jedem Fall betrifft die Entscheidung aber die Führung eines Unternehmens in eigenem Namen, während die faktische Geschäftsführung die Tätigkeit für den Träger eines Unternehmens zum Gegenstand hat.

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Ibid. Soergel/Beuthien, § 687 Rn. 6; Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 24; HK-BGB/Schulze, § 687 Rn. 4. 223 Siehe zu den typischen Fallgruppen MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 256 ff. 224 Hierin dürfte auch der entscheidende Unterschied zu den von Prütting, ZGR 2015, 849 ff., ins Auge gefassten Fällen der externen Einflussnahme liegen, in denen es in der Tat schwer fällt, das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts zu bejahen. 225 Siehe den zutreffenden Hinweis bei Soergel/Beuthien, § 687 Rn. 6 (Fn. 42). 226 BGHZ 7, 208, 218; zustimmend etwa Prütting, ZGR 2015, 849, 853. Für das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts in diesem Fall allerdings Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 24; MüKo-BGB/Seiler, § 687 Rn. 20. 227 Siehe die Argumentation von Staudinger/Bergmann, § 687 Rn. 24. 222

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Auch wenn damit einige Einwände gegen die Einordnung der faktischen Geschäftsführung als objektiv fremdes Geschäft im Sinne des § 687 BGB ausgeräumt sind, bedarf es weiterer Argumente, die unmittelbar für eine solche Einordnung sprechen. Hierfür lässt sich erneut darauf verweisen, dass juristische Personen als Rechtsträger anders als natürliche Personen erst durch ihre Organe, deren rechtliche Beziehung zur Gesellschaft über die eines bloßen Stellvertreters weit hinausgeht228, handlungsfähig werden. Wenn der faktische Geschäftsführer sich eine solche Stellung anmaßt und damit die Willensbildung für den fremden Rechtsträger übernimmt, kommt dies einem Eingriff in ein absolutes Recht gleich, weil das mit diesen Rechten gegenüber jedermann verbriefte Selbstbestimmungsrecht229 in solchen Fällen noch viel grundlegender betroffen ist.230 Ergänzend kann man anführen, dass zumindest ein Teil der als Maßnahmenbündel (s. o.) beschriebenen faktischen Geschäftsführung regelmäßig auch die Verfügung über absolute Rechte der Gesellschaft betreffen dürfte. Sofern schließlich wegen der Möglichkeit primäre Vermögensschäden geltend zu machen, eine Aufweichung deliktischer Wertungen befürchtet wird, wäre dem zu entgegnen, dass dies schon deshalb nicht zu befürchten ist, weil für die Annahme einer Stellung als faktischer Geschäftsführer die Einflussnahme eine „hoch anzusetzende Wesentlichkeitsschwelle“ überschritten haben muss.231 Erfüllt die faktische Geschäftsführung also auch den engen Begriff des fremden Geschäfts in § 687 BGB, lassen sich selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass der faktische Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft in der Regel eigennützig führt, die zum Schutz der Gesellschafter und Gläubiger relevanten Rechtsfolgen der GoA (hierzu sogleich) dennoch über § 687 Abs. 2 BGB herbeiführen. c) Der „doppelte“ Geschäftsherr des faktischen Geschäftsführers Der vorstehende Abschnitt hat gezeigt, dass die faktische Geschäftsführung in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise sich grundsätzlich als eine fremdnützige Tätigkeit darstellt und gegen die Anwendung der §§ 677 ff. BGB auch aus keiner der typischerweise problematischen Fallgruppen Einwände abgeleitet werden können. Als nächstes gilt es nun, den Geschäftsherren in den Blick zu nehmen, dessen Interesse und Willen entscheidend dafür sind, welche Rechtsfolgen die Geschäftsführung nach sich zieht (vgl. §§ 677, 678 und § 683 228

Schürnbrand, Organschaft, S. 22 ff. Siehe hierzu Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 32 (auch in Abgrenzung zur Privatautonomie). 230 Das Selbstbestimmungsrecht leitet sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit ab, ibid. Diese gilt wegen Art. 19 Abs. 3 GG wiederum auch für juristische Personen, siehe Dreier/ Dreier, Art. 2 Abs. 1 Rn. 44. 231 Für die Überschreitung einer hohen Wesentlichkeitsschwelle auch Schürnbrand, Organschaft, S. 310. Auch auf Grundlage des Normanwendungsmodells käme es im Übrigen zu einer über das Deliktsrecht hinausgehenden Haftung. 229

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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BGB).232 Bisher wurde stets davon gesprochen, dass der faktische Geschäftsführer die Geschäfte für die Gesellschaft führt. Wie zu Beginn dieses Kapitels (B. I.) ausführlich dargelegt, sind Wille und Interesse der Gesellschaft in erster Linie mit dem Willen und Interesse der Gesellschaftergesamtheit gleichzusetzen, was sich unter anderem in den weitreichenden Möglichkeiten der Gesellschafter zur Freistellung des Geschäftsführers von der Haftung widerspiegelt.233 Darüber hinaus wurde aber auch gezeigt, dass der bestellte Geschäftsführer zugleich immer auch im Interesse der Gläubigergesamtheit tätig ist und für den Fall, dass die Gesellschaft insolvent ist oder etwa das Stammkapital entgegen § 30 GmbHG angegriffen wird, deren Interesse sogar allein zur Richtschnur des Handelns wird.234 Die Pflichten, durch die dies zum Ausdruck kommt, bestehen allerdings gegenüber der Gesellschaft und auch die bei Pflichtverstößen drohende und der Disposition der Gesellschafter entzogene Haftung ist mit Ausnahme der Außenhaftung bei Verstößen gegen § 15a Abs. 1 InsO einfach reflexiv ausgestaltet, so dass die Gesellschaft Inhaberin des Anspruchs ist.235 Für den faktischen Geschäftsführer, der organspezifische Funktionen in organtypischer Weise ausübt und damit wie ein bestellter Geschäftsführer in beiden in der Gesellschaft gebündelten Interessenkreisen tätig wird, ergibt sich hieraus, dass Wille und Interesse seines Geschäftsherrn, der Gesellschaft, stets doppelt bestimmt werden müssen. Einerseits ist allein Wille und Interesse der Gesellschaftergesamtheit maßgeblich, andererseits kommt es auf die Gläubigergesamtheit an.236 Diese Überlegungen sollen im Folgenden näher anhand des § 678 BGB ausgeführt werden. d) § 678 BGB als Instrument der Steuerung unerwünschter Einflussnahme Im Hinblick auf das zentrale Anliegen des hier vorgeschlagenen Verantwortlichkeitsregimes für den faktischen Geschäftsführer Anreize zu schaffen, seine Tätigkeit von vornherein zu unterlassen, ist § 678 BGB wie bereits angerissen von besonderer Bedeutung. Ob die Norm eine eigene Anspruchsgrundlage darstellt237, oder ob sich bereits aus § 677 BGB ergibt, dass wer „unautorisiert fremde Geschäfte besorge, für Verschulden hafte“, und § 678 BGB daher lediglich klarstellt, „dass in 232 Das unterschiedliche Verhältnis der beiden Begriffe Wille und Interesse in § 677 und § 683 BGB ist Gegenstand eines wohl vor allem theoretischen Streits, vgl. den Überblick bei MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 52. Der unterschiedliche Wortlaut der Normen erklärt sich wohl am besten mit ihrer unterschiedlichen Funktion, siehe ibid. Daher soll auf die Begrifflichkeiten im Kontext der jeweiligen Tatbestände eingegangen werden, siehe sogleich B. III. 2. d), e) und i). 233 Siehe B. I. 1. und 2. 234 Siehe B. I. 1. und 3. 235 Siehe B. I. 2. 236 Mehrere Geschäftsherren mit eigenständigem Willen sind im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nichts ungewöhnliches, siehe Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 237; § 683 Rn. 25 a.E. 237 Soergel/Beuthien, § 678 Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 678 Rn. 1.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

diesen Bereich auch die erkennbar vom Geschäftsherrn nicht gewollte Geschäftsführung gehört“238, ist strittig. Eine erkennbare praktische Bedeutung kommt der Einordnung jedoch nicht zu. Voraussetzung für die Anwendung von § 678 BGB ist in jedem Fall, dass der Geschäftsführer eine fremdnützige Tätigkeit übernommen hat [siehe hierzu bereits 2. a) und b)], die im Widerspruch zum wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn steht. Der Widerspruch kann sich dabei etwa auf den Inhalt des Geschäfts oder – für den vorliegenden Fall besonders relevant – auf die Person des Geschäftsführers beziehen.239 Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist das sog. Übernahmeverschulden, d. h. der Geschäftsführer wusste oder hätte wissen müssen, dass die Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn widersprach.240 Die Beweislast für fehlendes Verschulden trifft entsprechend § 280 Abs. 1 S. 2 BGB allerdings den Geschäftsführer.241 aa) Bei der Interessenwahrnehmung gegenüber der Gesellschaft Führt der faktische Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft, kommt es für die Anwendung von § 678 BGB grundsätzlich darauf an, ob dies dem Willen der Gesellschaftergesamtheit entspricht oder nicht.242 Dieser drückt sich hier zwar nicht in einer (fehlerhaften) Bestellung aus, weil in diesem Fall gar keine faktische Geschäftsführung vorläge, die Gesellschafter können sich mit der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers aber dennoch ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklären.243 Für den materiellen Tatbestand von § 678 soll darüber hinaus sogar ein entgegenstehender innerer Wille genügen, wobei für den prozessrechtlichen Beweis allerdings erforderlich ist, dass der Wille auch für einen objektiven Beobachter erkennbar war.244 Insofern, als in der Regel gerade kein förmlicher Beschluss vorliegen dürfte, aus dem ein Einverständnis mit der Tätigkeit abgeleitet werden könnte245, 238

MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 1; Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 3. MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 4. 240 HK-BGB/Schulze, § 678 Rn. 3. 241 Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 4; MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 10; Erman/Dornis, § 678 Rn. 7; a.A. wohl HK-BGB/Schulze, § 678 Rn. 5. 242 So auch Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345 (auf Grundlage des Normanwendungsmodells). Es zeigt sich damit, dass eine Meinungsäußerung der Gesellschafter zwar nicht notwendig ist, um überhaupt von einer faktischen Geschäftsführung sprechen zu können, diese aber von erheblicher Relevanz für die Rechtsfolgen faktischer Geschäftsführung sein kann. 243 Grundsätzlich ist bei juristischen Personen der Wille des zuständigen Vertretungsorgans maßgeblich, vgl. Staudinger/Bergmann, § 683 Rn. 25 a.E. Dies ist im Hinblick auf die Tätigkeit des Geschäftsführers die Gesellschafterversammlung (vgl. § 46 Nr. 5, 6 GmbHG). Wie in Bezug auf den Wegfall der Verantwortlichkeit des bestellten Geschäftsleiters, vgl. BGH NZG 2003, 528, gilt aber auch für den faktischen Geschäftsführer, dass einem Beschluss der Gesellschafterversammlung das (stillschweigende) Einverständnis aller Gesellschafter gleichsteht. 244 Staudinger/Bergmann, § 683 Rn. 25. 245 Sofern überhaupt ein Beschluss denkbar ist, der nicht zugleich als Bestellung zum Geschäftsführer zu verstehen ist. 239

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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kommt aus Gründen des Minderheitenschutzes § 678 BGB schon dann zur Anwendung, wenn nur ein Gesellschafter seinen entgegenstehenden Willen geäußert hat. Führt hingegen der einzige Gesellschafter einer GmbH faktisch deren Geschäfte, so ist die Anwendung von § 678 BGB im Hinblick auf Schäden der Gesellschaft wiederum stets ausgeschlossen, weil dessen Wille und der Wille der Gesellschaft identisch sind.246 Für die Anwendbarkeit von § 678 BGB ist grundsätzlich der Wille des Geschäftsherrn im Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftsführung entscheidend, aber auch eine nachträgliche Billigung in Form der Genehmigung (§ 684 S. 2 BGB) führt dazu, dass die Verantwortlichkeit entfällt.247 Ist der tatsächliche Wille der Gesellschaft, verstanden als der Wille der Gesellschaftergesamtheit, nicht zu ermitteln, wird deren mutmaßlicher Wille relevant. Dieser ergibt sich in der Regel, jedenfalls wenn andere Anhaltspunkte fehlen, aus dem objektiven Interesse.248 Bedenkt man, dass der faktische Geschäftsführer gerade nicht den besonders strengen Pflichten des bestellten Geschäftsführers unterliegt und die Gesellschaft damit wesentlich schlechter vor Schädigungen während seiner Tätigkeit geschützt ist, so dürfte seine Tätigkeit in jedem Fall dem objektiven Interesse der Gesellschaftergesamtheit widersprechen, so dass § 678 BGB zur Anwendung kommt.249 Sofern man dem Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 GmbHG auch eine Schutzfunktion zugunsten von ahnungslosen Mitgesellschaftern zukommen lässt250, könnte man im Falle des einem solchen Verbot unterliegenden faktischen Geschäftsführers zudem 246 Siehe hierzu bereits B. I. 2. Zur Verantwortlichkeit im Interessenbereich der Gläubiger siehe sogleich B. III. 2. d) bb). 247 MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 3 f.; Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 11; Bamberger/ Roth/Gehrlein, § 678 Rn. 1. Auch hier soll eine konkludente Erklärung des Geschäftsherrn genügen, wobei es sich bei der Genehmigung allerdings um eine Willenserklärung handelt, die dem Geschäftsführer auch zugehen muss, siehe MüKo-BGB/Seiler, § 684 Rn. 13. In den Fällen des § 46 Nr. 5, 6 und 8 GmbHG wird die GmbH ausnahmsweise von der Gesellschafterversammlung vertreten, siehe U/H/L/Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 39. Dies sollte entsprechend auch für den Fall der Genehmigung der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers gelten. Sofern der Empfänger der Erklärung bei der Beschlussfassung des Organs anwesend ist, wird der Beschluss sogleich mit Außenwirkung umgesetzt, BGH NZG 2003, 771. D. h., es genügt, wenn der faktische Geschäftsführer bei der Beschlussfassung über die Genehmigung anwesend ist. Insofern als der Gesamtheit der Gesellschafter im Unterschied zur Gesellschafterversammlung keine Organqualität zukommt, siehe Schürnbrand, Organschaft, S. 130 ff., genügt ein bloßes Einverständnis aller Gesellschafter hier nicht, um eine Verantwortlichkeit nach § 678 BGB nachträglich entfallen zu lassen, weil auf diese Weise nicht wirksam für die Gesellschaft gehandelt werden kann. 248 BGH NJW 1967, 1959; 1960; BGH NJW-RR 1989, 970; MüKo-BGB/Seiler, § 683 Rn. 10; Soergel/Beuthien, § 683 Rn. 4; Staudinger/Bergmann, § 683 Rn. 28. 249 Siehe hierzu bereits Kapitel 3 C. III. 1. mit der Ergänzung, dass nach dem hier vertretenen Modell überhaupt keine Geschäftsleiterpflichten zur Anwendung kommen, eine Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB [hierzu sogleich B. III. 2. g)] aber ebensowenig gleichwertigen Schutz gewährleisten kann. So fehlt es etwa insbesondere an der strengen Treuepflicht des bestellten Geschäftsführers, siehe auch B. III. 2. h). 250 So etwa Baumbach/Hueck/Fastrich, § 6 Rn. 11.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

auch hieraus ableiten, dass die Tätigkeit dem objektiven Interesse der Gesellschaftergesamtheit widerspricht. bb) Bei der Interessenwahrnehmung gegenüber den Gläubigern So wie der bestellte Geschäftsführer immer auch im Interesse der Gläubiger tätig wird, was seine stetige Pflicht, sich über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu informieren, zeigt251, berührt auch der faktische Geschäftsführer bei seiner Geschäftsführung stets das Interesse der Gläubiger, weil er faktisch Entscheidungen trifft, die sich in gleichem Maße auf die Werthaltigkeit der Forderungen der Gläubiger auswirken können wie Entscheidungen eines bestellten Geschäftsführers. Nimmt der faktische Geschäftsführer darüber hinaus Verfügungen vor, die gerade das besonders gebundene Stammkapital der Gesellschaft oder das besonders gebundene Vermögen der GmbH in der Insolvenz auf bestimmte Art beeinträchtigen,252 sind die Interessen der Gläubiger in noch größerem Ausmaß betroffen. Beides muss auch bei der Anwendung von § 678 BGB und der dafür notwendigen Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Geschäftsherrn Berücksichtigung finden. Da allerdings die Gesamtheit der Gläubiger in der Regel eine Vielzahl unterschiedlichster Personen umfasst, wird es zu einer Äußerung eines wirklichen und vor allem einheitlichen Willens zum Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme durch den faktischen Geschäftsführer in den allermeisten Fällen nicht kommen.253 Für die Anwendung von § 678 BGB ist damit allein der regelmäßig aus dem objektiven Interesse abzuleitende mutmaßliche Wille entscheidend. Dass die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers dem objektiven Interesse der Gläubigergesamtheit widerspricht, ergibt sich wiederum aus den Wertungen des GmbHG und zudem aus den Wertungen der InsO. Zunächst wird der mit §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB beabsichtigte Vermögensschutz der Gläubiger unterlaufen, weil der faktische Geschäftsführer diesen Normen ungeachtet seiner Einflussmöglichkeiten gerade nicht unterfällt. Darüber hinaus verbietet § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG gerade zum Schutz der Gläubiger das Tätigwerden einer Person als Geschäftsführer wegen bestimmter vorangegangener Verhaltensweisen, die deren Unzuverlässigkeit zum Ausdruck bringen.254 Liegt ein solches Bestellungsverbot gegen den faktischen Geschäftsführer vor, kann man daraus mithin schließen, dass dessen Tätigkeit sogar in besonderem Maße dem objektiven Gläubigerinteresse widerspricht. Läuft damit die faktische Geschäftsführung dem mutmaßlichen Willen der Gläubigergesamtheit stets zu wider, so ist schon mit Beginn dieser neben möglichen Ansprüchen zum Schutze des Gesellschaftsinteresses die Entstehung eines zweiten Anspruchs aus 251

Siehe hierzu bereits B. I. 3. Siehe zu diesen im Interesse der Gläubiger herausgehobenen Vermögensmassen bereits B. I. 2. 253 Anderes mag allenfalls für den Sonderfall gelten, dass die Gesellschaft nur einen einzigen Gläubiger hat. 254 MüKo-GmbHG/Goette, § 6 Rn. 24. 252

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§ 678 BGB angelegt, der gegebenenfalls zum Ersatz der mit den beschriebenen Verfügungen über das Stammkapital oder das Vermögen der insolventen Gesellschaft verbundenen Vermögensabflüsse verpflichtet und damit letztlich dazu dient, Vermögensschäden der Gläubiger zu liquidieren.255 Geschäftsherr und damit Anspruchsinhaber bleibt allerdings auch bei diesem zweiten Anspruch die Gesellschaft, weil die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers weiterhin auf das Gesellschaftsvermögen bezogen ist und dieses rechtlich immer der Gesellschaft zugeordnet bleibt. Dass es der Sache nach um Beeinträchtigungen des Vermögensinteresses der Gläubiger geht, steht dem nicht entgegen, sondern passt vielmehr zum Grundsatz, dass der Gläubigerschutz in der GmbH grundsätzlich durch die Gesellschaft „mediatisiert“ wird.256 Insofern ist die Lage ähnlich wie bei der Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB.257 Im Hinblick auf das Verhältnis des Anspruchs aus § 678 BGB zum Schutz der Gläubigerinteressen zum Anspruch aus § 678 BGB zum Schutz des Gesellschaftsinteresses gilt, dass ersterer zwar keine Rolle spielt, so lange die Gesellschaft wirtschaftlich gesund ist258, dafür aber auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn die Gesellschaftergesamtheit der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers zugestimmt hat.259 Die Übernahme des Geschäfts stellt damit stets eine Pflichtverletzung dar260, die der faktische Geschäftsführer jedoch vermeiden kann, ohne dass er einer besonderen Rechtsposition bedürfte. Hierzu wird der faktische Geschäftsführer durch die drohende Haftung bei einem Verstoß gegen das Handlungsverbot auch angehalten (Prävention).261 Widerspricht darüber hinaus die Tätigkeit auch dem Willen der Gesellschaftergesamtheit, so ist wegen der drohenden zusätzlichen Verantwortlichkeit nach § 678 BGB die Präventionswirkung sogar noch größer. Lässt sich der faktische Geschäftsführer von all dem nicht abschrecken, 255 Siehe zur entsprechenden Funktionsweise der gläubigerschützenden Haftung des betellten Geschäftsführers B. I. 2. 256 Siehe zu dieser Mediatisierung BGHZ 173 246, 261, sowie bereits Fn. 80. Dieser Anspruch ist wie §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG der Disposition durch die Gesellschaftergesamtheit entzogen. 257 Siehe hierzu B. I. 2. Insofern von einem „Eigeninteresse“ der Gesellschaft zu sprechen, würde allerdings nur den Umstand verdecken, dass es tatsächlich um die Interessen der Gläubigergesamtheit geht, ibid. 258 Erst im Moment des Eintritts bestimmter Schäden kommt der Anspruch zu Entstehung, siehe zu den relevanten Schäden sogleich ausführlich B. III. 2. e) bb). Aus diesem Grund besteht auch wie beim bestellten Geschäftsführer nicht die Gefahr einer Interessenkollision, siehe B. I. 3. Den faktischen Geschäftsführer trifft im Übrigen selbst dann keine Pflicht zum Tätigwerden, wenn die Gesellschafter seiner Tätigkeit zustimmen, siehe allgemein Staudinger/Bergmann, § 677 Rn. 21. 259 Zur daneben möglichen Anwendbarkeit von §§ 677, 280 Abs. 1 BGB siehe B. III. 2. g). Allgemein zu Beginn und Ende der Verantwortlichkeit siehe B. III. 2. f). 260 Bei § 678 BGB liegt die alleinige Pflichtverletzung in der Übernahme des Geschäfts, die Bezugspunkt des Verschuldens ist, siehe Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 4. 261 Die Präventionswirkung ist gerade deshalb besonders stark, weil eine Verantwortlichkeit für nachfolgende Schäden eintritt, ohne dass es noch auf ein weiteres Ausführungsverschulden ankäme. Siehe hierzu sogleich ausführlich B. III. 2. e) aa).

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

ermöglicht § 678 BGB sodann die Kompensation von mit der Geschäftsführung verbundenen Schäden, so dass die Gesellschafter- und Gläubigerinteressen letztlich ebenfalls gewahrt bleiben. e) Die einzelnen Schadensposten Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die Frage, welche Schäden der faktische Geschäftsführer nach § 678 BGB zu ersetzen hat, zwischen der Tätigkeit im Bereich des Gesellschaftsinteresses und der Tätigkeit im Bereich des Gläubigerinteresses unterschieden werden muss. aa) Schäden infolge der Verletzung von Gesellschaftsinteressen Entspricht die faktische Geschäftsführung nicht dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaftergesamtheit, so dass § 678 BGB zur Anwendung kommt, sind grundsätzlich alle durch die Geschäftsführung adäquat kausal und zurechenbar verursachten Schäden zu ersetzen.262 Dies betrifft zunächst unmittelbar die Gesellschaft schädigende Handlungen des faktischen Geschäftsführers.263 Hierbei kommt es auf ein Ausführungsverschulden nicht an.264 Einschränkend sind aber nur solche Schäden zu ersetzen, die auf Handlungen beruhen, die für den bestellten Geschäftsführer eine Pflichtverletzung darstellen würden, denn die Anwendung von § 678 BGB soll der Gesellschaft im Ergebnis auch keinen umfangreicheren Schutz bieten, als die Anwendung der haftungsbewährten Geschäftsleiterpflichten auf den bestellten Geschäftsführer.265 Darüber hinaus gilt, dass der faktische Geschäftsführer auch nicht für solche Schäden haftet, die auch ohne seine Geschäftsführung eingetreten wären.266 So ist der faktische Geschäftsführer grundsätzlich nur für den von ihm übernommenen Aufgabenbereich verantwortlich.267 Es besteht hingegen keine Verantwortlichkeit für Pflichtverletzungen anderer Geschäftsführer, insbesondere auch keine Ersatzpflicht für Schäden, die durch

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Siehe allgemein Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 17. So auch Schürnbrand, Organschaft, S. 314. 264 Siehe allgemein Bamberger/Roth/Gehrlein, § 678 Rn. 4. 265 Dogmatisch lässt sich diese Einschränkung mit dem Fehlen der haftungsausfüllenden Kausalität begründen, weil die Anwendung des § 678 BGB im Kontext der faktischen Geschäftsführung nicht vor beliebigen Schäden schützen soll, sondern nur vor solchen Schäden, die für den Fall einer ordnungsgemäßen Bestellung des faktischen Geschäftsführers wegen der Verletzung von Geschäftsführerpflichten ersatzfähig wären. Insofern ist auch die Aussage zutreffend, der faktische Geschäftsführer dürfte nicht strenger haften als der bestellte, siehe zu dieser Forderung Schürnbrand, Organschaft, S. 304. 266 Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 17. Andernfalls fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität. 267 So auch Fleischer, AG 2004, 517, 528; ders., GmbHR 2011, 337, 345; Schürnbrand, Organschaft, S. 315. 263

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Überwachung der anderen Geschäftsleiter hätten vermieden werden können.268 Anderes gilt nur, etwa im Hinblick auf Schäden wegen nicht wahrgenommener Geschäftschancen, soweit die faktische Geschäftsführung dazu geführt hat, dass der oder die bestellten Geschäftsführer weitestgehend oder gar vollständig aus der Geschäftsführerstellung verdrängt wurden und gerade deshalb nicht in der Lage waren, ihren eigenen Pflichten nachzukommen.269 Um dies festzustellen, ist, worauf Schürnbrand zutreffend hinweist270, ein Perspektivwechsel auf den bestellten Geschäftsführer notwendig. So lässt sich zwar nicht im Hinblick auf die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer, wohl aber für die Frage des ersatzfähigen Schadens die Idee der Organverdrängung doch noch fruchtbar machen.271 bb) Schäden infolge der Verletzung von Gläubigerinteressen Im Hinblick auf den zweiten Anspruch aus § 678 BGB, der dem Schutz der Gläubigerinteressen dient, wurde bereits erläutert, dass es sich um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft handeln muss, und dass es nur um den Ersatz solcher Beeinträchtigungen der Vermögensinteressen geht, die auch im Falle der Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers grundsätzlich ersatzfähig wären.272 Nimmt man damit zunächst Schäden in den Blick, die ein bestellter Geschäftsführer nach § 43 Abs. 3 GmbHG gegenüber der Gesellschaft zu ersetzen hätte, so zeigt sich, dass sich die Mehrzahl dieser auch unter die Haftung nach § 678 BGB fassen lässt. Dies betrifft in erster Linie Zahlungen entgegen § 30 GmbHG, die der faktische Geschäftsführer selbst veranlasst hat.273 Durch diese kommt es zu einer Verschlechterung der finanziellen Position der Gläubiger entgegen dem gesetzlich vorgegebenen Ziel das Stammkapital als Haftungsfond zu erhalten, und die Verschlechterung ist direkte Folge der entgegen dem Willen der Gläubigergesamtheit aufgenommenen Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers. Die Zahlungen wären ausgeblieben, wenn der faktische Geschäftsführer die Geschäftsführung nicht wahrgenommen hätte und sind daher nach § 678 BGB ersatzfähig. Ein Ausführungsverschulden im Hinblick auf die konkrete Zahlung ist wie bei der Haftung

268 Ein Verzicht auf die faktische Geschäftsführung würde den faktischen Geschäftsführer nämlich nicht zu einem weiteren bestellten und zur Überwachung verpflichteten Geschäftsführer machen, sondern lediglich dazu führen, dass die übrigen bestellten Geschäftsführer (wieder) allein tätig wären. 269 So auch Schürnbrand, Organschaft, S. 314. Anknüpfungspunkt für den Verschuldensvorwurf bleibt damit die Übernahme der Geschäftsführung in entsprechend großem Umfang und nicht etwa das Unterlassen bestimmter Maßnahmen wie die Wahrnehmung der Geschäftschance. 270 Schürnbrand, Organschaft, S. 314 f. 271 Siehe hierzu auch sogleich B. III. 2. e) bb) sowie 3. 272 Siehe bereits B. II. und III. 2. d) bb). 273 Für Verstöße gegen § 33 GmbHG folgt die Lösung den gleichen Regeln.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

infolge der Verletzung des Gesellschaftsinteresses nicht relevant.274 Neben diesem Standardfall der selbst veranlassten Zahlungen haftet der faktische Geschäftsführer für Zahlungen anderer Geschäftsführer dann, wenn er durch seine Geschäftsführung die bestellten Geschäftsführer soweit verdrängt hat, dass diese nicht mehr in der Lage sind zu erkennen, ob von ihnen vorgenommene Zahlungen gegen § 30 GmbHG verstoßen oder nicht.275 Auch dieser Schaden stellt sich unmittelbar als Folge der faktischen Geschäftsführung dar. Um zu bestimmten, wie es um den Informationsstand der bestellten Geschäftsführer bestellt ist, ist auch hier wiederum der von der Lehre der Organverdrängung geforderte Perspektivwechsel auf den bestellten Geschäftsführer vorzunehmen. Wird der faktische Geschäftsführer hingegen nur im Umfang eines Mitgeschäftsführers tätig, haftet er für durch diese eigenständig vorgenommene verbotswidrige Zahlungen nicht, weil es hier an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt.276 Zwar kann die Überwachungspflicht des bestellten Geschäftsführers dazu führen, dass dieser auch für Zahlungen seiner Mitgeschäftsführer verantwortlich ist277, eine solche kann den faktischen Geschäftsführer, wie bereits ausführlich erläutert wurde, aber gerade nicht treffen.278 Komplizierter als die Erfassung von Verstößen gegen die von § 43 Abs. 3 GmbHG erfassten Pflichten durch § 678 BGB scheint auf den ersten Blick die Erfassung von Verstößen gegen § 64 S. 1 und S. 3 GmbHG, weil diese Normen nach überwiegender Ansicht nicht als Schadensersatzansprüche, sondern als Ersatzansprüche eigener Art qualifiziert werden.279 Der erheblich modifizierte Schadensbegriff im Zusammenhang mit § 43 Abs. 3 GmbHG280 und die auf den zur Befriedigung der Gläubiger und den Ausgleich der Kosten des Insolvenzverfahrens notwendigen Betrag begrenzte Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB281 zeigen allerdings, dass die dogmatische Einordnung eines Anspruchs im Zusammenhang mit dem über die Gesellschaft mediatisierten Gläubigerschutz regelmäßig kein unüberwindbares Hindernis darstellt, den Anspruchsinhalt normzweckgemäß zu beziffern und gegebe-

274 Es genügt damit wiederum ein objektiver Verstoß gegen § 43 Abs. 3 GmbHG und es kommt nicht darauf an, ob der faktische Geschäftsführer wusste oder hätte wissen müssen, dass die Zahlung § 30 GmbHG widerspricht. 275 An der Verantwortlichkeit der bestellten Geschäftsführer nach § 43 Abs. 3 GmbHG ändert dies nichts. 276 Siehe hierzu bereits die parallele Problematik im Zusammenhang mit der Verletzung der Gesellschafterinteressen in Fn. 266 und Fn. 268 mit dazugehörigem Text. 277 MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 286. 278 Auch auf Basis des Normanwendungsmodells muss eine Verantwortlichkeit daher ausscheiden, siehe bereits Kapitel 3 C. III. 1. c). 279 Siehe etwa BGH NJW 2001, 1280, 1283, sowie Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 12 m.w.N.; a.A. für § 64 S. 1 GmbHG etwa Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 16. 280 Siehe hierzu bereits B. I. 2. Auch der Verweis auf § 43 Abs. 3 und 4 GmbHG in § 64 S. 4 GmbHG deutet auf Gemeinsamkeiten hin. 281 Weller, ZIP 2007, 1681, 1686.

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nenfalls auch zu begrenzen.282 Mit ähnlichen Erwägungen sollte es daher auch möglich sein, für Zahlungen, die gegen den objektiven Tatbestand von § 64 S. 1 oder 3 GmbHG verstoßen, ausgehend von einem modifizierten Schadensbegriff eine Ersatzfähigkeit über § 678 BGB herzuleiten. Erfasst sind allerdings grundsätzlich wiederum nur Zahlungen, die der faktische Geschäftsführer selbst veranlasst hat283, während Zahlungen anderer Geschäftsführer nicht zu einer Ersatzpflicht führen.284 Anderes gilt in Parallele zu Zahlungen entgegen § 30 GmbHG nur, wenn der bestellte Geschäftsführer aufgrund weitgehender Verdrängung aus seiner Position nicht mehr erkennen kann, dass eine Zahlung gegen § 64 GmbHG verstößt. Auch hier muss also für die Bestimmung des Anspruchsinhalts der bestellte Geschäftsführer unter Umständen in den Blick genommen werden. Ist damit auch die Ersatzfähigkeit von Zahlungen entgegen § 64 GmbHG über § 678 BGB nachgewiesen, rücken als letztes die Schäden in den Blick, die im Fall des bestellten Geschäftsführers über § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zu ersetzen wären. Der Anspruch ist ein Anspruch der Gläubiger, wobei hinsichtlich der Geltendmachung zunächst zwischen dem Quotenschaden der Altgläubiger und dem Individualschaden der Neugläubiger zu unterscheiden ist. Während im Hinblick auf letzteren die Gläubiger selbst klagen können,285 kann der Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens nur „zentral durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht [werden]“ und ist auf den „Erhalt des Gesellschaftsvermögens“ gerichtet286, so dass es konstruktiv durchaus denkbar wäre, den Anspruch als Innenhaftung auszugestalten.287 Folglich spricht auch nichts dagegen, im Falle der faktischen Geschäftsführung zumindest den Quotenschaden über § 678 BGB als Anspruch der Gesellschaft zu liquidieren, weil sich die Verschlechterung der Quote als unmittelbare Folge der fortgesetzten faktischen Geschäftsführung entgegen dem Willen der Gläubigerge-

282 Auch der Gesetzgeber verwendet, wie § 130a Abs. 2 HGB im Vergeich zu § 64 GmbHG zeigt, keine einheitliche Terminologie. 283 Ein Ausführungsverschulden im Hinblick auf die konkrete Zahlung spielt wie stets im Zusammenhang mit § 678 BGB keine Rolle. 284 Es fehlt wiederum an der haftungsbegründenden Kausalität. Die für den bestellten Geschäftsführer geltende Überwachungspflicht, siehe Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 106, findet auch hier keine Anwendung, siehe hierzu ausführlich bereits Fn. 268 mit dazugehörigem Text. 285 BGH NJW 1995, 398, 399; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 189 m.w.N. 286 MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 151. 287 Haas, ZIP 2009, 1257, 1259 f. Für eine Nähe zur Innenhaftung auch MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 151 f. Poertzgen, GmbHR 2011, 646, 647, weist ebenfalls darauf hin, dass die Außenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB in weiten Teilen dasselbe wirtschaftliche Interesse betrifft wie § 64 S. 1 GmbHG. K. Schmidt konstruiert zudem auf Grundlage seines von der Rechtsprechung abweichenden Modells der Insolvenzverschleppungshaftung einen Anspruch der Gesellschaft auf den Ersatz des Quotenschadens, siehe Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 195, 198. Eine Innenhaftung wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht sieht schießlich auch § 130a Abs. 2 HGB vor.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

samtheit darstellt.288 Als Besonderheit gegenüber der Haftung des bestellten Geschäftsführers gilt es lediglich zu berücksichtigen, dass der faktische Geschäftsführer anders als sein bestelltes Pendant die Fortführung der Geschäfte durch (bestellte) Mitgeschäftsführer nicht einfach durch Stellung des Insolvenzantrags verhindern kann. Für den seltenen Fall, dass der faktische Geschäftsführer seine Tätigkeit nach Insolvenzeintritt aufgibt und ungeachtet dessen die bestellten Geschäftsführer in Kenntnis der finanziellen Lage der Gesellschaft deren Geschäfte weiter fortführen, ist der faktische Geschäftsführer folglich nur für die Verschlechterung der Quote bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlich, weil es im Hinblick auf die weitere Quotenverschlechterung wiederum an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt.289 Offen bleibt damit allerdings die Frage, wie mit den individuellen Schäden der Neugläubiger umzugehen ist. Diese erleiden in der Regel ebenfalls einen Quotenschaden durch „die verschleppungsbedingte Verminderung der Insolvenzquote“, darüber hinaus aber auch einen sog. „Kreditgewährungsschaden“, weil sie im fälschlichen Vertrauen auf die Solvenz der Gesellschaft „noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung stellen“.290 Eine Fassung von letzterem unter § 678 BGB scheidet schon deshalb aus, weil bei einer gesammelten Geltendmachung im Wege eines Anspruchs der Gesellschaft die Besonderheiten eines jeden Falles nicht angemessen berücksichtigt werden könnten.291 Hieraus zu schließen, dass bei der faktischen Geschäftsführung dieser gerade in der Praxis besonders relevante Teil des Gläubigerschutzes leerlaufen müsste, wäre allerdings vorschnell.292 So hat Karsten Schmidt im Zusammenhang mit dem von ihm erarbeiteten Konzept der Insolvenzverschleppungshaftung zu Recht darauf hingewiesen, dass das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 3 BGB) geeignet ist, die Individualschäden der Neugläubiger haftungsrechtlich zu erfassen.293 Diese Idee lässt sich auch im vor288 Auch hier ist wiederum allein das Übernahmeverschulden entscheidend. Ob die Insolvenz bzw. die Notwendigkeit der Insolvenzantragsstellung durch einen der bestellten Geschäftsführer für den faktischen Geschäftsführer erkennbar war und dieser dennoch die Geschäfte der GmbH fortführte, spielt hingegen keine Rolle. Für die Geltendmachung in der Insolvenz gilt wegen der Ausgestaltung als Innenhaftung § 80 InsO statt § 92 InsO. 289 Die Haftung nach § 678 BGB knüpft gerade an die Führung der Geschäfte trotz Insolvenz der Gesellschaft entgegen dem Willen der Gläubigergesamtheit an. Insofern könnte man auch von einem Fortführungsverbot sprechen, dessen Konstruktion anders als beim bestellten Geschäftsführer nicht der Wortlaut von § 15a InsO entgegen steht, siehe hierzu bereits Kapitel 3 Fn. 236. Zur möglichen Haftung trotz Einstellung der Geschäfte, wenn die bestellten Geschäftsführer nicht über die finanzielle Lage im Bilde sind, siehe Fn. 306 mit dazugehörigem Text. 290 MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 95. 291 Dieses Argument wird von Baumbach/Hueck/Haas, § 64 Rn. 189 zu Recht dafür angeführt, dass die individuellen Schäden der Neugläubiger nicht durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können und lässt sich auf die hier interessierende Situation übertragen. 292 Zur Praxisrelevanz MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 158. 293 Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 189, sowie ausführlich Rn. 214 ff. Auch Flume hält eine Haftung des bestellten Geschäftsführers aus culpa in contrahendo für möglich, in dem er eine Parallele zum wegen der Insolvenz des Vertretenen vollmachtlosen Vertreter, der ebenfalls aus

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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liegenden Kontext der faktischen Geschäftsführung fruchtbar machen, und erlaubt die Herleitung eines direkten Anspruchs der Neugläubiger neben der Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach § 678 BGB zum Schutz der Altgläubiger.294 Zwar wird das Verständnis von § 15a Abs. 1 InsO bei Schmidt in der Literatur vielfach kritisiert, die vorgetragenen Argumente greifen im Fall der faktischen Geschäftsführung allerdings nicht vollumfänglich durch. So mag es zwar richtig sein, dass Vorteile einer Lösung über die c.i.c. gegenüber einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 15a Abs. 1 InsO beim bestellten Geschäftsführer nicht ersichtlich sind295, mangels Insolvenzantragspflicht kann § 823 Abs. 2 BGB im Fall der faktischen Geschäftsführung aber ohnehin nicht zur Anwendung kommen. Darüber hinaus bestehende Bedenken, eine Lösung über die c.i.c. führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Repräsentantenhaftung eines jeden GmbH-Geschäftsführers296, überzeugen im vorliegenden Kontext ebenfalls nicht, weil es lediglich darum geht, für den besonderen Fall der faktischen Geschäftsführung einen möglichst umfassenden Gläubigerschutz herzuleiten.297 Ist damit auch geklärt, wie der „Kreditgewährungsschaden“ im Falle faktischer Geschäftsführung grundsätzlich zu ersetzen ist298, bleibt hinsichtlich des Quotenschadens der Neugläubiger als letztes zu überlegen, ob dieser ebenfalls unter den Anspruch aus culpa in contrahendo gefasst werden kann, oder im Sinne eines „Gesamtgläubigerschadens“ stets unter § 678 BGB gefasst werden sollte.299 Insofern als der BGH im Fall des bestellten Geschäftsführers den Neugläubigern zugesteht, auch ihren Quotenschaden selbstc.i.c. haften soll, zieht, siehe Flume, ZIP 1994, 337, 338; kritisch hierzu Bork, ZGR 1995, 505, 509 (Fn. 25). Auch nach Einführung der InsO dürfte Flumes Lösung gangbar sein, weil überwiegend eine Haftung des wegen § 117 InsO vollmachtlosen Vertreters aus c.i.c. für möglich gehalten wird, siehe Schilken, KTS 2007, 1, 18. 294 § 311 Abs. 3 BGB setzt nicht voraus, dass der Dritte auch Vertretungsmacht für den Vertragspartner hatte, siehe MüKo-BGB/Emmerich, § 311 Rn. 174. Somit steht die fehlende Rechtsposition des faktischen Geschäftsführers [siehe B. III. 2. i)] der Anwendung der Norm nicht entgegen. 295 Wagner, FS K. Schmidt, 2009, S. 1665, 1673. 296 Siehe zu diesen Bedenken BGH NJW 1994, 2220, 2222 (ungerechtfertigte Rechtsfortbildung); Bork, ZGR 1995, 505, 509 f. 297 Die Rechtfertigung für diese Rechtsfortbildung ergibt sich aus den unter A. I. dargelegten Gründen. Auch Flumes Vorschlag für eine Herleitung der c.i.c.-Haftung, siehe Fn. 293, lässt sich im Fall des faktischen Geschäftsführers (noch) besser umsetzen, weil dieser die Gesellschaft in der Regel ohnehin nur über eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht binden kann, siehe B. III. 2. i). 298 Notwendig ist stets, dass der faktische Geschäftsführer selbst am jeweiligen Vertragsschluss beteiligt war, siehe Scholz/K. Schmidt § 64 Rn. 218. Das Verschulden im Hinblick auf die unterlassene Aufklärung über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), dem faktischen Geschäftsführer steht allerdings der Nachweis offen, dass er insbesondere wegen mangelnder Informationsrechte über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nicht im Bilde war und er ein umfassendes Bild von der Lage auch nicht erlangen konnte. 299 Für den Ersatz des „Gesamtgläubigerschadens“ über einen Anspruch der Gesellschaft gegen den bestellten Geschäftsführer Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 197.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

ständig geltend zu machen300, sollte ersteres möglich sein, um einen Gleichlauf der Lösungen für den bestellten und den faktischen Geschäftsführer zu gewährleisten.301 f) Beginn und Ende der Verantwortlichkeit nach § 678 BGB Nachdem damit Grundlagen und Umfang der Verantwortlichkeit nach § 678 BGB sowohl in Bezug auf die Verletzung von Gesellschafter- als auch von Gläubigerinteressen erläutert wurden, gilt es sich nun noch einmal der an verschiedener Stelle bereits kurz angerissenen Frage nach Beginn und Ende der Verantwortlichkeit zu widmen. Für den Beginn der Verantwortlichkeit ist grundsätzlich die Aufnahme der Geschäftsführungstätigkeit entscheidend302, wobei es unter Umständen schwierig sein kann, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, in dem die Einflussnahme den notwendigen Umfang erreicht hat, um von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise sprechen zu können.303 Beendet wird die Stellung als faktischer Geschäftsführer wiederum durch die Einstellung der Geschäftsführung.304 In diesem Fall scheidet eine Verantwortlichkeit für danach eintretende Schäden grundsätzlich aus, für bereits eingetretene Schäden entfällt diese hingegen nicht rückwirkend.305 Sofern darüber hinaus die faktische Geschäftsfüh300 BGH NZG 2007, 347 Rn. 20. Im Gegenzug ist der Neugläubiger verpflichtet dem Geschäftsführer seine Insolvenzforderung abzutreten, damit eine Doppelbelastung vermieden wird, siehe ibid. sowie ausführlich Wagner, FS K. Schmidt, 2009, S. 1665, 1686 f. 301 Auch hier ist der faktische Geschäftsführer für die Verschlechterung der Quote allerdings grundsätzlich nur insoweit verantwortlich, als er die Geschäfte tatsächlich fortgeführt hat, siehe bereits Fn. 289 mit dazugehörigem Text. 302 Siehe allgemein MüKo-BGB/Seiler, § 678 Rn. 3. Der Anspruch wegen Verletzung der Gläubigerinteressen wird allerdings erst relevant, wenn die Gesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, siehe bereits B. III. 2. d) bb). 303 Siehe im Einzelnen hierzu auch Sorge, Haftung, S. 159 f.; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 226 f. 304 Ebenso Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 230 f. Dem entspricht auch die Tatsache, dass der Geschäftsführer bei der GoA grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, die begonnene Geschäftsführung fortzuführen, siehe hierzu Staudinger/Bergmann, § 677 Rn. 22; MüKo-BGB/Seiler, § 677 Rn. 53. Auch im englischen Recht genügt es wohl ebenfalls, dass der de facto director seine Tätigkeit unterlässt, um eine weitere Verantwortlichkeit auszuschließen, siehe Secretary of State for Trade and Industry v Laing [1996] BCLC 324 (Ch) 346. 305 Hinsichtlich der Verjährung des Anspruchs nach § 678 BGB dürfte es sowohl bei der Verletzung von Gesellschafter- als auch Gläubigerinteressen grundsätzlich sachgerecht sein, auf § 43 Abs. 4 GmbHG analog abzustellen, weil auch beim faktischen Geschäftsführer ein „Schlussstrich“ nach spätestens fünf Jahren gezogen werden sollte, siehe allgemein MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 333d. Die Verjährung beginnt dabei mit Eintritt des Schadens zu laufen, siehe MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 331a. Auch für Verfügungen entgegen § 64 GmbHG sowie im Hinblick auf den Quotenschaden der Altgläubiger passt § 43 Abs. 4 GmbHG, siehe zu ersterem § 64 S. 4 GmbHG und zu letzterem MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn. 251. Hinsichtlich der Haftung aus c.i.c. für Individualschäden gilt hingegen die allgemeine Verjährung, so dass insofern ein Gleichlauf zur Haftung des bestellten Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO erzeugt wird als der BGH in Bezug auf die sich hieraus

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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rung dazu geführt hat, dass die bestellten Geschäftsführer nicht mehr in der Lage sind ihre Pflichten vollumfänglich wahrzunehmen, weil sie zumindest teilweise aus der Geschäftsführung verdrängt wurden und es ihnen deshalb schon an der notwendigen Informationsgrundlage zur ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte fehlt, hat der faktische Geschäftsführer, auch wenn er die Geschäftsführung niedergelegt hat, nachfolgende Schäden, die aus dieser von ihm verursachten Situation resultieren, ebenfalls zu ersetzen.306 Hier muss der faktische Geschäftsführer die bestellten Geschäftsführer wieder in die Lage versetzen, ihren Geschäftsführerpflichten vollumfänglich nachkommen zu können, um einer weiteren Verantwortlichkeit zu entgehen.307 Keine Zustimmung verdient hingegen die Forderung, der faktische Geschäftsführer müsse solange einer besonderen Verantwortlichkeit unterfallen, bis er die Aufgabe seiner Tätigkeit auch nach außenhin gegenüber den Gläubigern kommuniziert habe.308 Hierbei wird verkannt, dass die Verantwortlichkeit wegen faktischer Geschäftsführung gerade keine Form der Rechtsscheinshaftung darstellt, und es deshalb irrelevant ist, ob Dritte vom Ende der faktischen Geschäftsführung wissen oder nicht. g) Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB Gerade in Fällen, in denen die faktische Geschäftsführung dem Willen der Gesellschaftergesamtheit entspricht, ist zu überlegen, in welchem Umfang statt einer Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nach § 678 BGB eine Haftung nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB für Fehler bei der Ausführung der Geschäfte in Frage kommt.309 Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass der Alleingesellschafter, der fakergebenden Ansprüche der Neugläubiger ebenfalls auf die Regelverjährung verwiesen hat, siehe BGH NJW 2011, 2427 Rn. 14 ff. 306 Dies dürfte vor allem im Hinblick auf weitere Quotenschäden der Altgläubiger relevant sein, wenn der faktische Geschäftsführer in der Insolvenz die Tätigkeit einstellt, ohne dass den bestellten Geschäftsführern die Notwendigkeit der Insolvenzantragsstellung bewusst wäre. 307 Hiermit dürfte den beteiligten Interessengruppen besser gedient sein als mit der von Sorge, Haftung, S. 160, stets für notwendig gehaltenen Erklärung der „Amtsniederlegung“ gegenüber dem zuständigen Bestellungsorgan, weil so unmittelbar darauf hingewirkt wird, dass die Gesellschaft auch nach Ende der faktischen Geschäftsführung über vollständig handlungsfähige Organe verfügt. 308 Böge, GmbHR 2014, 1121, 1126 f.; im Zusammenhang mit §§ 35, 69 AO auch FG Niedersachen DStRE 2009, 1461, 1462. 309 Geht man von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von §§ 677, 280 Abs. 1 BGB auch bei der unberechtigten GoA aus, siehe B. III. 1. b), so kann diese Haftung, auch wenn die Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn widerspricht, dann von Bedeutung sein, wenn der Geschäftsführer den entgegenstehenden Willen nicht erkennen konnte, siehe Staudinger/Bergmann, § 678 Rn. 19. In Bezug auf die Tätigkeit im Gesellschafterinteresse gelten die sogleich folgenden Ausführungen entsprechend. In Bezug auf die Tätigkeit im Gläubigerinteresse scheint es hingegen kaum denkbar, dass der faktische Geschäftsführer tatsächlich den Entlastungsbeweis liefern kann, er hätte das stets entgegen-

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

tisch die Geschäfte der Gesellschaft führt, schon deshalb nicht einer Haftung nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB unterfällt, weil dieser bei der Geschäftsführung „wie über eigenes Vermögen“ verfügt.310 Auch darüber hinaus könnte man ferner argumentieren, dass eine Haftung des mit Einverständnis der Gesellschaftergesamtheit tätigen faktischen Geschäftsführers nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB stets ausscheiden müsste, weil die Gesellschafter durch ihr bewusstes Einverständnis mit der faktischen Tätigkeit gerade auf den Schutz besonderer Geschäftsleiterpflichten, den eine Bestellung vermitteln würde, verzichteten. Für die Anwendung von §§ 677, 280 Abs. 1 BGB bei schädigenden Einzelmaßnahmen spricht allerdings trotz generellem Einverständnis mit der Tätigkeit entscheidend, dass die Gesellschafter damit nicht zum Ausdruck bringen, dass sie keinerlei Schutz mehr wünschen. Zudem ist eine Haftung auch deshalb weiterhin notwendig, weil der faktische Geschäftsführer andernfalls keinerlei Anreize mehr hätte, die Interessen der Gesellschaftergesamtheit überhaupt zu berücksichtigen.311 Eine Verantwortlichkeit wegen der unterlassenen Fortsetzung der Geschäftsführung kommt hingegen grundsätzlich nicht in Frage, weil der faktische Geschäftsführer zur Fortsetzung seiner Tätigkeit nicht verpflichtet ist.312 Nimmt der faktische Geschäftsführer schließlich eine konkrete Maßnahme aufgrund von Weisungen der Gesellschafterversammlung oder mit dem Einverständnis der Gesellschaftergesamtheit vor, scheidet eine Haftung in Bezug auf diese Maßnahme wie beim bestellten Geschäftsführer wegen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsinteresse ebenfalls aus.313

stehende Interesse der Gläubiger nicht erkennen können. Sollte dies einmal doch der Fall sein, ließe sich der dann weiterhin notwendige Schutz der Gläubiger zumindest zum Teil wohl ebenfalls über §§ 677, 280 Abs. 1 BGB begründen, etwa wenn der faktische Geschäftsführer Zahlungen veranlasst, die die Insolvenzmasse zu Lasten der Gläubigergesamtheit schmälern. 310 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 276. Eine Verantwortlichkeit nach § 678 BGB wegen der Verletzung von Gläubigerinteressen ist jedoch möglich. 311 Bei der Anwendung von §§ 677, 280 Abs. 1 BGB kann auch die fehlende Rechtsposition des faktischen Geschäftsführers ohne Weiteres angemessene Berücksichtigung finden. 312 Siehe hierzu allgemein Staudinger/Bergmann, § 677 Rn. 22. Anders kann dies allerdings sein, wenn der faktische Geschäftsführer die bestellten Geschäftsführer völlig verdrängt, so dass diese nicht mehr in der Lage sind, ihren Pflichten nachzukommen, siehe bereits B. III. 2. e). Die Handlungspflicht zielt dann aber nicht auf Fortsetzung der Geschäftsführung, sondern darauf dem bestellten Geschäftsführer die Pflichterfüllung wieder zu ermöglichen. Es geht folglich nicht darum, den bestellten Geschäftsführer zu einer bestimmten notwendigen Handlung zu veranlassen, sondern ihn dazu zu befähigen, bestimmte notwendige Handlungen aufgrund seiner Pflichtenstellung wieder selbst vornehmen zu können. Insofern unterscheidet sich der Vorschlag vom hier kritisierten Vorschlag, der faktische Geschäftsführer müsse, wenn notwendig, die Stellung des Insolvenzantrags durch Einwirkung auf den bestellten Geschäftsführer veranlassen. 313 Zur Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit siehe bereits B. I. 2.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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h) Weitere Pflichten Neben der hier im Zentrum stehenden Regelung des § 678 BGB sowie der Interessenwahrungspflicht nach §§ 677 BGB enthält das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag in § 681 S. 1 und S. 2 BGB i.V.m. §§ 666 – 668 BGB eine Reihe weiterer Pflichten für den Geschäftsführer.314 Im Fall der faktischen Geschäftsführung dürfte diesen Pflichten in der Regel jedoch keine große Bedeutung zu kommen. Zunächst lassen sich die typischen Schäden, wie gezeigt, bereits über die § 678 BGB und § 677 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB liquidieren, und § 678 BGB setzt zudem den wichtigsten Anreiz, die Geschäftsführung gar nicht erst zu beginnen, so dass eine weitere Haftung nach § 681 S. 1 oder §§ 681 S. 2, 666 BGB jeweils i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB jedenfalls in der Regel nicht entscheidend ist.315 Der in § 681 S. 2 i.V.m. § 667 BGB geregelten Herausgabepflicht des Geschäftsführers sollte es darüber hinaus in den allermeisten Fällen ebenfalls nicht bedürfen, weil der faktische Geschäftsführer sofern er bei der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise etwas erlangt, dies regelmäßig nicht dem eigenen Vermögen, sondern dem Gesellschaftsvermögen zuordnen wird.316 Sofern die faktische Geschäftsführung tatsächlich einmal einen Gewinn produziert, der auch beim faktischen Geschäftsführer verbleibt, so spricht schließlich aus Perspektive der Gesellschafter nichts dagegen, dessen Herausgabe zu verlangen.317 Als Randnotiz zur Frage nach weiteren Pflichten des faktischen Geschäftsführers sei hier ferner noch darauf hingewiesen, dass die Anwendung der Regeln der GoA 314

Wie bereits unter B. III. 1. b) angesprochen, lehnen einige Autoren die Anwendung von § 681 BGB bei der unberechtigten GoA ab, überwiegend wird heute allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass § 681 BGB unabhängig davon zur Anwendung kommt, ob die Geschäftsführung dem Willen und Interesse des Geschäftsherrn entspricht, siehe MüKo-BGB/Seiler, § 681 Rn. 2 f. 315 Die Anzeigepflicht ist ohnehin allenfalls im Hinblick auf die Erlangung von Klarheit über den Gesellschafterwillen von Relevanz. Möglicherweise ließe sich über diese Pflicht zumindest in bestimmten Fällen eine Haftung des faktischen Geschäftsführers für den entgangenen Gewinn aus einer nicht genutzen Geschäftschance der Gesellschaft herleiten, weil § 681 BGB die Verpflichtung begründen soll, ein dem Geschäftsführer bekanntes Vertragsangebot eines Dritten an den Geschäftsherrn diesem mitzuteilen, siehe hierzu allgemein Staudinger/Bergmann, § 681 Rn. 8 unter Verweis auf RGZ 63, 280, 286 f. Schließlich ist es denkbar, auch aus der Informations- und Rechenschaftspflicht (§ 666 BGB) abzuleiten, dass der faktische Geschäftsführer dazu verpflichtet ist, den bestellten Geschäftsführer wieder handlungsfähig zu machen, wenn er diesen vorher weitestgehend aus seinem Amt verdrängt hat, siehe hierzu bereits B. III. 2. e) aa) und f). 316 Der Herausgabeanspruch spielt in Fällen der angemaßten Eigengeschäftsführung eine Rolle, siehe MüKo-BGB/Seiler, § 681 Rn. 8 und Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 241. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen der faktische Geschäftsführer sich am Gesellschaftsvermögen bereichert. Die hierdurch auftretenden Schäden lassen sich aber ebenfalls schon über § 678 BGB bzw. § 677 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB liquidieren. 317 Dieses Verlangen ist regelmäßig als Genehmigung der Geschäftsführung zu sehen, siehe Staudinger/Bergmann, § 681 Rn. 12. Die Genehmigung betrifft allerdings nur die Geschäftsführung im Gesellschafterinteresse.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

nicht dazu führt, dass diesen in gleichem Maße wie ein bestelltes Organ Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft treffen. Besondere Treuepflichten wie sie üblicherweise mit der Terminologie der „Treuhand“ oder der „Interessenwahrungsverträge“318 assoziiert werden, sollen zwar in Ausnahmesituationen auch im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag auf Grundlage einer rein tatsächlichen Machtposition möglich sein.319 Es wurde aber bereits ausführlich erläutert, dass die tatsächliche Machtposition, die auch der faktische Geschäftsführer innehat, jedenfalls nicht der rechtlich abgesicherten Machtposition des bestellten Geschäftsführers gleichkommt, die dessen weitreichende und durch Rechtsprechung und Literatur zu einzelnen Fallgruppen ausdifferenzierte Treuepflicht rechtfertigt.320 Dies schließt zwar eine entsprechend der geringeren Machtposition abgeschwächte Treuepflicht des faktischen Geschäftsführers nicht aus; ob und gegebenenfalls wieweit die einzelnen Ausprägungen der organschaftlichen Treuepflichten (Wettbewerbsverbot, Geschäftschancenlehre etc.) einer Abstufung zugänglich sind, ist soweit ersichtlich aber ebenso ungeklärt wie die Frage, nach welchen Maßstäben die Abstufung im konkreten Einzelfall umgesetzt werden sollte. Um handhabbare Verhaltensregeln für den faktischen Geschäftsführer in der Praxis zu gewährleisten, sollte dieser daher an die Interessen der Geschäftsherren nur durch das Pflichtprogramm der GoA in §§ 677 ff. BGB im bereits geschilderten Umfang gebunden werden. Nimmt der faktische Geschäftsführer darüber hinaus aber beispielsweise eine Geschäftschance der Gesellschaft für sich selbst wahr, scheidet mangels gegenteiliger Treuepflicht eine Verantwortlichkeit hingegen aus.321 i) Rechte des faktischen Geschäftsführers Bisher wurden ausschließlich mögliche Pflichten des faktischen Geschäftsführers diskutiert, die sich aus der Anwendung der Regeln über die GoA ergeben können. Um die Untersuchung zu vervollständigen, soll als letztes nun noch kurz diskutiert werden, welche Rechte dem faktischen Geschäftsführer durch die Anwendung der §§ 677 ff. BGB eingeräumt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag nur das Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn betrifft.322 Damit ist heute unstreitig, dass die §§ 677 ff. BGB dem 318 Siehe hierzu Hopt, ZGR 2004, 1, 18 f.; ähnlich Staudinger/Martinek (2006), vor § 662 Rn. 26 (mit der Bezeichnung „Subordinationsverträge“). 319 Siehe zur GoA-Treuhand Löhnig, Treuhand, S. 143. Auch Bergmanns Einordnung der GoA als gesetzliches Subordinationsverhältnis legt dies nahe, siehe Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 29 f. 320 Siehe Kapitel 3 C. IV. 2. Zur Ausdifferenzierung der Treuepflicht des Geschäftsleiters in Einzelpflichten, siehe Löhnig, Treuhand S. 202 f. 321 Zweifelnd im Hinblick auf eine Verantwortlichkeit für Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot auch Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 159. § 687 Abs. 2 BGB kann hier ebenfalls nicht zur Anwendung kommen, siehe bereits Fn. 217 mit dazugehörigem Text. 322 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 217.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Geschäftsführer keine Vertretungsmacht oder Verfügungsbefugnis einräumen323, so dass die Anwendung der Regeln der GoA folglich auch nichts an der Feststellung ändert, dass dem faktischen Geschäftsführer Vertretungsmacht allenfalls nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zukommt.324 Die Anwendung der Regelungen über die GoA könnte aber auf den ersten Blick dazu führen, dass dem faktischen Geschäftsführer für seine Tätigkeit ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 i.V.m. § 670 BGB zusteht, der sogar eine Vergütung für seine Tätigkeit beinhaltet. Eine marktübliche Vergütung ist nach heute überwiegend vertretener Ansicht jedoch nur dann von § 683 i.V.m § 670 BGB miterfasst, wenn das Geschäft „im Rahmen des Berufs oder des Gewerbes des Geschäftsführers“ besorgt wird.325 In diesen Fällen kann vermutet werden, dass der Geschäftsführer seine Arbeitskraft sonst anderweitig gegen Bezahlung eingesetzt hätte.326 Eine solche Vermutung ist beim faktischen Geschäftsführer hingegen gerade nicht gerechtfertigt, weil dieser sich regelmäßig nicht anderweitig als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit vergleichbarem Unternehmensgegenstand hätte verdingen können.327 Liegt gegen den faktischen Geschäftsführer darüber hinaus ein Bestellungsverbot vor, scheidet ein Vergütungsanspruch schon deshalb aus, weil die betreffende Person dann überhaupt nicht mehr selbst am Markt als Geschäftsführer tätig werden kann.328 Ersatzfähig wären damit allenfalls tatsächlich getätigte Aufwendungen, die der Geschäftsführer für erforderlich halten durfte.329 Es stellt sich allerdings die Frage, ob § 683 BGB bei der faktischen Geschäftsführung überhaupt jemals Anwendung finden kann, weil dieser stets der Wille der Gläubigergesamtheit entgegensteht.330

323 Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 218, 221; Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 145 f., 148; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 448. 324 Strohn, DB 2011, 158, 164; Sorge, Haftung, S. 49 f. Siehe auch bereits Kapitel 3 C. III. 1. a). 325 BGH NJW 2000, 424; BGH NJW 2012, 1648, 1651; Soergel/Beuthien, § 683 Rn. 11; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 683 Rn. 4; Jauernig/Mansel, § 683 Rn. 6. 326 Siehe Soergel/Beuthien, § 683 Rn. 11 (inbesondere Fn. 48). 327 Auch einen grundsätzlich ersatzfähigen, tätsächlichen Verdienstausfall wird der faktische Geschäftsführer regelmäßig nicht nachweisen können. 328 Im Fall von § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG gilt dies allgemein, im Fall von Nr. 2 zumindest für eine Geschäftsführerstellung im selben Beruf oder Gewerbe. 329 Siehe allgemein Jauernig/Mansel, § 683 Rn. 6. Zum Begriff der Aufwendungen siehe Jauernig/Mansel, § 670 Rn. 2 m.w.N. Ob bei § 683 Wille und Interesse kumulativ vorliegen müssen, oder aber das Interesse nur relevant ist, wenn sich der wirkliche Wille nicht bestimmen lässt, ist strittig. Mehrheitlich wird wohl auch hier von einem Vorrang des Willens ausgegangen, siehe etwa Soegel/Beuthien, § 683 Rn. 5; Staudinger/Bergmann, § 683 Rn. 30; Erman/Dornis, § 683 Rn. 6; Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 127; a.A. MüKo-BGB/Seiler § 683 Rn. 3; Larenz, Schuldrecht II/1 S. 444. 330 Sofern man für den Tatbestand von § 683 BGB voraussetzt, dass die Geschäftsführung sowohl dem Willen als auch dem Interesse des Geschäftsherrn enstprechen muss, siehe die Nachweise in Fn. 329, scheidet die Anwendung auf den faktischen Geschäftsführer schon deshalb aus, weil, wie gezeigt, die faktische Geschäftsführung in aller Regel den Interessen der

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Entscheidend für die Anwendung trotz entgegenstehendem Willen der Gläubigergesamtheit spricht zunächst, dass das Vermögen der Gesellschaft zum Gläubigerschutz nur in begrenztem Umfang vor bestimmten Verfügungen geschützt ist, und die Gesellschafter davon abgesehen grundsätzlich frei über das Gesellschaftsvermögen disponieren können.331 Dem Gläubigerschutz kann für den Fall, dass der faktische Geschäftsführer trotz der Insolvenzreife der Gesellschaft weiter die Geschäfte fortsetzt, zudem damit Rechnung getragen werden, dass während dieser Zeit getätigte Aufwendungen grundsätzlich als nicht mehr erforderlich einzuordnen sind, so dass ein Ersatz ausscheidet.332 Das Erforderlichkeitskriterium stellt zudem einen Schutzmechanismus dar, der dem Missbrauch des Ersatzanspruchs stets entgegensteht, so dass auch auf diese Weise reflexhaft Gläubigerinteressen Berücksichtigung finden. Entspricht die faktische Geschäftsführung hingegen weder dem Willen der Gesellschaftergesamtheit noch dem Willen der Gläubigergesamtheit, so kann allenfalls § 684 BGB Anwendung finden. Über Rechtsnatur und Umfang dieses Anspruchs besteht in der Literatur seit langem Streit. Überwiegend wird heute davon ausgegangen, dass es sich um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch handelt, dessen Höhe allerdings durch § 670 BGB begrenzt ist.333 Damit gelten zunächst die soeben getätigten Ausführungen zum Umfang der ersatzfähigen Aufwendungen. Ein besonderer Schutz wird zudem durch die Möglichkeit eröffnet, dass die Gesellschaft sich gegebenenfalls auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, was insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft von Relevanz sein dürfte.334 Gesellschaftergesamtheit zuwiderläuft, siehe bereits B. III. 2. d) aa). Eine Ausnahme gilt wiederum für den einzigen Gesellschafter, der faktisch die Geschäfte seiner Gesellschaft leitet. 331 Siehe bereits ausführlich B. I. 1. und 2. 332 Siehe auch bereits Fn. 183. Neben der Situation, dass die faktische Geschäftsführung von vornherein dem Willen der Gesellschaftergesamtheit entspricht, ist die Anwendung von § 683 BGB ebenso denkbar, wenn die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung genehmigt. Siehe zur Genehmigung der Geschäftsführung bereits Fn. 247. 333 Siehe etwa Bamberger/Roth/Gehrlein, § 684 Rn. 1; RGRK/Steffen, § 684 Rn. 9; Jauernig/Mansel, § 684 Rn. 1; Staudinger/Wittmann (1995), § 684 Rn. 1; für eine Begrenzung durch § 670 BGB auch Staudinger/Bergmann, § 684 Rn. 3. (allerdings mit Einordnung als Aufwendungsersatzanspruch). Soergel/Beuthien, § 684 Rn. 2 versteht den Anspruch ebenfalls als bloße „Auslagenkondiktion“, so dass nicht etwa die Herausgabe des gesamten Ertrags der Geschäftsführung verlangt werden könnte, lehnt aber eine Begrenzung durch § 670 BGB ab. 334 Selbst wenn man wie Loyal, JZ 2012, 1102, 1108, mit durchaus überzeugenden Argumenten annimmt, § 684 BGB erlaube die vollständige Bereicherungsabschöpfung, stellt dies für die Anwendung der Regeln der GoA auf die faktische Geschäftsführung kein Problem dar. Ist die Gesellschaft (auch) infolge der faktischen Geschäftsführung insolvent, was, wie die Entscheidungen zur Problematik zeigen, häufig der Fall sein dürfte, entsteht der Gesellschaft entweder ohnehin kein herausgabefähiger Gewinn oder aber der Gewinn verbleibt nicht im Vermögen der Gesellschaft, so dass § 818 Abs. 3 BGB zur Anwendung kommt. Geht es der Gesellschaft hingegen aufgrund der faktischen Geschäftsführung wirtschaftlich gut, ist kein Grund ersichtlich, warum die Gesellschafter die Geschäftsführung nicht genehmigen sollten, um so sicherzustellen, dass nicht der gesamte Inhalt der Geschäftsführung herausgegeben werden muss. Siehe zur Genehmigung bereits Fn. 247.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Überlegenswert ist schließlich, ob ein Anspruch nach § 683 BGB oder § 684 BGB bei der faktischen Geschäftsführung nicht wegen § 685 BGB zumindest in einigen Fällen ohnehin ausscheidet. Die Norm bestimmt, dass die Erstattung von Aufwendungen ausscheidet, wenn der Geschäftsführer nicht die Absicht hatte, vom Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen.335 Nach herrschender Meinung muss hierfür ein entsprechender tatsächlicher Wille zumindest äußerlich erkennbar sein, wobei eine ausdrückliche Erklärung nicht zwingend notwendig ist.336 Zwar wird der faktische Geschäftsführer sich in den seltensten Fällen ausdrücklich zur Frage äußern, gerade im Fall von Gesellschaftern oder Kreditgebern dürfte aber wenigstens konkludent häufig deutlich werden, dass die faktische Geschäftsführung allein in der Absicht übernommen wurde, Investitionen in die Gesellschaft zu schützen, nicht aber um ein Entgelt zu erzielen oder gegebenenfalls Aufwendungen ersetzt zu bekommen.337

3. Besonderheiten bei Hintermännern a) Allgemeines Bei der Ausarbeitung einer Lösung für die Problematik des faktischen Geschäftsführers wurde bisher in erster Linie die eigenhändige faktische Geschäftsführung ins Auge gefasst. Auch einflussnehmende Hintermänner (Schattendirektoren) müssen aber, wie gezeigt, unter Umständen einem besonderen Verantwortlichkeitsregime unterworfen werden, damit Gesellschafter und Gläubiger vor Schädigungen umfassend geschützt sind.338 Im Folgenden soll daher zum Abschluss noch kurz auf einige Besonderheiten eingegangen werden, die bei der Anwendung der §§ 677 ff. BGB auf Hintermänner, die faktisch auf die Geschäftsführung einflussnehmen, zu beachten sind. Die Besonderheiten hängen zum einen damit zusammen, dass der Hintermann sich stets des bestellten Geschäftsführers bedienen muss, um seine Agenda durchzusetzen. Zum anderen muss auch berücksichtigt werden, ob im konkreten Fall in Ausübung eines gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehenen Weisungsrechts Einfluss genommen wird, weil dann die Anwendung der Regeln über die faktische Geschäftsführung in der Regel unangemessen wäre. Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass die Anwendung der §§ 677 ff. BGB nicht zwingend voraussetzt, dass der Geschäftsführer das fremde Geschäft eigenhändig vornimmt.339 So kann sich dieser bei der Ausführung der Geschäftsführung 335 Obwohl § 684 BGB von Herausgabe und nicht von Ersatz spricht, erfasst § 685 BGB auch diesen Fall, siehe Soergel/Beuthien, § 684 Rn. 1 (Fn. 2). 336 Siehe etwa MüKo-BGB/Seiler, § 685 Rn. 4 f.; Soergel/Beuthien, § 685 Rn. 1; a.A. Staudinger/Bergmann, § 685 Rn. 6 f. 337 All diese Motive ändern nichts am Charakter der Geschäftsführung als Fremdgeschäftsführung, siehe Loyal, JZ 2012, 1102, 1105 (Fn. 42) sowie B. III. 2. a) (insbesondere Fn. 179 mit dazugehörigem Text). 338 Siehe bereits A. I. sowie Kapitel 3 C. II. 1. und Kapitel 4 E I. 1. 339 So aber scheinbar Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 177 (Fn. 283).

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

etwa eines Geschäftsführungsgehilfen (§ 278 BGB) bedienen.340 § 278 BGB kann zudem auch im Zusammenhang mit primären Unterlassenspflichten Anwendung finden.341 Beides liefert die Begründung, warum der Hintermann, der den bestellten Geschäftsführer regelmäßig im Hinblick auf originäre Geschäftsführungsaufgaben anweist, wie ein eigenhändig tätiger faktischer Geschäftsführer gegen § 678 BGB verstoßen kann.342 Hiergegen lässt sich auch nicht anführen, dass zwischen Hintermann und bestelltem Geschäftsführer in der Regel kein Schuldverhältnis besteht, denn für die Anwendung von § 278 BGB genügt es, dass die Hilfsperson mit dem Willen des Schuldners tätig wird.343 Selbst wenn man im Übrigen die Anwendung von § 278 BGB bei primären Unterlassenspflichten für „gekünstelt“ hält, weil die Erfüllung einer solchen Pflicht gerade die Untätigkeit des Geschäftsherrn erfordert und ein aktives Tun des Gehilfen hierzu folglich nichts beitragen kann344, schließt das die Anwendbarkeit von § 678 BGB auf den Schattendirektor nicht zwingend aus. Alternativ lässt sich etwa argumentieren, dass es unter Schutzzweckgesichtspunkten keinen Unterschied machen kann, ob der Geschäftsführer die Geschäfte eigenhändig führt, ohne den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn zu beachten, oder ob der Geschäftsführer sich hierzu einer Person bedient, die seine Entscheidungen regelmäßig umsetzt, ohne deren Übereinstimmung mit dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn eigenständig zu überprüfen.345 Aus dem Vorstehenden ergibt sich nicht nur, wie eine Verantwortlichkeit des Hintermanns für faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung nach den Regeln der GoA dogmatisch zu begründen ist, sondern es wird ebenso deutlich, dass die Verantwortlichkeit des Hintermanns stets auch von der Rolle des bestellten Geschäftsführers abhängt. Die faktische Geschäftsführung durch Hintermänner stellt folglich eine weitere Konstellation dar, in der Stein ausnahmsweise zuzustimmen ist, dass es eines Perspektivwechsels vom faktischen Geschäftsführer zum bestellten Pendant bedarf, um festzustellen, ob das gesteigerte Schutzbedürfnis für Gesell340

Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 181 f. OLG Frankfurt NJW 1974, 2239 f.; Bamberger/Roth/Unberath, § 278 Rn. 22; MüKoBGB/Grundmann, § 278 Rn 22. 342 Der bestellte Geschäftsführer muss zwar nicht alle Entscheidungen in der Gesellschaft selbst treffen, wenn er Aufgaben delegiert, behält er aber eine Überwachungspflicht, siehe Michalski/Haas/Ziemons, § 43 Rn. 170. Folgt der bestellte Geschäftsführer stattdessen unreflektiert den Weisungen eines hierzu nicht berechtigten Dritten, entspricht dies nicht dem Interesse der Gesellschaftergesamtheit und erfüllt auch nicht die Pflicht des Geschäftsführers zum Tätigwerden. Siehe zu dieser Pflicht auch bereits Kapitel 3 C. III. 2. a). 343 MüKo-BGB/Grundmann, § 278 Rn. 43. Ebenso unerheblich ist, ob die Hilfsperson einem Weisungsrecht unterliegt, seine Position kennt, oder zugleich eine eigene Verpflichtung erfüllen will, siehe Bamberger/Roth/Unberath, § 278 Rn. 11. 344 Ulmer, NJW 1974, 2239, 2240 m.w.N. 345 Einer Zurechnung des Verhaltens des bestellten Geschäftsführers bedarf es bei dieser Konstruktion nicht, weil der faktische Geschäftsführer wie bei eigenhändiger Geschäftsführung selbst gegen die aus § 678 BGB abgeleitete Pflicht verstößt, die Geschäftsführung zu unterlassen. 341

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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schafter und Gläubiger besteht, dass die Anwendung des besonderen Verantwortlichkeitsregimes für faktische Geschäftsführer rechtfertigt.346 Dessen Anwendung ist beispielsweise dann nicht notwendig, wenn der bestellte Geschäftsführer durch den Hintermann nur beraten wird und weiterhin in jedem Fall eigenständig darüber entscheidet, wie zu verfahren ist. In dieser Situation besteht lediglich die stets präsente Gefahr, dass der bestellte Geschäftsführer bei der Geschäftsführung Fehler macht, welcher durch dessen Haftung ausreichend Rechnung getragen wird. Nach der Klärung dieser allgemeinen Vorfragen gilt es nun näher zu beschreiben, wann konkret die Einflussnahme des Hintermanns das Haftungsregime der §§ 677 ff. BGB auslöst. Hierfür wird man sich grundsätzlich an den Kriterien für die Stellung als shadow director im englischen Recht orientieren können.347 So wird eine Haftung des Hintermanns nur infrage kommen, wenn der bestellte Geschäftsführer es gewohnt war, dessen Weisungen zu folgen.348 Eine Einflussnahme auf alle Aktivitäten der Gesellschaft ist hingegen nicht erforderlich.349 Auch wenn der Tatbestand der Weisung des Weiteren voraussetzt, dass der bestellte Geschäftsführer gerade wegen dieser und ohne eigene Zweckmäßigkeitsprüfung tätig wird, dürfte es im Prozess in der Regel genügen nachzuweisen, dass der Hintermann seinen Willen gegenüber dem bestellten Geschäftsführer geäußert hat und dieser im Anschluss entsprechend tätig geworden ist.350 Neben der englischen Spruchpraxis kann darüber hinaus auch die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise erneut fruchtbar gemacht werden, um zu bestimmen, wann die §§ 677 ff. BGB zur Anwendung kommen müssen.351 So sind nur solche Weisungen relevant, die einen Bezug zu spezifischen Geschäftsführerfunktionen aufweisen und die Einflussnahme muss zudem einen Eingriff in die Kompetenzordnung der Gesellschaft darstellen.352 Hat der Hintermann im beschriebenen Umfang Einfluss genommen, so kommt § 678 BGB zum Schutz der Gläubiger und gegebenenfalls auch zum Schutz der Gesellschaftergesamtheit zur Anwendung.353 Ersatzfähig sind Schäden auch hier selbstverständlich nur dann, wenn sie adäquat kausal und zurechenbar durch die Einflussnahme verursacht wurden. Dies bedeutet zunächst im Hinblick auf den Schutz des Gesellschaftsinteresses, dass der Schattendirektor grundsätzlich nur für

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Siehe hierzu bereits Kapitel 3 B. III. Ebenso Sorge, Haftung, S. 142 ff. 348 Siehe etwa CA 2006 s. 251 (1). Eine einzelne Weisung, etwa keinen Insolvenzantrag zu stellen, führt daher für sich genommen nicht zur Anwendung des besonderen Verantwortlichkeitsregimes für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung. 349 Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch 340 (Ch) [35]. 350 Ibid. Siehe im Detail auch Sorge, Haftung, S. 143. 351 Ebenso Sorge, Haftung, S. 143, 145. 352 Ibid. Siehe hierzu auch sogleich sowie C. II. 353 Zu den Einzelheiten siehe bereits B. III. 2. d). 347

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

solche Schäden einzustehen hat, die auf seinen Weisungen beruhen.354 Wenn der bestellte Geschäftsführer allerdings durch lückenlose Weisung vollständig „zum reinen Exekutivorgan degradiert“355 wurde und deshalb bei einer ausnahmsweise eigenständig vorgenommenen Maßnahme nicht mehr fähig ist zu beurteilen, ob die Maßnahme dem Interesse der Gesellschaft (verstanden als Interesse der Gesellschaftergesamtheit) entspricht, ist eine Haftung des Hintermanns für die eigenständige Maßnahme ebenso begründbar.356 Auch im Hinblick auf den Schutz der Gläubigerinteressen gilt, dass Verfügungen, die gegen § 30 oder § 64 GmbHG verstoßen, grundsätzlich nur dann beim Hintermann nach § 678 BGB ersatzfähig sind, wenn sie wiederum auf seinen Weisungen beruhen.357 Quotenschäden, die durch die Insolvenzverschleppung entstanden sind, sind des Weiteren dann ersatzfähig, wenn nach Insolvenzeintritt weitere Maßnahmen angewiesen wurden, die die Fortführung der Geschäfte bedeuten.358 Einer konkreten Weisung an den bestellten Geschäftsführer keinen Insolvenzantrag zu stellen, bedarf es hingegen nicht. Was schließlich die Haftung für individuelle Schäden der Neugläubiger auf Grundlage des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo betrifft, könnte man ebenfalls einwenden, dass der Hintermann beim Geschäftsabschluss in der Regel nicht unmittelbar in Erscheinung tritt. Denkbar und wertungsmäßig überzeugend ist allerdings auch hier eine Verantwortlichkeit über § 278 BGB zu begründen, sofern der Hintermann den Vertragsschluss angewiesen hat.359 Auch wenn sich der Einflussnehmende im Hintergrund hält, nimmt er doch wie der eigenhändig tätige faktische Geschäftsführer organspezifische Funktionen in organtypischer Weise wahr, was

354 Die Haftung des bestellten Geschäftsführers ist unabhängig von der Haftung des Hintermanns nach den allgemeinen Regeln der Geschäftsführerhaftung zu beurteilen. 355 So die Formulierung bei Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1114, im Zusammenhang mit der Einflussnahme von Gesellschaftern. 356 Unterlässt der bestellte Geschäftsführer, weil er nur noch auf Weisung des Hintermanns tätig wird, eine ihm aufgrund seiner Pflichten gegenüber der Gesellschaft gebotene Handlung, scheint eine Haftung des Hintermanns ebenfalls begründbar. Siehe zur vergleichbaren Problematik bei der eigenhändigen faktischen Geschäftsführung bereits B. III. 2. e) aa) (Beispiel Geschäftschancen). 357 Dies gilt ebenfalls vorbehaltlich des Sonderfalls, dass der bestellte Geschäftsführer wegen lückenloser Weisung nur noch bloßes Ausführungsorgan ist. 358 Wie bei der eigenhändigen faktischen Geschäftsführung ist der Quotenschaden grundsätzlich nur bis zu dem Punkt ersatzfähig, an dem der Hintermann die Weisungen einstellt, siehe hierzu bereits B. III. 2. e) bb). Wenn der bestellte Geschäftsführer allerdings wegen engmaschiger Weisungen des Hintermanns nicht mehr in der Lage ist zu erkennen, dass Insolvenzantrag gestellt werden müsste, ist auch trotz Einstellung der Weisungen der volle Quotenschaden ersatzfähig, wenn der Hintermann den bestellten Geschäftsführer nicht wieder vollständig über die finanzielle Situation informiert, siehe hierzu bereits B. III. 2. f) und auch sogleich. 359 Für die Anwendung von § 278 BGB im Fall der c.i.c.-Haftung des bestellten Geschäftsführers siehe Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 218. Allgemein zur Anwendung von § 278 BGB bei der Vertrauenshaftung siehe auch BGH NJW 1985, 2584, 2585.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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auch hier die Anwendung einer besonderen Aufklärungspflicht in der Insolvenz der Gesellschaft rechtfertigt.360 b) Weisungen der Gesellschafterversammlung Mit der Anwendung des soeben beschriebenen Haftungsregimes muss, wie bereits an verschiedener Stelle erwähnt, besonders vorsichtig verfahren werden, wenn Grundlage für die Einflussnahme ein gesetzliches oder in der Satzung begründetes Weisungsrecht ist. So scheidet eine Verantwortlichkeit nach §§ 677 ff. BGB beispielsweise grundsätzlich aus, wenn die Gesellschafter lediglich im Rahmen der Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern ausüben.361 Gleiches gilt auch bei direkten Weisungen des Alleingesellschafters an die Geschäftsführer.362 Wertungsmäßig ist dies stimmig, weil die Ausübung des gesetzlich vorgesehenen Weisungsrechts keinen Eingriff in die Kompetenzordnung der Gesellschaft darstellt und die Gesellschafter durch die Weisung lediglich das Gesellschaftsinteresse konkretisieren.363 Dogmatisch lässt sich das Ergebnis zudem damit begründen, dass das Vorliegen einer „sonstigen Berechtigung“ die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag stets ausschließt (vgl. § 677 BGB).364 Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn die Gesellschafterversammlung darüber hinaus den Geschäftsführer mit einzelnen Weisungen zum Verstoß gegen gläubigerschützende, ihrer Disposition entzogene Pflichten anhält. Dies führt ebenfalls nicht zu einer Qualifikation als Schattendirektor, weil die einzelnen Weisungen für sich genommen nicht ausreichen, um die dafür notwendige Schwelle der unzulässigen Einflussnahme zu überschreiten.365 Im Unterschied hierzu soll eine

360 Siehe auch bereits Fn. 297 mit dazugehörigem Text. Die bei funktionaler Betrachtung gleiche Gefährdung spricht dagegen, den Hintermann nur wie einen sonstigen Vertreter zu behandeln, den nur im Einzelfall eine Aufklärungspflicht trifft. Siehe zu dieser Differenzierung zwischen Geschäftsführer und sonstigem Vertreter Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 218. 361 Schürnbrand, Organschaft, S. 316 f.; Strohn, DB 2011, 158, 161; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; Sorge, Haftung, S. 147 (alle jeweils aus der Perspektive des Normanwendungsmodells). Überstimmte Minderheitsgesellschafter sind hier durch die Treuepflicht der Mehrheit geschützt, siehe B. I. (Fn. 20). 362 Strohn, DB 2011, 158, 161; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345. Anders ist die Lage aber, wenn ein Gesellschafter in der Mehrpersonen-GmbH an der Gesellschafterversammlung vorbei Weisungen erteilt, siehe C. II. 2. 363 Strohn, DB 2011, 158, 161; Sorge, Haftung, S. 147; Schürnbrand, Organschaft S. 316. Siehe hierzu bereits ausführlich B. I. 1. 364 Dies gilt auch für den Fall eines durch die Satzung eingeräumten Weisungsrechts. Fehlverhalten wird hier in erster Linie über die organschaftliche Haftung des Weisenden sanktioniert, siehe hierzu auch bereits B. III. 2. b) aa). 365 Siehe zu solchen Weisungen bereits B. I. 1. sowie Fn. 348. Sonstige Weisungen können, weil sie rechtlich zulässig sind, nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden. Dem grundsätzlich bestehenden Schutzbedürfnis der Gläubiger auch bei einzelnen, gegen gläubigerschützende Normen verstoßenden Weisungen, wird die Tatsache, dass bei diesen Weisungen

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

Einordnung als Schattendirektor mit entsprechenden haftungsrechtlichen Folgen aber nach Auffassung einiger Vertreter in der Literatur möglich und notwendig sein, wenn die Gesellschafter den bestellten Geschäftsführer durch ein dichtes Weisungsnetz zum „reinen Exekutivorgan“ machen.366 Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Gesellschafter andernfalls „die Geschäftsführung vollständig übernehmen und sich gleichzeitig hinter dem Trennungsprinzip verschanzen“ könnten, „während der bestellte Geschäftsführer als Sündenbock herhalten müsste“.367 Mehrheitlich wird allerdings auch diese quantitative Grenze des Weisungsrechts abgelehnt.368 Den ablehnenden Stimmen ist zuzugestehen, dass auch im Fall der Herabstufung des Geschäftsführers zum bloßen Exekutivorgan durch lückenlose Weisung der Gesellschafterversammlung prima facie keine Interessen Dritter betroffen sind, und zudem der Wortlaut von § 37 GmbHG keine Anhaltspunkte für eine rein quantitative Grenze liefert.369 Auch wenn folglich gegen ein solches Vorgehen der Gesellschafter grundsätzlich nichts einzuwenden ist, so kann die herrschende Meinung dennoch nicht vollständig überzeugen. Wenn nämlich der bestellte Geschäftsführer wegen der lückenlosen Weisung nicht mehr in der Lage ist, seine gläubigerschützenden Pflichten zu erfüllen, weil ihm der hierfür notwendige Überblick über die Geschäfte der GmbH fehlt, so maßen sich die Gesellschafter eine Position an, die nach der zwingenden gesetzlichen Kompetenzordnung dem Geschäftsführer zusteht, denn allein sie sind noch in der Lage über die Pflichterfüllung zu entscheiden.370 Diese Situation begründet im Vergleich zur Situation, in der der informierte Geschäftsführer lediglich rechtswidrig zum Verstoß gegen gläubigerschützende Normen angewiesen wird, eine gesteigerte Gefahr für die Gläubiger, der mit der Anwendung des besonderen Verantwortlichkeitsregimes Rechnung getragen werden sollte.371 Für die uneingeschränkte Weisungsfreiheit der Gesellschafterversammlung lässt sich hier nicht mehr argumentieren, es wären keine Interessen Dritter betroffen und auch der Hinweis auf den Wortlaut von § 37 GmbHG überzeugt hier nicht, weil im Zusammenhang mit zwingenden gläubigerschützenden Normen ein keine Folgepflicht besteht, allein wohl nicht gerecht. Hier kann dann allenfalls, soweit einschlägig, ein Anspruch aus § 830 Abs. 2 BGB, § 826 BGB oder § 31 GmbHG helfen. 366 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 239; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112; Sorge, Haftung, S. 115 f. 367 Sorge, Haftung, S. 115 im Anschluss an Ehricke, Konzernunternehmen, S. 239 f. (aus der Perspektive des Normanwendungsmodells). 368 Siehe hierzu bereits Kapitel 2 B. IV. 2. b). 369 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, § 37 Rn. 46; U/H/L/Paefgen, § 37 Rn. 28. 370 Die Behinderung bei der Erfüllung gläubigerschützender Pflichten wird häufig auch als Argument für eine quantitative Grenze des Weisungsrechts angeführt, siehe etwa Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 18a; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 240, aber anders als hier vertreten nicht in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. So können die Gesellschafter etwa einer Haftung nach hier vertretener Auffassung trotz lückenloser Weisung entgehen, wenn sie sicherstellen, dass der bestellte Geschäftsführer derart informiert ist, dass er gegebenenfalls Insolvenzantrag stellen kann oder in der Lage ist zu erkennen, dass Verfügungen gegen § 30 oder § 64 GmbHG verstoßen. 371 Siehe bereits Fn. 365.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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Weisungsrecht anerkanntermaßen ohnehin nicht besteht (vgl. bspw. § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG). Darüber hinaus dürften Abgrenzungsprobleme zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme372 unter diesem Blickwinkel ebenfalls nicht in gleichem Maße bestehen wie bei einer rein quantitativen Grenze, weil die Abgrenzung sich nicht nach dem Umfang der Weisungen richtet, sondern nach dem Effekt, den die Weisungen auf den bestellten Geschäftsführer haben. In dogmatischer Hinsicht lässt sich die Anwendbarkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag in diesem Fall schließlich damit begründen, dass die faktische Anmaßung der Entscheidungshoheit über die Erfüllung der zwingenden gläubigerschützenden Pflichten ein „aliud“ zu den Weisungen selbst darstellt, für die § 37 GmbHG eine „sonstige Berechtigung“ begründet.373 Tritt mithin die Situation ein, dass aufgrund der Dichte der Weisungen der bestellte Geschäftsführer keinen Überblick mehr über die Geschäfte der Gesellschaft hat und daher seine zwingenden Pflichten (bspw. § 15a Abs. 1 InsO oder § 64 GmbHG) nicht mehr erfüllen kann, so findet zum Schutz der Gläubiger § 678 BGB ausnahmsweise auch auf die weisenden Gesellschafter Anwendung, wobei hinsichtlich des ersatzfähigen Schadens die bereits dargelegten Grundsätze für Hintermänner gelten.374 c) Weisungen der Konzernmutter im GmbH-Vertragskonzern Eine weitere Situation, in der mit der Anwendung des hier erarbeiteten Verantwortlichkeitsregimes für faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung besonders zurückhaltend verfahren werden muss, betrifft die Einflussnahme aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens im GmbH-Vertragskonzern. Dieses ergibt sich aus § 308 AktG, der nach ganz

372 Diese befürchtet U/H/L/Paefgen, § 37 Rn. 28 im Fall einer quantitativen Grenze des Weisungsrechts. 373 Siehe hierzu bereits B. III. 2. b) bb). Anknüpfungspunkt für die Verantwortlichkeit sind genau genommen gar nicht die Menge der Weisungen und deren Inhalt, sondern deren indirekte „gebündelte“ Auswirkung auf die Urteilsfähigkeit des bestellten Geschäftsführers. Folgerichtig muss auch die Haftung nach § 678 BGB entfallen, wenn trotz lückenloser Weisung die Gesellschafter sich nicht anmaßen, über die Erfüllung der gläubigerschützenden Pflichten zu entscheiden, weil sie den Geschäftsführer stetig über die Lage der Gesellschaft informieren, so dass dieser seinen Pflichten weiter selbstständig nachkommen kann. Siehe hierzu auch bereits Fn. 370. 374 Als Anspruchsgegner kommt in dieser Situation in jedem Fall ein an den Weisungsbeschlüssen entscheidend beteiligter Mehrheitsgesellschafter infrage. Sind mehrere in gleichem Maße stimmberechtigte Gesellschafter beteiligt, lässt sich eine Verantwortlichkeit aller je nach Fall nach den Regeln über die alternative oder kumulative Kausalität begründen. In Ausnahmefällen kann allerdings ein Problem entstehen, wenn einzelnen Gesellschaftern eine Beteiligung im relevanten Umfang wegen unklarer Kausalität nicht nachgewiesen werden kann. Allgemein zur Mehrheit von Geschäftsführern siehe auch Staudinger/Bergmann, vor § 677 Rn. 233.

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

herrschender Auffassung für die GmbH entsprechend zur Anwendung kommt.375 Mit einer Weisung dürfen ausdrücklich auch für die Tochtergesellschaft nachteilige Maßnahmen verfolgt werden, solange sie den Belangen der Muttergesellschaft oder anderer Konzerntöchter dienen.376 Beschränkt sich die Muttergesellschaft darauf, durch nach § 308 AktG legitimierte Weisungen Einfluss auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft zu nehmen, muss eine Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens wegen faktischer Einflussnahme stets ausscheiden. Dogmatisch lässt sich dies wiederum damit begründen, dass die Einflussnahme aufgrund einer sonstigen Berechtigung stattfindet.377 Zudem besteht auch in sachlicher Hinsicht für eine Anwendung keine Notwendigkeit, denn zum Ausgleich für das weitreichende Weisungsrecht existieren ohnehin eine Reihe besonderer minderheits- und gläubigerschützender Mechanismen. So findet zunächst § 302 AktG analoge Anwendung, der eine Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der Tochtergesellschaft für deren Jahresfehlbetrag statuiert, ohne dass es darauf ankommt, ob die Muttergesellschaft die Verluste durch ihre Weisungen verursacht hat.378 Daneben kommt zudem § 309 AktG analog zur Anwendung, der die gesetzlichen Vertreter der Muttergesellschaft einer Verantwortlichkeit für sorgfaltswidrige Weisungen unterstellt.379 Schließlich ist auch eine Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft nach § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Beherrschungsvertrag denkbar.380 Folge dieses umfassenden Schutzkonzepts ist unter anderem, dass wegen des Anspruchs aus § 302 AktG eine Insolvenz der Tochtergesellschaft jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn die Muttergesellschaft solvent ist und man zudem richtigerweise auch von deren Verpflichtung zu unterjährigen Abschlagszahlungen ausgeht.381 Zu einer Situation, in der die Gläubiger der Tochtergesellschaft wegen der Einflussnahme eines mit § 64 GmbHG oder § 15a Abs. 1 InsO vergleichbaren Schutzes bedürften, kann es folglich nicht kommen.382 Ist die Muttergesellschaft hingegen insolvent, entfällt das Weisungsrecht nach § 308 AktG, 375 Siehe MüKo-AktG/Altmeppen, § 308 Rn. 5 m.w.N. Der Unterschied zum Weisungsrecht nach § 37 GmbHG besteht darin, dass das herrschende Unternehmen direkt ohne den Umweg über die Gesellschafterversammlung Weisungen erteilen kann, was relevant ist, wenn Minderheitsgesellschafter existieren, siehe MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 663. 376 Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, Anh. Konzernrecht Rn. 120. 377 Siehe bereits B. III. 2. b) bb) und 3. b). Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung würde eine Anwendung allerdings nicht daran scheitern, dass die Muttergesellschaft eine juristische Person ist, siehe bereits B. III. 2. b) cc). 378 MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 860, 865 m.w.N. 379 Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 78 m.w.N. 380 Ibid., Rn. 79. Das genaue Verhältnis der einzelnen Anspruchsgrundlagen zueinander ist ungeklärt. Teilweise wird auch die analoge Anwendung von § 309 AktG auf das herrschende Unternehmen selbst vertreten, siehe die Nachweise bei Hüffer/Koch, § 309 Rn. 27. 381 Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 59 f.; MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 835 m.w.N.; deutlich auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 302 Rn. 30. 382 § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG findet im Fall von § 291 AktG ohnehin keine Anwendung, vgl. § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG.

B. Die Herleitung einer Verantwortlichkeit für faktische Einflussnahme

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weil dieses unmittelbar mit der Werthaltigkeit des Anspruchs aus § 302 AktG verknüpft ist.383 Aufgrund des fehlenden Weisungsrechts ließe sich nun überlegen, ob im Falle fortgesetzter Einflussnahme das besondere Verantwortlichkeitsregime für faktische Einflussnahme auf die Muttergesellschaft Anwendung finden sollte. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, inwieweit trotz des Wegfalls des Weisungsrechts der Beherrschungsvertrag der Anwendung der GoA entgegensteht.384 Letztlich dürften diese Überlegungen in jedem Fall aber ohnehin eher theoretischer Natur sein, weil in der Praxis ein Anspruch wegen faktischer Einflussnahme gegen die Muttergesellschaft ebenso wertlos wäre wie der Anspruch aus § 302 AktG. Interessanter wird in diesen Fällen stattdessen eine Verantwortlichkeit des Organs des herrschenden Unternehmens.385 Diese bestimmt sich weiterhin in erster Linie nach § 309 AktG386, wobei auf dieser Grundlage ausnahmsweise sogar eine Haftung wegen Unterlassens infrage kommen kann.387 Das Verantwortlichkeitsregime für faktische Einflussnahme sollte hingegen im Allgemeinen daneben nicht zur Anwendung kommen. Hierfür spricht neben den grundsätzlichen Zweifeln, ob der Tatbestand der GoA trotz des Beherrschungsvertrages erfüllt ist388, vor allem das bereits erörterte Verantwortlichkeitsgefälle zwischen juristischer Person und ihren Organen.389

383

Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 61; im Ergebnis ebenso Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 302 Rn. 40e. 384 Für die Anwendung ließe sich einerseits argumentieren, dass die Konzernmutter nach dem gänzlichen Wegfall des Weisungsrechts nicht anders zu behandeln sei als der normale Gesellschafter, der an der Gesellschafterversammlung vorbei Weisungen an die Geschäftsführung erteilt. Andererseits lässt sich aber auch vortragen, die Situation ähnele eher derjenigen bei der Überschreitung von Organbefugnissen, so dass Ansprüche wegen Verstößen gegen den Beherrschungsvertrag bzw. § 309 AktG analog die GoA verdrängen. Letztere Einordnung liegt insbesondere dann nahe, wenn man mit der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum das herrschende Unternehmen im Vertragskonzern als Organ der Tochtergesellschaft einordnet, siehe im Einzelnen hierzu Schürnbrand, Organschaft, S. 179 ff. 385 Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 80. 386 Ibid. 387 Hüffer/Koch, § 309 Rn. 10 m.w.N. So sind wohl auch die Überlegungen bei Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 80, zu deuten, der den Vertreter der Muttergesellschaft schon dann haften lassen will, wenn dieser bei der Kreditvergabe der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft etwa im Rahmen eines Cash Pool-Systems nicht sicherstellt, dass der Verlustausgleichsanspruch der Tochtergesellschaft stets vollwertig ist. 388 Siehe bereits Fn. 384 mit dazugehörigem Text. 389 Siehe bereits Kapitel 4 E. I. 1. und Kapitel 5 B. III. 2. b) cc).

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Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

C. Abschließender Überblick über die Ergebnisse anhand von Fallgruppen In den vorherigen Abschnitten wurde ein umfassender Lösungsvorschlag für das Problem der faktischen Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung erarbeitet. Im nun folgenden letzten Abschnitt sollen die Ergebnisse noch einmal anhand einzelner besonders delikater Fallgruppen kurz zusammengefasst werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird wiederum zwischen Fällen der eigenhändigen Einflussnahme als faktischer Geschäftsführer und Fällen der Einflussnahme durch Hintermänner unterschieden.

I. Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer Im Wesentlichen bedürfen vier Fallgruppen der eigenhändigen faktischen Geschäftsführung besonderer Beachtung. 1. Gesellschafter Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Gesellschafter als faktische Geschäftsführer ihrer GmbH zu qualifizieren sind, wurde bereits an verschiedener Stelle angeschnitten. Zusammenfassend lässt sich hierzu festhalten, dass die eigenhändige Führung der Geschäfte der GmbH in Form der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise grundsätzlich eine Verantwortlichkeit als faktischer Geschäftsführer zur Folge hat.390 In Bezug auf die Tätigkeit im Interesse der Gesellschaftergesamtheit hängt die Haftung allerdings davon ab, ob weitere Gesellschafter existieren und wenn ja, wie diese sich zur Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers verhalten. Im Fall der Einpersonen-GmbH scheidet eine Haftung 390 Auf Basis des Normanwendungsmodells ebenso Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 240 f.; Schürnbrand, Organschaft, S. 318; Sorge, Haftung, S. 147. Die Sonderverbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft steht der Anwendung der Regeln der GoA nicht im Wege, siehe bereits B. III. 2. b) cc). Einige schädigende Handlungen ließen sich zwar auch als Verstoß gegen die Treuepflicht auffassen, siehe hierzu bereits Kapitel 2 B. IV. 2. b). Für die Anwendung der GoA auch in diesen Fällen spricht allerdings neben den in Kapitel 4 E. I. 1. genannten Vorteilen, dass die Treuepflicht häufig vor allem dazu dient, die Ausübung einer bestehenden Rechtsposition (etwa des Stimmrechts) im Interesse eines anderen zu beschränken, siehe hierzu allgemein MüKo-GmbHG/Merkt, § 13 Rn. 88 und 90 f. Übernimmt der Gesellschafter aber eigenhändig die Geschäftsführung der GmbH, hat dies nichts mit der Ausübung einer bestehenden Rechtsposition zu tun, sondern stellt ein von vornherein unzulässiges Verhalten dar. Eine Lösung über die GoA statt über die Treuepflicht trägt diesem Unterschied besser Rechnung. Hinsichtlich des Anspruchs zum Schutz der Gläubigerinteressen (hierzu sogleich) stellt sich die Frage nach der Treuepflicht der Gesellschafter ohnehin nicht, weil diese nicht Teil der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit sind, die die Treuepflicht auslösen könnte, siehe MüKo-GmbHG/Merkt, § 13 Rn. 107 m.w.N.

C. Überblick über die Ergebnisse anhand von Fallgruppen

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für Schäden der Gesellschaft von vornherein aus, weil der Wille des einzigen Gesellschafters und der Wille der Gesellschaft identisch sind und dieser zudem trotz rechtlicher Selbstständigkeit der Gesellschaft wie über eigenes Vermögen verfügt.391 Existieren hingegen weitere Gesellschafter, so hängt der Umfang der Haftung davon ab, ob die faktische Geschäftsführung auch deren tatsächlichem oder mutmaßlichem Willen entspricht. Schon wenn die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers auch nur dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen eines Mitgesellschafters widerspricht, ist der faktische Gesellschafter-Geschäftsführer nach § 678 BGB verantwortlich und hat der Gesellschaft alle durch die Geschäftsführung adäquat kausal und zurechenbar verursachten Schäden zu ersetzen, ohne dass es auf ein Ausführungsverschulden ankommt.392 Sind hingegen die übrigen Gesellschafter mit der Tätigkeit einverstanden, ist allenfalls an eine Verantwortlichkeit nach §§ 677, 280 Abs. 1 BGB zu denken.393 In Bezug auf die parallele Tätigkeit im Interesse der Gläubigergesamtheit unterliegt der faktische Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen stets einer Haftung nach § 678 BGB, weil diese regelmäßig dem sich aus dem objektiven Interesse ergebenden mutmaßlichen Willen der Gläubigergesamtheit widerspricht.394 Folglich hat der faktische Gesellschafter-Geschäftsführer durch seine Geschäftsführung verursachte Vermögensbeeinträchtigungen der Gläubiger aufgrund von Verfügungen entgegen §§ 30, 64 GmbHG oder aufgrund der Verschleppung der Insolvenz der Gesellschaft auszugleichen.395 Anspruchsinhaber bleibt allerdings die Gesellschaft.396 Zudem kommt eine direkte Haftung gegenüber den Neugläubigern nach § 280 i.V.m. § 311 Abs. 3 BGB infrage.397 2. Im Konzern Die zweite Fallgruppe, die besonderer Beachtung bedarf, betrifft die faktische Geschäftsführung im Konzern. Hierbei ist zunächst zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern zu unterscheiden. Während für den faktischen Konzern auf die gerade getroffenen Ausführungen zur Verantwortlichkeit des GmbH-Gesellschafters

391

Siehe hierzu bereits B. III. 2. d) aa) und g) mit entsprechenden Nachweisen. Siehe hierzu bereits B. III. 2. d) aa) und e) aa). 393 Siehe hierzu bereits B. III. 2. g). 394 Siehe hierzu im Detail bereits B. III. 2. d) bb). Dies gilt auch und gerade in der Einpersonen-GmbH. 395 Siehe hierzu bereits B. III. 2. e) bb). Auch hier spielt ein Ausführungsverschulden keine Rolle. Je nach Situation kann daneben auch die Existenzvernichtungshaftung einschlägig sein. Die Anwendung von § 826 BGB zum Schutz der Gläubigerinteressen wird durch die Anwendung der GoA nicht infrage gestellt, weil die unberechtigte Geschäftsführung im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger keinen Rechtfertigungsgrund darstellt, siehe Staudinger/ Bergmann, vor § 677 Rn. 243 mit weiteren Nachweisen zur herrschenden Meinung. 396 Siehe hierzu bereits B. III. 2. e) bb). 397 Ibid. 392

232

Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

zu verweisen ist398, gelten im Vertragskonzernrecht einige Besonderheiten. Zunächst ist festzuhalten, dass für den Fall, dass die Konzernmuttergesellschaft anstatt entsprechend § 308 AktG Weisungen an die Tochtergesellschaft zu erteilen, die Geschäftsführung selbst in die Hand nimmt, die Tätigkeit als „aliud“ zur vertraglich vereinbarten Einflussnahme verstanden werden kann, so dass die Anwendung der §§ 677 ff. BGB grundsätzlich denkbar ist.399 Es ist allerdings angesichts des besonderen Minderheits- und Gläubigerschutzes im Vertragskonzern äußerst zweifelhaft, ob es in diesen Fällen einer besonderen Verantwortlichkeit wegen faktischer Geschäftsführung überhaupt bedarf, solange die Muttergesellschaft solvent und der Anspruch aus § 302 AktG analog somit werthaltig ist.400 Auch wenn die Muttergesellschaft aber insolvent ist, so dass insbesondere der Schutz durch § 302 AktG leerläuft, gewinnt die Qualifikation dieser als faktische Geschäftsführerin nicht etwa plötzlich an Bedeutung, denn daran anknüpfende Ansprüche wären regelmäßig ebenso wertlos wie der Anspruch aus § 302 AktG.401 Zusammenfassend gilt damit im Vertragskonzern, dass einer Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft als faktische Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft in jedem Fall keine praktische Relevanz zukommt. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Vertretungsorgane der Muttergesellschaft ist schließlich generell auf § 309 AktG analog zu verweisen, während eine Haftung des Organs als faktischer Geschäftsführer wegen des Verantwortlichkeitsgefälles zwischen diesem und der Muttergesellschaft grundsätzlich abzulehnen ist.402 3. Angestellte Im Schrifttum zur faktischen Geschäftsführung besteht Einigkeit darüber, dass Angestellte grundsätzlich nicht als faktische Geschäftsführer zu qualifizieren sind, weil sie regelmäßig keine organspezifischen Funktionen in organtypischer Weise wahrnehmen und durch ihre Tätigkeit nicht die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung durchbrechen.403 Dem ist zuzustimmen. Anders ist dies nur zu beurteilen, wenn ein Angestellter die ihm arbeitsvertraglich zugewiesene Stellung verlässt und eigenhändig durch die Wahrnehmung von Geschäftsführungsfunktionen

398

Siehe hierzu auch bereits Kapitel 4 Fn. 112. Zur Zurechnung des Handelns des Vertreters der Muttergesellschaft siehe bereits Kapitel 4 E. I. 1. sowie Kapitel 5 B. III. 2. b) cc). 399 Siehe hierzu allgemein bereits B. III. 2. b) bb). 400 Siehe hierzu bereits C. 1. 1. Der Minderheits- und Gläubigerschutz im Vertragskonzern geht weit über den in der normalen GmbH durch Treuepflicht und Existenzvernichtungshaftung existierenden Schutz hinaus. 401 Siehe hierzu bereits B. III. 3. c). 402 Siehe hierzu bereits B. III. 3. c) sowie Kapitel 4 E. I. 1. 403 Fleischer, AG 2004, 517, 526; ders., GmbHR 2011, 337, 344; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 237; Strohn, DB 2011, 158, 164; Sorge, Haftung, S. 151 f. (alle auf Basis des Normanwendungsmodells).

C. Überblick über die Ergebnisse anhand von Fallgruppen

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die Unternehmensleitung übernimmt.404 In diesem seltenen Fall kommt die Anwendung von § 678 BGB sowohl in Bezug auf die Tätigkeit im Gesellschaftsinteresse als auch in Bezug auf die Tätigkeit im Gläubigerinteresse infrage.405 Daneben ist zudem auch eine Haftung gegenüber den Neugläubigern aus culpa in contrahendo denkbar, sofern der Angestellte als faktischer Geschäftsführer selbst am Vertragsschluss beteiligt war.406 4. Kreditgeber und Berater Die letzte Fallgruppe, bei der mit der Anwendung des hier erarbeiteten Verantwortlichkeitsregimes zurückhaltend umzugehen ist, betrifft Kreditgeber und Berater der GmbH. Diese können ähnlich wie Angestellte nur in Ausnahmefällen als faktischer Geschäftsführer qualifiziert werden. So reicht es im Fall von Kreditgebern etwa nicht aus, dass diese ihre Informations- und Überwachungsrechte aus sog. financial covenants wahrnehmen, bei Geschäftsführungsentscheidungen beratend tätig werden oder die Hinzuziehung eines bestimmten Sanierungsberaters verlangen.407 Es ist vielmehr erforderlich, dass der Kreditgeber „in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur eindringt“, also beispielsweise eigenhändig die Verwaltung der Finanzen der Gesellschaft an sich zieht oder die „[exklusive] Verhandlungsführung mit allen Gesellschaftsgläubigern“ übernimmt.408 Auch im Falle eines Beraters lässt sich schließlich eine Stellung als faktischer Geschäftsführer nur dann begründen, wenn dieser, statt lediglich seine Kompetenzen beratend zur Verfügung zu stellen, „die Unternehmensleitung selbst in die Hand [nimmt]“.409 Ist dies der Fall, so kann allerdings insbesondere § 678 BGB im bereits beschriebenen Umfang zur Anwendung kommen.410 404 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 237 mit Beispielsfällen; ähnlich auch Strohn, DB 2011, 158, 164; Sorge, Haftung, S. 151 f. 405 Diese Art der Einflussnahme stellt ein „aliud“ zur im Anstellungsvertrag vorgesehenen Tätigkeit dar, siehe hierzu allgemein bereits B. III. 2. b) bb). Zu den Einzelheiten der Haftung siehe bereits im Detail B. III. 2. d) und e). 406 Siehe im Detail bereits B. III. 2. e) bb). 407 Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., GmbHR 2011, 337, 344; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 238, Sorge, Haftung, S. 144; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 301 ff.; Bork, WM 2014, 1841, 1844 ff. 408 Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., GmbHR 2011, 337, 344; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 238; Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 306. Generell gegen die Anwendung einer fremdnützigen Interessenwahrungspflicht auf Kreditgeber hingegen, Servatius, Covenants, S. 368 ff. Siehe hierzu aber bereits Kapitel 3 C. II. 2. Zur Zurechnung des Handelns des Vertreters der Bank siehe bereits Kapitel 4 E. I. 1. sowie Kapitel 5 B. III. 2. b) cc). 409 Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., GmbHR 2011, 337, 344; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 238; Strohn, DB 2011, 158, 164; Sorge, Haftung, S. 153 f. 410 Siehe hierzu allgemein bereits B. III. 2. d) und e). Die Existenz des Darlehens bzw. Beratervertrages steht der Anwendung der GoA nicht entgegen, siehe bereits B. III. 2. b) bb).

234

Kap. 5: Faktische Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung

II. Verantwortlichkeit als Hintermann Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit eines Hintermanns für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung in Form von Weisungen sind vor allem drei Fallgruppen besondere Beachtung zu schenken. 1. Gesellschafter Zunächst ist, wie bereits unter B. III. 3. b) dargelegt, besonders vorsichtig zu verfahren, wenn es um die Anwendung des hier erarbeiteten Verantwortlichkeitsregimes auf weisende Gesellschafter geht. Grundsätzlich scheidet diese aus, solange der oder die Gesellschafter ihre Einflussnahme auf die gesetzlich vorgesehenen Mittel beschränken.411 Anderes gilt nur, wenn der bestellte Geschäftsführer als Folge umfassender Weisung durch die Gesellschafterversammlung in der MehrpersonenGmbH oder durch den einzigen Gesellschafter in der Einpersonen-GmbH nicht mehr in der Lage ist, seine gläubigerschützenden Pflichten zu erfüllen.412 Ebenfalls denkbar ist eine Verantwortlichkeit schließlich, wenn ein Gesellschafter in der Mehrpersonen-GmbH Weisungen an der Gesellschaftsversammlung vorbei direkt an den bestellten Geschäftsführer erteilt.413 Ein solches Vorgehen stellt einen Eingriff in die Kompetenzordnung der Gesellschaft und ein „aliud“ zu den zulässigen Einflussnahmemöglichkeiten eines Gesellschafters dar.414 Folglich kann § 678 BGB in Bezug auf die Tätigkeit im Gesellschaftsinteresse zur Anwendung kommen, wenn die Einflussnahme gegen den Willen der übrigen Gesellschafter stattfindet.415 Daneben besteht zudem stets eine Verantwortlichkeit nach § 678 BGB in Bezug auf die Tätigkeit im Gläubigerinteresse. Denkbar ist schließlich auch eine Haftung gegenüber Neugläubigern aus culpa in contrahendo.416 2. Im Konzern Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für Weisungen im Konzern muss wiederum zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern unterschieden werden. Ob im Vertragskonzern die Muttergesellschaft oder deren Organe wegen Weisungen 411

Siehe im Detail bereits B. III. 3. b). Siehe im Detail bereits ibid. Zu den möglichen Anspruchsgegnern im Fall der Weisung durch die Gesellschafterversammlung siehe inbesondere Fn. 374. 413 Ebenso Fleischer, GmbHR 2011, 337, 345; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 241; Sorge, Haftung, S. 148. Auch hier sprechen die in Fn. 390 genannten Gründe für eine Lösung allein über die GoA und gegen eine Lösung über die Treuepflicht. 414 Strohn, DB 2011, 158, 161 sowie B. III. 2. b) bb). 415 Siehe allgemein bereits B. III. 3. a). Entspricht die Einflussnahme dem Willen aller Gesellschafter kommt wiederum nur die Anwendung von § 677 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB infrage. 416 Siehe bereits B. III. 3. a). 412

C. Überblick über die Ergebnisse anhand von Fallgruppen

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an die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft dem hier erarbeiteten Verantwortlichkeitsregime für faktische Einflussnahme unterworfen werden müssen, wurde bereits oben unter B. III. 3. c) ausführlich erläutert und grundsätzlich abgelehnt. Für die Rechtslage im faktischen Konzern ist wiederum auf die soeben getroffenen Ausführungen zur Verantwortlichkeit der Gesellschafter zu verweisen. D. h., Weisungen eines Gesellschafters vorbei an der Gesellschafterversammlung können, wenn sie einen entsprechenden Umfang erreicht haben, auch hier zu einer Verantwortlichkeit sowohl in Bezug auf die Verletzung von Gesellschaftsinteressen als auch in Bezug auf die Verletzung von Gläubigerinteressen führen.417 Schließlich kommt eine Verantwortlichkeit auch infrage, wenn eine lückenlose Weisungserteilung durch die Gesellschafterversammlung in der Mehrpersonen-GmbH oder durch den einzigen Gesellschafter einer Einpersonen-GmbH dazu geführt hat, dass der bestellte Geschäftsführer nicht mehr in der Lage ist, seine gläubigerschützenden Pflichten zu erfüllen.418 3. Kreditgeber und Berater Im Hinblick auf Kreditgeber und Berater wurde schließlich bereits unter C. I. 4. festgestellt, dass eine Verantwortlichkeit nach dem hier vorgeschlagenen Modell nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, aber zugleich auch nicht völlig ausgeschlossen ist. So können auch Weisungen des Kreditgebers dann eine Haftung wegen faktischer Einflussnahme auf die Geschäftsführung nach sich ziehen, wenn durch sie dem bestellten Geschäftsführer in entsprechendem Umfang konkrete Geschäftsführungsmaßnahmen vorgegeben werden, welche dieser ohne eigenen Handlungsspielraum nur noch umzusetzen hat.419 Ebenso trifft dies auf professionelle Berater zu.420

417

Siehe bereits C. II. 1. Gleiches gilt für die Haftung aus c.i.c. Siehe bereits C. II. 1. Zu den möglichen Anspruchsgegnern im Fall der Weisung durch die Gesellschafterversammlung siehe inbesondere Fn. 374. 419 Sandhaus, Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer, S. 307; ähnlich auch Strohn, DB 2011, 158, 163; Sorge, Haftung, S. 155. 420 Sorge, Haftung, S. 154. 418

Kapitel 6

Zusammenfassung in Thesen 1. Die Rechtsfigur der faktischen GmbH-Geschäftsführung beschreibt Fälle, in denen eine Person ohne in irgendeiner Form hierzu bestellt zu sein, tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt. Abzugrenzen ist die faktische Geschäftsführung von der Figur des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers sowie vom Geschäftsführer kraft Rechtsscheins (siehe Kapitel 1 B.). 2. Ganz überwiegend wird heute in Rechtsprechung und Literatur davon ausgegangen, dass es sich bei der faktischen Geschäftsführung um ein Problem der Einzelnormanwendung handelt und dass es unter bestimmten Voraussetzungen zum Schutz von Gläubigern und Gesellschaftern notwendig ist, einzelne für den bestellten Geschäftsführer geltende haftungsbewährte Pflichten auch auf den faktischen Geschäftsführer anzuwenden (sog. Normanwendungsmodell). Welche Voraussetzungen dies sind, ist allerdings ebenso wie die Frage nach dem Kreis der anwendbaren Normen äußerst umstritten (siehe Kapitel 2 C.). 3. Methodisch wird die Einzelnormanwendung im Wege der teleologischen Extension bzw. Analogie umgesetzt, wobei beide Formen der Rechtsfortbildung das Vorliegen einer Regelungslücke erfordern. Der Nachweis dieser Lücke ist durch einige Äußerungen des Gesetzgebers zur faktischen Geschäftsführung im Zusammenhang mit dem MoMiG nicht etwa obsolet geworden und aus diesen Äußerungen ergibt sich zudem auch keine generelle Billigung des Normanwendungsmodells (siehe Kapitel 3 A. I.). 4. Die Verwendung des von einigen Literaturstimmen zusätzlich in die Diskussion eingeführten Typuskonzepts sollte allerdings aufgegeben werden, weil dessen Zusammenspiel mit der Methodik der Analogie und teleologischen Extension bis heute unklar geblieben ist und das Konzept darüber hinaus keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn bringt (siehe Kapitel 3 A. II.). 5. Angezweifelt wurde das Vorliegen einer Regelungslücke als Voraussetzung für die Einzelnormanwendung auf faktische Geschäftsführer bisher vor allem von Stein und Dinkhoff. Ihre Kritik kann aber weder methodisch noch sachlich überzeugen. Die Haftung des faktischen Geschäftsführers aus Delikt, Vertrag oder der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist für das Vorliegen einer Regelungslücke ebenso wenig relevant wie die Haftung Dritter. Zudem bietet beides auch keinen ausreichenden Schutz für Gläubiger und Gesellschafter vor faktischer Einflussnahme auf die Geschäftsführung (siehe Kapitel 3 B.).

Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

237

6. Soweit für die Vergleichbarkeit von bestelltem und faktischem Geschäftsführer als Voraussetzung einer Regelungslücke vorgetragen wird, auch zwischen letzterem und der Gesellschaft bestünde eine Sonderverbindung, können die bisher vorgetragenen Begründungen für diese Verbindung ebenfalls nicht überzeugen. Die faktische Geschäftsführung stellt keine typisierte Vertrauenshaftung dar und auch die häufig postulierte Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung ist bis heute ohne tragfähige methodische und dogmatische Grundlage geblieben (siehe Kapitel 3 C. I.). 7. Um zu bestimmen, in welchen Fällen die Anwendung einer Geschäftsleiterpflicht auf nicht bestellte Personen notwendig ist, um den Zweck der gesetzlichen Regelung zu verwirklichen und Wertungswidersprüche zu vermeiden, sind ferner die in Rechtsprechung und Literatur vorgeschlagenen Merkmale des Außenauftritts bzw. der Billigung durch das Bestellungsorgan ungeeignet. Es fehlt an einem erkennbaren Bezug dieser zum Zweck der hier untersuchten Normen (§§ 43, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO). Zutreffend beschreibt hingegen die in der Literatur vorgeschlagene Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise das mit der Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers vergleichbare besondere Gefährdungspotential faktischer Geschäftsführung (siehe Kapitel 3 C. II.). 8. Trotz vergleichbaren Gefährdungspotentials ist von der Anwendung der hier untersuchten Geschäftsführerpflichten auf faktische Geschäftsführer allerdings dennoch abzusehen, weil der Zweck dieser Pflichten auf diese Weise nicht voll verwirklicht werden kann und zudem Wertungswidersprüche entstehen. Zunächst scheitert die Anwendung diverser Handlungspflichten wie der Insolvenzantragspflicht auf den faktischen Geschäftsführer, weil diesem nicht die hierfür notwendigen Rechte zustehen. Auch das Abstellen auf eine faktische Machtposition behebt dieses Problem nicht überzeugend. Ist die Übertragung von Geschäftsführerpflichten damit aber überhaupt nur eingeschränkt möglich, so besteht für Gläubiger und Gesellschafter trotz vergleichbarer Gefährdung während der faktischen Geschäftsführung stets nur ein herabgesetzter Schutz. Es wäre beiden Interessengruppen folglich am besten damit gedient, wenn der faktische Geschäftsführer seine Tätigkeit von vornherein unterließe. In diese Richtung kann die Anwendung der Geschäftsführerpflichten das Verhalten des faktischen Geschäftsführers aber nicht steuern, weil diese Pflichten auf den bestellten Geschäftsführer zugeschnitten sind, dessen Tätigwerden im Gegensatz zum faktischen Geschäftsführer erwünscht ist. Dem notwendigen Gläubiger- und Gesellschafterschutz muss daher durch ein anderes Verantwortlichkeitsregime Rechnung getragen werden, das diese Überlegungen berücksichtigen kann (siehe Kapitel 3 C. III. 1. und 2.). 9. Ein Blick ins englische Gesellschaftsrecht zeigt zunächst, dass dort das Institut des de facto director ebenfalls als Normanwendungsproblem gesehen wird. Zudem ist weder der de facto noch der shadow director dem de jure director vollständig

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Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

gleichgestellt. Insbesondere verfügen beide nicht über vergleichbare Rechte (siehe Kapitel 4 C. I. und D. I.). 10. Sodann hat der Rechtsvergleich weitere Argumente dafür geliefert, dass die deutsche Rechtsprechung ihr Verständnis des Begriffs der faktischen Geschäftsführung überdenken und stattdessen allein darauf abstellen sollte, ob die betreffende Person organspezifische Funktionen in organtypischer Weise wahrgenommen hat oder nicht. So spricht für eine spezifische Verantwortlichkeit auch von Hintermännern für faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung wie im englischen Recht trotz anderer Kompensationsmöglichkeiten über das Konzernrecht und die Gesellschafterhaftung in Deutschland, dass eine solche Verantwortlichkeit nicht nur sicher lückenlosen Schutz gewährleisten würde, sondern mit ihr auch eine wesentlich bessere Präventionswirkung verbunden wäre. Dafür gegebenenfalls auch juristische Personen wie im englischen Recht als faktische Geschäftsführer zu qualifizieren, spricht des Weiteren, dass ein solches Vorgehen wertungsmäßig überzeugender ist und eine weniger zeit- und kostenintensive Rechtsdurchsetzung ermöglicht als eine Hilfskonstruktion, die beim Organ der juristischen Person anknüpft. Sofern schließlich die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise als zu unbestimmt abgelehnt wird, zeigen die Erfahrungen mit ähnlich weiten Formulierungen in der englischen Rechtspraxis, dass Rechtsunsicherheit wohl nicht zu befürchten wäre (siehe Kapitel 4 E. I.). 11. Entgegen einiger Stimmen in der Literatur lässt sich die Tatsache, dass in England Geschäftsführerpflichten auf nicht bestellte Personen angewendet werden, hingegen dennoch nicht als weiteres Argument für ein entsprechendes Vorgehen im deutschen Recht anführen. Dies liegt daran, dass die Anwendung einzelner Geschäftsführerpflichten auf de facto und shadow director sich weit weniger problematisch gestaltet als die Anwendung ihrer funktionalen Äquivalente auf den faktischen Geschäftsführer im deutschen Recht. Zunächst setzen die untersuchten pflichtenbegründenden Normen des englischen Rechts in der bisherigen Praxis in weit geringerem Umfang voraus, dass der de facto oder shadow director auch über direktorale Rechte verfügt. Darüber hinaus enthält das englische Recht zudem spezielle Regelungen, die im besonders problematischen Fall des disqualifizierten director Anreize schaffen, dass dieser von vornherein nicht als de facto oder shadow director tätig wird (siehe Kapitel 4 E. II. und III. sowie F.). 12. Schließlich zeigt der Blick ins englische Recht auch, dass trotz einer Teilkodifikation der Problematik der faktischen Geschäftsführung wichtige Fragen im Hinblick auf die Qualität der Einflussnahme ungeklärt sind und damit weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben. Vor diesem Hintergrund scheint auch für das deutsche Recht mehr als zweifelhaft, ob eine Erstkodifikation tatsächlich zu einem wesentlichen Gewinn an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit führen würde. Eine Kodifikation der Problematik auf der Ebene des Europarechts wäre zudem nur sinnvoll, wenn auch das Pflichtenprogramm der Geschäftsführer einheitlich geregelt würde. Dies würde allerdings tief in das nationale Gesellschaftsrecht eingreifen und

Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

239

umfangreiche Vorarbeiten notwendig machen. Eine Lösung allein im nationalen Recht scheint daher zumindest zurzeit vorzugswürdig (siehe Kapitel 4 E. I. 2. und F.). 13. Bei der Erarbeitung einer solchen Lösung muss, wie sich aus den vorherigen Abschnitten ergeben hat, zunächst beachtet werden, dass der faktische Geschäftsführer in der Lage ist, die ihm auferlegten Pflichten auch tatsächlich zu erfüllen. Darüber hinaus muss das Verantwortlichkeitsregime vor allem so ausgestaltet sein, dass der faktische Geschäftsführer dazu angehalten wird, die Aufnahme seiner Tätigkeit von vornherein zu unterlassen. Zur Bestimmung, wann die Anwendung dieses Regimes im Einzelfall notwendig ist, kann schließlich auf die Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise abgestellt werden (siehe Kapitel 5 A.). 14. Zur Umsetzung dieser Zielvorgaben lassen sich die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag fruchtbar machen. Ausgangspunkt hierfür ist zunächst die Überlegung, dass der bestellte Geschäftsführer zwar grundsätzlich allein im Gesellschaftsinteresse, verstanden als das Interesse der Gesellschaftergesamtheit, tätig wird, daneben aber auch stets im Gläubigerinteresse die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu beobachten hat. Allein an den Interessen der Gläubiger muss der Geschäftsführer sein Handeln schließlich dann ausrichten, wenn die Gesellschaft insolvent geworden ist. Insbesondere hat er Zahlungen entgegen § 64 oder § 30 GmbHG zu unterlassen und muss unverzüglich Insolvenzantrag stellen. Insofern lässt sich der bestellte Geschäftsführer als „Diener zweier Herren“ bezeichnen (siehe Kapitel 5 B. I.). 15. Nimmt nun der faktische Geschäftsführer organspezifische Funktionen in organtypischer Weise wahr, so wird er wie sein bestelltes Pendant ebenfalls im fremden Interesse sowohl der Gesellschaft als auch der Gläubiger tätig. Hierzu fehlt ihm allerdings mangels Bestellung die Berechtigung. Es sind daher die §§ 677 ff. BGB, insbesondere § 678 BGB anwendbar [siehe Kapitel 5 B. II. und III. 2. a) und b)]. 16. Gerade die Anwendung von § 678 BGB ist von besonderer Bedeutung, weil die Norm geeignet ist, den faktischen Geschäftsführer von vornherein davon abzuhalten, seine Tätigkeit aufzunehmen. Bei gegenteiligem Verhalten ermöglicht sie zudem auch den Ersatz von durch die Geschäftsführung entstandenen Schäden. Insofern als § 678 BGB voraussetzt, dass die Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn übernommen wird, ist grundsätzlich auf den Willen der Gesellschaftergesamtheit abzustellen. Läuft die Geschäftsführung diesem zuwider, sind sich daraus ergebende Schäden der Gesellschaft zu ersetzen, ohne dass es auf ein weiteres Ausführungsverschulden ankäme. Einschränkend ist lediglich zu fordern, dass die Schäden auf Handlungen beruhen, die für einen bestellten Geschäftsführer eine Verletzung seiner Pflichten gegenüber der Gesellschaft darstellen würden [siehe Kapitel 5 B. III. 2. c) – e)]. 17. Neben diesem Anspruch in Bezug auf die Verletzung des Gesellschaftsinteresses besteht darüber hinaus ein weiterer Anspruch aus § 678 BGB in Bezug auf

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Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

die Verletzung der Interessen der Gläubiger, weil die faktische Geschäftsführung stets auch deren (mutmaßlichem) Willen widerspricht. Der Anspruch, dessen Entstehung bereits bei Beginn der faktischen Geschäftsführung angelegt ist und der entsprechend der für das GmbH-Recht typischen Haftungskanalisierung als Anspruch der Gesellschaft ausgestaltet ist, erfasst grundsätzlich alle durch den faktischen Geschäftsführer veranlassten Verfügungen und verursachten Schäden, vor denen das Gesetz die Gläubiger im Falle der Tätigkeit eines bestellten Geschäftsführers durch §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB schützen würde. Ein Ausführungsverschulden des faktischen Geschäftsführers spielt auch hier keine Rolle. Nicht erfasst sind von § 678 BGB allein die insolvenzbedingten Individualschäden der Neugläubiger, weil diese nicht über die Gesellschaft abgewickelt werden können. Ergänzend ist stattdessen auf das Institut der culpa in contrahendo zurückzugreifen, so dass auch die Neugläubiger letztlich nicht ohne Schutz bleiben [siehe Kapitel 5 B. III. 2. c) – e)]. 18. Besonderheiten sind schließlich zu beachten, wenn ein Hintermann lediglich durch Weisungen faktisch Einfluss auf die Geschäfte nimmt. Hier bedarf es zum einen zur Begründung der Anwendbarkeit von §§ 677 ff. BGB der Hinzuziehung von § 278 BGB, zum anderen muss neben dem Einflussnehmenden zusätzlich stets auch der bestellte Geschäftsführer in den Blick genommen werden, um beurteilen zu können, welchen Effekt die Weisungen des Hintermanns haben. Für die Beantwortung der Frage, wann eine Einflussnahme durch Weisungen im konkreten Einzelfall eine Verantwortlichkeit nach sich ziehen muss, kann man sich des Weiteren nicht nur an der Formel von der Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise, sondern auch an den im englischen Recht für den shadow director entwickelten Kriterien orientieren. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Zurückhaltung bei der Anwendung der hier erarbeiteten Regeln insbesondere im Zusammenhang mit Weisungen der Gesellschafterversammlung geboten ist. Eine Verantwortlichkeit wegen faktischer Einflussnahme auf die GmbH-Geschäftsführung kommt hier allenfalls infrage, wenn der bestellte Geschäftsführer aufgrund von engmaschigen Weisungen nicht mehr in der Lage ist, seinen zwingenden gläubigerschützenden Pflichten nachzukommen (siehe Kapitel 5 B. III. 3.).

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Verzeichnis der zitierten englischen Entscheidungen Apex v Morina [2011] EWHC 2983 (Ch) Brooks v Armstrong [2015] EWHC 2289 (Ch) GHLM Trading v Maroo [2012] EWHC 61 (Ch) Item Software v Fassihi [2004] EWCA Civ 1244 Morris v Kanssen [1946] AC 459 (HL) Primlake Limited (In Liquidation) v Matthews Associates [2006] EWHC 1227 (Ch) Re AG (Manchester) Ltd [2008] EWHC 64 (Ch) Re Barings plc (no. 5) [1999] 1 BCLC 433 (Ch) Re Blackspur Group plc [1998] BCC 11 (CA) Re Canadian Land Reclaiming and Colonizing Co (1880) 14 Ch 660 (CA) Re HLC Environmental Projects Ltd [2013] EWHC 2876 (Ch) Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (Ch) Re Idessa Ltd [2011] EWHC 804 (Ch) Re Kaytech International [1999] BCC 390 (CA) Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (Ch) Re Mea Corp Ltd [2006] EWHC 1846 (Ch) Re Moorgate Metals Ltd [1995] BCC 143 (Ch) 154 Re Mumtaz Properties [2011] EWCA Civ 610 Re Paycheck Services 3 Ltd [2010] UKSC 51 Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 5 BCC 569 (Ch) Re Richborough Furniture Ltd [1996] BCC 155 (Ch) Re Snelling House Ltd [2012] EWHC 440 (Ch) Re Sports Management Group Ltd (In Liquidation) 2016 WL 02997017 Re Stakefield (Midlands) Ltd [2010] EWHC 3175 (Ch) Re Unisoft Group Ltd (No. 2) [1994] BCC 766 (Ch) Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2002] EWHC 2200 (Ch) Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch 340 (Ch) Secretary of State for Trade and Industry v Hall [2006] EWHC 1995 (Ch) Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2006] EWHC 1804 (Ch)

Verzeichnis der zitierten englischen Entscheidungen Secretary of State for Trade and Industry v Jones [1999] BCC 336 (Ch) Secretary of State for Trade and Industry v Laing [1996] BCLC 324 (Ch) 346 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC 282 (Ch) Smithton Ltd v Naggar [2014] EWCA Civ 939 Ultraframe UK Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch) Vivendi SA v Richards [2013] EWHC 3006 (Ch) West Mercia Safetywear Ltd v Dodd & Anor [1988] 4 BCC 30 (CA)

255

Stichwortverzeichnis Altgläubiger 211, 213 f. Anscheinsvollmacht 64, 101, 213 Bestellungsverbot 108, 205 f., 219 Business Judgment Rule 111 Company – limited by guarantee 120 – limited by shares 120 – private 120 – public 120 Corporate director 126 Covenants 36, 59, 195, 233 Culpa in contrahendo 212 ff., 224 De facto director 122 ff. Director – Bestellung 121 – disqualification proceedings 159 ff. – fiduciary duties 133, 152 ff. – fraudulent trading 120, 148 – Informationspflichten 149 – misfeasance 120, 129, 152 – West Merica-Pflicht 153 f. – wrongful trading 147 ff. Dirigeant de fait 19 Disqualification proceedings 159 ff. Duldungsvollmacht 64, 101, 213 Existenzvernichtungshaftung

177

Faktischer Geschäftsführer – Aufwendungsersatz 219 f. – deliktische Haftung 79 f. – Erstkodifikation 145 – Informationsrechte 100 f.; 213 – Insolvenzantragspflicht 55 ff., 99 ff., 211 f., 224 f. – Insolvenzantragsrecht 56 f., 104, 212 – Sanierungsfrist 110 – Sanierungsprivileg 34, 53, 110

– strafrechtliche Verantwortlichkeit 22, 34 – „Tatbestand“ 42 ff., 90 ff., 136 ff., 230 ff., 234 ff. – Treuepflicht 111 f., 217 f. – Überwachungspflichten 100, 103, 149, 210 f. – Verkehrssicherungspflichten 80 – Wettbewerbsverbot 112, 200, 218 Faktischer Konzern 231, 234 Faktischer Vorstand 23 Fiduciary duties 133, 152 ff. Fortführungsverbot 57 Fraudulent trading 120, 148 Geschäftschancen 61, 101 ff., 112, 155, 209, 218 Geschäftsführung ohne Auftrag – angemaßte Eigengeschäftsführung 189, 199 ff. – berechtigte GoA 187 f. – Geschäftsführerpflichten 203 ff., 217 – Geschäftsführerrechte 218 f. – Übernahmeverschulden 203 ff. – unberechtigte GoA 187 f. Geschäftsleiter – fehlerhaft bestellter 20 – kraft Rechtsscheins 21 Gesellschafterhaftung 60 ff., 180 ff, 225 ff., 230 ff., 234 Gesellschaftsinteresse 167 ff. Gläubigerinteressen 153, 178 ff., 206 ff. Haftungsfreistellung 171 ff. Haftungskanalisierung 176 Haftungsverzicht 171 ff. Haftungswirkung – Kompensation 81, 98 f., 103, 106, 119, 137 f., 152, 160, 207 f. – Prävention 81, 98 f., 104 ff., 138, 151, 161, 166, 207 Hintermann 136 ff., 211 ff., 234 ff.

Stichwortverzeichnis Informationsrechte

100 f., 179, 213

Kapitalschutz 173 Kompensation 81, 98 f., 103, 106, 119, 137, 152, 160, 207 f. Legalitätspflicht

170

Misfeasance 120, 129, 152 MoMiG 66 f. Neugläubiger

211 ff.

Organspezifische Gefährdungslage 40, 51, 97 Organverdrängung 40, 53, 83, 209 Prävention 81, 98 f., 104 ff., 138, 151, 161, 166, 207 Preferences 154 Quotenschaden

176, 211 ff.

257

Small Business, Enterprise and Employment Act 2015 120, 126, 134, 139, 147, 159, 161 Societas Unius Personae 19 Sonderverbindung – kraft Billigung 84 f. – kraft tatsächlicher Leitung 85 ff. – kraft typisierter Vertrauenshaftung 84 f. Treuepflicht – der Geschäftsführer 111 f. – der Gesellschafter 61, 137 f., 166 Typuslehre 50 f., 68 ff. Überwachungspflichten 100, 103, 149, 178, 210 f. Unternehmensinteresse 168 Verbandssouveränität 196 f. Verlustausgleichspflicht 138, 228, 229 Vertragskonzern 137, 227, 231, 234 Vertrauensschutz 43, 85, 92

Rechtsangleichung 163 Rechtsfortbildung 65 ff. Rechtsvergleichung 118 ff.

Weisungsrecht 43, 62, 168 ff., 195, 221, 225 ff., 234 West Merica-Pflicht 153 f. Wrongful trading 147 ff.

Schattendirektor Shadow director

Zölibatsgeschäftsführer Zuweisungslehre 190

136 ff., 221 ff., 234 ff. 129 ff., 223

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