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German Pages 213 Year 1994
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 82
Die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der GmbH auf ihre Gesellschafter Von
Ulrich Diez
Duncker & Humblot · Berlin
ULRICH DIEZ
Die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der GmbH auf ihre Gesellschafter
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band $2
Die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der GmbH auf ihre Gesellschafter
Von
Dr. Ulrich Diez
Duncker & Humblot - Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Diez, Ulrich: Die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der GmbH auf ihre Gesellschafter / von Ulrich Diez. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 82) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08265-6 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-08265-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken
Für Betina
Vorwort Die vorliegende Arbeit betrifft einen Teilbereich der Problemlagen, die traditionell mit dem Stichwort „Durchgriffshaftung" etikettiert werden. Sie geht speziell der Frage nach, inwieweit vertragliche Verpflichtungen einer GmbH belastende Wirkungen für die Gesellschafter erzeugen können. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1993/94 von der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand März 1994. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wernhard Möschel, danke ich für seinen Anstoß zu dieser Arbeit und für die wissenschaftliche Förderung, die ich in der Zeit meiner Assistententätigkeit an seinem Lehrstuhl erfahren habe. Die Mühe des Zweitgutachtens hat dankenswerterweise Herr Professor Dr. Wolf gang Zöllner auf sich genommen. Meinen Kollegen vom Lehrstuhl danke ich für deren stete Bereitschaft zu kritischer Diskussion. Dem Verlag Duncker & Humblot gebührt Dank für die Aufnahme der Arbeit in seine Schriftenreihe. Mein besonderer Dank aber gilt meiner Familie, die mich nach Kräften unterstützt hat: meiner Frau und meinen Kindern, die mit ihrem Zuspruch und Verständnis die Entstehung der Dissertation gefördert und über mancherlei Klippen hinweggeholfen haben, und meinen Eltern, die mir meine wissenschaftliche Ausbildung ermöglichten. Stuttgart, im Juli 1994
Ulrich Diez
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
15
1. Teil Vorhandene Lösungsansätze und deren Standort im System Kapitel 1: Stellungnahmen zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
22 22
1. Wiedemanns „Vertragszwecklehre"
22
2. Karsten Schmidts „Vertragsschlußkonzept"
27
3. Mertens „Auslegungsthese"
30
4. „Deliktslösung"
32
5. Die Ansatzpunkte der Rechtsprechung
34
Kapitel 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze 1. „Mißbrauchslehren" und „institutionelle Betrachtung" a) Die subjektive Mißbrauchslehre
36 36 36
b) Institutionelle Durchgriffslehren
40
c) Objektive Mißbrauchslehre
43
d) Stellungnahme
44
2. „Leitungsmacht der Gesellschafter und Verantwortung"
45
a) Die These vom Gleichklang von Herrschaft und Haftung
46
b) Die These von der Gesellschaft als autonomem Willenszentrum . .
47
c) Die These einer Geltung personengesellschaftlicher Zuordnungsregeln für den Realtypus personalistische GmbH
49
d) Stellungnahme
49
Kapitel 3: Zwischenergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung .
54
10
Inhaltsverzeichnis
2. Teil Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung Kapitel 1: Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten 1. Die Interessen der Gesellschaft
57 57 58
a) Die „Bestimmungsgrößen" des Gesellschaftsinteresses .
58
b) Erstreckung und Gesellschaftsinteressen
62
2. Interessen der Gesellschafter
64
3. Das Interesse der Dritt-Gläubiger
66
4. Das Interesse des begünstigten Gläubigers
66
a) Erstreckungsbedarf aus Gläubigersicht?
67
b) Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten
70
5. Relevante Drittinteressen
73
6. Zusammenfassung
74
Kapitel 2: Der zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossene Vertrag als Geltungsgrund
76
1. Das „Verbot drittbelastender Verträge" und die „Relativität der Schuldverhältnisse" als Schranke?
77
a) Zum Gegenstandsgebiet und zur Reichweite dieser Prinzipien . . . .
77
b) Gesetzliche Ausnahmen vom Verbot drittbelastender Verträge . . . .
83
2. Ansprüche aufgrund einer „Negation des Trennungsprinzips"?
85
a) Methodische Bedenken aa) Bei Ableitung eines Trennungsprinzips aus der Rechtsfolgenanordnung des § 13 Abs. 2 GmbHG 86 - bb) Bei einem primär auf die Regelung des § 13 Abs. 1 GmbHG bezogenen Verständnis des Trennungsprinzips 87
86
b) Sachliche Bedenken
89
c) Zwischenergebnis
91
3. Konsequenzen für Vertragzweck, Vertragsauslegung und Vertragsumgehung als Begründungsmodi
91
a) Vertragsauslegung
91
b) Vertragsumgehung
92
c) Möglichkeit einer Vertragszwecklehre in Parallele zur Normzwecklehre?
93
d) Verbleibende Möglichkeiten einer Effektuierung des Vertragszwecks
96
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als umfassender Lösungsansatz? 1. Rechtsgeschäftliche Begründung von Pflichten zwischen Gesellschafter und Gläubiger a) Selbstbindung durch Selbsthandeln aa) Bedeutung des Gläubigerinteresse für die Auslegung der ausgetauschten Erklärungen 99 - bb) Zwischenergebnis 103 b) Verpflichtung im Wege der Stellvertretung 2. Eigenhaftung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus c.i.c
97 97 97
103 105
a) Zur Person des Schuldners vorvertraglicher Pflichten aa) Inanspruchnahme besonderen Vertrauens als Verpflichtungsgrund 106 - bb) Die Rechtsprechung zur Eigenhaftung aufgrund Eigeninteresses 106
105
b) Der Umfang einer Erstreckung
110
c) Zwischenergebnis
112
3. Bindung nach Deliktsrecht
112
a) Die subjektive Tatseite des § 826 BGB
114
b) Das Verdikt der Sittenwidrigkeit aa) Beispielsfälle aus der Rechtsprechung zur Beeinträchtigung der Forderung durch Einwirken auf die Schuldnergesellschaft 115 bb) Wirkbereich der Norm 118
114
c) Rechtsfolge eines Verstoßes
119
d) Zwischenergebnis
119
4. Inanspruchnahme aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben? . a) Vorgaben und Grenzen aufgrund der bisherigen Ergebnisse b) Verpflichtung der Gesellschafter aufgrund widersprüchlichen Verhaltens aa) Beispielsfälle 122 - bb) Argumente für eine Bindung jenseits rechtsgeschäftlicher Verpflichtung 123 - cc) Kann das Verbot widersprüchlichen Verhaltens nur Rechte begrenzen? 126
120 120 122
c) Zwischenergebnis
127
5. Abgeleitete Ansprüche
128
a) Geeignete Innenbindung des Gesellschafters als Voraussetzung . . .
129
b) Pflicht der Gesellschaft zur Übertragung eigener Rechtsmacht . . . .
130
c) Grenzen der Übertragbarkeit gesellschaftlicher Ansprüche
131
d) Zwischenergebnis
133
Kapitel 4: Verbliebener Klärungsbedarf
133
12
Inhaltsverzeichnis
3. Teil Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell Kapitel 1: Jedermanns-Pflicht, die praktische Wirksamkeit fremder Forderungen nicht zu beeinträchtigen?
136
136
1. Ausgangspunkt der Überlegungen
136
2. Aktuell vertretene Ansätze
138
a) Die Forderungszuständigkeit als Schutzobjekt des § 823 Abs. 1 BGB
139
b) Anspruch auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners . .
140
c) Verbot der ihrem Zweck nach gegen das Recht gerichteten Handlungen
141
3. Berechtigung eines allgemeinen StörungsVerbotes? Kapitel 2: Begründung einer Pflicht der Gesellschafter, die Gläubigerforderung nicht zu entwerten 1. Der Geltungsgrund der Respektpflicht
142
144 145
a) Besonderheiten in der Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger
145
b) Mittelbares rechtsgeschäftliches Band als „Sonderverbindung" im Sinne des § 242 BGB?
148
c) Besondere Interessenverknüpfung und Interessengefährdung als zusätzliche adressatenreduzierende Kriterien aa) Relevanz dieser Kriterien in anderen Zusammenhängen 152 bb) Funktion dieser Merkmale 154 2. Inhalt der Loyalitätspflichten des Gesellschafters nach Treu und Glauben — Arten der zu erstreckenden Verbindlichkeiten a) Wettbewerbsverbote aa) Das vertragliche Verbot, persönlich in Wettbewerb zum Gesellschaftsgläubiger zu treten 157 - bb) Das Verbot, Dritten Wettbewerbsmöglichkeiten zu eröffnen 164
152
156 157
b) Geheimhaltungspflichten und Verwertungsverbote
167
c) Patentanfechtung
168
d) Ausschließlichkeitsbindungen aa) Erstreckung aufgrund der Respektpflicht? 173 - bb) Gemäß
171
§ 826 BGB? 174 e) Unvertretbare Handlungen
174
f) Duldungspflicht
177
Inhaltsverzeichnis
3. Voraussetzungen in der Person des Gesellschafters und allgemeine Schranken einer Inanspruchnahme
179
a) Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft
179
b) Fortbestand der Mitgliedschaft als Erfordernis?
182
c) Abdingbarkeit der Erstreckung
184
4. Erzwingbarkeit der Respektpflicht
185
Kapitel 3: Vereinbarkeit der Respektpflicht mit der Haftungsordnung der GmbH
189
1. Die Funktion des § 13 Abs. 2 GmbHG aus Sicht des Gesetzgebers . .
191
2. Teleologische Gesichtspunkte
194
3. Folgerungen aus der Existenz eines Haftungsfonds
196
4. Ergebnis der Prüfung
197
Schluß
199
Literaturverzeichnis
205
Einleitung Die Drittwirkungen von Schuldverhältnissen wurden im allgemeinen Schuldrecht nur unvollständig explizit geregelt 1. Die vorliegende Arbeit behandelt ein spezielles Problem aus diesem Kontext. Im Zentrum steht die Frage nach belastenden Wirkungen eines Vertrages auf Personen, die nicht Vertragspartner sind, aber doch dem Schuld Verhältnis nahestehen: Es geht darum, ob vertragliche Verpflichtungen der GmbH eine inhaltsgleiche Bindung des Gesellschafters nach sich ziehen können. Dabei wird der Umfang der gesellschaftsfreien Sphäre des Gesellschafters von der Reichweite des von den Beteiligten selbst geschaffenen Rechts sowie der pflichtbegründenden Wirkung des objektiven Rechts bestimmt. Das Erkenntnisinteresse besteht darin, zu klären, welche Gründe eine zusätzliche Verpflichtung des Gesellschafters neben der Gesellschaft als causa rechtfertigen können. Es ist die Trennlinie zwischen Freiheit und Bindung des Gesellschafters angesichts vertraglicher Verbindlichkeiten des Verbandes zu ziehen. Die Sachbehandlung ist kontrovers. Dies mag ein erstes Beispiel veranschaulichen: Für eine ausdrücklich nur von der GmbH gegenüber Dritten übernommene Unterlassungspflicht ist umstritten, ob sie auch zu Lasten der Verbandsmitglieder persönlich wirken kann. Zu denken ist etwa an ein Wettbewerbsverbot, das anläßlich der Teilveräußerung eines Unternehmens, im Zusammenhang mit Gebrauchsüberlassungsverträgen oder gelegentlich einer Lieferbeziehung vereinbart wurde 2. Die Palette der vertretenen Lösungen reicht von der gänzlichen Ablehnung einer Erstreckung der Pflichtenstellung der GmbH auf den Gesellschafter 3 über die Vorstellung einer Begründbarkeit 1
Vgl. exemplarisch Hirth, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, insbes. S. 28 ff. und 106 ff. 2 S. für ein Konkurrenzverbot als Gegenleistung einer Abnahmeverpflichtung z.B. RG GmbHR 1919, 49 ff. (GmbH), wo sich der Vertragspartner verpflichtete, einen Teil seines Schuheinkaufs bei einem Dritten zu decken, während sich die GmbH, die hieraus Umsatzprovision erhielt, im Gegenzug dem Verbot unterwarf, am selben Ort kein Schuhgeschäft zu betreiben. Einschlägige Sachverhalte sind auch aus der Rspr. zu den Personengesellschaften geläufig. Vgl. nur BGH WM 1974, 253 ff. (KG), den Fall eines räumlich beschränkten Verbots zum erwerbswirtschaftlichen Betrieb einer Müllabfuhr betreffend. RGZ 136, 266 ff. (OHG) hatte über die Wirkung eines Wettbewerbsverbots in einem Grundstücksmietvertrag zu befinden; die inkriminierte Handlung lag hier im Betrieb einer Tankstelle. 3 So etwa Wilhelm, Rechtsform, S. 251, Fn. 814 a.E., der allerdings eine etwaige Schadensersatzpflicht des Gesellschafters offenläßt.
16
Einleitung
derartiger Wirkungen allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines individuellen Rechtsmißbrauchs im Einzelfall 4 bis zur Annahme einer Einstandspflicht der Mitglieder „nach Art des § 128 HGB". Die zuletzt genannte Auffassung will den Gesellschafter persönlich zur Unterlassung verpflichten, wenn Verband und Mitglied eng verflochten sind, was beispielsweise bei Personalunion von Geschäftsführer und herrschendem Gesellschafter anzunehmen sei5. Als weitere Fälle sind unter anderem zu nennen: Die Verpflichtung, die ganze Produktion einem bestimmten Abnehmer zu überlassen, einem Kunden Meistbegünstigung zu gewähren oder eine bestimmte Art von Waren ausschließlich beim Vertragspartner zu beziehen. Maßnahmen zur „Vermeidung" einer derartigen Leistungs- oder Unterlassungspflicht sind insbesondere im Konzern vorstellbar: Dort wird es einer Muttergesellschaft als Gesellschafterin des vertraglich gebundenen Unternehmens vielfach möglich sein, Produktion und Vertrieb selbst zu übernehmen oder auf eine bereits existierende Untergesellschaft zu verlagern, so daß die zur „Umgehung" der Vertragspflicht erforderlichen institutionellen und organisatorischen Kosten wesentlich geringer ausfallen, als dies bei einer Neugründung eines Geschäftsbetriebs der Fall wäre 6. Eine Einstandspflicht der Mitglieder scheint zunächst nicht in Frage zu kommen: Zum einen würde das dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen zuwiderlaufen; ferner widerspricht es dem § 13 GmbHG, der in Abs. 1 der Gesellschaft mit beschränkter Haftung eigene Rechtspersönlichkeit verleiht 7 und in Abs. 2 nach vorherrschender Deutung die Vermögens- und personenrechtliche Selbständigkeit der GmbH und ihrer Gesellschafter statuiert 8 (sogenanntes Trennungsprinzip). Doch ist für viele Fälle ein gewisses Unbehagen nicht von der Hand zu weisen, wenn der Gesellschafter durchgängig so behandelt wird, als sei er am Vertragsverhältnis der Gesellschaft völlig unbeteiligt. - Zum einen kann sich die Forderung des Gläubigers bei „Fehlverhalten" des Gesellschafters als im Ergebnis wertlos erweisen. Ging es dem Gläubiger beispielsweise darum, daß bestimmte bei der Schuldner-GmbH vorhandene Kenntnisse im Geschäftsverkehr keine Verwendung finden, ist es für 4
So z.B. MK/Reuter, vor § 21 Rdnrn. 25, 47. So Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 233. 6 Vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1234 ff., wo die Obergesellschaft selbst eine der Untergesellschaft untersagte Vermietung von Gewerberäumen vornahm. 7 Inzwischen allg. M., a.A. noch einige Autoren kurz nach der Jahrhundertwende sowie zuweilen das PrOVG; s. dazu die Nachweise bei Hachenburg, 5. Aufl. 1926, § 13 Anm. 2. 8 Vgl. bereits RGZ 156, 271, 277. 5
Einleitung
ihn unerheblich, ob sein Erfüllungsinteresse durch Handlungen der Gesellschaft oder der Gesellschafter konterkariert wird. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die GmbH gelegentlich einer Lieferbeziehung verpflichtete, ein bestimmtes Produkt nicht selbst auf den Markt zu bringen. Sind die Gesellschafter besser, oder gar ausschließlich in der Lage, die von ihrer Gesellschaft geschuldete Leistung zu erbringen, hängt eine am Obligationszweck orientierte optimale Befriedigung der Gläubiger davon ab, ob ihnen der Zugriff auf das Leistungspotential der Gesellschafter eröffnet ist. Damit ist zugleich die Frage angesprochen, ob auch Leistungspflichten der Gesellschaft, seien sie vertret- oder unvertretbar, auf den Gesellschafter ausstrahlen können9. - Zum anderen steht der Gesellschafter nicht bezugslos neben der Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft. Er ist Mitglied des Schuldners und profitiert in der Regel von dessen Geschäftstätigkeit; zudem ist er als Verbandsmitglied notwendig mit Kontroll- und Mitentscheidungsrechten ausgestattet. Dieser Bezug kann im Einzelfall in verschiedener Weise zusätzlich qualifiziert sein: Abweichend von der bei Kapitalgesellschaften als Typus bestehenden Idee der Fremdorganschaft und in Annäherung der Binnenstruktur an die für Personengesellschaften geltende Rechtslage, können auch Gesellschafter als Geschäftsführer organschaftlich für die GmbH handeln (§ 6 Abs. 3 S.l GmbHG). - Ferner kann ein einzelner Gesellschafter bei überlegener Stimmrechtsmacht die Geschäftstätigkeit der GmbH weitgehend bestimmen. Oder er ist - gänzlich in Abkehr von der Vorstellung einer Gesellschaft als Instrument zur gemeinschaftlichen Interessenverfolgung mehrerer - gar alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft 10. - Daneben ist vorstellbar, daß die Position eines Gesellschafters diesem Sonderwissen bzw. Kenntnisse zugänglich macht, die ihn erst in den Stand setzen, persönlich einer Pflicht der Gesellschaft zuwiderzuhandeln. Man denke etwa an Geheimhaltungspflichten hinsichtlich besonderer Kenntnisse des Gläubigers, die dieser der GmbH zum Zwecke der Vertragsabwicklung offenbarte. Mit den Stichworten Beherrschung und Geschäftsführereigenschaft sind zwei Momente benannt, die einem Gesellschafter je einzeln, aber insbesondere kumulativ ein erhöhtes Maß an Einfluß auf die konkrete Geschäftstätigkeit der Gesellschaft vermitteln. Damit korrespondiert möglicherweise aber auch 9
Für Erstreckung unvertretbarer Leistungspflichten unter spezifischen Voraussetzungen z.B. Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnrn. 58, 56. 10 Inzwischen ist gem. § 1 GmbHG auch die Einmanngründung einer GmbH zulässig. 2 Diez
18
Einleitung
ein erhöhtes Maß an Verantwortung für die Verbindlichkeiten der GmbH. Ist vor diesem Hintergrund eine Erstreckung von Verbindlichkeiten von der Gesellschaft auf den Gesellschafter ernstlich in Betracht zu ziehen, um als unverdient empfundene Vorteile des Gesellschafters abzuwehren, wird auch die Praxisrelevanz der Thematik offenbar: Nach neueren rechtstatsächlichen Untersuchungen beträgt der Anteil personalistischer GmbHs - d.h. solcher mit 2 bis 5 Gesellschaftern, von denen jedenfalls ein Teil im Unternehmen selbst tätig ist - an den derzeit vermutlich weit mehr als 450.000 existierenden GmbHs 11 etwa 70% 12 ; der Anteil von Einmanngesellschaften dürfte mit 25% zu veranschlagen sein13. Von diesen Überlegungen ausgehend ließe sich die Aufgabenstellung folgendermaßen präzisieren. Es sind die normativen Kriterien zu bestimmen, denen für eine Erstreckung Bedeutung zukommt: - Muß die in Bezug genommene Obligation der Gesellschaft inhaltlich besonders qualifiziert sein, um eine „Erstreckung" auf den Gesellschafter rechtfertigen zu können? - Welche Stellung muß dem Gesellschafter in der Gesellschaft bzw. gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger zukommen, damit er sich möglicherweise als „kostenlos beigegebener Zweitschuldner" präsentieren muß? -
Spielt hierbei eine Rolle, ob es sich um einen Privatgesellschafter oder ein Unternehmen als Mitglied handelt? Und:
- Ist bereits das Tun oder Unterlassen des einzelnen Gesellschafters erstrekkungsbegründend? Oder ist ein die Gläubigerinteressen beeinträchtigendes Vorgehen aller Gesellschafter erforderlich, wie es etwa bei gemeinsamer Neugründung einer Gesellschaft vorliegt, wenn dies zur Folge hat, daß die Verpflichtungen der Alt-GmbH leerlaufen 14.
11
Zum 31.12.1990 waren allein im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik über 430.000 Gesellschaften mbH in das Handelsregister eingetragen, s. Zöllner, JZ 1992, 381. 12 Unter Einschluß der Komplementär-GmbHs personalistisch strukturierter GmbH & Co KGs. 13 Vgl. Hachenburg/ Ulmer, Einl. Rdnrn. 8 f., 72 f., der auf Untersuchungen aus den Jahren 1965 und 1982 rekurriert. 14 Als eklatanten Fall für die GmbH s. RGZ 114, 68 ff.; dort war die Lichtspielgesellschaft mbH eigens aufgelöst und von denselben Gesellschaftern neu gegründet worden, um sich einem Vertrag zu entziehen, der dem Gesellschaftsgläubiger Reklamerechte gewährte. Als Anschauungsmaterial aus dem Bereich der Personengesellschaften s. die in Fn. 2 genannten Entscheidungen sowie BGHZ 59, 64 ff. und BGH WM 1975, 777 ff., die beide ein Auskiesungsverbot betreffen.
Einleitung
19
Dazu muß aber zunächst geklärt werden, ob und gegebenenfalls weshalb derartige Ansprüche bestehen, und wie diese Gewährungsgründe in das Rechtssystem einzuordnen sind. Ein Bezug unserer Thematik zur sogenannten „Durchgriffsdiskussion" 15 ist unverkennbar: Hier wie dort geht es um die Frage einer etwaigen Mitverpflichtung des Gesellschafters. Wird dabei der Durchgriff jedoch eng verstanden, nämlich als „ausnahmsweise Gleichsetzung von Gesellschaft und Gesellschaftern" bei Erstreckung eines „an sich ausschließlichen rechtlichen Betroffenseins von jener auf diese oder umgekehrt" 16 , so werden nicht nur die Fälle offenkundiger vertraglicher Bindung des Gesellschafters aus dem Diskussionszusammenhang ausgeklammert; neben Bürgschaft, Garantie und Patronatserklärung blieben auch andere Gründe einer eigenständigen Verpflichtung der Gesellschafter - wie etwa Delikt und Rechtsscheinhaftung - sowie Fälle zunächst zweifelhaft erscheinender Selbstbindung oder Stellvertretung von vornherein unerörtert. Im Gegensatz dazu sollen die benannten Möglichkeiten einer Bindung des Gesellschafters grundsätzlich in die Betrachtung einbezogen werden. Erstreckung wird hier nicht „technisch" im Sinne eines Vorgangs der Transformation der Schuld der Gesellschaft auf den Gesellschafter, sondern weitergehend und zunächst unbestimmter, als Fall der Ausstrahlung der Verbindlichkeit der Gesellschaft auf den Rechtskreis des Gesellschafters begriffen, und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen ist zunächst fragwürdig und unklar, ob überhaupt Geltungsoder Zurechnungsgründe jenseits der gesetzlich benannten bzw. gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitute existieren; so gehört etwa die Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter 17 bislang nicht zum dogmatisch gesicherten Fundus anspruchsbegründender Einrichtungen. Zum anderen bleibt es aus praktischer Sicht unbefriedigend, die Mitverpflichtung des Gesellschafters aufgrund eines besonderen Durchgriffstatbestandes zu klären, ohne zugleich die Reichweite der „herkömmlichen" Zurechnungsgründe auszuloten. Denn für den Gesellschafter selbst ist nur die Tatsache und der Umfang einer Inanspruchnahme, nicht aber deren dogmatische Genesis von Bedeutung. Die gestellte Aufgabe, die Rechtsgründe einer Erstreckung auszuloten, erklärt auch die Beschränkung der Thematik auf vertragliche Ansprüche unter Ausschluß der gesetzlichen: Die Vermutung liegt nahe, daß die Art und Weise der Konstituierung vertraglicher Pflichten - nämlich autonom, durch freiwilligen Akt der Beteiligten - nicht ohne Einfluß auf die Bedingungen deren Erstreckung bleiben kann. 15 Umfangreiche Nachweise zur einschlägigen Literatur gibt Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 vor Rdnr. 1. 16 So Baumbach / Hueck, § 13 Rdnr. 14. 17 S. z.B. Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 233.
2*
20
Einleitung
Nicht erörtert werden ferner die Fälle der Sphärenvermischung und der materiellen Unterkapitalisierung 18. Beides sind spezifisch mit der Kapitalverfassung der GmbH verknüpfte Haftungsfragen 19. In beiden Fällen geht es im Kern darum, den aus den jeweiligen Gründen als ungenügend angesehenen Haftungsfonds für den Fall mangelnder Leistungsfähigkeit der GmbH durch Forderungen gegen den Gesellschafter aufzustocken 20 bzw. zu ersetzen 21. Dies gilt unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme der Gesellschafter als Differenzhaftung oder als vollständige Ausfallhaftung ausgeformt wird 22 . Insofern ist auch unerheblich, ob die Forderung mit der Existenz einer Verpflichtung zu angemessener Kapitalausstattung, mit dem Entfallen einer Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung bei Verfehlen der Garantiefunktion des Stammkapitals23, oder aus einer Organhaftung analog § 43 GmbHG 24 begründet wird. Gleichfalls ausgeklammert bleiben zwei unterschiedliche Umkehrungen unseres Problems: Die theoretisch denkbare und auch schon praktisch gewordene Konstellation einer Erstreckung von dem Gesellschafter auf die Gesellschaft 25 und der Fall des sogenannten gesellschafterfreundlichen Durchgriffs, 18 Im Zusammenhang von Durchgriff und Zurechnung wird vielfach die materielle Unterkapitalisierung von Gesellschaften als vordringlichstes Problem eines adäquaten Gläubigerschutzes angesehen. Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4, S. 205, und Wilhelm, Rechtsform, S. 308. 19 Zum Streitstand hinsichtlich beider Fallgruppen vgl. Scholz I Emmerich, § 13 Rdnrn. 82 ff., 88 ff. 20 So diejenigen, die eine Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft favorisieren, s. z.B. ScholzIEmmerich, § 13 Rdnr. 93, und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 204 f. 21 Vgl. etwa Hachenburg/ Ulmer, Anh. nach § 30 Rdnrn. 62 ff., der für den Regelfall eine Außenhaftung der Gesellschafter annimmt. 22 S. zum Streitstand Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 572 f. m.w.N., der de lege lata eine Differenzhaftung nicht für begründbar hält. 23 Dazu Hachenburg/ Ulmer, Anh. nach § 30 Rdnrn. 51 ff. 24 Siehe Wilhelm, Rechtsform, S. 285 ff., insbes. S. 335 ff. 25 Die Gleichstellung von Verband und Mitglied wurde von der Rspr. vereinzelt bejaht zur Begründung eines Zugriffs auf das Gesellschaftsvermögen zur Vollstrekkung von Gesellschafterschulden. S. z.B. RG Recht 1905, 168, Nr. 743, wo es heißt, „daß der Schuldner ... in Wahrheit Eigentümer des ganzen Vermögens der Gesellschaft ist", und OLG Hamm NJW 1977, 1159, 1160 (GmbH), das von „wirtschaftlicher Zugehörigkeit des gepfändeten Kraftfahrzeugs zum Vermögen der alleinigen Gesellschafterin" spricht. RGZ 146, 385, 390 ff. erstreckte ein den Gesellschafter treffendes gesetzliches Stimmrechtsverbot auf die GmbH, die ihrerseits Aktionärin war. BGH DB 1988, 700, 702 versagte der GmbH die Anfechtung eines Patents, weil ihrem alleinigen Gesellschafter als vormaligem Erfinder und Arbeitnehmer des Patentinhabers nach Treu und Glauben untersagt war, das vom Arbeitgeber erwirkte
Einleitung
d.h. einer Identifizierung" von Gesellschaft und Gesellschafter zugunsten des Gesellschafters. Die Diskussion widmet sich hier vor allem der Frage, ob ein dem Grunde nach anspruchsberechtigter Gesellschafter beim Schädiger auch den Schaden liquidieren kann, der bei der selbst nicht aktivlegitimierten GmbH durch Ausfall seiner Arbeitskraft entstandenen ist 26 .
Patent anzugreifen. — Ablehnend wegen Unvereinbarkeit mit den Kapitalerhaltungsvorschriften die überwiegende Ansicht, jedenfalls wenn und soweit dem Privatgläubiger eines Gesellschafters die Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens ermöglicht wird; vgl. dazu Scholz / Emmerich, § 13 Rdnr. 94, sowie Hachenburg ! Mertens, Anh. nach § 13 Rdnrn. 23 ff. Ebenso BGH WM 1990, 1631 f. 26 Zu Rspr., Meinungsstand und den kontroversen Begründungsansätzen im einzelnen vgl. Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 27.
1. Teil
Vorhandene Lösungsansätze und deren Standort im System Bevor die einzelnen Begründungsmodi kritisch hinterfragt werden, soll eine knappe Bestandsaufnahme anhand einiger beispielhaft ausgewählter Stellungnahmen erfolgen. Sie bezweckt ein Umreißen der unterschiedlichen Konzepte und die grobe Ordnung des Vorhandenen, ohne daß dabei ein Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne eines Eindringens in jedwede Nuancierung erhoben wird. Dieser Abschnitt dient ferner als erster Filter, um für die Thematik nicht relevante oder unschlüssige Ansätze auszuscheiden. Dabei befaßt sich Kap. 1 mit Stellungnahmen, die unmittelbar die Frage einer Erstreckung vertraglicher Pflichten reflektieren, während sich das 2. Kap. allgemeineren Ansätzen und als gültig behaupteten Prinzipien zuwendet, die möglicherweise ebenfalls eine Erstreckung vertraglicher Verbindlichkeiten des Verbandes auf seine Mitglieder rechtfertigen können. Der Darstellung der einzelnen Ansätze folgt jeweils eine kurze Einordnung oder Stellungnahme.
Kapitel 1
Stellungnahmen zur Erstreckung vertraglicher Pflichten 1. Wiedemanns „Vertragszwecklehre" Wiedemann nähert sich dem Thema wie folgt: Im Kapitel Vermögensordnung der juristischen Person1, unterscheidet er im Rahmen des Gliederungspunktes „Grenzen der Selbständigkeit"2 Fälle der „Durchgriffshaftung" 3 von solchen einer „Aufhebung der Vermögenstrennung" 4 zwischen Verband und Gliedperson. Unter dem zuletzt genannten Stichwort behandelt er die Negation der Selbständigkeit von Verband und Mitglied bei Gesetzesnormen5, so1 2 3 4 5
Wiedemann Wiedemann Wiedemann Wiedemann Wiedemann
, , , , ,
Gesellschaftsrecht, § 4, S. 188 ff. a.a.O., § 4 III, S. 217 ff. a.a.O., § 4 III 1, S. 221 ff. a.a.O., § 4 III 2, S. 229 ff. a.a.O., § 4 III 2 b, S. 234 ff.
Kap. 1 : Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
23
wie die unser Thema betreffende „Negation der Selbständigkeit bei Vertragsnormen" 6. Am Ausgangspunkt seiner Überlegungen steht die Überzeugung, daß der maßgebliche Anknüpfungspunkt für eine Theorie der juristischen Person nur deren Sondervermögen sein kann. Es ist dasjenige Substrat, dem entsprechend einer zentralen Idee des Rechtsinstituts »juristische Person" die Funktion zukommt, mit Verleihung der Rechtsfähigkeit selbständiger Zuordnungsendpunkt von Rechten und Pflichten zu sein. Damit ist das Sondervermögen im Ansatz zugleich ausschließlicher Träger der Rechte und Pflichten, „seine Aktiva und Passiva werden keiner anderen Rechtsperson zugeordnet" 7. Die als „Trennungsprinzip" bezeichnete Verselbständigung des Sondervermögens auch gegenüber den Verbandsmitgliedern wird so dem Begriff der juristischen Person einverleibt 8. Dies bedeutet jedoch nicht, daß dem Rechtsinstitut neben der Vermögenserhaltung auch eine Enthaftung der Mitglieder als Aufgabe zuzuweisen wäre. Für Wiedemann ist eine Enthaftung weder logische noch notwendige Konsequenz der juristischen Person, nachdem es der Rechtsordnung unbenommen bleibt, eine zusätzliche Ausfall- oder Vollhaftung der Mitglieder für Schulden des Sondervermögens vorzusehen. Eine Haftungsfreistellung ist seiner Ansicht nach allerdings geboten, um die Beteiligung von Anlagegesellschaftern zu erreichen, während sie kein notwendiges Attribut einer Beteiligung als Unternehmensgesellschafter darstellt 9. Die Nichtbeachtung des Trennungsprinzips soll in zwei Spielarten möglich sein: Im Wege der Durchgriffshaftung oder als Identifizierung von Verband und Mitglied 10. Beide Vorgänge begreift Wiedemann als „eine Grenzbestimmung des Rechtsinstituts" juristische Person, mit je eigenem rechtstheoretischem Ansatzpunkt 11: - Der „Durchgriffshaftung" liege ein Regel-Ausnahme-Schema zugrunde. Die Haftungsbeschränkung zugunsten der Verbandsmitglieder sei im Wege der Restriktion des § 13 Abs. 2 GmbHG bzw. der korrespondierenden aktien- und genossenschaftsrechtlichen Vorschriften beiseitezuschieben, wenn die Voraussetzungen für eine vermögensmäßige Selbständigkeit der Gesellschaft nicht erfüllt sind, oder die Haftungsbeschränkung zweckwidrig mißbraucht wird. Entsprechend dieser Orientierung an Voraussetzun6
Wiedemann , a.a.O., § 4 III 2 a, S. 230 ff. Wiedemann , a.a.O., S. 196. 8 Siehe Wiedemann , a.a.O., S. 198. 9 Wiedemann , a.a.O., S. 202 f. 10 Andere unterscheiden zwischen Haftungs- und Zurechnungsdurchgriff; vgl. Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 38. 11 Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 218 ff. 7
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
gen, bzw. Zweck einer Haftungsbeschränkung schlägt Wiedemann folgerichtig unter anderem die Sphärenvermischung, die Unterkapitalisierung und den Institutsmißbrauch dem Durchgriff zu. - Eine „gedankliche Identifizierung" soll in Anlehnung an die sogenannten Normanwendungslehren 12 dort vorgenommen werden, wo eine Zurückdrängung des Trennungsprinzips aus Gründen der Gerechtigkeit nach wertender Betrachtung und Abwägung 13 im Hinblick auf einen Rechtssatz geboten ist. Wiedemann schlägt dieses Verfahren sowohl für die Durchsetzung einer Gesetzesnorm als auch einer Vertragsnorm vor. Zwischen Gesetzes- und Vertragsbefehl sieht er allerdings einen graduellen Unterschied. Im Falle der Identifizierung von Verband und Mitglied im Rahmen der Gesetzesanwendung sei „nur" die Kollision zweier formell gleichrangiger Regelungen aufzulösen. Auf der einen Seite stehe das Trennungsprinzip, auf der anderen Seite die nach ihrem Telos eine Identifizierung fordernde Norm. Bei der Erstreckung vertraglicher Pflichten sei demgegenüber die Funktionsfähigkeit und der Eigenwert einer verselbständigten Organisation zu beachten14. Einen Handlungsbedarf bei vertraglichen Pflichten sieht Wiedemann grundsätzlich darin begründet, daß die Vertragsausführung einen „Durchgriff 4 auf die in der Gesellschaft vereinten Mitglieder verlangen kann, weil sich aus der Vertragsauslegung eine solche Rechtseinheit ergibt, wenn Wortlaut sowie Sinn- und Zweck des Vertrages anders nicht voll erfüllt werden 15. Wird dieses Moment betont, läßt sich der von Wiedemann in bezug auf die Erstrekkung vertraglicher Pflichten verfolgte Ansatz als „Vertragszwecklehre" bezeichnen.
12 Grundlegend Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522 ff. Mit ihm stellt eine Vielzahl von Autoren für gesetzliche Normen darauf ab, welche Normzusammenhänge eine Zurechnung auf die Gesellschaft als selbständige Einheit und welche Normen einen Zugriff auf einzelne dahinterstehende Gesellschafter gebieten. So etwa Coing , NJW 1977, 1793 f., 1795 f., ders., in: Staudinger, Einl. zu §§21-89 Rdnr. 43; Schanze, Einmanngesellschaft, S. 102 ff., und Kühler, Gesellschaftsrecht, § 23 I, S. 319 f. MKI Reuter, vor § 21 Rdnrn. 21, 23 folgt dem nur eingeschränkt. Vgl. zu Entwicklung, Spielarten und Anhängern dieser Auffassung ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1, S. 191 f. m.w.N. Weitergehend zur Normzwecklehre s.u. 2. Kap. l.a, im Rahmen der Entgegensetzung dieses Ansatzes und der subjektiven Mißbrauchslehre Sericks. Zu den Vertretern eines institutionellen Ansatzes s. Kap. 2, l.b, Fn. 89, zur objektiven Mißbrauchslehre s. Kap. 2, l.c, Fn. 103. 13 Im Original „wertende Stellungnahme", siehe Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 220. 14 Wiedemann , a.a.O., S. 220 f., 234. 15 Wiedemann , a.a.O., S. 230.
Kap. 1 : Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
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Charakteristische Beispiele sind für ihn die Wettbewerbsabsprachen. Ein Vertrag werde zwar formal eingehalten, die juristische Person oder ihre Mitgliedspersonen handelten jedoch vertragswidrig. Kennzeichnend sei das Auseinanderfallen von Vertragspartner und vertragsverletzendem „Dritten", wobei man an diesen bei Vertragsschluß meist (noch) nicht gedacht habe. Der Vertragspartner würde entgegnen, daß nicht er, sondern ein Dritter die Verletzungshandlung begehe, der Dritte würde einwenden, selbst nicht verpflichtet zu sein — ein Doppelspiel, das die Rechtsordnung nicht dulden könne 16 . Die Identifizierung führt nach seiner Auffassung zu einer Einstandspflicht nach Art des § 128 HGB, wobei er den Rückgriff auf diese Norm nicht im einzelnen begründet. Eine derartige zusätzliche Verpflichtung sei allerdings nur bei Unterlassungspflichten und nur bei enger Verflechtung anzunehmen17. Dem Erfordernis einer engen Verflechtung könnte die Vorstellung zugrundeliegen, daß das Trennungsprinzip um so schwächer wirkt, je stärker Verband und Mitglied in ihren Interessen und Handlungen verknüpft sind. Solchem Verständis fügte sich die an anderer Stelle geäußerte Ansicht ein, wonach das Trennungsprinzip für Verbände, deren Willensbildung und Interessenlage mit den Verbandsmitgliedern eng verflochten ist, weniger weit reiche als für Anstalten und Stiftungen 18. Unter dem Stichwort Doppelverpflichtung von Verbands- und Gliedperson nennt Wiedemann schließlich weitere Behelfe zur vertraglichen Absicherung des Gläubigerinteresses: Der Gesellschafter kann sich zur „NichtStörung" des Vertrages Gesellschaft-Dritter verpflichten, oder Leistung bzw. Unterlassung neben der GmbH in Person versprechen. Ferner besteht die Möglichkeit, daß die GmbH Wohlverhalten der Gesellschafter garantiert, oder Einwirkung auf diese für den Bedarfsfall in Aussicht stellt 19 . Solche Regelungen treten im Grundsatz nicht in Konflikt mit dem Trennungsprinzip. Für die Einordnung seines Standpunktes bleibt festzuhalten, daß Wiedemann im Zusammenhang der beispielhaft genannten Wettbewerbsverbote von vertragswidrigen Handlungen der Gesellschafter spricht, ohne daß deren eigene vertragliche Verpflichtung behauptet würde. Damit gibt er einem Unbehagen Ausdruck, welches bei Annahme vollständig getrennter Rechtskreise von Gesellschaft und Gesellschafter für bestimmte Fälle bestehen mag. Es macht das Grundproblem plastisch, doch wird nicht restlos geklärt, weshalb der 16
Diese Textpassagen von Wiedemann , a.a.O., S. 232 werden z.T. wörtlich aufgegriffen von OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 1234, 1235. 17 Eine enge Verflechtung bestehe etwa bei Personalunion von Geschäftsführer und herrschendem Gesellschafter. Siehe Wiedemann , a.a.O., S. 233. 18 So Wiedemann , a.a.O., S. 214. 19 Vgl. Wiedemann , a.a.O., S. 236 f.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Gesellschafter zur Förderung und Beachtung dieses Vertragszwecks angehalten sein soll, bzw. warum er im Hinblick auf vertragliche Pflichten der Gesellschaft Vertrags- oder pflichtwidrig handeln kann, obwohl er nicht Vertragsbeteiligter ist. Zwar wird mit dem Vertragsinhalt und dem scher Anknüpfungspunkt für eine Erstreckung aber, ob dies tatsächlich eine Relativierung der Beim Konzept einer Anspruchsbegründung im Trennungsprinzips" verbleiben Unklarheiten.
Vertragszweck ein spezifigenannt; zweifelhaft bleibt juristischen Person erlaubt. Wege einer „Negation des
Zwei Deutungen kommen in Betracht: Der Gesellschafter könnte bei „Aufhebung" der Trennung zwischen Verband und Mitglied automatisch neben der Gesellschaft verpflichtet sein. Dies würde voraussetzen, daß das Trennungsprinzip einen den Gesellschafter schützenden Damm darstellt, dessen Wegfall den Übergang der Verpflichtungen der Gesellschaft auf den Gesellschafter zur Folge hat. Die Negation des Trennungsprinzips wäre bei diesem Verständis konstitutiv für eine Erstreckung. Wiedemanns Formulierung, nach der die Rechtsordnung Organisation und Vermögen der juristischen Person mit den Mitgliedern identifizieren kann, wenn sich sonst unangemessene Rechtsfolgen ergeben, kann so verstanden werden 20. Andererseits könnte aber auch der zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossene Vertrag als ausschließlicher Geltungsgrund der Verpflichtung des Gesellschafters angesehen werden, wenn das Trennungsprinzip lediglich als eine Art „Zurechnungssperre" begriffen wird. Es wäre dann nur ein Hindernis, das auszuschalten ist, damit sich die im Vertrag angelegte Verpflichtung des Gesellschafters entfalten kann. Als möglicher Beleg für dieses Verständnis mag die Aussage dienen, daß eine Identifizierung des herrschenden Gesellschafters mit der Schuldnergesellschaft nebst Einstandspflicht der Mitglieder entsprechend § 128 HGB Vertragsinhalt 21 sein könne22 . Denn hiermit wird zugleich angenommen, daß der Vertrag zwischen Gesellschaft und Gläubiger Verpflichtungen des Gesellschafters festlegen kann.
20
Wiedemann , a.a.O., S. 229. Daß hierbei der Vertrag Gesellschaft-Dritter und nicht eine Vereinbarung zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und dem Gesellschafter gemeint ist, erschließt sich zum einen daraus, daß ansonsten offensichtlich Selbstverständliches ausgesprochen würde, nämlich, daß der Gesellschafter jederzeit freiwillig eine nach dem Modell des § 128 HGB geordnete Mithaftung übernehmen kann. Ferner findet sich diese Textstelle nicht im Abschnitt Doppelverpflichtung von Verband und Gliedperson, sondern im Rahmen der Ausführungen zur Negation der Selbständigkeit von Verband und Mitglied bei Vertragsnormen. 21
22
Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 233.
Kap. 1 : Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
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Wenig ausgearbeitet und begründet sind bislang auch die nach dieser Auffassung für eine Erstreckung maßgeblichen Kriterien als Voraussetzungen im Faktischen — wie etwa Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft oder Art bzw. Inhalt der Verbindlichkeit. Dies ist aber erforderlich, wenn der weite Spielraum, wie er für eine Einzelfallentscheidung über eine Verneinung des Trennungsprinzips im Wege einer „wertenden Stellungnahme" gegeben ist, nachvollziehbar und zweckentsprechend genutzt werden soll.
2. Karsten Schmidts „Vertragsschlußkonzept" Für Karsten Schmidt ist die Frage einer Verpflichtung der OHG-Gesellschafter zur Abgabe einer Willenserklärung, zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung oder zur Unterlassung eines bestimmten Verhaltens, vollständig parallel gelagert zum Problem einer Erstreckung derartiger Gesellschaftsschulden von der GmbH auf ihre Gesellschafter 23. Nach seiner Auffassung ergibt sich eine entsprechende Bindung der OHG-Gesellschafter nicht bereits aus § 128 HGB, der die persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft anordnet. Denn auch die sogenannte Erfüllungstheorie, der Schmidt wegen ihrer aus praktischer Sicht in der Regel überzeugenderen Ergebnissen den Vorzug gibt, könne eine Verpflichtung des Gesellschafters nur dort begründen, wo dessen Leistung mit derjenigen der Gesellschaft inhaltsgleich ist. Nur in diesen Fällen stelle sich die Leistung des Gesellschafters als Haftung für die Schuld der OHG im Sinne einer Erfüllung deren Verpflichtung dar 24 . Diese Inhaltsgleichheit verneint K. Schmidt
23 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2, S. 1180 ff. Für eine gleiche Sachbehandlung bei OHG und GmbH auch Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 289, allerdings nicht unter Behauptung eines von vornherein einheitlichen Geltungsgrundes, sondern unter Annahme einer Verpflichtung der OHG-Gesellschafter im Wege des Erst-Recht-Schlusses, wenn das Mitglied einer jur. Person qua Identifizierung verpflichtet wäre. 24 So sinngemäß K. Schmidt, a.a.O., S. 1180 ff. unter Hinweis auf RG, JW 1902, 78 f., wo es um eine Pflicht der Gesellschaft zum ausschließlichen Bezug von Parkettmaterial von der Klägerin ging. Daß eine Verpflichtung des Gesellschafters hier „keine Haftung für die OHG-Schuld, sondern eine neue, nicht mehr inhaltsgleiche Verbindlichkeit" (so die Formulierung Schmidts) darstellte, wird dort vielleicht weniger prägnant, aber der Sache nach nicht weniger klar beschrieben: „Dagegen stehen die Gesellschafter persönlich nicht in den Vertragsverhältnissen der Gesellschaft; sie haften nur persönlich für die Vertragsverbindlichkeiten der Gesellschaft, und es kann daher von einer persönlichen Haftbarkeit ihrerseits für Vertragsverletzungen nur die Rede sein, wenn solche Vertragsverletzungen seitens der Gesellschaft vorliegen" (Hervorheb. im Orig.).
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
gerade für die oben genannten Pflichtenstellungen. Dabei ordnet er alle nach § 890 ZPO zu vollstreckenden Pflichten den Unterlassungspflichten zu 25 . Daß § 128 HGB nicht die Lösung vorzeichnet, zeigt nach K. Schmidt, daß „Durchgriffsprobleme", d.h. Schwierigkeiten, die Zugehörigkeit der Mitglieder zu dem Rechtsträger auch in problematischen Fällen rechtlich zu bewältigen 26 , kein Spezifikum der juristischen Person darstellen. Sie können bei jedem Rechtsträger bestehen, der nicht natürliche Person ist 27 . Ein Lösungskonzept sollte seiner Ansicht nach gleichwohl nicht beim Rechtsträger ansetzen. Das von ihm als „Durchgriffsmethode" bezeichnete Verfahren, das den verselbständigten Rechtsträger gegebenenfalls wegdenkt oder als nur relativ rechtsfähiges Rechtssubjekt begreift, lehnt er ab: Es vertrage sich schlecht mit einer technisch ausgereiften und auf Rechtssicherheit bedachten Privatrechtsordnung, die Rechtsfigur der juristischen Person oder Gesamthand gerade da zur Disposition zu stellen, wo es besonders auf sie ankomme28. Vielmehr sieht er im Nebeneinander von Verband und Mitglied nur den Anlaß für Zurechnungs-, Auslegungs- und Normanwendungsprobleme 29 , die in aller Regel mit dem herkömmlichen Instrumentarium zufriedenstellend zu lösen sind 30 . Auch K. Schmidt erachtet das Wettbewerbsverbot als charakteristischen Problemfall. Für ihn ist entscheidend, ob sich der Gesellschafter selbst der Unterlassungspflicht unterworfen hat, oder ob er durch den - respektive die Geschäftsführer wirksam vertreten wurde. Dabei könne sich eine Selbstverpflichtung gem. §§ 133, 157 BGB auch schlüssig aus der Vertragsurkunde, bzw. den begleitenden Umständen ergeben; für die Stellvertretung sei gegebenenfalls eine Bevollmächtigung nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht in Betracht zu ziehen31. Mit Selbstbindung und Wirkungsverschiebung gem. §§ 164 ff. BGB bekennt sich K. Schmidt hinsichtlich einer persönlichen 25
Beispielsweise auch die in der vorhergehenden Fn. genannte Alleinbezugsverpflichtung. Siehe K. Schmidt, a.a.O., S. 1182. 26 So K. Schmidt, a.a.O., § 9 II 3, S. 193 in Anlehnung an Flume , Die juristische Person, § 3 II. 27 K. Schmidt, a.a.O., § 9 I 2, S. 188 f. mit RGZ 136, 266 - s.o. Einl. Fn. 2 - als Bsp. 28 K. Schmidt, a.a.O., S. 187. 29 So K. Schmidt, a.a.O., S. 192 f. in Übereinstimmung mit Schanze, Einmanngesellschaft, S. 102 ff. 30 K. Schmidt, a.a.O., S. 194. Den Durchgriff will er erst erwägen, wenn der Fall so kompliziert liegt wie bei BGHZ 59, 64, wo nicht die Gesellschafter belangt werden sollten, sondern eine von ihnen neu gegründete Gesellschaft (s. S. 1184). 31 K. Schmidt, a.a.O., § 49 III 2, S. 1184 f.
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Bindung von OHG- und GmbH-Gesellschaftern für die fraglichen Fälle zu einer im Kern strikt rechtsgeschäftlichen Option, die hier als „Vertragsschlußkonzept" bezeichnet wird. Er räumt ein, daß das Erfordernis der §§ 164 ff. BGB, im Einzelfall Vertretungsmacht festzustellen, unter Umständen erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bedingt, die aber in der Sache begründet seien. Die letztgenannte Erwägung unterstreicht, daß es K. Schmidt nicht darum geht, mangels besserer konstruktiver Alternativen 32 Gläubigerschutz durch großzügige Annahme von Selbstbindung und Vertretungsmacht zu bewirken. Vielmehr wird in Anlehnung an das gesetzliche Regelungsmodell der §§ 145 ff., 164 ff. BGB ein schlüssiges Konzept zur Entscheidung des Konflikts von Freiheit und Bindung des Gesellschafters angeboten. Wie Autonomie im Sinne einer Verpflichtung des Gesellschafters nur durch privatautonomen Akt auf der einen Seite und Bindung des Gesellschafters im Gläubigerinteresse andererseits gegeneinander abgewogen werden, hängt davon ab, inwieweit aus Sicht des Gesellschafters heteronome Momente Inhalt und Wirkung der ausgetauschten Erklärungen mitbestimmen. Für die Fälle des Selbsthandelns wie der Stellvertretung ist zu entscheiden, aufgrund welcher Kriterien „Drittbezug" der von der Gesellschaft und dem Gläubiger abgegebenen Willenserklärungen zu bejahen ist. Für die §§ 164 ff. BGB ist zudem bedeutsam, inwieweit Vertretungsmacht - wie mit der Existenz verschiedener Rechtsscheintatbestände behauptet wird - auch jenseits bewußter Erteilung, die den Anforderungen an eine Willenserklärung genügt, denkbar ist. K. Schmidt schließt mit der These, daß es um so leichter falle, eine persönliche Verpflichtung eines Gesellschafters zu bejahen, je näher er der Gesellschaft stehe, je ausgeprägter also seine Mitunternehmerschaft und seine faktisch-wirtschaftliche Identifizierung mit dem Gesellschaftsunternehmen sei 33 . Damit sind für ihn in der Person des Gesellschafters liegende Umstände bedeutsam, die starke Ähnlichkeit mit der von Wiedemann für eine Erstrekkung geforderten „engen Verflechtung" haben. Meines Erachtens muß bei diesen unterschiedlichen Begründungswegen aufgrund der jeweiligen methodischen Eigengesetzlichkeiten gleichwohl mit abweichenden Ergebnissen gerechnet werden. Auch für diesen Ansatz ist zu klären, ob er die Fälle eines erkannten Handlungsbedarfs abdecken kann. Schließlich ist bei K. Schmidt anders als bei Wiedemann - keine Differenzierung nach der Art der Verbindlichkeit vorgezeichnet. 32
Abgelehnt wurde etwa ein Vorschlag Kornblums (BB 1971, 1434, 1441 ff.) zu § 128 HGB, der darauf hinausläuft, der Innenbindung des Gesellschafters Außenwirkung beizumessen. 33 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2, S. 1184 f.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
3. Mertens „Auslegungsthese" Mertens will sowohl die Frage, ob der Gesellschafter neben der GmbH Partei eines Schuldverhältnisses geworden ist, wie auch die Frage, ob der Gesellschafter oder die Gesellschaft Vertragspartner wurden, anhand der allgemeinen Auslegungsregeln entscheiden34: Die Auslegung einer Erklärung könne dadurch, daß es ein Gesellschafter war, der sie abgab, entscheidend beeinflußt werden. Für die Auslegung der Erklärung im Sinne einer Eigenverpflichtung des Gesellschafters sei in Verbindung mit anderen Anhaltspunkten auch der Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Interessenidentität heranzuziehen35. Wenngleich Aussagen über die Reichweite des Trennungsprinzips in diesem Zusammenhang bedeutsam sein könnten, ist nach Mertens das Trennungsprinzip nicht eigentlich tangiert, weil hier die Mitgliedschaft kein Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlage darstellt, welche eine Mitverpflichtung des Gesellschafters konstituiert 36. Diese Ausführungen zur Auslegung und persönlichen Mitverpflichtung des Gesellschafters werden um den Zusatz ergänzt, daß denjenigen, der sich auf die Fremdwirkung seiner Willenserklärung beruft, die Darlegungs- und Beweislast treffe 37. Dies legt nahe, daß nach Mertens Auffassung der Gesellschafter, der eine Vereinbarung für die Gesellschaft abschließt, einer persönlichen Verpflichtung nur entgeht, wenn er den ausschließlichen Drittbezug 38 seiner Willenserklärung nachweisen kann. Im Wege der Auslegung soll auch zu entscheiden sein, „ob Wettbewerbsverbote oder andere Verhaltenspflichten, die der GmbH obliegen, auch den Gesellschafter treffen". Für diese Beurteilung komme es maßgeblich auf die Struktur der Gesellschaft und die Stellung der Gesellschafter in der Gesellschaft an 39 . An dieser Stelle kann eine Auslegung noch als ausschließlich für die Entscheidung bedeutsam gedeutet werden, ob der Gesellschafter bei Selbsthandeln - etwa als Geschäftsführer - zugleich eine Eigenverpflichtung begründet hat. Der folgende Textabschnitt mißt der Auslegung jedoch eine weitergehende, anspruchsbegründende Kraft bei: Dort heißt es, daß es den Gesellschaftern einer personalistischen GmbH im allgemeinen - also nicht 34
Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 54. Mertens, a.a.O., Rdnrn. 2 und 12. 36 Mertens, a.a.O., Rdnr. 2. Eine Relativierung des Trennungsprinzips wäre allerdings gegeben, wenn ein Gesellschafter eine eigene Erklärung nur deshalb gegen sich gelten lassen müßte, weil die Gesellschaft in seinem Interesse handelt (so Mertens, Rdnr. 12). 37 Mertens, a.a.O., Rdnr. 54. 38 Mit Dritter ist hier die Gesellschaft gemeint. 39 Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 56. 35
Kap. 1 : Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
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nur bei Selbsthandeln oder der nicht erörterten Möglichkeit einer Stellvertretung - verwehrt sei, eine der GmbH nicht gestattete Tätigkeit selbst aufzunehmen oder durch eine Gesellschaft, deren alleinige Mitglieder sie sind, vornehmen zu lassen40. Damit wird - anders als bei K. Schmidt - ausnahmslos dem bei Auslegung des Vertrages Gesellschaft-Dritter erzielten Ergebnis Geltung zugesprochen. Wer die Willenserklärung abgab und ob Rechtsmacht zur Vertretung der anderen Gesellschafter bestand, sind bei diesem Verständis eher technische Einzelheiten des Vertragsschlusses. Sofern schon die Auslegung des von der Gesellschaft geschlossenen Vertrages eine Mitverpflichtung der Gesellschafter ergibt, kommt diesen Umständen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Man kann diese Option mit dem Schlagwort „Auslegungsthese" umschreiben. Im Gegensatz etwa zu Wiedemann will Mertens seine erstreckungsbegründenden Grundsätze auch auf die Erfüllung von Auskunfts- oder Einsichtspflichten anwenden; d.h. Verpflichtungen der Gesellschaft zu unvertretbaren Handlungen und Unterlassungspflichten sind seiner Meinung nach gleich zu behandeln41. Mertens verzichtet demnach auf eine In-Eins-Setzung von Gesellschaft und Gesellschafter. Die Gesellschafter sollen dennoch nicht nur aufgrund eigenen rechtsgeschäftlichen Handelns oder aufgrund einer wirksamen rechtsgeschäftlichen Vertretung ihrer Person neben der Gesellschaft zur Leistung verpflichtet sein: Mit dem Verbandsmitglied wird eine weitere Person in das zwischen Gesellschaft und Drittem bestehende Schuldverhältnis einbezogen. Dabei könnte es sich um rechtsgeschäftliche Drittwirkungen handeln, deren Existenz nach § 242 BGB Mertens an anderer Stelle 42 nicht kategorisch ausschließen wollte. Der Anspruch wäre nur dann als gesetzlicher zu bezeichnen, wenn § 242 BGB hierbei nicht nur als Maßstab zur Auslegung des Vertrages Gesellschaft-Gläubiger herangezogen würde, sondern auf der Basis dieser Norm, d.h. mit ihr als Geltungsgrund, eine neue Sonderverbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger mit vertragsgleichem Inhalt geschaffen würde. Eine derartige gesetzliche Fundierung der Gesellschafterpflicht ist bei Mertens jedoch nicht ersichtlich. 40 Diese Interpretation wird auch gestützt durch die Heranziehung von BGHZ 59, 64 ff. als Beleg. Dort wurde dem Gesellschaftsgläubiger unter Verweis auf Sinn und Zweck des die KG bindenden Vertrages sowie den Grundsatz von Treu und Glauben i.V.m. § 128 HGB der Zugriff auf die Gesellschafter selbst und zugleich auf die von ihnen neu gegründete Gesellschaft eröffnet (S. 68 des Urteils). 41 Hachenburg/Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 58. 42 Mertens, a.a.O., Rdnr. 12. Daneben wird allerdings gesagt, daß wirtschaftliche Interessenidentität im allgemeinen im Hinblick auf das Trennungsprinzip keine ausreichende Grundlage für rechtsgeschäftliche Drittwirkungen bilde.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Mit der Auslegung bzw. Ermittlung des Zwecks des die Gesellschaftsschuld begründenden Vertrages wählen Wiedemann und Mertens einen ähnlichen Ausgangspunkt. Mertens Ansatz sucht die Lösung aber nicht in einer Auseinandersetzung mit dem Trennungsprinzip, so daß insoweit kein Anlaß zu Kritik besteht. Gleichwohl gibt es auch hier Zweifel: Die Möglichkeit, Rechtsgeschäfte abzuschließen mit verpflichtender Wirkung für Personen, die nicht am Vertrag beteiligt sind, gehört bislang nicht zum dogmatisch gesicherten Fundus des Privatrechts, was in dem Schlagwort vom Verbot drittbelastender Verträge zum Ausdruck kommt. Bemerkenswert ist schließlich die teilweise Wiederkehr der von Wiedemann und K. Schmidt genannten Kriterien im Tatsächlichen: Auch für Mertens kommt es entscheidend darauf an, ob eine Gesellschaft personalistisch strukturiert ist oder nicht.
4. „Deliktslösung" Der von Flume 43 und Wilhelm 44 für das Verhältnis von Verband und Verbandsmitglied gewählte Ausgangspunkt läßt einen „Durchgriff 4 , verstanden als Restriktion der Trennungsnorm unter Ausfüllung durch eine andere Norm 45 , nicht zu: Weder sind die Mitglieder als von der juristischen Person getrennt und hinter ihr stehend einzuordnen, noch können sie mit Aufhebung eines nicht existenten Trennungsprinzips an die Stelle der juristischen Person treten; vielmehr gehören sie zu der juristischen Person als Wirkungseinheit, als rechtsidealem Ganzen46. Deshalb trifft die Mitglieder nur eine Haftung aus eigenem Verhalten oder eigenem Handeln. Bei der Rechtsanwendung ist jedoch zu beachten, daß die Mitglieder zu der juristischen Person gehören 47.
43
Flume , Die juristische Person, § 3 I, S. 63 ff. Ebenso Wilhelm, Rechtsform, S. 1 ff., insbes. 10 ff. mit der Forderung, die juristische Person „nicht zu mißachten, sondern mit ihrer Verselbständigung ernst zu machen". 45 So faßt Flume y Die juristische Person, § 3 I, S. 63 den Durchgriffsbegriff der h.M. unter Rekurs auf die von Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 580 gegebene Darstellung. 46 Flume , Die juristische Person, S. 67 f. 47 Nach Flume , a.a.O., S. 68 gibt es weder eine Norm, die den Zurechnungsumfang bei einer typischen juristischen Person „festlegt" und damit die Beachtung der Zugehörigkeit der Mitglieder zur jur. Person für die Rechtsanwendung ausschließt, noch existiert eine Norm, welche die Haftung des Mitglieds für eigenes Verhalten hinderte und deshalb zuerst überwunden werden müßte. 44
Kap. 1: Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
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Bei diesem Ansatz kommt den unbestritten anwendbaren Regeln der §§ 823 ff. BGB 4 8 als möglichem Ventil zur Abwehr von nicht hinnehmbar erscheinenden Verhaltensweisen der Gesellschafter eine besondere Bedeutung zu. Als „Deliktslösung" könnte eine Auffassung bezeichnet werden, die glaubt, daß eine Erstreckung nur dort notwendig ist, wo § 826 BGB oder andere deliktsrechtliche Normen eingreifen. Vorrangig erörtert wird die Verhaltenshaftung des § 826 BGB im Rahmen des sogenannten Haftungsdurchgriffs 49, insbesondere für die Sphärenvermischung50 und das Problem der materiellen Unterkapitalisierung 51. Dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Einstandspflicht aus Delikt wird allerdings vielfach keine Ausschließlichkeit beigemessen. Flume 52 zum Beispiel, befürwortet daneben noch eine Sorgfaltshaftung des herrschenden Gesellschafters gegenüber der GmbH, die bei Fehlen einer vertraglichen Grundlage für die Geschäftsführung des Gesellschafters auf den Regeln der GoA fußt. Wilhelm 53 begründet eine Verantwortlichkeit der Gesellschafter im Innenverhältnis aus ihrer Eigenschaft als Organmitglieder, die über den Einsatz des Gesellschaftsvermögens bestimmen. 48
Vgl. nur Baumbach /Hueck, § 13 Rdnrn. 9, 14, sowie Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 238. 49 Insoweit eine „Ausnahme" in der Anwendung des § 826 BGB bildet z.B. RG DR 1939, 1083 f. (AG). S. zu dieser Entscheidung unten Teil 3, Kap. 2, 2.f. Vgl. ferner RGZ 114, 68 ff. (dazu unten, Teil 2, Kap. 3, 3.b.aa), sowie die diese Entscheidung besprechende Literatur (etwa Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 359 ff., und Wilhelm, Rechtsform, S. 252 f., die beide bei solchem Sachverhalt eine Inanspruchnahme der „Zweitgesellschaft" über § 826 BGB - unter je unterschiedlichen Voraussetzungen im Detail - befürworten). 50 So etwa Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 15 unter Annahme eines Sittenverstoßes allgemein bei grober Mißachtung der den Gesellschaftern obliegenden Organisations- und Kapitalisierungspflichten zum Zwecke einer sozialwidrigen Risikoabwälzung auf Dritte. 51 Nach Flume , Die juristische Person, S. 87, und ders., Die Personengesellschaft, S. 207 ist § 826 BGB ggf. zu bejahen unter dem Gesichtspunkt des Spekulierens mittels der beschränkten Haftung auf Kosten der Gläubiger. Ähnlich Hachenburg/ Mertens, a.a.O., Rdnr. 15. Auch die Rspr. ist vielfach auf § 826 „ausgewichen"; s. Scholz /Emmerich, § 13 Rdnrn. 89 und 91. Nachweise hinsichtlich derjenigen, die § 826 bei Unterkapitalisierung gegenüber einer Durchgriffs- oder Organhaftung favorisieren, gibt Hachenburg/ Ulmer, Anh. nach § 30 Rdnr. 41. Zur (nicht einheitlichen) Rspr. s. Drüke, Die Haftung der Muttergesellschaft, S. 34 ff. Vgl. ferner die Nachweise aus Fn. 19 ff. der Einl. 52 Flume, Die juristische Person, § 3 III 3, S. 85 ff. Ähnlich Scholz /Emmerich, § 13 Rdnr. 93, der eine Schadensersatzpflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft wegen Verletzung der Treuepflicht erwägt, wenn sie nicht sorgsam mit dem Vermögen der Gesellschaft umgehen. 53 Wilhelm, Rechtsform, S. 335 ff. 3 Diez
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Bei „gewohnter" Rechtsanwendung und unter gebührender Berücksichtigung der Gegebenheit, daß die Gesellschafter Mitglied der juristischen Person sind, gesellt sich zum Vertragsschlußkonzept als rechtsgeschäftlicher Option die Deliktslösung als gesetzliche Option. Der Reiz, aber möglicherweise auch die Begrenztheit eines solchen Ansatzes in seiner Wirkkraft, liegen darin begründet, daß es bei Zugrundelegung dieses Standpunktes nicht erforderlich ist, neue Rechtswirkungen (unter oben 3. genanntes Beispiel: Rechtsgeschäftliche Drittwirkungen) oder Rechtseinrichtungen (Beispiel von oben 1.: Identifizierung von Gesellschafter und Gesellschaft) zu schaffen.
5. Die Ansatzpunkte der Rechtsprechung Die Rechtsprechung verfolgt keinen einheitlichen Weg. Ihre Ansatzpunkte sind vielmehr weit gefächert. Zur Verdeutlichung sei auf einige insoweit anschauliche Urteile vor allem des Reichsgerichts verwiesen 54. In einer sehr frühen Entscheidung55 wird zunächst davon ausgegangen, daß ein im Namen der Gesellschaft abgeschlossener Vertrag im Grundsatz („mangels besonderer Umstände") keine unmittelbaren Verpflichtungen der Gesellschafter begründen könne56 . Hernach führt das Gericht aus, das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot sei bei ergänzender Vertragsauslegung auch auf die wirtschaftlich in erster Linie beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer zu beziehen, um schließlich das Ergebnis persönlicher Verpflichtung des an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligten beklagten Gesellschafter-Geschäftsführers doch über §§ 164 ff. BGB abzusichern : Unter Verweis auf die engen „geschäftlichen und verwandtschaftlichen" Beziehungen zu den übrigen Geschäftsführern wird die stillschweigende Genehmigung eines Geschäftsabschlusses für ihn persönlich angenommen57. Hier wurden die verschiedensten rechtsgeschäftlichen Anknüpfungspunkte durchgespielt, „Auslegungsthese" und „Vertragsschlußkonzept" klingen an. Ein anderes Urteil 58 erstreckt die Verpflichtung aus einem „Lichtbild- und Reklamevertrag" von der zunächst das Kino führenden GmbH direkt auf die für dieselbe Aufgabe neu gegründete GmbH über § 826 BGB. In diesem Fall kam also das Deliktsrecht zum Zuge. 54 Eine eingehende Analyse auch der BGH-Rechtsprechung findet sich bei Nirk> FS Stimpel, S. 444, 446 ff.; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 583 ff., und Hachenburg/ Mertens, Anh. nach § 13 Rdnrn. 42 f. 55 RG GmbHR 1919, 49 ff. (GmbH). 56 RG a.a.O., S. 50. 57 RG a.a.O., S. 52. 58 RGZ 114, 68 ff.
Kap. 1: Stellungnahme zur Erstreckung vertraglicher Pflichten
35
Zum anderen geht die Rechtsprechung davon aus, daß es Aufgabe des Richters sei, „vor der juristischen Konstruktion die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen zu berücksichtigen" 59, um einem treuwidrigen Verhalten der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen entgegenzutreten 60. Entsprechend kann einem Dritten, der in Rechtsbeziehungen mit der Gesellschaft getreten ist, „durch Hintansetzung der personen- und vermögensmäßigen Selbständigkeit der GmbH ... zu der ihm nach Treu und Glauben zukommenden Leistung zu verhelfen" sein61 . Diese Stellungnahmen zur Abgrenzung der Rechtskreise von Verband und Mitglied sind Teil der allgemeinen Durchgriffsdiskussion, die im nächsten Kapitel aufgegriffen wird. In ihren auf vertragsbegleitende Pflichten der Gesellschaft bezogenen Äußerungen zeigt die Rechtsprechung zudem starke Affinitäten zu der von Wiedemann vorgeschlagenen Relativierung der juristischen Person im Wege einer Negation des Trennungsprinzips, die aufgrund einer wertenden Stellungnahme zugunsten einer im Ergebnis gerechten Entscheidung erfolgen soll: Der Bundesgerichtshof trennt wie Wiedemann zwischen den Fällen eines Haftungsdurchgriffs und den Fällen einer auf Vertragsverhältnisse der Gesellschaft gestützten Verhaltensanforderung. In einer Entscheidung62, die darüber zu befinden hatte, ob neben der Gesellschaft auch dem Gesellschafter eine Patentanfechtung untersagt war, heißt es dazu: Es handelt sich ,jedoch nicht um die Frage der Haftung, bei der auch bei der Einmann-GmbH grundsätzlich zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter zu unterscheiden ist, sondern um eine Würdigung des Verhaltens des alleinigen Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben". Dabei hebt der BGH wesentlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ab; dem Gesellschafter als dem „eigentlichen wirtschaftlichen Beteiligten" sei eine Patentanfechtung nur gestattet, wenn hierzu auch die Gesellschaft als die „rechtlich Beteiligte" in der Lage ist 63 . Hierin mag man eine „Identifizierung" von Verband und Mitglied sehen.
59
So RGZ 99, 232, 234 (GmbH). S. auch RGZ 129, 50, 53 f. (GmbH). Diese Rspr. des RG wurde vom BGH fortgeführt. Vgl. nur BGHZ 22, 226, 230 (GmbH) und 54, 222, 224 (e.V.). Der Bundesgerichtshof betont freilich, daß über die Figur der juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden dürfe, s. insbes. BGHZ 20, 4, 11 (GmbH); 26, 31, 37 (GmbH). 61 So RGZ 156, 271, 277 (GmbH), bestätigt von BGHZ 54, 222, 224 (e.V.). 62 S. BGH GRUR 1957, 482 ff. 63 S. BGH a.a.O., S. 485. Ähnlich argumentiert BGH DB 1988, 700, 702, wo die Erstreckung einer den Gesellschafter treffenden Nichtangriffspflicht auf die Gesellschaft bejaht wurde. 60
3*
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Angesichts ihrer verschiedenen Stellungnahmen erscheint sinnvoll, an dieser Stelle auf eine weitergehende Darstellung der Rechtsprechung zu verzichten. Auf sie wird im Rahmen der einzelnen rechtlichen Ansatzpunkte in Teil 2 sowie bei der Erörterung von Einzelfallbeispielen in Teil 3 der Arbeit eingegangen64.
Kapitel 2
Nicht vertragszentrierte Ansätze In Ziffer 1 dieses Kapitels werden Auffassungen dargestellt, die sämtlich an eine zweck- und funktionswidrige Verwendung der juristischen Person anknüpfen. Der nachfolgende Gliederungspunkt benennt Ansatzpunkte für eine Erstreckung, die wesentlich auf den Grad des Einflusses des Gesellschafters auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft abheben. Im Anschluß an die Darstellung wird jeweils in einer kurzen Stellungnahme eingegrenzt, inwieweit diesen Ansätzen für unsere Thematik Bedeutung zukommt.
1. „Mißbrauchslehren" und „institutionelle Betrachtung" Soweit die sogenannten Mißbrauchslehren, die institutionellen Durchgriffslehren sowie die Normzwecklehren 65 konzeptionell beim Rechtsträger ansetzen, werden sie zuweilen als „echte Durchgriffslehren" bezeichnet66.
a) Die subjektive Mißbrauchslehre Als Exponent der „subjektiven Mißbrauchslehre" ist Serick zu nennen: Unter Betonung des Eigenwerts der juristischen Person gelangt er zu der Auffassung, daß die Selbständigkeit der juristischen Person nicht bereits zur Verwirklichung eines objektiven Normzwecks - gemeint ist sowohl der Zweck einer gesetzlichen Norm als auch der eines Rechtsgeschäfts - miß64 Zu vorgenannten Entscheidungen, die eine Erstreckung vertraglicher Pflichten einer GmbH erörtern, s.u. Teil 2, Kap. 3, 3.b (RGZ 114, 68 ff.), Teil 3, Kap. 2, 2.c (BGH GRUR 1957, 482 ff. sowie BGH DB 1988, 700 ff.) und Teil 3, Kap. 2, 2.a.bb (OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1234 ff.). Zu RG GmbHR 1919, 49 ff. vgl. Teil 2, Kap. 3, l.a, Fn. 146. 65 Zu ihr in einer auf vertragliche Verpflichtungen bezogenen Ausrichtung bereits oben 1. Kap., 1. 66 So K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1, S. 190 f.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
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achtet werden dürfe 67. Ein Durchgriff auf das personelle Substrat der juristischen Person sei erst bei einem subjektiven Mißbrauch möglich. 68 Seine Grundüberzeugungen bringt Serick deutlich zum Ausdruck im Rahmen der Begründung, weshalb in Fällen einer Gesetzesumgehung nicht schon die objektive Verletzung des Gesetzeszwecks genüge, um die Rechtsform der juristischen Person beiseite zu schieben, sondern die Absicht einer Gesetzesumgehung bei den hinter der Gesellschaft stehenden Menschen zu fordern sei: 69 „Der Gesetzgeber hat dadurch, daß er die juristische Person in einer bestimmten Form geschaffen und ausgestaltet hat, schon selbst eine Wertabwägung vorgenommen. Sie soll in dem Bereich, für den sie geschaffen worden ist, als vollwertiges Rechtssubjekt geachtet werden. Dies bedeutet, daß ein Rechtssatz in seiner konkreten Gestalt auf die juristische Person anzuwenden ist, ohne daß in jedem Falle zu prüfen wäre, ob etwa sein Zweck nur in der Weise erreicht werden kann, daß die vorgegebene Rechtsform der juristischen Person mißachtet wird. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß bei NichtVerwirklichung des Zwecks der zur Anwendung berufenen Rechtsnorm durch die Achtung der Rechtsform der juristischen Person die Interessen anderer Beteiligter verletzt würden. Denn wer mit der juristischen Person zu tun hat, muß grundsätzlich mit allen Folgen, die sich aus ihrer Struktur ergeben, rechnen. Nur dann braucht er sich ihre Rechtsform nicht entgegenhalten zu lassen, wenn diese zu unlauteren Zwecken mißbraucht wird." Diese Konzeption kann verdeutlicht werden, indem sie in einem kurzen Exkurs dem Ausgangspunkt der Normzwecklehre gegenübergestellt wird, die ihrerseits Grundlage der von Wiedemann vertretenen Vertragszwecklehre ist. Dabei wird auf die für die Normanwendungslehren grundlegenden Ausführungen Müller-Freienfels rekurriert 70. Seines Erachtens dürfen natürliche und 67
Siehe Sericks Habilitationsschrift, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955, sowie ders., Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, 1959. Ihm folgend im Grundsatz Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil, 1. Hlbd., § 103 III, S. 613; ferner Meyer-Landr ut, in: Großkomm. AktG, § 1 Anm. 25; keine Stellung zur subj. Mißbrauchslehre bezieht ders., in: Meyer-Landrut/Müller/Niehus, GmbHG, § 1 Rdnr. 29. 68 Eine Ausnahme soll allerdings für zentrale korporationsrechtliche Normen gelten: Ließe sich nachweisen, daß der Gesetzgeber einem Rechtssatz so entscheidende Bedeutung beigemessen hat, daß er seinen Zweck auf jeden Fall verwirklicht sehen will, müsse dieser Wille des Gesetzgebers auch auf Kosten der Rechtsform der juristischen Person respektiert werden; s. Serick, Rechtsform, S. 208 f. 69 Siehe Serick, a.a.O., S. 23 ff., Zitat auf S. 24. 70 Müller-Freienfels, Zur Lehre vom sogenannten „Durchgriff 4 bei juristischen Personen im Privatrecht, AcP 156 (1957) 522, 525 ff. Ausführlich zur Kontroverse von Serick und Müller-Freienfels s. Schanze, Einmanngesellschaft, S. 60 ff.; Wilhelm, Rechtsform, S. 7 ff., und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1, S. 190 f.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
juristische Person nicht übereilt gleichgestellt werden 71. Juristische Person ist für ihn lediglich ein rechtstechnischer Begriff, die „Konstruktion eines juristischen Zuordnungsendpunktes", eine „konstruktive Abbreviatur" bzw. „praktische Denkform für einen Komplex von Rechtsbeziehungen". Die juristische Person ist damit als Begriff ungeeignet, um daraus juristische Urteile zu gewinnen. Der Begriff selbst ist vielmehr nur das Schlußergebnis induktiver Betrachtung 72. Entsprechend der so verstandenen Relativität der Denkfigur juristische Person 73 und unter Ablehnung eines „Eigenwerts" derselben ist für Müller-Freienfels entscheidend, ob und wieweit eine bestimmte Norm im konkreten Fall auf die juristische Person ihrem Sinn und Zweck nach im Zuge richtiger Gestaltung der sozialen Ordnung anwendbar ist 74 . Hierbei soll es nicht auf eine „Einheitsform" der juristischen Person, sondern auf deren jeweilige Organisationsform und Funktion ankommen75. Für denjenigen, der auch im Rahmen einer „Normanwendungslehre" 16 für erforderlich hält, das Trennungsprinzip zu restringieren 77, um dem Gläubiger einen Anspruch gegen den Gesellschafter gewähren zu können, stellen sich diese Fälle als aufzulösende Normkollision dar; das gesetzlich fixierte Trennungsprinzip (etwa § 13 Abs. 2 GmbHG für die GmbH) und die ihrem Zweck nach eine Erstrekkung nahelegende andere Norm stehen sich gegenüber 78. Damit kann eine Erstreckung auch unter Verweis auf objektive Normzwecke 79 und daher weitergehend bejaht werden als bei Anwendung der subjektiven Mißbrauchslehre.
71
Müller-Freienfels, a.a.O., S. 530. Dies verdeutlicht auch das folgende Zitat von S. 526 f.: „Denn nicht weil diese Einheiten Personen sind, nennt sie das Gesetz Personen, sondern weil und soweit es sie so behandelt wissen will, mag man sie Personen nennen." 72 Müller-Freienfels, a.a.O., S. 529. 73 S. dazu auch Müller-Freienfels, a.a.O., S. 530, wo es heißt, daß es sich hierbei „einfach" um „eine Notwendigkeit" handele. 74 Müller-Freienfels, a.a.O., S. 536. 75 Müller-Freienfels, a.a.O., S. 542. 76 Zu den Vertretern dieser Theorie s. bereits oben Fn. 12 in diesem Kapitel. 77 Anders insoweit die von Schanze in Einmanngesellschaft formulierte Normzweckmethode. S. dazu auch Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 582, und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 2, S. 192 f. 78 So trotz zunächst (auf S. 535 ff.) gegebener Unklarheit über das erstreckungsbegründende Moment wohl auch Müller-Freienfels, wie Fn. 101 in AcP 156 (1957) 522, 543 zu entnehmen sein dürfte. 79 Zu Wiedemanns Anwendung der Normzwecklehre auf vertragliche Verhältnisse s.o. Kap. 1,1.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
39
Auch die Theorie Sericks kennt „Normanwendungsfälle" 80. Im Vergleich zur Normzwecklehre stehen bei ihr jedoch die Mißbrauchssachverhalte im Vordergrund. Den Mißbrauch der juristischen Person untergliedert Serick in die Fälle von Gesetzesumgehungen, Vertragsstörungen - wozu Vertragsumgehung und Vertragsverletzung zählen - sowie die Fallgruppe (sonstiger) fraudulöser Schädigung Dritter mit Hilfe der juristischen Person 81. Im Rahmen seiner Erörterung der Vertragsstörungen benennt er drei Sachverhalte als typisch: Zum einen die Situation, daß A und Β als natürliche Personen gegenüber C zur Unterlassung einer Handlung verpflichtet sind und nunmehr zu dem Zweck, diesen Vertrag zu umgehen, eine juristische Person gründen 82. Zweitens den Fall, daß mit einer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits gegründeten Gesellschaft ein Ergebnis erzielt werden soll, das gegen den im Vertrag versprochenen Erfolg verstößt 83. Bei diesen beiden Sachverhalten will er eine Verpflichtung auch der Gesellschaft unter Verweis auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens bejahen84. Schließlich erörtert er am Beispiel eines Wettbewerbsverbots die Konstellation, daß ein Gesellschafter solche Geschäfte, die der Gesellschaft untersagt sind, persönlich vornimmt 85 . Nur in diesem dritten Sachverhalt steht die Er-
80
Hierzu zählt er diejenigen Fälle, in denen die Eigenschaften der hinter der juristischen Person stehenden Mitglieder als Eigenschaften der juristischen Person behandelt werden, um den Sinngehalt der betreffenden Norm zu verwirklichen. Er nennt u.a. Ehegatteneigenschaft und Anfechtbarkeit nach Konkursrecht als Beispiele. Dazu Serick, Rechtsform, S. 213 f., 217, 167 ff. Zu weiteren Problemen der Normanwendung s. dort S. 217 ff., 191 ff. 81 Zu dieser Einteilung s. nur Serick, a.a.O., S. 203, und ders., Durchgriffsprobleme, S. 4. Beispiel einer fraudulösen, d.h. unlauteren Schädigung mit Hilfe der juristischen Person ist der Abschluß eines Rechtsgeschäfts zwischen Gesellschaft und Drittem unter Täuschung seitens der Gesellschafter, bei Gutgläubigkeit aber des Geschäftsführers. Ähnlich gelagert ist der Fall, daß ein mangelhafter Gegenstand in die GmbH zum Verkauf durch den gutgläubigen Geschäftsführer eingebracht werden soll, um sonst bestehenden Aufklärungspflichten zu entgehen. Dazu Serick, Rechtsform, S. 42 ff. 82 Serick, Rechtsform, S. 32. 83 Serick, a.a.O., S. 34. 84 Siehe Serick, a.a.O., S. 34 bei Fn 3. Da der Vorwurf eines „venire contra factum proprium" vorliegend nur die bereits ursprünglich gebundenen Gesellschafter treffen kann, wird deutlich, daß beim hier verfolgten Durchgriffskonzept ein „Fehlverhalten" oder sonstiges Zutun desjenigen, auf den vermittels Mißachtung der Rechtspersönlichkeit der juristischen Person „durchgegriffen" werden soll (hier die Gesellschaft), nicht erforderlich ist. 85
Serick, a.a.O., S. 33.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Streckung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft auf die Gesellschafter in Frage. Sie wird von Serick abgelehnt, weil derjenige, der mit der juristischen Person kontrahiere, von vornherein wisse, daß er nicht mit dem Gesellschafter in Beziehung tritt. Der Gesellschafter verletze also mit seinem Tätigwerden keine Verpflichtung der juristischen Person 86. Was die systematische Einordnung und normative Fundierung einer Erstreckung betrifft, unterscheidet der Vorschlag Sericks - im Gegensatz etwa zu dem Wiedemanns - zwischen Vertrags- und Gesetzesumgehung. Die Reaktion auf eine Gesetzesumgehung soll in Rechtsanalogie zu den §§ 134, 157, 242, 826 erfolgen, während bei Vertragsumgehungen auf § 242 BGB als Rechtsquelle zurückgegriffen wird 8 7 . Die auf der Rechtsfolgenseite des „Durchgriffs" - zum Beispiel für die Verjährung - bedeutsame Frage, ob die vertraglich begründete Verbindlichkeit bei Identität im übrigen auf eine weitere Person erstreckt wird oder in dieser Person neu entsteht, beantwortet Serick für die Vertragsstörungen im Sinne der ersten Alternative 88 .
b) Institutionelle Durchgriffslehren Als Verfechter einer Denkrichtung, die institutioneller Betrachtung verpflichtet ist, kann Raiser * 9 genannt werden. Seines Erachtens ist ein Verständnis des Zivilrechts zutreffend, das vom Eigenwert der Person ausgeht und die subjektiven Rechte als werthaltiges Strukturprinzip begreift, das zur Sicherung der Freiheitssphäre des einzelnen notwendig ist. Dieses Verständnis bedarf aber einer Ergänzung: Neben die Vorstellung von Privatrecht als System subjektiver Rechte muß nach Raiser ein zweiter Systemgedanke tre-
86 Serick, a.a.O., S. 34. Er lehnt es ferner ab, eine Verpflichtung der Gesellschafter aus ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft abzuleiten. 87 Die im Rahmen der Mißbrauchssachverhalte dritte Fallgruppe der fraudulösen Schädigungen soll demgegenüber auf Grundlage des § 826 BGB zu lösen sein. Zu alledem s. Serick, Durchgriffsprobleme, S. 6 und 30 ff. 88 Serick, a.a.O., S. 30 f. 89 L. Raiser , Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Summum ius summa iniuria, S. 145 ff.; s. ferner ders., Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, in: FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1860-1960, S. 101 ff.; ders. y Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 278 ff., insbes. 282, 295 f.; vgl. auch ders., JZ 1958, 1, 7 bei Fn. 43. Als weitere Vertreter sind u.a. zu nennen: Reinhardt, FS H. Lehmann, 1956, S. 576, 591 f.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 171 ff.; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 35 ff., 146 ff., 199 ff.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 405 ff.; Biedenkopf, FS Franz Böhm, 1965, S. 113, 115 f., 132 ff.; Mestmäcker, JZ 1964, 441, 443; weitere Nachweise gibt Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 96, Fn. 61.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
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ten 90 ; die Rechtsinstitute - gemeint sind damit die vom objektiven Recht geordneten typischen Lebensverhältnisse - sind zu entfalten und zu sichern. Deshalb ist für ihn ein Handeln im Recht immer auf Rechtsinstitute bezogen und in sie eingebunden. Die Grenzen rechtswirksamen Handelns richten sich nicht nur nach den guten Sitten und der öffentlichen Ordnung, sondern gleichermaßen nach dem Zweck des in Frage stehenden Rechtsinstituts91. Es tritt neben den „individuellen" Rechtsmißbrauch ein „institutioneller" 92 . Dabei wird nicht nur die Ausübung subjektiver Rechte versagt; ein Beispiel hierfür wäre etwa das Verbot, eine Gläubigerposition geltend zu machen, die gegen den Zweck des Rechtsinstituts, dem sie funktionell zugehört, verstößt 93. Vielmehr wird bei Erkennbarkeit der Zweckbindung einer organisatorischen Einrichtung, die von Seiten der Rechtsordnung zur Verfügung gestellt wird 94 , der zweckwidrige Gebrauch als Mißbrauch des Rechtsinstituts mißbilligt. Dies soll zur Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts führen 95. Ausgehend hiervon werden im Rahmen der Durchgriffsdiskussion verschiedene Formulierungen für Fälle des Institutsmißbrauchs gewählt: Unter Betonung der zu mißbilligenden Zielverfolgung wird z.T. angenommen, daß hierher alle Sachverhalte gehören, in denen die juristische Person zwar der Form nach korrekt - also unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen und Grenzen, aber zur Verfolgung rechtswidriger Ziele - benutzt wird 96 . Andere Autoren knüpfen an die Bedingungen an, die für eine Anerkennung der Selbständigkeit der juristischen Person erforderlich sind, und gehen davon aus, daß kennzeichnend für die funktionswidrige Verwendung der juristischen
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Raiser , in: Summum ius summa iniuria, S. 145, 146 ff., 159. Soweit sich das Recht hierzu der Gewährung von subjektiven Rechten bedienen muß, handelten die Rechtssubjekte bei Geltendmachung dieser Ansprüche als Funktionäre der Gesamtrechtsordnung (so Raiser , ebd. S. 159 unter Rückgriff auf Kelsens Reine Rechtslehre, die als Theorie aber abgelehnt wird). 91 Raiser , a.a.O., S. 163. 92 Ausführlich zu dieser Unterscheidung s. z.B. Esser /Schmidt, Schuldrecht Allg. Teil, § 10 III, S. 172 ff. Diese terminologische Unterscheidung ist bereits zu finden bei Esser, Schuldrecht, 2. Aufl. 1960, § 34, 6-8. 93 Bei Esser, Schuldrecht, 2. Aufl. 1960 wurde institutioneller Rechtsmißbrauch noch in diesem begrenzteren Sinne verstanden. 94 Z.B. Vertragstypen und Gesellschaftsformen. 95 Raiser , in: Summum ius summa iniuria, S. 145, 151 f., 163 f. Er spricht insoweit auch vom Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bzw. wirtschaftlicher Macht. In einer weiteren Fallguppe (ebd. S. 165 f.) geht es um den Einfluß umfassenderer Ordnungsgefüge - wie Wettbewerbsprinzip und wirtschaftliche Verfassung auf die (wirtschaftliche) Handlungsfreiheit des einzelnen. 96
So Nirk, FS Stimpel, S. 443, 453 f., und Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 227.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Person der Verstoß des Institutsträgers gegen einen das Institut beherrschen den ungeschriebenen Ordnungsgrundsatz sei 97 . Beide Standpunkte sind deckungsgleich, wenn zweierlei zutrifft: Wenn zum einen institutionelle Betrachtung nur eine Zweckverfolgung sanktionieren kann, die im Widerspruch zur Zweckbindung eines Rechtsinstituts, und damit zu in ihm selbst98 verankerten Grundsätzen steht. Und wenn andererseits ein Verstoß gegen die dem Rechtsinstitut aufgrund dessen Funktion immanenten Zwecke gleichermaßen als Verstoß gegen ungeschriebene Ordnungsgrundsätze beschreibbar ist. So kann etwa in der materiellen Unterkapitalisierung einer Gesellschaft die Nichterfüllung derjenigen Gewährleistungen gesehen werden, von denen es abhängt, ob die juristische Person als selbständiges Rechtssubjekt anerkannt wird (eben wenn eine hinreichende Kapitalausstattung zu diesen Mindestanforderungen gehört). Zugleich mag bei materieller Unterkapitalisierung eine dysfunktionale Verwendung der juristischen Person vorliegen, weil die Unterkapitalisierung zu einer ungebührlichen Abwälzung des Unternehmerrisikos auf die Gesellschaftsgläubiger führt. Eine derartige Bestimmung der immanenten Grenzen der juristischen Person wird zur „institutionellen Durchgriffslehrewenn die Grenzverletzung mit einer Restriktion des Trennungsprinzips geahndet und letzteres als anspruchsbegründend angesehen wird 99 . Freilich muß nicht jedes Handeln „ohne Recht", wie es im Falle eines Institutsmißbrauchs vorliegt, unbedingt einen Anspruch entstehen lassen100. Soweit ersichtlich gibt es keine Stellungnahmen speziell zur Frage einer Erstreckung vertraglicher Pflichten von der Gesellschaft auf den Gesellschafter vor dem Hintergrund institutioneller Betrachtung 101. 97
So Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 119 f., ders., FS R. Fischer, S. 579, 583. A.A. Th. Raiser , Kapitalgesellschaften, S. 333. Er geht davon aus, daß dem institutionellen Rechtsmißbrauch eine Benutzung der juristischen Person im Widerspruch gegen jegliche Ordnungsprinzipien des geltenden Rechts zuzuordnen ist. 99 Nach Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 583 handelt es sich hierbei zugleich um eine Restriktion des Trennungsprinzips und die Anwendung des betreffenden Ordnungsgrundsatzes als Norm. Vgl. auch ders., Konzernaußenrecht, S. 119. 100 Vgl. O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 216 f., der den Unterschied zwischen schlichter Nichtberücksichtigung begünstigender Normen und zusätzlicher Gewährung eines Anspruchs infolge Rechtsmißbrauchs betont. Speziell für die materielle Unterkapitalisierung bejaht er einen gegen den Gesellschafter gerichteten Anspruch, indem er tatsächlich durchgeführte mißbräuchliche Vermögensverschiebungen (mit § 56 AktG a.F., nunmehr § 62 AktG als Modell) und solche, die gebotswidrig unterlassen wurden, gleichstellt. 101 O. Kuhn, a.a.O., S. 192 ff. befaßt sich lediglich mit dem Umkehrfall einer Erstreckung vom Gesellschafter auf die Gesellschaft. Dogmatisch folgerichtig und in Ablehnung der Auffassung Sericks wird dem Gesellschaftergläubiger nur ein Scha98
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
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Anforderungen an die Kapitalverfassung der GmbH stehen für unsere Thematik nicht im Vordergrund. Sie sind bedeutsam für die Frage eines „Haftungsdurchgriffs". Für einen Ordnungsgrundsatz, der bereits den Akt der Begründung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft ohne gleichzeitige rechtsgeschäftliche Verpflichtung auch der Gesellschafter in Person mißbilligen ließe, fehlen in unserem GmbH-Recht auch für solche Fälle jegliche Anhaltspunkte, in denen eine Doppelverpflichtung von Verband und Gesellschafter zur Sicherung des Gläubigerinteresses geboten wäre. Ein solcher Grundsatz liefe vielmehr den in § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG getroffenen Festlegungen zuwider. Als weitere Möglichkeit ist denkbar, daß ungeschriebene Ordnungsgrundsätze hinsichtlich der Willensbildung der GmbH existieren. So verbliebe der GmbH als eigene Rechtspersönlichkeit ein Minimum an „Selbstbestimmung", wenn den Gesellschaftern eine vollständige „Fremdbestimmung" der GmbH im Eigeninteresse der Gesellschafter und zum Schaden der Gesellschaft untersagt wäre. Dieser hier ganz spekulativ geäußerte Gedanke wird erst im Rahmen der Ansätze aufgegriffen, die einen Zusammenhang zwischen der Leitungsmacht des Gesellschafters und dessen Verantwortlichkeit herstellen wollen 102 .
c) Objektive Mißbrauchslehre Dieser Ansatz 103 läßt wie die institutionelle Durchgriffslehre schon objektive Kriterien für die Bestimmung eines Mißbrauchs zu. Im Unterschied zur institutionellen Betrachtung untersagt er aber nicht nur die Verfolgung solcher Ziele, die den Grundsätzen des betroffenen Instituts selbst widersprechen; darüber hinaus wird jegliche Ziel Verfolgung erfaßt, die nicht rechtsordnungskonform ist 104 . Dies ist der Standpunkt der Rechtsprechung. Nach ihr kann die Rechtsfigur der juristischen Person nur in dem Umfang Beachdensersatzanspruch gegen denjenigen Gesellschafter zugesprochen, der durch die Strohmanngründung einer eigenen vertraglichen Verpflichtung zuwider handelt. Dieser Anspruch ist gerichtet auf Verkauf der GmbH Anteile oder u.U. sogar auf die Auflösung der GmbH. 102 S. dazu unten 2.b. 103 S. z.B. G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 353 f., 356, wonach die Rechtsform der GmbH mißbraucht, wer sie zu mißbräuchlichen Zwecken verwendet. Ausschließlich ergebnisorientiert ist allerdings die Anwendung dieses Satzes durch G. Kuhn, wenn es dort heißt, „das ist insbesondere anzunehmen, wenn die sachgerechte Abgrenzung der Interessen und Gefahrenbereiche von Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern die persönliche Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten erfordert". 104 Ein denkbares Beispiel: Bei Bestehen eines allgemeinen Verbots, fremde Forderungen zu konterkarieren, könnte in einer Gesellschaftsgründung gerade zu diesem Zweck nach dieser Ansicht ein Mißbrauch der Rechtsform der GmbH liegen.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
tung finden, in dem ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung entspricht 105 .
d) Stellungnahme Die Mißbrauchslehren knüpfen Rechtsfolgen an einen mißbräuchlichen Einsatz der juristischen Person. Wird die juristische Person selbst jedoch in keiner Weise zur „Vertragsumgehung" eingeschaltet, kann dieser Ansatz auch nicht deren Nichtbeachtung rechtfertigen. Dies gilt gleichermaßen für die einen absichtlichen Mißbrauch fordernde subjektive, wie für die sich mit einer objektiv zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person begnügende objektive Auffassung. Demnach berühren die genannten Mißbrauchsansätze unsere Fragestellung nur im Randbereich, nämlich insoweit, als sie den Einsatz einer bestehenden oder neu gegründeten juristischen Person zur Umgehung der Verpflichtung einer Gesellschaft betreffen und hier eine direkte Überleitung der Verpflichtung der „Erstgesellschaft" auf die „Zweitgesellschaft" bejahen106. Diese unmittelbare Verpflichtung der Zweitgesellschaft stellt ein Alternativmodell dar zu einer Erstreckung von der Erstgesellschaft auf den Gesellschafter, die neben der Verpflichtung des Gesellschafters, die geschuldete Leistung selbst zu erbringen, zur Folge haben könnte, daß er die Einhaltung des Vertrages auch durch die Zweitgesellschaft sicherzustellen hat 107 . Die Fälle des sogenannten Haftungsdurchgriffs wegen Verletzung von Anforderungen an die Kapitalausstattung der GmbH ausgenommen, haben sich bislang auch auf dem Boden institutioneller Betrachtung keine tragfähigen allgemeinen Ansatzpunkte gezeigt, die eine Erstreckung von Verbindlichkeiten von der Gesellschaft auf den Gesellschafter begründen könnten. Die angesprochene Idee eines Mindestbestandes von Autonomie der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern, deren Nichtbeachtung eine Erstreckung zur Folge haben könnte, ist bisher nur ein theoretisches Konstrukt. 105
S. BGHZ 20, 4, 14 (GmbH); 22, 226, 231 (GmbH); 31, 258, 271 (GmbH); BGH NJW 1974, 1371, 1372 (GmbH); offengelassen in BGHZ 68, 312, 315 (GmbH). Zu beachten ist hierbei allerdings, daß dies nach der Rspr. nicht alleiniger Ansatzpunkt ist. Vielmehr bleibt die Rechtsfigur der juristischen Person auch dann unbeachtet, wenn ein Festhalten am Grundsatz der rechtlichen Trennung zu Ergebnissen führen würde, die mit Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen sind. S. dazu die Nachweise in BGH NJW 1974, 1371, 1372 sowie oben, 1. Kap., 5. 106 So Serick auf dem Boden seiner subj. Mißbrauchslehre, s. Rechtsform, S. 33. Als mögliche Sachverhalte vgl. die oben bei Fn. 82 ff. geschilderten mit der Abwandlung, daß Vertragspartner die Gesellschaft ist. 107 Diese weiteren Möglichkeiten wurden von Serick nicht angesprochen.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
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Dieser Befund schließt nicht aus, daß dem Gesellschafter die Berufung auf die Selbständigkeit der juristischen Person im Einzelfall unter dem Aspekt des individuellen Rechtsmißbrauchs zu versagen sein kann. So können nach verbreiteter Ansicht die im Verhältnis von Gläubiger und Gesellschafter konkret gegebenen Umstände aufgrund des Verbots widersprüchlichen 108 oder im übrigen treu widrigen Verhaltens 109 gemäß § 242 BGB für den Gesellschafter nachteilig wirken. Für die Mißbrauchslehren und die institutionelle Betrachtung lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, die allgemein im Zusammenhang der Begründung einer Erstreckung über eine Generalklausel von Interesse sein könnten. Beiden ist die Betonung und Beachtung des Eigenwerts der juristischen Person - wenn auch graduell unterschiedlich 110 und aus jeweils anderen Gründen 111 - wichtig. Und beide Theorien müssen begründen, daß über § 826 BGB hinaus eine rationale Grenze für die Befugnisse der Gesellschafter formier- und legitimierbar ist. Der subjektiven Mißbrauchslehre obliegt dabei der Nachweis, weshalb jenseits des in § 826 BGB normierten „moralischen Minimums bürgerlicher Rechtsordnung" 112 aufgrund ebenfalls subjektiver Kriterien auf den Gesellschafter durchzugreifen sein soll. Die anderen Theorien müssen Ordnungsprinzipien des geltenden Rechts (institutioneller Rechtsmißbrauch und objektive Mißbrauchslehre) oder andere Gründe (individueller Rechtsmißbrauch) aufdecken, aus denen sich eine Einstandspflicht unter anderen Voraussetzungen als denjenigen des § 826 BGB ergibt 113 .
2. „Leitungsmacht der Gesellschafter und Verantwortung" Einen gesteigerten Einfluß des Gesellschafters auf die Gesellschaftstätigkeit wählen drei in ihrer Struktur voneinander zu unterscheidende Ansätze als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung einer Einstandspflicht des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. In ordoli-
108
S. nur MKIReuter, vor § 21 Rdnr. 47 und Soergel/Hadding, vor § 21 Rdnr. 37. Dazu Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 228 m.w.N. zur Rspr. 110 Strenger insoweit die subj. Mißbrauchslehre, wenn sie den Durchgriff nur bei „Manipulation und Rechtsungehorsam" (so die treffende Formulierung von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1, S. 191) zuläßt. 111 Für die Mißbrauchslehren steht hier der Wille des Gesetzgebers, für die institutionelle Betrachtung das Allgemeininteresse an der Funktion der Rechtsinstitute im Vordergrund. 112 Vgl. Schanze, Einmanngesellschaft, S. 61. 113 Dies betont Th. Raiser , Kapitalgesellschaften, S. 333, hinsichtlich der Fälle des „Haftungsdurchgriffes". Es gilt auch hier. 109
46
1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
beraler Tradition wird von einem Gleichklang von Herrschaft und Haftung ausgegangen (dazu a.). Bei anderen klingt die Vorstellung an, die Gesellschaft sei ein Willenszentrum, das in begrenztem Umfang von den Gesellschaftern autonom ist (s. b.). Schließlich ist eine haftungsrechtliche Sonderbehandlung der personalistischen GmbH als besonderem, der Personengesellschaft verwandtem Realtypus der GmbH zu erwägen (hierzu c.). a) Die These vom Gleichklang von Herrschaft und Haftung 114 Diese These gründet nach Auffassung ihrer frühen ordoliberalen Verfechter Böhm und Euchen 115 im Wesentlichen auf drei - hier nur schlagwortartig beschriebenen - Argumenten: Ausgehend von der Prämisse, im älteren Recht habe im Bereich der Regelung von Haftung der Grundsatz gegolten, daß „wer den Nutzen hat, auch den Schaden tragen muß" 1 1 6 wird im Hinblick auf die zunehmend gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung die Funktion persönlicher Haftung untersucht und dahingehend beantwortet, daß -
zum einen hierdurch Fehlleistungen der Unternehmer mit deren Verschwinden vom Markt beantwortet werden 117 , - ferner sorgsamer Kapitaleinsatz gefördert, und schließlich - eine Konzernbildung gehemmt wird 1 1 8 .
114
Sie wird befürwortet u.a. von Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 126; Euchen, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 279 ff., und Immenga, Die personalisti sehe Kapitalgesellschaft, 1970, S. 117 ff. Ablehnend: Beierstedt, ZHR 128 (1966) 119, 122; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, S. 107 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 272 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG, S. 111 ff. 115 Die nachfolgende kurze Übersicht folgt vorwiegend der breiter angelegten Darstellung Euckens. 116 So Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 279; ders., ORDO 2 (1949), 1, 57. 117 Allgemein zum Wettbewerb als vom Leistungsprinzip beherrschter Ausleseveranstaltung s. insbesondere Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, S. 124 ff.: Der Verlust der gewerblichen Existenz aufgrund erfolgloser Wettbewerbstätigkeit wird von ihm als Äquivalent der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung und als die Moral freier Verkehrswirtschaft angesehen (ebd. S. 126). Von einem „Ausleseprinzip" spicht auch Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 118. Eucken, a.a.O., S. 280, 284 bezieht die seines Erachtens erforderliche Auslese auf die Betriebe und die leitenden Persönlichkeiten. Gegen eine Erfolgshaftung von Fremdverwaltern, weil ihnen nicht der Nutzen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens verbleibt aber Mestmäkker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 25, 213. 118
Siehe Eucken, a.a.O., S. 280 f. Vgl. dazu auch Immenga, a.a.O., S. 118, 126 f.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
47
Insbesondere die Funktionen einer „Auslese" (arg. zu 1) und die Begrenzung einer Konzernbildung (arg. zu 3), machen die persönliche Haftung ihres Erachtens zur notwendigen „Lenkungsmechanik der vollständigen Konkurrenz" 119 und erweisen sie damit als „unentbehrliches ordnungspolitisches Institut der Wettbewerbsordnung" 120. Die Haftungsbeschränkungen werden auf wirtschafts- und wettbewerbstheoretischer Grundlage abgelehnt, und zugleich rechtspolitisch die Entsprechung von Herrschaft und Haftung eingefordert. Ob - und wenn ja inwieweit - diesem Postulat auch positivrechtliche Bedeutung zukommt, wird nicht dezidiert erörtert. Euckens Ausdrucksweise - er spricht von einem „allgemeinen Prinzip der Haftung" 121 - deutet darauf hin, daß er im Gleichlauf von Herrschaft und Haftung einen rechtlichen Grundsatz oder jedenfalls ein rechtsethisches Prinzip sieht. Dieser Eindruck wird bestärkt durch die Forderung, die Auslegung spezieller Gesetze wirtschaftlichen Charakters - wozu Eucken auch das Gesellschaftsrecht zählt - an der Wirtschaftsverfassung als politischer Gesamtentscheidung auszurichten 122.
b) Die These von der Gesellschaft als autonomem Willenszentrum Reuter beschreibt als Grundproblem der Rechtsfähigkeit juristischer Personen, daß die Rechtsordnung für die Rechtssubjektivität einerseits ein autonomes Willenszentrum voraussetze und andererseits die juristische Person (auch) als rechtstechnisches Instrument in der Hand externer Willenszentren zur Verfügung stelle 123 . Für Art. 19 Abs. 3 GG führt er aus, daß die Einräumung von Grundrechten an die juristische Person nicht bereits aufgrund deren juristischer Selbständigkeit, sondern erst bei „wirklicher Autonomie", wie sie sich aus dem Zusammenschluß mehrerer natürlicher Personen zu einem neuen Willenszentrum ergebe, gerechtfertigt sei 124 . 119 Zu dieser wettbewerbstheoretisehen Modellvorstellung s. Möschel, FS Pfeiffer, S. 707, 713 m.w.N. 120 So Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 281. 121 Eucken, a.a.O., S. 284. 122 Vgl. dazu die gemeinschaftliche Einleitung von Böhm, Eucken und GroßmannDoerth zur Reihe „Ordnung der Wirtschaft", in: Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, S. XVIII f. 123 So MK/Reuter, vor § 21 Rdnr. 15. 124 Siehe MKIReuter, 2. Aufl., vor § 21 Rdnr. 15. Mit etwas anderem Akzent MKI Reuter, vor § 21 Rdnr. 15 in der dritten Auflage, wo es bei der Frage nach der Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen heißt, daß es hier um die kollektive Ausübung von Grundrechten in der Form von Personenvereinigungen gehe. Folgerichtig wird die Einmann-Gesellschaft nicht als selbst geschützt angesehen, sondern
48
1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Diese Autonomie wird nach Ansicht Reuters nur verletzt, wenn eine willensmäßige Überformung der Gesellschaft 125 bewirkt, daß die Handlungsoder Haftungsorganisation derselben nicht mehr die Erwartung rechtfertigt, die juristische Person habe ihre Interessen wahrgenommen wie eine natürliche Person. Dann bestehe die Notwendigkeit, „den Vorhang der juristischen Person zu durchstoßen". Autonomie der juristischen Person wird hier also nicht verstanden als Selbstzweck, als Möglichkeit zur Ausformung eines selbstherrlichen Willens im Sinne einer gegebenenfalls auch unmotivierten, willkürlichen Selbstbestimmung. Vielmehr ist Autonomie hier das Mittel, um dem Interesse der Gesellschaft Geltung zu verschaffen, was nicht in Widerspruch zur eingangs genannten Prämisse von der juristischen Person als technischem Instrument steht. Entsprechend soll allein eine noch so intensive Beherrschung des Verbandes durch ein Mitglied keinesfalls dessen Einstandspflicht begründen können; bestehende Interessenidentität kann die Sorge des Gesellschafters für die Gesellschaft ja erhöhen, was für deren Gläubiger sogar günstig ist 126 . Vielmehr wird erst bei Durchsetzung kollidierender und damit gesellschaftsfremder Sonderinteressen 127 die Gefahr gesehen, daß „das Wohlergehen der juristischen Person dem Konkurrenzinteresse (des Gesellschafters) zum Schaden ihrer Gläubiger gleichsam aufgeopfert wird" und für diese Situation ein Haftungsdurchgriff erwogen 128 . Dieser Gefährdungslage, die er dem Konzernrecht zuordnet, will Reuter für die abhängige personalistische GmbH in Anlehnung an die Rechtsprechung 129 begegnen, indem er der Gesellschaft gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen den herrschenden Mehrheitsgesellschafter gewährt. Der reflexartige Gläubigerschutz durch Minderheitenschutz besteht allerdings nicht — und dies nach Reuters Ansicht zu Recht, wo die Minder-
allenfalls vom Schutz des Hintermanns umfaßt (ebd. in Voraufl. und aktueller Aufl., Rdnr. 15). 125 MK /Reuter, vor § 21 Rdnr. 16 spricht anschaulich von „faktischer Eingliederung in ein externes Willenszentrum". 126 Reuter, a.a.O., Rdnr. 40. 127 Dieser Ausgangspunkt erfordert nicht die Existenz eines Dualismus im Sinne einer kategorialen Unterscheidbarkeit von individuellem Gesellschafterinteresse und überindividuellem, nur einem korporativen Willen entsprechenden Gesellschaftsinteresse. Auch die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses als gemeinsame Schnittmenge der Einzelinteressen der Gesellschafter kann Maßnahmen der Gesellschaft als nur im Sonderinteresse des beherrschenden Gesellschafters liegend erscheinen lassen. Zum Verhältnis von Gesellschafter- und Unternehmensinteresse bei der AG vgl. Mertens, in: Kölner Komm., § 76 Rdnrn. 5 f., zum Gesellschaftsinteresse bei der GmbH vgl. unten, Teil 2, Kap. 1, l.a. 128 129
MK /Reuter, vor § 21 Rdnr. 40. Insbesondere BGHZ 65, 15 ff. (GmbH).
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
49
heit mit der Verfahrensweise der Mehrheit einverstanden ist, oder gar nur ein Gesellschafter existiert 130 .
c) Die These einer Geltung personengesellschaftlicher Zuordnungsregeln für den Realtypus personalistische GmbH Verschiedentlich wurde der Frage nach der Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen ausgehend von dem „Typus", der „Institution", vom „Wesen" oder der „Grundstruktur" der jeweiligen Gesellschaftsform nachgegangen 131 . Zielt diese Fragestellung - ähnlich einer institutionellen Betrachtung auf die Bestimmung immanenter Grenzen der einzelnen Gesellschaftsformen, indem sie gegebenenfalls deren Verfügbarkeit für bestimmte besondere Gestaltungen verneint, ist methodisch auch eine konträre Herangehensweise denkbar: Die atypische Gestaltung wird unbeschränkt zugelassen, auf der Ebene der Normen, die auf dieses Konstrukt anzuwenden sind, werden aber Anpassungen vorgenommen. So untersucht Nitschke, inwieweit Rechtsregeln, die für Körperschaften gelten, auch auf die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft anzuwenden sind 132 . Trifft zu, was bei mehreren der unter Kap. 1, Nr. 1 - 3 vorgetragenen Stellungnahmen anklang, nämlich daß ein „Erstreckungsbedarf 1 von der Gesellschaft auf den Gesellschafter gerade für die personalistische GmbH zu konstatieren ist, bleibt zu fragen, ob die Haftungs- und Zuordnungsregeln, die für diesen vom „Idealtypus" der GmbH möglicherweise abweichenden „Realtypus" gelten, ganz oder in Teilbereichen dem Personengesellschaftsrecht zu entnehmen sind.
d) Stellungnahme Allen diesen im weitesten Sinne auf „Leitungsmacht und Verantwortlichkeit" bezogenenen Ansätzen ist gemeinsam, daß sie nur für den Fall des Nachweises eher fernliegender Prämissen eine Erstreckung in dem Bereich, der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, begründen können. 130 Siehe MKIReuter, vor § 21 Rdnm. 43, 44. Dies wird damit begründet, daß sich der Gläubigerschutz bei der GmbH auf die Stammkapitalgarantie beschränke und keine von Existenz und Wille von Mitgesellschaftern unabhängige Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse bestehe. Bei MK ! Reuter, 2. Aufl., vor § 21 Rdnr. 44 tritt daneben die Erwägung, daß sich die GmbH, anders als die AG, von Rechts wegen nicht schlechthin der Indienstnahme durch Sonderinteressen entziehe. 131 Vgl. dazu etwa Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970 sowie Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschafts Verträgen, 1970. Weitere Nachweise gibt Schultze-v. Lasaulx, ZfgG 21 (1971) 325, 329 f. 132 Siehe Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, Teil II. 4 Diez
50
1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Zur These vom Gleichklang von Herrschaft und Haftung ist zu bemerken, daß weder das GmbH- noch das Aktienrecht in ihrer Formulierung einen Anhalt für die Existenz dieses Grundsatzes geben. Auch im Konzernrecht erfolgte keine umfassende Verwirklichung dieses Gedankens. Als Schutzanliegen wird hier nicht die generelle Sanktionierung unternehmerischer Fehlleistungen verfolgt, sondern im Grundsatz die Sicherung der Gesellschafter und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft gegen die nachteiligen Folgen von Eingriffen in deren Geschäftstätigkeit durch das herrschende Unternehmen. § 311 AktG geht für den faktischen Aktienkonzern von der Pflicht zum Ausgleich des durch die Einzelmaßnahme verursachten Nachteils aus. Im Vertragskonzern besteht demgegenüber nur eine Schadenshaftung bei Erteilung rechtswidriger Weisungen - was nicht alle nachteiligen Weisungen erfaßt 133 - sowie eine Pflicht zum Ausgleich des bei der Untergesellschaft entstandenen Jahresfehlbetrages. Somit können auch nachteilige Weisungen für die Obergesellschaft folgenlos bleiben, wenn nur der Geschäftsgang bei der Untergesellschaft im übrigen ordentlich ist. Ferner kann - nach vorherrschender Ansicht - die Mehrheitsherrschaft natürlicher Personen in einer Gesellschaft nur dann unter das Konzernrecht fallen, wenn diese auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätig sind 134 .
133
Zur Ersatzpflicht der Organe bei pflichtwidriger Weisung s. § 309 AktG. Das herrschende Unternehmen haftet aus Verletzung des Beherrschungsvertrages. Dazu etwa Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 797. — Weisungen im Konzerninteresse, die sich im Rahmen der durch den Beherrschungsvertrag eingeräumten Leitungsmacht halten, sind auch bei Nachteilen für die Untergesellschaft zulässig; s. dazu Biedenkopf / Koppensteiner, in: Kölner Komm., § 309 Rdnr. 3 mit Nachweisen zum Streitstand. 134 S. BGHZ 95, 330, 337 wonach herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG auch eine Einzelperson sein kann, die ihre wirtschaftlichen Interessen nicht nur in der betreffenden Gesellschaft sondern auch in anderen Unternehmen maßgeblich verfolgen kann. Für das GmbH-Konzernrecht s. BGHZ 115, 187, 189 „Video", insoweit bestätigt von BGH ZIP 1993, 589, 592 „TBB": Selbst eine Betätigung als Einzelunternehmer kann jedenfalls dann Grundlage einer konzernrechtlichen Haftung sein, wenn diese Firma in einem Bereich tätig ist, der in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zum Unternehmensgegenstand der GmbH steht. Nachhaltige Kritik an der Entscheidung „Video" (s. nur Altmeppen, DB 1991, 2225, 2228 f. „Beseitigung der Haftungsbeschränkung ohne tragfähige Grundlage im Gesetz", Flume , DB 1992, 25, 27 f. „Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG"; kritisch, aber für Beibehaltung der Figur des qualifiziert faktischen Konzerns Zöllner, JZ 1992, 381, 384, im Grds. zustimmend etwa Hommelhoff,\ DB 1992, 309 ff.) haben den BGH in seinem „TBB"-Urteil zu weitreichenden tatbestandlichen Präzisierungen und Korrekturen bei der Darlegungs- und Beweislast veranlaßt. S. dazu im einzelnen Anm. Lutter, JZ 1993, 580 ff., Κ Schmidt, ZIP 1993, 549 ff. und Westermann, ZIP 1993, 554 ff.
Kap. 2: Nicht vertragszentrierte Ansätze
51
Wollte man gleichwohl eine positivrechtliche Geltung der These eines Gleichklangs von Herrschaft und Verantwortung als Rechtssatz im GmbHRecht 135 behaupten, wäre dies nur in der Form möglich, daß § 13 Abs. 2 GmbHG, der nach seinem Wortlaut den Gesellschafter von Gesellschaftsverbindlichkeiten freistellt, zur Ausnahme eines hinter dem Gesetz stehenden Grundsatzes erhoben wird. Zugleich müßte die gesetzlich angeordnete Haftungsbeschränkung eine Lücke aufweisen, die durch dieses Postulat zu füllen ist. Die Wettbewerbs- und wirtschaftstheoretischen Überlegungen der Befürworter eines Gleichklangs von Herrschaft und Haftung bieten jedoch keine tragfähige Grundlage für die Gültigkeit eines solchen Rechtssatzes. Es ist bereits fraglich, ob die negativen Wirkungen einer Haftungsbeschränkung deren positive Folgen für die Kapitalbeschaffung des Verbandes und die Handelbarkeit der Unternehmensbeteiligung überwiegen 136. Von daher besteht ein Zielkonflikt zwischen den Gründen, die für und denjenigen, die gegen eine Haftungsbeschränkung sprechen. Ferner ist das Gesellschaftsrecht nicht primär an wettbewerblichen Ordnungsprinzipien ausgerichtet. Es muß mit Gesellschafter-, Minderheiten- und Gläubigerinteresse auch vielerlei Individualinteressen berücksichtigen und abgrenzen 137, weshalb Grundsätze unserer Wirtschaftsverfassung - selbst wenn sie eine weitgehende Effizienz des wirtschaftlichen Handelns sicherstellen sollten - nicht vorrangige Geltung beanspruchen können. Dieser Ansatz ist daher nicht weiter zu verfolgen. Diese Erwägungen schließen allerdings nicht aus, den Sinn einer Haftungsbeschränkung auch unter wettbewerblichem Aspekt zu untersuchen, wenn deren Wertigkeit für die Beantwortung einer weiteren Rechtsfrage erheblich sein sollte 138 .
135 Nähergelegen hätte dies aufgrund der gesetzlichen Haftungsordnung für die OHG. Aber auch hier ablehnend u.a. K. Schmidt, Zur Stellung der oHG, S. 88 ff., 139 f. m.w.N. 136 Dazu unten Teil 3, Kap. 3, 1 und 2. 137 Dem entspricht es im Effekt, wenn Immenga (Die personalistische Kapitalgesellschaft, § 16, insbes. S. 121 ff.) die These vom Gleichklang von Herrschaft und Haftung zwar vehement verteidigt, dann aber für die personalistische GmbH doch von einer Trennung zwischen „vermögensrechtlicher Verfügungsmacht und Verantwortlichkeit" der Gesellschafter ausgeht (S. 128 f.), um die befürworteten Haftungserweiterungen schließlich auf dem Boden von Überlegungen zu entwickeln, die von dieser These eigentlich unabhängig sind. Vgl. ebd. § 53, insbes. S. 410, wo Unterkapitalisierung als institutioneller Rechtsmißbrauch begriffen wird, der allein über eine Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG anspruchsbegründend wirkt. 138 Vgl. etwa Westermann, in: Scholz, 7. Aufl., Einl. Rdnr. 10: Für ihn ist bei einer unterkapitalisierten Gesellschaft die maßgebliche Ausgangsfrage, ob die Beziehung der Verbindlichkeit allein auf die Gesellschaft dem Zweck der Gesellschaftsschuld
4*
52
1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Auch die Überlegungen Reuters zur Autonomie der juristischen Person führen für den Kernbereich unserer Thematik nicht weiter. Er versucht, die Verbandsautonomie im Sinne einer eigenständigen Willensbildung der Gesellschaft lediglich deshalb sicherzustellen, um ein Handeln der Gesellschaft im Interesse eines Gesellschafters zu verhindern, das zugleich im Widerspruch zum Eigeninteresse des Verbandes steht. Die in der Einleitung genannten Fälle, in denen ein gewisses Unbehagen bei Verpflichtung nur der Gesellschaft aus dem Schuldverhältnis nicht von der Hand zu weisen war, zeichnen sich jedenfalls nicht primär und typischerweise dadurch aus, daß sie dem Interesse der Gesellschaft zuwiderlaufen. Der Grad der Beeinträchtigung von Interessen des Gläubigers bei „vertragszweckwidrigem" Handeln der Gesellschafter ist etwa bei einem Wettbewerbsverbot oder einer Ausschließlichkeitsbindung der Gesellschaft nicht davon abhängig, ob die Gesellschaftsverbindlichkeit im Sonderinteresse eines Gesellschafters begründet wurde. In der Regel handelt es sich nicht um Fälle einer konzernspezifischen Gläubigergefährdung. Die konzernrechtlichen Ansätze, die eine Verfolgung von Sonderinteressen sanktionieren, können daher ausgeblendet bleiben. Eine weitergehende Zurechnung von der Gesellschaft auf den Gesellschafter, die bereits an die Beherrschung als solche anknüpft, ist nur bei Zugrundelegung einer Autonomievorstellung möglich, die ich als ,formale Autonomieauffassung" bezeichnen möchte. Dann nämlich, wenn die Eigenständigkeit gesellschaftlicher Willensbildung nicht nur im Hinblick auf ihr Ergebnis im Einzelfall geschützt ist 139 , sondern generell bereits der Prozeß der Willensbildung von einem Übermaß an Fremdbestimmung durch einen einzelnen Gesellschafter freigehalten werden soll. Dies scheint mir nur auf zwei Wegen begründbar zu sein: Zum einen, wenn man davon ausgeht, daß dem Menschen als Person, die „Selbstzweck" ist, d.h. nicht weiteren Zwecken zu dienen bestimmt ist 140 , solche Autonomie zukommt und der Nachweis gelänge, daß dies auf die juristische Person übertragen werden muß 141 . Zum anderen, wenn in einer Analyse des Normbestandes und insbesondere des Zwecks der
zuwiderliefe; diese Frage sei nicht ohne Stellungnahme zur Wertigkeit der Haftungsbeschränkung in einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu entscheiden. 139 So bei Reuter, was insofern als „materialer Ansatz" angesehen werden kann. 140 S. Kants ethischen Personalismus: Danach ist Autonomie der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur und die Person nicht Mittel zu Zwekken, die außerhalb ihrer selbst liegen; s. dazu Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, S. 170. 141 Solchem Vorgehen käme die Vorstellung von der juristischen Person als einer „realen Verbandspersönlichkeit" entgegen, die dem Verband neben sozialer Realität auch ontologische Substanz im Sinne eines Eigenlebens zuweist und so eine strukturelle Ähnlichkeit natürlicher und juristischer Personen suggeriert. Vgl. hierzu stellvertretend die Nachweise unten in Teil 2, Fn. 11.
Kap. 3: Zwischenergebnis und Folgerungen
53
juristischen Person festzustellen wäre, daß ein solches Ordnungsprinzip für das Funktionieren der juristischen Person unerläßlich ist 142 . Für beides besteht kein Anlaß: Die juristische Person ist ein Kunstprodukt der Rechtsordnung, um den Menschen ein Hilfsmittel zur zweckmäßigeren Verfolgung ihrer Ziele an die Hand zu geben; sie ist dem Recht nicht vorgegeben. Um Mitgesellschafter oder andere Personen, die mit dem Verband in Kontakt getreten sind, vor nachteiligen Folgen einer Beherrschung zu sichern, dürfte ein zielgenaueres Verfahren genügen, das ihnen im Falle rechtswidriger Beeinträchtigung Ansprüche gewährt. Die Übernahme der Haftungsordnung der OHG für die personalistische GmbH erfordert zunächst, daß es möglich ist, einen solchen Realtypus hinreichend genau von anderen Realtypen der GmbH abzugrenzen 143. Ferner ist sehr fraglich, ob eine solche Anwendung der Haftungsordnung der OHG auf die GmbH die Lösung der in dieser Untersuchung angesprochenen Probleme tatsächlich erleichtert. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dort nicht dieselben Entscheidungsschwierigkeiten und Begründungsdefizite bestehen. Schon das ist zweifelhaft, wie die Stellungnahme K. Schmidts zeigte 144 . Entscheidend gegen ein solches Vorgehen spricht aber bereits, daß der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 3 und 4 GmbHG bei der GmbH ausdrücklich eine personalistische Gestaltung zuließ, ohne sich zugleich veranlaßt zu sehen, die Haftung sowie die Zurechnung von Rechten und Pflichten für die personalistische GmbH abweichend vom Normaltypus festzulegen. Diese „Nichtregelung" nährt vielmehr den Verdacht, daß die gesetzliche Haftungs- und Zurechnungsordnung nach dem Willen des Gesetzgebers integraler Bestandteil und damit unverzichtbares Moment jeder GmbH ist. Allein die personalistische Strukturierung einer GmbH kann vor diesem Hintergrund eine Übernahme der personengesellschaftlichen Haftungs- und Zuordnungsregeln nicht rechtfertigen.
142 So meines Erachtens die Fragestellung vor dem Hintergrund einer „Fiktions-" oder „Zwecktheorie" der juristischen Person. 143 Zum methodischen Problem einer Typenfixierung s. nur Helm, ZGR 1973, 478, 489 ff., sowie - insbes. für die Personengesellschaften - Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 104 ff., 123 ff. 144
S.o. 1. Kap., 2 im 1. Absatz.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Kapitel 3
Zwischenergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung Die dargestellten Ansätze lassen sich in verschiedener Weise gruppieren 145 : - Der Forderung nach „normaler" Rechtsanwendung, wie sie mit dem „Vertragsschlußkonzept" und der „Deliktslösung" angesprochen wurde 146 , kann die Kreation spezifischer Rechtsinstitute gegenübergestellt werden. Hierunter fallen die unterschiedlichen Versuche, mittels einer tatbestandlichen Fassung des Durchgriffs 147 oder durch eine In-Eins-Setzung von Verband und Mitglied 1 4 8 , zu einer Erstreckung vertraglicher Pflichten der Gesellschaft auf den Gesellschafter zu gelangen. Die extensive Interpretation bzw. die extensive Anwendung bestehender Rechtsinstitute stellt vielleicht einen Mittelweg dar. Vorstellbar ist etwa, Gläubigerschutz durch „großzügige Annahme" einer Selbstbindung der Gesellschafter bei deren Selbsthandeln zu gewähren oder von einer weitgehenden Vertretungsmacht der Geschäftsführer zur persönlichen Verpflichtung der nicht handelnden Gesellschafter auszugehen149. Auch der Versuch, dem zwischen Gesellschaft und Drittem geschlossenen Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen Wirkung zu Lasten des Gesellschafters zuzusprechen, läßt sich möglicherweise in extensiver Anwendung bestehender Rechtseinrichtungen begründen 150. - Zugleich lassen sich, abhängig vom Verständnis der Ausgestaltung der juristischen Personen in unserer Rechtsordnung, Lösungen auf dem Boden einer strikten Trennung von Verband und Mitglied 1 5 1 sowie Konzepte, die
145
Zutreffend für die Mehrzahl der Anknüpfungen, aber in der Sache nicht weiterführend ist die Beobachtung von Th. Raiser (Kapitalgesellschaften, S. 328), wonach sich in den „Durchgriffstheorien" Lehren von der juristischen Person, Billigkeitsargumente und rechtspolitische Vorstellungen vom funktionsgerechten Gebrauch der Haftungsbeschränkung in der Marktwirtschaft verschränken. 146 S.o. Kap. 1, 2 und 4. 147 S. etwa die Mißbrauchslehren, 2. Kap. unter 1. 148 So Wiedemanns „Vertragszwecklehre", oben 1. Kap., 1. 149 Vgl. oben Kap. 1, 2 im vorletzten Absatz. 150 S. dazu die Ausführungen zu Mertens „Auslegungsthese", oben Kap. 1, 3. 151 Neben den bei Fn. 146 im Text genannten Fällen einer Doppel Verpflichtung von Verband und Mitglied ist hier die Übernahme einer Garantie oder Einwirkungspflicht seitens der Gesellschaft zu nennen. S.o. im 1. Kap., 1, bei Fn. 19.
Kap. 3: Zwischenergebnis und Folgerungen
55
eine Relativierung der juristischen Person für möglich halten 152 , unterscheiden. - Ferner kommen Vertrag und Gesetz - mit weiteren Untergliederungen im einzelnen - als Rechtsgrundlage und Geltungsgrund einer Verpflichtung des Gesellschafters in Betracht. Die Grenzlinien sind hierbei allerdings nicht von vornherein klar, wie die Frage nach Drittwirkungen des Vertrages Gesellschaft-Dritter zeigt: Sowohl orginäre Lastwirkungen des Vertrages wie auch eine gesetzliche - auf § 242 BGB fußende - vertragsinhaltsgleiche Verpflichtung des Gesellschafters sind zu erwägen 153. Im folgenden sollen jedoch nicht alle denkbaren Ansätze auf Grundlage eines dieser Muster nacheinander behandelt werden. Außer Betracht bleiben sollen zum einen diejenigen Ansätze, die sich für den Kernbereich der Thematik nicht als relevant erweisen konnten; hierunter fallen der Reutersche und andere, an der Verfolgung von Sonderinteressen des Gesellschafters ausgerichtete Ansätze 154 . Dazu zählen ferner objektive und subjektive Mißbrauchslehre, weil im Grundfall einer vertraglichen Verpflichtung des Verbandes ohne Einschaltung weiterer juristischer Personen zur Vertragsumgehung keine mißbräuchliche Verwendung der juristischen Person gesehen werden kann 155 . Ausgeklammert bleiben zum anderen solche Ansatzpunkte, die zwar theoretisch denkbar sind, aber bislang für eine Erstreckung vertraglicher Pflichten der Gesellschaft auf die Gesellschafter nicht als gültig behauptet wurden und wegen fehlender Bausteine im Begründungsgebäude als spekulativ bezeichnet werden mußten: Verworfen wurde daher die These einer Anwendbarkeit des § 128 HGB auf die personalistische GmbH 1 5 6 und die Annahme, daß eine Beherrschung der Gesellschaft als solche unzulässig in deren Autonomie eingreift 157 , was zugleich im Rahmen einer institutionellen Betrachtungsweise bislang einziger Anknüpfungspunkt für eine Zurechnung auf den Gesellschafter blieb 158 . Gleichermaßen ungesichert ist die Vorstellung einer Lücke in der Haftungsbeschränkung bei der GmbH, die durch den Grundsatz vom Gleichklang von Herrschaft und Haftung auszufüllen wäre 159 .
152 153 154 155 156 157 158 159
So die Durchgriffslehren und Wiedemanns Vertragszwecklehre (o. Fn. 147 f.) S.o. 1. Kap., 3. S.o. 2. Kap., 2.d nach Fn. 138 im Text. S.o. 2. Kap., l.d, erster und zweiter Absatz. S.o. 2. Kap., 2.d, letzter Absatz. S.o. 2. Kap., 2.d, vorletzter Absatz. Vgl. oben 2. Kap., l.b, letzter Absatz. S.o. 2. Kap., 2.d, zweiter und dritter Absatz.
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1. Teil: Vorhandene Lösungsansätze
Damit verbleiben die oben in Kap. 1 genannten Ansätze zur Erörterung in Teil 2. Dies wird in der Weise geschehen, daß im 1. Kap. des 2. Teils die Interessen der Beteiligten analysiert und in Kap. 2 der Frage nachgegangen wird, inwieweit Zweck, Auslegung und Umgehung des zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrages als Begründungsmodi geeignet sind. Schließlich kann unter Rückgriff auf die Interessenanalyse und dabei möglicherweise erlangte Wertungskriterien untersucht werden, ob ein „Erstreckungsbedarf" auch nach Anwendung anerkannter Rechtsregeln, namentlich der §§ 145 ff. (Selbstbindung), 164 ff. (Stellvertretung), 823 ff. (deliktische Einstandspflichten) und 242 BGB (Treu und Glauben als Quell weiterer gesetzlicher Ansprüche), verbleibt (s. Teil 2, Kap. 3). Mit anderen Worten: Es soll geklärt werden, ob eine „Schutzlücke" besteht, der möglicherweise eine zu schließende Lücke in der Zivilrechtsanwendung korrespondiert.
2. Teil
Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung Entsprechend dem hier verfolgten interessenanalytischen Ansatz werden zunächst die Interessen der Beteiligten untersucht (Kap. 1), bevor die personelle Reichweite der Gesellschaftsverbindlichkeit (dazu Kap. 2) und die Grenzen einer Erstreckung in Anwendung der Regeln über den Vertragsschluß und auf anerkannter gesetzlicher Grundlage (unten Kap. 3) erörtert werden.
Kapitel 1
Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten Als „Interessenten", deren Anliegen für die Legitimation einer „Erstreckung" 1 bedeutsam werden können, sind zunächst die unmittelbar Beteiligten, also die Gesellschaft (dazu 1.), die Gesellschafter (unten 2.) und die Gläubiger (nachfolgend 3. und 4.) zu nennen. Der Gläubiger, weil er Nutznießer einer Erstreckung sein kann, der Gesellschafter, da er hierdurch persönlich mit Pflichten belastet wird, und die Gesellschaft, weil sie Partei des zu erstreckenden Schuldverhältnisses ist und nicht vorab ausgeschlossen werden kann, daß eine Erstreckung auf sie - sei es positiv, sei es negativ - zurückwirkt. Privatrechtsanwendung hat wesentlich die Aufgabe, Interessenkonflikte zu entscheiden. Hierfür ist unter anderem zu klären, inwieweit der Gesetzgeber die einzelnen Interessen in sein Kalkül aufgenommen, wie er sie bewertet und wie er sie abgewogen hat. Von daher erscheint es sinnvoll, die einzelnen relevanten Interessenbereiche gesondert festzustellen und in ihrem Widerstreit wie auch ihrer Gleichrichtung darzustellen. Dies kann zu einer Präzisierung der Problemlage beitragen.
1
Wiederum gebraucht in dem weiten Sinne einer Ausstrahlung der Verbindlichkeit der Gesellschaft auf den Rechtskreis des Gesellschafters.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Darüber hinaus wird bei 5. - allerdings nur kursorisch - unter dem Stichwort „relevante Drittinteressen" der Frage nachgegangen, ob die Binnenperspektive der unmittelbar Betroffenen zu verlassen ist und Interessen, die außerhalb ihrer Sphäre liegen, für die Entscheidung über eine Erstreckung berücksichtigt werden müssen. Ferner wird unter Nr. 4 untersucht, inwieweit der Gläubiger selbst in der Lage ist, seine Interessen abzusichern.
1. Die Interessen der Gesellschaft Zu bestimmen sind hier die Interessen des aus dem Vertrag mit dem Dritten berechtigten und verpflichteten Rechtsträgers GmbH. Nachdem für die jurstische Person als Kunstgebilde die Entwicklung von Begehrlichkeitsvorstellungen2 im Sinne eines psychischen Sachverhalts ausgeschlossen ist, verbleiben zwei Möglichkeiten zur Interessenermittlung: Entweder wird auf die Wünsche der das Verhalten der juristischen Person steuernden natürlichen Personen - insbesondere also Organe und unter Umständen auch Gesellschafter - abgestellt, oder das Interesse wird seines mentalen Sitzes und damit seines Rückbezugs zur tatsächlich vorhandenen Wirklichkeit beraubt und als verobjektivierter Zweckbegriff verstanden3. Bevor überlegt werden kann, wann und wie eine Erstreckung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf den Gesellschafter den Interessenbereich der Gesellschaft berührt, sind daher die Bezugspunkte zu ermitteln, die als Maßstab für dieses Interesse dienen können.
a) Die
„Bestimmungsgrößen"
des Gesellschaftsinteresses
Nur weil der GmbH die Eigenschaft eines Rechtsträgers zukommt, muß sie nicht zugleich selbständiger Interessenträger sein. Naheliegender er2
Vgl. H. Westermann, Interessenkollisionen, S. 4: Nach ihm sind Interessen solche Begehrlichkeitsvorstellungen, die die Parteien haben oder haben müssen, wenn sie die ihnen günstige Rechtsfolge anstreben. Heck, Begriffsbildung, S. 36 f. versteht unter Interessen sowohl die aktuellen Begehren nach Lebensgütern, als auch die „Begehrensdispositionen", die zunächst dem Bereich des Unterbewußtseins zugehören, aber auf Anreiz hervortreten. Daneben kennt Heck noch „Interessen im objektiven Sinne", was diejenigen Verhältnisse bezeichnen soll, die für vorgenannte subjektive Begehren normalerweise ursächlich sind. 3
Umfassende Nachweise zur Diskussion um den Begriff des Interesses im Rahmen der Interessen- und Wertungsjurisprudenz bis zum Beginn der 60er Jahre gibt Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 18, Fn. 3. S. ferner Hubmann , Wertung und Abwägung, S. 61 f., sowie Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, S. 21 ff., 33 ff.
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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scheint, die Verfolgung eines Verbandszwecks ohne Rücksicht auf die Interessen insbesondere seiner Mitglieder 4 und damit die Wahrnehmung eigener Interessen der Gesellschaft lediglich dort zu erwarten, wo die Abhängigkeit des Verbands von der Individualität und dem Bestand seiner Mitglieder bereits in anderer Beziehung - wie etwa in seiner Existenz oder seiner Handlungsfähigkeit - gelockert ist. Der Grad einer solchen Verselbständigung des Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern, wie er unter anderem in der Möglichkeit zur Drittorganschaft sowie der gründerunabhängigen Fortexistenz der Gesellschaft zum Ausdruck kommt, hängt nicht von dessen Rechtsfähigkeit ab. Dies zeigen die rechtsfähige KGaA mit Selbstorganschaft des persönlich haftenden Gesellschafters einerseits (s. § 278 Abs. 1 und 2 AktG) und der nichtrechtsfähige Verein, der den körperschaftlich strukturierten Verbänden zugehört 5, andererseits. Wenn hier etwas ausführlicher auf die Gestaltungsmacht der Gesellschafter und auf für sie möglicherweise unverfügbare Bereiche in der GmbH eingegangen wird, so nicht nur, weil dies für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses Bedeutung hat; vielmehr wird dadurch allgemein das Verhältnis von Verband und Mitglied charakterisiert, was für die Unterscheidung der Rechtskreise von Gesellschaft und Gesellschafter im Rahmen der unten zu vollziehenden Rechtsanwendung von Interesse ist. Für die GmbH - auch für eine stark körperschaftlich strukturierte Gesellschaft dieses Typs 6 - gilt, daß nicht nur die Gründung und die Beendigung des Verbands, sondern auch die Änderung des Gesellschaftszwecks im Belieben der Gesellschafter in ihrer Gesamtheit steht. Für die Beendigung normiert § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, daß die Gesellschafter ihre Gesellschaft mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen auflösen können7. Diese Entscheidung ist allein der Gesellschafterversammlung vorbehalten8. Hinsichtlich der Änderung des Gesellschaftszwecks ist zu unterscheiden zwischen der grundsätzlichen Ausrichtung der Gesellschaft (etwa ob wirt4
Sie sind die zuallererst in den Blick zu nehmende gesellschaftsrechtliche Bezugsgruppe, da ja von ihrem Tätigwerden die Existenz der Gesellschaft überhaupt abhängt. 5 Vgl. hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 25 I 1, S. 615 f. 6 Also insbes. mit strikter Fremdgeschäftsführung und freier Veräußerbarkeit der Anteile. 7 Zum Streitstand hinsichtlich des Sonderfalls von Stimmpflichten und Stimmverboten s. Scholz /Schmidt, 7. Aufl., § 60 Rdnr. 16. 8 Bereits die gesellschaftsvertragliche Bindung an die Willensbildung anderer Organe - wie Geschäftsführer oder Aufsichtsrat - ist unzulässig. Siehe Scholz /Schmidt, a.a.O., Rdnr. 12; Lutter/Hommelhoff, § 60 Rdnr. 6, und Baumbach/Hueck/SchulzeOsterloh, § 60 Rdnr. 15.
6 0 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
schaftliche oder nicht auf Gewinnerzielung gerichtete ideelle Zwecke verfolgt werden sollen) und dem konkreten Unternehmensgegenstand (Produktion und Vertrieb bestimmter Produkte, Vermietung von Immobilien etc.). Während ersteres der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, genügen in den anderen Fällen die für eine normale Satzungsänderung erforderlichen Mehrheiten 9. Legt man zudem zugrunde, daß die das Wirken der Gesellschaft in concreto bestimmenden Akte der Geschäftsführung bereits definitionsgemäß 10 am Gesellschaftszweck ausgerichtet sind, ist die Gesellschaft nach dem bisher Gesagten in ihrer Tätigkeit ständiger Disposition der Gesellschafter ausgesetzt. Der Verdacht, wonach es sich bei der GmbH um ein Instrument der Gesellschafter handelt, wird bestärkt durch das Weisungsrecht, das die Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern haben (s. §§37 Abs. 1, 45 GmbHG). Daher kann eine Auffassung, die - etwa aus Begriff oder Wesen der juristischen Person deduzierend - die Angehörigen der Körperschaft nicht mehr als Herren, sondern als Diener des autonom gewordenen Verbandszwecks begreift 11 , jedenfalls für die GmbH nicht zutreffen. Es ist Flume beizupflichten, der die GmbH nur vermögensmäßig - der Haftungsbeschränkung wegen - als juristische Person gegenüber den Gesellschaftern verselbständigt sieht, sie aber im übrigen („materiell") den Personengesellschaften zuschlägt, die
9
Überzeugend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 30 unter Rekurs auf den Rechtsgedanken des § 33 BGB. S. ferner Scholz ! Priester, 7. Aufl., § 53 Rdnrn. 174 ff., sowie Lutter/Hommelhoff, § 53 Rdnr. 21. A.A. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 3 I 3, S. 156 f., der auch die Änderung des Gesellschaftszwecks als normale Satzungsänderung behandelt wissen will und demgegenüber die gerichtliche Überprüfung eines Mehrheitsbeschlusses bzw. Austritts- und Abfindungsrecht nicht änderungswilliger Gesellschafter favorisiert. 10 Wenn man Geschäftsführung begreift als die (im Innenverhältnis) auf die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gerichtete Tätigkeit; s. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 V 1,S. 1145. 11 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 2 I 1, S. 90 nennt hier neben Gierkes Genossenschaftstheorie die Staatstheorie Hegels (s. dessen Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 257 ff.). In der Tendenz ähnlich Rittner, Die werdende juristische Person, der unter Zugrundelegung von Freiheit und Verantwortung als die jede Rechtsperson maßgeblich kennzeichnenden Eigenschaften (ebd. S. 159 ff.) die juristische Person als Willens- und Wirkungseinheit versteht, die eine überindividuelle Kontinuität von kulturellen Substanzen ermöglichen solle (ebd. S. 214). — Die vorherrschende Ansicht verfolgt demgegenüber einen rechtstechnischen Begriff der juristischen Person; s. etwa Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522, 529: „Konstruktion eines juristischen Zuordnungsendpunktes" (dazu bereits oben Teil 1, nach Fn. 70 im Text); ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 196 ff. (s.o. Teil 1 bei Fn. 7). Nach MK/Reuter, vor § 21 Rdnr. 2 handelt es sich um eine „zweckgebundene Organisation, der die Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit verliehen hat".
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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durch die personenmäßige Zuordnung des Unternehmens und der damit einhergehenden Entscheidungsmacht der Gesellschafter gekennzeichnet sind 12 . Diese Sicht entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der - im Gegensatz zu Flume allerdings auch für die AG - die Gesellschafter als „ausschließliche und gleichberechtigte Inhaber des Unternehmens" ansah13. Damit ist die GmbH weder „Selbstzweck" noch Mittel zur Verfolgung transpersonaler Werte. Auch eine allgemeine Inkorporation der jeweiligen Interessen anderer gesellschaftsrechtlicher Bezugsgruppen (wie Arbeitnehmer, Gläubiger und Allgemeinheit) in das Gesellschaftsinteresse ist mit dem vorgenannten Verständnis der GmbH unvereinbar 14. Es verbleibt allenfalls, die Gesellschafter hinsichtlich einzelner Gegenstände in ihrer Entscheidungsgewalt und Handlungsbefugnis zu beschränken 15. So wird z.T. angenommen, daß der Gesellschaft im Interesse von Arbeitnehmern oder Gläubigern ein von den Gesellschaftern zu wahrendes Bestandsinteresse zukomme, was vor allem existenzgefährdende Weisungen ausschließen soll 16 . 12
Flume , Die juristische Person, § 2 VII 3, S. 62. S. Verhandlungen des Reichstags/Drucksachen, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, S. 3724. Wilhelm, Rechtsform, S. 344 bezeichnet diese Konzeption plastisch als „Miteigentum nach innen und Rechtssubjektivität nach außen". 14 Zur hier ausgeblendeten Frage der Folgewirkungen des MitbestG auf Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse s. Wiedemann , Gesellschaftsrecht, § 11 II 1 b und III 2 b, S. 610 ff. Speziell hinsichtlich des Weisungsrechts der GmbH-Gesellschafter in der mitbestimmten GmbH spricht vieles dafür, daß mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung insoweit keine Beschränkung deren „Allzuständigkeit" erfolgte; s. Wiedemann , a.a.O., S. 611 f., und Flume , Die juristische Person, § 2 VII 3, S. 61, Fn. 128. 13
15 Ein um andere Gruppeninteressen erweitertes Gesellschaftsinteresse wird freilich als Steuerungsgröße oder haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt nur dort praktisch relevant, wo eine konkrete gesetzliche Anordnung fehlt. 16 So etwa Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 204 f. mit Hinweis auf §73 GmbHG und §§111, 112 BetrVG als (im Unterschied zum Personengesellschaftsrecht) nicht disponible Schutz Vorschriften zugunsten der Gläubiger und Arbeitnehmer für den Fall einer Auflösung der Gesellschaft nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, die bei Zulassung einer „Liquidation auf kaltem Wege" umgangen würden. Weisungen eines beherrschenden Gesellschafters, die die Existenzfähigkeit der Gesellschaft gefährden, hält Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 418 f. speziell im faktischen GmbH-Konzern für unzulässig; das Eigeninteresse der GmbH stützt er wesentlich auf aktienrechtliche Regelungen, die auch dem Gläubigerschutz dienen (§§ 300 ff., insbes. 317, 322, 324 AktG). Wilhelm, Rechtsform, S. 335 ff. verlangt den Gesellschaftern generell analog § 43 GmbHG die Beachtung der Eigeninteressen der Gesellschaft ab, die deren Vermögen betreffen. Gegen solche Eingriffsschranken für Alleingesellschafter auf Grundlage eines gesellschaftlichen Eigeninteresses Baumbach/ Hueck/ Zöllner, Schlußanh. I Rdnr. 35.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Das braucht für die Interessenanalyse nicht entschieden zu werden, nachdem ein Interesse am Fortbestand der Gesellschaft bereits als Interesse einer möglicherweise vorhandenen dissentierenden Minderheit von Gesellschaftern zu berücksichtigen ist 17 . Dies rechtfertigt, für die Interessenanalyse als Gesellschaftsinteresse das gemeinschaftliche Interesse der Gesellschafter zugrundezulegen, wie es im satzungsmäßig festgelegten Gesellschaftszweck zum Ausdruck kommt 18 . Ist der Gesellschaftszweck maßgebliche positive Bezugsgröße für das Gesellschaftsinteresse 19, dann macht es auch wenig Sinn, für die Interessenbestimmung auf den Willen der Geschäftsführer abzustellen, die ja ihrerseits durch den Gesellschaftszweck gebunden sind.
b) Erstreckung und Gesellschaftsinteressen Allgemein liegt im Verbandsinteresse, was Bestand, Funktionsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des Verbandes im Hinblick auf dessen Zweck fördert oder erhält 20 . Sieht man von dem konkreten Unternehmensgegenstand ab, der nicht sinnvoll in die Untersuchung einbezogen werden kann 21 , ist für Gesellschaften mbH mit wirtschaftlicher Zielsetzung vor allem ein Interesse an Gewinn und an Erhalt und Vermehrung der in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte zu nennen. Die Entscheidung über eine Erstreckung kann die Gewinnsituation der Gesellschaft beeinflussen; eine Bestandsgefährdung wird dagegen nur in seltenen Fällen zu erwarten sein:
17 Auf Grundlage der Treuepflicht, die die Gesellschafter untereinander trifft, sind Ansprüche auf Unterlassung existenzgefährdender Weisungen bzw. auf Kompensationsleistung an die Gesellschaft nach Zuwiderhandlung konzipierbar, was reflexartig auch Gläubigern und Arbeitnehmern zugutekommt. S. dazu Winter, a.a.O., S. 49 f., und Ulmer, a.a.O., S. 416 f. Die Frage der Anerkennung eines gesellschaftseigenen, vom Interesse seiner Mitglieder unabhängigen Bestandsinteresses wird daher virulent nur für Gesellschaften mit lediglich einem Gesellschafter oder wo alle Mitglieder mit der bestandsgefährdenden Handlungsweise einverstanden sind. 18
Zu unterscheiden namentlich vom aktuellen Gesellschafterinteresse. So auch Zöllner, in: Kölner Komm., Einl. Rdnr. 107. 20 Zöllner, a.a.O., Rdnr. 107. 21 Zum Verhältnis von „Grundzweck" und „Unternehmensgegenstand" s. Baumbach IHuecky § 1 Rdnr. 5: Der Unternehmensgegenstand ist Zweckbestandteil und zugleich wichtigste Erkenntnisquelle zur Bestimmung eines nicht hinreichend formulierten Gesellschaftszwecks. 19
Kap. 1: Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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- Bei Unterlassungspflichten kommt der Gesellschafter der Gesellschaft in der Regel nicht „ins Gehege", denn er nimmt nur Handlungen vor, die diese selbst nicht vollzieht, weil ihr dies vertraglich untersagt ist. Anders ist es bei Unterlassungspflichten nur, wenn die Handlungen des Gesellschafters ausnahmsweise nachteilig auf die Gesellschaft zurückwirken. Diese Situation kann etwa bei einem Wettbewerbsverbot eintreten, sofern beispielsweise ein vom Gesellschafter vertriebenes Produkt ein Substitut des von der Gesellschaft ohne Verstoß gegen die eigene Unterlassungspflicht hergestellten Gegenstandes ist. - Bei Leistungspflichten werden der Gesellschaft durch eine Erstreckung, die zur Befriedigung des Gläubigers seitens des Gesellschafters führt, Erfüllungs- bzw. Ersatzansprüche des Gläubigers erspart. Dies ist für sie von Vorteil, wenn der Gesellschafter keine Regreßansprüche gegen die Gesellschaft hat oder solche nicht geltend macht. - Die Erstreckung liegt ferner im Interesse der Gesellschaft, wenn sie sich andernfalls in ihrem Ruf mit nachteiliger Wirkung auf laufende oder potentielle Geschäftsbeziehungen geschädigt sieht. Ein Gläubiger, der durch das Handeln eines Gesellschafters enttäuscht wurde, mag künftig Geschäftsabschlüsse mit dem Verband ganz unterlassen, oder aufgrund der gestörten Vertrauensbeziehung nur zu Konditionen abschließen, die für die Gesellschaft ungünstiger sind. -
Schließlich ist denkbar, daß die Einbindung der Gesellschafter einen Gesellschafterwechsel und die Werbung von Anlegern - etwa zur Kapitalbeschaffung im Rahmen einer Erhöhung des Stammkapitals - behindert. GmbH-Beteiligungen sind allerdings nicht in einer der Aktie vergleichbaren Weise auf Verkehrsfähigkeit angelegt, wie bereits die in § 15 Abs. 5 GmbHG vorgesehene Möglichkeit zur Beschränkung der freien Veräußerbarkeit der GmbH-Anteile 22 zeigt. Nachdem personalistische GmbHs von dieser Gestaltungsbefugnis wohl typischerweise Gebrauch machen, fällt dieses Argument nur für die körperschaftlich geprägte GmbH stark ins Gewicht 23 . Im übrigen hängen die Auswirkungen einer Erstreckung auf die Kapitalbeschaffung der GmbH von der Interessenbewertung der eintritts-
22
Nach h.A. ist sogar der gänzliche Ausschluß der Abtretbarkeit zulässig, s. Baumbach /Hueck, § 15 Rdnr. 37 m.w.N. 23 Nach Erhebungen Limbachs war die Übertragbarkeit bei über 90% der untersuchten Gesellschaften (allesamt zu Beginn der 60er Jahre in Berlin gegründete Gesellschaften mbH) beschränkt. Bereits für die Verbände, bei denen wegen Beteiligung der öffentlichen Hand, Beteiligung von jur. Personen oder hoher Anzahl von Gesellschaftern ein den Personengesellschaften ähnlicher Aufbau nicht zu erwarten war, lag dieser Anteil bei 75% oder mehr. S. dies., Theorie und Wirklichkeit der GmbH, S. 70 ff.
6 4 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
willigen Gesellschafter ab, die von einer persönlichen Verpflichtung potentiell betroffen sind. Insgesamt sind - mit Ausnahme des Gesichtspunktes der Kapitalbeschaffung - keine schutzwüdigen Interessen der Gesellschaft gegen eine Erstrekkung erkennbar. Zudem kann sich die Gesellschaft einer Einbindung der Gesellschafter, die ihre eigene Verpflichtung effektuiert, nur schlecht widersetzen. Umgekehrt sprechen aber aus Sicht der Gesellschaft im Hinblick auf das gesellschaftliche Gewinn- und Bestandsinteresse auch keine gewichtigen Gründe flir eine Erstreckung, wenn im Vorgriff auf eine rechtliche Interessenbewertung davon ausgegangen wird, daß das, was die Gesellschaft vom Gesellschafter verlangen kann, eine Frage des Innenverhältnisses darstellt, die nicht über die Hintertür einer Erstreckung zugunsten Außenstehender entschieden werden sollte.
2. Interessen der Gesellschafter Sinnvollerweise sollte man hier zwischen Gesellschaftern, denen tatsächlich droht, aufgrund einer Erstreckung in die Pflicht genommen zu werden und den anderen Mitgesellschaftern unterscheiden. Der ersten Gruppe unterfallen hinsichtlich Unterlassungspflichten diejenigen, die in der vielleicht unzulässigen Weise zu handeln beabsichtigen sowie bei unvertretbaren Leistungspflichten derjenige, der zu einer Erfüllung der GesellschaftsVerbindlichkeit in der Lage ist. Die Interessen der anderen Gesellschafter sind in der Regel deckungsgleich mit dem Gesellschaftsinteresse. Eine im Einzelfall mögliche Verfolgung von Sonderinteressen durch den Gesellschafter wie auch ein seit Festlegung des Gesellschaftszwecks beim Mitglied eingetretener Interessenwandel bleiben hier außer Betracht 24. Dieser Abschnitt konzentriert sich deshalb auf die dem Gesellschaftsinteresse z.T. entgegengesetzten Interessen der „potentiell" von einer Erstreckung betroffenen Gesellschafter. Offenkundig ist, daß jegliche im Ansatz fremdbestimmte Bindung des Gesellschafters in Person, zugleich also jede Erstreckung, die ohne eine entsprechende, ihn zufriedenstellende Gegenleistung bleibt, seinen Interessen zuwiderläuft. Hierdurch wird er vermögensmäßig belastet oder in den ihm als Privatperson von Rechts wegen zunächst zustehenden Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Letzteres steht bei den Fallgestaltungen im Vordergrund, die in der Einleitung genannt wurden; sie legen zumeist eine Unterlassungspflicht des
24
Auch auf die bereits oben zu 1. angesprochenen Interessen künftiger Gesellschafter wird nicht mehr gesondert eingegangen.
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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Gesellschafters nahe. Im Grunde greift jedoch jede Pflichtenbegründung, also auch ζ. B. die Auferlegung einer Geldleistungspflicht oder einer Auskunftspflicht, in die umfassend verstandene Handlungsfreiheit des Gesellschafters ein, weil ihm damit die Befugnis nicht zu handeln abgesprochen wird. Fraglich bleibt aber, ob sich der Stellenwert dieses „Freiheitsarguments" für den Gesellschafter anhand anderer Kriterien präzisieren läßt. So könnte das „Haftungsrisiko" 25 einen für den Gesellschafter wesentlichen Gesichtspunkt darstellen. Neben dem Haftungsumfang, der durch die zu erstreckende Verbindlichkeit vorgegeben wird, sind hierfür die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme sowie Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit der Begründung eines Anspruchs eines Gesellschaftsgläubigers gegen ihn maßgeblich. Dabei wird meines Erachtens entscheidendes Gewicht der Möglichkeit zur Beeinflussung dieses Risikos zukommen: Die Erkennbarkeit späterer Inanspruchnahme erlaubt dem Gesellschafter lediglich, sich auf diese „einzustellen". Der Gesellschafter, der die Entscheidungen der Gesellschaft bestimmt, kann demgegenüber unter Einbeziehung aller Nutzen und Lasten26 abwägen, ob ihm persönlich die Begründung des Schuldverhältnisses zwischen Gesellschaft und Gläubiger samt Erstreckung als „Paket" vorzugswürdig erscheint gegenüber dem Nichtabschluß des Geschäfts. Diese Steuerungsmöglichkeit ist abstufbar. Sie reicht von der „Selbstbestimmung" des Alleingesellschafters bzw. letztentscheidenden beherrschenden Gesellschafters oder Veto-Berechtigten über die - wenn auch nicht notwendig erfolgreiche - „Einwirkungsmöglichkeit" anderer Gesellschafter-Geschäftsführer bis zur weitgehenden „Fremdbestimmung" des bloß beteiligten Gesellschafters, dem nur eine Mitwirkung an der Tätigkeit des Verbandes über die Gesellschafterversammlung möglich ist. Demgegenüber erscheint ein Versuch, nach der Art der Gesellschaftsverbindlichkeit zu unterscheiden, nicht sehr vielversprechend: Weder kann aus der Tatsache, daß Unterlassungspflichten „nur" Passivität abverlangen, gefolgert werden, daß ihnen im Vergleich zu Leistungspflichten generell eine weniger beeinträchtigende Wirkung zukommt; noch sind Umstände ersichtlich, aus denen das Gegenteil zu schließen wäre. Dies zeigt ein Vergleich zweier Beispiele: Einem Wettbewerbsverbot kann existenzbedrohende Bedeutung 25
Korrekter weise müßte hier vom „Risiko einer Pflichten- oder Schuldbegründung" gesprochen werden, nachdem mit der Erstreckung weder der Bereich einer „Fortführung der Obligation mit anderen Mitteln", noch „staatlicher Durchsetzungszwang" angesprochen ist. Zum (uneinheitlichen) Gebrauch des Begriffs der Haftung s. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 4 I 2, S. 64 f., und 5 b, S. 68 f., sowie Esser ! Schmidt, Schuldrecht Allg. Teil, § 7 I, S. 117 ff., und III, S. 124 f. 26
Also auch dessen, was ihm über die Gesellschaft durch den Geschäftsabschluß an Vorteilen zufließt. 5 Diez
6 6 2 .
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zukommen 27 , wenn der Gesellschafter auf eine Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft gerade im untersagten Bereich angewiesen ist. Dasselbe gilt von einer Leistungspflicht, die letztlich das ganze Vermögen des Gesellschafters umfasst. Auch eine Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft hinsichtlich des nunmehr vom Gläubiger beanspruchten Gegenstandes besitzt meines Erachtens Aussagekraft für die Berechtigung einer Erstreckung aus Sicht des Gesellschafters nur dann, wenn in ihr im Einzelfall zum Ausdruck kommt, daß der Gesellschafter seine „Privatsphäre" insoweit zur freien Disposition der Gesellschaft stellen wollte. Es verbleibt also insgesamt eine eher schlichte Erkenntnis: Unterstellt man eine zur Erstreckung führende Rechtslage, nimmt die Schutzbedürftigkeit des Gesellschafters einer GmbH in Abhängigkeit vom Grad seiner tatsächlichen Einflußmöglichkeit auf Geschäftsabschlüsse des Verbandes ab.
3. Das Interesse der Dritt-Gläubiger Für die „anderen", nicht an dem möglicherweise zu erstreckenden Schuldverhältnis beteiligten Gesellschaftsgläubiger, ist vorrangig die Aufbringung und Erhaltung eines hinreichenden Haftungsfonds in Gestalt des Gesellschaftsvermögens von Belang. Dieses wird durch eine Erstreckung von Pflichten auf die Gesellschafter nicht geschmälert. Vielmehr kann umgekehrt eine Erstreckung - wenn auch nicht notwendig - dem Gesellschaftsvermögen zugute kommen 28 . Die Interessen jener Gläubiger sind also durch eine Erstreckung nicht nachteilig betroffen und können außer Betracht bleiben.
4. Das Interesse des begünstigten Gläubigers Ein weiterer Schuldner oder eine andersgeartete Einbindung des Gesellschafters in Person in die Verbindlichkeit der Gesellschaft 29 kommt dem 27 In BB 1990, 440, 441 - einer Entscheidung, die die Verfassungswidrigkeit von § 90a Abs. 2 Satz 2 HGB a.F. feststellte - hebt das BVerfG hervor, daß die mit einer derartigen Verpflichtung einhergehende berufliche Beschränkung die Existenzgrundlage der Betroffenen berühren kann und ggf. einen Zwang zum Berufswechsel ausübt. Sie laufe dann der Intention des Art. 12 GG zuwider, dem arbeitenden Menschen einen Freiraum zu gewähren, der neben personaler Entfaltung auch die Schaffung einer wirtschaftlichen Grundlage seiner Existenz ermöglichen soll. 28 S. dazu die Ausführungen zum gesellschaftlichen Gewinn- und Bestandsinteresse, oben l.b. 29 Unter der Schwelle einer eigenen umfassenden Verpflichtung des Gesellschafters
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betreffenden Gesellschaftsgläubiger fraglos zustatten. Auch ist er nicht gezwungen, die ihm hiermit verliehene Rechtsmacht tatsächlich durchzusetzen. Schwieriger zu beantworten ist, in welchen Fällen eine solche Verpflichtung des Gesellschafters unter Zugrundelegung der Interessen des Gläubigers mehr, wann weniger geboten ist (dazu a.). Anschließend ist zu klären, ob die Gläubiger aufgrund der Möglichkeit zu „privater Vorsorge" generell schutzunwürdig sind (unten b.).
a) Erstreckungsbedarf aus Gläubigersicht? Es liegt nahe, hierfür zum Maßstab zu nehmen, inwieweit die Einbindung des Gesellschafters notwendig ist, um die mit dem Vertragsschluß verfolgte wirschaftliche Zielsetzung, mit anderen Worten den „Vertragszweck" aus Sicht des Gläubigers 30, zu erreichen. Klammert man die weniger problematischen Fälle aus, in denen die Gesellschaft lediglich nicht leisten will, aber im Wege der Vollstreckung zur Leistung angehalten werden kann, sind unter den Leistungspflichten diejenigen erstreckungsverdächtig, die nur unter Mitwirkung des Gesellschafters oder allein durch ihn erbracht werden können. Doch ist der Gläubiger auf die Gesellschafter in besonderem Maße nur dort angewiesen, wo der Schadensersatz, der nach Nichterfüllung durch die Gesellschaft verlangt werden kann, den Gläubiger nicht per se zufriedenstellt und auch nicht in die Lage versetzt, seine Forderung „selbst zu erfüllen". So kann der Gläubiger bei anderweitig verfügbarer Gattungsware einen Dekkungskauf tätigen, oder sich Leistungshandlungen, die durch andere Personen vorgenommen werden können, im Wege einer „Ersatzvornahme" beschaffen. Ein gesteigertes Interesse an einer Erstreckung besteht daher nur unter der zusätzlichen Voraussetzung eines „qualifizierten Primärleistungsinteresses" des Gläubigers, wie es für singuläre Stückschulden, aber auch sonstige unvertretbare Handlungen - man denke an Auskunfts- und Rechenschaftspflichten - kennzeichnend ist.
läßt sich an eine Pflicht des Gesellschafters denken, die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit zu fördern. 30 Für die Interessenermittlung ist unerheblich, ob der vom Gläubiger mit dem Vertragsschluß verfolgte Geschäftszweck vom Vertragspartner geteilt wird (wie dies bei Austauschgeschäften für den Leistungsaustausch als solchen der Fall ist) oder nicht (so häufig hinsichtlich weiterer Zwecke wie z.B. dem konkreten Verwendungszweck des Leistungsgegenstandes in der Hand des Gläubigers). Ferner kann dahingestellt bleiben, ob der Zweck als Vertragsinhalt oder anderweit rechtlich relevante Erwartung Geltung beanspruchen kann, oder nur ein Motiv darstellt. 51
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Der Erhalt der von der Gesellschaft geschuldeten Primärleistung ist keinesfalls ein geeignetes Kriterium für die Erstreckung von Unterlassungspflichten. Denn die Unterlassung durch den Gesellschafter vermag ein unterbliebenes Unterlassen seitens der Gesellschaft nicht zu ersetzen. Entscheidendes Gewicht kommt hier vielmehr dem Gesichtspunkt zu, daß in vielen Fällen das Verhalten eines Gesellschafters das vom Gläubiger mit dem Vertragsschluß mit der Gesellschaft verfolgte Ziel in gleicher Weise konterkarieren kann, wie ein vertragswidriges Handeln der Gesellschaft. Für den Gläubiger macht es keinen Unterschied, ob die Gesellschaft oder ein Gesellschafter ein Ladenlokal in unmittelbarer Nähe an einen Konkurrenten vermietet; ob Gesellschaft oder Gesellschafter dem Gläubiger vor Ort Konkurrenz machen; oder ob Absatzeinbußen eintreten, weil die durch eine AbnahmeVerpflichtung gebundene Gesellschaft, oder an deren Stelle der nicht ausdrücklich verpflichtete Gesellschafter dasselbe Endprodukt unter Verwendung von Rohstoffen anderer Anbieter herstellt. Daß die Unterlassungspflichten eine Sonderstellung einnehmen, sofern der Gläubiger keine Vorsorge zur Absicherung seines Erfüllungsinteresses trifft 31 , wird offenbar durch ein kleines Gedankenexperiment: Nimmt man für die angesprochenen „qualifizierten" Leistungs- und Unterlassungspflichten - dem Interesse des Gesellschaftsgläubigers entsprechend - als Ausgangslage eine Verpflichtung von Gesellschaft und Gesellschafter an und begrenzt nunmehr im Vergleich dazu die Verbindlichkeit auf die Gesellschaft, ergeben sich für Leistungs- und Unterlassungspflichten Unterschiede: Der Fortfall des Gesellschafters als Schuldner bei den Leistungspflichten führt schlechtestenfalls dazu, daß anstelle der gewünschten Leistung eine Sekundärleistungspflicht der Gesellschaft tritt. In den betreffenden Fällen einer Unterlassungspflicht wird das Erfüllungsinteresse des Gläubigers bei „Zuwiderhandlung" des Gesellschafters dagegen sanktionslos preisgegeben. Der Gläubiger geht hier gänzlich leer aus. So gesehen ist die Versagung einer Erstreckung bei den genannten Unterlassungspflichten folgenreicher, eine Einbindung der Gesellschafter aus Gläubigersicht hier also dringlicher. Anderes würde nur gelten, wenn das „vertragswidrige" Tun des Gesellschafters ohne weitere Vereinbarung die Gesellschaft schadensersatzpflichtig machte. Eine „Vertragstreue Sorge" um die Vertragserfüllung verlangt jedoch nicht, die Inanspruchnahme „Dritter" (hier der Gesellschafter) aus etwaigen, im Innenverhältnis gegebenen Ansprüchen, wenn eine solche „Beschaffungspflicht" nicht Vertragsinhalt ist 32 . Unterläßt es die Gesellschaft auf den Ge31
Etwa indem die Gesellschaft Wohlverhalten der Gesellschafter „garantiert". Einen Überblick über die von der Rspr. anerkannten Mitwirkungspflichten, die der Herbeiführung des Leistungserfolges dienen, gibt Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnrn. 32 ff. 32
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sellschafter zur Erzwingung eines gläubigerfreundlichen Verhaltens einzuwirken, so kann hierin auch kein Fehlverhalten der Gesellschaft gesehen werden, das zum Schadensersatz verpflichtet. Und für eine Schadensersatzpflicht ex lege besteht kein Anhalt: Insbesondere ist der Gesellschafter als Privatperson nicht Erfüllungs- oder Bewahrungsgehilfe der Gesellschaft hinsichtlich deren Unterlassungspflichten, weil er von ihr nicht ins Obligationenprogramm eingeschaltet und damit auch nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit eingesetzt wurde. Auch für eine deliktische Haftung bestehen in der Regel keine Anhaltspunkte. Im übrigen wäre eine solche gesetzliche Einstandspflicht der Gesellschaft für das private Verhalten der Gesellschafter den gleichen Bedenken ausgesetzt wie eine Erstreckung von Schuldverhältnissen von dem Gesellschafter auf die Gesellschaft: Hier wie dort wären Leidtragende die anderen Gläubiger, nachdem so der Gesellschaft Haftungssubstanz entzogen würde 33 . Als weiterer Gesichtspunkt zur Bestimmung des Umfangs dessen, was der Gläubiger als vertragsmäßig geschuldete Leistungen beanspruchen kann, kommt aus ökonomischer Sicht auch das vom Gläubiger entrichtete Entgelt in Betracht. Dies gilt vor allem für Unterlassungspflichten, wenn wir zum einen davon ausgehen, daß Unterlassung von Gesellschaft und Gesellschafter wegen des stark personalen Bezugs dieser Pflichten nicht dasselbe sind, d.h. die Person des Schuldners bei Unterlassungspflichten Schuld- und Leistungsinhalt wesentlich bestimmt und somit die Erstreckung einer Unterlassungspflicht eine Verdopplung der Schuld bedeutet34, und wir zugleich annehmen, daß niemand auf Handlungsmöglichkeiten ohne entsprechende Gegenleistung verzichtet. Wurde zum Beispiel ökonomisch ein Preis gezahlt, der für ein Wettbewerbsverbot sowohl der Gesellschaft als auch aller Gesellschafter aufzubringen wäre, und kommt dieses Entgelt den Gesellschaftern auch tatsächlich zugute, ist vorderhand nicht einzusehen, weshalb die Gesellschafter nur dann zur Unterlassung verpflichtet sein sollen, wenn sie doppelt verdienen, nämlich nach nochmaliger Zahlung durch den Gläubiger. Umgekehrt: Hat der Gläubiger einen geringeren Betrag bezahlt, müßte eine Erstreckung ausscheiden. Mit solcher Differenzierung würde jedoch inzidenter ein Verständnis der Tauschgerechtigkeit behauptet, das mit dem Markt als Medium zur Regelung der Tauschbeziehungen und der unserer Privatrechtsordnung zugrundeliegenden Vertragsfreiheit nicht vereinbar ist, wenn diese - jedenfalls im Ausgangspunkt - auch die Freiheit zur Festlegung des für die Parteien aus eigener
33
Zu den Stellungnahmen hinsichtlich der Erstreckung von Verbindlichkeiten vom Gesellschafter auf die Gesellschaft s. die Nachweise in der Einleitung in Fn. 25. 34 So zu Recht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2, S. 1181.
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Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Sicht „gerechten Preises" beinhaltet35. Dem entspricht es, etwa über § 138 BGB keine allgemeine Äquivalenzkontrolle vorzunehmen, sondern nur ein anstößig grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu sanktionieren. Kann also bei gegebener (Gegen-) Leistung nicht eine nach materialen Wertgesichtspunkten genau festzulegende Leistung vom Vertragspartner verlangt werden, ist der Preis lediglich Indiz für die Intention der Parteien, nur einen oder mehrere Rechtsträger verpflichten zu wollen — und dies auch nur, wenn ein Marktpreis oder eine vergleichbare Meßlatte vorhanden ist. Der gezahlte Preis ist aber keinesfalls eine Rechtfertigung an sich für eine Einbeziehung des Gesellschafters.
b) Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten Für die Berechtigung einer Erstreckung spielt eine Rolle, inwieweit „private ordering" eine Absicherung des Gläubigers erlaubt. Der Gläubiger wird nur dann versuchen, die Gesellschafter vertraglich einzubinden, wenn er daran gedacht hat, daß dies zur Durchsetzung seiner Interessen geboten ist. Bei Unterlassungspflichten wird das nur der Fall sein, wenn sich der Gläubiger der Gefährdung seines Interesses durch ein Fehlverhalten der Gesellschafter tatsächlich bewußt wurde. Werden sodann die Fälle ausgeklammert, in denen eine dingliche Sicherung des Gläubigerbegehrens in Betracht kommt - dies ist allgemein dort möglich, wo zu untersagende Tätigkeiten oder zu erbringende Leistungen die Inanspruchnahme eines Grundstücks erfordern 36 - , verbleiben zwei Konstellationen, die näherer Betrachtung bedürfen: Der Gläubiger will die Gesellschafter entweder direkt oder mittelbar, d.h. über die Gesellschaft als Vertragspartner, binden.
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Vgl. hierzu Dreier, ARSP 73 (1987), 159, 162, und ders., in: D. Grimm (Hrsg.), Einführung in das Recht, S. 95, 102 ff. zu historischer Entwicklung und gegenwärtigem Diskussionstand hinsichtlich der unterschiedlichen Gerechtigkeitstheorien. — Für Roth liegt das Kardinalproblem des „iustum pretium" darin, daß ein außenstehender Dritter nicht ohne weiteres sicher sein kann, die Angemessenheit einer Vertragsgestaltung besser als die Parteien beurteilen zu können, s. ders., in: MK, § 242 Rdnr. 519 m.w.N. zum Streitstand. 36 Z.B. in RGZ 136, 266 (OHG) hatte sich der Gesellschaftsgläubiger durch Eintragung einer persönlichen Dienstbarkeit (s. §§ 1090 Abs. 1, 1018 BGB) dagegen gesichert, daß auf diesem Grundstück eine Tankstelle betrieben wurde. Speziell zur Frage der Zulässigkeit einer Sicherung von Wettbewerbsbeschränkungen über eine Grunddienstbarkeit, die von der Rspr. differenziert beantwortet wird, s. die Nachweise bei Palandt ! Bassenge, § 1018 Rdnrn. 23 ff.
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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Eine unmittelbare Verpflichtung der Gesellschafter erfordert zunächst Kenntnis davon, wer Gesellschafter des Verbandes ist. Das wird vielfach schwierig zu ermitteln sein, nachdem hierfür keine Eintragungspflicht ins Handelsregister besteht (s. § 10 Abs. 1 GmbHG). Ferner ist ein aus Gläubigersicht sinnvolles Resultat nur erzielbar, wenn die Verhandlungen mit den unterschiedlichen Rechtsträgern koordiniert werden können. Dies dürfte in der Praxis schon dann Schwierigkeiten bereiten, wenn nicht alle Gesellschafter - etwa als Geschäftsführer, die nur zur Gesamtvertretung befugt sind bereits zum Geschäftsabschluß mit der Gesellschaft beizuziehen sind. Die direkte Einbindung künftiger, jetzt noch unbekannter Gesellschafter ist nur über „ Weitergabeklauseln" leistbar, die die Gesellschafter dazu anhalten, jedem Erwerber oder sonstigen Rechtsnachfolger die gewünschte Pflicht aufzuerlegen. Unter anderem kommt in Betracht, eine Satzungsbestimmung zu erlassen, die die Verpflichtung der jeweiligen Gesellschafter konkret benennt. Ferner ist denkbar eine Ermächtigung der Gesellschaft, solche Pflichten namens der Gesellschafter bei Bedarf zu begründen. Für den Erwerb von Todes wegen sind die Niederlegung der Verbindlichkeit in einem Vermächtnis oder einer Auflage zu erwägen. Im Hinblick auf die Abtretung eines Gesellschaftsanteils ist daran zu denken, dem Gläubiger einen Anspruch gegen den Neugesellschafter durch den Altgesellschafter zu verschaffen, der zur Begründung dieser Verbindlichkeit als Stellvertreter des Gläubigers auftritt. Abgesehen davon, daß eine solche Vorgehensweise kompliziert anmutet, ihr Vorschlag vom potentiellen Geschäftspartner als Kundgabe von Mißtrauen aufgefaßt werden kann und bei Häufung derartiger Verbindlichkeiten die GmbHBeteiligung tatsächlich weiter an Verkehrsfähigkeit verlieren mag, vermittelt eine solche Klausel im Ernstfall - wenn die Altgesellschafter ihrer „Weitergabepflicht" nicht genügen37 - lediglich Schadensersatzansprüche gegen die Altgesellschafter. Solvenz der Gesellschaft unterstellt, ist das für Leistungspflichten uninteressant. Und hinsichtlich Unterlassungspflichten wird das Erfüllungsinteresse über Schadensersatzansprüche vielfach schon deshalb nur ungenügend abzusichern sein, weil der Nachweis primärer Vermögensschäden, die sich nicht in Aufwendungen ausdrücken, nur schwer zu führen ist, wenn der ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich eingetretene Geschehensablauf unklar bleibt. Die Schwierigkeiten einer Berechnung des entgangenen Gewinns nach unerlaubter Konkurrenz sind hierfür ein Beispiel. Die Übernahme einer „Einwirkungspflicht" seitens der Gesellschaft, mit der sie verspricht, unter Ausnutzung der ihr gegebenen Mittel auf ein gläubigerfreundliches Verhalten der Gesellschafter hinzuwirken 38 , vermittelt keine 37
Selbst eine satzungsmäßige Festlegung kann ja von den Gesellschaftern - bei entsprechender Mehrheit - wieder aufgehoben werden. 38 In Abgrenzung zur Garantie wird eine solche Verbindlichkeit häufig als Bemü-
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Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Ansprüche direkt gegen die Gesellschafter. Die Effizienz einer solchen Verpflichtung ist einerseits davon abhängig, ob der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zu einem derartigen Verhalten verpflichtet ist — was typischerweise nur hinsichtlich ausgesuchter Gegenstände wie Wettbewerbsverbot und anderer im Einzelfall als Beitrag geschuldeter Leistungen gegeben sein wird; ferner von der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche des Verbandes auch im Gläubigerinteresse 39 und schließlich vom Willen der Gesellschaft, ihre Rechtsmacht gegen den Gesellschafter einzusetzen. Gelingt es nicht, eine an sich mögliche Einwirkung durch die Gesellschaft, die als unvertretbare Handlung zu qualifizieren ist, gem. § 888 ZPO im Wege der Zwangsvollstreckung zu erzwingen, verbleibt auch hier lediglich ein Schadensersatzanspruch 40, der im Unterschied zu den oben erwähnten Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschaft gerichtet ist.
hensvertrag bezeichnet; s. z.B. Staudinger/ Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff., Rdnrn. 48 ff. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, § 21 II 4 und 5, S. 314 ff. geht von der uneingeschränkten Zulässigkeit der Übernahme einer derartigen Pflicht durch eine OHG aus. Demgegenüber bezweifelt RGZ 136, 266, 270 f., daß eine OHG über die außergesellschaftlichen Belange ihrer Mitglieder verfügen kann. Für Zulässigkeit bei der GmbH Scholz/ Winter, 6. Aufl., § 13 Rdnr. 30. Zur „Einwirkungspflicht" der öffentlichen Hand auf von ihr zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben gegründete juristische Personen des Privatrechts s. Püttner, DVB1. 1975, 353 ff. Sie ist Mittel, um gegenüber dem Begünstigten gegebene (öffentlich-rechtliche) Bindungen der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Die Einwirkungspflicht muß hier also nicht erst übernommen werden. 39 Hierin und nicht in der Befugnis, eine Einwirkungspflicht zu übernehmen, liegt m.E. das eigentliche Problem. Die Frage, ob eine Ausübungsschranke der Art besteht, daß die Rechte der Gesellschaft nur in deren eigenem und nicht im „Drittinteresse" wahrgenommen werden dürfen, hat gewisse Parallelen zur Frage nach der Abtretbarkeit von Rechten der Gesellschaft aus dem Innen Verhältnis an Außenstehende. Dazu s.u. Kap. 3, 5.c. Ohne Verkennung bestehender Unterschiede - die Gesellschaft kann bei Übernahme nur einer Einwirkungspflicht bis zuletzt über die tatsächliche Inanspruchnahme des Gesellschafters befinden - wird im Wege des argumentum a maiori ad minus zu folgern sein, daß jedenfalls dort eine Ausübungsschranke nicht besteht, wo eine Abtretung zulässig wäre. 40
Wegen Unmöglichkeit folgenlos von ihrer Leistungspflicht befreit wird die Gesellschaft nicht bereits bei bloßer Weigerung des Gesellschafters, dem Verlangen der Gesellschaft nachzukommen. Erst mit sorgfältigem und gleichwohl erfolglosem Bemühen, das ggf. die klagweise Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Gesellschafter umfaßt, genügt die Gesellschaft ihrer Verpflichtung. Vgl. dazu Staudinger/ Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff. Rdnr. 50, sowie Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 216 f.
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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Eine „Garantie" 41 durch die Gesellschaft schließlich kann nur weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz begründen. Der Gläubiger ist also auf keinem der aufgezeigten Wege in der Lage, stets Erfüllung durch die Gesellschafter sicherzustellen. D.h. er kann den unter a. angesprochenen Defiziten in der Durchsetzung seiner Interessen nicht umfassend selbst begegnen.
5. Relevante Drittinteressen Wann eine Erstreckung positiv oder negativ auf die Interessen der Arbeitnehmer eines Unternehmens zurückwirkt, ist hinsichtlich deren Wunsch nach dauerhafter Beschäftigung und Entlohnung weitestgehend gleichlautend zu beantworten wie für die Mitgesellschafter; beide Gruppen sind an einem gesunden, prosperierenden Unternehmen interessiert 42. Inwieweit von einer Erstreckung Folgen auf weitere interessierte Personengruppen ausgehen - zu denken ist hier insbesondere an andere Marktteilnehmer - , hängt vom Inhalt der zu erstreckenden Pflicht ab und ist damit allgemeinen Aussagen nicht zugänglich. So ist die Wirkung von Ausschließlichkeitsbindungen (Alleinvertriebsrecht, Bezugsverpflichtung, Alleinbezugsrecht usf.) zu Lasten der hiermit ausgeschlossenen Anbieter bzw. Nachfrager evident. Umgekehrt begünstigt ein Wettbewerbsverbot nicht nur den Gesellschaftsgläubiger, sondern reflexiv, ohne deren Zutun, alle Konkurrenten, weil ein potentieller Mitbewerber aus dem Markt genommen wird. Demgegenüber ist etwa bei Verpflichtung des Gesellschafters zu Rechnungslegung und Auskunft keine Außenwirkung erkennbar. Unter „Interessen der Allgemeinheitöffentlichen Interessen oder Gemeinwohlinteressen lassen sich die unterschiedlichsten Erwägungen fassen. Ihnen ist nach meinem Verständnis lediglich gemeinsam, daß ihr Geltungsanspruch nicht auf der Förderung von Anliegen einer spezifischen Gruppe von Interessenten gründet 43. So kann die Verfolgung konkreter Ziele, die nicht primär über die in Streit befindlichen Parteiinteressen befinden wollen beispielsweise die oben genannte These einer persönlichen Einstandspflicht 41 Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Risiken die Gesellschaft übernommen hat. Im Extrem ist dies Schadloshaltung des Gläubigers bei Nichteintritt des angestrebten Erfolges, egal aus welchem Grunde. Zu Formen zwischen „Bemühensvertrag" und „Garantie" im strengen Sinne s. Rehbinder, a.a.O., S. 216 f. 42 Zum Bestands-, Wachstums- und Gewinninteresse der Gesellschaft s.o. 1 .b. 43 Das schließt nicht aus, daß doch einzelne Personen Vorteile hieraus ziehen, wobei dies nicht unbedingt - und hierin kann eine gewisse Gefahr liegen - offengelegt wurde.
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Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
der Gesellschafter um der Ordnungsaufgaben freien Wettbewerbs willen 44 als Allgemeininteresse apostrophiert werden. Gleiches gilt für allgemeine rechtliche Zielsetzungen, wie das Verlangen nach Rechtssicherheit: Im Bereich unternehmerischen Handelns besteht ein ausgeprägtes Bedürfnis aller Beteiligten nach klaren Rahmenbedingungen. Doch erfordert die Anerkennung der Rechtssicherheit als Wert nach meinem Dafürhalten nicht die Bevorzugung einfachster Entscheidungsregeln, was die generelle Ablehnung einer Erstreckung nahelegen würde. Vielmehr hält der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nur zum Versuch an, die rechtsfolgenbestimmenden Tatbestände und deren Auslegung möglichst klar zu fassen und so Rechtsfindung auch vorhersehbar zu machen45; ein Anspruch, der im übrigen jeder rationalen Rechtsanwendung inhärent sein dürfte. Auch die naheliegende Befürchtung, daß mit der Aufgabe eines als zentral angesehenen Prinzips - in unserem Zusammenhang die zuweilen geforderte Preisgabe des Trennungsgrundsatzes - ein Dammbruch eintritt, ist meines Erachtens kein gewichtiges Argument gegen eine Erstreckung, sofern tatsächlich rational begründ- und einsehbare Grenzlinien einer Erstreckung formuliert werden können.
6. Zusammenfassung Die materielle Problemstellung ist im wesentlichen46 gekennzeichnet durch die konkurrierenden Interessen der Freihaltung der Privatsphäre des Gesellschafters, dem Interesse des Gläubigers, vertragszweckentsprechend und damit gegebenenfalls unter Einbeziehung des Gesellschafters, optimal befriedigt zu werden sowie dem Anliegen einer Sicherstellung der für die Unternehmertätigkeit benötigten klaren Rahmenbedingungen, was auch als Vorhersehbarkeit einer Erstreckung und Rechtssicherheit beschreibbar ist. Für die Gesellschafter wurde dies dahingehend präzisiert, daß ihre Schutzwürdigkeit in dem Maße geringer wird, in dem ihre tatsächlich ausgeübte 44
S. dazu oben Teil 1, Kap. 2, 2.a. Wird die Frage eines Widerstreits von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit dahingehend formuliert, daß zu entscheiden ist, ob entgegen sonstiger, gleichförmiger Rechtsanwendungspraxis im gegebenen Fall aufgrund eines nicht im Tatbestand enthaltenen normativen Kriteriums abweichend zu entscheiden ist, stellt sich diese Frage erst, wenn die Rechtslage und damit der „Tatbestand" einer Erstreckung im Grundsatz geklärt ist. 45
46
Unter Ausblendung der im Einzelfall relevanten Interessen anderer, wie die weiterer Marktteilnehmer und in Randbereichen die der Gesellschaft bzw. Mitgesellschafter — etwa hins. der Kapitalbeschaffung. Dazu oben l.b, 2 und 5.
Kap. 1 : Das Regelungsproblem aus Sicht der Beteiligten
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Entscheidungsmacht über die Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten zunimmt 47 . Und zwar in der Stufenfolge nur kaptalistisch Beteiligter, Minderheitsgesellschafter, Mehrheitsgesellschafter oder Alleingesellschafter einer personalistischen GmbH. Aus Gläubigersicht erwies sich eine Erstreckung von Leistungspflichten bei Leistungsvermögen des Gesellschafters und gesteigertem Primärleistungsinteresse des Gesellschaftsgläubigers als dringlich. Hinsichtlich der Unterlassungspflichten war maßgeblicher Gesichtspunkt, inwieweit die Verbandsmitglieder in der Lage sind, der Forderung gleichermaßen wie die Gesellschaft ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Darüber hinaus kann die Versagung einer Erstreckung bei Unterlassungspflichten insofern als folgenreicher bezeichnet werden, als das Ausbleiben einer Vertragserfüllung durch die Gesellschafter, wie sie nach Vorstellung des Gläubigers geboten ist, keinen Ersatzanspruch zur Folge hat 48 . Schließlich war festzustellen, daß der Gesellschafter selbst bei unterstellter Bereitschaft der Vertragsgegenseite zu einem entsprechenden Vertragsschluß nicht in der Lage ist, seine Interessen in gleichem Maße umfassend zu sichern, wie dies durch eine zwangsweise Einbindung des Gesellschafters möglich wäre 49 . Ein nach dem Rechtsgefühl unabweisbarer Erstreckungsbedarf\ der die Erstreckung zur einzig gerechten Lösung machen würde, ist bei der beschriebenen Interessenlage nicht auszumachen. Doch haben sich - insbesondere mit der Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft und der Art der Verbindlichkeit - Kriterien gezeigt, die eine Rechtsanwendung, die sich ihrer zur Unterscheidung im Ergebnis bedient, als sach- und interessengerecht erscheinen läßt. So brächte die ähnlich bereits geforderte 50 Einbindung nur tatsächlich „gestaltungsmächtiger" Gesellschafter lediglich bezogen auf Unterlassungspflichten, die sich im Hinblick auf ein Verhalten der Gesellschafter als besonders störungsanfällig erweisen, einen stimmigen Ausgleich des Interessenwiderstreits. Es bleibt zu fragen, ob dies der geltenden Rechtslage entspricht.
47
S.o. 2. S.o. 4.a. 49 S.o. 4.b. 50 So etwa Wiedemann (s.o. Teil 1, Kap.l, 1), wenn er eine Einstandspflicht der Gesellschafter nach Art des § 128 HGB letztlich nur bejahen will für Unterlassungspflichten und nur unter der Voraussetzung enger Verflechtung von Gesellschaft und Gesellschafter, wie sie z.B. im Falle einer Personalunion von Geschäftsführer und herrschendem Gesellschafter besteht. 48
7 6 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Kapitel 2
Der zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossene Vertrag als Geltungsgrund Hinsichtlich der verpflichtenden Wirkung eines Schuldverhältnisses können die sachliche und die personelle Reichweite unterschieden werden. Eine gegenständliche Erweiterung des ausdrücklich benannten Schuldinhaltes im Wege der gegebenenfalls ergänzenden Vertragsauslegung wird im Interesse einer zweckentsprechenden Durchsetzung des Vertrages vielfach praktiziert. Über deren prinzipielle Zulässigkeit besteht weitgehend Einigkeit 51 . Strittig ist nur der Umfang des Erlaubten 52. So kann das Verbot, auf einem bestimmten Grundstück eine Tankstelle zu betreiben, auch auf das angrenzende Nachbargrundstück zu beziehen sein 53 . Die Verpflichtung, selbst keine Fahrschule vor Ort zu führen, verbietet dem Schuldner auch, bei seiner Ehefrau als angestellter Fahrlehrer tätig zu werden, wenn dem Verbot nur bei dieser Auslegung praktischer Sinn zukommt 54 . Ein für die eigene Person eingegangenes Wettbewerbsverbot hindert den Betreffenden daran, durch eine eigene Tätigkeit in einer neu gegründeten Gesellschaft oder durch die Veranlassung des Verbandes zur Aufnahme von Wettbewerb, dem Sinn des Vertrages zuwiderzuhandeln 55. Außerdem muß im 51 Zum Streitstand hinsichtlich Funktion und Grenzen ergänzender Vertragsauslegung s. MK / Mayer-Maly, § 157 Rdnrn. 24 ff. 52
Die Schwierigkeit liegt m.E. in der Grenzziehung zwischen Rückführbarkeit einer Regelung auf den realen Parteiwillen und bloßer Fiktion. Auch hier gilt, was E. Schmidt (JA 1978, 597, 599) als allgemeine Fehlerproblematik bezeichnet: die Gefahr, das Sachproblem auf die Frage zu reduzieren, was der Gläubiger hätte erwarten dürfen und der Schuldner demgemäß prästieren muß. 53 S. RGZ 136, 266, 272. Ähnlich WuW/E OLG 1417, 1419, freilich mit dem Unterschied, daß hier kein zusätzliches Gebäude ins Wettbewerbsverbot einbezogen wurde, sondern eines, das anstelle des ursprünglich geplanten in 100 m Entfernung errichtet worden war. 54 So BGH BB 1970, 1374. 55 Dazu, daß auch ein derartiger „mittelbarer" Wettbewerb von einem vertraglichen Wettbewerbsverbot erfaßt sein kann s. Reinhardt, FS H. Lehmann, 1956, S. 576, 587 f.; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 192 ff.; Wiedemann , Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. a, S. 233 f., und Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 183 ff., 190 ff., 168 ff. m.w.N. auch zur Rspr. Die Bandbreite der Pflichten reicht von einem bloßen Förderungsverbot (keine Unterstützung der Wettbewerbshandlungen der Gesellschaft) über die Pflicht, auf Unterlassung dieses Wettbewerbs hinzuwirken, bis zur Verpflichtung, sich von der Gesellschaftsbeteiligung zu trennen oder gar die Gesellschaft aufzulösen bzw. ihren Zweck zu ändern. Zur Kritik an RGZ 142, 219, 221 f., das dem Gesellschafter
Kap. 2: Vertrag Gesellschaft-Gläubiger als Geltungsgrund
77
Falle einer Gesellschaftsneugründung durch eine entsprechende Abrede sichergestellt werden, daß kein Mitgesellschafter dieses Verbot durch Handeln namens der Gesellschaft mißachtet, auch wenn dies nur auf dessen eigene Rechnung geschehen soll 56 . Dann erscheint der Versuch nicht allzu fernliegend, den zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrag personell zu erweitern und so zum Geltungsgrund einer Verpflichtung des Gesellschafters zu machen, sei es unmittelbar, indem diesem Vertrag im Wege der Auslegung eine Verpflichtung des Gesellschafters entnommen wird, sei es indirekt über eine In-EinsSetzung von Gesellschaft und Gesellschafter als Vertragspartner 57. Um beurteilen zu können, inwieweit Zweck, Auslegung und Umgehung des zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrages zur Begründung einer Leistungspflicht des Gesellschafters geeignet sind (dazu 3.), ist zum einen dem Grund und der Reichweite des Verbots drittbelastender Verträge und dem damit in Zusammenhang stehenden Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse nachzugehen (hierzu 1.). Ferner ist zu erörtern, inwieweit eine vertragliche Verpflichtung des Gesellschafters auf dem Wege einer bloßen Negation des Trennungsprinzips erreicht werden kann (s.u. 2.).
1. Das „Verbot drittbelastender Verträge" und die „Relativität der Schuldverhältnisse" als Schranke? a) Zum Gegenstandsgebiet und zur Reichweite dieser Prinzipien Anders als der Vertrag zugunsten Dritter hat das Pendant eines Vertrages zu Lasten Dritter im Zivilrecht bekanntermaßen keine explizite Regelung erfahren. Die grundsätzliche Unzulässigkeit drittbelastender Verträge ist unbestritten 58. Nicht in gleichem Maße Übereinstimmung besteht über den Beeiner AG grds. die Befugnis abspricht, zur Erfüllung eigener privater Verpflichtungen auf sie einzuwirken und nur für den Fall einer Gesellschaftsgründung gezielt zum Zwecke der Vertragsumgehung eine Schadensersatzpflicht des Gesellschafters annimmt, s. bereits die Anm. von Lehmann, JW 1934, 158 f., sowie die Nachweise bei Wiedemann , a.a.O., S. 234. 56 So BGH MDR 1978, 904 f. (GbR), wo zudem verlangt wird, daß der ursprünglich Verpflichtete die Einhaltung des Verbots durch den Mitgesellschafter auch überwachen müsse. 57 Nach der hier getroffenen Interpretation verfolgt Mertens den erstgenannten Weg; s.o. Teil 1, 1. Kap., 3. Welche beider Optionen Wiedemann favorisiert, war nicht zweifelsfrei zu ermitteln; s. Teil 1,1. Kap., 1 bei Fn. 20 ff. 58 Die Rspr. geht ohne weitere Erörterung von der Unzulässigkeit drittbelastender Verträge aus. S. nur RGZ 111, 166, 178: „Verträge zu Lasten Dritter kennt das bür-
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Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
griff des Vertrages zu Lasten Dritter. Einige Autoren fassen hierunter alle Verträge, die in eigenem Namen geschlossen, Dritte unmittelbar verpflichten sollen 59 . Andere sehen diesen Tatbestand immer dann als gegeben an, wenn einem am Vertragsschluß unbeteiligten Dritten ohne dessen Autorisierung Rechtspflichten aufgebürdet werden 60. Die Evidenz des Verbots drittbelastender Verträge 61 liegt darin begründet, daß nach dem vorherrschenden Verständnis von Pr/vaiautonomie - Fälle gesetzlicher Autorisierung also ausgenommen - jeder die Rechts- und Willenssphäre einer ihm fremden Persönlichkeit verletzt, der diese rechtsgeschäftlich an deren Stelle und ohne deren vorausgegangene Billigung binden will. Eine derartige Über- und Unterordnung sind unserem Privatrecht fremd 62 . Diese freiheitsverbürgende Auffassung von Autonomie des Einzelnen in bezug auf die privatrechtliche Gestaltung seiner Lebensverhältnisse läßt sich auch kurz dahingehend zusammenfassen, daß kein Rechtssubjekt kraft eigener Rechtsmacht „Hand auf einen anderen" legen darf. Damit ist die Zulassung einer gesetzlich nicht vorgesehehen „Verpflichtungsermächtigung" analog § 185 BGB durchaus vereinbar 63. Eine solche Verpflichtungsermächtigung zeichnet sich dadurch aus, daß namens des Handelnden der Ermächtigende, mithin also eine Person verpflichtet werden soll, die Dritter im Sinne der oben genannten Definition ist, die entscheidend auf einen Vertragsschluß im eigenen Namen des Handelnden abstellt. Für den Vertrag zu Lasten Dritter ist daher diejenige Begriffsfassung zu bevorzugen, die auf eine fehlende Autorisierung durch den Betroffenen abhebt. Um die Bedenken auszuräumen, die aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung gegen „Drittverpflichtungen" erwachsen, genügt es nicht, dem Dritten analog § 333 BGB ein Ablehnungsrecht zuzubilligen. Das Risiko, aufgrund eigener Unkenntnis oder auch nur Ungeschicklichkeit Rechtseinbußen zu erleiden, bestünde fort 64 . gerliche Recht nicht"; ebenso BGHZ 58, 216, 220; 61, 359, 361, und 78, 369, 374 f. S. ferner Staudinger ! Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff. Rdnr. 64, und MK/Gottwald, § 328 Rdnr. 139, jeweils m.w.N. 59 So z.B. Kaduk, a.a.O., Rdnr. 64. 60 Soergel / Hadding, § 328 Rdnr. 118. Ähnlich MK /Gottwald, a.a.O., Rdnr. 139, der auf die „Mitwirkung" des Dritten abhebt. 61 Vgl. schon Savigny, Obligationenrecht, 2. Band, S. 74, „daß ihn ... fremde Personen ohne seinen Willen, nicht verpflichten können, versteht sich so sehr von selbst, daß dagegen gar kein Zweifel aufkommen kann". 62 S. nur Martens, AcP 177 (1977) 113, 139, und Staudinger/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff. Rdnrn. 51 und 64. 63 Zum Streitstand s. Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 17 IV, S. 233 f.; Kaduk, a.a.O., Rdnrn. 64 f., und Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu § 164 Rdnrn. 70 f. 64 Siehe Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 20 I 7, S. 475, der hervorhebt, daß
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Beim Verbot drittbelastender Verträge geht es um die Belastung einer Rechtsperson mit Pflichten durch eine andere Rechtsperson. Damit kann „Dritter" nur ein anderes Rechtssubjekt sein. Zugleich ist aber jede Rechtsperson, die mit dem Handelnden nicht identisch ist und ihn auch nicht autorisiert hat, Dritter. Deshalb ist auch der Gesellschafter hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeiten Dritter im Verhältnis zur Gesellschaft, wenn die Ausstattung der Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit als Tatsache hingenommen wird. Eine Stufe oder Form zwischen Identität und Vielheit der Rechtsträger ist in diesem Kontext nicht denkbar. Bei der Bestimmung der Reichweite des Verbotes drittbelastender Verträge sollte neben der Auferlegung von Pflichten auch der rechtsgeschäftliche Entzug von Rechten Dritter sowie die Veränderung bestehender Rechte zum Nachteil des Betroffenen einbezogen werden, weil diese Maßnahmen den Dritten ebenso unmittelbar belasten65. Nicht in die Kategorie drittbelastender Verträge aufzunehmen sind zweckmäßigerweise die sogenannten Verträge mit Lastwirkungen gegenüber Dritten, bei denen sich die Rechtsstellung des Dritten nur faktisch verschlechtert, wie dies von Kartellen, Ausschließlichkeitsbindungen, aber auch bereits vom Abschluß von Kaufverträgen über eine Stückschuld bekannt ist. Solche Verträge verringern die Chance Außenstehender zum Vertragsschluß mit dem gebundenen Beteiligten. Das Kaufvertragsbeispiel verdeutlicht, daß zahlenmäßig wohl die Mehrzahl der geschlossenen Verträge mehr oder minder stark zum Vor- oder Nachteil von Personen wirken, die am Vertragsschluß unbeteiligt sind. Eine derartige mittelbare Bedrohung der Regelungsautonomie darf nicht wie drittbelastende Verträge im engeren Sinne dem Verdikt einer Unzulässigkeit schlechthin unterworfen werden 66. Um zu erfassen, wie weit die Vorbehalte gegen eine Auferlegung von Pflichten im Zusammenhang mit einem „fremden Vertragsschluß" reichen, ist es erforderlich, noch einen Blick auf den Vertrag zugunsten Dritter zu richten.
wohl bereits die Notwendigkeit, sich zu äußern, als unzumutbare Belastung empfunden würde. 65 Vgl. Dörner, Dynamische Relativität, S. 148. 66 Das wird auch gestützt von Wertungen im Kartellrecht. Z.B. sind Ausschließlichkeitsbindungen gem. § 18 GWB nicht per se unzulässig. Die Unterscheidung zwischen Vertrag zu Lasten und mit Lastwirkung gegenüber Dritten vollziehen z.B. Martens, AcP 177 (1977) 113, 164; MK ! Kramer, Einl. vor § 241 Rdnr. 27, sowie MK/ Gottwald, § 328 Rdnr. 145. Zu den Ansätzen und Maßstäben einer Inhalts- und Wirksamkeitskontrolle s. die Darstellung von Schmalzbauer, Diss. S. 116 ff., 128 ff., und Martens, ebd. S. 164 ff.
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Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Die sogenannte rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel, die als Vertrag zugunsten Dritter die Beteiligung an einer Personengesellschaft etwa beim Tod eines Gesellschafters unmittelbar auf einen am Abschluß des Gesellschaftsvertrages nicht beteiligte Person soll übergehen lassen, hält der BGH generell für rechtlich unzulässig; gebilligt wird dagegen die sogenannte Eintrittsklausel, durch die ein Dritter lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die übrigen Gesellschafter auf Aufnahme in die Gesellschaft erwirbt 67 . Zum einen - so wird argumentiert - seien Verfügungen zugunsten Dritter nicht anzuerkennen. Vor allem aber würden dem Nachfolger mit der rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel gesellschaftsrechtliche Pflichten auferlegt 68. Es liegt ganz in der Konsequenz des oben erläuterten Verständnisses von Privatautonomie, nicht zu erwägen, ob den Belastungen des Dritten mit den in der Gesellschaftsbeteiligung verkörperten Chancen größere Vorteile gegenüberstehen 69, sondern rechtsgeschäftlich-heteronom auferlegte Pflichten strikt abzuwehren. Wird dieser Gedanke auf unsere Frage einer Erstreckung von Verbindlichkeiten von der Gesellschaft auf den Gesellschafter übertragen, so kann eine Verpflichtung des Gesellschafters âus der ihm fremden Vertragsbeziehung nicht bereits darauf gestützt werden, daß ihm gleichwohl per Saldo mit der Partizipation am Geschäftserfolg des Verbandes ein Vorteil verbleibt. Dieses „Vorteils-" oder „Nutzenargument" geht so gesehen ins Leere. Andererseits ist festzuhalten, daß dem Dritten beim Vertrag zugunsten Dritter die vertraglichen Nebenpflichten eines Gläubigers auferlegt werden 70, obwohl kein eigenes vertragliches Rechtsverhältnis zwischen Versprechendem und Drittem besteht71. So haftet der Dritte, wenn er im Rahmen des Leistungsaustausches der Pflicht zur Wahrung des Integritätsinteresses seines Gegenüber nicht genügt72. Insofern diese Einstandspflicht, anders als die Verletzung von Obliegenheiten, nicht nur den Leistungsanspruch gefährdet, ja nicht einmal auf den Betrag des Interesses des Dritten an der ihm zugedachten Leistung beschränkt ist, scheint sie der oben formulierten These eines generellen Ausschlusses rechtsgeschäftlicher Fremdbestimmung zuwiderzulaufen.
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S. BGHZ 68, 225, 231 ff. = JZ 1977, 685 mit zust. Anm. Wiedemann. S. BGH a.a.O., S. 231 f. 69 S. BGH a.a.O., S. 232. Vgl. dazu auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 20 I 7, S. 475. 70 Dazu Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 20 I 7, S. 477. 71 S. nur BGHZ 54, 145, 147. Mit der Erfüllung kommt der Schuldner lediglich seiner Verpflichtung aus dem Deckungsverhältnis nach. 72 Dazu Palandt / Heinrichs, Einf. vor § 328 Rdnr 5. 68
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Nun läßt sich ein Widerspruch freilich bereits mit der Begründung negieren, daß diese Pflichten unmittelbar Ausfluß einer eigenen, durch den Leistungsanspruch oder die Leistungserbringung vermittelten Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner seien73. Eine Schicht tiefer besteht aber regelmäßig schon kein Konflikt mit der rechtsgeschäftlichen Regelungsautonomie des Dritten in der mit dem Vertrag zu Lasten Dritter inkriminierten Weise: Auch für den Normalfall eines zweiseitigen Vertrages bliebe die Rückführung von Schutzpflichten auf das Leistungsversprechen der Parteien Fiktion, weil die Vertragspartner gerade keine Abmachung hierüber getroffen haben. Beispielsweise bei Abschluß der Kaufgeschäfte des täglichen Lebens werden kaum je - schon weil die Beteiligten häufig nicht daran denken - Erklärungen betreffend Verhaltenspflichten des Verkäufers zum Schutz der Integrität des Käufers, ausgetauscht. Eine derartige Bewahrungspflicht ist, wenn sie als unerläßlich erkannt wird, von der gesetzlichen Rahmenordnung vorzuhalten, wie dies mit dem Deliktsrecht geschehen ist. Wird daneben die Notwendigkeit zu einem ergänzenden „vertraglichen" Schutz gesehen, liegt auch hierin im Ansatz ein gesetzlicher Anspruch, wie bereits aus der gegebenenfalls vom konkreten Parteiwillen unabhängigen Verankerung dieser Schutzpflichten in der Rechtsordnung in Gestalt des § 242 BGB hervorgeht 74. Dies fügt sich in Pickers Befund ein, wonach generell zwischen vertraglicher Leistungspflicht und gesetzlicher Schadenshaftung zu unterscheiden ist. Ist Geltungsgrund des Vertrages die in Selbstbestimmung erzeugte Bindung, wird er in materialem Sinne Rechtsgrund nur für die versprochene Leistung; in der Regel also die Primärleistung 75. Der Vertrag ist so gesehen das Mittel zur „Aufstockung", zur finalen Preisgabe bestimmter Vermögensgüter. Demgegenüber tritt eine „Wiedergutmachungspflicht" ex lege ein 76 , als Sanktion der Rechtsordnung für ein schadensstiftendes Fehlverhalten 77. Mit der Rückführung von Leistungspflichten auf Selbst- und der Kompensationspflichten auf Fremdbestimmung wird nicht zugleich behauptet, daß die Existenz eines 73 Vgl. BGHZ 9, 316, 318, wo das Bestehen eines vertragsähnlichen, schuldrechtlichen Verhältnisses zwischen Schuldner und Gläubiger-Drittem angenommen wird (hier geprüft als eine Voraussetzung, die nach dem Standpunkt der Rspr. für die schadensersatzmindernde Berücksichtigung von Verschulden des gesetzlichen Vertreters gem. §§ 254, 278 BGB zu fordern ist). 74 Vgl. etwa Palandt/ Heinrichs, § 242 Rdnrn. 18, 23. 75 Siehe Picker, AcP 183 (1983) 369, insbes. S. 394 f. Dadurch ist die autonome Übernahme einer „Schutzpflicht" nicht ausgeschlossen, die ebenso als Leistungsverpflichtung (nämlich bedingt für den Fall des Schadenseintritts) qualifiziert werden kann. Dazu Picker, ebd. S. 395, Fn. 91. 76 Fälle eines gleichgerichteten Anspruchs aufgrund einer dahingehenden vertraglichen Vereinbarung ausgenommen. 77 Picker, AcP 183 (1983) 369, 395 ff. 6 Diez
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Vertrages für die Begründung einer Schadensersatzpflicht stets bedeutungslos wäre. So kann etwa die gesetzliche „Nichterfüllungshaftung" aus § 325 BGB nur denjenigen treffen, der zur Leistung verpflichtet war, weil ja die Leistungspflicht des Schuldners zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Dies kann auch dahingehend beschrieben werden, daß dem Gläubiger mit der Vereinbarung inter partes - über die jedermann bereits kraft Gesetzes zustehenden Schutzpositionen hinaus - auch dieser Leistungsanspruch als eine durch den Schuldner verletzbare Rechts- oder Vermögensposition zugewiesen wurde 78 . Folgt man dieser Auffassung, läßt sich mit Blick auf die Ausgangsthese, nach der niemand kraft eigener Rechtsmacht Hand auf einen anderen legen kann, eine Dreiteilung vornehmen: - Auf der Parteiabrede gründet nur die Pflicht des Vertragspartners zur Erbringung der eigenen Leistung. Daher kann das Verbot, Dritte ohne deren Billigung rechtsgeschäftlich zu binden, ohne weiteres nur diese, auf Aufstockung des Vermögens gerichteten Leistungspflichten 79 erfassen. - Sind Schutzpflichten bezüglich der „weiteren" Rechtsgüter der Vertragspartner nicht auf das individuelle Leistungsversprechen der Beteiligten rückführbar, so kann insoweit auch kein verpflichtender Übergriff von einem Privatrechtssubjekt auf ein anderes vorliegen 80. Es erscheint ausschließlich als Sache der Rechtsordnung, die Handlungsfreiheiten der Einzelnen zur Wahrung des Rechtsgüterbestandes anderer Rechtspersonen sachgerecht einzugrenzen. Dies gilt grundsätzlich auch für etwaige Beschränkungen Dritter. - Aus der Zweipoligkeit oder Relativität von Schuldverhältnissen, die nur aus Indizien abzuleiten ist 81 , wird vielfach nicht nur gefolgert, daß vertragliche Leistungspflichten nicht ohne Zustimmung eines Dritten auf diesen erstreckt werden können (s. o., Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter); sondern auch, daß Dritte grundsätzlich keine Pflicht trifft, auf fremde Vertragsverhältnisse Rücksicht zu nehmen* 2. Dieser dritte Bereich einer Rücksichtnahme auf vertragliche Ansprüche ist mit seiner primär negativen Zielrichtung ebenfalls den Bewahrungspflichten
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So Picker, a.a.O., S. 399 ff. Leistungspflicht ist hier nicht als Gegenbegriff zur Unterlassungspflicht, sondern als eine diese umfassende Kategorie gebraucht. 80 Eine Ausnahme bilden die Fälle einer gleichgerichteten autonomen Vereinbarung. Für sie gilt das im letzten Spiegelstrich Gesagte. 81 S. § 241 BGB, wonach das Schuldverhältnis (nur) den Gläubiger berechtigt, (gerade) vom Schuldner eine Leistung zu fordern. Vgl. auch §§ 305, 328, 333 BGB. 82 S. etwa MK ! Kramer, Einl. vor § 241 Rdnrn. 14 und 21 m.w.N. 79
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zuzuordnen 83. Für ihn ist allein mit der Tatsache eines freiwilligen Vertragsschlusses zwischen den Vertragsparteien und der damit einhergehenden Erweiterung ihrer Interessensphären inter partes zunächst nur etwas für eine entsprechende Bindung der Vertragsschließenden 84, nicht aber gegen eine entsprechende Pflicht Dritter ausgesagt. Eine Verpflichtung Dritter zur Rücksichtnahme auf die vertraglich fixierte Güterzuordnung kann aus Sicht der Rechtsordnung auch aus anderen Gründen als der persönlichen Beteiligung am Vertragsverhältnis geboten sein85.
b) Gesetzliche Ausnahmen vom Verbot drittbelastender Verträge Wenn das Gesetz einer Person die Rechtsmacht einräumt, in den Rechtskreis anderer ohne deren Autorisierung in einer für den Vertrag zu Lasten Dritter kennzeichnenden Weise einzugreifen, handelt es sich streng genommen um keine Ausnahme von diesem Verbot. Denn im materiellen Sinne Rechts- und Geltungsgrund für die erzeugten Rechtswirkungen im Verhältnis Handelnder und Dritter ist dann diese hoheitlich verliehene Befugnis. Gleichwohl ist es sinnvoll, auch gesetzliche Regelungen an dem unter a. dargestellten Verbot rechtsgeschäftlicher Fremdbestimmung zu messen; die Verallgemeinerungsfähigkeit etwaiger gesetzlicher Abweichungen von diesem Modell 86 ist nicht unbesehen auszuschließen. Vorschriften, die insbesondere aus Gründen der Verkehrssicherheit 87 einen Erwerb vom Nichtberechtigten zulassen, sind wegen ihrer entrechtenden Wir83 An die Vertragspartner gerichtete Gebote wie z.B. alles zu unterlassen, was Vertragszweck bzw. Leistungserfolg gefährdet oder die erbrachte Leistung für den Partner entwertet (s. statt vieler Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnrn. 27 ff.) können ihrerseits Grundlage etwa eines gerichtlichen Veräußerungsverbots oder anderer, die Vertragsabwicklung sichernder Maßnahmen, sowie von Restitutionspflichten sein. 84
Vgl. oben bei Fn. 78. Zum Schutz der Effizienz vertraglicher Rechte der Gesellschaftsgläubiger gegen Eingriffe des Gesellschafters s.u. Kap. 3, 3 (deliktischer Schutz gem. § 826 BGB), sowie Teil 3, Kap. 1 (allgemeines Störungsverbot) und Teil 3, Kap. 2 (Pflicht der Gesellschafter zur Rücksichtnahme). 86 Entgegen Laufke, FS H. Lehmann, 1956, S. 145, 170 ff. bleibt es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, der rechtsgeschäftlichen Betätigung einer Person Wirkung zu Lasten Dritter zuzusprechen; Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt lediglich, daß die (auch negativ zu verstehende) Vertragsfreiheit des Einzelnen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Vgl. Flume , Das Rechtsgeschäft, § 1, 10 a, S. 18 Fn. 20, und Dörner, Dynamische Relativität, S. 149. 85
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Zu Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs als z.B. für §§ 932 ff. BGB maßgebliche Gesichtspunkte s. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 I 2. 6*
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kung zu Lasten des wahren Berechtigten ebenfalls dem Kontext drittbelastender Verträge einzuordnen. Ihnen kommt jedoch für unsere Thematik keine Bedeutung zu, weil sie die unmittelbare Drittwirkung dinglicher Rechtsgeschäfte regeln 88. Die Begründung einer schuldrechtlichen Bindung zu Lasten Dritter ist zum einen in § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB vorgesehen. Diese Regelung erlaubt den Eltern, während des ScheidungsVerfahrens als Prozeßstandschafter einen Vergleich über den Kindesunterhalt mit Wirkung für und gegen das Kind abzuschließen. Andere Normen räumen gesetzliche Vertretungsmacht für andere Rechtsträger ein 89 oder gewähren Handlungsmacht zu Lasten von Sondervermögen, wie sie sogenannten Parteien kraft Amtes 90 zusteht. Man mag 1629 Abs. 3 S. 2 BGB als Ausdruck gesetzgeberischer Pietätsvorstellungen deuten91. Möglich ist auch, den Verzicht einer Beteiligung des Kindes förmlich als Partei bei der Scheidungsfolgesache Kindesunterhalt auf die Überlegung zurückzuführen, daß das im Scheidungsstreit liegende Konfliktspotential für die Beziehung des Kindes zu den Eltern im Interesse des Kindes möglichst gering gehalten werden soll. Genausowenig dienen die übrigen Möglichkeiten einer „Drittverpflichtung" den Interessen Außenstehender: Entweder ein Beteiligter ist selbst überhaupt nicht handlungsfähig so verhält es sich beispielsweise für die rechtlich verselbständigten Organisationen Verein und GmbH, die auf die Einschaltung natürlicher Personen als Organwalter angewiesen sind - oder der Betroffene erfüllt nicht die Mindestanforderungen, die für ein selbstverantwortliches rechtsgeschäftliches Handeln als erforderlich erachtet werden, was für Minderjährige zutrifft 92 . Außerdem wird die Einschaltung eines Fremdverwalters erforderlich, wenn die Rechtsordnung eine „Vermögensverwaltungsunfähigkeit" des Rechtsträgers statuiert. Dies ist etwa im Konkurs oder bei Anordnung einer Nachlaßverwaltung der Fall. Auch soweit die Vermögensverwalter befugt sind, neue Verbindlichkeiten zu Lasten des Sondervermögens zu begründen, geht es im Kern darum, die sachgerechte Abwicklung bereits bestehender Schuldverhältnisse sicherzustellen. Wenngleich im Einzelfall ein Mißbrauch der jeweils gegebenen Verpflichtungsmacht zugunsten des Handlungsbefugten oder im
88 Entsprechendes gilt für Gutglaubensregeln hinsichtlich sonstiger, auf den Bestand eines Rechts einwirkender Handlungen (wie z.B. Erfüllung, Erlaß etc.); s. etwa § 407 BGB. 89 S. etwa § 1629 Abs. 1 BGB (Vertretung Minderjähriger), § 26 Abs. 2 BGB (Verein), §§ 35, 36 GmbHG (GmbH). 90 Vgl. nur § 6 KO (Konkursverwalter) und §§ 1984 f. BGB (Nachlaßverwalter). 91 So Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 50 IV 2, S. 925. 92 S. nur §§ 104 Nr. 1, 107 BGB.
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Interesse Außenstehender trotz eingebauter Sicherungen 93 nicht auszuschließen ist, bleibt festzuhalten, daß das Gesetz keine Pflichtenbegründung im Interesse „Externer" befördern will. Eine Ausnahme bildet soweit ersichtlich nur § 1357 BGB, der gerade die Erstreckung eines Schuldverhältnisses zum Gegenstand hat. Er legt für bestimmte Geschäfte des familiären Bedarfs die zusätzliche Schuldner- und Gläubigerschaft des untätig gebliebenen Ehegatten fest, ohne dabei dessen Billigung oder wenigstens einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Handelnden zu fordern. Diese meines Wissens in unserer Rechtsordnung einmalige Figur des „aufgedrängten" Zweitschuldners ist auch rechtspolitisch fragwürdig, spätestens seit das Leitbild der „Hausfrauenehe" aufgegeben ist und das Eingreifen der Norm von der internen Aufgabenverteilung in der Ehe losgelöst wurde. Der nunmehr als alleiniger Zweck in Betracht zu ziehende Gläubigerschutz soll auch eingreifen, wo der Gläubiger diesen Schutz weder erwartet hat, noch sich um ihn bemühte94. Historischer Hintergrund, Anwendungsfeld und Einzigartigkeit dieser Norm verbieten es jedenfalls, aus ihr einen allgemeinen Rechtsgedanken oder sonstige, verallgemeinernde Schlußfolgerungen abzuleiten. Das BGB hat also die Idee des Verbots drittbelastender Verträge in keinem für unsere Fragestellung relevanten Fall mißachtet. Auch von daher besteht kein Anhaltspunkt für eine Leistungspflicht des Gesellschafters unmittelbar aus dem die Gesellschaftsschuld konstituierenden Vertrag oder für eine gesetzliche Befugnis der Geschäftsführer zur Verpflichtung der Gesellschafter in Person.
2. Ansprüche aufgrund einer „Negation des Trennungsprinzips"? Anstatt den Gesellschafter aus einem Vertrag verpflichtet zu sehen, an dem er nicht als Vertragspartner beteiligt ist, kommt in Betracht, ihn zur Vertragspartei zu erheben, indem er mit der Gesellschaft in eins gesetzt wird. Mit Aufhebung der Trennung zwischen Verband und Mitglied könnte ein 93
Vgl. die mit einer Schadensersatzpflicht sanktionierten Innenbindungen (s. nur § 82 KO und § 1985 Abs. 2 BGB), § 181 BGB (der gem. § 35 IV GmbHG auch für Alleingesellschafter-Geschäftsführer gilt), den Katalog des § 1795 BGB mit den einem Vormund entzogenen Geschäften, auf den auch zur Begrenzung der Vertretungsmacht der Eltern Bezug genommen wird (vgl. § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB) sowie das Instrument der Genehmigungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften (dazu § 1822 BGB für den Vormund, auf den in § 1643 BGB z.T. für die Vertretung Minderjähriger durch deren Eltern verwiesen wird). 94 Ablehnend daher zu Recht Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 19 IV 3, S. 195. A.A. MK/Wacke, § 1357 Rdnrn. 8 f.
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Austausch der Verpflichtungssubjekte oder ein wechselseitiger Eintritt in die Pflichtenstellungen des jeweils anderen verbunden sein. Hiergegen bestehen methodische Bedenken: Ob die Relativierung der juristischen Person in Form einer „Negation des Trennungsprinzips" - wie dies bei Wiedemanns Stellungnahme anklang95 - zu einer Mitverpflichtung beider Rechtsträger führen kann, hängt vom Regelungsgehalt des Trennungsprinzips und von den rechtlichen Folgen einer Nichtanwendung oder Restriktion dieses Prinzips ab.
a) Methodische Bedenken Nach § 13 Abs. 1 GmbHG hat die Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist damit ein selbständiges Zuordnungssubjekt und folgerichtig in der Lage, ein eigenes, von den Gesellschaftern getrenntes Vermögen innezuhaben. aa) Auf dieser Grundlage kann § 13 Abs. 2 GmbHG, auf seine Rechtsfolgenanordnung hin untersucht, durchaus unterschiedlich verstanden werden: - Ganz wörtlich genommen, stellt die Norm lediglich klar, daß der Gesetzgeber - anders als in § 128 HGB - die Gesellschafter keiner Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten unterwerfen wollte. Die Vorschrift würde sich dann dadurch auszeichnen, keine Rechtsfolge zu Lasten der Gesellschafter anzuordnen. Ein „Trennungsprinzip" mit einer über die Feststellung eigener Rechtspersönlichkeit der GmbH hinausgehenden Aussage, wäre dann nicht existent96. -
Oder es sollte - womit der sichere Bedeutungsgehalt der Norm bereits verlassen ist - von einem ungeschriebenen Grundsatz des Gesellschaftsrechts befreit werden, der den Mitgliedern eine generelle Einstandspflicht für die Verbindlichkeiten des Verbandes auferlegt 97.
-
Schließlich könnte § 13 Abs. 2 GmbHG in extensiver Auslegung als eine Zurechnungssperre verstanden werden. Das würde einerseits bedeuten, den Gesellschafter vor Ansprüchen abzuschirmen, für deren Entstehung seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft eine Rolle spielte98. Zum anderen könnte 95
S.o. Teil 1,1. Kap., 1. So im Erg. Flume und Wilhelm, s.o. Teil 1,1. Kap., 4. 97 Was auf eine Art Umkehrung des bekannten Regel-Ausnahme-Schemas von Trennungsprinzip und Durchgriff hinausliefe: Die persönliche Einstandspflicht wäre der (wenn auch selten zur Anwendung gelangende) Grundsatz, die Verweisung auf die Gesellschaft mit ihrem Vermögen als Erfüllungssubstrat, die Ausnahme. 98 Vgl. Hachenburg ! Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 2, nach dem das Trennungsprinzip immer dann berührt wird, „wenn es die Mitgliedschaft in der Gesellschaft ist, 96
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eine solche Sperre verbieten, beim einen Rechtsträger vorhandene Umstände - wie z.B. Eigenschaften - zu Lasten des anderen Rechtsträgers zu berücksichtigen, obwohl dies an sich nach zutreffender Auslegung der anzuwendenden Norm geboten wäre". Von diesem Grundverständnis geht auch eine Normanwendungslehre aus, die einen nach Sinn und Zweck auf den Gesellschafter anzuwendenden Rechtsbefehl erst durchgreifen läßt, wenn eine Abwägung ergibt, daß das Trennungsprinzip in concreto zurückzutreten hat 100 . § 13 Abs. 2 GmbHG ordnet nur bei der 2. und 3. Interpretation eine Rechtsfolge an. Mithin kann nur in diesen Fällen einer „Nichtanwendung" dieser Norm Wirkung zukommen. Und hier wäre anspruchsbegründend gerade nicht die „Negation des Trennungsprinzips", sie ist dort vielmehr nur Voraussetzung einer Fortgeltung des jeweiligen Verpflichtungsgrundes. Allgemeiner ausgedrückt: Die Restriktion einer Norm führt nur zu deren Nichtanwendung auf die betreffenden Sachverhalte 101. Und aus dem Umstand, daß eine Regel nicht gilt, ist aber nicht verläßlich zu folgern, daß eine andere Regelung an deren Stelle gelten soll. bb) Von der Idee her in eine andere Richtung geht es, die Negation des Trennungspinzips als eine Grenzbestimmung der juristischen Person zu interpretieren, die gegebenenfalls zu einer Aufhebung der ausschließlichen Zu hieße auch hier Selbständigkeit der juristischen Person gegenüber ihren Mitgliedern in personen- und vermögensrechtlicher Hinsicht 102 . Dabei würde aber die Rechtsfähigkeit der juristischen Person, und damit § 13 Abs. 1 GmbHG beschränkt und die Selbständigkeit der Vermögensmassen von Gesellschaft
aus der eine (Mit-) Verpflichtung des Gesellschafters oder der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten oder eine bestimmte mit Rechtsfolgen verbundene Qualifizierung des Gesellschafters oder der Gesellschaft folgen soll". 99 Als möglichen Fall einer „Eigenschaftszurechnung" s. RGZ 143, 429, 431, wo ein mit der GmbH abgschlossener Vertrag wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften des Hauptgesellschafters angefochten wurde. Dazu Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 215 f., 219 f. 100 Vgl. z.B. Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 220 f., wonach in „gesellschaftsrechtlichen Identifizierungsfällen" eine Abwägung mit dem Trennungsprinzip erforderlich ist (dazu bereits oben, Teil 1 bei Fn. 13 f.). Ähnlich für einen Teil der „Durchgriffssachverhalte" schon Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522, 543, Fn. 101 („Fälle, in denen der Zweck einer Norm mit der Rechtsform der juristischen Person kollidiert"). Andere Befürworter einer „Normzwecklehre" verneinen jegliche Kollision mit einem Trennungsprinzip (s.o. Teil 1, Fn. 77). 101 Zur Wirkung einer teleologischen Reduktion s. statt vieler Larenz, Methodenlehre, Teil II, Kap. 5, 2 c, S. 391 ff. 102 Vgl. etwa Staudinger/ Coing, Einl. zu §§ 21 - 89 Rdnr. 37.
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und Gesellschafter in Frage gestellt. Hierfür bestehen verschiedene Möglich keiten. - Zunächst ist an eine ,Ausblendung" der Gesellschaft als Zuordnungssubjekt zu denken. Dies führt jedoch nicht automatisch zu einer Verpflichtung der Gesellschafter. Denn mit Versagung der Zuordnung der Verbindlichkeit auf die Gesellschaft würde das Gläubigerrecht zunächst nur „zuordnungslos". Selbst wenn man jetzt mit dem „Durchgriff" im Wortsinne ernst machen wollte, die Gesellschafter als „hinter der Gesellschaft stehende Individuen" oder als ihr „personelles Substrat" begriffe und einen Rechtssatz für konzipierbar hielte, der ein Zurückdrängen der Handlungseinheit Gesellschaft mit der Folge persönlicher Inanspruchnahme aller oder einzelner Gesellschafter als dann zuständige Handlungsträger tatsächlich ermöglichte, würde nur deren Verpflichtung an Stelle der Gesellschaft erreicht. Das heißt: Wird die Zuordnung auf die Mitglieder erst durch Nichtanerkennung des gesellschaftlichen Verbundes eröffnet, fällt der Verband konsequenterweise als Schuldner aus 103 . - In einem freilich nur graduellen Unterschied zu dem bei Fn. 100 genannten Vorgehen ist hierher auch eine Normanwendung zu rechnen, die erst unter Relativierung der Rechtsfähigkeit des Rechtsträgers Gesellschaft das Vorliegen der Voraussetzungen einer Norm konzidiert 104 . So verhielte es sich, wenn erst Gesichtspunkte wie wirtschaftliche Identität von Verband und Mitglied 1 0 5 oder die bereits angesprochene Rückführung der Gesellschaft auf die beteiligten Einzelpersonen zur Anwendbarkeit der Norm auf den Gesellschafter führen soll. Dagegen erscheint mir die oben dargestellte Verfahrensweise grundsätzlich vorzugswürdig, nach der in einem ersten Schritt zu ermitteln ist, ob der Normzweck etwa eine Einbindung des Gesellschafters erfordert bzw. im Rahmen von Auslegung und Analogie erlaubt 106 . Erst danach ist zu prüfen, inwieweit ein Trennungsprinzip 107 vorausgesetzt es existiert - dieses Vorgehen in Frage stellt. Dieses „zwei103 Folgerichtig daher Serick, Durchgriffsprobleme, S. 30, der im Ansatz von einer Auswechslung des Vertragspartners ausgeht. 104 Vgl. z.B. Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 230, nach dessen Auffassung nur eine Relativierung der Selbständigkeit der juristischen Person das Verdikt zu begründen vermag, daß bei der jeweiligen Gesetzes- oder Vertragsauslegung kein Unterschied zwischen der Verbands- und der Gliedperson gemacht werden dürfe. 105 Dies war ein argumentativ wesentlicher Gesichtspunkt z.B. in BGH DB 1988, 700, 702; im Urteil wurde - gestützt auf § 242 BGB - eine Unterlassungspflicht vom Alleingesellschafter auf die Gesellschaft erstreckt. S. dazu unten Teil 3, Kap. 2., 2.c. 106 Dabei ist durchaus zu beachten, daß der Gesellschafter Mitglied der juristischen Person ist. 107 Als denkbarer Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Verfaßtheit des Verbandes und des Verhältnisses der Mitglieder zur Handlungseinheit Gesellschaft.
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stufige" Verfahren ist transparenter und es beugt der Gefahr vor, daß die beiden Wertungsstufen - nämlich zum einen der Normzweck, als Anknüpfungspunkt und grundsätzliche Rechtfertigung für eine Inanspruchnahme des Gesellschafters und zum anderen die Reichweite des Trennungsprinzips als möglicherweise freiheitsverbürgendem Instrument sowohl für die Gesellschaft wie die Gesellschafter - vermengt werden. -
Schließlich verbleibt als Möglichkeit die Aufhebung der Selbständigkeit der Vermögen des Verbandes und seiner Mitglieder, was zu einer beide Vermögen umfassenden Vermögenseinheit führen würde. Aus dieser Aufhebung ergäbe sich - etwa für den Fall einer Sphärenvermischung zwanglos die Befugnis eines Gesellschaftsgläubigers, zur Vollstreckung einer Verbindlichkeit auf alle in diesem Vermögen vereinigten Gegenstände und Werte zugreifen zu können. Doch ist nicht erkennbar, wie hieraus eine „Verdopplung" von Verbindlichkeiten resultieren sollte. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, wonach der Schuldinhalt einer Unterlassungspflicht des Gesellschafters und einer solchen des Verbandes nicht identisch sind 108 , kann die Schaffung einer Vermögenseinheit - wie sie mit der Aufhebung der Eigenständigkeit zweier Vermögensmassen einhergeht - nicht eine weitere Schuld mit anderem Inhalt erzeugen, wie dies für die Erstreckung einer Unterlassungspflicht erforderlich wäre. Sonach kann die Aufhebung der Vermögenstrennung zwischen Verband und Mitglied allenfalls eine Erstreckung von Leistungspflichten bewirken, wobei nahe liegt, auch die unvertretbaren Handlungen mit ihrem stark personalen Bezug auszuklammern. Jedenfalls gerade in den nach der Interessenanalyse vordringlichsten Fällen ist dieser Ansatz nicht geeignet, eine Bindung der Gesellschafter zu rechtfertigen.
b) Sachliche Bedenken Neben diesen, eher auf formaler Ebene angesiedelten Argumenten, sprechen auch inhaltliche Bedenken gegen die Begründung eines zusätzlichen Anspruchs gegen den Gesellschafter im Wege einer bloßen Negation des Trennungsprinzips. Die Funktion und die Reichweite eines Trennungsprinzips wie auch die Möglichkeit und die Erforderlichkeit einer Relativierung der juristischen Person sind abhängig von der Struktur, dem Wesen und der Aufgabe, die dem konkreten Typ einer juristischen Person zukommt 109 . So liegen etwa Sericks 108
S.o. Teil 2, Kap. 1, 4.a, vorletzter Absatz, und unten Teil 3, Kap. 2, 2.e, Fn. 118. 109 Zu Recht lehnt Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522, insbes. S. 531 ff. die
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Auffassung zum Eigenwert der juristischen Persönlichkeit und den Grenzen der Zulässigkeit einer Anlegung von Außenschranken sowie einer Position, die immanente Grenzen des Rechtsträgers formuliert, unterschiedliche Konzeptionen der juristischen Person zu Grunde 110 . Doch verknüpfen sich bereits mit dem normativen Ausgangspunkt der Verleihung einer - nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 GmbHG - unbegrenzten Rechtsfähigkeit an die GmbH eine Art Beweislastanforderungen, ohne daß hierzu die Theorien zur juristischen Person 111 oder deren „Wesenheit" bemüht werden müßte: Wer von dieser Norm abweichend den Gesellschafter angesichts vertraglicher Pflichten der Gesellschaft in Anspruch nehmen will, sollte gerade dessen Verpflichtung überzeugend aus einer anderen Norm oder einem Rechtsprinzip ableiten können. Es leuchtet nicht ein, weshalb hier die im Zivilrecht ansonsten geforderte Begründung eines Anspruchs genau gegen den gewünschten Schuldner durch eine Relativierung der juristischen Person, umgangen werden soll 112 . In der Möglichkeit, mit geringerem Begründungsaufwand eine Erstreckung zu erreichen, steckt die Gefahr, durch Anwendung eines methodischen Kunstgriffs tatsächlich bestehende Wertungsprobleme zu überspielen. Es ist K. Schmidt zuzustimmen, nach dessen Auffassung es sich schlecht mit einer ausgereiften und auf Rechtsicherheit bedachten Rechtsordnung verträgt, die juristische Person gerade dort zur Disposition zu stellen, wo es besonders auf sie ankäme113. Bis zum Nachweis des Gegenteils ist eine „Trennungsthese" zu bevorzugen, die für die Rechtsanwendung davon ausgeht, daß es sich bei Gesellschaft und Gesellschafter um jeweils eigenständige Rechtspersönlichkeiten handelt 114 . Einheitsform einer juristischen Person ab, die eine Gleichbehandlung von AG und GmbH zur Folge haben müßte. 110 Dies, obwohl Serick bewußt darauf verzichtet, das Wesen der jur. Person zu bestimmen; s. ders., Rechtsform, S. 2 f. Zu den im Text genannten Auffassungen s.o. Teil 1, 2. Kap., l.a und b. 111 Detaillierter Überblick bei Wiedemann , Gesellschaftsrecht, § 4 I 1, S. 188 ff. 112 Ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 194. Folgt man diesem Standpunkt, wäre beispielsweise der Verweis auf die Notwendigkeit einer Identifikation von Verband und Mitglied nicht hinreichend, um die persönliche Verpflichtung eines Gesellschafters zu rechtfertigen, während etwa die Begründung eines Anspruchs mittels einer Generalklausel oder eines Rechtsprinzips persönlicher Einstandspflicht der Gesellschafter den zu stellenden Anforderungen genügte. 113 K. Schmidt, a.a.O., S. 187. S. auch S. 193 f., wonach bei einem solchen Vorgehen ohne Not gegen das Gebot juristischer Seriosität verstoßen würde. 114 Ähnlich im Ausgangspunkt, aber strikter Wilhelm, der eine Relativierung der Selbständigkeit der juristischen Person auch unter Anwendung gesetzlicher Normen, wie z.B. der Generalklauseln, von vorneherein für unzulässig hält und anstelle alle Durchgriffsprobleme aus den Rechtsbeziehungen lösen will, die zwischen den Beteiligten bestehen. S. ders. Rechtsform, S. 1 ff., insbes. 13 f.
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c) Zwischenergebnis Folgt man diesen Ausführungen, bleibt festzuhalten, daß allein die Nichtanwendung oder Restriktion des Trennungsgrundsatzes nicht zu einer Verpflichtung des Gesellschafters führt. Hierzu bedarf es (positiv) der Begründung eines Anspruchs gegen den Gesellschafter. Sei es in Gestalt einer ihn in Person verpflichtenden Norm, durch ein die Gesellschaftsverbindlichkeit zurechnendes beziehungsweise erstreckendes Gebot, oder mittels eines Rechtsprinzips diesen Inhalts 115 . Erst bei der Existenz eines solchen Verpflichtungsgrundes kann sich die Frage stellen, ob § 13 Abs. 2 GmbHG seiner Geltendmachung entgegensteht116. Identifizierung wie Durchgriff sind daher - zugegebenermaßen plastische - Beschreibungen einer Zurechnung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf den Gesellschafter; sie geben jedoch mit ihrem Hinweis auf die Aufhebung der Trennung zwischen Verband und Mitglied noch keine hinreichende Begründung für eine solche Zurechnung.
3. Konsequenzen für Vertragszweck, Vertragsauslegung und Vertragsumgehung als Begründungsmodi a) Vertragsauslegung Nach den Ausführungen oben zu 1. scheidet die willentliche Verpflichtung des nicht konsentierenden Gesellschafters durch Erklärungen seitens der Gesellschaft und deren Vertragspartner aus. Fehlt ihnen die Rechtsmacht, den Gesellschafter ausdrücklich einzubinden, kann dem Vertrag auch im Wege der (Vertrags)-Auslegung als Instrument zur Ermittlung des Inhalts autonom 115 Ebenso O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 203 f., 208; Nirk, FS Stimpel, 443, 458. Ähnlich Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 98, 101, 107 f. sowie ders., FS R. Fischer, S. 579, 580: „Restriktion der Trennungsnorm unter Ausfüllung durch eine andere Norm". A.A. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 410, nach dessen Auffassung sich die eigentlich gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung aufgrund der „Reduktion des § 13 Abs. 2", die mit dem „Mißbrauch der Haftungsbeschränkung" einhergeht, ohne Vorliegen eines weiteren, „besonderen Haftungsgrundes" auf die Gesellschafter erstreckt. Ähnlich die Rspr., soweit sie dem Gesellschafter die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der GmbH versagen und dies als unmittelbar anspruchsbegründenden Umstand betrachten will. Dazu ausführlich Benne, Haftungsdurchgriff, S. 36 f., der hierin zu Recht die Fehl Vorstellung der Haftungsbeschränkung als (einzuschränkendem) subjektivem Recht verborgen sieht. 116 Weitgehend Einigkeit besteht insoweit, daß es Verpflichtungsgründe gibt, die das Trennungsprinzip nicht berühren. Hierzu zählt anerkanntermaßen eine eigene vertragliche oder deliktische Verpflichtung des Gesellschafters. S. nur Baumbach/ Hueck, 13 Rdnr. 9. Zur Unterschiedlichkeit der Standpunkte i.ü. s. Rehbinder, a.a.O., S. 98 f., 108 f.
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ins Werk gesetzter Regelungen, keine Leistungspflicht des Gesellschafters entnommen werden 117 . Dies wäre - um eine Formulierung Drobnigs 118 abzuwandeln - eine mißbräuchliche Auslegung von Verträgen zum Zwecke des Durchgriffs.
b) Vertragsumgehung Von der Auslegung zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Erstreckung des rechtsgeschäftlichen Leistungsbefehls mitglied begründen kann. In der Literatur wird zuweilen sinngemäß - der Gesichtspunkt einer „Vertragsumgehung"
der Vertragszweck auf das Verbands- wenn auch nur angesprochen 119.
Wird die Vertragsumgehung dabei in einem engen Sinne verstanden, nämlich als Mittel, um zu vermeiden, daß sich der Vertragsschuldner selbst seiner Leistungspflicht entzieht 120 , kann sie hier nicht weiterhelfen. Doch auch eine Einbindung Dritter unter diesem Stichwort allein kraft der vertraglichen Vereinbarung scheitert an der oben zu 1. beschriebenen, entstehungsbedingt begrenzten Wirkkraft autonomer Regelungen. 1.7 A.A. neben Mertens (s.o. 1. Teil, 1. Kap., 3.) offenbar Paiandt/Heinrichs, Einf. vor § 21 Rdnr. 12: Nach dessen Auffassung kann „bereits die Auslegung ergeben, daß von der jur. Person übernommene Pflichten zugleich Pflichten der Mitglieder sein sollen"; zurückhaltender bzgl. einer rechtsgeschäftlichen Mitverpflichtung der Gesellschafter allein qua Auslegung Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 19. Unklar insoweit Baumbach /Hueck, § 13 Rdnr. 9 sowie Coing , NJW 1977, 1793, der es ohne Widerspruch zum Grundsatz der Privatautonomie allgemein für möglich hält, daß wahrer oder ergänzter Vertragswille (ohne allerdings ausdrücklich festzulegen, wen er als Vertragspartei in Bezug nimmt) ergebe, daß Inhalt oder Ausführung des Vertrages ohne Berücksichtigung der Unterscheidung von Verband und Mitglied vorgenommen würden (ebd. S. 1796 re. Sp.); unter den von ihm genannten Beispielen findet sich m.E. kein Fall, der tatsächlich die Erstreckung einer Verbindlichkeit von der Gesellschaft auf den Gesellschafter zum Gegenstand hat, sondern nur solche einer gegenständlichen Erweiterung der Pflichten des unstreitigen Vertragsschuldners, die auch nach der hier vertretenen Auffassung über eine reguläre Anwendung der Grundsätze der Vertragsauslegung lösbar sind. 1.8 Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 86 spricht für Fälle, in denen eine Entscheidung auf Durchgriffserwägungen gestützt wird, obwohl bereits eine zutreffende Vertragsauslegung das Urteil tragen würde, von einer mißbräuchlichen Verwendung des Durchgriffs durch die Rechtspersönlichkeit zur Auslegung von Verträgen. 119 Siehe Serick, Rechtsform S. 32 ff.: „Vertragsumgehung mit Hilfe der juristischen Person", Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 19: „Aushöhlung der vertraglichen Leistungs- und Unterlassungspflichten durch Einschaltung anderer Personen". Vgl. auch Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 111 f., 161, 183 ff., 279 ff. mit vielfältigen Beispielen einer „Umgehung" vertraglicher Pflichten im Konzern. 120
So etwa Serick, dazu oben Teil 1, 2. Kap, l.a (bei Fn. 82 ff.) und l.d.
Kap. 2: Vertrag Gesellschaft-Gläubiger als Geltungsgrund
93
c) Möglichkeit einer Vertragszwecklehre in Parallele zur Normzwecklehre? Kann eine vertraglich vereinbarte Rechtsfolge nicht bereits mit dem Vertrag als Geltungsgrund auf weitere Personen erstreckt werden, ist bei Zugrundelegung des unter 2. entwickelten Verständnisses, wonach eine Erstreckung nur in Betracht kommt, wenn der konkrete Normzweck sie fordert und rechtfertigen kann, vorliegend auch eine Anspruchsbegründung im Zusammenhang mit einer Negation des Trennungsprinzips ausgeschlossen: Es würde einen Wertungswiderspruch bedeuten, Gründe, die ohne Existenz eines Trennungsprinzips keinen Anspruch gegen den Gesellschafter begründen könnten, bei zusätzlicher Abschirmung des Gesellschafters durch einen Trennungsgrundsatz, gegen diesen zu kehren. Daher kann nicht in Parallele zur im Rahmen der Durchgriffsdiskussion entwickelten ,jslormzwecklehre" oder ähnlich dem allgemeinen Institut des „Verbots der Gesetzesumgehung" eine „Vertragszwecklehre" als gültig behauptet werden. Anders als beim Vertrag erscheint mir beim Gesetz eine personell erweiternde Normanwendung nicht von vorneherein ausgeschlossen zu sein. In diese Richtung geht ζ. B. die Anwendung rechtsformbezogener Vorschriften auf andere Rechtsformen, wie sie mit der teilweisen Anwendung aktienrechtlicher Regelungen auf den GmbH-Konzern geübt wird. Dieser Unterschied kann durch einen Blick auf das Institut der Gesetzesumgehung und die Möglichkeiten sowie Grenzen „ausdehnender" Gesetzesanwendung verdeutlicht werden. Unter dem Stichwort „Gesetzesumgehung" wird versucht, die Konterkarierung eines Gesetzesbefehls speziell durch die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zu verhindern. Es soll den mit dem Erlaß von Verbotsgesetzen etablierten Grenzen autonomer Gestaltungsmacht Wirksamkeit verschafft werden. Hierfür ist weitgehend anerkannt, daß der Normanwender nicht strikt an die vom Gesetzgeber vorgegebenen Tatbestandselemente gebunden ist. Entscheidendes Moment ist vielmehr die Verwirklichung des Normzwecks. Die Norm kann den mit einem Rechtsgeschäft bezweckten Erfolg schlechtin zu verhindern suchen, oder nur bestimmte Mittel zur Erreichung dieses Zwecks verbieten. Um die Verwirklichung des Normzwecks nicht von normfremden Umständen abhängig zu machen, wird vom BGH für unerheblich erachtet, ob die betroffenen Parteien mit Umgehungsabsicht handelten. Nach Auffassung des BGH ist „die Gesetzesumgehung eine Frage der Rechtsanwendung, die an die Rechtsgeltung und die Durchsetzbarkeit des Regelungsinhalts einer Norm aus eigener Kraft anknüpft" 121 . Es handelt sich also strukturell schlicht um Auslegung und Analogie 122 . 121 So BGHZ 110, 47, 64 im Zusammenhang der Lehre von der „verdeckten Sacheinlage". 122 Vgl. Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 50 ff., 89 ff., 105 f.; Soergel/
9 4 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Mit objektiver Auslegung 123 , nach der das Gesetz gegebenenfalls klüger sein kann, als seine Verfasser, wird anerkannt, daß die Geltung einer Norm weiter reichen kann, als Formulierung und Wille des historischen Gesetzgebers es nahelegen. In diesen Zusammenhang gehört zum Beispiel auch eine Gesetzesergänzung im Wege analoger Rechtsanwendung, die sich zur Ermittlung von Gesetzeslücken einer wertenden Betrachtung bedient 124 . Damit wird nicht nur dem Bedürfnis nach Korrektur legislativer Fehlformulierungen und Anpassung des Normgefüges an veränderte Umstände Genüge getan, sondern es wird ein auf der Gestaltungsaufgabe der Rechtsordnung insgesamt fußender, umfassenderer Regelungsauftrag zu sachgerechter und gleicher Problemlösung an die einzelne Norm herangetragen. Dem Vollzug der Anordnung, die nach dem Wortlaut der Norm vom Gesetzgeber getroffen wurde, eignet die vom gesetzlichen Hoheitsakt ausgehende Autorität und Legitimität. Aber auch einer Gesetzesergänzung, die der richterlichen Bindung an Gesetz und Recht genügt (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), kann derselbe Geltungsanspruch zukommen 125 . Deutlich ist dies meines Erachtens in Fällen, in denen die in einer Norm enthaltene Zwecksetzung und Wertung auf weitere, nach ihrem Wortlaut nicht erfaßte Sachverhalte „ausgedehnt" wird, weil andernfalls ein gleichartiger Sachverhalt ungleich behandelt würde. Hier hat auch die neue Rechtsregel Teil an der Autorität der gesetzgeberischen Entscheidung, bedarf aber zu ihrer Rechtfertigung zusätzlich eines Rekurses auf den Gleichheitsgrundsatz, der Bestandteil der Rechtsidee126 und zugleich des positiven Rechts (s. Art. 3 GG) ist 127 .
HefermehU § 134 Rdnrn. 37 ff., und Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522, 535 ff. A.A. MK/Mayer-Maly, § 134 Rdnrn. 12 ff., 18, für den eine solche Rechtsanwendung die Sachproblematik nicht erschöpft, weil der Grundrechtsschutz der Privatautonomie jede Auslegung eines Verbotsgesetzes an die Tatbestandsmerkmale binde. Die dann erforderl. bes. Rechtfertigung für eine „Absicherung" der Verbotsgesetze gegen Umgehung sieht er in der Umgehungsfunktion eines mit Umgehungsabsicht geschlossenen Rechtsgeschäfts. 123 Zu historischer Entwicklung und gegenwärtigem Streitstand s. nur Larenz, Methodenlehre, Teil I und Teil II, Kap. 4, 2 d, sowie Teichmann a.a.O., S. 15 ff. 124 Dazu Canaris , Die Feststellung von Lücken im Gesetz. Er unterscheidet bei den „planwidrigen Un Vollständigkeiten" „teleologische Lücken", „Rechtsverweigerungslücken" und „Wertlücken"; s. ders. S. 139 ff. 125 Ein Unterschied besteht nur insoweit, als sich die Existenz des „gesetzesergänzenden Rechtssatzes" nicht von selbst versteht, sondern besonderer Rechtfertigung bedarf. 126 Vgl. etwa Radbruch, Rechtsphilosophie, § 4, S. 121 f., und § 9, S. 164 ff. 127 Auch aus Sicht nicht des einzelnen Rechtsunterworfenen, sondern der Rechtsordnung ist eine derartige Widerspruchsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit der Gesamtrechtsordnung geboten.
Kap. 2: Vertrag Gesellschaft-Gläubiger als Geltungsgrund
95
Methodisch auf dieser Grundlage konnte beispielsweise eine Entmündigung Rauschgiftsüchtiger mit guten Gründen in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. 128 („Trunksucht") befürwortet werden 129 . Mithin wurde die Anwendung einer belastenden Rechtsfolge („Entmündigt werden kann ...") - obwohl damit schwerwiegende Eingriffe in Freiheitsrechte verbunden waren - auf einen in der Norm nicht genannten Adressaten bejaht. Das Beispiel zeigt, daß der mit den Begriffen Vorrang des Gesetzes, Rechtsstaatsprinzip und Rechtssicherheit umschreibbare Umfang richterlicher Gesetzesbindung im Einzelfall als Schranke gegen eine personell erweiternde Gesetzesanwendung wirken mag - etwa wenn diese Prinzipien ein Analogieverbot begründen - , daß dies aber nicht grundsätzlich der Fall sein dürfte 130 . Entsprechend kann in Betracht gezogen werden, eine gesetzliche Leistungspflicht auf den Gesellschafter als weitere, nicht unmittelbar vom Wortlaut der Norm erfaßte Person zu erstrecken. Häufiger wird jedoch der Fall auftreten, daß der Normtext eine Inanspruchnahme des Gesellschafters erlaubt und erst eine spezifische Vorstellung der Trennung der Rechtskreise von Gesellschaft und Gesellschafter einer Verpflichtung des Gesellschafters persönlich zuwiderläuft. So wendet sich etwa § 1 UWG auch gegen den Gesellschafter, wenn er nach Normzweck und wettbewerbsrechtlichem Störerbegriff 131 unmittelbar als Adressat der Norm erscheint. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Gesellschaft wäre nur dann zu überwinden, wenn sie zuvor postuliert würde, indem es für unzulässig erachtet wird, den Gesellschafter in Anknüpfung an eine Tätigkeit im Geschäftsbereich der Gesellschaft mit gesetzlichen Pflichten zu belasten; Adressat des § 1 UWG könnte bei solchem Verständnis nur die Gesellschaft sein 132 .
128
Die zwischenzeitlich um den Tatbestand der Rauschgiftsucht ergänzte Norm wurde nunmehr mit Erlaß des Betreuungsgesetzes ersatzlos aufgehoben. 129 Hingewiesen wurde neben der Gleichartigkeit der Gefährdungen insbes. darauf, daß die Entmündigung auch im Interesse des Betroffenen liegen kann. Vgl. Canaris , Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 46 f., 185 f. 130 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen analoger Rechtsanwendung im Zivilrecht s. den Beschluß des BVerfG v. 3.4.1990, JZ 1990, 811 ff. 131 Zu ihm - auch in Anwendung auf den Gesellschafter-Geschäftsführer - Ottofüllingy Störerhaftung des Geschäftsführers, S. 37 ff, 48 ff., insbes. bei Fn. 163, 177 im Text. 132 Vgl. Hommelhoff, Anm. zu OLG Frankfurt, EWIR 1985, 397, der in dem vom OLG vertretenen wettbewerbsrechtlichen Störerbegriff eine unzulässige Durchbrechung des Trennungsprinzips sieht. Emmerich, FS Lukes, S. 639, 650, der zur Verantwortlichkeit von OHG-Gesellschaftern Stellung bezieht, will demgegenüber allein auf die Wettbewerbswidrigkeit der Handlungsweise der Gesellschafter abstellen, weshalb die Gesellschafter eine (von § 128 HGB unabhängige) Einstandspflicht neben der Gesellschaft treffen könne.
9 6 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Danach bleibt festzuhalten: Wie Wiedemann selbst einräumt, sind Vertrag und Gesetz im Hinblick auf eine personell erweiternde Anwendung nicht gleichrangig 133 . Seine Auffassung, daß bei einer gesetzlichen Normanwendung gegebenenfalls eine Normenkollision aufzulösen ist und bei einem Konflikt mit dem Vertragsbefehl nur ein Mehr im Vergleich hierzu, ist jedoch abzulehnen. Vielmehr besteht im letztgenannten Fall gar kein aufzulösender Konflikt zwischen dem Trennungsprinzip als gesetzlicher Norm und der vertraglichen Regelung. Das Verbot drittbelastender Verträge schließt eine unmittelbare Verpflichtung des Gesellschafters aus dem zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrag aus, nachdem tragfähige Anknüpfungspunkte für eine Restriktion dieses Grundsatzes auch nicht dem Gesetz zu entnehmen waren (s. dazu oben 1. b.).
d) Verbleibende Möglichkeiten einer Effektuierung des Vertragszwecks Somit kann dem Vertragszweck eines zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrages nur über heteronome Verpflichtungsgründe Geltung gegenüber einem Gesellschafter zukommen, der nicht selbst Vertragspartei wurde. Zwei Denkrichtungen sind zu unterscheiden: Entweder der Gesellschafter ist per Gesetz vertragsinhaltsgleich zu der Leistung und der damit einhergehenden Aufstockung des Vermögens des Gläubigers verpflichtet, oder ihm obliegt - in primär negativer Zielrichtung - die Rechte und Interessen, die dem Gläubiger durch die Vereinbarung mit der Gesellschaft zugewiesen sind, nicht durch eigene Handlungen zu beeinträchtigen. D.h., der Vertragszweck ist tragfähiger Gesichtspunkt für eine Erstreckung des vertraglichen Schuldverhältnisses nur, wenn er die Anforderungen spezifischer Rechtsinstitute erfüllt. In Frage kommen insbesondere die §§ 826 und 242 BGB. Schließlich verbleibt dem Vertragszweck möglicherweise noch eine Indizfunktion im Rahmen rechtsgeschäftlicher Verpflichtungsgründe: Soweit er eine Erstreckung vorderhand sachlich für geboten erscheinen läßt, könnte er auch einen „Drittbezug" der zur Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit ausgetauschten Erklärungen nahelegen, mit der Folge eigener Verpflichtung des Gesellschafters bei Selbsthandeln oder wirksamer Bevollmächtigung des Handelnden.
133
S.o. Teil 1 bei Fn. 14 im Text.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
97
Kapitel 3
Anerkannte Verpflichtungsgründe als umfassender Lösungsansatz? Im Anschluß an rechtsgeschäftlich begründete Ansprüche des Gesellschaftsgläubigers gegen den Gesellschafter (dazu 1.) werden verschiedene gesetzliche Bindungen erörtert (s. Abschn. 2 - 4 ) . Unter 5. wird diskutiert, ob dem Gläubiger Ansprüche aus einem Zusammenspiel der zwischen der Gesellschaft und ihm einerseits und zwischen Gesellschaft und Gesellschafter andererseits bestehenden Rechtsverhältnisse erwachsen.
1. Rechtsgeschäftliche Begründung von Pflichten zwischen Gesellschafter und Gläubiger a) Selbstbindung durch Selbsthandeln Eine Bindung des Gesellschafters aufgrund eigener rechtsgeschäftlicher Erklärungen kommt vor allem in Betracht, wenn er als Organ oder anderweitig vertretungsberechtigte Person für die Gesellschaft in Kontakt zum Gesellschaftsgläubiger tritt 134 . Dabei soll für die folgenden Erörterungen feststehen, daß der Gesellschafter als Vertreter des Verbandes einen Vertragsschluß bewirkte, nachdem sich die Frage einer Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse auf den Gesellschafter nur stellt, wenn eine vertragliche Verpflichtung des Verbandes besteht135. Diese Prämisse setzt zugleich Erklärungen beider Vertragsbeteiligter voraus, die den für die Wirksamkeit einer Willenserklärung zu fordernden Minimaltatbestand erfüllen 136 . Gegen die Möglichkeit, durch ein und dieselbe Erklärung mehrere Rechtssubjekte verpflichten zu können, bestehen im Grundsatz keine Bedenken. So 134
Zu einer auch an das Handeln als Vertreter anknüpfenden Eigenhaftung aus c.i.c. s.u. 2. 135 Vielfach erleichtert wird dies über den Grundsatz, daß im Namen des Unternehmens getätigte und ihrem Gegenstand nach „unternehmensbezogene" Abschlüsse auf den Unternehmensträger zu beziehen sind, auch wenn seine Person dem Vertragspartner nicht bekannt sein sollte. S. etwa BGH NJW 1983, 1844, wo der Vertragspartner den Vertreter selbst für den Geschäftsinhaber hielt. 136 Zur alten Streitfrage, ob beim Erklärenden das „Bewußtsein der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung" zu verlangen ist, oder ein ihm zurechenbares Verhalten genügt, das den Rückschluß auf das Vorhandensein eines Erklärungsbewußtseins zuläßt, s. BGH in BGHZ 91, 324, 327 ff., der im letztgenannten Sinne entscheidet. 7 Diez
9 8 2 .
Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
wird aus Vereinfachungsgründen vielfach verfahren; man denke nur an den Verwalter eines Gutes, das vielen Rechtsträgern zugeordnet ist, wie etwa die Wohnanlage mit ihren Wohnungseigentümern 137. Gleichermaßen kann der Stellvertreter gleichzeitig das Vertreter- und ein Eigengeschäft vornehmen 138. Die „Mitverpflichtung" des Gesellschafters hängt dann nur davon ab, ob den Erklärungen der Erklärungswert zukommt, daß auch der Gesellschafter persönlich durch das Rechtsgeschäft verpflichtet werden sollte. Allerdings dürfte eine solche Auslegung in Anwendung des Grundsatzes „falsa demonstratio non nocet" ausgeschlossen sein, wenn weder der für die Gesellschaft handelnde Gesellschafter noch der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine „Doppelverpflichtung" wünschten139. Steht der Abschluß eines die Gesellschaft verpflichtenden Rechtsgeschäfts fest und ist nur die Begründung einer zweiten Verbindlichkeit mit ein und derselben Willenserklärung des handelnden Gesellschafter-Geschäftsführers fraglich, verbietet sich auch ein „Gläubigerschutz über die Beweislast" in der von Mertens angedeuteten Art 1 4 0 : Der Gesellschafter muß nicht den ausschließlichen Drittbezug seiner Willenserklärung nachweisen. Vielmehr muß derjenige, der ein Eigengeschäft des Gesellschafters behauptet, schon bei Vorliegen von Umständen, unter denen ein unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft angenommen werden darf, beweisen, daß der Handelnde - entgegen der typischen Gestaltung - (auch) für sich persönlich handeln wollte 141 . In welchen Fällen dem Gesamtverhalten der Beteiligten im Wege normativer Auslegung die stillschweigende Übernahme einer Verbindlichkeit durch den Gesellschafter zu entnehmen ist, muß anhand der einzelnen Umstände,
137
Für bestimmte Aufgabenfelder besteht hier bereits eine gesetzliche Ermächtigung des Verwalters, s. insbes. § 27 Abs. 2 Nr. 1,4 und 6 WEG. 138 Allg. Ans., s. SoergelILeptien, § 164 Rdnrn. 12, 32, Erman/Brox, § 164 Rdnr. 7, und Staudinger / Dilcher, § 164 Rdnrn. 2, 6. Aus der Rspr. s. RG JW 1931, 1028 f.; BGH MDR 1966, 213, und RGZ 127, 103, 105. 139 Fallgestaltungen, in denen dies praktisch wird, sind keineswegs fernliegend. So kann es sich verhalten, wenn der Gesellschaftsgläubiger nicht an die „Notwendigkeit" dachte, den Gesellschafter in Person zu verpflichten. 140 S.o. Teil 1, bei Fn. 37 f. 141 So auch die von Mertens in Bezug genommene Fundstelle Soergel ! Leptien, § 164, Rdnr. 39. Ebenso die Rspr., s. insbes. BGH NJW 1984, 1347, 1348, und NJW 1990, 2678, jeweils m.w.N. Obwohl das Außenhandeln des geschäftsführenden „Organs" rechtlich als eigenes Handeln der ansonsten nicht handlungsfähigen juristischen Person zu bewerten ist, muß auch der Gesellschafter-Geschäftsführer (als organschaftlicher „Vertreter") erkennbar werden lassen, daß er für die Körperschaft abschließen will, nachdem er als Person nicht voll in die jur. Person integriert ist. Vgl. MK/ Thiele, vor § 164 Rdnrn. 6 f., Soergel/Leptien, vor § 164 Rdnr. 23, und Staudinger/ Dilcher, Vorbem. zu § 164 Rdnrn. 25 f.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
99
die die Bedeutung der ausgetauschten Erklärungen und des gezeigten Verhaltens beeinflussen können, also von Fall zu Fall entschieden werden. Im folgenden soll nur eingegrenzt werden, in welchem Rahmen die oben angesprochenen Kriterien des vom Gesellschaftsgläubiger verfolgten wirtschaftlichen Ziels und der innergesellschaftlichen Stellung des Geschäftsführers 142 den Sinn der Erklärungen determinieren können. aa) Will eine Vertragsauslegung nicht im Begriffsjuristischen verharren, muß sie die Interessen der Beteiligten berücksichtigen 143. Das schlichte Interesse des Gläubigers nach dem Motto „zwei Schuldner sind besser als einer" hat - sofern nicht für den Verhandlungspartner erkennbar artikuliert - außer Betracht zu bleiben. Andernfalls würde die mit der Schaffung des eigenständigen Unternehmensträgers GmbH jedenfalls im Grundsatz zugleich intendierte ausschließliche Zuordnung unternehmensbezogener Rechte und Pflichten ad absurdum geführt. Fraglich bleibt damit die Auslegung vor allem in den Fällen, in denen von der Sache her ein besonderes Interesse des Gläubigers an einer Einbeziehung des Gesellschafters besteht144. Auch wenn wir annehmen, eine solche Einbindung sei unter Zugrundelegung von Sinn und Zweck der zwischen Gläubiger und Verband geschlossenen Vereinbarung notwendig - zum Beispiel kann die letztlich erfolgreiche Durchführung eines Vertrages eine strikte Geheimhaltung aller hierzu offenbarten Geschäftsgeheimnisse auch seitens der Gesellschafter erfordern - , könnte sie doch nicht mit Hilfe der ergänzenden Auslegung dieses Vertrages erschlossen werden 145 . Denn die ergänzende Vertragsauslegung kann lediglich ein lückenhaftes Regelungswerk im Verhältnis zum Vertragsschuldner ergänzen, nicht aber ein neues Regelungswerk generieren 146. Auch die Aussage,
142
Siehe Teil 2, Kap. 1, 6. Staudinger ! Dilcher, §§ 133, 157 Rdnr. 28 spricht von systematischer bzw. teleologischer Auslegung. Die Notwendigkeit interessengerechter Auslegung wird denn auch vielfach betont; s. nur BGH NJW 1981, 1549, 1550, und BGH BB 1982, 1883, 1884. 144 Vgl. hierzu oben, Teil 2, Kap. 1, 4.a. 145 Zur personellen Reichweite von mit Wirkung für die Gesellschaft geschlossenen Verträgen s. das vorhergehende Kapitel. 146 Soweit ersichtlich, steht das mit dem gegenwärtigen Verständnis der Rspr. von erg. Vertragsauslegung nicht in Widerspruch. S. etwa BGHZ 16, 71, 76, wo als Aufgabe ergänzender Vertragsauslegung bezeichnet wird, „zu ermitteln ..., was die Parteien ... in Anbetracht des gesamten Vertragszwecks erklärt haben würden, wenn sie den offengebliebenen Punkt in ihren Vereinbarungen ebenfalls geregelt hätten und hierbei zugleich die Gebote von Treu und Glauben und der Verkehrssitte beachtet hätten". — Unklar insoweit RG GmbHR 1919, 49 ff., wo die Ausführungen auf S. 51 nahelegen, daß im Wege erg. Vertragsauslegung Wirkungen zu Lasten des Gesellschafters begründet werden können: „Es ist ... nicht ausgeschlossen, daß ein zwi143
7*
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
daß die Auslegung von Verträgen durch den Inhalt von zwischen Dritten geschlossenen Verträgen beeinflußt werden kann 147 , hilft hier nicht weiter, weil erst durch Auslegung der einzelnen Willenserklärungen ermittelt werden muß, ob überhaupt ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Gesellschafter begründet wurde. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind nur wenige Fälle bekannt, in denen neben dem Vertretergeschäft konkludent eine Eigenverbindlichkeit des Vertreters begründet wurde 148 . Keine der Entscheidungen befaßt sich mit einem „Gesellschafter-Vertreter". Nur in einer der veröffentlichten Urteilsbegründungen wird offen auf das Interesse des Gläubigers an einer Eigenverpflichtung des Stellvertreters rekurriert 149 : Dort hatte eine Molkerei ein Fuhrunternehmen mit dem Transport der Milch von den Erzeugern zu ihr beauftragt. Sie war dabei als Vertreterin der milchliefernden Landwirte aufgetreten. Daß die Molkerei gleichwohl eine eigene Zahlungspflicht begründet habe, folgert der BGH aus dem Eigeninteresse der Molkerei an ordnungsgemäßer Milchanfuhr und dem Interesse des Transporteurs daran, einen einzigen Vertragspartner zu haben. Ferner ergebe sich die Zahlungspflicht aus dem Sinn der Gesamtregelung, da für die Frachtberechnung nicht die bei den einzelnen Landwirten abgeholten Milchmengen, sondern die bei der Molkerei angelieferten Gesamtmengen zugrundegelegt worden seien. Schließlich habe die Molkerei den Fuhrleuten die Lieferbezirke zugewiesen und es übernommen, das vereinbarte Entgelt mit dem Fuhrunternehmer abzurechnen. sehen der GmbH und einem Dritten formell abgeschlossener Vertrag unter besonderen Umständen ... für die Gesellschafter ... Rechtswirkungen hat, wenn dies nach dem Willen der Vertragsteile ohne Verstoß gegen Treu und Glauben im Verkehr angenommen werden muß. Eine ... im Wege der ergänzenden Auslegung zu treffende Feststellung Auf S. 52 entsteht demgegenüber der Eindruck, daß die erg. Vertragsauslegung nur dazu dienen sollte, eine gem. §§ 164 ff. BGB begründete Verpflichtung des Gesellschafters über den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft hinaus aufrechterhalten zu können. Vgl. auch oben, Teil 1 bei Fn. 55 ff. im Text. 147 So der BGH im sog. Volkswagensparerprozeß, NJW 1955, 587 ff. 148 S. die Nachweise in Fn. 138. Dabei betrifft RGZ 127, 103 ff. den Umkehrfall der Begründung eines eigenen Anspruchs des Stellvertreters und bleibt hier außer Betracht. 149 S. das Urteil BGH MDR 1966, 213 Ii. Sp., das insoweit nicht veröffentlichte Passagen der Entscheidung BGH MDR 1964, 827 wiedergibt. RG JW 1931, 1028, 1029 hebt demgegenüber ausschließlich auf äußere Umstände ab: Im Fall gehörte ein Grundstücksteil des als wirtschaftliche Einheit verkauften Anwesens allein dem Stellvertreter, der andere Teil den Vertretenen; u.a. die Tatsache, daß der Vertreter selbst unzweifelhaft Vertragspartei war, die Vollmacht von nahen Angehörigen erteilt wurde und der Vertreter den gesamten Kaufpreis - auch soweit er noch gestundet war erhalten sollte, lassen nach Ansicht des RG die (m.E. in der Sache zweifelhafte) Annahme zu, der Vertreter habe sich persönlich verpflichten wollen, die Auflassung namens der Vertretenen und bezogen auf deren Grundstück, zu erklären.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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Meines Erachtens kann aber nicht allein aufgrund des Eigeninteresses der Molkerei in Verbindung mit dem Umstand, daß dem Kläger zur direkten Inanspruchnahme der Landwirte „keine für die Berechnung der Anteile ausreichenden Unterlagen zur Verfügung stehen und ... die Entlohnung naturgemäß nicht durch den einzelnen Landwirt hat vorgenommen werden können" 150 , auf einen Verpflichtungswillen der Molkerei geschlossen werden. Näher liegt, die von der Molkerei bekundete Bereitschaft, sich in die Vertragsabwicklung einschalten zu lassen, als Indiz dafür zu werten, daß sie in diesem Rahmen auch Pflichten übernehmen wollte. Doch ist mir beim geschilderten Sachverhalt nicht ersichtlich, aus welchen Gegebenheiten zu folgern war, daß sich die Molkerei zu mehr verpflichtet hatte, als im Streitfall also bei Zahlungsverweigerung seitens einzelner Landwirte - über die von diesen übersandten Milchmengen Auskunft zu geben. Dies hätte den Transporteur in die Lage versetzt, seinen Vergütungsanspruch gegen den betreffenden Landwirt geltend zu machen. Der Tatsache, daß ein Geschäftsabschluß der Gesellschaft im Interesse des Gesellschafters liegt, kann schon deshalb keine entscheidende Bedeutung für die Auslegung beigemessen werden, weil das Gesellschaftsinteresse im Kern auf das Gesellschafterinteresse verweist 151 und mithin ein Gesellschaftshandeln im Interesse der Gesellschafter gleichermaßen bei Tätigwerden sonstiger Geschäftsführer zu erwarten ist 152 . Ein Erklärungswert für die Auslegung kommt dieser Interessenidentität nur in Sonderfällen zu: Etwa wenn der Gesellschafter ausdrücklich auf sie hinweist und so seine Bereitschaft dokumentiert, hieraus auch die Konsequenzen im Interesse des Gesellschaftsgläubigers ziehen zu wollen. Auch ein noch so starkes und anerkennenswertes Interesse des Gläubigers an einer Einbeziehung des Gesellschafters führt nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Gesellschafters. Sonst wäre die Befugnis des Gesellschafters, nicht mit dem Gesellschaftsgläubiger persönlich zu kontrahieren, beschränkt. Es würde ihm sozusagen - weil einzig interessengerecht - ein Kontrahierungszwang auferlegt und sogleich anläßlich der Auslegung der vom Gesellschafter abgegebenen Erklärungen vollzogen. Dies ist mit einem auf die Freiheit des einzelnen bezogenen Verständnis von Privatautonomie
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Zit. s. BGH a.a.O., S. 213, re. Sp. S.o. Teil 2, Kap. 1, La. 152 In der Tendenz anders Hachenburg ! Mertens, Anh. nach § 13 Rdnr. 12, der den Gesichtspunkt der „wirtschaftlichen Interessenidentität" (als ein Element) für die Auslegung heranziehen will. M.E. liegt eine Zuordnung der Verbindlichkeit auf den Gesellschafter näher, wenn er die Gesellschaft zur Verfolgung gesellschafts/remder Zwecke instrumentalisiert, eine solche Interessenübereinstimmung also gerade nicht gegeben ist. 151
102
2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
nicht vereinbar, das im Ausgangspunkt weder nach den Motiven noch der Vernünftigkeit der Interessenverfolgung bei unterlassenem oder getätigtem Vertragsschluß fragt 153 . Idealiter entscheidend ist allein der Entschluß der Parteien, sich binden zu wollen. Auch der Umstand, daß empfangsbedürftige Erklärungen nicht unmittelbar nach dem Willen der Beteiligten, sondern normativ auszulegen sind, erzwingt keine andere Beurteilung: Eine Bindung entsteht gleichwohl erst dann, wenn ein Verhalten vorliegt, das es zuläßt, die vertragliche Regelung als selbstbestimmt gewollt anzusehen154. Letzteres ist denkbar, wenn die Umstände sowie der Inhalt der Erklärungen die Person der Vertragsschließenden tatsächlich offenlassen und das von den Beteiligten in den Vertragsverhandlungen verfolgte Obligationsziel für alle erkennbar nur unter Mitverpflichtung des Gesellschafter-Geschäftsführers erreichbar ist 155 . Das Interesse des Geschäftspartners kann erst als Indiztatsache wirksam werden, wenn sich der Gesellschafter bildlich gesprochen ins Zwielicht begibt. Selbst wenn nach dem Wortlaut des Vertrages nur die Gesellschaft verpflichtet wurde, kann ein mehrdeutiges Verhalten des Gesellschafters vorliegen; zum Beispiel, wenn er im Rahmen der Vertragsverhandlungen zum Ausdruck brachte, selbst für die Einhaltung bestimmter Pflichten Sorge tragen zu wollen — etwa daß Geschäftsgeheimnisse des Vertragspartners nicht nach außen gelangen 156 . „Beschwichtigende" Erklärungen können allgemein Grundlage einer eigenen Verpflichtung des Gesellschafters sein. So dürfte dem Hinweis des Gesellschafters, in Anbetracht seiner Seriosität genüge ein Geschäftsabschluß mit dem Verband, rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen, wenn sich beide Parteien der Notwendigkeit bewußt waren, daß die Erreichung des Geschäftserfolges eine Einbindung auch des Gesellschafters erforderte. Unter diesen Umständen kann der Verweis auf die eigene Seriosität aus Sicht des Vertragspartners als Bekunden der Bereitschaft verstanden werden, die Vertragsdurchführung mit der Gesellschaft unterstützen bzw. 153 Vgl. etwa Ramm, Privatrecht Allg. Teil, Bd. I, S. 37 ff. mit vielfältigen Beispielen dieser Neigung des Rechts zu „Neutralität" i.S. der Unerheblichkeit persönlicher Wertungen und einer vielfachen Ausblendung allg. des Internbereichs des Menschen. 154 Vgl. zum Verhältnis von „wahrem" Willen und normativer Auslegung insbes. Flume , Das Rechtsgeschäft, § 16, 3 b, S. 310. 155 In Anlehnung an den Sachverhalt von RG JW 1931, 1028 f., oben Fn. 149, wäre eine Mitwirkung des Gesellschafters erforderlich, wenn ein Kaufgegenstand teils im Eigentum des Gesellschafters und z.T. im Eigentum der Gesellschaft steht. Es geht dann allerdings nicht um eine Erstreckung; die Pflichten von Gesellschaft und Gesellschafter würden sich inhaltlich nicht entsprechen. 156 Gemäß der Regel „protestatio facto contraria non valet" kann dem Erklärungswert eines Verhaltens selbst gegenüber einer sprachlich eindeutigen Erklärung Vorrang zukommen, wenn die „Worte durch Taten Lügen gestraft werden"; s. MK/ Mayer-Maly, § 133 Rdnr. 45 mit Nachweisen zum Streitstand.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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nicht stören zu wollen. Im Unterschied zu einer Verbindlichkeit, die derjenigen der Gesellschaft inhaltlich entspricht, würde dem Gesellschafter hiermit nur ein auf die Gesellschaftsverbindlichkeit bezogenes Verhalten abverlangt, dessen genauer Umfang durch Auslegung zu ermitteln ist 157 . Allerdings scheitert ein solcher Vertragsschluß, wo keine Annahme erklärt wurde und der Zugang der Erklärung auch nicht gem. § 151 BGB verzichtbar war. bb) Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten: Der Gesellschaftsgläubiger muß, will er eine direkte rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Gesellschafters erreichen, offensiv sein Interesse artikulieren und vertreten — ein Verpflichtungswillen des Gesellschafters muß tatsächlich manifest geworden sein. Dem Befund K. Schmidts, wonach umso eher eine Verpflichtung des Gesellschafters anzunehmen sei, je ausgeprägter dessen Mitunternehmerschaft ist 1 5 8 , kann für die Fälle des „Selbsthandelns" nicht in dieser Allgemeinheit zugestimmt werden. Die Interessen der Beteiligten kommen für die Frage der Begründung eines vertraglichen Schuldverhältnisses nur in Zweifelsfällen zum Tragen. Das Mittel der Selbstverpflichtung erweist sich nicht als funktional, sofern es darum gehen sollte, dem Gläubiger in Abhängigkeit von der Stellung des Gesellschafters im Verband und der Art der Verbindlichkeit zu einem gegen den Gesellschafter persönlich gerichteten Anspruch zu verhelfen.
b) Verpflichtung im Wege der Stellvertretung Ob der Geschäftsführer nur in Vertretung der Gesellschaft oder auch namens der Gesellschafter handelte, ist nach denselben Grundsätzen festzustellen, die auch für die Frage gelten, ob er zugleich in fremdem und eigenem Namen tätig wurde (dazu oben a.) 159 . Einen derartigen Drittbezug können auch Geschäftsführer aussprechen, die nicht Gesellschafter sind. Hinzutreten muß für eine WirkungsVerschiebung nach §§164 ff. BGB freilich ein Handeln der Stellvertreter mit Vertretungsmacht. Äußere Umstände lassen nur in engen Grenzen den Schluß auf die Erteilung einer Vollmacht durch die Gesellschafter zu:
157
Für Leistungspflichten ist z.B. zu klären, inwieweit der Gesellschafter aktive Mitwirkung und Unterstützung schuldet. Für Unterlassungspflichten des Verbandes ist zu beantworten, ob auch ein Handeln in Person jenseits gesellschaftlicher Aufgabenwahrnehmung, das gleichwohl das vom Gläubiger mit Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit verfolgte Interesse beeinträchtigt, untersagt sein soll. 158 159
S.o. Teil 1, Kap. 1, 2, letzter Absatz. Ebenso Soergel /Leptien, § 164 Rdnr. 12.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
- In einem den Abschluß eines unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts befürwortenden Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung kann in Ermangelung besonderer Umstände nicht die Erteilung einer Innenvollmacht zu persönlicher Verpflichtung der Gesellschafter gesehen werden, weil der Abstimmungsakt zunächst nur eine auf die Geschäftsführung der Gesellschaft bezogene Willensbekundung darstellt. - Wer für eine „stillschweigende" Bevollmächtigung voraussetzt, daß der Vertretene Vollmacht erteilen wollte 1 6 0 oder er sich jedenfalls bewußt war, sein Verhalten könnte von anderen als eine Bevollmächtigung aufgefaßt werden 161 , begrenzt dieses Institut auf Fälle bewußter und autonomer Gestaltung durch den Vertretenen. Auch unter Verzicht auf ein Erklärungsbewußtsein kann nicht allein daraus auf die Existenz einer Vertretungsmacht geschlossen werden 162 , daß die Einbindung der Gesellschafter aus Gläubigersicht sinnvoll erscheint. Als konkludente Vollmachtserteilung läßt sich aber eine Weisung werten, wenn die dem Vertreter übertragene Aufgabe - auch für die Gesellschafter erkennbar - bei verständiger Würdigung überhaupt nur unter ihrer persönlichen Mitverpflichtung durchführbar ist. -
Selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht 163 ist ein Handeln mit Vollmacht nur ausnahmsweise an160
So bislang die Rspr., s. die Nachweise bei Soergel/Leptien y § 167 Rdnr. 15 Fn. 2, wobei allerdings eine Änderung dieses Standpunktes im Hinblick auf die später ergangene, in der folgenden Fn. genannte Entscheidung naheliegt. 161 Vgl. Flume , Das Rechtsgeschäft, S. 73 f., 68 f., 132, 450, nach dessen Auffassung das „zunächst eine andere selbständige Bestimmung" verfolgende schlüssige Verhalten ebenso wie das Schweigen im Grundsatz nur dann als Akt finaler Rechtsgestaltung anzuerkennen ist, wenn sich der Betreffende der Bedeutung als Erklärung bewußt ist. Anders als beim gegebenen Wort sei hier nur mittelbar auf einen rechtsgeschäftlichen Willen zu schließen, was auch das Vertrauen des Empfängers als weniger schutzwürdig erscheinen lasse. Der BGH will demgegenüber die in BGHZ 91, 324, 327 ff. aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt auch auf Willenserklärungen durch schlüssiges Verhalten anwenden (und so auch hier der Selbstverantwortung Vorrang vor der Selbstbestimmung einräumen). S. BGHZ 109, 171, 177: Das schlüssige Verhalten ohne Erklärungsbewußtsein „wird als Willenserklärung wirksam, wenn der sich Äußernde fahrlässig nicht erkannt hat, daß sein Verhalten als Willenserklärung aufgefaßt werden konnte und wenn der Empfänger es tatsächlich auch so verstanden hat." 162 Sei es als dem Vertreter mitgeteilte Innenvollmacht, sei als eine dem Geschäftspartner durch den Geschäftsführer kundgetane Außenvollmacht. 163 Zu Rspr., Kritik (die eine Erfüllungshaftung kraft sorgfaltswidrigen Verhaltens gänzlich ablehnt oder auf den Bereich des Handelsrechts beschränkt wissen will) und abweichenden dogmatischen Konzepten s. die Nachweise bei Soergel ILeptien, § 167 Rdnrn. 15 ff. — Die für die Duldungsvollmacht bestrittene Einordnung als Rechts-
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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zunehmen. Der für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht erforderliche Fahrlässigkeitsvorwurf wird dem Geschäftsherrn in der Regel erst zu machen sein, wenn eine Vertretertätigkeit von einiger Häufigkeit und Dauer vorliegt. Typischerweise dürfte auch das erstmalige bewußte Dulden und Nichtstun des Geschäftsherrn gegenüber einem Vertreterhandeln nicht den Rückschluß auf dessen Einverständnis zulassen164. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Regeln über die Stellvertretung ebenso wie ein Selbsthandeln nur unter besonderen Umständen, die nicht mit dem in Kap. 1 aufgezeigten „Erstreckungsbedarf 1 korrelieren, zu einer DoppelVerpflichtung von Gesellschaft und Gesellschafter führen.
2. Eigenhaftung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus c.i.c. a) Zur Person des Schuldners vorvertraglicher Pflichten Die Rechtsprechung nimmt zum Ausgangspunkt, daß grundsätzlich nur die Partei des intendierten Vertragsverhältnisses vorvertraglichen Schutz- und Warnpflichten unterliegt, bei Einschaltung eines Vertreters in die Vertragsverhandlungen also dessen Verschulden über § 278 BGB nur zu einer Einstandspflicht des Vertretenen führt 165 . Sie hält eine „Dritthaftung" des Stellvertreters oder Abschlußgehilfen ausnahmsweise für möglich, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (nachfolgend aa.), oder dem Vertragsgegenstand besonders nahe stand, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsschluß interessiert war und aus
scheinvollmacht ist nicht nur von theoretischem Interesse, wenn Rechtsscheinvollmachten im Gegensatz zur stillschweigenden Bevollmächtigung einer Anfechtbarkeit nach §§ 119 ff. BGB entzogen werden. — Flume , Das Rechtsgeschäft, § 49 3, 4, anerkennt nur eine konkludente Vollmachtserteilung, für die ein Dulden lediglich genügt, wenn es - z.B. durch Einräumung einer bestimmten Stellung - zugleich erkennbar eine Billigung der Vertretung für die Zukunft impliziert. Palandt ! Heinrichs, §173 Rdnr. 10 sieht auch in der Duldung ohne Bevollmächtigungswillen unter Verweis auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens einen rechtsgeschäftlichen Tatbestand. Wenn auf ein Erklärungsbewußtsein (und mit ihm auf jeglichen Restbestand an subjektiver Finalität bezüglich einer rechtlichen Gestaltung) verzichtet wird, ist m.E. unzweifelhaft, daß bei entsprechendem Erklärungswert aus Empfängersicht - und ohne ihn wird auch eine Rechtsscheins-Duldungsvollmacht schwerlich zu bejahen sein - selbst bloßes Gewährenlassen aus Nachlässigkeit und Unbedachtheit die Vor. rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung erfüllt. 164 Zum Kranz der für Duldungs- und Anscheinsvollmacht bedeutsamen Kriterien s. Socrgel / Leptien, § 167 Rdnrn. 21 ff. mit umfänglichen Nachweisen zur Rspr. 165 Allgemein zur c.i.c. s. stellvertretend die umfangreichen Nachweise bei SoergzM Wiedemann, vor § 275 Rdnrn. 101 ff.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebte (zu dieser Haftung aufgrund Eigeninteresses s. bb.). Diese Kriterien wendet sie auch auf Verbandsmitglieder an, die als Vertreter der Gesellschaft tätig sind 166 . aa) Nach der Rechtsprechung genügt es für eine Eigenhaftung des GmbHGeschäftsführers augrund der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nicht, „daß er über eine für seine Tätigkeit erforderliche Sachkunde verfügt und auf diese hinweist". Eine Haftung tritt vielmehr erst dann ein, sofern er „dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist" 167 . Während die Literatur hier der Rechtsprechung weitgehend zustimmt, ist die zweite Fallgruppe, in der für eine Eigenhaftung ausschließlich an ein Eigeninteresse der Gesellschafter angeknüpft wird, vielfach auf Kritik gestoßen 168 . bb) Nach der nunmehr einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann lediglich ein Eigeninteresse des Gesellschafters am Vertragsschluß anspruchsbegründend wirken, das über sein allgemeines Interesse an den Geschäften des Verbandes hinausgeht169. Ein solches hervorgehobenes Eigeninteresse soll beispielsweise dann vorliegen, wenn der Gesellschafter aufgrund einer von ihm übernommenen Bürgschaft für andere Verbindlichkeiten 166
Zur Rspr. - auch des RG - allg. zur Vertreterhaftung aus c.i.c. s. die Nachweise bei BGH NJW 1986, 586, 587; speziell zur Haftung der Gesellschafter-Geschäftsführer unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt s. zudem BGH GmbHR 1990, 296, 297; BGH NJW 1990, 389, 390, und BGH NJW 1988, 2234, 2235 f. Zur Lit. s. die Nachweise bei Soergel/Wiedemann, a.a.O., Rdnrn. 218 ff., sowie Schmitz, Dritthaftung aus culpa in contrahendo. 167 S. BGH NJW 1990, 389, 390, wonach auch bei Handeln des Alleingesellschafters als Geschäftsführer nicht anders zu entscheiden ist. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG sowie der Überlegung, daß wer mit einer GmbH kontrahiert, davon ausgehen muß, daß Verpflichtungen aus c.i.c. grundsätzlich nur die vertretene Gesellschaft treffen. 168 S. nur die Nachweise bei Grunewald, ZGR 1986, S. 580, 585 Fn. 11, 12 und 15, die das Eigeninteresses als Haftungsgrund für die von ihr behandelten Fälle einer Aufklärungspflichtverletzung ebenfalls ablehnt (s. S. 586 ff., 599 ff.); vgl. ferner Ulmer, NJW 1983, 1577, 1579, sowie Brandner, FS Werner, S. 53, 59 und 64 f., der auf S. 65 auch zu einer auf Vertrauen gestützten Geschäftsfuhrerhaftung kritisch Stellung bezieht. 169 Wie zuvor bereits der II. Senat - vgl. etwa NJW 1981, 2810 - nunmehr auch der VIII. Senat, vgl. NJW 1986, 586, 587 (anders noch BGH NJW 1983, 676, 677 und BGHZ 87, 27, 33 = NJW 1983, 1607). Ebenso BGH NJW 1990, 389, 390 (XI. Senat) und ZIP 1988, 1576, 1577 (X. Senat).
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der GmbH haftet, wenn er bereits bei Vertragsschluß beabsichtigte, die vom Vertragspartner zu erbringende Leistung nicht der Gesellschaft, sondern unmittelbar sich selbst zugutekommen zu lassen, oder wenn seine Vertretertätigkeit auf die Beseitigung von Schäden zielte, für die er andernfalls selbst vom Vertretenen in Anspruch genommen werden konnte 170 . Soweit der maßgebliche Rechtsgrund für eine Haftung aus c.i.c. ausschließlich in gewährtem und in Anspruch genommenem Vertrauen gesehen wird 1 7 1 , kann ein Eigeninteresse die Inanspruchnahme des Gesellschafters wie auch der BGH einräumt 172 - gerade nicht stützen. Denn hat der Verhandlungspartner das Eigeninteresse nicht erkannt, gründet er hierauf kein besonderes Vertrauen. Und hat er es erkannt, wird er dem Stellvertreter als jemandem, der hier einen eigenen Vorteil erhofft, sinnvollerweise gerade weniger Vertrauen entgegenbringen 173. Sowohl für die Lehre vom gesteigerten sozialen Kontakt, wie für die These von den vorvertraglichen Pflichten als Korrelat privatautonomer Gestaltung ist entscheidend, daß wer in die von einem anderen beherrschte Rechtssphäre eintritt, einer gesteigerten Einwirkungsmöglichkeit auf seine Rechtsgüter ausgesetzt ist 174 . Das Eigeninteresse bleibt auch für diesen Gedanken unerheblich; die Möglichkeit, auf die Rechtsgüter des Geschäftspartners einzuwirken, haben der Vertreter mit und der ohne Eigeninteresse gleichermaßen. Der BGH wählt denn auch eine andere Begründung: „Demjenigen, der bei von ihm maßgeblich beeinflußten Verhandlungen seinen eigenen Nutzen in einer Weise verfolgt, als sei er gleichsam ,in eigener Sache tätig', muß es dennoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf seine Unzuständigkeit zu berufen, wenn er bei den Vertragsverhandlungen einen für den anderen Teil schädlichen Fehler begangen hat." 175
170
S. BGH NJW 1986, 586, 588. S. vor allem Beierstedt AcP 151 (1950/51), 501, insbes. S. 506. Ebenso z.B. BGHZ 60, 221, 226, und BGH NJW 1981, 1035. Doch begnügt sich die Rspr. teils mit typisiertem Vertrauen (so namentlich in Fällen der Prospekthaftung: dazu etwa BGHZ 71, 284, 287, und BGHZ 76, 231, 234; vgl. auch BGH NJW 1980, 2184, 2185 zu den sog. Agenturverträgen der Gebrauchtwagenhändler). Zu zustimmenden wie kritischen Stellungnahmen in der Lit. s. Picker AcP 183 (1983), 369, 418 ff. 172 Dazu BGH NJW 1986, 586, 587 Ii. Sp. 173 So Medicus, FS Steindorff, S. 725, 732. Ebenso bereits Brandner, FS Werner, S. 53, 61. 174 Zu diesen Ansätzen s. die Darstellung und Nachweise bei Soergel ! Wiedemann, vor § 275 Rdnrn. 116 f., sowie Picker, AcP 183 (1983), 369, 389 f., 408 ff. und 411 f. 175 So BGH NJW 1986, 586, 587, Ii. Sp. unter Hinweis auf Brandner, FS Werner, S. 53, 61; bestätigt von BGH NJW 1988, 2234, 2235. 171
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Wird hier das Handeln im Eigeninteresse als Grund genannt, weshalb den Gesellschafter-Geschäftsführer vorvertragliche Sorgfaltspflichten treffen, wird die Argumentation in einer späteren Entscheidung ergänzt und so ein etwas anderer Zugang zum Problem gewählt 176 . Hier hebt der BGH wesentlich auf die Schutzwürdigkeit des Vertragspartners ab. Sie ergebe sich nicht aus dem Eigeninteresse des Gesellschafters, sondern aus dem Informationsbedürfnis des Geschäftsgegners. Das Eigeninteresse hingegen führe zu einer Zurechnung der Verletzung der Aufklärungspflicht auf den Vertreter, und zwar unabhängig von einer diesbezüglichen Kenntnis des Vertragspartners. Damit tritt für die S teil Vertreterhaftung neben das Kriterium des Eigeninteresses, das letztlich auf eine gegenüber dem Normalfall gesteigerte Interessenverknüpfung zwischen dem Geschäftspartner und dem Stellvertreter verweist, ein zweites Kriterium: die Angewiesenheit des Verhandlungspartners auf ein lauteres Verhalten des Stellvertreters bzw. dessen Schutzbedürftigkeit oder Gefährdung. Dabei bleibt offen, ob erst das kumulative Vorliegen dieser Voraussetzungen ein Eingreifen des § 242 rechtfertigt, etwa weil nur ein Stellvertreter, der auch eigentlicher Geschäftsherr ist, einem künftigen Vertragspartner gleichgestellt werden kann 177 , oder ob im Ansatz jedem Verhandlungsführer - egal ob späterer Vertragspartner oder Repräsentant - die für einen funktionierenden, störungsfreien und redlichen Rechtsverkehr erforderlichen Rücksichtnahmepflichten obliegen 178 ; das Kriterium des Eigeninteresses diente dann dazu, eine zu weit reichende Einstandspflicht zu beschränken 179. 176
S. BGH NJW 1988, 2234, 2235, Ii. Sp. Eine solche Betrachtung liegt nahe, wenn die „Zweipoligkeit" der Schuldverhältnisse in den Vordergrund gestellt und von der „vertragsrechtlichen" Haftung der potentiellen Vertragspartner ausgegangen wird. Diese Pflichten zwischen den Vertragspartnern sind schon dadurch zu rechtfertigen, daß die aus dem Vertrags Verhältnis für die Zeit nach Vertragsschluß abzuleitenden Pflichten unweigerlich jeden Vertretenen treffen, und bei Beschränkung der Einstandspflicht des Vertretenen auf die Fälle von Plichtverletzungen nach Vertragsschluß willkürliche Ergebnisse drohten, weil es von Zufälligkeiten abhängen kann, ob die Verletzungshandlung vor oder nach Vertragsschluß erfolgt; dazu Soergel / Wiedemann, vor § 275 Rdnrn. 122 f. 177
178
Zu diesem funktionalen Ansatz s. ausführlich Schmitz, Dritthaftung, S. 52 ff. m.w.N. in Fn. 137. Doch auch Schmitz beschränkt die Aufklärungs-, Beratungs- und Mitwirkungspflichten auf die als „Eigenperson" handelnden Vertreter (verstanden im Gegensatz zum bloß ausführenden „Sprachrohr" oder „verlängerten Arm" des Geschäftsherrn); s. ders., a.a.O., S. 112 ff., 115 ff., 132; dagegen sollen die Erhaltungspflichten jeden Stellvertreter persönlich treffen, s. S. 69 ff. — Vgl. auch K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1503, der erwägt Jeden Geschäftsführer bei Vertragsschluß zu Zeiten drohender Insolvenz der Gesellschaft einer Repräsentantenhaftung zu unterwerfen, sofern eine Informationspflicht im Gläubigerinteresse im Einzelfall bejaht werden muß. 179
Vgl. Picker, AcP 183 (1983), 369 ff. Ihm dient die Sonderverbindung im Rah-
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Eine konsequente Durchführung der Repräsentantenhaftung stieße jedenfalls in ihren praktischen Ergebnissen auf durchgreifende Bedenken. Das - je nach geplanter Transaktion - z.T. beträchtliche wirtschaftliche Risiko stünde für einen Vertreter, der nicht oder nur geringfügig vom Vertragsschluß profitiert, grundsätzlich außer Verhältnis 180 . Um das Repräsentationsprinzip funktionsfähig zu halten, sind die besonderen Verhaltensanforderungen auf Vertreter zu beschränken, die in einer besonderen Stellung zum Geschäftspartner stehen. Die Rechtsprechung fordert beim Stellvertreter eine so enge Beziehung zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen, daß der Vertreter als eine Art „procurator in rem suam" wirtschaftlich quasi in eigener Sache beteiligt ist 181 . Für Gesellschafter-Stellvertreter wird von der Rechtsprechung hierbei das Interesse des Gesellschafters am Wohlergehen seiner Gesellschaft nicht berücksichtigt, um einen WertungsWiderspruch zu § 13 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG zu vermeiden, der mit einer Haftung des Alleingesellschafters, der zugleich Geschäftsführer ist, einherginge 182. Diese Zurückhaltung kann auch ohne Verweis auf ein Trennungsprinzip begründet werden: Ein schlichtes Organhandeln der Gesellschafter-Geschäftsführer für die ja nur durch sie handlungsfähige GmbH sollte nicht mit deren Außenhaftung und damit einhergehender Stellung eines zweiten Schuldners sanktioniert werden 183 .
men der Haftung für Integritätsverletzungen als Instrument, um eine im Ausgangspunkt als unbeschränkt gedachte Einstandspflicht (die auch jede reine Vermögensschädigung umfaßt) sinnvoll zu begrenzen. Während in der Jedermanns-Beziehung der Schutz nur absoluter Rechtsgüter die erforderliche Einschränkung bewirkt, muß nach seiner Auffassung die Überschaubarkeit der Haftung im übrigen durch die Beschränkung des Kreises der potentiellen Schuldner auf die Beteiligten der Sonderverbindung erreicht werden. 180 Nach der Rspr. genügt auch ein Provisionsinteresse des Handelsvertreters, des Angestellten (s. die Nachweise in BGH NJW 1986, 586, 587 re. Sp.) oder des Gesellschafter-Geschäftsführers (vgl. BGH NJW 1990, 389, 390) als nur mittelbarer Vorteil nicht den zu stellenden Anforderungen. 181 BGH NJW 1986, 586, 587. Ähnlich Soergel/Wiedemann, vor § 275 Rdnr. 227, der darauf abstellt, ob der Dritte „Quasi-Vertragspartner" ist. Beide Positionen sind allerdings nicht deckungsgleich. Nachdem Wiedemann bei persönlicher Zurechnung von Organverhalten auf die Organperson Zurückhaltung übt, kommt für ihn eine Haftung insbes. für den Gesellschafter in Betracht, der nicht Geschäftsführer ist und gleichwohl maßgeblichen Einfluß auf die Verhandlungen nimmt. Man könnte insoweit von einer Art Veranlassungshaftung sprechen. S. ders., a.a.O., Rdnr. 227. 182 So BGH NJW 1986, 586, 587, weil eine solche Stellung für sich genommen allein noch nicht als Haftungsgrund ausreicht bzw. der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit eine Durchbrechung des Trennungsprinzips nicht rechtfertigt. Zustimmend Medicus, FS Steindorff, S. 725, 728 f. 183
Ähnlich Soergel / Wiedemann, vor § 275 Rdnr. 227.
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Was die Sachgerechtigkeit der zu erzielenden Ergebnisse anlangt, ist das Kriterium des Eigeninteresses, insbesondere im Hinblick auf die in praxi besonders bedeutsamen Aufklärungs- und Offenbarungspflichten 184 nicht ungeeignet. Es läßt sich kaum bestreiten, daß ein am Geschäftsabschluss persönlich Interessierter eher dazu neigt, solche Hinweise an den Geschäftspartner zu unterdrücken, die den Geschäftsabschluss in Frage stellen könnten. Nur denjenigen Stellvertretern eine eigene Verhaltenspflicht aufzuerlegen, bei denen dieser „Gefährdungszusammenhang" aufgrund eines gesteigerten Abschlußinteresses besteht, ist durchaus sinnvoll. Die Verhaltenssteuerung durch Androhung einer Schadensersatzpflicht wird damit auf die Fälle naheliegendster Gefährdung beschränkt 185.
b) Der Umfang einer Erstreckung Für Hinweis- Warn- oder Schutzpflichten besteht eine Parallelität der Pflichten von Gesellschaft und Gesellschafter, die als Erstreckung bezeichnet werden kann, wenn dem Gesellschafter diese Pflichten auch als eigene obliegen und soweit die Einhaltung dieser Pflichten erzwingbar ist 186 . Fraglich bleibt, wann die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht die Erstreckung einer vertraglichen Leistungspflicht der Gesellschaft bewirkt. Ein in Geld zu leistender Schadensersatz kann eine vertragliche Geldleistungspflicht der Gesellschaft „ersetzen". Allgemein kann der Gesellschafter zu einer inhaltsgleichen Leistung dort verpflichtet sein, wo das pflichtwidrige Handeln des Gesellschafters dazu führt, daß die von der Gesellschaft geschuldete Erfüllung ausbleibt 187 . 184 Vielfach gerichtshängig wurde der Vorwurf, der Gesellschafter-Geschäftsführer habe bei Vertragsschluß nicht hinreichend über die desolaten finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft aufgeklärt. Vgl. die Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 5 c, S. 905 Fn. 56. 185 An ausreichender Unterscheidungskraft des Merkmals eigener wirtschaftlicher Interessenverfolgung als Vor. einer Inanspruchnahme der Gesellschafter zweifelt Baumbach /Hutck/Zöllner, § 43 Rdnr. 4a. Etwa in den bei Fn. 170 genannten Fällen scheint mir eine Abgrenzung von Gesellschafts- und besonderem Eigeninteresse durchaus möglich zu sein: Der Gesellschafter, dem eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ernstlich droht, die zu bleibenden Einbußen in seinem Vermögen führen würde, hat ein gesteigertes Interesse am Fortkommen der Gesellschaft. In den beiden anderen Fällen liegt die Besonderheit darin, daß bei ihnen das Gesellschafterinteresse auf das Rechtsgeschäft in seiner konkreten Gestalt in einer Weise bezogen ist, die es nicht erlaubt, den Geschäftsabschluß durch Vornahme anderer Rechtsgeschäfte auszutauschen, die gleichermaßen im Gesellschaftsinteresse liegen. 186
Zur Klagbarkeit vorvertraglicher Plichten s. die Nachweise bei Medicus, FS Steindorff, S. 725, 732 Fn. 32. Vgl. auch die Nachweise in Teil 3, Fn. 143. 187 Dazu auch unten 3.c.
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Oben wurde zwischen einer freiwillig übernommenen Pflicht zur Aufstokkung fremden Vermögens und der gesetzlichen Schadenshaftung 188 unterschieden. Dem liegt eine Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlichem, d.h. privatautonomem Handeln einerseits und rechts erheblichem Verhalten andererseits 189 zugrunde. Soll diese Differenzierung konsequent durchgeführt werden und die Begründung eines Erfüllungsanspruchs dem rechtsgeschäftlichen Bereich vorbehalten bleiben, ist ein auf Erfüllung gerichteter Schadensersatzanspruch dort nicht zu gewähren, wo die Pflichtverletzung lediglich dazu führte, daß es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluß kam 190 . Hier fehlt es eben an einer Vereinbarung, die auf die Aufstockung des fremden Vermögens gerichtet ist. Es ist allerdings nicht geboten, dem Gläubiger in diesen Fällen auch das Erfüllungsinteresse zu versagen. Denn der nach einer solchen Pflichtverletzung geschuldete Schadensersatz und die nach Abschluß eines Vertrages geschuldete Erfüllung sind schon dann nicht deckungsgleich, wenn ein Erfüllungsanspruch in den Fällen eines schuldhaft vereitelten Vertragsschlusses verneint wird 1 9 1 . Daher bestehen gegen einen Schadensersatzanspruch in Geld, der den Gläubiger im Ergebnis so stellt, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre, keine durchgreifenden Bedenken192, wenn der Ersatzanspruch
188
S.o. Teil 2, Kap. 2, l.a bei Fn. 75 ff. Ausführlich zu dieser Zweiteilung Flume , Das Rechtsgeschäft, § 10, 1, S. 113 ff., und § 10, 5, S. 133. 190 Die angesprochene Streitfrage wäre etwa relevant, wenn es ohne die vorvertragliche Pflichtverletzung des Gesellschafters im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Gesellschaft nachweislich zu einem Vertragsschluß mit dem Gesellschafter über nämlichen Gegenstand gekommen wäre. Zu denken ist z.B. an folgenden hypothetischen Fall: Der Gesellschafter veräußert als Geschäftsführer der Gesellschaft ein in seinem Privateigentum befindliches Grundstück, wobei der Geschäftspartner bei gehöriger Aufklärung über die Eigentumssituation (eine eigene Pflicht des Gesellschafters hierzu soll unterstellt werden) mit dem Gesellschafter persönlich hätte kontrahieren wollen und dieser dann auch dazu bereit gewesen wäre. 191 Die auf Beseitigung von Vertragswirkungen zielende Vertragsauflösung im Wege der Naturalrestitution sowie der weitere, von der Rspr. in der Fallgruppe eines zustandegekommenen, aber nicht erwartungsgerechten Vertrages gewährte Rechtsbehelf einer Vertragsanpassung (krit. zu dessen schadensersatzrechtlicher Begründbarkeit Lange, Schadensersatz, § 5 III 2, S. 221 m.w.N.) können hier außer Betracht bleiben. 189
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Für diese Synthese auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 IV 2 c, S. 203 f., der m.E. zu Recht dem Gedanken der Gewährung des Erfüllungsanspruchs und -interesses ausschließlich aufgrund wirksamer vertraglicher Vereinbarung den in § 249 BGB enthaltenen Gedanken umfassender Schadenskompensation entgegenstellt. Im Falle eines formnichtigen Vertrages für Begrenzung des Schadensersatzanspruches auf das negative Interesse aber Flume , Das Rechtsgeschäft, § 15 III 4 c dd, S. 282 ff.
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nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen begründet ist und vom Schutzzweck der c.i.c. umfaßt wird 1 9 3 .
c) Zwischenergebnis Schon aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen verbleibt der Dritthaftung aus c.i.c. für die Erstreckung vertraglicher Pflichten von der Gesellschaft auf den Gesellschafter nur ein kleines Anwendungsfeld. Dieser Haftung unterliegen nur Gesellschafter, die als Stellvertreter des Verbandes auftreten. Lediglich vorvertragliche Pflichtverletzungen wirken anspruchsbegründend. Ferner ist die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder ein über das Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft hinausgehendes Eigeninteresse des Gesellschafters erforderlich. Die c.i.c. schafft auch nur ausnahmsweise inhaltsgleiche Pflichten von Gesellschaft und Gesellschafter. Dies ist zu bejahen hinsichtlich der vorvertraglichen Pflichten selbst, die sowohl dem Vertretenen als auch dem Stellvertreter persönlich obliegen. Die Erstreckung einer nicht in Geld bestehenden Leistungspflicht der Gesellschaft kommt nach der hier vertretenen Auffassung aber nur in Betracht, wenn die Pflichtverletzung des Gesellschafters dazu führte, daß die Gesellschaft ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommen konnte.
3. Bindung nach Deliktsrecht Sofern er alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer unerlaubten Handlung in seiner Person erfüllt, unterliegt der Gesellschafter anerkanntermaßen auch dann einer persönlichen Haftung, wenn sich die Schädigung des Dritten im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer voll194 zog . Entsprechend kann die eigenhändige Verletzung eines absoluten Rechtsgutes des Gesellschaftsgläubigers den Gesellschafter-Geschäftsführer nach § 823 Abs. 1 BGB zur Restitution verpflichten 195 . Löst dies über § 31 BGB 193
Zu diesem Gesichtspunkt s. insbes. Medicus, FS Lange, S. 539, 545, 553, 559. Vgl. etwa Scholz / Schneider, § 43 Rdnr. 228, und Baumbach IHueck, § 13 Rdnr. 9. 195 Zur Abgrenzung, wann Pflichten zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung lediglich Organpflichten darstellen und wann eine Garantenstellung des Geschäftsführers persönlich zum Schutz fremder Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB besteht, so daß bereits sein Unterlassen seine Eigenhaftung auslösen kann, s. BGH DB 1990, 268, 269. 194
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zugleich eine „parallele" Verpflichtung des Verbandes aus, die auf dessen vertraglicher Verbindung zum Gläubiger fußt, läßt sich dieser Fall bei einem weiten Verständnis unserer Fragestellung als Erstreckung charakterisieren. Allerdings entsteht hier die „erstreckte" Gesellschaftsverbindlichkeit erst durch das deliktische Handeln oder Unterlassen des Gesellschafters. Von besonderem Interesse für uns sind dagegen die Konstellationen, in denen eine bereits bestehende vertragliche Verpflichtung der Gesellschaft auf den Gesellschafter ausstrahlt. Eine vertragliche Verbindlichkeit des Verbandes kann in verschiedener Weise für einen gegen den Gesellschafter gerichteten deliktischen Anspruch bedeutsam sein. Möglicherweise war das Verhalten des Gesellschafters erst aufgrund der das Forderungsrecht des Gläubigers beeinträchtigenden Wirkung als unerlaubte Handlung zu qualifizieren. Ferner kann die vertragliche Pflicht der Gesellschaft den Inhalt des deliktischen Anspruchs bestimmen. Letzteres trifft vielfach auf die Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB zu. Der Inhalt der Gesellschaftsschuld ist relevant für den Ersatzanspruch gegen einen Gesellschafter, wenn dessen Schutzpflichtverletzung einen teilweisen oder vollständigen Ausfall des Gesellschaftsgläubigers mit seiner vertraglichen Forderung zur Folge hat. Zu nennen sind vor allem Verstöße gegen § 263 StGB, § 64 GmbHG und ähnliche Bestimmungen196, die den Gläubiger in der Gesellschaftskrise vor vermeidbaren Vermögenseinbußen schützen sollen. Diese Fälle stehen mit der Kapitalausstattung der GmbH in Zusammenhang; sie sind dem Bereich des Haftungsdurchgriffs zuzuordnen und können hier ausgeklammert bleiben. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf § 826 BGB. Sachverhalte, die mit einer zu geringen Vermögensausstattung bzw. Liquidität der Gesellschaft in Zusammenhang stehen, bleiben wiederum unberücksichtigt 197 . Dazu kritisch Kort, DB 1990, 921, 923. 196 Vgl. hierzu Hachenburg/Ulmer, § 64 Rdnrn. 1, 35 ff., 47 ff. und 59 ff. 197 S. etwa BGH NJW 1984, 2284, 2285 (GmbH & Co. KG); hier hatten die Gesellschafter über die Bereitschaft und Fähigkeit der Gesellschaft zur Zahlung getäuscht. Die Rspr. neigt dazu, die mit materieller Unterkapitalisierung einhergehende Gläubigergefährdung nur bei Vorliegen weiterer, besonderer Umstände über § 826 BGB zu sanktionieren. Vgl. BGH NJW 1979, 2104, 2105 (GmbH & Co. KG), mit besonderer Vertragsgestaltung im Innenverhältnis, die der Gesellschaft nur Risiken, im Effekt aber keine Gewinnchancen beließ; OLG Karlsruhe, WM 1978, 962, 965 f. (GmbH), wo eine riskante Geschäftstätigkeit bewußt von einer vermögenden auf eine vermögenslose Gesellschaft übertragen wurde und RG JW 1938, 862, 864 f. (GmbH); hier hatte sich der Gesellschafter planmäßig zum bevorrechtigten Gläubiger seiner Gesellschaft gemacht, um bei einem Zusammenbruch des Unternehmens möglichst viel für sich zu retten. S. ferner die Nachweise oben Teil 1, Fn. 50 f. 8 Diez
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung a) Die subjektive Tatseite des § 826 BGB
Sie entfaltet eine geringere Ausschlußwirkung, als auf den ersten Blick anzunehmen ist. Der Handelnde braucht sich nicht der Sittenwidrigkeit seines Vorgehens bewußt zu sein: Es genügt die Kenntnis der Tatsachen, die sein Handeln als sittenwidrig erscheinen lassen. Hinsichtlich des Schadenseintritts ist nur ein bedingter Vorsatz erforderlich, d.h. der Betreffende muß die Schädigung lediglich als möglich erkennen und „billigend in Kauf nehmen" 198 . Auch ist die Praxis vielfach bereit, aus der Art und Weise der Tatbegehung Rückschlüsse auf den Vorsatz zu ziehen 199 . In den in der Einleitung genannten Fällen eines Wettbewerbsverbots, einer Ausschließlichkeitsbindung, einer Geheimhaltungsverpflichtung oder einer anderen Unterlassungspflicht der Gesellschaft ist gerade für den in der GmbH aktiven Gesellschafter offensichtlich und regelmäßig präsent, daß eine eigene Tätigkeit, die dem Zweck dieser Forderung widerspricht, zum Schaden des Gesellschaftsgläubigers ausschlägt. Hier wird häufig ein vorsätzliches Handeln bejahen können, wer das kognitive Vorsatzelement der Erfolgsvoraussicht betont und die voluntativen Anforderungen abschwächt, indem er für unerheblich erachtet, daß der Täter ein Ausbleiben des Erfolges gewünscht oder darauf gehofft haben mag, sofern er nur die Schädigung „als naheliegend erkannte Möglichkeit vorausgesehen" hat und um des erstrebten Zieles willen hinnahm 200 .
b) Das Verdikt der Sittenwidrigkeit Daß ein Verhalten des Gesellschafters als sittenwidrig eingestuft wird, ist angesichts der Unsicherheiten, die mit der Konkretisierung einer Generalklausel notwendig verbunden sind 201 , in einem rechtspraktischen Sinne nur dort 198 Daß sich der Vorsatz nicht auf die Sittenwidrigkeit beziehen muß, entspricht st. Rspr., vgl. RGRK/Steffen, § 826 Rdnrn. 29, 33. 199 Siehe Soergel IHönn, 11. Aufl., § 826 Rdnr. 67. Nach Ansicht des BGH (s. WM 1975, 559, 560) läßt sich der Nachweis vorsätzlichen Handelns oft nur durch den Beweis erbringen, der Schädiger habe so leichtfertig gehandelt, daß er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben mußte. Zur mit der Zulassung solcher Indizien oder Vermutungen einhergehenden „Objektivierung" des Schädigungsvorsatzes vgl. MK/Mertens, 2. Aufl., § 826 Rdnrn. 2, 60, und § 823 Rdnr. 473. 200 So BGH NJW 1968, 660, 661 in strafrechtlichem Zusammenhang. Dazu ausführlich MK/Hanau, § 276 Rdnr. 61 m.w.N. 201 Nach Gernhuber, JuS 1983, S. 764 bezeichnen Generalklauseln „auf einer gleitenden Skala, die vom bestimmten Recht ohne jede Wertungsmöglichkeit zu immer unbestimmteren Rechtssätzen voranschreitet, ... das äußerste Extrem der Unbestimmtheit".
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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gesichert, wo die Rechtsanwendung die maßgeblichen Beurteilungskriterien in Gestalt anerkannter Fallgruppen zu konkreten Rechtsgrundsätzen ausgeformt hat. aa) Sucht man nach Beispielsfällen einer Haftung der Gesellschafter, die entsprechend dem oben formulierten Interesse - an vertragliche Verpflichtungen der Gesellschaft anknüpfen, aber die Gesellschafter betreffende Verhaltensanforderungen zum Gegenstand haben, so fallen drei Entscheidungen auf. Sie befassen sich mit der Frage, ob die Gesellschafter den Geschäftsbetrieb einstellen und die Gesellschaft auflösen dürfen, wenn dies zur Folge hat, daß die vertraglich vereinbarte Leistung der Gesellschaft ausbleibt. Im ältesten Entscheid 202 wurde nicht beanstandet, daß die Gesellschafter ihre Gesellschaft auflösten, bevor der Zeitraum abgelaufen war, für den sie sich zum ausschließlichen Bezug ihres Bedarfs an Vorprodukten bei der Klägerin verpflichtet hatten. Die Beklagten seien nicht gehalten, das Geschäft und die Gesellschaft gegen ihr eigenes Interesse fortzusetzen. Sie hätten der Klägerin weder einen bestimmten, noch überhaupt einen Bedarf garantiert. Der zweite Sachverhalt 203 zeichnet sich durch eine zielgerichtete Beeinträchtigung der Gläubigerforderung aus. Hier war die Kinobetriebsgesellschaft in Liquidation versetzt und eine neue GmbH mit demselben Gesellschafter, demselben Geschäftsführer und identischem Gesellschaftszweck gegründet worden, die in den Mietvertrag am Lichtspielhaus anstelle der Altgesellschaft eintrat. Auf diese Weise sollte die Durchführung eines Vertrages vereitelt werden, der dem Gläubiger das Recht einräumte, im Lichtspieltheater der Betriebs-GmbH auf eigene Rechnung Reklame zu zeigen. Vorausgegangene Versuche der Gesellschaft, eine höhere Gegenleistung vom Vertragspartner zu erhalten oder den Vertrag zu kündigen, waren gescheitert. Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelten die Beteiligten mit dem Willen, dem klagenden Gesellschaftsgläubiger durch Entzug des Vertragsrechts Schaden zuzufügen. Beklagt waren hier allerdings nicht die Gesellschafter, sondern die Erst- und Zweitgesellschaft. Das RG hatte nur noch über die Leistungspflicht der neu gegründeten GmbH zu befinden, die es auf Grundlage der §§ 826, 249 BGB bejahte, und zwar mit folgender Begründung: „Alles, was die Erstbeklagte zur Schädigung des Klägers - Hinausdrängung aus dem bestehenden Reklamevertrag unter gleichzeitiger Weiterführung des Lichtspieltheaters durch die gleichen Personen - geplant und unternommen hatte, gelangte erst dadurch zur Vollendung, daß die Zweitbeklagte in den Vertrag mit der Eigentümerin eintrat und die Weiterführung des Theaterbetriebs unternahm". Damit habe die Zweitbeklagte in Kenntnis der Sachlage und unter 202 203
*
RG Leipz. Zeitschr. f. H. Konk. u. VersR. 1908, 60, Nr. 12 (OHG). RGZ 114, 68 ff. (GmbH).
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
Billigung der bereits vorgenommenen Handlungen „in der Zeit nach ihrer Errichtung an den auf Schädigung des Klägers abzielenden, gegen die guten Sitten verstoßenden Maßnahmen mitgewirkt" 204 . In der dritten Entscheidung205 vereitelte die Betriebseinstellung eine Befriedigung bereits entstandener Geldschulden aus Überschüssen, die möglicherweise in der Zukunft bei einer Fortführung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft erzielbar gewesen wären. Die in der Folgezeit anstelle der GmbH geführte Einzelfirma erwirtschaftete tatsächlich Gewinne. Das RG hält als Grundsatz fest, daß keinem Unternehmer zuzumuten sei, einen Betrieb fortzuführen, der sich nicht als einträglich erwiesen habe, nur um den alten Gläubigern die Möglichkeit zu erhalten, sich aus künftigen Einnahmen zu befriedigen. Es sieht aber im Betrieb eines Unternehmens unter immer wechselnden Rechtsformen - bei gleichbleibender Inhaberschaft im wirtschaftlichen Sinne - einen Mißbrauch der Freiheit rechtlicher Gestaltung, wenn dies geschieht, um die zwangsweise Deckung der bisher erwachsenen Schulden aus den späteren Einnahmen zu verhindern 206. Im ersten Beispielsfall wurde die weitere Vertragsdurchführung unterbunden, im zweiten Fall die vertraglich vorgesehene Abwicklung vereitelt 207 und im dritten Sachverhalt jedwede Befriedigung des Gläubigers verhindert. Diese verschiedenen Formen der Beeinträchtigung eines Vertragsverhältnisses, das sich aus Sicht der Gesellschafter in Ansehung der Schuldnerschaft nur des Verbandes als fremd darstellt, lassen sich ohne Widerspruch zu bereits anerkannten Fallgruppen der „Verdinglichung" obligatorischer Rechte dem § 826 BGB unterstellen: Unter der Prämisse, daß Dritte in konsequenter Anwendung des Relativitätsgrundsatzes keine Rücksichtnahme auf fremde Vertragsverhältnisse schulden 208 , wird überwiegend lediglich ein vorsätzlicher Eingriff in fremde Ver204
RG a.a.O., S. 71 f. RG HRR 1933, Nr. 299 - 28. Mai 1932 (GmbH). 206 In der Entscheidung heißt es anschaulich: „Es verstößt gegen die guten Sitten, auf solche Weise mit beschränktem eigenem Wagnis Versuch über Versuch zu machen, um bei jedem Fehlschlag alsbald das rechtliche Gewand zu wechseln und sich dadurch der vollen Deckung der hierbei entstandenen Verbindlichkeiten zu entziehen, und dann schließlich einen endlich doch mit Hilfe der so auf anderer Leute Kosten gemachten Erfahrungen erzielten Gewinn für sich allein zu behalten." 205
207
Freilich kommen Schadensersatzansprüche gegen die Altgesellschaft in Betracht (etwa aus § 325 BGB, wenn sie an der Auflösung des Mietverhältnisses am Lichtspielhaus mitgewirkt hat, die es ihr nunmehr unmöglich macht, ihrer vertraglichen Überlassungspflicht nachzukommen), die nach geltender Rechtslage vor einer Löschung der Gesellschaft zu erfüllen wären (vgl. § 70 GmbHG). 208 S. nur MK ! Kramer, Einl. vor § 241 Rdnr. 21 m.w.N. Dazu ausführlich unten Teil 3, Kap. 1.
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tragsrechte, der sich zudem durch weitere, besonders verwerfliche Momente auszeichnet, als sittenwidrig angesehen. Solche besonderen Umstände können insbesondere im Zweck, im Mittel des Handelnden wie in der Mittel-ZweckRelation liegen. So kann etwa die Beurteilung des Handelns des „Zweitkäufers" beim Doppelverkauf maßgeblich von dessen Beweggründen abhängen (Zweck oder Motiv) 2 0 9 . Die Verleitung zum Vertragsbruch kann auch aufgrund des kollusiven Zusammenwirkens von Schuldner und Drittem (Mittel) sittenwidrig werden 210 . Die in den Beispielen von den Gesellschaftern veranlaßte Betriebseinstellung und Gesellschaftsauflösung, der im zweiten Fall eine Änderung von Außenbeziehungen der Gesellschaft vorausgegangen war 211 , sind allein unter dem Aspekt der Zulässigkeit des Mittels nicht zu beanstanden. Es ist den Gesellschaftern jedoch untersagt, diese Maßnahmen gerade zum Zweck der „Beseitigung" einer ihrem Interesse widerstrebenden fremden Verbindlichkeit durchzuführen; und das unabhängig davon, ob die Gesellschafter stets gehalten sind, die Erfüllung und den Fortbestand einer Gesellschaftsverbindlichkeit sicherzustellen. Denn das Recht zur Auflösung der Gesellschaft bzw. zur Gestaltung deren Geschäftstätigkeit ist nicht Instrument in der Hand der Gesellschafter, um einzelne unliebsame Forderungen zu beseitigen und anschließend die Geschäftstätigkeit in einer im übrigen identischen Form fortzusetzen. Hier werden Drittrechte auf inadäquate Weise beschnitten, die Befugnisse der Gesellschafterversammlung zweckentfremdet, was der bestehenden Rechts- und Sozialmoral widerspricht 212 . Folgt man diesem Standpunkt, hängt eine Schadensersatzpflicht auf Seiten der Gesellschafter wegen „Vertragsumgehung" gelegentlich einer Auflösung
209
Dazu etwa RG JW 1925, 1752, und RG SeuffA 79 Nr. 139. Vgl. auch BGH NJW 1981, 2184, 2185. 210
Zur Verleitung zum und Ausnutzung vom Vertragsbruch s. RGRKI Steffen, § 826 Rdnrn. 108 ff., und SoergelIHönn, 11. Aufl., § 826 Rdnrn. 129 ff., jeweils m.w.N. 211 Es war ein Mietverhältnis der Gesellschaft beendet worden. 212 Ebenso das RG (s.o. bei Fn. 206), wenn es auf den Mißbrauch der Freiheit zur rechtlichen Gestaltung abhebt. Allerdings war hier der letztlich zu beanstandende autonome Akt nicht in der Auflösung der Gesellschaft zu sehen, die den gesetzlichen Regeln folgte, sondern ausschließlich in der Fortführung des Geschäftsbetriebes in anderer Form. — Zu weiteren Fällen einer „Manipulation mit Rechtsinstituten", die gegen § 826 BGB verstoßen, s. RGRK/Steffen, § 826 Rdnr. 60. — Die Entscheidungsbegründung oben bei Fn. 204 läßt sich hier insofern nicht direkt heranziehen, als für die begehrte Inanspruchnahme der Gesellschaften dort zentral das Verhalten der Erstgesellschaft - also die Vereitelung der Vertragsdurchführung durch den Vertragspartner war. Doch wäre nach den hier befürworteten Maßstäben auch der Gesellschafter schadensersatzpflichtig gewesen.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
und Neugründung der Gesellschaft davon ab, ob ein Leerlaufen der Forderung des Gesellschaftsgläubigers gezielt bezweckt worden war, oder lediglich eine ungewollte Nebenfolge der aus anderen Gründen vollzogenen Änderungen darstellte. bb) Es läßt sich kein übereinstimmendes Urteil der Rechtsgemeinschaft ausmachen, nach dem es allgemein als sittenwidrig anzusehen ist, wenn der Gesellschafter die Erfüllung durch die Gesellschaft behindert, oder in anderer Weise den in der Gesellschaftsschuld zum Ausdruck gekommenen Gläubigerinteressen zuwiderhandelt. Weder der Rechtsprechung noch der Literatur sind Anhaltspunkte hierfür zu entnehmen. Fehlt solch ein Unwerturteil, ist § 826 BGB auch keine geeignete Grundlage, um die Handlungsfreiheit des Gesellschafters im Gläubigerinteresse zu beschränken. Solange die Schwelle der Sittenwidrigkeit nicht erreicht wird, ist der Freiheit des Betroffenen der Vorrang einzuräumen. Dies entspricht einem Verständis des § 826 BGB, nach dem er das ethische Minimum bürgerlicher Rechtsordnung gewährleisten soll. Für einen reinen Interessenkompromiß fehlen dem Richter hier die Maßstäbe213. Damit bleibt der Schutz des Gläubigers aus § 826 BGB gegen Handlungen der Gesellschafter, die sein vertraglich manifestiertes Interesse beeinträchtigen, auf spezifische Sonderkonstellationen beschränkt. So sind bestimmte Angriffsformen zu mißbilligen, die die Gesellschaft daran hindern, ihrer vertraglichen Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen. Außer der Beseitigung des Schuldners" kommt hier etwa die Zerstörung des Leistungsgegenstandes aus bloßer Schadenfreude und Rachsucht in Betracht 214 . Allgemein kann ein Handeln in besonders verachtenswerter Gesinnung Ersatzansprüche auslösen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß ein vorhergegangenes Verhalten des Gesellschafters und hiermit erzeugtes Vertrauen bei Zugrundelegung des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht denkenden Menschen" dem Gesellschafter im Einzelfall besondere Handlungsschranken auferlegt. Doch fehlt es an Fallmaterial, das im Hinblick auf unsere Thematik Präzisierungen erlauben würde 215 . Im Unterschied zu den Fällen, in denen der Gesellschafter das Gläubigerrecht aktiv beeinträchtigt, kann schlichtes Nichtstun Anknüpfungspunkt einer
213 214
Dazu Steindorff\
in: Summum ius summa iniuria, S. 58, 74 ff., 78 f.
Ähnlich Krasser, Der Schutz vertraglicher Rechte, S. 320, der dem Forderungsinhaber einen Anspruch gewährt, wenn gerade die Schädigung des Gläubigers beabsichtigt war (Hervorheb. im Orig.). 2,5 Im weitesten Sinne in diesen Denkzusammenhang kann allenfalls die Entscheidung RG DR 1939, 1083 f. eingeordnet werden. Zu ihr s.u. Teil 3, Kap. 2, 2.f.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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Ersatzpflicht des Gesellschafters aus § 826 BGB nur sein, wenn ihn eine sittliche Pflicht zum Handeln trifft 216 . Denkbar ist etwa eine Pflicht des Gesellschafters zur Herstellung einer zutreffenden Informationslage beim Vertragspartner der Gesellschaft. Eine sittliche Pflicht, die nur ihm mögliche Erfüllung 217 oder eine im Erfüllungsinteresse des Gläubigers liegende Mitwirkungshandlung vorzunehmen, dürfte dagegen im wirtschaftlichen Rechtsverkehr nur unter ganz besonderen Umständen gegeben sein.
c) Rechtsfolge eines Verstoßes Im Hinblick auf das nur begrenzte Anwendungsfeld des § 826 BGB müssen hier einige wenige Bemerkungen genügen. Hat das gegen § 826 verstoßende Verhalten des Gesellschafters die Erfüllung durch die Gesellschaft verhindert, ist er grundsätzlich selbst zur Leistungserbringung verpflichtet 218 . Es kommt jedoch nur Geldersatz in Betracht, wenn ihm die Verschaffung des geschuldeten „Gegenstandes" im Sinne des § 251 BGB unmöglich ist. Speziell für Unterlassungspflichten als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 826 ist zu bedenken, daß die Folgen pflichtwidrigen Handelns - jedenfalls in der Regel - nicht durch weiteres Unterlassen restituierbar sein werden. Trifft dies zu, kann der Gesellschaftsgläubiger vom Gesellschafter ein Unterlassen, das der Unterlassungspflicht des Verbandes inhaltlich entspricht, nur unter dem Gesichtspunkt einer vorbeugenden Unterlassungsklage verlangen 219.
d) Zwischenergebnis Bei Bindung an die Kriterien des § 826 BGB bleibt für eine Erstreckung vertraglicher Gesellschaftsverbindlichkeiten nur ein schmales Anwendungsfeld, das bis zu einer weiteren Konkretisierung zudem mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Auch hier kommt es weniger auf die in der Interessen216
Vgl. nur Palandt/ Thomas, § 826 Rdnr. 7. Beispiel: Der Gesellschafter ist Eigentümer des von der Gesellschaft veräußerten Grundstücks. 218 Nachdem Naturalrestitution nur erfordert, einen im wesentlichen gleichwertigen, nicht aber einen identischen Zustand herzustellen, steht seine Leistung der der Gesellschaft insoweit gleich. Vgl. Staudinger /Weber, 11. Aufl., § 249 Rdnr. 7. 219 Vgl. zur Abwehr einer drohenden Unerlaubten Handlung Palandt /Thomas, Einf. vor § 823 Rdnrn. 16 ff. mit Nachweisen auch zur Frage, ob der Gläubiger erst nach oder u.U. auch schon vor einer ersten Zuwiderhandlung Einhaltung des Verbots verlangen kann. 217
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
analyse aufgezeigten Kriterien an: Nicht so sehr die Schutzbedürftigkeit der Gesellschaftsgläubiger und die in unterschiedlichem Grad vorhandene Schutzwürdigkeit der Gesellschafter, sondern andere Momente, die einen Sachverhalt als besonders verwerflich erscheinen lassen, entscheiden über die Anwendung des § 826 BGB. Wird diese Vorschrift nicht als Kompetenznorm zu freier richterlicher Entscheidung angesehen und der im Normtext zum Ausdruck gebrachte Bezug zu ethischen Kategorien nicht aufgegeben, muß die Normanwendung in dieser Hinsicht notwendig lückenhaft bleiben.
4. Inanspruchnahme aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben? Gegenstand dieses Abschnitts ist nicht allgemein das rechtsethische Prinzip von Treu und Glauben, das die Rechtsanwendung vielfältig beeinflußt. Gefragt wird hier nur, in welchem Umfang die Norm des § 242 BGB erlaubt, dem Gesellschafter Pflichten gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger aufzuerlegen. Damit ist die Vorschrift in ihrer pflichtbegründenden Funktion angesprochen 220.
a) Vorgaben und Grenzen aufgrund der bisherigen Ergebnisse Wird die Abneigung unseres Rechts gegen von außen auferlegte Pflichten, die auf die »Aufstockung eines fremden Vermögens" gerichtet sind, in Rechnung gestellt und das Primat der Rechtsgeschäftslehre hinsichtlich der Begründung solcher Ansprüche zwischen den Rechtsunterworfenen anerkannt 221, ist eine gesetzliche, „vertragsinhaltsgleiche" Leistungspflicht des Gesellschafters auf Grundlage des § 242 BGB nur dort möglich, wo besondere Gründe eine Ergänzung der Regeln der Rechtsgeschäftslehre erfordern 222.
220 Nach einer Einteilung Gernhubers (Bürgerliches Recht, § 18) sind als weitere Anwendungsfelder des § 242 BGB die Schrankenfunktion (unzulässige Rechtsausübung), eine regulierende Funktion (Bestimmung gesetzlich nicht gefaßter Leistungsmodalitäten) und eine Kontroll- und Korrekturfunktion (sie dient der Richtigkeitskontrolle) zu nennen. 221 Zum Verbot drittbelastender Verträge und der Zurückhaltung des Gesetzgebers, was Durchbrechungen dieses Grundsatzes angeht s.o. Teil 2, Kap. 2, 1. Zur Unterscheidung von vertraglichen Leistungs- und gesetzlichen Kompensationspflichten s. dort insbes. bei Fn. 75 ff. im Text. 222 Noch strenger ist die Rechtsprechung, soweit sie davon ausgeht, daß über § 242 BGB keine Ansprüche begründet werden dürfen, „die nach Gesetz oder Vertrag nicht gegeben sind". Vgl. dazu die Nachweise unten, Fn. 243.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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So wurde oben eine „Erfüllungspflicht" des Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes bejaht, wo die Pflichtwidrigkeit des Gesellschafters zur Folge hat, daß der gegen die Gesellschaft gerichtete Leistungsanspruch nicht erfüllt werden kann 223 . Im Rahmen des § 242 BGB ist zu erwägen, ob der Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Widerspruchsfreiheit eigenen Handelns an solchen Verhaltenserwartungen festzuhalten ist, die er durch ein eigenes Verhalten beim Geschäftspartner der Gesellschaft geweckt hat (dazu nachfolgend b.). Ferner wurde für denkbar erachtet, daß der Gesellschafter - vielleicht aufgrund von Treu und Glauben - gehalten ist, die dem Gläubiger durch den Vertrag mit der Gesellschaft zugewiesenen Rechte und Interessen nicht zu beeinträchtigen. Allerdings wird eine allgemeine Pflicht Dritter zur Rücksichtnahme auf fremde Vertragsverhältnisse überwiegend abgelehnt224. Ein solcher Ansatz würde möglicherweise der oben getroffenen Feststellung gerecht, wonach ein vordringlicher Erstreckungsbedarf im Bereich der Unterlassungspflichten auszumachen ist, während für Fälle, in denen die Gesellschaft zu einem Tun verpflichtet ist, ein virulentes Bedürfnis für eine Erstreckung nicht besteht, weil der Gläubiger bei Ausbleiben der Leistung der Gesellschaft die gewöhnlichen gesetzlichen Ersatzansprüche gegen den Verband hat 225 . Dieser Ansatz bedarf einer Erörterung im Detail, die in Teil 3 der Arbeit erfolgen soll. Weitere Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dem Gesellschafter über § 242 BGB „fremde" Vertragspflichten aufzuerlegen, sind bislang nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Gesellschafter ohne weiteres, d.h. nur aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Verbindung zum Schuldner, Vertragspflichten der Gesellschaft auferlegt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Anwendung des § 242 BGB eine Sonderverbindung zwischen potentiellem Schuldner und potentiellem Gläubiger voraussetzen sollte, und die Beziehung zwischen Gesellschafter und Gläubiger diesen Anforderungen genügte226. Erlaubten schon allgemeine Billigkeitserwägungen, jedwede vertragliche Verbindlichkeit der Gesellschaft im Einzelfall auf den Gesellschafter zu beziehen, um so dem Gesellschaftsgläubiger „zu der ihm nach Treu und Glauben zukommenden Leistung zu verhelfen" 227 , wäre das Verbot drittbelastender Verträge über die „Hintertüre" praktisch beliebigen Einschränkungen zugänglich. Wie bei einer „Identifizierung" von Gesell223 S.o. 2.b (Eigenhaftung der Gesellschafter-Geschäftsführer aus c.i.c.) und 3.c (§ 826 BGB). 224 Vgl. oben Fn. 82 und die dort gegebenen Nachweise. 225 Auch in den Fällen eines gesteigerten Primärleistungsinteresses bleibt eine Nichterfüllung jedenfalls nicht folgenlos. S.o. Teil 2, Kap. 1, 4.a und 6. 226 S. hierzu unten Teil 3, Kap. 2, 1. 227 So eine Formulierung der Rspr., s. die Nachweise oben Teil 1 Fn. 61.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
schaft und Gesellschafter besteht auch hier die Gefahr, grundlegende Entscheidungen unserer Rechtsordnung zu überspielen 228 und unklare Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu schaffen.
b) Verpflichtung der Gesellschafter aufgrund widersprüchlichen Verhaltens Hiermit angesprochen ist § 242 BGB in der Fallgruppe „venire contra factum proprium" 229 . Zwar besteht kein Gebot, sich stets widerspruchsfrei zu verhalten, doch soll früheres Verhalten, das mit dem später gezeigten sachlich unvereinbar ist, genauso wie die Verletzung eines beim Gegner geschaffenen Vertrauenstatbestandes für den Betreffenden nachteilig wirken können, wenn die Interessen der Gegenpartei im Hinblick auf das Gesamtbild des widersprüchlichen Verhaltens vorrangig schutzwürdig erscheinen 230. Unter aa. werden denkbare Beispielsfälle genannt, Abschnitt bb. zeigt mögliche Gründe einer Bindung jenseits rechtsgeschäftlicher Selbstverpflichtung auf, und cc. fragt nach deren Vereinbarkeit mit einem Verständnis des v.c.f.p. als Form des Rechtsmißbrauchs. aa) Wer seine wirtschaftliche Identität mit der Gesellschaft hervorkehrt, könnte gehalten sein, sein späteres Handeln an dieser Aussage messen zu lassen. Unter diesem Gesichtspunkt hat der BGH den Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH hinsichtlich des Zahlungsanspruchs eines Lieferanten für passivlegitimiert erachtet. Der Gesellschafter war zuvor als Zessionar einer demselben Vertragsverhältnis entspringenden Forderung der Gesellschaft aufgetreten. Dem von der Gegenseite erhobenen Einwand fehlender Abtretbarkeit hatte er entgegengehalten, daß er wirtschaftlich der alleinige Berechtigte sei, weshalb es einen nutzlosen Umweg darstelle, erst seine Firma gegen den Lieferanten und dann ihn gegen seine Firma vorgehen zu lassen. Nach Ansicht des Gerichts verbieten Treu und Glauben dem Gesellschafter, sich hinsichtlich der vertraglichen Rechte mit der Gesellschaft zu identifizieren und sich zugleich gegenüber Pflichten aus demselben Vertragsverhältnis auf die Selbständigkeit der juristischen Person zu berufen 231. 228
Vgl. oben Teil 2, Kap. 2, 2.b und c. Im folgenden abgekürzt v.c.f.p. 230 Wobei die beiden Gesichtspunkte eines Selbstwiderspruchs und der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes i.d.R. zusammenfallen werden. Vgl. dazu MK /Roth, § 242 Rdnr. 322. 229
231
S. BGH WM 1960, 1119, 1120. Zustimmend MK/Reuter, vor § 21 Rdnr. 47, allerdings unter dem beschränkenden Zusatz, daß die wirtschaftliche Identität mit der Gesellschaft ständig hervorgehoben worden sein müsse.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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In der Literatur wird eine Einstandspflicht ferner für denjenigen befürwortet, der beruhigende Erklärungen der Art abgibt, „er stehe ja hinter dem Verband" 232 . Als drittes Beispiel läßt sich eine bereits im rechtsgeschäftlichen Kontext angesprochene Konstellation aufgreifen 233: Was gilt, wenn der Gesellschafter die Notwendigkeit seiner Verpflichtung in Person in Abrede stellt, weil er sich als seriöser Geschäftspartner ohnehin wohlverhalten werde und der Gläubiger im Vertrauen auf diese einseitige Zusage dessen vertragliche Bindung nicht betreibt? Wird eine „Sonderverbindung" als Anwendungsvoraussetzung des § 242 BGB angesehen und eine solche bejaht, wenn in direktem Kontakt Erwartungen geschaffen wurden, oder wird das Bestehen einer Sonderverbindung für aus widersprüchlichem Verhalten abzuleitende Rechtsfolgen gar für verzichtbar erachtet 234, bleibt zu beantworten, inwieweit der Betreffende überhaupt an einem zwar erkennbar gewordenen, aber nicht rechtsgeschäftlich verfestigten Vertrauenstatbestand festgehalten werden darf. bb) Ein möglicherweise rechtsrelevantes Vorverhalten, kann - bei fließendem Übergang - sowohl in reinen Faktizitäten liegen, als auch in Bekundungen, die die Anforderungen an eine Willenserklärung erfüllen. Sonach könnte einseitigem Verhalten, das nicht den an eine rechtsgeschäftliche Erklärung zu stellenden Voraussetzungen genügen muß, vertragsgleiche Wirkung beigemessen werden. Die Gefahr, hiermit die stark verfeinerten und nicht lediglich einem Rechtssicherheitsinteresse dienenden, sondern einer sachgerechten Balance zwischen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung verpflichteten Regeln der Rechtsgeschäftslehre zu unterlaufen, ist offenkundig. Andererseits ist ein Bedürfnis auf Sicherung eines rudimentären Restbestandes an Verläßlichkeit und Einhaltung geweckter Verhaltenserwartungen auch jenseits rechtsgeschäftlicher Selbstverpflichtung nicht pauschal von der Hand zu weisen. Würde dabei eine „Vertrauenshaftung" unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens auf Fälle evidenten Bedarfs und klar beschreib- und begründbarer Aufgabenteilung zwischen rechtsgeschäftlicher und vorverhaltensbedingter Bindung beschränkt, hielte sich der Eingriff in die Standards rechtsgeschäftlicher Pflichtenbegründung in engen Grenzen. Bedarf und Rechtfertigungsmöglichkeiten einer solchen Bindung können hier jedoch 232 So Wiedemann , Gesellschaftsrecht, § 4 IV 1., S. 237 und Canaris , Vertrauenshaftung, S. 369 (mit weiteren Differenzierungen im einzelnen). 233 S.o. nach Fn. 156 im Text. 234 So Dette , Venire contra factum proprium, S. 31 vor dem Hintergrund einer Zuordnung des v.c.f.p. zum Rechtsmißbrauch, der als Institut des Allgemeinen Teils nicht in § 242 BGB lokalisiert wird, der dem Schuldrecht zugehört (s. ebd. S. 27 ff.).
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
nicht umfassend erörtert werden. Es muß genügen, anhand unserer Beispiele zu überprüfen, ob Gründe hierfür überhaupt ersichtlich sind. Alle drei unter aa. genannten Beispielsfälle zeichnen sich dadurch aus, daß eine schon mit dem Verhalten in Aussicht gestellte Rechtsfolge in Geltung gesetzt, und somit Autonomie in einem ursprünglichen Sinn - nämlich gedacht als Unterwerfung nur unter selbsthandelnd fixierte Pflichten - gewahrt würde. Der zweite Sachverhalt, in dem darauf verwiesen wird, man stehe ja hinter dem Verband, weist zudem eine starke Nähe zu rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen auf 235 . Bei einer Verpflichtung des Handelnden würde lediglich dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß er möglicherweise damit spekulierte, sein Verhalten werde unter Anlegung vertragsrechtlicher Maßstäbe keine Bindungswirkung entfalten. Die angeführte BGH-Entscheidung, die aus der Berufung des Gesellschafters auf die wirtschaftliche Identität seiner Person mit der Gesellschaft bezüglich vertraglicher Ansprüche des Verbandes auf eine Verpflichtung des Gesellschafters aus dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis der Gesellschaft schließt, hätte dem Widerspruch im Verhalten des Gesellschafters auf der Rechtsfolgenseite allerdings auch anders Rechnung tragen können: nämlich durch ein Festhalten an der Unwirksamkeit der Forderungsabtretung. So wäre der Gesellschafter weder in den Genuß der Rechte des Vertrages gekommen, noch wäre er aus ihm verpflichtet gewesen. Die Entscheidung macht nicht deutlich, weshalb es geboten war, den bei Beachtung des § 399 BGB unzutreffenden Rechtsstandpunkt des Gesellschafters hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung als gültig zugundezulegen236. Doch erschließt die Deutung Reuters 237, nach der eine Bindung eintritt, wenn die wirtschaftliche Identität mit dem Verband ständig hervorgekehrt wurde, eine Rechtfertigungsmöglichkeit, die nicht unbedingt mit den Grundsätzen der Begründung vertraglicher Rechte in Konflikt gerät. In einer ständigen Übung, die vom Gegenüber nicht beanstandet wird, kann der Akt einer Rechtsetzung gegenüber sich selbst im Sinne eines zwischen den Beteiligten bestehenden Gewohnheitsrechts zu sehen sein 238 . Im Beispielsfall fehlte es dann aber an der erforderlichen Häufigkeit.
235
So treffend Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 237 „... hart an der Grenze ...". Kritisch zur Entscheidung Wilhelm, Rechtsform, S. 301 ff. unter Angabe von in BGH WM 1960, 1119 f. in Bezug genommenen, aber nicht wiedergegebenen Begründungen der Vorinstanz. 236
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S.o. Fn. 231. Ein Beispiel hierfür (allerdings nicht mit Zuerkennung eines Erfüllungsanspruchs gegen den Gesellschafter, sondern mit Erfüllungswirkung zu Lasten der Gesellschaft als Rechtsfolge) könnte sein, wenn der Gesellschafter persönlich ständig als „Zahlstelle" der Gesellschaft fungiert, und dies der Gesellschaft auch bekannt ist, ohne daß 238
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
125
Der Geltungsanspruch der Regeln der Rechtsgeschäftslehre wird letztlich auch dann nicht in Frage gestellt, wenn ihr Anwendungsvorrang für Fälle bestritten wird, in denen die Funktionsfähigkeit der Privatautonomie ausgeschaltet war. Entsprechend will Canaris 239 - die übrigen Bedingungen eines Schutzes auf Grundlage eines widersprüchlichen Verhaltens vorausgesetzt 240 dem Vertrauen auf die freiwillige Einhaltung des Versprechens, für die Schulden der Gesellschaft aufzukommen, durch Gewährung eines entsprechenden Anspruchs etwa dann genügen, wenn der Geschäftspartner „drükkend überlegen" war. Dies sei der Fall, wenn der Gesellschafter beruhigende Erklärungen abgab und dem Gläubiger mit der Einstellung seiner Tätigkeit für die Gesellschaft das Aus für eine „lebenswichtige" Geschäftsbeziehung droht. Ferner, wenn die an den „kleinen" Lieferanten gerichtete Forderung, doch gegenüber dem „großen" Konzern auf Schuldmitübernahme hinsichtlich der Verbindlichkeiten dessen Tochter zu bestehen, eine „unzumutbare Selbstgefährdung" darstellte. Diese Grenzziehung befreit den Gläubiger nach meinem Dafürhalten zu früh von seiner Selbstverantwortung im Sinne einer aktiven Wahrnehmung der eigenen Interessen. Im Wirtschaftsleben besteht vielfach die Alternative, ein besonderes Risiko in Kauf zu nehmen oder auf ein Rechtsgeschäft zu verzichten. Ferner bleibt für eine derartige Vertrauenshaftung nur Raum, soweit die Rechtsordnung keine abschließende Reglung dieses Problemkreises vorhält. Zu denken ist an die §§ 22, 26 GWB. Eine offene Lücke vorausgesetzt, ist es aber nicht generell ausgeschlossen, einer einseitigen Zusicherung Geltung für Fälle zuzusprechen, in denen die Privatautonomie in einer Weise gestört ist, die es der Rechtsordnung unmöglich macht, den Anspruchsteller auf die nur theoretisch gegebene Möglichkeit zu einem Vertragsschluß mit dem Verbandsmitglied zu verweisen. Der dritte Beispielsfall, in dem eine eigene Verpflichtung nach Aussage des Gesellschafters entbehrlich ist, weil er sich als seriöser Geschäftsmann ohnehin erwartungsgemäß verhalten werde, ist ähnlich gelagert. Hier kommt
hierin die Verleihung einer Einziehungsermächtigung oder Empfangszuständigkeit gern § 362 Abs. 2 BGB gesehen werden kann. Vgl. hierzu RG JW 1912, 794, 795, wo freilich die Besonderheit bestand, daß der Gesellschafter auch Geschäftsführer und sein persönliches Konto auch das der Gesellschaft war. Dem RG genügte zur Annahme einer Erfüllungswirkung der an den Gesellschafter geleisteten Zahlungen, die Leistungszweckbestimmung dahin auszulegen, daß der Schuldner an den Gesellschafter erkennbar in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer leisten wollte. 239 Siehe Canaris , Vertrauenshaftung, S. 364 ff., 369 f. 240 Für Canaris a.a.O., S. 531 sind dies ein „irreversibler Vorteil" des Handelnden oder ein „irreversibler Nachteil" des Vertrauenden. Bei dieser Sicht kommt es in unserem Zusammenhang regelmäßig entscheidend darauf an, ob der Gesellschaftsgläubiger sein Vertrauen betätigt hat, indem er den Vertrag mit der Gesellschaft (nur) im Vertrauen auf die Einhaltung der vom Gesellschafter in Aussicht gestellten Leistung abgeschlossen hat, und so unwiderrufliche Dispositionen traf.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
ebenfalls ein „Vertragsversagen" in Betracht. Es sind Sachverhalte denkbar, in denen das Verhalten des Gesellschafters die Entstehung eines vertraglichen Anspruchs „treuwidrig" vereitelt, indem es dem Gesellschaftsgläubiger unmöglich gemacht wird, auf einem Vertragsschluß zu insistieren, ohne dabei im mitmenschlichen Umgang anerkannte Regeln zu verletzen — eine Situation, die eine gewisse Ähnlichkeit zum Gegenstand des § 162 BGB aufweist. Dort wird geregelt, wie sich die treuwidrige Manipulation des Eintritts einer Bedingung, die über die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts entscheidet, auswirkt. Ähnlich ist es, wenn beim Geschäftspartner bewußt Hemmungen aufgebaut und ausgenutzt werden, um einem Vertragsschluß zu entgehen, der andernfalls akzeptiert worden wäre 241 . Folgt man diesen Überlegungen, ist aus materialer Sicht zwar kein einheitlicher Grund für eine Ansprüchsbegründung über die Figur des venire contra factum proprium gegeben; doch ist sie für verschiedene Sonderfälle nicht von vornherein einer Rechtfertigung entzogen, wobei Maß und Grad der Ergänzung vertraglicher Verpflichtungsgründe anhand des Einzelfalls zu klären sind. cc) Der mögliche Einwand, die v. c. f. p. sei dem Rechtsmißbrauch zuzuordnen 242 und könne daher nur negative, rechtsbegrenzende Wirkung entfalten, dürfte angesichts der Rechtspraxis nicht schwer wiegen. Entgegen dem mehrfach geäußerten Standpunkt, über § 242 BGB nicht Ansprüche begründen zu wollen, „die nach Gesetz oder Vertrag nicht gegeben sind" 243 , hat die Rechtsprechung indirekt solche Ansprüche bejaht: Sie hat den Betroffenen an einem geäußerten, aber unzutreffenden Rechtsstandpunkt festgehalten oder ihm die Berufung auf die tatsächlich gegebene Rechtslage versagt. Nach Auffassung der Rechtsprechung kann derjenige, der durch sein Verhalten das Vertrauen darauf weckt, selbst Vertragspartner zu sein, nach jahrelang versäumter Aufklärung über diesen Irrtum an dem zunächst zum Aus-
241 Die Rechtsprechung zu Formnichtigkeit und Treu und Glauben steht dem nicht entgegen. Zum einen dienen Formvorschriften per se in besonderem Maße der Rechtssicherheit. Zum anderen läßt die Rechtsprechung eine Überwindung der Formvorschriften zu, wenn es für die betroffene Partei schlechthin untragbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Dies kann sich gerade daraus ergeben, daß eine Situation geschaffen wurde, in der es „dem Kläger ... nahezu unmöglich war, auf der Einhaltung der gesetzlichen Form zu bestehen". S. BGHZ 48, 396, 397 f. Strenger noch etwa RGZ 117, 121. 242
Vgl. etwa Palandt/Heinrichs y § 242 Rdnrn. 38, 55 ff., der das Verbot widersprüchlichen Verhaltens unter dem Stichwort unzulässige Rechtsausübung kommentiert, wobei Treu und Glauben als eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung verstanden wird. 243 S. BGH NJW 1981, 1779, und NJW 1954, 1524, 1526. Offengelassen in BGHZ 95, 393, 399.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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druck gebrachten Rechtszustand festzuhalten sein 244 . Ferner kann sich die Gesellschaft, die eine vom Gläubiger mit einem anderen Unternehmen desselben Konzerns geschlossene Vereinbarung als eigene Angelegenheit abgewikkelt hat, gegenüber Mängelgewährleistungsansprüchen, die damit in Zusammenhang stehen, nicht auf eine fehlende Passivlegitimation berufen 245 . Auch wird mit der Formulierung, „der Gesellschafter kann sich nicht auf die Selbständigkeit der juristischen Person berufen" 246 , dem Gesellschafter nur sprachlich eine Befugnis genommen, de facto aber eine Verpflichtung auferlegt. Nach dem Gesetz nicht gegebene vertragliche Ansprüche werden gewährt, wenn dem Vertragspartner die „Berufung auf die Formunwirksamkeit" eines Vertrages versagt wird 2 4 7 . Teils wird versucht, diese Rechtsprechung mit den Begriffen von Rechtsmißbrauch und unzulässiger Rechtsausübung für vereinbar zu erklären, weil ja die Begünstigung des einen und die Benachteiligung des anderen Partners wechselbezüglich seien. Das Argument, daß die Ab- und Zuerkennung von Rechten und günstigen Rechtslagen nur zwei Seiten derselben Medaille sind 248 , dringt nach meinem Dafürhalten für die Fälle, in denen dem Belasteten kein Anspruch entzogen wird, nicht zum Kern des Problems vor. Wird die Berufung auf Rechtslagen nur versagt, um im Reflex einen Anspruch zu gewähren, erschiene mir die erreichte Rechtsentwicklung zutreffender wiedergegeben, wenn die Figur des v. c. f. p. aus dem Korsett des Rechtsmißbrauchs entlassen und gleichermaßen bei § 242 BGB in seiner rechtsbegründenden wie seiner rechtsbegrenzenden Funktion eingesetzt würde.
c) Zwischenergebnis Soll ein Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens auf Erfüllung der Gesellschaftsschuld oder Mitwirkung bei der Erfüllung in Anspruch genommen werden, stellt dies meines Erachtens keineh Eingriff in dessen Autonomie dar, soweit er damit lediglich an einem bewußt geschaffenen Vertrauenstatbestand festgehalten wird. Auch die darüber hinaus erforderliche Rechtfertigung, die den grundsätzlichen Geltungsanspruch der Regeln der Rechtsgeschäftslehre nicht in Frage stellt, dürfte vielfach gegeben sein. Zu denken ist etwa an eine Rechtssetzung gegenüber sich selbst auf244
S. BGH LM § 164 Nr. 33, und BGH NJW-RR 1990, 417, 418. So BGH NJW-RR 1987, 335. 246 S. etwa oben Fn. 231 und Teil 1 Fn. 61. 247 S. dazu die Nachweise in Fn. 241, bei MK/Roth, § 242 Rdnrn. 246, 348, und MK/Förschler, § 125 Rdnrn. 49 ff. Vgl. auch Canaris , Vertrauenshaftung, S. 352 ff. 248 S. MK/Roth, § 242 Rdnrn. 45, 255. 245
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
grund ständiger, vom Geschäftspartner nicht beanstandeter Übung, oder an Sachverhalte, in denen die Funktionsfähigkeit von Privatautonomie und Vertrag weitgehend ausgeschaltet war. Mit der Anknüpfung an ein konkretes Gesellschafterverhalten und dadurch tatsächlich erzeugtes Vertrauen sind viele Fälle eines aus Sicht des Gesellschaftsgläubigers evidenten Bedarfs erfaßbar. Ähnlich § 826 BGB eröffnet das Verbot des v. c. f. p. aber keine Möglichkeit zu einer Einbindung des Gesellschafters, wo diese verhaltensunabhängig angezeigt sein sollte. Außerdem ist eine Begründung von gleichgerichteten Ansprüchen auf Grundlage des § 242 BGB - sofern man die c.i.c. in § 242 BGB verankern mag - im Zusammenhang der Eigenhaftung der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer Verletzung vorvertraglicher Pflichten möglich. Ob und inwieweit die Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern Loyalitätspflichten unterliegen und zur Rücksichtnahme auf die vertraglichen Interessen der Gesellschaftsgläubiger verpflichtet sind, wird erst in Teil 3 untersucht.
5. Abgeleitete Ansprüche Der von Flume und Wilhelm im Rahmen der Diskussion um einen „Haftungsdurchgriff 4 vorgeschlagenen Sorgfalts-, beziehungsweise Organhaftung der Gesellschafter 249 ist gemeinsam, daß beide Ansätze eine Lösung für die Befriedigung von berechtigt erachteten Gläubigerbedürfnissen aus dem Rechtsverhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft entwickeln wollen. Eine Verpflichtung des Gesellschafters aus seinem Innenverhältnis zur Gesellschaft kann reflexartig dem Gesellschaftsgläubiger zugutekommen, ohne daß diesem etwas zugewandt wird. Dies gilt dann, wenn das Interesse des Gläubigers auf Vornahme beziehungsweise Unterlassen bestimmter Handlungen konform mit dem Interesse der Gesellschaft geht und die Gesellschaft ihre Ansprüche nutzt, um das Verhalten des Gesellschafters in der gewünschten Weise zu beeinflussen. Ferner gibt es Fälle, in denen die Gesellschaft vom Gesellschafter eine Leistung zu fordern hat, auf die der Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderung Zugriff nehmen kann. So mag zum Beispiel eine Schadensersatzpflicht des Verbandsmitglieds in Geld die Befriedigungschancen eines Geldgläubigers der Gesellschaft erhöhen. Schließlich ist eine Außenhaftung dergestalt denkbar, daß der Anspruch der Gesellschaft kraft Gesetzes (Paradigma: Die Regelungen der §§ 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4, 310 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG 2 5 0 ) oder rechtsgeschäftlich (auf249 250
Dazu oben, Teil 1, Kap. 1, 4. Diese Vorschriften autorisieren Gläubiger, welche von der Gesellschaft keine
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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grund des zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrages) dem Gläubiger zugewandt wird. Bei abgeleiteten Ansprüchen bleibt sowohl die Eigenständigkeit der Rechtskreise von Gesellschaft und Gesellschafter, als auch die Relativität der Schuldverhältnisse gewahrt: Weder wird gegen ein Trennungsprinzip verstoßen, noch - jedenfalls in dem für unsere Erörterungen im Vordergrund stehenden Bereich rechtsgeschäftlich begründeter Pflichten des Gesellschafters eine Verpflichtung ohne vorhergegangene eigene verpflichtende Erklärung des Verbandsmitglieds ausgesprochen 251. Doch besteht eine solche direkte Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers nur selten. Denn sie erfordert eine seinen Interessen dienliche Innenbindung des Gesellschafters, eine Pflicht der Gesellschaft, die ihr zustehenden Befugnisse dem Gläubiger zu übertragen, sowie die rechtliche Möglichkeit hierzu.
a) Geeignete Innenbindung des Gesellschafters als Voraussetzung Daß der Gesellschafter dem Verband genau den Gegenstand schuldet, auf den das Gläubigerinteresse gerichtet ist, dürfte eher die Ausnahme sein. Allein die Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft ist keine geeignete Grundlage für Ansprüche des Verbandes, solange das Tun oder Unterlassen des Mitglieds die Gesellschaft nicht schädigt252. Von daher kann die Treuepflicht pflichtbegründend nur wirken, wenn die Gesellschaft für ein gläubigerschädigendes Verhalten des Mitglieds finanziell einzustehen hat — eine Voraussetzung, die bei Übernahme einer entsprechenden Garantie vorliegt 253 . Lediglich im speziellen Bereich einer Unterlassung von Wettbewerb Befriedigung erlangen, die gegen den eigenen Vorstand, die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens etc. gerichteten Schadensersatzansprüche der Gesellschaft selbst geltend zu machen. 251 Hier ausgeklammert bleiben Fälle einer bloßen Einwirkungspflicht der Gesellschaft — dazu oben, Teil 2, bei Fn. 38 ff. im Text. Nicht eingegangen wird ferner auf die Möglichkeit, dem Gläubiger durch echten Vertrag zugunsten Dritter einen Erfüllungsanspruch zuzuwenden, oder ihn in den Schutzbereich eines zwischen Gesellschaft und Gesellschafter geschlossenen Vertrages aufzunehmen, was eine Schadensersatzpflicht bei schuldhafter Verletzung dieser Schutzpflichten zur Folge hätte. Letzteres wird beispielsweise hinsichtlich einer Geheimhaltungspflicht von Arbeitnehmern (unter Einschluß der Geschäftsführer) zu erwägen sein, wenn sie bestimmungsgemäß in Kontakt mit Geschäftsgeheimnissen des Gläubgers kommen. 252 Zu Inhalt und Schutzrichtung(en) der Treuepflicht s. nur Baumbach / Hueck, § 13 Rdnrn. 21 ff. 253 S.o. Teil 2 bei Fn. 41. Aus Sicht der Freiheits- und Privatsphäre des Gesellschafters ist es jedoch bedenklich, der Gesellschaft über die Treuepflicht eine beliebige Bindung des Gesellschafters zu ermöglichen. Wie beim verwandten, ebenso das 9 Diez
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
sind die Gesellschafter häufig innergesellschaftlich, aufgrund des Gesellschaftsvertrages oder auch durch Gesetz, gebunden254.
b) Pflicht der Gesellschaft zur Übertragung eigener Rechtsmacht Eine solche Pflicht besteht nur unter besonderen Umständen. Schuldet die Gesellschaft beispielsweise einen Gegenstand, der sich in der Hand des Gesellschafters befindet, so stellt die Abtretung eines gegen den Gesellschafter gerichteten Anspruchs der Gesellschaft auf Übereignung und Übergabe dieser Sache eine einfache und elegante Lösung dar, um dem Gesellschaftsgläubiger zur Befriedigung seiner Interessen zu verhelfen. Doch ist dies meines Erachtens nicht die Lösung des geltenden Rechts, wie sich für bewegliche Sachen indirekt aus § 887 Abs. 3 ZPO ergibt: Diese Norm verbietet die Durchsetzung einer Herausgabe- bzw. Übereignungspflicht unter Einsatz der in § 887 f. ZPO für die Erzwingung vertretund unvertretbarer Handlungen vorgesehenen Beugemittel 255 . Eine nach § 894 ZPO erreichbare Einigung hinsichtlich des Eigentumsübergangs bleibt wegen fehlender Sachübergabe wirkungslos, wenn eine Herausgabevollstreckung gemäß § 883 ZPO scheitert, weil der Schuldner nicht im Besitz der Sache ist, ferner der besitzende Dritte nicht herausgabebereit ist und schließlich eine Herausgabe vom Dritten mangels eines gegen ihn gerichteten Herausgabeanspruchs des Schuldners auch nicht über § 886 ZPO - d.h. durch Pfändung und Überweisung dieses Anspruchs - erwirkt werden kann. Dem Gläubiger verbleibt dann nur eine Klage auf das Interesse gemäß § 893 ZPO. Die §§ 887 f. sind nur anwendbar, wenn gerade die Anschaffung oder HerstelVerhältnis von Verbands- und Individualautonomie berührenden Problem, inwieweit dem Verband eine verdrängende Regelungsmacht zusteht, die den Mitgliedern die Befugnis zur eigenständigen Regelung nimmt (dazu Martens, AcP 177 [1977], 113, 156 ff.) liegt hier aus Sicht der Privatautonomie eine Beschränkung der Befugnisse des Verbandes nahe, die der Gesellschaft nur Maßnahmen gestattet, die zur Verfolgung der mit dem Beitritt vergemeinschafteten Interessen (d.h. des Verbandszwecks) erforderlich sind. 254
Freilich ist dies für den Gesellschaftsgläubiger nur dann von Nutzen, sofern der Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot auch hinsichtlich solcher Geschäfte unterliegt, die von der Gesellschaft in Beachtung ihres Wettbewerbsverbots gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger nicht betrieben werden. Zur Frage, ob für die Reichweite des Wettbewerbsverbots auf die von der Gesellschaft tatsächlich geübte Tätigkeit oder auf ihren Geschäftszweig im Allgemeinen bzw. auf den vereinbarten Unternehmensgegenstand abzuheben ist s. Tillmann, GmbHR 1991, 26, 27 mit Nachweisen zum Streitstand. 255
Zur Unanwendbarkeit von § 887 und § 888 ZPO s. Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann § 884 Anm. 2, und Thomas/Putzo § 884.
Kap. 3: Anerkannte Verpflichtungsgründe als Lösungsansatz?
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lung des Gegenstandes als Pflicht des Schuldners vereinbart wurde, wie dies beispielsweise bei Werklieferungsverträgen begegnet256. Würde allein daraus, daß die Parteien verpflichtet sind, den Vertrag zu erfüllen, im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder auf Grundlage des § 242 BGB auf eine Rechtspflicht des Schuldners zur Abtretung seiner schuldrechtlichen Ver schaffungsansprüche geschlossen, würde der vom Gesetzgeber als Ausnahmefall angesehene Sachverhalt zum Normalfall erhoben; dem Gläubiger ist also regelmäßig der direkte Zugriff auf den Schuldner des Schuldners nicht eröffnet. Diese Zurückhaltung gegenüber einer Erweiterung der Leistungspflichten des Schuldners ist sachlich nicht auf bewegliche Gegenstände und personell nicht auf außenstehende Vertragspartner der Gesellschaft (wie Lieferanten, Subunternehmer usf.) zu beschränken. Wird die Überlegung ernst genommen, daß dem Gläubiger nicht die Entscheidungsgewalt über die Inanspruchnahme Dritter einzuräumen ist, sondern dem Schuldner die Letztentscheidung darüber verbleibt, inwieweit er die Ansprüche gegen seinen (Dritt-)Schuldner geltend macht, um seiner Verpflichtung nachkommen und eine Schadensersatzpflicht vermeiden zu können, hat für die Gesellschaft als Schuldner und den Gesellschafter als Drittschuldner dasselbe zu gelten. Daher kann eine Pflicht der Gesellschaft auf Abtretung von Verschaffungs- oder Leistungsansprüchen, die ihr gegen den Gesellschafter zustehen, regelmäßig nur bei ausdrücklicher Vereinbarung angenommen werden.
c) Grenzen der Übertragbarkeit gesellschaftlicher Ansprüche Für Unterlassungspflichten der Gesellschafter, die dem Schutz der Gesellschaft dienen, bestehen konstruktive Bedenken gegen eine „Weitergabe" der Befugnisse der Gesellschaft: Soll die Gesellschaft für die Zukunft nicht selbst schutzlos gestellt werden, kommt eine Abtretung, die ja einen die Gesellschaft als Gläubiger verdrängenden Wechsel in der Forderungszuständigkeit bewirkt, nicht in Betracht. So könnte sich eine Gesellschaft nach Abtretung ihrer aus einem Wettbewerbsverbot des Gesellschafters entspringenden Ansprüche nicht mehr selbst gegen künftige Verletzungshandlungen des Mitglieds zur Wehr setzen. Diese Schwierigkeit taucht auch vielfach bei Unterlassungsansprüchen auf, die dem Schutz eines absoluten Rechts dienen. Ihr wird begegnet, indem eine Verselbständigung von Unterlassungsansprüchen durch Abtretung „gegenüber dem Gegenstand, der ihre Grundlage bildet", generell für unzulässig erachtet 256
Dazu Stein/ Jonas/Münzberg § 883 Rdnrn. 8 f., § 884 Rdnrn. 1 f., und § 887 Rdnrn. 3 ff. 9*
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
wird 2 5 7 . Dann verbleibt als letzte Möglichkeit, der Gesellschaft zu gestatten, diese Unterlassungsansprüche - ohne Beschränkung der eigenen Rechtsmacht - dem Gesellschaftsgläubiger „zur Ausübung zu überlassen", wie es § 1092 BGB für die nicht übertragbare persönliche Dienstbarkeit vorsieht. Auch wer dies für möglich hält 258 , muß in einem letzten Schritt prüfen, ob die „Überlassung der Rechte zur Ausübung" im Einzelfall nicht doch ausgeschlossen ist, weil sich der Gesellschafter erkennbar nur zugunsten seiner Gesellschaft bzw. seiner Mitgesellschafter binden wollte. Daß ein Gegenstand als Einlage geschuldet wird, steht einer Abtretbarkeit nicht grundsätzlich entgegen 259 . Zweckbindung, Höchstpersönlichkeit eines Anspruchs, ein pactum de non cedendo und eine mit der Abtretung einhergehende Änderung des Leistungsinhalts schließen aber die Abtretbarkeit einer Forderung nach § 399 BGB aus 260 . Konsequenterweise muß im Grundsatz gleiches für eine Ausübungsbefugnis gelten, die an Stelle einer Abtretung tritt. Zielt ein vertragliches Wettbewerbsverbot der Gesellschafter darauf ab, die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu fördern und zu sichern, wie dies typischerweise der Fall ist, sind hieraus resultierende Unterlassungsansprüche derart mit der Person des Gläubigers 261 verknüpft, daß sie als höchstpersön257 S. nur BAG NJW 1985, 85, 87; Soergel/ Zeiss § 399 Rdnr. 1, und MK/Roth § 399 Rdnr. 20. 258 Bejahend in Anlehnung an die für die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts in eigenem Namen (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft) entwickelten Regeln, Soergel /Zeiss, § 399 Rdnr. 1, sofern der Gläubiger ein „eigenes Rechtsschutzinteresse an der Geltendmachung" hat. Auch wenn das Abtretungsverbot hier nicht primär auf der Überlegung fußt, daß allein die Bedürfnisse des Berechtigten darüber entscheiden sollen, welches Verhalten aus der gegebenen Bandbreite dem Schuldner tatsächlich abverlangt wird (dies ist der entscheidende Gesichtspunkt für die in § 1092 getroffene Regelung, vgl. BGH NJW 1964, 2296, 2298), kann das Rechtsschutzinteresse des „Gläubiger-Gläubigers" hinreichende Bedingung für ein Überlassen der Rechtsmacht allenfalls dort sein, wo der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs die Ermächtigung zur Rechtsausübung in Ansehung der konkreten Streitsituation erteilt hat. Ansonsten würde die Verpflichtung des Schuldners de facto erweitert, weil ja Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger von derselben Rechtsmacht im Hinblick auf unterschiedliche Interessen zumeist auch unterschiedlich Gebrauch machen werden. 259
Im Hinblick auf das Erfordernis realer Kapitalaufbringung muß jedoch das Abtretungsentgelt - solange kein hinreichendes weiteres Vermögen vorhanden ist „vollwertig" sein, s. Baumbach /Hueck, § 19 Rdnr. 31. Dazu auch Scholz /Schneider, § 19 Rdnrn. 146, 150. 260
Zu den einzelnen Fallgruppen s. Palandt/Heinrichs, § 399 Rdnrn. 4 ff. Für ein als körperschaftliche Bestimmung vereinbartes Wettbewerbsverbot (es ist an die Mitgliedschaft gebunden, und. daher auch für spätere Mitglieder verbindlich) ist dies die Gesellschaft. Bei individualrechtlicher Vereinbarung (hierdurch wird eine personenbezogene, im Grds. auch nach einem Ausscheiden aus der Gesellschaft fort261
Kap. 4: Verbliebener Klärungsbedarf
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lieh zu qualifizieren sind 262 . Ein aus der organschaftlichen Stellung des Geschäftsführers abzuleitendes gesetzliches Wettbewerbsverbot 263 sowie eine aus der Treuepflicht des Gesellschafters entspringende Unterlassungspflicht 264 sind gleichermaßen auf die Interessen der Gesellschaft bezogen.
d) Zwischenergebnis Dem theoretisch ansprechenden Konzept einer Anspruchsbegründung „übers Dreieck", das die Selbständigkeit der Rechtskreise aller Beteiligten wahrt, kommt somit nur geringe praktische Bedeutung zu. Der Gesellschaftsgläubiger hat gegen die Gesellschaft in der Regel nur dann einen Anspruch auf Abtretung von Leistungsansprüchen, die dem Verband gegen sein Mitglied zustehen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Und nur zum Schutz von Gesellschaft und Mitgesellschaftern begründete Unterlassungsansprüche können in der Regel nicht an den Gläubiger abgetreten oder ihm zur Ausübung überlassen werden.
Kapitel 4
Verbliebener Klärungsbedarf Im Rahmen der Interessenanalyse wurde ein besonderes Schutzinteresse des Gesellschaftsgläubigers für solche Leistungspflichten festgestellt, an debestehende Verbindlichkeit des Gesellschafters geschaffen) sind dies die übrigen Gesellschafter; die Gesellschaft nur, wenn die Vereinbarung zugleich als Vertrag zugunsten dieses „Dritten" anzusehen ist. Vgl. dazu Baumbach IHueck, § 3 Rdnrn. 50, 57, und Scholz / Emmerich, § 3 Rdnrn. 50, 54 und 68 f. 262 Schon die Schranken der §§ 1 GWB und 138 BGB werden i.d.R. sicherstellen, daß nur zur Verfolgung schützenswerter Gesellschaftsinteressen erforderliche Wettbewerbsverbote (insbesondere zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft) rechtlich Bestand haben. Hierzu Scholz I Emmerich, § 3 Rdnr. 50a; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 451; allgemein zur „Immanenztheorie" des § 1 GWB s. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 Rdnrn. 357 ff. 263 Er hat die Geschäftschancen der Gesellschaft zu wahren. S. Scholz ! Schneider, § 43 Rdnr. 144 f. Grundlage dieser Pflicht ist der Anstellungsvertrag. Diese Verpflichtung trifft auch den Gesellschafter-Geschäftsführer. 264 Ihr unterliegt insbesondere ein Mehrheitsgesellschafter als Korrelat zu seiner Möglichkeit, seine Herrschaft zum Nachteil der Gesellschaft auszunutzen, s. Scholz/ H. Winter, § 14 Rdnr. 59. Umfassend zu Schutzzweck und Begründung eines präventiven Wettbewerbsverbots, M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbHRecht, S. 244 ff. Vgl. auch BGHZ 89, 162, 165, und BGHZ 80, 69, 74.
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2. Teil: Erstreckungsbedarf jenseits gesicherter Rechtsanwendung
nen er ein gesteigertes „Primärleistungsinteresse" hat. Für Unterlassungsansprüche war als maßgeblich angesehen worden, ob von den Gesellschaftern eine „gesellschaftsgleiche" Beeinträchtigung ausgeht. Es erschien als interessengerecht, zudem nach dem Grad der Gestaltungsmacht der Gesellschafter im Sinne ihres Einflusses auf die Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten zu differenzieren 265. Gemessen hieran verbleiben Defizite: - Nachdem die Idee, den zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrag unmittelbar zum Geltungsgrund von Verpflichtungen des Gesellschafters zu erheben, im Hinblick auf das Verbot drittbelastender Verträge abzulehnen war und ferner einer „Identifizierung" von Verband und Mitglied im Wege einer Negation des Trennungsprinzips nicht nähergetreten wurde, schieden Vertragsauslegung, Vertragszweck und Vertragsumgehung als aus eigener Kraft anspruchsbegründende Umstände gänzlich aus 266 . - Der Tatbestand rechtsgeschäftlicher Selbstverpflichtung, die §§164 ff. BGB, das Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wie auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Rahmen des § 242 BGB rekurrieren je auf eigene Kriterien, die von den oben genannten abweichen. Diesen Kriterien kommt jeweils eine eigenständige Berechtigung und Funktion zu 2 6 7 ; sie zielen jedoch nicht darauf ab, den Vertragspartner umfassend vor unangemessenen Beeinträchtigungen durch die Gesellschafter zu schützen. „Abgeleitete Ansprüche" werden nur selten praktisch 268 . Ebenso verbleibt der Eigenhaftung der Gesellschafter-Geschäftsführer aus c.i.c. schon wegen ihrer Anknüpfung an vorvertragliche Versäumnisse nur ein geringes Anwendungsfeld für unsere Themenstellung269. Unter dem eingangs genannten Aspekt sind damit nur „Abschichtungen" geleistet270. 265
S.o. Teil 2, 1. Kap. unter 6. Dazu oben 2. Kap., 1.-3. Abschnitt. 267 S. dazu Kap. 3, l.a.bb und l.b, 3.d und 4.c. 268 S. Kap. 3, 5.d. 269 S. Kap. 3, 2.c. 270 Dabei wird nicht verkannt, daß hiermit viele aus Gläubigersicht vordringliche Fälle erfaßt werden. So sind Fälle darstellbar, in denen mehrdeutiges Gesellschafterverhalten vor dem Hintergrund der Interessen des Gesellschaftsgläubigers an einer Einbindung den Anforderungen genügt, die an eine rechtsgeschäftliche Eigenverpflichtung des Verbandsmitgliedes zu stellen sind (s.o. Kap. 3, l.a.aa). § 826 BGB untersagt eine „Beseitigung des Schuldners" allein zu dem Zweck, die Gesellschaftsverbindlichkeit leerlaufen zu lassen (s. Kap. 3, 3.b.aa). Und über das Verbot widersprüchlichen Verhaltens kann ein Gesellschafter an der mehrfach betonten wirtschaftlichen Identität seiner Person und der Gesellschaft, an seiner Zusicherung, er stehe ja hinter dem Verband oder an seiner Aussage, eigenes Wohlverhalten sei auch ohne 266
Kap. 4: Verbliebener Klärungsbedarf
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Bislang wurde jedoch nicht hinreichend untersucht, inwieweit die Rechtsordnung die Handlungsfreiheit des Gesellschafters zur Wahrung der Forderung des Gesellschaftsgläubigers, die ja zu dessen Rechtsgütern gehört, beschränkt. Denn das Verbot, Dritte ohne deren Billigung rechtsgeschäftlich zu binden, das der Erstreckung eines vertraglichen Leistungsbefehls im Sinne dessen Übertragung auf andere widerstreitet 271, impliziert nicht notwendig wie dies vielfach unter dem Stichwort Relativität der Schuldverhältnisse angenommen wird - , daß Dritte grundsätzlich keine gesetzliche Pflicht träfe, auf fremde Vertrags Verhältnisse Rücksicht zu nehmen272. Eine solche, über die Anforderungen des § 826 BGB hinausgehende Verpflichtung kann wegen ihrer primär negativen Stoßrichtung als BewahrungsLoyalitäts- oder „Respektpflicht" bezeichnet werden. Sie würde hinsichtlich des primären vertraglichen Schuldinhalts, der sogenannten Hauptleistungspflichten, keine Pflichtenparallelität für Handlungspflichten (Übereignung einer Sache, Erbringen von Diensten etc.) erzeugen können. Doch bestand insoweit auch kein unabweisbarer Bedarf für eine Erstreckung, nachdem der Gläubiger die bei Leistungsstörungen eingreifenden gesetzlichen Ansprüche gegen den Verband hat, wenn die geschuldete „Leistung" nicht erbracht wird 2 7 3 . Bei Unterlassungspflichten würde das Gebot, diese Gläubigerforderung nicht zu entwerten, d.h. in ihrem praktischen Nutzen für den Gläubiger nicht zu beeinträchtigen, Handlungsbeschränkungen für den Gesellschafter zur Folge haben, die in ihrer Wirkung einer in Person eingegegangenen Unterlassungspflicht gleichkommen. Dürfte der Gesellschafter etwa die mit einem Wettbewerbsverbot des Verbandes verfolgte Zwecksetzung nicht konterkarieren, wären auch ihm persönlich gleichgerichtete Wettbewerbshandlungen untersagt. Aus diesem Ansatz könnte sich also eine Pflichtenbindung der Gesellschafter gerade für den im Rahmen der Interessensanalyse als vordringlich bezeichneten Bereich der Unterlassungspflichten 274 der Gesellschaft ergeben.
seine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gesichert, festzuhalten sein (dazu oben Kap. 3, 4.b). 271 Dies gilt auch für eine Anspruchsbegründung auf Grundlage des § 242 BGB. Zur Gefahr, das Verbot einer Drittbelastung aufgrund bloßer Billigkeitserwägungen vorschnell zu überspielen s.o. Kap. 3, 4.a. 272 S.o. Kap. 2, l.a, letzter Spiegelstrich. 273 Zum Unterschied von Leistungs- und Unterlassungspflichten insoweit s.o. Kap. 1, 4.a. 274 Dazu oben Kap. 1, 4.a und 6.
3. Teil
Die „Respektpflicht 44 der Gesellschafter als Lösungsmodell Kapitel 1
Jedermanns-Pflicht, die praktische Wirksamkeit fremder Forderungen nicht zu beeinträchtigen? Für die Befugnis Dritter, nachteilig auf fremde Forderungen einzuwirken, werden unter dem Stichwort deliktsrechtlicher Schutz von Forderungen verschiedene rechtliche Grenzen als gültig behauptet. Dabei reicht die Idee, Forderungen durch ein gegen jedermann gerichtetes Störungsverbot abzusichern, um dem Gläubiger die Rechte aus einem Schuldverhältnis ungeschmälert zu erhalten, ins letzte Jahrhundert zurück. Bei Schilling heißt es dazu, daß „... auch die Forderungsrechte, obgleich die besondere Beziehung auf den bestimmten Verpflichteten bey ihnen die nächste und vorherrschende ist, mittelbar und folgeweise auch eine absolute Gültigkeit ..." haben. „Denn neben dem im Forderungsrechte liegenden besonderen Rechtsverhältnisse findet, in Folge desselben, allerdings auch ein allgemeines Rechtsverhältnis Statt, dahin nämlich, daß Niemand jenes besondere Rechtsverhältnis Stohren solle" 1 . Diese Stellungnahme sieht keinen Widerspruch zwischen einem Störungsverbot und dem Umstand, daß die Forderung den Prototyp eines „relativen Rechts" darstellt. Auf diese Frage ist als erstes einzugehen.
1. Ausgangspunkt der Überlegungen Nicht beizupflichten ist einer Auffassung, die die Beeinträchtigung einer Forderung durch Dritte bereits strukturell für ausgeschlossen erachtet. Stellvertretend genannt sei eine Äußerung des Reichsgerichts: Dessen Annahme, daß „die zwischen anderen Personen bestehenden Schuldverhältnisse ... begrifflich von einem Dritten nicht verletzt" werden können und daher „an sich 1
So Schilling, Lehrbuch für Institutionen und Geschichte des Römischen Privatrechts, Bd. I, 1834, S. 30.
Kap. 1: Jedermannspflicht, Forderungen nicht zu beeinträchtigen?
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von ihm nicht beachtet zu werden" brauchen2, liegt ein zu enger Begriff der Forderung und deren Verletzung zugrunde. Als Recht des Gläubigers, „vom Schuldner eine Leistung zu fordern" (§ 241 BGB), vermittelt die Forderung eine über das Recht durchzusetzende Befugnis des Gläubigers gegenüber dem Schuldner mit der Kehrseite dessen korrespondierender Verpflichtung 3. Genau diese Verhaltenserwartung ist exklusiv nur an den Schuldner gerichtet. Im Kern nichts anderes, als die Schaffung dieses persönlichen rechtlichen Bandes, das den Schuldner ein- und Dritte ausschließt4, meint die „Relativität" der Schuldverhältnisse, wie auch der Begriff der Sonderverbindung 5. Doch kann ein Dritter gleichwohl die Enttäuschung dieser Gläubigererwartung bewirken; zum Beispiel, indem er den geschuldeten Gegenstand zerstört und so die Erfüllung unmöglich macht. Fällt so das ursprüngliche „Leistensollen" des Schuldners weg (zu denken ist an § 275 BGB), liegt im den Gegenstand zerstörenden Akt zugleich ein die Forderung verletzendes - weil schuldänderndes - Verhalten. Bei weitem Verständnis kann allgemein jedes Verhalten, das die gewünschte Erfüllungswirkung vereitelt oder auch nur schmälert, als Verletzung der Forderung angesehen werden. Dritte können also ihnen fremde Forderungen verletzen. Ein an Dritte gerichtetes Verbot, das Gläubigerrecht zu beeinträchtigen, wäre sehr wohl mit der Struktur der Forderung vereinbar 6. Lediglich Ursprung und Inhalt der an den Schuldner und Dritte gerichteten Rechtsgebote sind dann unterschiedlich. Bezogen auf vertragliche Verbindlichkeiten stünden sich autonom vereinbarte Leistungspflicht und gesetzlich auferlegte Bewahrungspflicht gegenüber7.
2
S. RG JW 1913, 866 f.; vgl. auch RGZ 57, 353, 356. Jedenfalls verkürzt und damit mißverständlich auch Soergel ! Teichmann, vor § 241 Rdnr. 4, wenn es dort heißt: „Nur der Schuldner kann die Forderung durch sein Verhalten verletzen", nachdem im vorhergehenden Satz ausgeführt worden war, daß anders als bei absoluten Rechten, die gegenüber jedermann wirkten, aus relativen Rechten nur der Schuldner verpflichtet sei. Ähnlich in seinen Formulierungen Palandt /Heinrichs, Einl. v. § 241 Rdnr. 3. 3 Dazu, daß die Forderung weder eine Herrschaft des Gläubigers über die Person des Schuldners im Ganzen oder beschränkt auf ihn in Bezug auf die geschuldete Leistungshandlung begründet, noch ein Recht zur Herrschaft über den Leistungsgegenstand schafft, s. Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 2 II, und Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I. 4 Weil sie eben insofern nicht verpflichtet sind. 5 Vgl. Henke, Die sog. Relativität des Schuldverhältnisses, S. 14 f. 6 Börner, Dynamische Relativität, S. 48, und Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 II 4, S. 37 f.; s. ferner Henke a.a.O., S. 64 ff., jeweils m.w.N. auch zur Gegenansicht. 7 Dazu, daß eine solche Bewahrungspflicht nicht per se in Widerspruch zur Vertragsfreiheit stünde, vgl. bereits oben Teil 2, Kap. 2, l.a am Ende.
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Gleichermaßen abzulehnen sind freilich die Versuche, ein allgemeines Störungsverbot bereits aus der Struktur der Forderung bzw. dem Begriff oder Wesen des Rechts ableiten zu wollen. So findet meines Erachtens die These, daß der Forderung eine von der Innenwirkung („relatives Recht auf die Leistung") zu scheidende Außenwirkung („absolutes Recht auf die Forderung") zukomme, die ein Recht auf Unterlassung störender Einwirkungen gibt 8 , im BGB keine hinreichende Stütze. Und die Auffassung, daß jedes Recht eben deshalb, weil es ein Recht ist, von allen Rechtsgenossen respektiert werden müsse, „oder richtiger, ... von Niemandem gestört werden" darf 9, nimmt dem Gesetzgeber zu Unrecht den in bezug auf die Ausgestaltung eines Forderungsschutzes gegebenen Spielraum.
2. Aktuell vertretene Ansätze Sie erfassen jeweils nur einen bestimmten Ausschnitt von beeinträchtigenden Handlungen: Wer die Forderungszuständigkeit als Schutzobjekt des § 823 Abs. 1 BGB anerkennt 10, sanktioniert Einwirkungen auf das Forderungsrecht selbst (dazu a.). Hauptbeispiel ist die unbefugte Einziehung einer Forderung durch den Zedenten, die dem Abtretungsempfänger gegenüber gem. § 407 BGB wirksam ist, so daß dieser seine Forderung verliert. Auf die Person des Schuldners bezogene Handlungen werden erfaßt, wenn es unzulässig sein sollte, den Schuldner dazu zu verleiten, nicht zu erfüllen 11 (hierzu b.); eine Situation, wie sie etwa in Fällen eines Doppelverkaufs häufig vorliegen mag. Auch der Leistungsgegenstand als Bestandteil des „Leistungssubstrats" ist geschützt, wenn Dritten generell verboten ist, Handlungen vorzunehmen, die die Unmöglichkeit einer Erfüllung durch den Schuldner bezwecken12; als Beispiel ist 8
So aber Oertmann, AcP 123 (1925) 129, 144 ff., der allerdings das Störungsverbot ausdrücklich auf eine Inanspruchnahme der fremden Forderung oder eine wirksame Verfügung über sie beschränkt und Einwirkungen auf die Person des Schuldners oder den zu leistenden Gegenstand für zulässig erachtet. 9 So unter Verneinung eines Unterschiedes zwischen persönlichem und dinglichem Recht in bezug auf deren „Absolutheit" Staub, Archiv für Bürgerl. Recht 5 (1891), 12, 15. Zur Verdeutlichung fährt er fort: „Diese allgemeine Nichtstörungspflicht entspringt aus dem Wesen der Rechtsordnung als allgemeine Menschenpflicht gegenüber jedem Rechte." 10 So u.a. Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 33 III, und ders., Schuldrecht Bes. Teil, § 72 I a. 11 So im Kern Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 1967, insbes. S. 159 ff. 12 Vgl. Löwischy Der Deliktsschutz relativer Rechte, 1970.
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die mutwillige Zerstörung des geschuldeten Gegenstandes zu nennen (s. unter c.). Allenfalls die beiden letztgenannten Positionen weisen in Richtung einer Verhaltensbindung Dritter, wie sie für unsere Thematik von Interesse ist. So würde das Verbot einer Zerstörung des Leistungsgegenstandes - eine entsprechende Pflicht des Vertragsschuldners vorausgesetzt13 - die Erstreckung einer vertraglichen Nebenpflicht bedeuten. Doch auch diese Auffassungen würden dem Gesellschafter nicht untersagen, den etwa mit einem Wettbewerbsverbot der Gesellschaft bezweckten Erfolg durch eigenes Handeln, das die wortgetreue Erfüllung durch die Gesellschaft nicht beeinträchtigt, zu konterkarieren. Diese Positionen werden gleichwohl angesprochen, weil nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, daß aus ihnen eventuell ein umfassenderes Störungsverbot abzuleiten ist.
a) Die Forderungszuständigkeit als Schutzobjekt des § 823 Abs. 1 BGB Mit der Trennung der Forderung als Objekt von der Gläubigerschaft würde künstlich eine als eigentumsähnliches Recht („Eigentum an der Forderung" 14 ) zu bezeichnende und über § 823 Abs. 1 zu schützende Rechtsposition geschaffen 15. Eine weitere Ansicht, die zur deliktischen Absicherung der Forderungszuständigkeit gelangen will, gründet auf der ausweislich der §§75 ZPO (Zulassung des Prätendentenstreits), 771 ZPO (Möglichkeit zur Drittwiderspruchsklage) und 43 KO (Befugnis zur Aussonderung im Konkurs einer anderen Rechtsperson) zutreffenden Erkenntnis, daß die Forderung unter dem Aspekt der Zuständigkeit nach unserer Rechtsordnung ausschließlich dem Gläubiger zugewiesen ist. Doch vermag der Schluß von dieser Teilkongruenz von relativem und absolutem Recht auf das ,3edürfnis nach einem dem der absoluten Rechte analogen Schutz" nicht zu überzeugen 16.
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Schon ein klagbarer Anspruch des Gläubigers gegenüber seinem Vertragspartner darauf, den Leistungsgegenstand nicht zu verschlechtern oder zu zerstören oder anderweit über ihn zu verfügen, findet keine allgemeine Anerkennung. Ablehnend etwa Gernhuber, Das Schuld Verhältnis, § 3 I 4. 14 So früher namentlich Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, S. 60 ff. Vgl. auch Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 287 f. („eigentumsä/w/ic/ies Recht an der Forderung"). 15 Ablehnend Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 1 3 ; ebenso Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 2 II, S. 18 Fn. 22. 16 So aber Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 33 III, und Schuldrecht Bes. Teil, § 72 I a mit Nachweisen zu weiteren Vertretern wie auch Kritikern dieser Auffassung.
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Forderungen fehlt die soziale Offenkundigkeit sowie die mit ihr einhergehende Begrenzung potentieller Haftungsverpflichtung auf die Verletzung für jedermann erkennbarer Güter 17 , die den anderen, in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern zukommt 18 . Schließlich ist insbesondere im Hinblick auf die in §§ 816 und 687 Abs. 2 BGB getroffenen Regelungen schon ein praktisches Bedürfnis für einen deliktischen Schutz der Forderungszuständigkeit zweifelhaft 19.
b) Anspruch auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners Nach anderer Ansicht ist der Anspruch des Gläubigers auf „obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners" ein deliktsrechtlich zu schützender Gegenstand. Aus der Tatsache, daß die freiwillige Erfüllung im Normalfall vom Willen des Schuldners abhängt, also dessen Willensbetätigung erfordert, wird gefolgert, daß dem Gläubiger konsequenterweise nicht nur ein Recht auf die Leistungshandlung, sondern auch ein Recht auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners einzuräumen ist 20 . Das vielfache Bemühen der Rechtsordnung, die geschuldete Willensbetätigung zu erzwingen - unter anderem wird als Beispiel § 888 ZPO genannt - sei seltsam lückenhaft, wenn Dritte die Willensrichtung des Schuldners sanktionlos verändern dürften 21. 17
Zu Recht geht Picker, AcP 183 (1983), 369, 480 f. davon aus, daß Leben, Körper, Freiheit und Eigentum „eine für jedermann greifbare Ausschließlichkeitssphäre umreißen", deren rechtlicher Schutz aufgrund deren sinnlicher Faßbarkeit für jeden Rechtsunterworfenen naheliegt. 18 Vgl. Picker, a.a.O., S. 460 ff., 509 f., wonach in der Aufzählung der Schutzpositionen eine Methode der Haftungsbegrenzung zu sehen ist. Die Einstandspflicht für jede rechtswidrige und vorwerfbare Schädigung - wie sie bei idealem Gerechtigkeitsdenken zu fordern wäre - wird im Interesse der Bewahrung einer für das Zusammenleben unerläßlichen, „vernünftigen" Handlungsfreiheit beschränkt. In der Sonderverbindung verhindere dagegen die von vornherein bestehende Fixierung des Kreises möglicher Anspruchsberechtigter ein unüberschaubares Haftungsrisiko. Krasser, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter, S. 104 f., 186 ff. betont die Notwendigkeit einer unmittelbaren Beziehung des Rechtsinhabers zu einem außerpersönlichen Gegenstand (Hervorheb. i. Orig.), um umfassenden Schutz gewähren zu können. 19 Die von Otte , JZ 1969, 253 ff. vorgenommene Durchsicht verschiedener Sachverhalte förderte ein Schutzdefizit nur für den speziellen Fall der Forderungseinziehung durch den gutgläubigen und unverklagten Besitzer eines Inhaber- oder Legitimationspapiers zu Tage. Und hier kann Abhilfe über die Regeln des EigentümerBesitzer-Verhältnisses geschaffen werden; s. im einzelnen ders. y S. 257 f. Ebenso Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 610. 20 So Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, S. 154 ff. 21 Siehe Koziol, a.a.O., S. 158 ff., insbes. S. 160: „Diese Wirkung gegen Dritte
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Bei Schutz der Forderungsrechte als sonstiges Recht 22 , ergibt sich so im Grundsatz das sanktionsbewehrte Verbot, den Schuldner zum Vertragsbruch zu verleiten 23. Es mag in praxi die Regel und unter einem sittlichen Aspekt auch löblich sein, der Erfüllung seiner Verpflichtungen freiwillig nachzukommen. Daß dies eine Anforderung des geltenden Rechts ist, kann meines Erachtens weder den genannten Rechtsregeln entnommen werden noch dürfte dies den Vorstellungen der am Rechtsverkehr Beteiligten entsprechen. Auch die versehentlich erbrachte Leistung desjenigen, der nicht erfüllen wollte, befreit. Umgekehrt hat der „obligationsgemäße Wille" keine schuldbefreiende Wirkung, wenn nicht zugleich die geschuldete Leistung erbracht wird. § 267 Abs. 2 BGB, wonach der Gläubiger eine Drittleistung gelten lassen muß, wenn nicht der Schuldner widerspricht, bestärkt diese Einschätzung24.
c) Verbot der ihrem Zweck nach gegen das Recht gerichteten Handlungen In Anknüpfung an den schon von der finalen Handlunglehre formulierten Gedanken, daß es für die rechtliche Beurteilung einer beeinträchtigenden Handlung wesentlich auf deren Zwecksetzung ankomme, erheben andere „die ihrem Zweck nach gegen das Recht gerichtete Handlung" zum Grundfall des § 823 Abs. 1 BGB. Dieses Zweckmoment eigne sich als Kriterium für die Anwendbarkeit der Norm, weil von Handlungen, die bezwecken, ein Recht zu beeinträchtigen, „naturgemäß eine viel stärkere Gefährdung dieses Rechts" ausgehe. Nachdem nur solche Handlungen „gegen das Recht gerichtet" sind, die den Inhaber in seinen durch das Recht vermittelten Befugnissen stören, ist die Art des verletzten Rechts für die Rechtsanwendung insofern bedeutsam, als sie bestimmt, welche Befugnisse das Recht gewährt 25. Daß mit einer Handlung eine unerlaubte Zweckrichtung verfolgt wird, könne sich aus der subjektiven Zielsetzung wie auch dem objektiven Sinngehalt der Handlung
verneinen heißt die in der gesamten Rechtsordnung erkennbaren Bestrebungen nicht ernst nehmen." 22 Hierfür setzt Koziol voraus, daß der Dritte das fremde Forderungsrecht kennt, s. ders., a.a.O., S. 174 ff., 185. 23 Unter Berücksichtigung des Gedankens der Privatautonomie kommt Koziol, a.a.O., auf S. 191 ff. zu Einschränkungen dieses Grundsatzes. 24 Ausweislich des Gesetzestextes gilt die Regelung freilich nicht, wenn sich aus dem Schuldverhältnis ergibt, daß der Schuldner in Person zu leisten hat (s. § 267 Abs. 1 BGB). 25 So Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S. 60 f., 66.
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ergeben 26. Während letzteres regelmäßig für unbefugte Rechtsausübungen zutreffe - wie sie in Fällen einer Forderungsanmaßung gegeben sind - , sei bei „rein negativen" sowie bei „mittelbaren Eingriffen" grundsätzlich ein vorsätzlicher Übergriff zu fordern. Dies gelte namentlich für Einwirkungen auf den Schuldner oder den Forderungsgegenstand, die die Erfüllung unmöglich machen27. Dieser Auffassung kann sich nur anschließen, wer im geltenden Recht einen ausschließlich von der rechtswidrigen Handlung her gedachten Rechtsschutz verwirklicht sieht und zugleich auf das Merkmal „sonstiges Recht" als haftungsbegrenzendes Kriterium, das nur ausschließliche Rechtspositionen dem Schutz des § 823 Abs. 1 BGB unterstellt 28, verzichten will.
3. Berechtigung eines allgemeinen Störungsverbots? Keiner der dargestellten Positionen war zuzustimmen. Zwei Gründe sprechen entscheidend sowohl gegen ein partielles Störungsverbot, das Einwirkungen auf den Schuldner oder den Leistungsgegenstand untersagt, wie auch gegen ein allgemeines Störungsverbot. Zum einen war ein Störungsverbot hinsichtlich fremder Forderungen nach den Motiven zum BGB nicht vorgesehen; die Normen des BGB haben den Forderungsschutz als reinen „Binnenschutz" ausgestaltet29. § 281 BGB versetzt den Gläubiger in die Lage, die vom Schuldner stellvertretend für die unmöglich gewordene Leistung erlangten Ansprüche geltend zu machen; etwa beim Doppelverkauf gehört hierzu auch der Anspruch auf die Gegenleistung30. Diese Norm würde weitgehend leerlaufen, wenn dem Gläubiger unmittelbar ein Anspruch gegen den Dritten zustünde. Ein solcher Außenschutz ist im BGB nur ausnahmsweise verwirklicht. So beim Sukzessionsschutz, den §571 BGB Mietern und Pächtern im Falle einer Grundstücks Veräußerung
26
Siehe Löwisch, a.a.O., S. 68 ff. Dazu Löwisch, a.a.O., S. 77 ff. (insbes. 80 f.), 84 ff. (insbes. 87), 88 ff., 141 ff. 28 S. dazu bereits oben Fn. 17. 29 Vgl. Motive, Bd. II, S. 727. Im 3. Abschnitt - Schuldverhältnisse aus Unerlaubter Handlung - heißt es hierzu: „Wohl kann auch ein Dritter, wenn er in die obligatorischen Rechte eines Anderen schädigend eingreift (z.B. durch Zerstörung des Gegenstandes des obligatorischen Rechtes), dem Anderen zum Schadensersatz verpflichtet werden, aber nur wenn seine Handlung aus einem anderen Grunde als wegen der Schädigung des obligatorischen Rechtes als eine widerrechtliche sich darstellt." 27
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S. nur Palandt/Heinrichs, § 281 Rdnr. 6 m.w.N.
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gewährt 31. Ferner bei der Vormerkung, die gemäß § 883 BGB Ansprüche auf dingliche Rechtsänderung bei Grundstücken umfassend sichert 32. Zum anderen wurde die Notwendigkeit zu einer Rechtsfortbildung, die diese Konzeption des BGB verabschiedet, nicht erkennbar. Schon wenn der „Binnenschutz" greift, ist der Gläubiger nicht schutzlos gestellt. Ferner verbleiben für Fälle einer vorsätzlichen Störung der Vertragsabwicklung durch am Vertragsschluß unbeteiligte Dritte keine eklatanten Schutzlücken. § 826 BGB erfaßt vielfältige Sachverhalte einer gezielten Vertragsstörung. Die Vertragsdurchführung durch „Entzug des Vertragsrechts" zu beenden, den Leistungsgegenstand zu zerstören, oder den Schuldner zum Vertragsbruch zu bestimmen, ist insbesondere dann untersagt, wenn sich dieses Verhalten durch Momente auszeichnet, die es als besonders verwerflich erscheinen lassen33. Diese differenzierende Stellungnahme würde unterlaufen, wenn angenommen wird, daß es Dritten stets untersagt ist, die Leistungserbringung durch den Vertragsschuldner zu beeinträchtigen oder darüber hinaus jedermann verboten würde, fremde Forderungen auf sonstige Weise zu entwerten. Eine derart weitgehende Handlungs- und Freiheitsbeschränkung wäre nicht nur unverhältnismäßig, sondern vielfach auch kontraproduktiv. Dies läßt sich anhand der Unterlassungspflichten verdeutlichen: Was bezogen auf Gesellschafter im Hinblick auf Gesellschaftsverbindlichkeiten als sinnvolle Fragestellung erscheint, kann nicht als allgemein gültig gedacht werden. Die Vorstellung befremdet, jedem Dritten ein Wettbewerbsverbot gegenüber dem vertraglich Berechtigten aufzuerlegen, nur weil das Tätigwerden eines Dritten das Gläubigerinteresse gleichermaßen beeinträchtigt wie ein Zuwiderhandeln des Schuldners und weil für den Gläubiger dadurch zugleich die Sinnhaftigkeit seiner vertraglichen Vereinbarung in Frage gestellt wird. Auch wenn ein langfrister Lieferungsvertrag eines Gesellschaftsgläubigers hierdurch entwertet wird, ist es Dritten gestattet, ein Gut zu entwickeln und zu verkaufen, welches das vom Gesellschaftsgläubiger bezogene substituiert. Ein Dritter kann ferner das für den Gesellschaftsgläubiger nach dessen Ideen hergestellte Produkt nachahmen, solange der Vorgang die Beschaffung der erforderlichen Kenntnisse eingeschlossen - nicht als unlauter im Sinne des UWG oder anderer Verbotsgesetze zu qualifizieren ist.
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Vgl. auch §§ 69 VVG, 613a BGB und 38 WEG, wonach der Rechtsübergang am „Gegenstand", auf den das betreffende Schuldverhältnis in weitestem Sinne bezogen ist, ebenfalls eine Änderung des Kreises der am Schuldverhältnis Beteiligten bewirkt. 32 Zum ganzen vgl. Dörner, Dynamische Relativität, S. 60, 69 f. 33 Vgl. oben Teil 2, Kap. 3, 3.b.
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In solchen Fällen Dritten Handlungsbeschränkungen aufzuerlegen, würde die Entwicklungschancen für Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig behindern. Sind also Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen, die durch Transaktionen auf einem funktionsfähigen Markt vermittelt werden 34, gewinnen die Fragen bezogen auf den Gesellschafter Berechtigung und Brisanz erst dadurch, daß er der Gläubigerforderung nicht gleichermaßen fern steht wie andere Dritte; im weitesten Sinne gehört der Gesellschafter zum „Lager" des Schuldners, weshalb der Verdacht einer - in untechnischem Wortsinn - „Vertragsumgehung" auftaucht, wenn er etwa Handlungen vornimmt, die der Gesellschaft untersagt sind. Nicht in der begrifflichen Deduktion 35 , wohl aber in seiner grundsätzlichen Wertung ist Krasser zuzustimmen: „Wenn die Vertrags Wirkungen auf die Parteien beschränkt bleiben, so deshalb, weil nur diese sich gebunden, ihre Handlungsfreiheit begrenzt haben. Dritte sollen sich ebenfalls frei entscheiden können, ob sie ihre Handlungsfreiheit beschränken wollen; gehen sie keine Bindung ein, so behalten sie nicht nur weiterhin diese Entscheidungsfreiheit, sondern auch ihre Handlungsfreiheit in dem Bereich, auf den sich ein Vertragsschluß hätte beziehen müssen"36. Ein jedermann treffendes Störungsverbot hinsichtlich fremder Forderungen existiert demnach nicht. Ob für den Gesellschafter als Mitglied des Schuldners gegenüber den Gesellschaftsgläubigern Besonderheiten gelten, wird im folgenden Kapitel erörtert.
Kapitel 2
Begründung einer Pflicht der Gesellschafter, die Gläubigerforderung nicht zu entwerten Unter 1. wird untersucht, auf welcher Rechtsgrundlage das durch die §§ 145 ff. BGB, 826 BGB und 242 BGB - Fallgruppe venire contra factum proprium - gespannte Netz, das die Fälle eines Vertragsschlusses zwischen Gesellschafter und Gläubiger, besonders anstößige Beeinträchtigungen und besondere Konstellationen bewußt geweckter Erwartungen erfaßt, ergänzt werden kann. In Ziff. 2 wird überlegt, welche Arten von Verbindlichkeiten 34 S. dazu auch oben Teil 2, Kap. 2, l.a unter dem Stichwort »Verträge mit Lastwirkungen gegenüber Dritten'. 35 Er leitet seinen Standpunkt aus dem Relativitätsgrundsatz ab. 36 Siehe Krasser, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter, S. 299.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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einer Erstreckung zugänglich sind. Der 3. Abschnitt erörtert die Erstreckungsvoraussetzungen in der Person des Gesellschafters. In Ziff. 4 geht es um die Erzwingbarkeit der Pflichten, die dem Gesellschafter gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger obliegen.
1. Der Geltungsgrund der Respektpflicht Hier ist zunächst zu ermitteln, welche Besonderheiten im Tatsächlichen das Verhältnis des Gesellschafters zum Gesellschaftsgläubiger im Vergleich zu dessen Beziehung mit anderen „Dritten" auszeichnet (s. a.). Die Abschnitte b. und c. wollen klären, ob einem Gesellschafter aufgrund seiner über die Gesellschaft hergestellten indirekten Verbindung zum Gesellschaftsgläubiger aus § 242 BGB Pflichten erwachsen können.
a) Besonderheiten in der Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger Die Sachverhalte, in denen Gesellschafter Forderungen der Gesellschaftsgläubiger konterkarieren, weisen z.T. Besonderheiten auf: Die durch ein Handeln des Gesellschafters beim Gläubiger verursachbaren Beeinträchtigungen sind selten „unvermittelt". So können dem Gesellschafter solche Geschäftsgeheimnisse des Gesellschaftsgläubigers - etwa besondere Produktionsverfahren, Kundenbeziehungen und ähnliches - während der Vertragsabwicklung durch die Gesellschaft bekannt werden, die er auch außerhalb der Gesellschaft verwerten kann. Der Gesellschafter kann Kenntnisse der Schuldnergesellschaft, die diese geheimzuhalten sich verpflichtet hat (Verzicht auf Produktion und Vertrieb neu entwickelter Güter im Gläubigerinteresse, keine Weitergabe der Rezepturen an Dritte etc.) in gleicher Weise wie die Gesellschaft selbst zum Schaden des Gläubigers nach außen tragen und im Rechtsverkehr verwenden. Das Interesse daran, einer Alleinbezugsverpflichtung der Gesellschaft durch Aufnahme einer eigenen Produktion zu entgehen, dürfte zumeist mit darauf gründen, daß dem Gesellschafter diese Geschäftstätigkeit in den Einzelheiten ihrer Abwicklung wie in ihren Chancen aus der Tätigkeit der Gesellschaft vertraut ist; jedenfalls werden diese Kenntnisse hier ein eigenes Tätigwerden des Verbandsmitglieds wesentlich erleichtern, wenn nicht gar erst ermöglichen. Ebenso ist es für einen Gesellschafter näherliegend als für einen außenstehenden Dritten, einem Wettbewerbsverbot der Gesellschaft zuwiderzuhandeln: Er weiß eben, wie man das betreffende Gewerbe betreibt. Die Liste der Beispiele ließe sich weiter fortsetzen.
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Den spezifischen Einflußmöglichkeiten des Gesellschafters in der Gesellschaft - wie sie insbesondere bei persönlicher Mitarbeit und Geschäftsführereigenschaft gegeben sind - korrespondieren spezielle Handlungsmöglichkeiten aus der Gesellschaft. Aufgrund seiner Tätigkeit im Unternehmen, über seine Informationsrechte als Verbandsmitglied oder durch persönliche Kontakte zu im Betrieb arbeitenden Personen ist ihm Wissen der Gesellschaft zugänglich. Nicht nur in dem oben genannten Beispiel, in dem der Gesellschafter vom Gläubiger selbst überlassenes Geheimwissen ausnutzt, gefährdet er die durch den Vertragsschluß mit dem Verband verfolgten Gläubigerinteressen. Auch in den übrigen Fällen, in denen sich der Gesellschafter beim Verband vorhandenes Sonderwissen zu eigen macht, ist der Sinn des Vertragsabschlusses mit der Gesellschaft aus Gläubigersicht in Frage gestellt. Beide Konstellationen zeichnen sich dadurch aus, daß bei der Gesellschaft verfügbare Kenntnisse, die zugunsten des Gläubigers vertraglich gebunden waren, vom Gesellschafter gläubigerschädigend eingesetzt werden. Der Gesellschafter macht sich dieses Wissen zweimal dienstbar; einmal über die Gesellschaft, und einmal in Person. Man könnte schlagwortartig von einer nochmaligen Verwendung oder Doppelverwertung von Ressourcen sprechen, die im Verhältnis Gesellschaft und Gläubiger letztgenanntem zugewiesen wurden. Dieser Gedanke sei am Beispiel eines Wettbewerbs Verbotes verdeutlicht, das die Gesellschaft gegenüber ihrem Gläubiger eingegangen ist: Sind die zum Wettbewerb befähigenden Kenntnisse der Gesellschaft zugleich beim Gesellschafter vorhanden, und wollten die Parteien mit der vertraglichen Vereinbarung ein wirksames Ausschlußrecht hinsichtlich dieses Wissens begründen, ist aus ihrer Sicht das gehandelte („verkaufte") Gut nicht (nur) die Bindung der Gesellschaft - also die Handlungsbeschränkung eines Rechtsträgers - sondern (auch) das Wissen der Gesellschaft, das gerade dazu in die Lage versetzte, die unerwünschte Handlung vorzunehmen. Kennzeichnend für das Verhältnis von Verbandsmitglied und Verbandsgläubiger ist nicht nur dieses besondere Vermögen des Gesellschafters, anfällige Gläubigerforderungen entwerten zu können. In solcher „Gefährdungslage" kann sich der Gläubiger etwa auch gegenüber einem Angestellten der Gesellschaft befinden. Die andere Komponente ist das über die Gesellschaft hergestellte besondere Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger: Die Verbandsmitglieder sind nicht nur - wie auch Arbeitnehmer oder Zulieferer und Abnehmer der Gesellschaft - über ihr Rechtsverhältnis zu dem Vertragspartner Gesellschaft mittelbar auch mit deren Gläubigern und Schuldnern verbunden. Schon dies individualisiert ihre Beziehung zu den Gesellschaftsgläubigern ex ante - also vor einem schädigenden Verhalten und hebt diese so von einem „reinen" Zufallskontakt ab. Darüber hinaus ist die Gesellschaft Instrument in der Hand der Gesellschafter zur Verwirk-
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lichung deren Ziele 37 . Die Gesellschafter bestimmen den Gesellschaftszweck. Die im Rahmen des Unternehmensgegenstandes getätigten Geschäftsabschlüsse des Verbandes sind Ausdruck dieser Zielverfolgung. Ein Gesellschaftsmitglied partizipiert unmittelbar an den Vor- und Nachteilen, die aus einem Geschäftsabschluß resultieren. Damit schafft der Vertragsschuß des Verbandes aus Sicht der Gesellschafter eine gezielte Interessenverknüpfung zwischen ihnen und dem Gesellschaftsgläubiger, die etwa bei Arbeitnehmern oder Geschäftspartnern der Gesellschaft fehlt. Dieser Umstand - im weitesten Sinne ist die Gesellschaft unter diesem Blickwinkel „alter ego" der Gesellschafter in ihrer Gesamtheit - gibt der Vertragskette zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger im Vergleich zu den anderen genannten eine besondere Qualität, die als besonderes Nähe Verhältnis bezeichnet werden kann. Bezogen auf unser Beispiel eines Wettbewerbsverbots der Gesellschaft ist zu fragen, weshalb den Gesellschaftern das zu wirksamem Wettbewerb befähigende Wissen zu eigener Nutzung verblieben sein sollte, nachdem sie hierfür bereits über die Gesellschaft Geld eingenommen haben. Aufgrund dieser Umstände bestehen Bedenken dagegen, dem Gesellschafter im skizzierten Bereich eine „Doppelverwertung" der Gesellschaftskenntnisse zu gestatten, wenn nicht der Gläubiger zuvor die Handlungsbefugnis des Gesellschafters konsentiert hat. Die aufgezeigten Besonderheiten einer Gefährdung der Interessen der Verbandsgläubiger durch die Gesellschafter, die der vom Vertragspartner ausgehenden Gefährdung ähnelt, bei gleichzeitiger gesteigerter Interessenverknüpfung, heben den „Gesellschafter-Dritten" vom „Jedermann-Dritten" ab. Wer diesem Unterschied für die rechtliche Beurteilung Relevanz zusprechen will, ist gehalten, für die Frage, ob Vertragsrechte dem Vertragsgläubiger nach der Rechtsordnung auch mit Wirkung gegenüber Dritten zugewiesen sind, innerhalb der Kategorie der Dritten weiter zu differenzieren. War oben festzuhalten, daß mit dem Vertrag als Geltungsgrund nur der Vertragspartner selbst zur Erbringung der Leistung verpflichtet wird, wäre für die gesetzliche Bewahrungspflicht vom Dualismus Vertragspartner-Dritter abzurücken. Der Gesellschafter als „Zwischenperson" träte hinzu. Er wäre einerseits nicht vertraglich in Person gebunden, andererseits aber durch die Pflicht, auf die Gläubigerforderung Rücksicht zu nehmen, in seiner Handlungsfreiheit zugunsten des Vertragspartners der Gesellschaft in stärkerem Maße beschränkt als »jedermann". Nach dem bisher Gesagten nimmt das Gesetz diese Unterscheidung nicht auf, allerdings ohne dabei dem Gesellschaftsgläubiger Ansprüche bewußt zu
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versagen 38. Ob eine solche Respektpflicht auf § 242 BGB gestützt werden kann, ist Gegenstand der beiden folgenden Abschnitte.
b) Mittelbares rechtsgeschäftliches Band als „Sonderverbindung" im Sinne des § 242 BGB? Nach Wortlaut („Der Schuldner ist verpflichtet ...") und systematischer Stellung (zu Beginn des allgemeinen Teils des Schuldrechts) sind Treu und Glauben als „Treue zum Wort" und die „Verpflichtung, »gläubigem4 Vertrauen zu entsprechen" 39, Verhaltensmaßstab nur für die an einem Schuldverhältnis Beteiligten 40 . Das Erfordernis einer herausgehobenen Beziehung zwischen Schuldner und Gläubiger erlaubt, die mit § 826 BGB fixierte Rücksichtnahme von der nach § 242 BGB geschuldeten abzugrenzen. § 826 BGB hebt dann auf die allgemein, in der Jedermanns-Beziehung zu verlangende Loyalität, § 242 BGB auf eine durch individuelle Partnerbindung gesteigerte Interessenverknüpfung ab, woraus stärker auf den Einzelfall bezogene und in der Regel strengere Verhaltensanforderungen resultieren werden 41. Mit der Funktion, „Zufallskontakte" auszuscheiden, wäre es vereinbar, für eine „rechtliche Sonderverbindung" 42 Partnerbindungen genügen zu lassen, die schwächer sind als etwa direkte vertragliche oder gesetzliche Verbindungen. Angesichts der eher beschreibenden, denn begrifflichen und zudem dem Einzelfall verhafteten Abgrenzungsversuche sind jedoch nur wenige verläßliche Aussagen möglich: 38
Die oben Fn. 29 referierte Aussage der Motive ist auf das Problem eines allgemeinen Drittschutzes von Forderungen beschränkt. 39 Siehe Gernhuber, JuS 1983, 764. Etwas allgemeiner formuliert Wieacker, Zur rechtstheoretisehen Präzisierung des § 242 BGB, S. 20 Fn 39: „Rechtstugenden des Worthaltens, der Verläßlichkeit, und Loyalität". 40 Daß die Norm entgegen ihrer Formulierung auch den Gläubiger bindet, entspricht allg. Meinung, s. nur Soergel ! Teichmann, § 242 Rdnrn. 4, 29. 41 Das Erfordernis einer Sonderverbindung bejahen - bei Unterschieden im Detail u.a. Teichmann, a.a.O., Rdnrn. 30 f.; Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 6; MK/Roth, § 242 Rdnrn. 55 f.; Nirk, FS Stimpel, S. 443, 458; Staudinger /Schäfer, § 826 Rdnr. 18; RGRK/Steffen, § 826 Rdnr. 12; Jauernig/Vollkommer, § 242 Anm. 3 a, und Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 10 I, S. 128. Aus der Rspr. s. RGZ 160, 349, 357; BGHZ 95, 285, 288; BFH NJW 1990, 1251. Ablehnend Staudinger/J. Schmidt, § 242 Rdnrn. 113 ff., der davon ausgeht, daß die weitreichende Geltung des § 242 BGB insbes. auch im öffentlichen Recht mit einer Sonderverbindung als Voraussetzung nur unter weitestgehender Entleerung des Begriffes aufrechtzuerhalten sei, wobei er jedoch nicht plausibel macht, weshalb die Anwendungsvor. auch in anderen Rechtsgebieten notwendig identisch sein müssen. Zweifelnd Medicus, Schuldrecht I, § 16 II 3. Offengelassen von BGHZ 102, 95, 102. 42
So der gebräuchliche Terminus.
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Die Anwendung des § 242 BGB erfordert nicht, daß bereits eine gesetzliche oder vertragliche Verbindung existiert. Auch wenn der Vertrag das praktisch wichtigste Beispiel einer rechtlichen Sonderverbindung darstellt, setzt eine rechtliche Sonderverbindung weder eine Verpflichtung zur Leistungserbringung noch das Verfolgen eines Vertragsschlusses voraus 43. Die durch ein unwirksames Vertragsverhältnis oder Vertragsverhandlungen geschaffenen Beziehungen werden als geeignete Grundlage einer Anwendung des § 242 BGB angesehen44, mit der Folge, daß erst § 242 BGB /tec/itebeziehungen zwischen den zuvor unverbundenen Beteiligten herstellt 45. Der Intensität des sozialen Kontakts wird besondere Bedeutung beigemessen46. Dabei kommt vorliegend als Anknüpfungspunkt sowohl ein tatsächlicher, unmittelbarer Kontakt zwischen Gesellschafter und Gläubiger, als auch die zwischen ihnen durch die Verbandsmitgliedschaft hergestellte indirekte Verbindung in Betracht. Würde ein tatsächlicher Kontakt zwischen den potentiellen Teilnehmern einer Sonderverbindung als unverzichtbar angesehen, könnten die Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern der GmbH nur aufgrund einer Beteiligung an den Vertragsverhandlungen 47 oder wegen ihrer Einschaltung in die Vertragsabwicklung verpflichtet sein. Teils werden jedoch auch mittelbare, rechtsgeschäftlich vermittelte Kontakte für ausreichend erachtet 48. So besteht über die Mitgliedschaft und den Vertragsschluß der Gesellschaft auch ein rechtliches Band zwischen dem Verbandsgläubiger und dem Gesellschaftsmitglied. Mit jeder durch einen Dritten hergestellten rechtsgeschäftlichen Verklammerung entsteht notwendig ein individueller Bezug unter den Beteiligten, der ihr Verhältnis vom Zufallskontakt abhebt. Dies gilt für eine Vertragskette 43 Überzeugend Picker, AcP 183 (1983), 369, 490 ff. unter Nachweis, daß „konsensuales Denken" aus Sicht des BGB wie seiner Verfasser Berechtigung und Gültigkeit nur besitzt hinsichtlich der Verpflichtung „fremdes Vermögen aufzustocken", nicht aber hinsichtlich des Schutzinteresses einer Person, mit der in Kontakt getreten wurde. 44 Hierüber besteht weitgehend Einigkeit; s. nur Palandt /Heinrichs, § 242 Rdnr. 6, und MK ! Roth, § 242 Rdnr. 54 m.w.N. 45 In der Tendenz anders etwa die Entscheidung RGZ 160, 349, 357, in der das Reichsgericht verlangte, „daß noch irgendwelche Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien bestehen". 46
Nach MK/Roth, § 242 Rdnr. 56 genügt ein (irgendwie) „qualifizierter sozialer Kontakt". Ebenso Palandt /Heinrichs, § 242 Rdnr. 6, und Jauernig / Vollkommer, § 242 Anm. 3 a. 47 Zur Eigenhaftung der Gesellschafter aus c.i.c. bereits oben Teil 2, Kap. 3, 2. 48 Siehe Soergel / Teichmann, § 242 Rdnrn. 33 f.
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über denselben Leistungsgegenstand, wie sie bei abgekürzter Lieferung oder im Verhältnis von Vermieter, Mieter und Untermieter besteht. Gleichermaßen trifft dies zu für sternförmige Konstellationen, wie sie bei Arbeitnehmern durch den zwischengeschalteten Arbeitgeber, oder für die Gesellschafter untereinander über die Gesellschaft gegeben sind. Als dritte Gruppe von Verträgen, die eine mittelbare rechtsgeschäftliche Verbindung begründen, sind solche Verträge zu nennen, die ein System herstellen, wie dies etwa für die Verträge zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer und letzterem mit dem Abnehmer der Fall ist 49 . Bei weitem Verständnis in diesen Kontext einzuordnen ist auch unser Beziehungsdreieck Gesellschafter-Gesellschaft Verbandsgläubiger. Inwieweit bei Existenz solcher mittelbarer Beziehungen zusätzliche, die Anwendung des § 242 BGB begrenzende Kriterien erforderlich sind und worin diese bestehen sollen, bleibt in der bisherigen Diskussion undeutlich: Der BGH hatte zu prüfen, ob ein Werkunternehmer vom Gesellschafter und Grundstückseigentümer, der nicht Auftraggeber war, gem. §§ 648, 242 BGB die Einräumung einer Sicherungshypothek verlangen kann. Nach Auffassung des BGH waren hier zwischen Bauhandwerker und Gesellschafter durch die Grundstücksarbeiten jedenfalls deshalb „irgendwelche Rechtsbeziehungen" begründet worden, weil diese Arbeiten von der Gesellschaft in Ausübung einer gegenüber dem Gesellschafter-Eigentümer bestehenden vertraglichen Befugnis veranlaßt worden waren 50. Damit wurde auf ein über die Mitgliedschaft hinausgehendes rechtsgeschäftliches Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abgehoben, das zudem inhaltlich auf das zwischen Gesellschaft und Drittem abgeschlossene Rechtsgeschäft bezogen war. Auch die Entscheidungen, die von einer Sonderverbindung zwischen Arbeitnehmern desselben Betriebes ausgehen, lassen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die rechtliche Behandlung des Verhältnisses zwischen Gesellschafter und Gläubiger zu. Wenn die Interessen von Arbeitnehmern desselben Betriebes oder Mitgliedern desselben Verbandes nicht schon durch eine weitgehende Interessenparallelität gekennzeichnet sein sollten - was für Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger keinesfalls gesagt werden kann - , so sind sie jedenfalls gleichermaßen einem einheitlichen Ganzen zugehörig. Diesen Umstand betont die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, wenn sie den „Ge49
Auch die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfolgt in einem vertraglichen „Netz"; zu den Folgerungen, die hieraus für Schutzpflichten zwischen den nur mittelbar vertraglich verbundenen Beteiligten zu ziehen sind, s. Möschel, AcP 186 (1986), 187, 217 ff. 50 S. BGHZ 102, 95, 102, wobei zum Erfordernis einer rechtlichen Sonderverbindung im Hinblick auf diese Rechtsbeziehungen bewußt nicht Stellung genommen wurde.
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danken der Betriebsgemeinschaft als Rechtsgrundlage heranzieht", „die Arbeit im gleichen Betrieb" als „Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitnehmer untereinander ... mit gewissen Rechtsfolgen" ausstattet und aus dieser „Verbundenheit der Arbeiter des Betriebes untereinander" auf besondere Pflichten zur Rücksichtnahme schließt51. Eine Entscheidung des BGH, die die Rücksichtnahmepflichten von Aktionären untereinander zum Gegenstand hatte, enthält sich vollständig einer solchen „wir sitzen alle in demselben Boot"Rhetorik, die auf einer wenig faßbaren Vorstellung von persönlicher „Treue" fußt; dieses Urteil hebt wesentlich auf die innere Struktur der Gesellschaft und die Möglichkeit des Mehrheitsgesellschafters, die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter durch Einfluß auf die Geschäftsführung zu beeinträchtigen, ab 52 . Das im Zusammenhang mit diesen Entscheidungen in der Literatur entwikkelte Unterscheidungsmerkmal, inwieweit die Beteiligten „entsprechend dem Vertragsbild ihre individuellen Interessen koordinieren oder ausgleichen"53, erscheint mir - bezogen auf unsere Sachverhalte - wenig aussagekräftig. Als Fazit ist festzuhalten, daß eine Anwendung des § 242 BGB eine besondere Beziehung zwischen den Beteiligten voraussetzt. Ausgehend von dem dargestellten Meinungsstand treffen den Gesellschafter aber nicht ohne weiteres - also nur aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Verbindung zum Schuldner - in Person Pflichten gegenüber dem Gläubiger. An eine indirekte Vertragsbeziehung, aus der über das Deliktsrecht hinausgehende Bindungen resultieren sollen, sind zusätzliche Anforderungen zu stellen. Andernfalls könnte schon Personen, die nur in einer ganz entfernten Beziehung zueinander stehen und gar nichts voneinander wissen - wie zum Beispiel zwei Lieferanten derselben Gesellschaft - , besondere Pflichten auferlegt werden.
51 So BAG (Gr. Sen.) 5, 1, 16 f., im Zusammenhang der Frage, inwieweit ein Arbeitnehmer, der durch eine fahrlässige unerlaubte Handlung den Arbeitsunfall eines anderen Arbeitnehmers desselben Betriebes verursacht hat, diesem auf Schadensersatz haftet (vgl. dazu nunmehr § 637 RVO). 52 S. BGHZ 103, 184, 195; dazu nachfolgend unter c.aa. 53 So Soergel / Teichmann, § 242 Rdnr. 34, der neben einer mittelbaren rechtsgeschäftlichen Verbindung stets ein weiteres Differenzierungskriterium für erforderlich hält.
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c) Besondere Interessenverknüpfung und Interessengefährdung als zusätzliche adressatenreduzierende Kriterien Hier können nicht allgemein die für eine „Sonderverbindung" maßgeblichen Kriterien aufgedeckt werden 54. Für den Nachweis systemgerechter Gestaltung muß in unserem Zusammenhang genügen, daß die Begründungselemente einer Respektpflicht in wertungsmäßig vergleichbarem Kontext anerkanntermaßen zur Begründung von Loyalitätspflichten über § 242 BGB führen. aa) Den normativen Kriterien „Gefährdungsmöglichkeit" und „Näheverhältnis", die das Verhältnis von Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger kennzeichnen, kommt auch in anderen Fällen einer Begründung von Pflichten auf Grundlage des § 242 BGB Bedeutung zu: Diese beiden Kriterien sind entscheidend für die Anerkennung einer TreuePflicht zwischen GmbH-Gesellschaftern und unter Aktionären. Nachdem der BGH bei der Anerkennung von Loyalitätspflichten zwischen den Mitgliedern einer GmbH unter anderem noch darauf abgestellt hatte, „daß bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Ausgestaltung, Organisation und wirtschaftliche Betätigung häufig in erheblichem Maße dem unmittelbaren Einfluß ihrer Gesellschafter unterliegen, und ihre Struktur daher der Personengesellschaft stark angenähert sein kann" 55 , macht die nunmehr für die AG gegebene Begründung Anleihen bei den Personengesellschaften wie auch den Rückgriff auf eine schuldrechtlich verfestigte Beziehung zwischen den Verbandsmitgliedern entbehrlich 56. In der zentralen Passage heißt es: „Demgegenüber ist mit dem neueren Schrifttum ... anzuerkennen, daß auch das Verhältnis der Mitglieder einer Korporation untereinander den Charakter einer Sonderver54 Erschwert würde ein solches Unterfangen schon dadurch, daß das Tatbestandsmerkmal in den verschiedenen Zusammenhängen der unterschiedlichen Rechtsbereiche, in denen es Bedeutung erlangt, nicht unbedingt identisch zu fassen ist. 55 S. BGHZ 65, 15, 18 f. Allerdings wurde auch dort bereits daneben auf die Möglichkeit der Gesellschaftermehrheit abgestellt, „durch Einflußnahme auf die Geschäftsführung die (gesellschaftsbezogenen) Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen". S. ebd. S. 19. Rücksichtspflichten der Mehrheit gegenüber der Minderheit bei der Stimmrechtsausübung wurden bereits vom RG bejaht; s. RGZ 132, 149, 161 f. 56 Einen Überblick über die verschiedenen denkbaren Ansatzpunkte zur Begründung einer Treuepflicht gibt K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1. Vgl. zu Versuchen, aus gesetzlichen Normen (§§24 und 31 Abs. 3 GmbHG) auf die Existenz eines Gemeinschafts Verhältnisses zu schließen, das weitere mitgliedschaftsrechtliche Bindungen schafft, Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 272 ff. m.w.N. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 ff. rekurriert demgegenüber auf eine durch die Satzung vermittelte „organisationsrechtliche Sonderverbindung".
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bindung haben kann. Auch bei der Aktiengesellschaft hat ein Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit, durch Einflußnahme auf die Geschäftsführung, die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, so daß auch hier als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern ist, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen"57. Hier geht die besondere Schädigungsmöglichkeit mit der Mitgliedschaft einher; das gilt gleichermaßen für die mit der Respektpflicht zu beantwortenden Problemlagen. Ein Unterschied besteht lediglich in der Art der Interessenverbindung. Die gemeinsame Interessenverfolgung in der Gesellschaft schafft gewöhnlich eine Interessenparallelität unter den Mitgliedern 58 , während sie zum Gesellschaftsgläubiger mit seinen im Ansatz gegenläufigen Interessen eine Interessenverknüpfung herstellt. Jeder ist zur Verwirklichung seines Interesses auf die Teilnahme des jeweils anderen am Schuldverhältnis angewiesen: Der Gesellschaftsgläubiger, um „sein" Geschäft zu machen; für den Gesellschafter ist die Geschäftstätigkeit des Verbandes allgemein Mittel zur Umsetzung des mit der Gesellschaft verfolgten Zwecks. Daß Pflichten zur Rücksichtnahme nicht nur bei einem Näheverhältnis Platz greifen, das durch Interessengleichrichtung gekennzeichnet ist, zeigt anschaulich schon die breite Palette gesetzlicher Nebenpflichten zwischen den Vertragspartnern eines Austauschvertrages. Auch die Dritthaftung aus c.i.c. aufgrund eines besonderen Eigeninteresses des Stellvertreters ist auf dieselbe Begründungsstruktur rückführbar: Im Bereich der Aufklärungs- und Hinweispflichten tritt die „Gefährdung" des Geschäftspartners im Sinne einer Angewiesenheit auf lauteres Verhalten des Stellvertreters besonders deutlich hervor 59 . In der Regel besteht ein tatsächlicher Kontakt nur mit dem Stellvertreter. Von ihm hängt es ab, ob die erforderliche Information gegeben oder vorenthalten wird. Mit dem Erfordernis eines besonderen Eigeninteresses wird wiederum eine besondere Interessenverknüpfung zur zweiten Voraussetzung eines Anspruchs erhoben. Gefährdungspotential und Näheverhältnis sind somit auch hier die auf allgemeiner Ebene maßgeblichen Gesichtspunkte.
57
So BGHZ 103, 184, 195 = JZ 1989, 443, 446 mit zust. Anm. Wiedemann. Ein Interessengegensatz in anderen Punkten - etwa der Gewinnverteilung - ist hierdurch nicht ausgeschlossen. Insoweit wäre es verkürzt, die Gesellschaft unter Überbetonung des Moments der Interessengleichrichtung in strikten Gegensatz zum Austauschvertrag zu stellen. 59 Die mit der Aufnahme geschäftlichen Kontakts einhergehenden besonderen Gefährdungsmöglichkeiten sieht MK/Roth, § 242 Rdnr. 201 f. auch für die vorvertraglichen Schutzpflichten als maßgeblichen Grund einer Haftung an. 58
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Daß das allgemeine Interesse des Gesellschafters am Geschäftserfolg seiner Gesellschaft als Voraussetzung speziell für eine Eigenhaftung aus c.i.c. nicht genügt, liegt in Besonderheiten der rechtsgeschäftlichen Vertretung einer juristischen Person begründet. Die juristische Person ist selbst nicht handlungsfähig. Nimmt ein Gesellschafter diese Organfunktion wahr, würde dem Gläubiger bei an sich folgerichtiger Bejahung eines Eigeninteresses automatisch ein zweiter Schuldner zuwachsen, was mit der Schaffung einer organschaftlichen Vertretung und der Zulassung der Selbstorganschaft nicht beabsichtigt war 60 . bb) Eine grundsätzliche Pflicht des Gesellschafters zur Rücksichtnahme gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger fügt sich in die aufgezeigten Erklärungsmuster ein: Zwischen Stellvertreter und Vertragspartner, zwischen Aktionären und zwischen Gesellschafter und Verbandsgläubiger sind die Partnerbeziehungen von vornherein „individualisiertBei der Stellvertretung wird die Vereinzelung durch den tatsächlichen Kontakt der Beteiligten bewirkt. Das Verhältnis der Gesellschafter untereinander wie auch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern hebt sich durch die im Verband zusammenlaufenden Vertragsbeziehungen von Zufallskontakten ab. Ferner besteht in allen 3 Fällen eine in zweifacher Hinsicht gesteigerte Partnerbindung. Das Erfordernis einer besonderen Interessenverknüpfung (bzw. eines Näheverhältnisses) stellt sicher, daß Bindungen nur begründet werden, wo das Bestehen von Pflichten auch für die Beteiligten zumindest naheliegt. Der Kontakt zum potentiellen Gläubiger wird im Kern im Interesse auch des potentiellen Schuldners und zuweilen gar auf dessen Veranlassung hergestellt: Indem sich der Gesellschafter mit Gesellschaftsgründung oder Beitritt für eine partiell gemeinsame Interessenverfogung mit seinen Mitgesellschaftern entscheidet, anerkennt er den Gesellschaftszweck und fördert die Geschäftstätigkeit des Verbandes, in deren Rahmen die Gläubigerforderungen begründet werden. Bei der Stell Vertreterhaftung wird die Interessen Verflechtung mit 60
Dies rechtfertigt, strengere Maßstäbe an das Eigeninteresse eines organschaftlich bestellten Gesellschafter-Geschäftsführers und - im Wege der Gleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte - auch der sonstigen Gesellschafter-Stellvertreter zu stellen. Anstatt zugunsten des Repräsentationsprinzips gänzlich auf eine Gesellschafterhaftung aus c.i.c. zu verzichten - diese wäre eine andere Alternative gewesen - , wird so eine persönliche Einstandspflicht an die gesteigerte Gefahr einer Zuwiderhandlung geknüpft. Mit größerem Eigeninteresse steigt auch die Gefahr, den Geschäftspartner um des eigenen Vorteils willen unzutreffend zu informieren, sodaß sich die verbleibende Haftung auch sachlich rechtfertigen läßt. Zum ganzen s.a. oben Teil 2, Kap. 3, 2. a.bb.
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dem Merkmal des Eigeninteresses zur Voraussetzung eines Anspruchs erhoben. Das Kriterium einer besonderen Gefährdungsmöglichkeit kraft Status oder wahrgenommener Funktion läßt Pflichten nur dort entstehen, wo sie zur Vermeidung vorhersehbarer und naheliegender Schädigungen erforderlich sind. Diese Begrenzung trägt dazu bei, bei Sachverhalten, in denen zwischen den Beteiligten kein Schuldverhältnis im engeren Sinne besteht, über § 242 BGB Pflichten nur in Fällen eines evidenten Bedarfs zu begründen. Zu den genannten Voraussetzungen tritt hinzu, daß eine Gefährdung der Belange des Berechtigten für den Verpflichteten in der Regel erkennbar ist 61 . Die Vertragspartner der Gesellschaft, die einzelnen vertraglichen Vereinbarungen, sowie die mit ihnen verknüpften Gläubigerinteressen werden dem Gesellschafter, der sich nicht um die Gesellschaftstätigkeit kümmert, unter Umständen zwar nicht präsent sein. Doch sind diese Bindungen für ihn eine entprechende Erkundigungsmöglichkeit bei der Gesellschaft vorausgesetzt62 - ermittelbar und in diesem engeren Sinne offenkundig. Anders als dies bei einer entsprechenden Pflicht für Dritte der Fall wäre, ist die mit der Respektpflicht einhergehende Beschränkung der Handlungsfreiheit der Gesellschafter somit „überschaubar" in einer doppelten Weise: Erstens ist die Anzahl potentieller Gläubiger beschränkt und durch das Betätigungssfeld der Gesellschaft vorab fixiert. Zweitens kann sich der Verpflichtete regelmäßig Kenntnis von der Person seines Gläubigers und dem Inhalt seiner Verpflichtung verschaffen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, nach der ein Gesellschafter aufgrund seiner über die Gesellschaft hergestellten vertraglichen Verbindung zum Gesellschaftsgläubiger Rücksichtnahme auf dessen Forderungen schulden kann, weil er insofern ein besonderes Störpotential besitzt und er zudem in einem besonderen Näheverhältnis zum Gesellschaftsgläubiger steht63, bleibt zu bestimmen, wann ein solches Verhalten des Gesellschafters, das die Gläubigerforderung entwertet, Treu und Glauben widerspricht. Denn nur ein treuwidriges Verhalten ist gem. § 242 BGB untersagt. 61 Zu diesbezüglich erforderlichen Präzisierungen, die eine Beschränkung des Kreises der Verpflichteten zur Folge haben s.u. 3.a. 62 Neben informellen Möglichkeiten steht ihm das vom Gesetzgeber weit ausgestaltete und nicht entziehbare Informationsrecht des § 51 a GmbHG zu Gebote. Dessen Grenzen sind im Detail umstritten, dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 4, S. 866 ff. 63 Für denjenigen, der demgegenüber eine allgemeine, grundsätzlich für jeden gültige Nichtstörungspflicht für begründbar hält, können die aufgezeigten Kriterien zu einer Begrenzung dieser zu weitreichenden Handlungsbeschränkung auf ein vertretbares Maß dienen.
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2. Inhalt der Loalitätspflichten des Gesellschafters nach Treu und Glauben — Arten der zu erstreckenden Verbindlichkeiten Geboten ist, was Treu und Glauben fordern. Zur Begründung einer „Respektpflicht" muß benannt werden, warum und wann es einer gültigen Redlichkeitserwartung widerspricht, wenn der mit der Gesellschaftsverbindlichkeit bezweckte Erfolg durch Handlungen des Gesellschafters beeinträchtigt oder gefährdet wird. Dabei kann nicht von einem allgemeinen Verbot des Inhalts ausgegangen werden, daß es den Gesellschaftern generell untersagt sei, die Gläubigerforderung zu entwerten. Dies implizierte eine übermäßige Beschränkung der Handlungsfreiheit des Gesellschafters. Mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft würde so auch dort über die Privatsphäre der Gesellschafter disponiert, wo deren Einbindung im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Gesellschaft oder aus Sicht der abzuwickelnden Transaktion als verzichtbar erscheint. Das Maß einer Gefährdung der Gläubigerinteressen wird bestimmt unter anderem vom konkreten Inhalt der Gesellschaftsverbindlichkeit. Ferner kann die Struktur der Gesellschaft und die Stellung des Gesellschafters auf die Intensität der Beziehung von Gläubiger und Verbandsmitglied zurückwirken. Dieser Befund deckt sich mit dem für § 242 BGB allgemein anerkannten Erfordernis einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall; das Interesse der Gläubiger an einer „Sicherung" ihrer Forderung und das Interesse der Gesellschafter an einer Freihaltung ihrer Privatsphäre sind in die Abwägung aufzunehmen. Von daher kann eine Verpflichtung des Gesellschafters nur dort angenommen werden, wo sich aus Treu und Glauben eine spezielle, konkrete Verhaltenserwartung ableiten läßt. Bei welchen Gesellschaftsverbindlichkeiten eine solche Verhaltenserwartung besteht, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Die Erstreckungsvoraussetzungen „in der Person der Gesellschafter" werden gesondert erörtert 64; daß sie vorliegen, wird hier unterstellt. Trifft zu, daß die Rechtsordnung die Handlungsfreiheit des Gesellschafters in Sonderfällen beschränkt, um die Forderung des Gesellschaftsgläubigers als Teil seines Rechtsgüterbestandes zu schützen, können dem Gesellschafter im Ausgangspunkt nur Unterlassungspflichten auferlegt werden. Diese Begrenzung rechtfertigte sich im Zusammenspiel dogmatischer und sachlicher Erwägungen, die hier in Erinnerung zu rufen sind: Wird das Verbot drittbelastender Verträge ernst genommen, ist die Pflicht zur Erbringung einer Leistung d.h. zur Aufstockung fremden Vermögens - grundsätzlich einem autonomen Vertragsschluß vorzubehalten. Ferner besteht im Hinblick auf eine Ersatzpflicht der Gesellschaft bei Ausbleiben der geschuldeten Leistung bei Handlungspflichten kein so starkes Bedürfnis für eine Erstreckung auf den Gesell-
64
S. dazu unten 3.
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schafter 65. Von daher greifen Leistungspflichten der Gesellschaft (hier verstanden als Komplementärbegriff zu Unterlassungspflichten des Verbandes) nur dann auf den Gesellschafter über, wenn andere Verpflichtungsgründe etwa ein Verstoß gegen § 826 BGB gelegentlich der „Beseitigung" des Schuldners oder ein Fall des venire contra factum proprium - vorliegen 66 . Demnach sind als potentielle Anwendungsbeispiele der Respektpflicht Unterlassungspflichten zu erörtern. Der Abschnitt a. spricht Wettbewerbs verböte der Gesellschaft an, b. behandelt Geheimhaltungspflichten, das Beispiel bei c. betrifft den vertraglichen Ausschluß einer Patentanfechtung. Es folgen 3 Konstellationen, die in unterschiedlicher Hinsicht als Ausnahmen von dieser Beschränkung einer Erstreckung auf Unterlassungspflichten in Betracht zu ziehen sind: Ausschließlichkeitsbindungen sind vielfach sowohl als Unterlassungspflichten (Bsp.: „... jeglichen Fremdbezug von Ware zu unterlassen"), wie auch als Leistungspflichten („... die Gesellschaft verpflichtet sich, ihren Bedarf vollständig beim Vertragspartner zu decken") formulierbar (zu ihnen am Beispiel einer Alleinbezugsverpflichtung unter d.). Unvertretbare Handlungen wie Rechnungslegung und Auskunftserteilung werden wegen ihrer „Unvertretbarkeit" zuweilen den Unterlassungspflichten gleichgestellt (hierzu e.). Schließlich wird überprüft, ob in Sondersituationen daran zu denken ist, eine Leistungspflicht in der abgeschwächten Form einer Duldungspflicht zu erstrecken, womit dem Gesellschafter wie bei Unterlassungspflichten ein bloßes Untätigbleiben abverlangt würde. Im Beispielsfall begehrte der Gesellschaftsgläubiger die unentgeltliche Nutzung des inzwischen im Eigentum des ehemaligen Gesellschafters stehenden Leistungsgegenstandes, nachdem weder Leistung noch Ausgleich von der zwischenzeitlich abgewickelten Gesellschaft zu erlangen waren (dazu f.). Soweit sinnvoll möglich, wurden von der Rechtsprechung entschiedene Sachverhalte herangezogen.
a) Wettbewerbsverbote Die ersten beiden Abschnitte betreffen Wettbewerbsverbote unterschiedlichen Inhalts. Ziff. aa. hat zum Gegenstand das vertragliche Verbot, dem Gesellschaftsgläubiger selbst Wettbewerb zu machen. Im unter bb. angeführten Beispiel ist der Gesellschaft untersagt, fremden Wettbewerb zu fördern. aa) Beispiel 1: (Verkauf von Unternehmensteilen) Die Α-GmbH ist im Speditionsgewerbe tätig. Im Zuge von Umstrukturierungen veräußert sie ihre Betriebsabteilung, 65 66
Zum Ganzen s.o. 1 und Teil 2, Kap. 4. Dazu oben Teil 2, Kap. 4 und Kap. 3 mit Beispielen unter 3.b und 4.b.
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die mit der Durchführung von Spezial-Schnell-Transporten im Bereich medizinischer Hilfsmittel und Medikamente tätig war, an B. Kaufgegenstand sind alle vormals zu diesem Zwecke genutzten Betriebsmittel (Gebäude, Spezialfahrzeuge etc.); alle Arbeitnehmer dieses Betriebszweigs sollen von Β übernommen werden. Um den „Übergang" des ganzen know how einschließlich der Kundenkontakte zu sichern, unterwirft sich die Α-GmbH einem 2-jährigen Wettbewerbsverbot, das geographisch auf ihren seitherigen Wirkungskreis beschränkt ist. Der Gesellschafter G 1 baut eine Einzelfirma auf, die diese der GmbH untersagten Wettbewerbshandlungen auf eigene Rechnung des G 1 vornimmt. Weder Gesellschaft noch Mitgesellschafter erheben Einwände dagegen. Im Verhältnis der Vertragspartner zueinander entspricht es einer tatsächlich geübten Gerechtigkeitsvorstellung, dem Gläubiger das auf eigene Rechnung und zum eigenen Vorteil verkaufte oder zur Nutzung überlassene „Gut" in seinem Wert vollständig zu belassen und nicht wieder zu entziehen: Ein geläufiges Beispiel gibt die ständige Rechtsprechung, nach der einem Vermieter gewerblich genutzter Räume auch ohne vertragliche Vereinbarung die Pflicht obliegt, den Mieter gegen Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft zu schützen67. Der ungestörten Nutzbarkeit überlassener Ressourcen dienen auch im Rahmen von Unternehmensverkäufen geltende Wettbewerbsverbote: In der vertraglichen Verpflichtung, die Kundenbeziehungen vollständig zu übertragen, kann die stillschweigende Vereinbarung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots liegen 68 . Wurde der Kaufpreis überwiegend für den in Gestalt der Kundschaft vorhandenen Geschäftswert des Unternehmens bezahlt, verstößt es gegen den Vertragszweck, wenn der Verkäufer ein neues
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Entscheidend ist hier die Erwägung, „daß es bei der Vermietung von Räumen zum Betriebe eines bestimmten Geschäfts zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen". Zwar fühlsame oder unliebsame, aber nur unwesentliche Beeinträchtigungen bleiben jedoch außer Betracht; s. BGHZ 70, 79, 80, 85 mit Nachweisen auch der reichsgerichtl. Rspr. Ebenso BGH NJW-RR 1989, 263, 264, und OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1234, 1235 m.w.N. zur neueren Rspr. und Lit. Zur räumlichen Eingrenzung bei Ladengeschäften s. etwa BGH NJW 1979, 1404, 1405, und OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 396 f. (unmittelbare Nachbarschaft verneint bei Entfernung von 350 m, auch wenn im selben Einkaufszentrum; bejaht, bei unmittelbar angrenzendem Grundstück des Vermieters). Krit. E. Schmidt, JA 1978, 597, 598 ff., und MK/Voelskow, 2. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 91. 68 In RGZ 117, 176 wurde die Annahme eines konkludent vereinbarten Wettbewerbsverbots für die Dauer von 10 Jahren (!) dadurch erleichtert, daß als Kaufpreis eine Gewinnbeteiligung für diese Zeit geschuldet war, weshalb „die gegenteilige Auffassung ... auf die Zumutung an die Beklagte hinauslaufen (würde), daß sie einen Konkurrenten fortlaufend mit Geld unterstützen und dadurch instand setzen solle, sie im Geschäftsverkehr zu unterbieten und womöglich völlig lahm zu legen" (ebd., S. 180).
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Geschäft eröffnet und so dem Käufer Kunden abspenstig macht 69 . Ganz auf der Linie dieser Rechtsprechung liegt es, wenn der BGH beim Praxistausch zwischen Ärzten, sofern die Kundschaft mit überführt werden sollte, dem Vertragszweck in ergänzender Auslegung der Vereinbarung ein „Rückkehrverbot" in das Einzugsgebiet der alten Praxis entnimmt 70 . Aus Treu und Glauben abzuleitende Konkurrenzverbote können sich ferner bei Herstellungs- und Vertriebs Verträgen ergeben 71. Die Pflicht, dem Vertragspartner das verkaufte oder zur Nutzung überlassene Gut nicht wieder zu entziehen, ist nicht darauf beschränkt, Wettbewerbsverbote hervorzubringen, auch wenn sie in der Praxis im Vordergrund stehen72. Wird beachtet, daß der Geschäftserfolg der Gesellschaft im gesamten wie auch der etwaige Verdienst aus einem einzelnen Geschäft letztlich den Gesellschaftern zu Gute kommt 73 , ist das Gebot, sich nicht widersprüchlich zu verhalten und dem Gläubiger den mit der Transaktion angestrebten Nutzen zu belassen, auf das Verhältnis von Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger übertragbar. Es läßt sich folgende Redlichkeitserwartung formulieren: Den Gesellschafter trifft insoweit die Pflicht, den mit Vertragsschluß für den Gesellschaftsgläubiger erstrebten Nutzen nicht zu beeinträchtigen, als sich seine Handlungen als eine „Doppelverwertung" solcher Kenntnisse oder Hilfsmittel darstellen, die bereits über die Gesellschaft ausschließlich in den Dienst des Gläubigers gestellt wurden; denn hiermit hat der Gesellschafter diese Mittel bereits zum eigenen Nutzen verwandt. Demenstprechend sind im Einzelfall folgende Überlegungen anzustellen: - In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, was die Beteiligten mit dem konkreten Vertragsschluß wirtschaftlich bezweckten.
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Nach RGZ 163, 311, 313 f. ist hier stillschweigend ein geographisch wie sachlich am früheren Geschäftsbereich des Veräußerers ausgerichteter Wettbewerbsverzicht vereinbart. 70 BGHZ 16, 71, 76 f. 71 Vgl. etwa BGH NJW-RR 1989, 1304, 1305. 72 S. nur RGZ 161, 330, 338 ff. („Venusberg"): Waren die Parteien bei Vertragsschluß von der Unbebaubarkeit der angrenzenden Grundstücke ausgegangen, stellt es eine Pflichtverletzung des Verkäufers dar, wenn er die Nachbargrundstücke erwirbt, um sie nach einer auf sein Betreiben hin erfolgten Änderung des Bebauungsplans als Bauland zu verkaufen, sofern dem Erstkäufer hierdurch die freie Aussicht beschnitten wird. Weitere Beispiele nennt BGH NJW-RR 1990, 141, 142. 73
Wird nur hinreichend genau gerechnet, schlagen sich alle Transaktionen der Gesellschaft im Vermögen der Gesellschaft und damit zugleich im Vermögen der Gesellschafter nieder. Denn der Wert deren Beteiligung verändert sich entsprechend. S. hierzu auch unten 3.b.
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- Ferner ist zu bestimmen, was den Gesellschafter vorliegend in die Lage versetzt, der Gläubigerforderung die praktische Wirkung zu nehmen. - Schließlich ist zu klären, ob diese „Ressource" auch bei der Gesellschaft vorhanden und nach der Vereinbarung ausschließlich dem Gesellschaftsgläubiger zugewiesen ist. Nur dann kann von einer „unzulässigen Doppelverwertung" seitens des Gesellschafters gesprochen werden. Die Vereinbarung in unserem Beispiel bezweckte die Übertragung des Unternehmensteils als Ganzes. Der Gesellschafter als neuer Konkurrent kann den Gläubiger in besonderer Weise schädigen, wenn er die Kunden, Kostenstruktur, technisches und innerbetriebliches know how (ζ. Β. spezieller Ausbau der Fahrzeuge und deren Lieferant), sowie die Wettbewerbsparameter seines Mitbewerbers (Preise, nach Mengen und Lieferzeit abgestuft u.ä.) kennt. Gerade dieses Wissen sollte mit dem Wettbewerbsverbot der Gesellschaft zeitlich befristet von einer Verwendung im Wettbewerb ausgeschlossen werden, um den vollständigen Übergang des „good will" der früheren Betriebsabteilung der A auf den Erwerber B, .sicherzustellen. Aufgrund der Übertragung auch dieser immateriellen Werte war ein höherer Kaufpreis zu erzielen 74, was mittelbar auch den Gesellschaftern zu Gute kommt. Die genannten Voraussetzungen sind damit gegeben, das Wettbewerbsverbot der Gesellschaft ist auf den Gesellschafter zu erstrecken. Dieses Ergebnis ist auch aus mikro- wie makroökonomischer Sicht vernünftig. Das Wettbewerbsverbot der Gesellschaft hat Hilfsfunktion. Es ersetzt ein Ausschließungsrecht, das die Rechtsordnung bei körperlichen Gegenständen gewährt (vgl. §§ 903, 985, 1004 BGB), bei Wissen aber nur unter besonderen Voraussetzungen zur Verfügung stellt (Stichwort: „geistiges Eigentum" 75 ). Hierfür mögen verschiedene Gründe maßgeblich sein, die mit der immateriellen Struktur von Wissen in Zusammenhang stehen. Ohne eine Aufnahme in Register ist der Schutzgegenstand aus der Sicht Dritter in der Regel nicht erkennbar und nicht bestimmt. Bei Geltung eines Prioritätsgrundsatzes ist der Berechtigte bei Streit zweier Personen um die „Inhaberschaft" des Wissens ohne eine solche Fixierung in einem Verzeichnis nur schwer zu ermitteln. Und bei der Zulassung jedweden' Wissens zur Anmeldung würden enorme Kosten für die Führung der Register entstehen. Vor allem aber dürfte
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Die bei Fn. 68 ff. dargestellte Rspr. unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung der in einem Unternehmen vorhandenen Spezialkenntnisse. Denn neben der Position im Markt beeinflussen zumeist das vorhandene know how sowie die bestehenden Kundenbeziehungen den Unternehmenswert. 75 Zu Geschichte und Entwicklung des Urherberrechts s. Vogel, in: Schricker, Urheberrecht, Einl. Rdnrn. 49-79 m.w.N.; zum gewerblichen Rechtsschutz vgl. Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2.
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die generelle Schaffung von „property rights"76 auch für Wissen unterhalb einer gewissen Orginalitätsschwelle 77 die Güterversorgung in einem Maße beeinträchtigen, das auch durch die hiermit forcierte Suche nach neuem Wissen, welches das von der Verwendung ausgeschlossene ersetzen könnte, nicht ausgeglichen wird. Jegliche Imitation im Wettbewerb würde so unterbunden. Sollen auch Kenntnisse transferierbar sein, die nicht zu einem Immaterialgüterrecht ausgeformt werden konnten, sind Vereinbarungen zuzulassen, die den Veräußerer vorübergehend von der Verwendung dieses Wissens ausschließen. Dies gilt nicht nur für die „Übertragung" eines Kundenstammes, ist dort aber besonders deutlich. Ist der „Goodwill" handelbar, wird es dem Veräußerer möglich, den Gegenwert für das angehäufte Wissen zu erlangen. Das hat insgesamt positive Wirkungen: Hierin liegt ein wesentlicher Anreiz zur Schaffung solcher unkörperlicher Geschäftswerte; ihre Handelbarkeit fördert also Innovation und Wettbewerb. Dem trägt auch das Wettbewerbsrecht Rechnung, wenn es Wettbewerbsverbote in Unternehmensveräußerungsverträgen zuläßt. Zwar unterfallen auch Wettbwerbsverbote in Austauschverträgen dem Anwendungsbereich des § 1 GWB 7 8 ; doch werden diejenigen Konkurrenzklauseln im Wege einer Tatbestandsrestriktion des Kartellverbots zugelassen, „die zur Sicherung des wettbewerbsneutralen Hauptzwecks des Vertrages erforderlich", und damit sozusagen dem Vertrag „immanent" sind 79 . 76 Es sind dies private Verfügungsrechte von Personen an Gütern. Zum Begriff s. Meyer, in Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, S. 1, 19 ff. 77 Für unseren Zusammenhang relevant sind vor allem gewerblich verwertbare Kenntnisse. Zu nennen sind technische Kenntisse, die von Erfindungen über technische Regeln bis zu Fabrikationskniffen reichen, wie auch Erfahrungswissen aus dem organisatorischen Bereich einer Unternehmung. Sie genießen zwar generell als Betriebsgeheimnis Schutz vor unbefugter Kenntniserlangung durch Dritte (vgl. dazu insbes. §§ 17 ff. UWG). Ihnen kommt aber nur unter besonderen Voraussetzungen rechtliche Exklusivität i.S.e. unmittelbaren Ausschlußrechts zu. Am Beispiel des Patentrechts: Ein Patent, das dem Inhaber die Befugnis verleiht, anderen die Benutzung dieser Erfindung zu verbieten (s. § 9 PatG), darf nur erteilt werden für neue Erfindungen, was erfordert, daß sie nicht zum Stand der Technik gehören (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 PatG). Das Urheberrecht an Literatur- und Kunstwerken weist demgegenüber stark persönlichkeitsrechtliche Züge auf (vgl. nur §§ 2 Abs. 2, 14, 39 UrhG); bereits die Schaffung des Werkes - ohne daß es einer Eintragung in ein Register bedürfte bewirkt das Exklusivrecht. 78
Zur Notwendigkeit einer funktionalen Interpretation des Merkmals „gemeinsamer Zweck", das von einem am Leitbild der Gesellschaft orientierten organisationsrechtlichen Verständnis abrückt, welches gleichgerichtete Interessen der Vertragsschließenden fordern ließ, vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 Rdnrn. 144 ff. mit Nachweisen auch zur Gegenansicht. 79 Dieser Gedanke ist im Grds. allg. anerkannt. Zu Rspr. und den dogmatischen Begründungsansätzen im einzelnen s. die Nachweise bei Immenga, a.a.O., Rdnm. 162-165 sowie 368-370. 11 Diez
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Der durch die Vereinbarung mit der Gesellschaft zu erreichende Schutz bliebe unvollständig, wenn der Gesellschafter weiterhin befugt wäre, von diesen Kenntnissen beliebig Gebrauch zu machen. Die Übertragung der immateriellen Geschäftswerte wäre für den Erwerber ein Risikogeschäft — mit negativem Ausgang bei Zuwiderhandeln des Gesellschafters. Erst die Erstrekkung des Wettbewerbsverbots von der Gesellschaft auf den Gesellschafter setzt den Verband in die Lage, diese Vermögenswerte tatsächlich durch einen „Verkauf" zu realisieren. Ihre Geltung vorausgesetzt 80, können auch mit anderen Austauschverträgen verknüpfte Wettbewerbs verböte auf den Gesellschafter zu erstrecken sein: Beispiel 2: (Know-how-Lizenz mit Gebietsschutz) Die Α-GmbH erteilt Β für ein genau bezeichnetes Absatzgebiet wirksam Lizenz81 hinsichtlich der Benutzung eines von ihr entwickelten Fabrikations Verfahrens. Um B, der zur Produktionsaufnahme hohe Investitionen tätigen muß, den Markteintritt zu erleichtern, wird zugleich Gebietsschutz vereinbart; der Α-GmbH ist untersagt, Abnehmer in diesem Gebiet mit dem so hergestellten Produkt zu beliefern oder für diese Region Dritten Lizenz zu erteilen. Eine Anmeldung der Neuentwicklung zum Patent erfolgte nicht. Einer Erstreckung des Wettbewerbsverbots der Gesellschaft auf den Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt einer Respektpflicht kommt für solche Lizenzen keine praktische Bedeutung zu, die dem Lizenznehmer nicht nur positiv das Benutzungsrecht zuweisen, sondern ihm auch ein gegen jedermann wirkendes Verbietungsrecht vermitteln. Dies wird für sog. ausschließliche Patentlizenzen82, nicht aber für Verwertungsrechte an ungeschütztem 80
Beispielsweise in RG GmbHR 1919, 49 ff. werden keine Gesichtspunkte mitgeteilt, die - Qeltung des heutigen Rechts unterstellt - eine Rechtfertigung der Klausel unter Immanenzgesichtspunkten stützen könnten (zu diesem Erfordernis bei im Zusammenhang mit Ausschließlichkeitsbindungen vereinbarten Wettbewerbsverboten s. nur Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnr. 411). Dort hatte sich die in X ansässige Sp. Schuhwarenhaus GmbH verpflichtet, dem Schuhgeschäft ihres Vertragspartners in M nicht vor Ort Konkurrenz zu machen, solange dieser einen bestimmten Teil seines Wareneinkaufs bei einem Dritten (der Schuhfabrik L) deckte. Im Gegenzug erhielt die GmbH aus diesen mit L erzielten Umsätzen Provision. Hier liegt der Verdacht nahe, daß es den Parteien um die Wettbewerbsbeschränkung als solche ging, die der Sp.-GmbH über die Provisionszahlung entgolten wurde. Zur Kritik an den Gründen, aufgrund derer das RG die Errichtung eines Schuhwarengeschäfts in M durch J. Sp. (der seinen Anteil zwischenzeitlich veräußert hatte) für unzulässig hielt, vgl. oben, Teil 2, Kap. 3, l.a Fn. 146. 81
Zu den Zulässigkeitsgrenzen ausschließlicher Lizenzen sowie allgemein zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Lizenzvertrages s. Ulimann, in: Benkard, § 15 Rdnrn. 138 ff., und Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rdnrn. 121, 125 ff. 82 St. Rspr. seit RGZ 83, 93, 94; 106, 362, 366 und 136, 321. Weitere Nachweise gibt Ulimann, a.a.O., Rdnrn. 55 ff. Sofern sie sich nicht überschneiden, können auch mehrere (jeweils nach Ort, Zeit oder Verwendungszweck beschränkte) ausschließliche
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know how 83 bejaht. Verwertungsrechte an ungeschütztem Wissen vermitteln lediglich ein obligatorisches Nutzungsrecht an den überlassenen Kenntnissen. Die Weitergabe des Betriebsgeheimisses durch den Lizenzgeber entgegen einer Ausschließlichkeitszusage führt lediglich zur Schadensersatzpflicht gegenüber dem Lizenznehmer 84. Hier wäre aus Gläubigersicht eine Erstreckung, die Ansprüche direkt gegen den Gesellschafter gibt, besonders wünschenswert. Auch im Beispielsfall 2 profitiert der Gesellschafter von dem Nutzen, den die Gesamtvereinbarung für die Gesellschaft bringt. Und auch hier führt ein Tätigwerden des Gesellschafters zu einer Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen die derjenigen vergleichbar ist, die eintritt, wenn die Gesellschaft ihrem Wettbewerbsverbot zuwiderhandelt. Schließlich ist der Zuweisungsgehalt der Gesellschaftsverbindlichkeit zu bestimmen. Zu fragen bleibt, ob dem Gesellschaftsgläubiger nach dem Sinn der Vereinbarung das betreffende, zum Wettbewerb befähigende Wissen zugewiesen ist oder ob der Zweck der Vereinbarung lediglich auf eine Bindung der Handlungsbefugnisse der Gesellschaft zielt. Bei Vorliegen der 2. Alternative schiede eine Erstreckung aus. Nach der wirtschaftlichen Zielsetzung, die mangels Existenz eines Schutzrechts nur unvollständig zu erreichen ist, sollten im Verhältnis Gesellschaft und Gläubiger nicht nur der Gesellschaft Handlungsmöglichkeiten85 abgekauft werden, sondern es sollte dem Gesellschaftsgläubiger das möglicherweise Lizenzen bestehen (vgl. Schulte, § 15 Rdnrn. 15, 17). Ihnen dingliche bzw. quasidingliche Natur beizumessen ist konsequent, wenn die Lizenz als abgespaltener Teil des als absolutes Recht anerkannten Patentrechts begriffen wird (dazu Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, § 22 III). Kritisch aber Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 21. Kap., § 64 I 3, nach dessen Auffassung das ausschließliche Nutzungsrecht des Lizenznehmers nur auf der Pflicht des Lizenzgebers beruht, Dritten die Benutzung nicht zu gestatten und das lizensierte Wissen selbst nicht zu nutzen, weshalb Drittwirkungen des Lizenzvertrages nur bei gesetzlicher Anordnung angenommen werden dürften. Diese Kritik trägt auch dem Umstand Rechnung, daß gegenüber jedermann wirksame Herrschaftsrechte - jedenfalls für das Sachenrecht ist dies anerkannt - abschließend vom Gesetz bestimmt werden (sog. Typenzwang). Doch verliert der Einwand an Gewicht, wenn die Rechtsprechung als Gewohnheitsrecht akzeptiert wird oder in der mit Wirkung vom 1.1.1981 erfolgten Erwähnung der ausschließlichen Lizenzerteilung in § 15 Abs. 2 S. 1 PatG eine Anerkennung der Rechtsprechung durch den Gesetzgeber zu sehen ist. 83
Zum Schutz betrieblichen Geheimwissens über das UWG und § 823 BGB vgl. etwa BGHZ 16, 174, 176. 84 Dazu UUmann, in: Benkard, § 15 Rdnr. 144. 85 U.a. Erteilung weiterer Lizenzen, Eigenproduktion für den bezeichneten Abnehmerkreis. 11
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auch dem Gesellschafter zugängliche Wissen, das Gegenstand der Lizenz ist, zur ausschließlichen Verwendung im festgelegten Absatzgebiet überlassen werden. Es geht also auch hier um einen Wissenstransfer, der im Unterschied zu Beispiel 1 allerdings zeitlich und im Verwendungszweck eingeschränkt ist; die Beschränkung der Handlungsfreiheit der Gesellschaft ist nur sicherndes Hilfsmittel 86 . Daher hat auch der Gesellschafter das Wettbewerbs verbot zu beachten. Auf Anhieb sind mir keine Beispiele ersichtlich, in denen zulässigerweise ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden kann, ohne daß es um die exklusive Verwendung von Kenntnissen geht. Entweder soll Wissen auf den Vertragspartner übertragen werden - so in unseren bisherigen Beispielen - oder es besteht eine entgegengesetzte Intention: Nämlich die ausschließliche Verwendung des Wissens im Interesse des ursprünglichen Inhabers sicherzustellen (s. dazu unten b. unter den Stichworten Geheimhaltungspflichten und Verwertungsverbote). bb) Beispiel 3: (Büroräume für Rechtsanwälte) Die in ihrem eigentlichen Geschäftsfeld nicht im Immobiliengeschäft tätige Α-GmbH vermietet Teile ihres im Stadtzentrum befindlichen Gebäudes, in dem sich auch ihre eigenen Geschäftsräume befinden, an Β zum Betrieb einer Anwaltspraxis. Die Α-GmbH verpflichtet sich, Konkurrenten des Β weder im selben Haus noch in der näheren Umgebung Räumlichkeiten zu überlassen. Letzteres wird vorsorglich im Hinblick auf einen denkbaren weiteren Immobilienerwerb der GmbH vereinbart. Gesellschafter G 1 gehören Büroräume in der unmittelbaren Nachbarschaft. G 1 vermietet diese Räume an Rechtsanwalt C. Dies wirkt sich nachteilig auf den Geschäftsgang bei Β aus, dem hierdurch „Laufkundschaft" verloren geht. Im Unterschied zu den Beispielen 1 und 2 wurde hier die Pflicht übernommen, Wettbewerb Dritter vom Vertragspartner fernzuhalten. Zugunsten des Mieters werden hierdurch andere Räumlichkeiten des Vermieters, die für dieselbe gewerbliche Nutzung geeignet sind, in ihrer Verwendungsmöglichkeit beschränkt. Die „gebundene Ressource" sind hier also Gebäude, Teile davon oder Grundstücke. Das Eigentum bzw. Nutzungsrecht an ihnen steht - zumindest in aller Regel - entweder der Gesellschaft oder dem Gesellschafter zu. Hat die Gesellschaft ihre betreffenden gegenwärtigen und künftigen Mittel in den Dienst des Gläubigers gestellt, und hat der Gläubiger hierfür be86
An der Beurteilung ändert sich nichts, wenn für die Gesellschafter als potentielle Mitbewerber des Gesellschaftsgläubigers eine Marktzutrittsschranke besteht (wie dies bei einem zur Produktion unerläßlichen Patent, das der Gesellschaft zusteht, der Fall ist) und sie über die Treuepflicht an einer selbständigen Verwertung dieses Wissens gehindert sind. Eine Bindung nur der Handlungsbefugnisse der Gesellschaft würde die intendierte Vertragsdurchführung nur bei pflichtgemäßem Verhalten aller Beteiligten sicherstellen. Auch hier ist die Beschränkung der Handlungsbefugnis der Gesellschaft nicht das Wirtschaftsgut, um das es bei der Vereinbarung ging.
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zahlt, besteht meines Erachtens zunächst kein Grund dafür, auch das Privatvermögen des Gesellschafters im Gläubigerinteresse besonderen Nutzungsschranken zu unterwerfen und dadurch zu entwerten. Anders als in den Beispielsfällen 1 und 2 liegt in der Vermietung ihm gehörender Räumlichkeiten aus Sicht des Gesellschafters keine „Doppelverwertung"; die Gesellschaft hat andere, nämlich nur die ihr gehörenden Gegenstände zugunsten des Gläubigers gebunden. Zwar kann eine Vermietung durch den Gesellschafter den Gläubiger gleichermaßen beeinträchtigen wie ein vertragswidriges Handeln der Gesellschaft. Doch entspricht es nach meinem Dafürhalten keiner gültigen Redlichkeitserwartung, daß der Gesellschafter insoweit stets Rücksicht auf die Gläubigerinteressen nimmt, zumal wenn ihm über die Gesellschaft nur der Gegenwert der Handlungsbeschränkung der Gesellschaft zufließt. Der Gesellschafter ist demnach grundsätzlich in der Verwendung seines Privatvermögens frei. Eine Erstreckung der Pflicht, fremden Wettbewerb nicht zu fördern, ist daher nur denkbar, wenn das Verhalten des Gesellschafters unter einem anderen Gesichtspunkt als treuwidrig anzusehen sein sollte 87 . Hierzu der nächste Fall: Beispiel 4: (Speisegaststätten) 88 Ausschließlicher Geschäftszweck der Α-GmbH ist die Vermietung von Immobilien. In Arbeitsteilung hiermit erwirbt und hält ihr Gesellschafter G Grundbesitz und Bauten. Die Α-GmbH mietet nunmehr beim Dritten D Räume im Anwesen „Z-Hof" an, die sie Β unter Vereinbarung einer Schutzklausel zum Betrieb einer Gaststätte überläßt. Die Mietdauer wird auf 15 Jahre festgelegt. Etwa 3 Jahre später erwirbt Gesellschafter G von D Räume im selben Gebäude, die er - entgegen sonstiger Praxis - selbst an Gastwirt E vermietet. Dessen gleichartiges Speiseangebot führt zu erheblichen Einbußen bei B. Den Mietgegenstand als Verkörperung besonderer Kenntnisse und Ideen der Gesellschaft aufzufassen, die dem Mieter exklusiv zugewiesen sein sollen - womit auch der Gesellschafter von der Verwendung dieses Wissens ausgeschlossen sein könnte - kommt allenfalls für solche Räumlichkeiten in Betracht, die im Hinblick auf ihren Verwendungszweck außergewöhnlich gestaltet sind 89 ; in unserem Beispiel ist dies nicht der Fall. 87 In Fällen einer bewußten Täuschung des Vertragspartners durch den Gesellschafter kommt darüber hinaus eine Haftung aus c.i.c. in Betracht. 88 In Anlehnung an OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 1234 ff. Das Gericht hatte über die Berechtigung B's zur Minderung des Mietzinses zu befinden, weshalb nicht über eine Erstreckung der Pflichten der Α-GmbH auf G, sondern über die Zurechnung des Verhaltens G's auf die Α-GmbH zu entscheiden war. Unterschiede bestehen auch insoweit, als keine vertragliche Abmachung zum Konkurrentenschutz bestand — Ausgangspunkt hier also nur eine gesetzliche Leistungstreuepflicht der Α-GmbH sein konnte. Schließlich war alleiniger Gesellschafter eine jur. Person (AG), die zudem per Gewinnabführungsvertrag sowie teilweiser Personenidentität in der Geschäftsführung mit der Α-GmbH verbunden war. 89 Beispielsweise war unlängst erwogen worden, in einer Hafenstadt in einem Ver-
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Anzuknüpfen bleibt möglicherweise aber an den folgenden Gedanken: Die mit der Konkurrentenschutzklausel vereinbarten Verwendungsbeschränkungen gelten auch für künftige Erwerbe der Gesellschaft. Wurde der Verband von seinen Mitgliedern mit Vermietungen als zentralem Geschäftszweck betraut, kann dies bei den Gesellschaftsgläubigern die Erwartung auslösen, gleichartige Geschäfte würden künftig ebenso von der Gesellschaft abgewickelt, wodurch sie den vertraglichen Bindungen unterfielen. § 242 BGB trägt dieser Erwartungen meines Erachtens für besondere Sachverhalte Rechnung. Mir erscheint es als treuwidrig und mit der geschuldeten Rücksichtnahme nicht vereinbar, wenn der Gesellschafter nach Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit einen Gegenstand erwirbt, um ihn - in Abweichung von einer ständig geübten Arbeitsteilung mit der Gesellschaft - einer Nutzung zuzuführen, die der Gesellschaft untersagt ist 90 . Dieser Erwerb zielt darauf ab, den Gegenstand Bindungen zu entziehen, die eintreten würden, wenn das vom Gesellschaftsgläubiger zu erwartende procedere - nämlich Erwerb und Vermietung des Gegenstandes durch die Gesellschaft - eingehalten würde. Folgt man dieser Auffassung, muß sich der Gesellschafter unter besonderen Umständen an einer einmal gewählten Aufgabenverteilung festhalten lassen. Die „Usurpation" von Funktionen, die der Gesellschaft überlassen wurden, kann sonach zu Verwendungsbeschränkungen bei nach Vetragsschuß mit dem Gläubiger erworbenen Gegenständen, nicht aber zu einer Bindung des zu diesem Zeitpunkt schon vorhandenen Privatvermögens führen. Dies ist auch der tragende Kern der Begründung einer Entscheidung des Reichsgerichts, die allerdings die Erstreckung einer Konkurrentenschutzklausel von der OHG auf ihre Gesellschafter betraf 91. gnügungsviertel in Hafennähe ein Gebäude in Schiffsform zu errichten. Hier wäre daran zu denken, dem Gesellschafter die Umsetzung derselben Idee in unmittelbarer Nähe zu derselben Verwendung zu untersagen. 90 Gleichgerichtet OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 1234, 1235, das wesentlich auf die „echte Funktionsverteilung im Rahmen des Unternehmenszwecks des Konzerns" abhebt, der die Vermietung durch den Gesellschafter zuwiderlief. 91 In RGZ 136, 266 ff. hatte die Gesellschaft gegenüber ihrer Mieterin die Pflicht übernommen, auf angrenzenden Grundstücksteilen keine weiteren Tankstellen zuzulassen. Die Gesellschafter erwarben daraufhin ein an derselben Straße gelegenes Grundstück, auf dem sie eine Tankstelle errichten wollten, die anschließend verpachtet werden sollte. Im Urteil heißt es: „Für die Beurteilung gegenüber den verklagten Gesellschaftern ... fallen diese Umstände (u.a. daß es nach dem Schutzzweck des Vertrages unerheblich ist, ob eine fremde Tankstelle unmittelbar auf dem vermieteten Grundstück oder eine Reihe von Metern entfernt betrieben wird) gleichfalls ins Gewicht. Es kann dahinstehen, ob sie den Ausschlag geben würden, wenn der außergesellschaftliche Interessenkreis der beiden Beklagten von dem aus der Wettbewerb droht, der Sache nach von ihren gesellschaftlichen Belangen merklich geschieden wäre. Das kann aber keineswegs anerkannt werden, wenn die beiden einzigen Teil-
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b) Geheimhaltungspflichten und Verwertungsverbote
Beispiel 5: (Lohnfertigung unter Einsatz von Kenntnissen des Bestellers) Um Engpässe bei der eigenen Produktion zu überwinden, läßt Firma Β ein bestimmtes Produkt durch ihren Konkurrenten, die Α-GmbH, herstellen. Die Fertigung dieses Gegenstandes ist der Α-GmbH nur unter Einsatz von Kenntnissen möglich, die ihr Β zur Verfügung stellt. Die Α-GmbH wird zur Geheimhaltung verpflichtet. Ferner wird ihr untersagt, dieses Wissen für die eigene Produktion einzusetzen. Im zweiten Teil der Vereinbarung handelt es sich um ein partielles Wettbewerbsverbot, wenn die A deswegen ein bestimmtes Produkt nicht auf den Markt bringen kann 92 . Die Geheimhaltungspflicht und die Verwertungsschranke wollen sicherstellen, daß das vom Gläubiger der GmbH überlassene Wissen nur zur Vornahme der Lohnproduktion und damit ausschließlich im Interesse des Gläubigers Verwendung findet. Es wird also die Nutzung freiwillig offenbarten Wissens zum Nachteil des „Inhabers" dieser Kenntnisse verhindert. Die Preisgabe der Kenntnisse an einen begrenzten Personenkreis läßt das Geheimhaltungsinteresse des Berechtigten nicht automatisch entfallen. Erst solche vertraglichen Schädigungsverbote ermöglichen de facto Austauschbeziehungen unter Konkurrenten, die eine Überlassung von Geheimwissen voraussetzen. Treu und Glauben fordern hier, die Pflicht zur Geheimhaltung und das Verwendungsverbot auf den Gesellschafter zu erstrecken: Nach der Vereinbarung ist das Bestimmungsrecht über die Verwendung des betreffenden Wissens beim Gesellschaftsgläubiger verblieben; dieses Wirtschaftsgut bleibt weiterhin dem Vertagspartner der Gesellschaft zugeordnet. Bedient sich der Gesellschafter bei seinen Geschäften dieses Wissens, so wirkt sich das genauso schädigend auf den Gläubiger aus, wie ein vertragswidriger Gebrauch des Wissens durch die Gesellschaft. Schließlich nimmt die Erstreckung dem Gesellschafter lediglich Handlungsmöglichkeiten, die erst der Gesellschaftsgläubiger mit der Wissensmitteilung eröffnet hat. Dem Gesellschafter ist es also bei einer entsprechenden Pflicht der Gesellschaft verboten, deren Gläubiger zu schädigen, indem er Wissen weitergibt
haber ... als Miteigentümer je zur Hälfte statt als Gesellschafter auftreten." S. ebd. S. 273. 92 In der Praxis finden sich Beispiele, in denen die gelegentlich einer Liefervereinbarung getroffenen Abreden direkt darauf abzielen, einen potentiellen Konkurrenten vom betreffenden Markt fernzuhalten. Vgl. etwa WuW/E BkartA 60, 73, wo im Rahmen einer nur kurzfristigen Lieferbeziehung ein mehrjähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde.
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oder verwendet, das der Gesellschaft zum Zwecke der Vertragsdurchführung überlassen wurde 93 .
c) Patentanfechtung Beispiel 6: (Vertragliche Nichtangrìffspflicht der Gesellschaft) 94 Ρ ist Inhaber zweier Patente, die Verfahren und Verrichtungen zur Herstellung von Chenillefäden für künstliche Pelze betreffen. Der Α-GmbH wird ein Benutzungsrecht der Erfindungen zur Herstellung von Chenille- und Persianer-Imitationsstoffen gegen Zahlung einer jährlich zu entrichtenden Lizenzgebühr für die Dauer ihrer Existenz eingeräumt. Sie verpflichtet sich, diese Patente des Ρ nicht gerichtlich anzugreifen. Die A-GmbH verhält sich vertragsgemäß. Doch erhebt ihr Alleingesellschafter G Klage mit dem Antrag, die Patente für nichtig zu erklären (vgl. §§ 81, 22, 21 Abs. 1 PatG). Unter Hinweis darauf, daß dies auch im umgekehrten Fall einer Verpflichtung zunächst der Gesellschaft gelte, hat der BGH in einer neueren Entscheidung ausgesprochen, daß eine dem Alleingesellschafter obliegende Nichtangrìffspflicht nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben grundsätzlich auch von der Gesellschaft zu beachten sei 95 . Zur Begründung führt er aus: „Obgleich Gesellschafter und Gesellschaft im Rechtssinne getrennte Rechtspersönlichkeiten sind, ... kann ... nicht unberücksichtigt bleiben, daß sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ein und dieselbe Person sind. Eine dem Gesellschafter obliegende Nichtangrìffspflicht wäre wertlos, wenn er diese im Gewand der Gesellschaft ohne weiteres umgehen könnte. Andererseits ist es der Gesellschaft wegen der wirtschaftlichen Identität mit ihrem alleinigen 93 Auch Kenntnisse über den Kundenstamm des Vertragspartners können von Geheimhaltungspflicht und Verwertungsverbot erfaßt sein. Vgl z.B. den Sachverhalt von WuW/E BGH 1353, 1354 - Schnittblumentransporte. Hier war eine Kundenschutzklausel vereinbart worden, um der Gefahr entgegenzuwirken, daß eine Partei die Kenntnisse über Kundendaten, die zur Abwicklung der vereinbarten Transportleistungen offenbart werden mußten, zum Nachteil der anderen ausnutzt. 94 In Anlehnung an BGH GRUR 1957, 482 ff. - Chenillefäden, und BGH GRUR 1957, 485 ff. - Chenillemaschine. Der Sachverhalt wurde stark vereinfacht und insoweit abgewandelt, als der BGH über die Erstreckung einer gesetzlichen Nichtangrìffspflicht zu befinden hatte. Der Lizenzvertrag begründete hier aufgrund der Besonderheiten des Falles ein gesellschaftsähnliches Verhältnis (Lizenz an mehreren Erfindungen, auf Dauer, unentgeltliche Zurverfügungstellung künftiger Verbesserungen und „gemeinsame Ausnutzung" der Erfindungen auch deshalb, weil als Entgelt 5% vom Gewinn der Lizenznehmerin vereinbart worden war). Nach Ansicht des BGH stünde eine Nichtigkeitsklage in Widerspruch zu den sich hieraus ergebenden Treuepflichten (ebd. S. 484 f.). 95 S. BGH DB 1988, 700, 702 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BGH GRUR 1957, 482; die Entscheidung betraf die Erstreckung der Nichtangrìffspflicht eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber hinsichtlich einer Arbeitnehmererfindung.
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Gesellschafter ohne weiteres zumutbar, die diesem gesetzten Grenzen wirtschaftlichen Handelns zu beachten." Die beiden benannten Gesichtspunkte der Möglichkeit des Gesellschafters, die Gläubigerforderung zu konterkarieren und die wirtschaftliche Identität von Verband und Mitglied 96 waren in der Sache, wenn auch in etwas anderer Termionologie 97 , die maßgeblichen Gründe dafür, die Gesellschafter dem Kreis derer zuzuordnen, die im Unterschied zu beliebigen Dritten gem. § 242 BGB zur Rücksichtnahme auf vertragliche Interessen eines Gesellschaftsgläubigers verpflichtet sein können. Entscheidend für eine Verpflichtung des Gesellschafters ist dessen eigenes Verhältnis zum Gesellschaftsgläubiger. Auch wenn sich die zitierten Entscheidungen einer „Durchgriffsrhetorik" bedienen, indem wesentlich auf die wirtschaftliche Identität von Gesellschaft und Gesellschafter abgehoben wird, argumentiert der BGH jedenfalls für die Erstrekkung der Nichtangriffspflicht von der Gesellschaft auf den Gesellschafter letztlich nicht in Kategorien eines Durchgriffes im Sinne einer Identifizierung von Verband und Mitglied oder im Sinne einer Zurechnung einer Gesellschaftsschuld auf den Gesellschafter. Dies belegt der Entscheid aus den 50-er Jahren: Der BGH führt hier aus, daß es nicht um eine Haftung gehe, sondern um eine Würdigung des Verhaltens eines alleinigen Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben98. Zur Gefährdungsmöglichkeit und der besonderen Interessenverknüpfung muß nach der hier vertretenen Auffassung jedoch hinzukommen, daß das beeinträchtigende Handeln des Gesellschafters einer gültigen Redlichkeitserwartung widerspricht. Andernfalls würde zu pauschal zugunsten der Gläubigerinteressen Stellung bezogen99.
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Noch stärker als BGH DB 1988, 700, 702 hebt BGH GRUR 1957, 482, 485 auf eine Entgegensetzung von wirtschaftlicher und rechtlicher Betrachtung ab: Dort heißt es, dem Gesellschafter als eigentlichem wirtschaftlichem Beteiligten könne unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben der Antrag, das Patent für nichtig zu erklären, nur dann gestattet werden, wenn dazu auch die Gesellschaft in der Lage wäre. Denn es gehe nicht an, daß er auf der einen Seite die Vorteile der Verwertung der Erfindung genieße und auf der anderen Seite, entgegen der Verpflichtung der Gesellschaft als die rechtlich Beteiligte, das zur Ausnutzung überlassene Patent zu beseitigen suche. 97 Zu Gefährdungsmöglichkeit und gesteigerter Interessenverknüpfung im Verhältnis von Gesellschafter und Verbandsgläubiger s.o. l.a und l.c in diesem Kapitel. 98 S. BGH GRUR 1957, 482, 485. 99 S.o. 2 im 1. Absatz. Bei pauschaler Verpflichtung des Gesellschafters darauf, die Gläubigerinteressen zu beachten, wäre er beispielsweise auch in dem Beispiel 3 (s.o. a.bb) zum Konkurrentenschutz verpflichtet.
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Wie die Gesetzesmaterialien belegen, stand hinter der kartellrechtlichen Zulassung von Nichtangriffsklauseln in Lizenzverträgen gem. § 20 Abs. 2 Nr. 4 GWB die Überlegung, daß die im Rahmen der Patentverwertung zu erlangenden Kenntnisse und Erfahrungen den Lizenznehmer besser als Außenstehende in die Lage versetzen, das Patentrecht erfolgreich anzugreifen 100. Wird akzeptiert, daß das Gesetz diesen tatsächlichen Zusammenhang für die Rechtsanwendung zur Kenntnis nimmt, muß die Nichtangrìffspflicht der Gesellschaft auf jeden Gesellschafter erstreckt werden, dem das gelegentlich der Lizenzerteilung vermittelte Wissen 101 eine Patentanfechtung erst ermöglicht. Denn eine Nichtigkeitsklage stellt sich in diesen Fällen als ein Verstoß gegen das Verbot dar, vom Gläubiger überlassenes Wissen zu dessen Schädigung einzusetzen102: Der durch eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage verursachbare Schaden liegt in der rückwirkenden Vernichtung des Patents (vgl. §§ 22 Abs. 2 i. V. m. 21 Abs. 3 PatG). Besteht keine abweichende Vereinbarung, verschafft dies Lizenznehmern die Möglichkeit, den Lizenzvertrag für die Zukunft wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu kündigen 103 . Wäre dem Gesellschafter eine Patentanfechtung möglich, könnte er so auch seine Gesellschaft von ihrer Lizenzzahlungspflicht befreien.
100 S. Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953, BundestagsDrucks. II/1158, S. 38 unter d. Kritisch hierzu aber Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnr. 472, und Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rdnrn. 272 f., weil hiermit das öffentliche Interesse an einer Beseitigung von Scheinschutzrechten nicht hinreichend in Rechnung gestellt wird. In seiner Tendenz dem nationalen Recht entgegengesetzt ist das EG-Recht: Nichtangriffsklauseln stehen sowohl auf der „schwarzen Liste" der auf Grundlage des Art. 85 Abs. 3 EWG-Vertrages erlassenen Gruppenfreistellungsverordnung für Patentlizenzvereinbarungen (s. Art. 3 Nr. 1 der GVO 2349/84) als auch der know-how-Gruppenfreistellungsverordnung (s. Art. 3 Nr. 4 der GVO 556/89) mit der Folge, daß die Gruppenfreistellungen bei Vereinbarung einer solchen Klausel nicht gelten (s. hierzu im einzelnen Wiedemann, GruppenfreistellungsVO, Bd. I, AT Rdnrn. 331 ff.; Bd. II, GVO 2349/84 Art. 3 Rdnrn. 1 f. und 6 f.). Zu Zulässigkeitsgrenzen einer Nichtangriffsabrede vgl. ferner Rogge, in: Benkard, § 22 Rdnrn. 26 f. 101 Gemeint ist alles theoretische wie praktische Wissen, das sich nicht durch eine bloße Einsichtnahme in die Patentakten erschließt. Der größte Teil des Aktenbestandes des Patentamtes kann gem. § 31 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 PatG frei eingesehen werden; zumeist sind die Unterlagen 18 Monate nach Einreichung der Anmeldung oder - wenn dies zeitlich früher der Fall ist - mit Patenterteilung zugänglich (zu Einzelheiten und Ausnahmen s. Schäfers in Benkard, § 31 Rdnrn. 3 ff.). 102 Vgl. dazu bei Beispiel 5 (s.o. b). 103 S. die Nachweise zur Rspr. bei Ullmann, in: Benkard, § 15 Rdnr. 110.
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d) Ausschließlichkeitsbindungen Beispiel 7: (Alleinbezugsverpflichtung) m Die Gebrüder G 1 und G 2 sind alleinige Gesellschafter der Α-GmbH. Die Α-GmbH verlegt Böden aller Art, unter anderem auch Parkett. Sie verpflichtet sich gegenüber H, der Parkettplatten und -Stäbe herstellt, für 3 Jahre ihren gesamten Bedarf an Parkettmaterial bei H zu beziehen und jeglichen Fremdbezug zu unterlassen. Deshalb ist H zu erheblichen Nachlässen auf seine jeweiligen Listenpreise bereit. Nach 1 Jahr scheidet G 1 aus der GmbH aus und gründet ein eigenes Geschäft. Das benötigte Parkett bezieht er von einem Konkurrenten des H, der vergleichbare Ware aufgrund verbesserter Herstellungsverfahren billiger anbieten kann. Diese Geschäftstätigkeit von G 1 entzieht der Α-GmbH Aufträge und mindert deren Bezug an Parkettmaterial bei H. Aus den verschiedenen Arten praktizierter Ausschließlichkeitsbindungen105 wurde als Beispiel die Alleinbezugsverpflichtung genommen, weil hier die Gefahr einer „Aushöhlung" oder „Umgehung" der Gesellschaftsverbindlichkeit durch den Gesellschafter evident ist. So wird es einer Konzernmutter vielfach möglich sein, die Produktion von der gebundenen auf eine ungebundene Tochtergesellschaft zu verlagern. Vor allem für Branchen, in denen eine Betriebsneugründung keine hohen Kosten verursacht, kann sich ein solches „Ausweichen" auch für Gesellschafter rechnen, die bislang nur mit der GmbH auf dem betreffenden Geschäftsfeld tätig waren. Im oben geschilderten Fall ist eine Erstreckung auf den Gesellschafter nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er vor Aufnahme der eigenen Geschäftstätigkeit aus der GmbH ausschied. Wird bei Berechnung der „Abfindungshöhe" die mit der Ausschließlichkeitsbindung der Gesellschaft einhergehende „Zukunftserwartung" zutreffend bewertet, besteht unter ökonomischem Blickwinkel kein Grund, ein ausgeschiedenes Verbandsmitglied anders zu behandeln, als ein in der Gesellschaft verbliebenes, das - gegebenenfalls in Einverständis mit der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern - einen eigenen Betrieb gründet. Beide Gesellschafter - der Ausgeschiedene wie der 104
Der Sachverhalt ist RG JW 1902, 78 f. (OHG) nachempfunden. Das Reichsgericht verneinte eine Bezugspflicht des Gesellschafters, s. Teil 1, Fn. 24. — Nachdem es hier ausschließlich darum geht, die Erstreckung von Pflichten auszuloten, konnte als Beispiel eine Alleinbezugsverpflichtung gewählt werden, die den alleinigen Inhalt der Vereinbarung ausmacht, wenngleich in praxi Ausschließlichkeitsbindungen vorherrschen dürften, die im Zusammenhang mit anderen Abmachungen stehen — etwa mit einer Darlehensgewährung gekoppelte Bierlieferungsverträge oder die Tankstellenpacht bei Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug der Mineralölprodukte vom Verpächter. Auch wird unterstellt, daß weder aufgrund § 138 BGB noch nach nationalem Kartellrecht (s. insbes. die Eingriffstatbestände in § 18 Abs. 1 lit. a - c GWB) oder gem. Art. 85 des EWG-Vertrages (er ergreift nur gemeinschaftsrelevante Sachverhalte) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verpflichtung bestehen. 105 Vgl. nur die bei Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rdnrn. 66-157 für die einzelnen Tatbestandsgruppen genannten Beispiele.
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
Verbliebene - erlangen in der Summe grundsätzlich dieselben Vor- oder Nachteile aus der vertraglichen Verbindung mit dem Gesellschaftsgläubiger 106 . Doch ist fraglich, ob überhaupt tragfähige Ansatzpunkte für eine Erstrekkung von Ausschließlichkeitsbindungen bestehen. Will sich der Gesellschaftsgläubiger gegen Manipulationen der Bezugsmengen durch die Gesellschaft schützen, die ja seine Kalkulationsgrundlage in Frage stellen können, wird er eine Liefervereinbarung nur unter Festlegung einer Mindestabnahme oder des Verbots jeglichen Drittbezugs abschließen. Eine vereinbarte Mindestabnahme ermöglicht, einen bestimmten Klagantrag zu stellen und die Zahlungs- und Abnahmepflicht zu vollstrecken. Ein Erstreckungsbedarf besteht insoweit nicht. Ergibt die Vertragsauslegung - wie hier im Beispielsfall - ein Verbot jeglichen Fremdbezugs, ist zu beachten, daß ein Tätigwerden des Gesellschafters in Konkurrenz zur Gesellschaft die vertraglich fixierten Gläubigerinteressen nur insoweit berühren kann, als der Bedarf der GmbH hierdurch tatsächlich gemindert wird. Sofern das Verbandsmitglied Kunden bedient, bei denen die Gesellschaft ohnehin nicht zum Zuge gekommen wäre — zum Beispiel weil die Kapazitäten der Gesellschaft ausgelastet waren, fehlt es schon an einer Beeinträchtigung des Verbandsgläubigers. Für die Begründung einer Erstreckung des Bezugsverbots auf den Gesellschafter sind im wesentlichen zwei Optionen ersichtlich 107 : - Eine Erstreckung könnte unter dem Gesichtspunkt der Respektpflicht generell angezeigt sein, wenn mit der Handlungsbeschränkung - wie bei unserem Beispiel eines Wettbewerbsverbots anläßlich eines Unternehmensverkaufs 108 - Ressourcen der Gesellschaft gebunden werden sollten, die auch dem Gesellschafter zur Verfügung stehen (hierzu aa.). - Denkbar ist ferner, daß die bei § 826 BGB herausgearbeiteten Grundsätze 109 eine Erstreckung dort fordern, wo die Geschäftsaufnahme des Gesellschafters auf eine Produktionsverlagerung abzielte, um so die Bezugsverpflichtung des Verbandes „leerlaufen" zu lassen (s.u. bb.). 106
Dazu ausführlicher unten 3.b. Darüberhinaus mag sich der Gesellschafter in Sonderfällen aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens gegenüber dem Gläubiger an einer ausschließlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Gesellschaft festhalten lassen müssen, wenn er selbst einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt hat, sodaß ihm eine selbständige Geschäftstätigkeit unter Bezug fremder Ware im betreffenden Bereich untersagt ist. 107
108 109
S.o. 2.a.aa, in diesem Kapitel. S.o. Teil 2, Kap. 3, 3.b.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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aa) Das der Gesellschaft auferlegte Verbot eines Drittbezugs läßt sich auch als partielle Beschränkung der Verwendung von Wissen begreifen: Der Gesellschaft wird untersagt, ihre Kenntnisse, die sie zu einer Teilnahme am Wettbewerb befähigen, einzusetzen, um Produkte unter Zuhilfenahme von Vorprodukten eines Konkurrenten des Vertragspartners herzustellen und zu vertreiben. Doch ist ohne eine ausdrückliche Festlegung im Vertrag nicht zuverlässig zu ermitteln, ob mit der vertraglichen Ausschließlichkeitsbindung lediglich eine Beschränkung der Abschlußfreiheit des Rechtsträgers Gesellschaft beabsichtigt war, oder ob bei der Gesellschaft vorhandenes Wissen für möglichst alle Inhaber genau dieser Kenntnisse im beschriebenen Umfang von einer Verwendung im Wettbewerb ausgeschlossen werden sollte. Sowohl eine Alleinbezugsverpflichtung ausschließlich der Gesellschaft sowie eine unter Einbindung des Gesellschafters sind sinnvolle Arrangements. Bei einer Bindung nur der Gesellschaft besteht lediglich ein höheres Risiko eines - auch aus anderen Gründen möglichen - Fehlschlagens der intendierten Absatzsicherung. Dieses zusätzliche Risiko ist unter anderem von den Kosten eines Marktzutritts für die Gesellschafter abhängig und bewirkt, daß der Gesellschaft vom Geschäftspartner bei rationalem Kalkül aufgrund der langfristigen Bindung nur ein geringerer Preisvorteil eingeräumt werden kann. Für die Ausschaltung welcher Risiken „bezahlt" werden sollte, läßt sich anhand der versprochenen Gegenleistungen jedoch nicht ermitteln. Dieser Befund steht in Zusammenhang mit einem wesentlichen Unterschied zwischen unserem Fall einer Alleinbezugsverpflichtung und beispielsweise dem Fall eines Wettbewerbsverbots anläßlich eines Unternehmensverkaufs: Hatte dort das Wissen als Bestandteil des Kaufgegenstands (zu überlassen waren auch die immateriellen Geschäftswerte) unmittelbaren Bezug zur Transaktion mit der Folge essentieller Bedeutung für den Käufer, kommt hier nur die Bindung von Wissen in Betracht, das „außerhalb" der eigentlichen Transaktion (hier des Verkaufs des Parkettmaterials) liegt. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Vornahme des gewünschten Güteraustausches dürfte hier regelmäßig nicht von der Existenz eines dispositiven Rechts abhängig sein, das ohne weiteres bei Gesellschaft und Gesellschafter vorhandenes Wissen zugunsten des Gesellschaftsgläubigers „blockiert". Nur die Laufzeit, der für die einzelne Ware zu zahlende Preis oder andere Modalitäten des Leitungsaustausches variieren, je nach dem, ob das Verbandsmitglied schon von Gesetzes wegen an einem Fremdbezug gehindert ist oder nicht. Meines Erachtens besteht für diese Sachverhalte kein virulentes Bedürfnis für eine Erstreckung; die Nutzung des Wissens, das Verband und Mitglied gemeinsam
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
ist, sollte nicht schon aufgrund des Ankaufs „fremder" Ware als treuwidrig angesehen werden 110 . bb) Oben war am Beispiel einer Entscheidung des Reichsgerichts 111 dargelegt worden, daß Änderungen in den Außenbeziehungen der Gesellschaft bzw. deren Auflösung und Neugründung zu einer Schadensersatzpflicht gem. § 826 BGB führen können, wenn auf diese Weise die Abwicklung des mit der Altgesellschaft geschlossenen Vertrages hintertrieben werden soll 112 . Im dort geschilderten Kino-Fall führte die Einwirkung der Gesellschafter auf die Gesellschaft dazu, daß eine vom Verband geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden konnte. In dem hier zu erörternden Fall der Alleinbezugsverpflichtung wird die Gesellschaft demgegenüber durch den Gesellschafter nicht gehindert, ihrer vertraglichen Unterlassungspflicht nachzukommen. Dem Fall einer „Verhinderung der Forderungserfüllung" läßt sich der Fall einer „Entwertung der (gleichwohl erfüllten) Forderung" gegenüberstellen. Hierin liegt nicht nur ein gradueller, sondern ein qualitativer Unterschied. Dies wird auch daran erkennbar, daß die Gesellschafter-in die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft nur dort gestaltend eingreifen müssen, wo sie eine Erfüllung durch die Gesellschaft verhindern wollen. Nur in diesem Fall liegt ein Eingriff in ein fremdes Vertragsrecht offen zu Tage. Dies rechtfertigt, grundsätzlich nur den Eingriff in das Leistungsvermögen des Schuldners dem § 826 BGB zu unterstellen 113. Folgt man dieser Sicht, sind Alleinbezugsverpflichtungen im allgemeinen weder gem. § 826 BGB noch nach § 242 BGB zu erstrecken.
e) Unvertretbare Handlungen Beispiel 8: (Zeugniserteilung) Der vormals bei der Α-GmbH beschäftigte Arbeitnehmer X nimmt den Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer G, der sich auf-
110 Ist eine Erstreckung nicht schon aus in der Transaktion liegenden Geichtspunkten geboten, muß sie nach meinem Dafürhalten unterbleiben. Wird an das persönliche Verhältnis der Beteiligten angeknüpft und aus einer allgemeinen Verpflichtung zu persönlicher Treue deduziert, besteht die Gefahr, daß eine Entscheidung nur vom Rechtsgefühl uhd nicht von vorhersehbaren Sachkriterien bestimmt wird. 111 RGZ 114, 68 ff. 112 S. Teil 2, Kap. 3, 2.b.aa, insbes. bei Fn. 203 und Fn. 211. 113 An eine Gleichstellung der Fälle ist erst zu denken, wenn der Gesellschafter gezielt auf eine Verringerung der Produktion durch die Gesellschaft hinwirkt, etwa indem er dahingehende Weisungen erteilt, oder der Gesellschaft personelles oder sachliches Substrat entzieht. Doch überwiegen m.E. auch dann die Bedenken, wenn der Vertrag gerade keine Mindestabnahme durch die Gesellschaft vorsieht.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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grund vorausgegangener persönlicher Differenzen weigert, ihm ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen, persönlich auf Erteilung des Zeugnisses in Anspruch. Teils wird die Auffassung vertreten, Verhaltens- Auskunfts- und Einsichtspflichten wären unter Anwendung derselben Grundsätze einer Erstreckung zugänglich, die auch für Unterlassungspflichten gelten 114 . Für die hier entwikkelte Position, nach der eine Anwendung des § 242 BGB im Verhältnis von Gesellschaftsgläubiger und Gesellschafter nur darüber zu befinden hat, inwieweit die Rechtsgüter des einen vor Eingriffen des anderen Schutz genießen, ist dies gerade nicht der Fall. Die Pflichten zur Vornahme unvertretbarer Handlungen und Unterlassungen sind rechtsähnlich insofern, als es sich beide Male um auf die Person des Schuldners bezogene Schuldinhalte handelt. Dies gibt Anlaß zu fragen, ob für unvertretbare Handlungen ausnahmsweise nicht doch die Erstreckung einer Leistungspflicht geboten sein kann. Eine solche Anwendung des § 242 BGB wäre freilich nicht mehr unter den Terminus Respektpflicht zu fassen. Genauso wie eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung nur vom jeweiligen Schuldner erfüllt werden kann 115 , ist nur der betreffende Schuldner zur Erbringung der geschuldeten „unvertretbaren Handlung" 116 in der Lage. Willenserklärungen etwa, die eine dingliche Rechtszuordnung ändern sollen, entfalten nur dann ohne weiteres eine Wirkung, wenn sie vom Berechtigten abgegeben werden 117 . Sind Zeugniserteilung, Rechnungslegung oder Auskunft - um Beispiele „unvertretbarer" Handlungen zu nennen Ausfluß einer Stellung des Schuldners als Arbeitgeber, Treuhänder, Geschäftsführer oder ähnlichem, kann sie nur der vormalige Arbeitgeber, der Treuhänder oder der Geschäftsführer erfüllen. D.h., entsprechende Verbindlichkeiten der Gesellschaft sind namens der Gesellschaft zu erbringen 118 . Kann also die Vornahme der entsprechenden „Erfüllungshandlungen" 119 durch den Gesellschafter persönlich nicht einmal dasjenige bewirken, was von der Gesellschaft vertraglich geschuldet ist, steht die „Unvertretbarkeit" der unver114
So Hachenburg /Mertens, Anh. nach § 13 Rdnrn. 56, 58. Zu deren Vollstreckung s. § 894 ZPO. 116 Vgl. dazu § 888 ZPO. 117 Zur Geltung der Regeln über den gutgläubigen Erwerb bei Erzwingung der Abgabe einer Willenserklärung im Wege der Zwangsvollstreckung s. § 898 ZPO. 118 Zu Unterlassungen und unvertretbaren Handlungen als je „personenbezogenen" Leistungsinhalten mit der Folge, daß ein entsprechendes Verhalten von Gesellschaft und Gesellschafter nicht als inhaltsgleiche Leistung angesehen werden kann s. nur Flume , Die Personengesellschaft, § 16 III 4; Hadding, ZGR 1981, 577, 585, und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2 a, S. 1181. 119 Die Formulierung eines Zeugnisses, die Erstellung eines Rechenwerkes etc. 115
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
tretbaren Handlungen deren Erstreckung sogar entgegen. Die Erstreckung von Unterlassungspflichten wurde denn auch nicht aufgrund ihrer „Unvertretbarkeit" sondern aufgrund anderer Besonderheiten für möglich erachtet: Zum einen besteht bei Unterlassungspflichten des Verbandes für die Mitglieder trotz Vertragstreuen Verhaltens der Gesellschaft vielfach die Möglichkeit einer „Entwertung" der Verbindlichkeit, die in ihrer Wirkung einer Nichterfüllung gleichkommt; Unterlassungspflichten sind so gesehen besonders „einwirkungsempfindlich". Und dies, ohne daß hierdurch eine Einstandspflicht des Vertragspartners Gesellschaft ausgelöst würde, während das Ausbleiben von Leistungen - die unvertretbaren eingeschlossen - regelmäßig Ersatzansprüche gegen die Gesellschaft auslöst. Die unvertretbaren Handlungen geben auch unter anderen Gesichtspunkten keinen Anlaß dazu, über § 242 BGB vertragliche Leistungspflichten auf Gesellschaftsmitglieder zu erstrecken: Wie bereits ausgeführt, ist der Gesellschafter in Person nicht in der Lage, die Gesellschaftsschuld zu erfüllen. Andererseits ist ein gegen den Gesellschafter als selbständige Rechtsperson gerichteter Anspruch auf Vornahme ihm möglicher organschaftlicher Handlungen, der aufgrund eines gegen ihn gerichteten Titels zwangsweise durchgesetzt werden könnte, als systemwidrig abzulehnen120. Damit verbleibt allenfalls, das Verbandsmitglied für verpflichtet zu erachten, auf eine Erfüllung durch die Gesellschaft hinzuwirken. Schon die Formulierung etwaiger Einwirkungspflichten bereitet Schwierigkeiten 121 . Vor allem aber würde eine entsprechende Handlung des Gesellschafters einer Leistung durch die Gesellschaft „nichts hinzufügen" 122 . Sie hätte Sinn allein, um Erschwernissen, die im Rahmen der Vollstreckung gegen die GmbH auftauchen, auszuweichen. Doch auch ein gesteigertes Primär-
120
Hiergegen zu Recht Flume , Die Personengesellschaft, § 16 III 5 in der insoweit parallel gelagerten Diskussion zu § 128 HGB. 121 Welche Leistungshindernisse muß der Gesellschafter beseitigen? Schuldet er z.B., auf Mitgesellschafter einzuwirken, die nicht zur Erfüllung bereit sind? Worin kann die Förderpflicht eines Alleingesellschafters und Alleingeschäftsführers liegen, wenn nicht in der abzulehnenden Selbstvornahme der von der Gesellschaft geschuldeten Handlung? Ferner wäre eine sachgerechte Antragstellung seitens des Gesellschaftsgläubigers nur möglich, wenn er Einwirkungsmöglichkeiten des Mitglieds kennt, die sich aus dem gesellschaftlichen Innenverhältnis ergeben. Schließich stünde der Gläubigeranspruch zur Disposition, soweit der Gesellschafter auf seine Einflußmöglichkeiten verzichten kann (s. dazu Hadding, ZGR 1981, 577, 581 f. im Zusammenhang der Diskussion um den Inhalt einer Gesellschafterhaftung bei der OHG). 122 Dies war für BGH WM 1983, 220 f. der entscheidende Gesichtspunkt, um eine Verpflichtung des OHG-Gesellschafters zur Abgabe einer von der Gesellschaft geschuldeten kaufvertraglichen Annahmeerklärung abzulehnen.
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leistungsinteresse des Gesellschaftsgläubigers rechtfertigt nicht die Eröffnung einer zweiten, gesetzlich nicht vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeit zur Erzwingung von Gesellschaftsschulden. Folgt man diesem Standpunkt, muß der Arbeitnehmer die Zeugniserteilung im Wege einer Zwangsvollstreckung gem. § 888 ZPO gegen die Gesellschaft erwirken. f) Duldungspflicht Beispiel 9: (Parzelle am Hafenrand) m Gesellschaftsgläubiger Gl erwarb von der X-AG ein bebautes Grundstück in Hafennähe, sowie kurze Zeit später eine angrenzende Parzelle, die bis zur Hafenböschung reichen sollte. Für die X-AG handelte deren alleiniger Vorstand und Aktionär A. Aufgrund fehlerhafter Vertragsabwicklung es war versehentlich falsch vermessen worden - verblieb der X-AG ein 1 Meter breiter Streifen am Hafenrand zu eigen. Unter anderem dieses Grundstück erwarb der A von der zwischenzeitlich in wirtschaftliche Bedrängis geratenen X-AG im Wege der Zwangsversteigerung. Ein Transportband der Verladeeinrichtung des Gl ragt in den Luftraum über diesem Geländestreifen. A sieht hierin eine unzulässige Eigentumsstörung, die er nur bei Zahlung eines entsprechenden Entgelts zu dulden bereit ist. Das Beispiel dient der weiteren Klärung, wann vertragliche Leistungspflichten der Gesellschaft gem. § 826 oder § 242 BGB auf einen Gesellschafter ausstrahlen können. Das Gericht sah zwar keine Möglichkeit, die Übereignungspflicht der AG auf ihren Alleingesellschafter zu erstrecken 124; doch wurde die Abwehrklage des A unter Rekurs auf Besonderheiten des Falles abgewiesen: Diese Besonderheiten sieht das RG zum einen darin, daß der Kläger in „Abweichung vom eigenen Wort" den Vermessungsfehler ausnutzen will, der allen Beteiligten unterlaufen ist. Damit wird auf die Nähe des Alleingesellschafters und kontrahierenden Geschäftsführers zur Gesellschaftsschuld abgehoben. Zum anderen folgert das Gericht aus dem Umstand, daß für A kein anderer sinnvoller Nutzungszweck existierte, daß er bei Duldung der Eigentumsstörung auch kein „eigenes sachliches Opfer" erbrächte. Vor diesem Hintergrund stelle der Versuch, eine Leistung der Beklagten zu erlangen, ein Handeln dar, das als „unzulässig eigennützig und als sittenwidrig i. S. d. § 826" erscheine. Hier könnten die rechtlichen Folgerungen aus der formalen Verschiedenheit des Einmann-Aktionärs von seiner Gesellschaft „nicht bis zum letzten" gezogen werden 125 . 123
Vgl. RG DR 1939, 1083 f. (AG). Auf S. 1084 des Urteils heißt es: „Das Eigentum des Klägers soll nicht angetastet werden." 125 S. RG a.a.O., S. 1083. 124
12 Diez
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Die ausgesprochene Rechtsfolge war für den Gesellschafter weniger einschneidend, als die Erstreckung der Leistungspflicht der Gesellschaft. Ihm wurde lediglich eine Möglichkeit zur Vermögensmehrung abgeschnitten, nicht aber eine aktuelle Einbuße auferlegt. Das Urteil stellt damit im Ergebnis einen Interessenkompromiß her, der zwischen den beiden denkbaren Extremen einer Übereignungspflicht und vollständiger Freiheit des Gesellschafters liegt. Doch bleibt zweifelhaft, ob das Fehlen einer anderweitigen Nutzungsmöglichkeit einen tragfähigen Grund für die Rechtfertigung einer unentgeltlichen Duldungspflicht im Gläubigerinteresse darstellt. Daß besonnene Beteiligte einer solchen verständigen Regelung zustimmen würden, kann für § 826 BGB nicht genügen, wenn seine Anwendung ein Unweiturteil voraussetzt, das nur groben Verstößen gegen die Billigkeit eignet. Zwischen Fällen, in denen der Gesellschafter lediglich untätig bleibt und solchen, in denen er beispielsweise die Gesellschaft in Schädigungsabsicht außer Stande setzt, die Gläubigerforderung zu erfüllen, besteht nicht nur ein gradueller Unterschied. Auch wenn der Gesellschafter mit der Entscheidung des Reichsgerichts wie bei der Erstreckung von Unterlassungspflichten - nicht zu einer Handlung verpflichtet wurde, sondern er sich „nur" in seiner Handlungsfreiheit beschränkt sieht, besteht nach dem hier vertretenen Standpunkt kein Grund zur Begründung einer Duldungspflicht auf Grundlage des § 242 BGB: Bei der Duldungspflicht handelt es sich um eine „coupierte" Leistungspflicht. Der Gesellschafter soll nicht übereignen, aber zur Nutzung überlassen müssen. Das Gebot der Rücksichtnahme verstanden als Verbot des Übergriffes in einen fremden Rechtskreis kann auch diese begrenzte Pflicht nicht begründen. Der Gesichtspunkt einer Schädigung durch Unterlassen der Duldung kann nur gegenüber demjenigen durchgreifen, der leistungspflichtig ist; und dies ist eben die Gesellschaft als Vertragspartner. Auch das Verbot, bereits gewährte Vorteile wieder zu entziehen, ist hier nicht verletzt. Das Problem des Falles besteht darin, daß seitens der Gesellschaft nicht erfüllt wurde, solange sie zu einer Erfüllung in der Lage war. Für den Gläubiger macht es dabei keinen Unterschied, ob der Gesellschafter oder ein Dritter den Gegenstand erwarb und so der Gesellschaft die Möglichkeit nahm, ordnungsgemäß zu erfüllen. Allein das Näheverhältnis des Gesellschafters zum Gesellschaftsgläubiger ist meines Erachtens kein hinreichender Grund, um den Gläubiger von dem Risiko zu befreien, nicht mehr in den Genuß des Leistungsgegenstandes zu kommen, wenn er sich nicht rechtzeitig um eine Erfüllung durch die Gesellschaft kümmert. Wollte man den Gesellschafter hier in Anspruch nehmen, wäre er konsequenterweise stets zur Erfüllung einer nur durch ihn erfüllbaren Speziesschuld anzuhalten.
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Auch dieser Sachverhalt bietet keinen Anlaß um von unserem Ausgangs punkt abzuweichen, nach dem über § 242 BGB nur Unterlassungspflichten auf den Gesellschafter zu erstrecken sind.
3. Voraussetzungen in der Person des Gesellschafters und allgemeine Schranken einer Inanspruchnahme Aus der Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft können sich Schranken einer Erstreckung ergeben (hierzu a.). Ferner könnte der Fortbestand der Mitgliedschaft Voraussetzung einer Bindung der Gesellschafter sein (dazu b.). Schließlich bleibt zu fragen, inwieweit Abmachungen zwischen den Beteiligten einer Erstreckung vertraglicher Pflichten Grenzen setzen (dazu c.).
a) Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft Zwei Extreme stehen sich gegenüber: Der Gesellschafter der nur geringfügig kapitalistisch beteiligt ist einerseits, und der Alleingesellschafter, der zugleich alleine die Geschäfte der Gesellschaft führt andererseits. Dazwischen existieren vielfältige Abstufungen 126. Unter Rückgriff auf die bisherigen Überlegungen bieten sich drei Optionen an, um den Punkt zu bestimmen, ab dem der Gesellschafter Pflichten zur Rücksichtnahme unterworfen ist. Würde ausschließlich angeknüpft an die Fähigkeit des einzelnen Gesellschafters, die Gläubigerforderung zu konterkarieren, käme als Schuldner im Ausgangspunkt gleichermaßen jeder Gesellschafter, unabhängig von seiner Stellung im Verband, in Betracht. Damit blieben aber die Interessen der nur untergeordnet Beteiligten wie auch das Gesellschaftsinteresse weitgehend ausgeblendet: Nach der hier entwickelten Position ist eine Erstreckung nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die untersagte Handlungsmöglichkeit des Gesellschafters erst durch die Gesellschaft oder deren Gläubiger eröffnet wurde. Einem Konkurrenzverbot etwa kann auch derjenige unterliegen, der bereits unabhängig von seiner Gesellschaftsbeteiligung willens und in der Lage war, einen Konkurrenzbetrieb zu dem des Gläubigers zu eröffnen 127. Eine Erstreckung
126 Beispielsweise der Gesellschafter-Geschäftsführer, dem als Leistungsanreiz eine geringe Gesellschaftsbeteiligung eingeräumt wurde. 127 Vgl. oben in diesem Kapitel, 2.a, Beispiel 1. Zur Frage, ob mit dem Beitritt auch „Altschulden" der Gesellschaft zu erstrecken sind oder nur eine Inpflichtnahme aufgrund neu begründeter Verbindlichkeiten eintritt s.u. b.
12*
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auf nur in geringerem Umfang kapitalistisch Beteiligte wäre vor diesem Hintergrund vielfach „unverhältnismäßig", weil der mit dem Geschäftsanteil verknüpfte Nutzen für den Betroffenen außer Verhältnis zu den mit der Mitgliedschaft einhergehenden Handlungsbeschränkungen stünde 128 . Im übrigen sind auch einzelne, für sich nur geringfügige Freiheitsbeschränkungen für Kleinanleger und Publikumsgesellschafter nicht hinnehmbar, weil aus der Vielzahl der Gesellschaftsverbindlichkeiten eine Vielzahl von Bindungen resultieren kann, die in ihrer Summe eine schwerwiegende Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit bewirken. Eine Erstreckung in diesen Fällen wirkte zudem nachteilig auf die Gesellschaft. Die Bereitschaft zu einer rein kapitalistischen Beteiligung würde beschränkt und somit die Kapitalaufbringung für die Gesellschaften erschwert. Auch allein auf die Partizipation am Geschäftserfolg der Gesellschaft abzustellen, ist bedenklich. Sollen nicht im Einzelfall der „Gewinn" durch die Gesellschaft und der „Verlust" infolge der mit der jeweiligen Erstreckung verbundenen Nachteile abgewogen werden, wäre eine prozentuale Mindesthöhe der Beteiligung festzulegen, ab der eine Erstreckung stattfinden soll. Dies dürfte aber nur im Wege der Dezision möglich sein. Anders als für die Frage der Stimmrechtsmacht, wo die bloße Teilhabe an der Willensbildung bei Überschreiten der 50 Prozent-Schwelle in Mehrheitsherrschaft umschlägt, ist diese Marke für die Festlegung einer „erstreckungsbegründenden Beteiligungshöhe" kein überzeugendes Datum. Mir scheint eine Abgrenzung am geeignetsten, die grundsätzlich eine nicht unerhebliche Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft fordert und zusätzlich auf die Einflußmöglichkeit des Gesellschafters auf die Geschäftstätigkeit des Verbandes abstellt. Hierdurch wird ein Rest an Autonomie für den Gesellschafter gewahrt. Der „gestaltungsmächtige" Gesellschafter, der die Mehrheit in der Gesellschaft besitzt oder einen anderweitig gesicherten Einfluß auf die Gesellschaft ausüben kann, ist in der Lage, einer „Fremdbestimmung" durch Auferlegung von Handlungsbeschränkungen aufgrund einer Respektpflicht vorzubeugen. Er kann darauf hinwirken, daß entsprechende Geschäftsabschlüsse des Verbandes entweder ganz unterlassen werden oder eine vertragliche Klarstellung erfolgt, wonach die Gesellschaftsverbindlichkeit nicht auf die Gesellschafter persönlich ausstrahlen soll 129 . Mit dieser wertungsmäßi128
Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Anwendung und Konkretisierung zivilrechtlicher Generalklauseln ist im Grundsatz unbestritten. Grundlegend BVerGE 7, 198, 205 f. Aus dem Schriftum zu Treu und Glauben siehe Soergel/ Teichmann, § 242 Rdnrn. 43 ff. m.w.N. Insbesondere an Eingriffe in die Berufsausübung, wie sie ein Wettbewerbsverbot mit sich bringt, stellt die Rspr. hohe Anforderungen. Anschaulich insoweit der Beschluß des BVerfG v. 7.2.1990, BB 1990, 440, 441 (Verfassungswidrigkeit von § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a.F. betreffend). 129
Zur Abdingbarkeit der Respektpflicht s.u. c.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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gen Anleihe bei der Rechtsgeschäftslehre 130 wird dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter gegen gesetzliche Beschränkungen ihrer Handlungsbefugnis aus Anlaß vertraglicher Abmachungen der Gesellschaft als anderer Rechtsperson ausreichend Rechnung getragen. Der Freiheit wird Vorrang vor der Bindung eingeräumt, soweit der Gesellschafter keine Steuerungsmöglichkeit besitzt 131 . Der von einer Erstreckung betroffene Gesellschafterkreis hat es grundsätzlich selbst in der Hand, sich vor aus seiner Sicht zu weitreichenden Handlungsbeschränkungen zu schützen. In welchem Maße der einzelne Gesellschafter die ihm gegebenen Einflußmöglichkeiten nutzt, ist bei dieser Sicht unerheblich. Zugleich werden so die Personen eingebunden, von denen typischerweise die stärksten Gefahren für den Gesellschaftsgläubiger ausgehen. Es sind dies insbesondere Alleingesellschafter und Mehrheitsgesellschafter. Durch eine Mitarbeit im Unternehmen in Person oder über Gewährsleute erwerben oder vertiefen sie branchenspezifische Kenntnisse, sie haben Zugang zu den Interna der Gesellschaft, und ihre Stellung ist zumeist ein starkes Indiz für die Bereitschaft zu selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit — eventuell auch außerhalb der Gesellschaft. Der als Geschäftsführer aktive Minderheitsgesellschafter unterliegt nur dann keiner Bindung, wenn er aufgrund der Satzungsbestimmungen oder kraft tatsächlicher Übung nicht in der Lage ist, einen Geschäftsabschluß des Verbandes zu verhindern oder seine materielle Teilhabe am Geschäftserfolg der Gesellschaft als unwesentlich zu kennzeichnen ist. Darauf, ob es sich beim Gesellschafter um eine juristische oder natürliche Person handelt, kommt es nicht entscheidend an. Nur für die Erstreckung von Geheimhaltungspflichten und das Verbot einer Patentanfechtung sind die genannten personellen Begrenzungen verzichtbar. Das Verbandsmitglied, das sich über die Gesellschaft Geschäftsgeheimnisse des Gläubigers zu eigen macht, ist nicht schutzwürdig, wenn es dieses Wissen zum Schaden des Gläubigers einsetzen will. Mit einer Erstreckung werden dem Gesellschafter hier lediglich Handlungschancen genommen, die erst der Gesellschaftsgläubiger eröffnete. Die überwiegende Anzahl der von einer Ersteckung Betroffenen sind sonach Mitglieder einer personalistischen GmbH, auch wenn sich der Kreis potentieller Schuldner hiermit nicht genau deckt.
130
Vgl. oben die Ausführungen zum Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter in Teil 2, Kap. 2, 1. 131 Zur Bedeutung dieses Gesichtspunktes aus Sicht des Gesellschafters s. bereits oben Teil 2, Kap. 1, 2.
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell b) Fortbestand der Mitgliedschaft als Erfordernis?
Eine gesetzliche Respektpflicht wäre für den Gesellschafter im Vergleich zu einer persönlich übernommenen vertraglichen Verpflichtung von Vorteil, wenn das Ausscheiden aus der Gesellschaft vorhandene Bindungen entfallen ließe. Mit Verlust seiner Handlungsmöglichkeiten über die Gesellschaft würde so seine eigene Handlungsbefugnis Wiederaufleben. Die konstruktive Anknüpfung an die Mitgliedschaft beim Vertragsschuldner bedeutet jedoch nicht, daß die Pflichten der Gesellschafter zur Rücksichtnahme zwangsläufig mit dem Ende der Mitgliedschaft entfallen müßten. Mit seinem Ausscheiden gehen dem Gesellschafter die zum Schaden des Gläubigers verwertbaren Kenntnisse ja nicht verloren. Erst mit Ablauf eines längeren Zeitraums werden die Daten vielfach ihre Relevanz verlieren 132 . Ein effektiver Schutz des Gesellschaftsgläubigers erfordert daher im Grundsatz einen Fortbestand der Pflichten des Gesellschafters. Zugleich würde so der Gefahr begegnet, daß sich der Gesellschafter mit Verlassen der Gesellschaft aus den ihm möglicherweise unangenehmen Bindungen „freikauft". Über die Dauer der Mitgliedschaft hinausgehende, aber aus ihr entspringende Pflichten sind im übrigen nichts Ungewöhnliches, wie schon die Existenz nachwirkender „Treuepflichten" des Gesellschafters gegenüber dem Verband 133 und die Haftungsverfassung der OHG zeigen 134 . Das allenfalls für die erwogene Zäsur streitende Argument der Rechtssicherheit - weil hiermit eine klare und leicht handhabbare Regelung gelten würde - fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Eine Hilfsüberlegung stützt diese Auffassung: Bei Verkauf seiner Beteiligung unter exakter Bewertung der Geschäftschancen der Gesellschaft, geht der aus der Abwicklung des betreffenden Geschäfts mit dem Gesellschafts-
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Beispielsweise verliert ein vormals persönlicher Kundenkontakt an Gewicht, wenn sich der Geschäftspartner zwischenzeitlich einem anderen Lieferanten zugewandt hat. Vormals geheimes know how kann offenkundig und für jedermann zugänglich werden. Genauso können technische Kenntnisse, weil dann veraltet, schon nach kurzer Zeit nicht mehr verwertbar sein. Vgl. auch § 255 Abs. 4 HGB, der für das Bilanzrecht die Abschreibung eines erworbenen Firmenwerts in 5 Jahren oder auf den voraussichtlichen Nutzungszeitraum zuläßt; zur steuerrechtlichen Behandlung s. § 7 Abs. 1 S. 3 EStG. 133 Str., so aber zu Recht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 b unter Hinweis auf die mit dem Institut der culpa post contractum finitum anerkannten „Nachwirkungen" bereits abgewickelter Schuld Verträge. 134 Ausgeschiedene OHG-Gesellschafter haften grundsätzlich für alle Verpflichtungen, deren Rechtsgrund vor dem Ausscheiden gelegt ist, sowie auch für laufende und neue Teil Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen. S. nur Baumbach/Duden/ Hopt, § 128 Anm. 5 Α - C m.w.N. zum Meinungsstand im Detail.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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gläubiger zu erwartende Vorteil in den Kaufpreis ein. Der Altgesellschafter zieht also bei solcher Berechnung den vollen Nutzen aus dieser vertraglichen Beziehung. Es wäre ein zusätzlicher und aus ursprünglicher Sicht unverhoffter Gewinn, wenn er jetzt früher als anfangs zu erwarten, aus seiner Bindung entlassen würde. Diese Überlegung behält Gültigkeit, auch wenn beim Verkauf für die Anteilsbewertung auf andere Indikatoren 135 als Hilfsmittel der erforderlichen Prognose zurückgegriffen wird. Die Situation stellt sich anderes dar beim Ausscheiden aus anderen Gründen, sofern die Satzung eine pauschalierte Berechnung des Anteilswerts vorsieht; in Betracht kommt etwa eine Bewertung, die sich am Substanzwert unter Ausschluß des „good will" oder an den Buchwerten orientiert. Der Gesellschafter erhält dann nicht alle Erträge, die aus der Geschäftsbeziehung zwischen Verband und Gläubiger zu erwarten sind. Doch ist hierfür ursächlich ein gesellschaftliches Internum, das nicht zum Nachteil des betreffenden Gesellschaftsgläubigers gereichen darf 136 . Entsprechend ist auch von einer Bindung neu eintretender Gesellschafter auszugehen137. Sie können sich durch den Veräußerer oder die künftigen Mitgesellschafter Kenntnis der aufgelaufenen Gesellschafterpflichten verschaffen. Auch der vordergründig berechtigte Einwand, der eintretende Gesellschafter sei gebunden, ohne einen Gegenwert aus der Gesellschaftsverbindlichkeit zu erhalten, kann entkräftet werden. Nach dem oben Gesagten kehrt der Eintretende den aus der Vertragsabwicklung mit dem Verbandsgläubiger zu erwartenden Nutzen mit dem Kaufpreis an den Altgesellschafter aus. Dies ist zu präzisieren: Bei rationalem Kalkül wirkt sich eine Bindung des Neugesellschafters kaufpreismindernd aus. Daß der frühere Gesellschafter dann bei Ausscheiden weniger erhält als beim Verbleib in der Gesellschaft, aber gleichermaßen verpflichtet bleibt, ist dennoch gerechtfertigt: Dies ist Folge seiner getroffenen Dispositionen; dieser Nachteil ist der Preis für die mit der Veräußerung des Gesellschaftsanteils bewirkte Vermögensumschichtung. Sofern sie die weiteren Voraussetzungen einer Erstreckung in ihrer Person erfüllen, unterliegen der Altgesellschafter und das neu eintretende Mitglied gleichermaßen den sich aus „Altverbindlichkeiten" ergebenden Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit. 135
Bilanzergebnisse, Gewinne aus den Geschäftsbeziehungen in der Vergangenheit
u.s.f. 136
Diese Abfindungsklauseln erhalten auch ihren Sinn aus der Binnenperspektive der Gesellschafter: Der teilweise Erlaß des Abfindungsguthabens erleichtert den verbliebenen Gesellschaftern die Fortführung des Betriebes, wobei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses - einem Risikogeschäft nicht unähnlich - i.d.R. noch nicht feststeht, zu wessen Gunsten oder Lasten die Regelung wirkt. 137 Für die OHG s. § 130 HGB, der eine Haftung für Altschulden anordnet.
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell c) Abdingbarkeit der Erstreckung
Die Respektpflicht ist in verschiedener Weise von den getroffenen Abreden abhängig: Eine erste Begrenzung ergibt sich daraus, daß die Gesellschafterpflicht, weil sie der Durchsetzung der Gesellschaftsverbindlichkeit dient, nicht weiter reicht als diese. Soll etwa die Gesellschaft für die Dauer einer Lieferbeziehung nicht selbständig mit dem für den Gläubiger hergestellten Produkt am Markt auftreten, erstreckt sich eine der Sicherung dieses Vertrages dienende Verpflichtung des Verbandsmitglieds höchstens auf diesen Zeitraum. Wo eine Vereinbarung nur zum Ziel hat, den Gesellschafter persönlich zu binden, dürfte eine Erstreckung ganz ausscheiden. Der Geschäftsabschluß stellt sich dann als Mißbrauch der Verbandskompetenz dar. Eine Erstreckung läßt sich hier nicht mehr als Ausstrahlung der Verbandssphäre begreifen; der Gesellschafter muß nicht mit solchen Rückwirkungen von der Verbandssphäre auf seinen eigenen Handlungskreis rechnen. In Fällen kollusiven Zusammenwirkens von Geschäftsführer und Gesellschaftsgläubiger zu Lasten der Gesellschafter sollte in Übertragung der zum Mißbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze 138 eine Erstreckung unterbleiben. Für eine Erstreckung ist schließlich dann kein Raum, wenn zwischen den Beteiligten unmißverständlich vereinbart wurde, dem Gesellschafter seine Handlungsfreiheit uneingeschränkt zu belassen. Denn die Respektpflicht ist sachgerecht nur als dispositives Recht konzipierbar. Dies wird deutlich, wenn wir uns die Gründe einer Lückenhaftigkeit vertraglicher Regelungen und die Grenzen vertraglicher Vorsorge in Erinnerung rufen: - Es kann nicht ohne weiteres behauptet werden, daß es dem Gläubiger auch bei gehöriger Überlegung generell unmöglich sei, die Gefahr eines ihn schädigenden Verhaltens der Gesellschafter zu erkennen. Allerdings wird eine vertragliche Rechtsregei nur derjenige bedürfnisgerecht ausgestalten, der über die hierzu erforderliche Information verfügt. Fehlen konkrete Anhaltspunkte, kann vielfach nicht beurteilt werden, ob tatsächlich Anlaß für eine Vereinbarung auch mit den Gesellschaftern besteht. So verbliebe dem Gesellschaftsgläubiger, sich umfassend abzusichern, oder auf die Möglichkeit von Nachverhandlungen im Bedarfsfalle zu vertrauen; ein zumeist wenig erfolgversprechendes Unterfangen. Damit ist unser Gegenstand nicht einer Regelung durch die Parteien entzogen; es kann nicht von einem „Vertragsversagen" gesprochen werden. Eine Schutzregel zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erspart aber die für Information, Aushandeln und Regelung erforderlichen Kosten. Die Respektpflicht hat bezogen auf die an 138
S. dazu MK ! Thiele, § 164 Rdnrn. 98 ff.
Kap. 2: Gesellschafterpflicht, Gläubigerforderungen nicht zu entwerten
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sich mögliche Vereinbarung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger eine vertragsersetzende Funktion und hinsichtlich der Gesellschaftsschuld eine vertragsergänzende Aufgabe. - Für das Bedürfnis nach hoheitlicher Regelung ist noch wichtiger, daß Schwierigkeiten bei der gestalterischen Umsetzung auftauchen, wenn auch Personen, die dem Verband erst später beitreten, eingebunden werden sollen. Insofern bestehen nur unvollkommene Steuerungsmöglichkeiten durch privatautonome Regelungen139. Diese Defizite werden kompensiert, wenn die Gesellschafter aufgrund ihrer Mitgliedschaft beim Schuldner den von der Sache her erforderlichen Loyalitätspflichten unterworfen werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht jedoch keine Notwendigkeit, dem Gesellschaftsgläubiger einen weiteren Schuldner beizugeben, wenn er gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber dem Gesellschafter auf dessen Einbindung verzichtet hat.
4. Erzwingbarkeit der Respektpflicht Eine Rechtspflicht hat in der Regel nur dann einen praktischen Sinn, wenn sie durchsetzbar ist oder an ihre Verletzung Folgen geknüpft sind. Die Rechtsordnung kennt denn auch nur wenige Fälle, in denen die Einhaltung von Verhaltensgeboten zur Disposition der „Verpflichteten" gestellt wird 1 4 0 . Rechtsverlust (wie bei Obliegenheiten) und Rechte zur Auflösung des betreffenden Schuldverhältnisses (durch Rücktritt oder Kündigung) fallen für den Bereich der Respektpflicht als Mittel zur Verhaltenssteuerung aus, nachdem hier kein auf Leistungsaustausch gerichtetes Schuldverhältnis vorliegt. Es verbleiben im wesentlichen zwei Möglichkeiten zum Schutz des Berechtigten: Entweder wird ihm gestattet, die Einhaltung der Loyalitätspflichten zu er-
139
S.o. Teil 2, Kap. 1, 4.b. Diese Situation besteht allgemein mit der Verjährung einer Forderung. Naturalobligationen können von vornherein freiwillig erfüllt, aber nicht gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden (s. §§ 762 und 656 BGB): Bei Spiel, Wette und Ehemaklervertrag kann weder Erfüllung noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden; die Abrede dient lediglich als Rechtsgrund zum Behaltendürfen („Erwerbsgrund"). Andere Fälle eines Ausschlusses der Vollstreckbarkeit (vgl. § 888 Abs. 2 ZPO) oder Klagbarkeit (s. § 1297 BGB) schließen Ersatzansprüche im Falle einer Nichterfüllung (etwa gem. §§ 325 f. oder 1298 ff. BGB) nicht aus. Daneben existieren nichtstaatliche Verhaltensgebote, die nicht erzwungen werden können; hierzu zählen beispielsweise die Insiderregeln der Börsen. Ein Erfüllungsdruck scheint mir allgemein nur dort entbehrlich zu sein, wo „freiwilliger Gehorsam" zu erwarten ist, oder dem Gesetz im Sinne eines Appells nur daran gelegen ist, ein bestimmtes Verhalten zu fördern, also auf eine „faktische Kraft der Normen" zu bauen. 140
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
zwingen, oder er wird auf die Geltendmachung seines Schadens nach einer Pflichtverletzung verwiesen 141. Fraglich ist also nur, welche Rechtsmacht mit der „Respektpflicht" verknüpft ist. Wie § 1 UWG zeigt, gewährt das Gesetz Unterlassungsansprüche nicht nur zum Schutz absoluter Rechte 142 . Für die Art und Weise der Durchsetzung der aus § 242 BGB abzuleitenden Loyalitätspflichten fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe. Unter dem Gesichtspunkt effizienten Rechtsschutzes spricht aber eine erste Vermutung dafür, daß der Berechtigte normgerechtes Verhalten unmittelbar erzwingen kann. Von diesem Ansatz aus wäre zu begründen, wann dem Gläubiger kein Unterlassungsanspruch zu Gebote steht, sondern er auf einen Schadensersatzanspruch gegen den regelwidrig handelnden Gesellschafter zu beschränken ist 143 . Aus der Binnenperspektive der Beteiligten sind Bedenken gegen die Befugnis der Gesellschaftsgläubiger zur Erzwingung normgerechten Verhaltens der Gesellschafter allenfalls unter dem Aspekt einer unangemessenen Einschränkung der Handlungsfreiheit des Schuldners abzuleiten. Eine solche unangemessene Beschränkung des Schuldners wird nur ausnahmsweise vorliegen. Beispielsweise der vom Vereinigten Senat des Reichsgerichts vertretene Standpunkt, wonach dem Prinzipal kein klagbarer Anspruch darauf zustehe, daß sein Handlungsgehilfe in der Vertragszeit nicht einem anderen Prinzipal Dienste leiste, kann mit diesem Argument gestützt werden: Der mit dem Entzug anderer Verdienstmöglichkeiten einhergehende mittelbare Zwang zur Ableistung der versprochenen Dienste geht über die Zwangswirkung einer 141 In Sonderfällen - wie der Verletzung eines Wettbewerbsverbots - kommt daneben ein Anspruch auf Gewinnherausgabe in Betracht. 142 Zu den in Analogie u.a. zu §§ 12 und 1004 BGB entwickelten sog. quasinegatorischen bzw. deliktischen Asprüchen s. nur Palandt ! Bassenge, § 1004 Rdnrn. 2 f., 27 ff., und Palandt ! Thomas, Einf. vor § 823 Rdnrn. 16 ff. 143 Stellungnahmen existieren zur demselben Problemkreis zugehörigen Frage einer Klagbarkeit vertragsbegleitender gesetzlicher Unterlassungsansprüche des Vertragspartners: Für eine Entscheidung anhand einer Interessenabwägung u.a. RGRK/Alff, § 241 Rdnr. 7; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 208; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111 f., Fn. 28, und Unzen, NJW 1967, 1260 f. Im Erg. ähnlich, aber ein Eingreifen der Regeln der PFV als Normalfall betonend Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, § 2 I, S. 12 („in der Regel" keine Klagbarkeit weiterer Verhaltenspflichten); Palandt/ Heinrichs, § 242 Rdnr. 25 (bei unselbständigen Nebenpflichten nur „ausnahmsweise anzuerkennen"); Köhler, AcP 190 (1990) 496, 508 („Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nur als ultima ratio"), sowie Stürner, JZ 1976, 384, 386 („Erfüllungsanspruch ... erst als ultima ratio der Gefahrenabwehr"). Zur teils vorgenommenen Unterscheidung von (klagbarer) Leistungspflicht und (nicht einklagbarer) unselbständiger Nebenpflicht s. die Nachweise bei Staudinger/J. Schmidt, Einl. zu §§241 ff. Rdnr. 270. Im Grundsatz für Klagbarkeit von Schutzpflichten Motzer JZ 1983, 884, 886 f., und MK/Roth, § 242 Rdnr. 209.
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Schadensersatzpflicht hinaus; er läuft so auch der Intention des § 888 Abs. 2 ZPO zuwider, Dienstherren keine Macht über die Person des Schuldners einzuräumen, wie sie mit der Möglichkeit, die tatsächliche Ableistung unvertretbarer Dienste zu erzwingen, verbunden wäre 144 . Von Konstellationen, in denen Unterlassungspflichten - wie im zuvor genannten Beispiel - auch dazu dienen, vertragliche Leistungspflichten des Schuldners durchzusetzen, sind solche Fälle zu unterscheiden, in denen es ausschließlich darum geht, eine Schädigung der Rechtsgüter oder rechtlich anerkannten Interessen des Berechtigten zu verhindern bzw. zu sanktionieren. Hierzu rechnen nicht nur die sogenannten Schutzpflichten unter Vertragspartnern, sondern auch die Respektpflicht: Sie sichert zwar das Leistungsinteresse des Gesellschaftsgläubigers, entspringt aber nicht der Leistungspflicht der Gesellschaft, sondern der Verpflichtung des Gesellschafters, bestimmte obligatorische Rechte des Gesellschaftsgläubigers nicht zu konterkarieren. Ein Interesse des zur Rücksichtnahme Verpflichteten daran, den anderen gegen Kompensation des Schadens gezielt schädigen zu dürfen, wäre nicht schutzwürdig. „Schadensvergütung vor Schadens Verhütung" gehen zu lassen145, kommt aus Sicht der Beteiligten allenfalls in Betracht, wo die zu unterlassenden Handlungen im Einzelfall nicht hinreichend konkretisierbar sind, sodaß ein Verbot überschießend wirkt, oder die möglicherweise gefährdenden Handlungen zu vielgestaltig sind, weshalb es vorzugswürdig erscheint, die Gefahr einer Schädigung hinzunehmen und erst an einen Schadenseintritt Rechtsfolgen zu knüpfen. Ein weiteres Argument gegen eine unmittelbare Erzwingbarkeit der Verhaltensgebote könnte in Drittwirkungen eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen. Als Beispiel mag der ,J)oppelverkauf i einer Sache dienen. Nach unserem Recht besteht kein Vorrang des „Erstkäufers" auf Erfüllung. Hier dem Erstkäufer neben der rechtzeitigen Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs ein zweites Mittel im „Wettlauf 4 mit dem zweiten Interessen-
144 Die nach Ansicht des RG maßgebliche Begründung ist darin zu sehen, daß „zwar jede Verpflichtung zu einem positiven Tun die selbstverständliche Verbindlichkeit in sich (trägt), alles mit diesem positiven Tun Unvereinbare zu unterlassen. Aber diese negative Seite der Verpflichtung zum positiven Tun ist nicht der Inhalt der Leistung i. S. des § 241 BGB". Jedenfalls kenne unser Recht bei den auf ein Tun gerichteten Schuldverbindlichkeiten keinen klagbaren und nach § 890 ZPO vollstreckbaren Anspruch auf ein Unterlassen des mit der Verpflichtung zum Tun Unvereinbaren. S. RGZ 72, 393, 394. 145 Im Bereich des Wettbewerbsrechts, ist die umgekehrte Rangfolge anerkannt. S. nur Teplitzky, Wettbewerbs- und Wettbewerbsverfahrensrecht, Bd. II, 2. Kap. Rdnr. 15.
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
ten an die Hand zu geben, ist nicht geboten, zumal der Erstkäufer über die Regeln des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichend gesichert ist 146 . Externe Effekte entstehen auch, wenn aus einer Alleinbezugsverpflichtung die klagbare Pflicht abgeleitet wird, Fremdbezug zu unterlassen. Konkurrierende Lieferanten könnten damit erfolgreich vom Vertragspartner ferngehalten werden bzw. bereits begründete Schuldverhältnisse an der vertraglich vorgesehenen Abwicklung gehindert werden. Auch wenn der Gläubiger seinen Anspruch auf Abnahme nicht durchsetzen kann, weil er nicht in der Lage ist, einen hinreichend bestimmten Klagantrag zu stellen 147 , ist ein klagbarer Unterlassungsanspruch gleichwohl zu versagen. Der Gläubiger hatte es in der Hand, sich durch sachgerechte Formulierung der Hauptleistungspflicht 148 einen vollstreckbaren Unterlassungsanspruch zu verschaffen 149. Im Rahmen von Alleinbezugsverpflichtungen besteht daher keine Notwendigkeit, die mit der Verleihung eines klagbaren Unterlassungsanspruchs einhergehenden einschneidenden Drittwirkungen auch dort in Geltung zu setzen, wo die Parteien keine ausdrückliche Abrede getroffen haben. Im Bereich der Respektpflicht stehen dem Berechtigten keine vergleichbaren Vorsorgemöglichkeiten zur Verfügung. Dies rechtfertigt, seinen Interessen im Grundsatz den Vorrang einzuräumen. Das gilt erst recht für Bereiche, in denen der Pflicht zur Schadenskompensation nur eine unvollkommene Steuerungswirkung zukommt, weil erhebliche Schwierigkeiten bestehen, den entstandenen Schaden zuverlässig nachzuweisen150. Vorbehaltlich einer anderen Bewertung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, hat der Gesellschaftsgläubiger also ein Wahlrecht, ob er „dulden und liquidieren" mag,
146
Zum Anwendungsfeld der §§ 935 ff. ZPO in diesem Zusammenhang s. Stürner JZ 1976, 384, 390 f. 147 Sei es, weil keine Mindestbezugsmenge festgelegt worden war, sei es, weil er nicht in der Lage ist, den Bedarf des Vertragspartners zuverlässig zu ermitteln. 148 Soweit solchen Vereinbarungen die Wirksamkeit versagt werden kann - zu denken ist etwa an § 18 GWB - besteht auch kein Bedürfnis für die Anerkennung einer klagbaren gesetzlichen Pflicht. 149 Zutreffend Köhler, AcP 190 (1990), 496, 507, nach dem „... der Gläubiger die Schwierigkeiten der Durchsetzung seines Leistungsinteresses ... selbst zu verantworten hat". Im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, JZ 1985, 337 f., mit der m.E. aber in ihrer Allgemeinheit nicht ohne weiteres zutreffenden Begründung, daß sog. unselbständige Unterlassungspflichten, denen kein weiterer Zweck zukommt, als die Durchsetzung der Leistungspflicht sicherzustellen („die sich lediglich als das selbstverständliche Kehrbild einer positiven Leistungspflicht darstellen") stets - also unabhängig vom Grad ihrer Außen- sowie handlungsbeschränkenden Wirkungen - keine Klagbarkeit zukomme. 150
Vgl. oben Teil 2, Kap. 1, 4.b nach Fn. 37 im Text.
Kap. 3: Vereinbarkeit mit der Haftungsordnung der GmbH
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oder ob er sofort gegen Verhaltensweisen einschreiten will, die dem Verbandsmitglied aufgrund der Respektpflicht untersagt sind 151 .
Kapitel 3
Vereinbarkeit der Respektpflicht mit der Haftungsordnung der GmbH Die in § 13 Abs. 1 GmbHG festgelegte eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH 1 5 2 wird mit Anerkennung der Respektpflicht nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: Die strikte Unterscheidung von Gesellschaft und Gesellschafter als je eigenen Rechtsträgern ist gedankliche Voraussetzung deren verschiedener Pflichtenkreise. Ausschließlich die Gesellschaft ist Träger der vertraglichen Rechte und Pflichten. Den Gesellschafter treffen mit dem Gesetz als Geltungsgrund anders fundierte und auch in ihrem Bezugspunkt abweichende Verpflichtungen: Er hat nicht eine Leistung zu erbringen, sondern fremde Rechtspositionen zu beachten, und deshalb Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit hinzunehmen. Folgerichtig besteht auch inhaltlich keine Übereinstimmung der Verbindlichkeiten von Verband und Mitglied. Der Gesellschafter ist keinen Handlungspflichten zur Aufstockung des Vermögens des Gesellschaftsgläubigers unterworfen. § 13 Abs. 2 GmbHG, wonach den Gläubigern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvermögen haftet, steht bei wortgetreuer Anwendung ebenfalls nicht in Widerspruch zu Loyalitätspflichten der Gesellschafter aus Treu und Glauben. Die Respektpflicht rüttelt nicht an der Freistellung der Gesellschafter von den Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Es 151
Dabei dürfte über das allgemeine Rechtsschutzinteresse hinaus, das für jede klagweise Geltendmachung eines Anspruchs erforderlich ist (zu ihm s. BGH NJW-RR 1989, 263, 264) in Anlehnung an § 1004 BGB und die auf seiner Grundlage zum Schutz fremder Rechtsgüter entwickelten gesetzlichen Unterlassungsansprüche eine „Verletzungsgefahr" zu fordern sein (zu § 1004 s. die Nachweise oben Fn. 142). Sie kann in der Spielart einer Wiederholungs- oder einer Erstbegehungsgefahr gegeben sein (zu diesen Begriffen s. Teplitzky, Wettbewerbs- und Wettbewerbsverfahrensrecht, Bd. II, Kap. 6 und 10). So ist sichergestellt, daß der Schuldner nicht über Gebühr Unterlassungsansprüchen ausgesetzt wird. 152 Schon für die Gesetzesverfasser stand die Rechtssubjektivität der GmbH außer Frage. Vgl. Verhandlungen des Reichstags/Drucksachen, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, S. 3737, wonach mit der Formulierung des § 13 Abs. 1 GmbHG, die sich bewußt an Art. 213 AktG und § 17 GenG anlehnte, die „Fähigkeit der Gesellschaft zum selbständigen Vermögenserwerb" festgelegt werden sollte, ohne damit zugleich darüber befinden zu wollen, ob die GmbH als juristische Person anzusehen sei.
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
handelt sich nicht um eine Haftung für Schulden der GmbH, sondern um eine originär eigene Pflicht des Gesellschafters 153. Weder wird dem Gesellschafter abverlangt, von vornherein an Stelle der Gesellschaft zu erfüllen oder für ein Ausbleiben deren Leistung einstehen zu müssen: Seine Bindung ist unabhängig von einer Erfüllung durch den Verband. Noch ist der Gesellschafter einem Erfüllungszwang hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeit unterworfen: Es geht hier nicht darum, eine Erfüllung durch die juristische Person sicherzustellen. Damit bleibt zu untersuchen, ob der vorgeschlagenen RechtsanWendung eine hinter dem Gesetz stehende und im Normtext des § 13 Abs. 2 GmbHG nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachte Wertung entgegensteht. Als Verpflichtungsgründe, die mit der in § 13 Abs. 2 GmbHG niedergelegten Vermögenstrennung nicht in Konflikt geraten, gelten nicht nur eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Gesellschafters in Person, die Übernahme einer Bürgschaft oder einer Garantie. Auch das Institut der culpa in contrahendo sowie die §§ 823 ff. BGB sind als „selbständige" Verpflichtungsgründe anerkannt 154. Die Respektpflicht läßt sich nicht in einen Gegensatz zu einer Verantwortlichkeit der Gesellschafter aus Deliktsrecht oder aus c.i.c. stellen. Es wäre verfehlt, einer deliktsrechtlichen Verhaltenshaftung eine Verantwortlichkeit kraft Stellung oder Status im Bereich der Loyalitätspflichten gegenüberstellen zu wollen. Die deliktischen und die vorvertraglichen Pflichten wollen wie die Respektpflicht der Schädigung anderer Rechtsträger begegnen. In allen Fällen ist schon die Handlungsfreiheit des potentiellen Akteurs beschränkt, wenn vorbeugende Unterlassungsansprüche gewährt werden. Es besteht dann kein prinzipieller Unterschied der Art, daß etwa das Deliktsrecht erst dann eingreife, wenn jemand bereits pflichtwidrig handelte, während die Respektpflicht schon denjenigen treffe, der bloß Gesellschafter ist und ansonsten nichts tue. Ein gradueller Unterschied existiert freilich insofern, als die deliktischen Verhaltenserwartungen an Momente anknüpfen, die in der Regel ohne Bezug zur Mitgliedschaft sind. § 823 Abs. 1 BGB sanktioniert die Verletzung absoluter Rechtsgüter, deren Schutzwürdigkeit evident ist, § 823 Abs. 2 BGB 153
Zu den unterschiedlichen Deutungen des Begriffs Haftung s. bereits oben, Teil 2, Fn. 25. Zur Entwicklung der Lehre von Schuld und Haftung im ausgehenden 19. Jhdt., die beide Begriffe scharf trennte und zu deren nur geringem Einfluß auf die Ausgestaltung des Schuldrechts im BGB sowie die Idee einer Bildung verselbständigter Vermögensmassen s. Diestelkamp, in Coing /Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. VI, S. 21 ff. 154
Vgl. die Nachweise o. Teil 2, Fn. 116. S. ferner Teil 2, Kap. 3, 2.a bei Fn. 182 im Text.
Kap. 3: Vereinbarkeit mit der Haftungsordnung der GmbH
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knüpft an allgemeingültige gesetzliche Verbote an und § 826 BGB stellt auf in der Rechtsgemeinschaft anerkannte ethische Grundsätze ab 155 . Für die Respektpflicht ist die Mitgliedschaft streng genommen zwar nicht Tatbestandsmerkmal; Nähe Verhältnis und Gefährdungsmöglichkeit sind die maßgeblichen Umstände. Doch gehen diese Voraussetzungen mit dem Bestehen der Mitgliedschaft einher. Ferner fixiert der Inhalt des mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrages indirekt auch die Loyalitätspflicht des Gesellschafters, ist also rechtsfolgenbestimmend. Dies stünde im Gegensatz zu einem Trennungsprinzip, das den Gesellschafter vollständig von Rechtswirkungen freistellen will, die aus der Tätigkeit der Gesellschaft entspingen. Schutzbereich und Sperrwirkung des sog. „Trennungsprinzips" sind daraufhin zu untersuchen. Dies wird anhand der Gesetzesmotive (dazu 1.), den für eine Haftungsbeschränkung ins Feld zu führenden Gründen (s. 2.) und möglichen Zusammenhängen zwischen der Schaffung eines Garantiekapitals und einer Enthaftung der Verbandsmitglieder (hierzu 3.) geschehen.
1. Die Funktion des § 13 Abs. 2 GmbHG aus Sicht des Gesetzgebers In der Begründung des Gesetzentwurfes zum GmbHG wird nicht von einer umfassenden Abschirmung der Privatsphäre des Gesellschafters von der Gesellschaftssphäre ausgegangen. Sie formuliert vorsichtiger: „Wo die Gesellschafter nicht in der Lage sind, die Führung der Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen, oder wo doch dem Einzelnen der Einfluß auf die Handlungen der Mitgesellschafter und die Kontrole über deren Thätigkeit nicht im vollen Umfange möglich ist, erscheint die unbeschränkte Haftpflicht jedenfalls nicht als eine nothwendige Konsequenz der Selbstverantwortlichkeit. ... Lassen sich ... genügende Garantien in dieser Hinsicht schaffen (gemeint war die Sicherung der Grundlagen der Gesellschaft), so ist auch nicht schlechthin auf der unbeschränkten Verantwortlichkeit der Beteiligten zu bestehen"156. Der maßgebliche Grund für die Schaffung einer Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung wird allein in dem Gesichtspunkt der Risikobeschränkung für die Kapitalgeber und damit einhergehender höherer Investitionsbereitschaft gesehen 157 . Ganz dieser Problemsicht verhaftet, wird § 13 Abs. 2 GmbHG in den 155 Daß ein Bezug zur Mitgliedschaft fehlt, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Für eine Haftung aus § 826 BGB - Fallgruppe Unterkapitalisierung - ist die Gesellschafterstellung nicht nur „akzidentiell", sondern „essentiell"; dazu Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 108 f. 156 Verhandlungen des Reichstags/Drucksachen, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, S. 3725. 157 Dies wird in der Reichstags-Drucks., a.a.O., S. 3725 klar ausgesprochen: „Die
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell
Erläuterungen nur als Norm angesprochen, die eine Geldhaftung der Gesellschafter direkt gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auch in Höhe der noch nicht erbrachten Stammeinlage ausschließt158. Auch in der vorhergegangenen rechtspolitischen und ökonomischen Diskussion um die Zulassung von Handelsgesellschaften mit einer auf das Sondervermögen beschränkten Haftung, auf die der GmbH-Gesetzgeber zurückblicken konnte 159 , stand die Frage im Vordergrund, wann es gerechtfertigt erscheint, das „übrige Vermögen" des Gesellschafters auch bei schlechtem Geschäftsgang der Gesellschaft zu schonen. Es ging also darum, wer die mit einer Unternehmung verbundenen wirtschaftlichen Risiken letztlich tragen sollte: Die Gesellschafter oder die Gesellschaftsgläubiger. In der klassisch-liberalen Schule herrschte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine kritische Haltung gegenüber haftungsbeschränkten Gesellschaften vor. Stellvertretend auch für die Auffassung in Deutschland sei auf Adam Smith verwiesen. Nach dessen Ansicht besteht bei Aktiengesellschaften in erhöhtem Maße die Gefahr von Mißwirtschaft, weil das Eigeninteresse als Steuerungsgröße im Wesentlichen ausfällt 160 . Aktiengesellschaften seien nur ausnahmsweise zuzulassen. Außer der Forderung, daß ihre Tätigkeit „festen Regeln unterworfen" ist - verlangt war damit ein Geschäftsablauf, der einer bestimmten Routine oder einem von der Sache her gebotenen gleichförmigen Verfahren folgte 161 - sind zwei weitere Bedingungen zu stellen: „Erstens sollte es für jeden augenfällig sein, daß das Unternehmen von größerem und allgemeinerem Nutzen ist als die meisten der übrigen Erwerbe, und zweitens, daß es mehr Kapital erfordert, als eine private Partnerschaft ohne weiteres im heutigen Wirtschaftsleben unentbehrliche Theilung der Vermögenskräfte des Einzelnen ... setzt ... auch eine Theilung und damit eine Beschränkung der aus den einzelnen Unternehmen entstehenden Risiken voraus, und wenn die Gesetzgebung es an den für diese Zwecke dienlichen Gesellschaftsformen fehlen läßt, so kann dies nur die Folge haben, daß die zur produktiven Thätigkeit verfügbaren Kapitalien eine genügende Verwendung im Inlande nicht finden." 158 S. Reichstags-Drucks., a.a.O., S. 3737. 159 Zum ganzen umfassend Henning, in: Coing /Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. VI, S. 52 ff. 160 Der völlige Ausschluß von Sorge und Risiko über eine bestimmte Summe hinaus ließe vielfach Leute Aktien erwerben, die zugegebenermaßen nichts von den Geschäften der Gesellschaft verstünden. Und von den Direktoren selbst sei als Verwalter fremden Vermögens nicht die Sorgfalt und gegenseitige Kontrolle zu erwarten, die Partner einer sonstigen Handelsgesellschaft übten. „Daher müssen Nachlässigkeit und Verschwendung in der Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft stets mehr oder weniger vorherrschen"; s. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, V: Buch, 1. Kap., 3. Teil, 1. Abschnitt, 2, S. 629 f. 161
Eines der von Adam Smith, a.a.O., S. 643 genannten Beispiele ist die Abschätzung eines Versicherungsrisikos anhand fester Regeln und Verfahren.
Kap. 3: Vereinbarkeit mit der Haftungsordnung der GmbH
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aufbringen kann" 162 . Diese Voraussetzungen treffen seines Erachtens nur für das Bankgewerbe, Seefahrts- und Feuerversicherung, Kanalbau und die städtische Wasserversorgung zu 163 . Ebenso herrschte in der Anwendung des preußischen Konzessionssystems für Aktiengesellschaften 164 vor Erlaß des Aktiengesetzes von 1843 eine restriktive Praxis vor. Vielfach war gerade die Beschränkung des Verlustrisikos auf das in die Gesellschaft eingebrachte Vermögen entscheidend für eine Antragsablehnung. In dem Gutachten, das einer Entscheidung der zuständigen Behörde von Bromberg aus dem Jahre 1825 zugrundelag, mit der die Erlaubnis zur Gründung einer „Mühlen-AG" versagt wurde, heißt es: „Die Gesellschaft will also zwar auf der einen Seite den höchsten möglichen Gewinn erstreben — ... auf der anderen Seite aber will sie nicht mit dem Vermögen ihrer Teilnehmer sich dem höchsten möglichen Verlust unterwerfen, sie will vielmehr diesen Verlust auf eine zu der Unendlichkeit des Gewinns verhältnismäßig sehr geringe Summe beschränken und des Vorrechts teilhaftig sein, welches die Gesetze bloß den Korporationen und Gremien bewilligt haben" 165 . Die Bedenken gegen einen Verzicht auf eine Geldhaftung der Mitglieder für die Schulden des Verbandes wurden erst mit Erlaß des Aktiengesetzes von 1870 und seinem System der Normativbestimmungen allgemein zurückgestellt. Dieses Gesetz dürfte durch zwei Entwicklungen begünstigt worden sein 166 : Schon im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts war deutlich geworden, daß große industrielle Vorhaben wie Eisenbahn- oder Bergbau zur Sammlung großer Kapitalbeträge zwangen, die unter Einschluß der Bevölkerungsschichten, die keine unternehmerische Beteiligung, sondern eine risikoarme und gleichwohl profitable Geldanlage suchten, besser zu leisten war. Zugleich wurden mit Handelsregister und Buchführungspflicht (s. etwa Art. 28 f. des ADHGB v. 1861) Sicherungen entwickelt, die das Gläubigerrisiko verminderten.
162
Siehe Adam Smith, a.a.O., S. 643. Siehe Adam Smith, a.a.O., S. 642 ff. 164 Nach ALR, Teil 2, Titel 6, § 25 setzte die Konzessionierung als juristische Person die Verfolgung eines „fortdauernden gemeinnützigen Zweckes" voraus. 165 Siehe Martin, VSWG 56 (1969) 499, 531 f. 166 Ausführlich zur historischen Entwicklung Henning, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. VI, S. 52, 72 ff. 163
13 Diez
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Teil 3: Die „Respektpflicht" der Gesellschafter als Lösungsmodell 2. Teleologische Gesichtspunkte
Die „Teleologie" einer Haftungsbeschränkung läßt sich nicht ohne Blick auf deren ökonomische Wirkungen erfassen. Mit einer Enthaftung der Verbandsmitglieder gehen unterschiedliche positive Wirkungen einher, die die auftretenden negativen Effekte 167 möglicherweise kompensieren können. Die Stichworte „ Wagnisfinanzierung" oder „Förderung des Unternehmertums" 168 umschreiben die freilich zweischneidige Situation, daß die Bereitschaft zu aktivem, auch ungesichertem unternehmerischem Engagement gesteigert wird, wenn das Privatvermögen der Gesellschafter bei einer Insolvenz der Gesellschaft unangetastet bleibt 169 . Dies gilt ebenso bei Fremdgeschäftsführung, weil sich die Gesellschafter bei geringerem Risiko tendenziell auch mit einer geringeren Kontrolle der Geschäftsführung zufriedengeben werden, weshalb den Geschäftsführern ein größerer Entscheidungsspielraum verbleibt. Zum zweiten bedingt die Haftungsbegrenztmg eine „Informationskostenersparnis für Kreditgeber" m. Sie schlägt also insoweit zu deren Vorteil aus. Die Kreditoren müssen nämlich zur Festsetzung der dem Risiko angemessenen Zinsen nicht die Privatvermögen der Gesellschafter überprüfen. Ferner haben sie unter dem Aspekt des beim Gesellschafter vorhandenen Privatvermögens keinen Nachteil aus einem Gesellschafterwechsel. Schließlich wird durch eine Enthaftung der Mitglieder die Verkehrsfähigkeit der Beteiligungen erhöht, was die volkswirtschaftlich erwünschte Bereitstellung unternehmerischen Kapitals erleichtert. Dies wird deutlich, wenn wir eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter unterstellen. Dann haben neben den Kreditgebern auch die Anteilseigner ein starkes Interesse daran, die Übertragung der Beteiligung von ihrer Zustimmung abhängig zu machen; denn sie werden weitergehend belastet, sofern bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auch der Mitgesellschafter „ausfällt". Die verbesserte Übertragbarkeit erhöht ihrerseits die Anlagebereitschaft, indem sie einen Verkauf er167
Die Gefahr einer Verschleuderung von volkswirtschaftlichen Ressourcen steigt (vgl. dazu oben Teil 1, 2. Kap., 2.a). Die Umverteilung der Verluste von den Gesellschaftern als Entscheidungsträgern bzw. Kontrollbefugten auf die Gläubiger bedeutet ferner eine „Externalisierung" von Kosten, die bei ökonomischem Kalkül fragwürdig bleibt, solange kein marktgerechter Ausgleich stattgefunden hat; dazu am Beispiel von Kreditgebern der Gesellschaft Posner, 43 U. Chic. Law Rev. (1976) 499, 503. 168 Dazu Lehmann, ZGR 1986, 345, 353, 356 m.w.N. 169 Ambivalent ist diese Situation deshalb, weil sie das Risiko des Eintritts der in der vorletzten Fn. beschriebenen Gefahren erhöht, was auch das Gewicht dieses Arguments schmälert. 170
Vgl. hierzu Kübler, FS Heinsius, S. 397, 405.
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leichtert, der beispielsweise angezeigt ist, wenn der Gesellschafter die bislang in seiner Beteiligung gebundenen Mittel zur Befriedigung anderer Bedürfnisse einsetzen will 1 7 1 . Alle drei Zielsetzungen - Wagnisfinanzierung, Informationskostenersparnis für Kreditgeber und die Erhöhung der Bereitschaft zur Bereitstellung unternehmerischen Kapitals - bauen im Kern nur auf einem Ausschluß der Haftung mit dem vorhandenen, zugunsten unbefriedigt gebliebener Gesellschaftsgläubiger an sich verwertbaren Vermögensbestand der Gesellschafter auf. Sie werden durch die Anerkennung einer Respektpflicht nicht beeinträchtigt. Dem Argument einer verbesserten Handelbarkeit der Beteiligungen kommt für die GmbH im übrigen nur geringes Gewicht zu, nachdem deren „Kernidee" ist, daß die Anteile trotz kapitalistischer Konstruktion nicht auf Märkten veräußerbar sind, zu denen das allgemeine Anlegerpublikum Zugang hat 172 . Als Beleg für diese Konzeption wie die Praxis mag § 15 Abs. 5 GmbHG dienen, von dem vielfach Gebrauch gemacht wird 1 7 3 ; er erlaubt die Vinkulierung der Anteile. Ebenso braucht die vielschichtige aktuelle Diskussion um die Grenzen des Prinzips der Haftungsbeschränkung hier nicht aufgegriffen werden, soweit sie zu rechtfertigen sucht, wann das unternehmerische Risiko der Gesellschafter ausnahmsweise nicht auf das Stammkapital zu begrenzen ist 174 . 171
Siehe Alchian/Woodward, in: Furubotn/Richter, The New Institutional Economics, S. 127, 138. Für sie ist die Förderung der freien Übertragbarkeit der Unternehmensbeteiligung - die insofern auch zu Gunsten des Unternehmens selbst wirkt, als ein Veräußerungswunsch bei zugelassener Veräußerbarkeit nicht zu Störungen im Unternehmen führt - sogar der einzige Umstand, der die i.ü. mit der beschränkten Haftung verknüpften Nachteile wettmacht. „But for the multi-shareholder firm, the costs are more than outweighed by the flexibility and fungibility that they buy." 172
Siehe Zöllner, JZ 1992, 381. S.o. Teil 2, Fn. 23. 174 Teils wird versucht, zwischen „freiwilligen" (Bsp.: Vertrag) und „unfreiwilligen" Gesellschaftsgläubigern (Bsp.: Delikt) zu unterscheiden. Nur der erstgenannten Gruppe sei es möglich, eine „Risikoprämie" - d.h. eine angemessene Vergütung für das durch die Haftungstrennung bedingte Zusatzrisiko - durchzusetzen. So im Ansatz etwa Kühler, FS für Heinsius, S. 397, 403 ff., 415 ff. m.w.N.; dazu ferner Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 56 ff. Vor vorschneller Annahme einer bewußten Risikoentscheidung warnt (m.E. zu Recht) Roth, ZGR 1986, 371, 377: So gelte vielfach, daß das „Entscheidungsspektrum zwischen dem »Prinzip (dingliche) Sicherheit* und dem »Prinzip Hoffnung 4 nicht so viele Zwischentöne aufweist, wie jene ökonomische Theorie es wahrhaben möchte." Inwieweit Einfluß auf die Geschikke der Gesellschaft die Haftungsschranke entfallen läßt, ist Gegenstandsgebiet insbes. des GmbH-Konzernrechts. Die Gegensätzlichkeit der Standpunkte wurde jüngst wieder in den Reaktionen auf die „Video-Entscheidung" des BGH deutlich. S. dazu die Nachweise oben Teil 1, Fn. 134. 173
13*
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Mir sind nur zwei Gesichtspunkte ersichtlich, die für eine umfassende Abschottung des Gesellschafters von der Gesellschaft sprechen könnten, die letzlich jedoch beide nicht überzeugen. Zum einen kann jede mögliche Verpflichtung einen potentiellen Anleger daran hindern, eine Beteiligung zu erwerben. Für die Förderung der Bereitstellung unternehmerischen Kapitals gilt daher: Je weiter die Freistellung von aus der Gesellschaftstätigkeit an sich abzuleitenden Pflichten reicht, desto besser. Es besteht aber nur für den Publikumsgesellschafter Übereinkunft, daß allein aus der Existenz seiner Beteiligung keine Beeinträchtigungen seines Vermögens oder seiner Handlungsfreiheit resultieren dürfen, die über einen Verlust der Einlage hinausgehen175. Solche Förderung der Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktivkapital erfordert nicht, § 13 Abs. 2 GmbHG im Hinblick auf die Respektpflicht eine Sperrwirkung beizumessen. Denn angesichts des nur geringen Einflußes eines lediglich geringfügig kapitalistisch Beteiligten besteht bei interessengerechter Rechtsanwendung regelmäßig kein gegen den Gesellschafter gerichteter Anspruch auf Rücksichtnahme176. Der zweite Gesichtspunkt ist der einer Minimierung der Kosten, die im Rahmen der Veräußerung von GmbH-Beteiligungen anfallen. Bei umfassender Abschottung der Gesellschafter von der Gesellschaft sind die für eine solche Transaktion aufzuwenden Kosten geringer, wenn eine ansonsten aus Sicht des Erwerbers notwendige Beschaffung von Informationen über mit der Beteiligung verknüpfte weitere Pflichten entbehrlich bleibt. Damit ist jedoch lediglich ein Wertungsgesichtspunkt benannt, für dessen Vorrang vor anderen Kriterien - wie etwa dem des Gläubigerinteresses - kein hinreichender Anhalt besteht.
3. Folgerungen aus der Existenz eines Haftungsfonds Die Ausgestaltung der GmbH als Verband, dem die Gesellschafter ein „Haftungsreservoir" zur Verfügung zu stellen haben, das besonderen Regeln der Aufbringung und Erhaltung unterworfen ist 177 , gibt keine Hinweise auf eine umfassend „freiheitssichernde" Funktion des Trennungsprinzips. Auch wenn wir die These zugrundelegen, das Haftkapital ersetze eine persönliche Verpflichtung der Gesellschafter 178, ist nicht von dem hier befürworteten en175
Vgl. nur Wiedemann , Gesellschaftsrecht, S. 547; Roth, ZGR 1986, 371, 372 f., und Easterbrook/Fischel, 52 U. Chic. Law Rev. (1985) 89, 90, 96 f. 176 Dazu oben Teil 3, Kap. 2, 3.a. 177 S. §§ 5 Abs. 1 und 4, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2, 9, 9 a, 19 ff. und 30 ff. GmbHG. 178 Hierzu in systematischer Sicht unter Wiedergabe auch abweichender Auffassungen K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, S. 119 f.
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gen Verständnis des Trennungsprinzips abzurücken. Diesem Zusammenhang von Garantiekapital und Enthaltung der Mitglieder widerspricht eine Verpflichtung der Mitglieder nur dort, wo die Vermögenshaftung der Gesellschaft die persönliche Bindung der Gesellschafter überhaupt ersetzen kanii, weil sie gleichermaßen eine Saturierung der Gläubigerinteressen ermöglicht. Wo die vermögensmäßige Haftung einer Rechtsperson das Gläubigerinteresse zufriedenstellen kann, genügt eine Geldhaftung der Gesellschaft an Stelle einer Verpflichtung des Gesellschafters. Wie bereits anhand der Beispiele dargelegt wurde, ist dies für den von der „Respektpflicht" betroffenen Bereich der Unterlassungspflichten gerade nicht der Fall 179 .
4. Ergebnis der Prüfung Demnach gebieten weder die Entstehungsgeschichte noch systematische und teleologische Überlegungen eine Anwendung des § 13 Abs. 2 GmbHG über seinen Wortlaut hinaus. Diese Norm untersagt nur, den Gesellschafter an Stelle oder neben der Gesellschaft einer Vermögenshaftung zu unterwerfen. Der Gesellschafter soll weitgehend von den wirtschaftlichen Wagnissen einer Unternehmung freigestellt werden; lediglich mit seiner Beteiligung unterliegt er den unternehmerischen Risiken. Die Schwierigkeit einer Abgrenzung der Freiheitssphäre des Gesellschafters ist im übrigen nicht im Wege einer Deduktion aus einem Trennungsprinzip sondern in sachgerechter Anwendung etwa anspruchsbegründender Normen zu lösen. Schon unser Ausgangspunkt, daß bei selbständigen Rechtspersonen Anspüche jeweils selbständig zu begründen sind, stellt sicher, daß die Verpflichtungen des einen Rechtsträgers nicht automatisch Verpflichtungen des anderen Rechtsträgers sind. Die Mitgliedschaft darf also bei Anwendung allgemeiner Rechtsgrundlagen zur Kenntnis genommen werden, auch wenn dies dazu führt, daß Aktivitäten der Gesellschaft freiheitsbeschränkend auf den Gesellschafter durchschlagen. In der Berücksichtigung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Handlungsmöglichkeiten und Chancen im Tatsächlichen - wie dies mit der Respektpflicht geschieht - liegt keine Mißachtung der in § 13 Abs. 2 GmbHG vorgesehenen Vermögenstrennung. Gerade für die Loyalitätspflichten der Gesellschafter gegenüber den Verbandsgläubigern gilt Müller-Freienfels Feststellung, wonach die Frage, ob es sich um ein spezielles Problem der juristischen Person handelt, nicht schon deshalb bejaht werden kann, weil eine juristische Person im Spiel ist 180 . Die179 180
S.o. Teil 3, Kap. 2, 2. Siehe Müller-Freienfels,
AcP 156 (1957), 522, 539 f.
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ser Befund wird bestätigt durch die Parallelität der Probleme bei der GmbH und der OHG. Obwohl dort die persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten außer Zweifel steht, besteht für Unterlassungspflichten der Gesellschafter derselbe Begründungsbedarf 181. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß eine auf Störungsverhinderung gerichtete Respektpflicht der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nicht mit der Haftungsordnung der GmbH kollidiert.
181
Vgl. nur die Ausführungen K. Schmidts, dazu oben, Teil 1, Kap. 1, 2, 1. Absatz.
Schluß Hier sollen nur die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung thesenartig zusammengefaßt werden 1. L Die Arbeit befürwortet eine Erstreckung vertraglicher Unterlassungspflichten der Gesellschaft auf den Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt, daß der Gesellschafter zur Rücksichtnahme auf die vertraglich fixierten Interessen der Verbandsgläubiger verpflichtet sein kann; den Gesellschaftern ist es ggf. untersagt, die Gläubigerforderung durch ihr Verhalten zu entwerten. Diese Pflicht, bestimmte Forderungen der Verbandsgläubiger zu ,»respektieren", wird hier als „Respektpflicht" bezeichnet. Dieser Ansatz behandelt vertragliche Unterlassungspflichten und Leistungspflichten des Verbandes ungleich. Er wird damit mehreren Umständen gerecht, die für die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der Gesellschaft auf den Gesellschafter bedeutsam sind: - Es widerspricht dem Verbot eines Vertrages zu Lasten Dritter, den Gesellschafter aufgrund des zwischen Gesellschaft und Gläubiger geschlossenen Vertrages für verpflichtet zu erachten, die dort versprochene Leistung zu erbringen. Die Vertragsauslegung, der Vertragszweck und der Gesichtspunkt einer Vertragsumgehung können nicht aus eigener Kraft eine solche Bindung des Gesellschafters bewirken. Das Verständnis von Privatautonomie, das dem zugrundeliegt, steht jedoch einer Regelung durch die Rechtsordnung nicht entgegen, die vertragliche Rechte vor störenden Eingriffen Dritter schützt2. - Eine Beschränkung der Handlungsfreiheit des Gesellschafters als Ausdruck einer gegen ihn persönlich gerichteten Verhaltensanforderung aus Treu und Glauben kommt nicht in Konflikt mit der Haftungsordnung der GmbH. Die Enthaftung der Mitglieder will vermeiden, daß das Privatvermögen der Gesellschafter unternehmerischen Risiken ausgesetzt ist; sie sollen nicht anstelle der Gesellschaft die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger erfül1
S. ferner die im Text enthaltenen Zusammenfassungen und Zwischenergebnisse. Aus Teil 1 siehe Kap. 2, l.d, 2.d und Kap. 3. In Teil 2 vgl. Kap. 1, 6, Kap. 2, 2.c und 3.d, bei Kap. 3 jeweils am Ende der einzelnen Abschnitte, sowie Kap. 4. 2 S. Teil 2, Kap. 2, 1 und 3.
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len müssen. Die Enthaftung der Verbandsmitglieder widerstreitet daher grundsätzlich einer Mitverpflichtung der Gesellschafter bezüglich vertraglicher Leistungspflichten des Verbandes. Demgegenüber zielt die Regelung des § 13 Abs. 2 GmbHG nicht darauf ab, die Gesellschafter umfassend vor Rechtswirkungen freizustellen, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entstehen können3. - Für Unterlassungspflichten besteht ein gesteigertes Interesse an einer Erstreckung. Während dem Verbandsgläubiger bei Ausbleiben einer von der Gesellschaft geschuldeten Leistung die normalen Behelfe zur Verfügung stehen, um seinen Schaden von der Gesellschaft ersetzt zu bekommen, hat der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs in der Regel keine Ansprüche gegen die Gesellschaft, wenn sein Erfüllungsinteresse durch Handlungen des Gesellschafters konterkariert wird 4 . Für Leistungspflichten, die auf die Vornahme unvertretbarer Handlungen gerichtet sind, gelten insoweit keine Sonderregeln 5.
II. Über § 826 BGB, das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, die Regeln der c.i.c. und die Möglichkeit, selbst eine Abmachung mit dem Gesellschafter zu treffen, wird der Gesellschaftsgläubiger in einzelner und wichtiger Beziehung, aber nicht umfassend gesichert 6. Neben diese Bindungen, die vom konkreten Vorverhalten des Gesellschafters abhängen, kann dessen verhaltensunabhängige Pflicht treten, die Forderung des Gesellschaftsgläubigers nicht zu entwerten. Geltungsgrund dieser Pflicht ist § 242 BGB: - Eine Identifizierung von Verband und Mitglied bzw. ein Durchgiff von der Gesellschaft auf deren personelles Substrat wurde für unseren Problembereich verworfen. Die „Negation des Trennungsprinzips" erlaubt keine überzeugende Begründung eines eigenen Anspruchs gegen den Gesellschafter; gelangt ein Trennungsprinzip nicht zur Anwendung, steht lediglich einem etwaigen Anspruch der Gesellschaftsgläubiger kein Trennungsprinzip entgegen. Denn aus dem Umstand, daß eine Regel nicht gilt, ist nicht zuverlässig zu schließen, daß eine andere Regel gelten soll. Um im Wege einer Negation des Trennungsprinzips einen Anspruch gegen die Gesellschafter zu begründen wäre vielmehr ein hinter § 13 GmbHG ver3 4 5 6
Dazu Teil 3, Kap. 3. S. Teil 2, Kap. 1, 4.a und 6. S. Teil 3, Kap. 2, 2.e und f. Dazu Teil 2, Kap. 3, 1 -4.
Schluß
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borgener Grundsatz persönlicher Einstandspflicht der Gesellschafter nachzuweisen. Zudem bliebe eine solche Identifizierung von Verband und Mitglied in zweierlei Beziehung unbefriedigend: Dieser Ansatz überspielt das Verbot drittbelastender Verträge und anerkennt die Gesellschaft und die Gesellschafter entgegen der klaren Anordnung des § 13 Abs. 1 GmbHG nicht als je eigene Rechtspersönlichkeiten 7. - Vom Tatsächlichen her war für die Anerkennung der Respektpflicht einerseits entscheidend, daß dem Vertragspartner des Verbandes vielfach keine umfassende vertragliche Vorsorge zum Schutz seiner berechtigten Interessen möglich ist 8 und aus dem Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft nur ausnahmsweise Ansprüche des Gesellschaftsgläubigers gegen den Gesellschafter abzuleiten sind9. Andererseits zeichnet sich die Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger durch zwei Besonderheiten aus: Aufgrund der Mitgliedschaft und durch eine Mitarbeit im Verband kommt dem Gesellschafter ein besonderes Störpotential gegenüber vielerlei Gläubigerforderungen zu, die auf ein Unterlassen durch den Verband gerichtet sind; die Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen, die der Gesellschafter bewirken kann, ist derjenigen vergleichbar, die eintritt, wenn sich der Vertragspartner Gesellschaft vertragswidrig verhält. Ferner stehen Verbandsmitglied und Gläubiger aufgrund der Gesellschaftsverbindlichkeit in einem besonderen Näheverhältnis zueinander, weil die GmbH Instrument in der Hand der Gesellschafter zur Verwirklichung deren Ziele ist und die Gesellschafter an den Vor- und Nachteilen eines Geschäftsabschlusses des Verbandes partizipieren 10. - Aufgrund der Mitgliedschaft und dem Vertragsschluß der Gesellschaft besteht zwischen Gesellschafter und Verbandsgläubiger ein mittelbares rechtsgeschäftliches Band. Es wird durch die beiden Kriterien einer besonderen Gefährdungsmöglichkeit und einer gesteigerten Interessenverknüpfung in einer Weise qualifiziert, die es erlaubt, den Gesellschaftern die genannte Loyalitätspflicht aufzuerlegen: Mit besonderer Gefährdungsmöglichkeit und gesteigerter Interessenverknüpfung werden Merkmale in bezug genommen, die in anderen Fällen im Rahmen der Anerkennung einer Treuepflicht zwischen GmbH-Gesell7
Dazu Teil 2, Kap. 2, 2. S. Teil 2, Kap. 1, 4.b. 9 S. Teil 2, Kap. 3, 5. 10 S. Teil 3, Kap. 2, l.a, und Teil 2, Kap. 1, l.a. 8
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schaftern und unter Aktionären sowie einer Stellvertreterhaftung aus c.i.c. bei besonderem Eigeninteresse - für die Begründung von Pflichten zur Rücksichtnahme auf Grundlage des § 242 BGB entscheidend waren. Diesen Kriterien kommt auch in unserem Zusammenhang die Funktion zu, die Entstehung besonderer, über das Deliktsrecht hinausgehender Pflichten auf Fälle zu beschränken, in denen die Partnerbindungen von vorneherein individualisiert sind, in denen die Gefahr spezifischer, grundsätzlich auch für die Beteiligten vorhersehbarer Schädigungen besteht und in denen die Verantwortlichkeit der Beteiligten im Hinblick auf ihre Interessenverknüpfung auch aus deren Sicht naheliegt11. - Ein jedermann treffendes, allgemeines Störungsverbot hinsichtlich fremder Forderungen existiert demgegenüber nicht 12 .
ΙΠ. Die hier vorgeschlagene Lösung deckt sich nicht mit der Rechtsprechung, die Dritten, die in Rechtsbeziehungen mit der Gesellschaft getreten sind, „zu der ihnen nach Treu und Glauben zukommenden Leistung" verhelfen will, indem sie die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit der GmbH „hintansetzt". Sie fügt sich der Rechtsprechung aber ein, soweit die Entscheidungen der Rechtsprechung im Kern nicht auf Durchgriffsüberlegungen fußen, sondern sich auf eine eigene Verpflichtung des Gesellschafters stützen, die ihre Grundlage in der eigenen Beziehung zwischen Gläubiger und Gesellschafter hat 13 .
IV. Hier wurde zudem versucht, die fiir eine Erstreckung vertraglicher Verbindlichkeiten des Verbandes maßgeblichen Kriterien 14 genauer zu fassen, um vorhersehbare Entscheidungen zu ermöglichen und reinen Billigkeitsentscheidungen vorzubeugen, die andere grundsätzliche Wertungen unserer Rechtsordnung überspielen:
11
S. Teil 3, Kap. 2, l.b und c. S. Teil 3, Kap. 1. 13 S. dazu Teil 1, Kap. 1, 5, und Teil 3, Kap. 2, 2.c. 14 Zu den Kriterien, die für die einzelnen in der Literatur vertretenen Ansätze maßgeblich sind und die sich z.T. mit den hier vertretenen decken, s.o. Teil 1, Kap. 1. 12
Schluß
203
- Auch von daher rechtfertigt sich der grundsätzliche Ausschluß einer Erstreckung von Leistungspflichten sowie die Beschränkung auf solche Unterlassungspflichten, bei denen eine Einbindung des Gesellschafters von der Sache her als unerläßlich erscheint. -
Konkrete Redlichkeitserwartungen des Rechtsverkehrs, wie sie für eine Begründung von Pflichten auf Grundlage des § 242 BGB vorauszusetzen sind, wurden für 3 Grundkonstellationen bejaht: Dem Gesellschafter ist die „Doppelverwertung" solcher, auch bei der Gesellschaft vorhandener Ressourcen untersagt, die im Verhältnis von Verband und Gläubiger letztgenanntem zugewiesen sind; auf dieser Grundlage können Wettbewerbsverbote, die etwa gelegentlich der Veräußerung eines Unternehmensteiles oder im Zusammenhang einer Lizenzvereinbarung geschlossen wurden, auf den Gesellschafter zu erstrecken sein15 . Der Gesellschafter darf ferner Wissen und Handlungsmöglichkeiten, die er vom Gesellschaftsgläubiger erlangt hat, nicht zu dessen Schädigung einsetzen; hieraus kann sich eine Geheimhaltungspflicht des Gesellschafters, ein Verbot, dieses Wissen zu nutzen sowie das Verbot einer Patentanfechtung ergeben 16. Schließlich muß sich der Gesellschafter unter besonderen Umständen an einer einmal gewählten Aufgabenverteilung zwischen ihm als Privatperson und der Gesellschaft festhalten lassen, sodaß ihm die „Usurpation" von Funktionen, die er seiner Gesellschaft übertragen hat, untersagt ist; dies kann beispielsweise dazu führen, daß der Gesellschafter Immobilien, die er nach dem Vertragsschluß zwischen Gesellschaft und Gläubiger erworben hat, nicht in Widerspruch zu einer in diesem Vertrag enthaltenen Konkurrentenschutzklausel nutzen darf 17 . Eine Alleinbezugsverpflichtung der Gesellschaft ist dagegen grundsätzlich nicht auf die Gesellschafter zu erstrecken 18.
- Neben der Art der Verbindlichkeit sind auch Voraussetzungen in der Person des Gesellschafters zu beachten: Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, ist eine Erstreckung auf solche Gesellschafter beschränkt, die nicht nur unerheblich am Gewinn der Gesellschaft teilhaben und zudem Einfluß auf die Geschäftstätigkeit des Verban-
15 16 17 18
S. dazu Teil S. dazu Teil S. dazu Teil S. dazu Teil
3, Kap. 3, Kap. 3, Kap. 3, Kap.
2, 2.a.aa. 2, 2.b und c. 2, 2.a.bb. 2, 2.d.
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des nehmen können. Rein kapitalistisch und lediglich geringfügig beteiligte Mitglieder unterliegen daher grundsätzlich keinen Bindungen19. Ob es sich bei dem Gesellschafter um eine natürliche oder eine juristische Person handelt, ist unerheblich. Der Fortbestand der Mitgliedschaft ist ebenfalls nicht Bedingung für eine Erstreckung 20. - Absprachen zwischen den Beteiligten, die vorsehen, daß die Handlungsfreiheit der Gesellschafter durch den Vertragsschluß des Verbandes nicht beschränkt werden soll, haben Vorrang. Sie schließen eine Erstreckung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Respektpflicht aus21.
V. Für die Rechtsfolgenseite bleibt anzufügen, daß die Einhaltung der dem Gesellschafter obliegenden Pflicht, die Forderung des Verbandsgläubigers nicht zu entwerten, im allgemeinen erzwingbar ist, der Gläubiger also nicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen wird 22 .
VI. Insgesamt verbindet sich mit dem gewählten Ansatz die Hoffnung, berechtigten Schutzinteressen des Gesellschaftsgläubigers gerecht zu werden und doch eine Situation zu vermeiden, wie sie für den Haftungsdurchgriff mit folgenden Worten beschrieben wurde: „Er trifft wie ein Blitzschlag: selten, hart und regellos" 23 .
19
S. Teil 3, Kap. 2, 3.a. S. Teil 3, Kap. 2, 3.a und b. 21 S. Teil 3, Kap. 2, 3.c. 22 S. Teil 3, Kap. 2, 4. 23 So die von Roth, ZGR 1986, 371, 372 gegebene Übersetzung einer auf das amerikanische Recht bezogenen Äußerung von Easterbrook/Fischel; s. dies., 52 U. Chic. Law Rev. (1985) 89. 20
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